21 - Virologie Wien
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”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____ <strong>21</strong>/10<br />
Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz<br />
Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp<br />
Department f. <strong>Virologie</strong> d. Med. Universität <strong>Wien</strong><br />
1095 <strong>Wien</strong>, Kinderspitalgasse 15<br />
Tel. +43 1 40490-79500 Fax: +43 1 40490-9795<br />
e-mail: virologie@meduniwien.ac.at<br />
homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at<br />
Adenoviren<br />
Nicole Perkmann-Nagele und Therese Popow-Kraupp<br />
In dieser Ausgabe der Virusepidemiologischen Information möchten wir uns mit der<br />
zu Unrecht wenig beachteten Virusgruppe der Adenoviren beschäftigen.<br />
Erstmals 1953 von Rowe (Rowe et al., Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 1953; 84:570-573) in<br />
Explantaten von Tonsillengewebe anhand des zytopathischen Effekts in vitro<br />
nachgewiesen, sind mittlerweile mehr als 50 humanpathogene Adenovirus-Serotypen<br />
bekannt, die entsprechend ihrer hämagglutinierenden und genetischen Eigenschaften in<br />
7 Spezies A bis G gegliedert werden. Adenoviren sind lytische DNA-Viren, die sich im<br />
Zellkern der Wirtszelle vermehren und zu Zelldegeneration und allgemeinen<br />
Entzündungserscheinungen der Schleimhäute führen. Die Erstinfektion findet meist<br />
schon in der frühen Kindheit statt und kann zu einer jahrelangen Persistenz der<br />
Adenoviren in den lymphatischen Geweben führen. Zunehmend wird in der Literatur<br />
auch von einer latenten Infektion gesprochen.<br />
Adenoviren verursachen ein breitgefächertes Spektrum von Krankheitsbildern,<br />
wobei Erkrankungen des Respirationstrakts (Pharyngitis, Tonsillitis, Bronchitis und<br />
Pneumonie), Gastroenteritiden und die hochkontagiöse Keratoconjunctivitis epidemica<br />
vorherrschen. Bei immungeschwächten Patienten, wie allogenen Stammzellempfängern<br />
oder Organ-Transplantierten, können, vor allem in den ersten Monaten nach der<br />
Transplantation, sehr schwer verlaufende disseminierte Adenovirusinfektionen auftreten,<br />
die oft von persistierenden, asymptomatischen Infektionen, ähnlich den bei Herpesviren<br />
beobachteten Reaktivierungen, ausgehen. Im Vergleich zu erwachsenen<br />
Transplantatempfängern sind Adenovirusinfektionen bei pädiatrischen Patienten deutlich<br />
Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott.<br />
Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
häufiger zu finden und können zu generalisierten Infektionen mit sepsisartigen<br />
Symptomen, Pneumonien, Meningo-Enzephalitiden, Hepatitiden, hämorrhagischen<br />
Zystitiden oder Myokarditiden führen.<br />
Adenovirus-Infektionen sind weltweit verbreitet und sporadische Erkrankungen<br />
treten ganzjährig auf. Da sie sehr umweltresistent sind können sie bei<br />
Zimmertemperatur bis zu Wochen infektiös bleiben. Die Übertragung erfolgt sowohl<br />
durch Schmierinfektion, als auch aerogen durch Tröpfcheninfektion. Infektionsquelle ist<br />
der akut Erkrankte, in der Regel in den ersten 5 bis 10 (maximal 14) Tagen der<br />
Erkrankung, gelegentlich auch latent Infizierte. Eine Ansteckungsmöglichkeit ist<br />
jedenfalls bei Nachweisbarkeit des Virus in Sekreten gegeben. Adenoviren replizieren<br />
vorwiegend in den Epithelzellen des Respirationstraktes bzw. des<br />
Gastrointestinaltraktes sowie in den dazugehörigen Lymphknoten.<br />
Abhängig vom jeweiligen Serotyp kann es nach einer Inkubationszeit von 5-10 Tagen<br />
zur Ausbildung unterschiedlicher Krankheitsbilder kommen.<br />
Die hochinfektiöse Keratoconjunctivitis epidemica tritt häufig im Rahmen<br />
nosokomialer Infektionen durch verunreinigte Instrumente auf und wird durch die<br />
Serotypen 8, 19 und 37 verursacht. Das klinische Bild ist durch einen plötzlichen Beginn<br />
mit Rötung, ringförmiger Bindehautschwellung sowie präaurikulärer<br />
Lymphknotenschwellung gekennzeichnet. Die Läsionen der Hornhaut können zu<br />
wochenlangen Sehstörungen führen, als Komplikation gelten bleibende Nummuli der<br />
Hornhaut.<br />
Das Pharyngokonjunktivalfieber (Serotypen 3, 4, 7), welches epidemisch bei<br />
Vorschul- und Schulkindern auftritt, ist charakterisiert durch plötzliches Fieber, akute<br />
Pharyngitis, Rhinitis, zervikaler Lymphadenopathie und follikulärer Entzündung der<br />
Bindehaut. Tritt ausschließlich eine Beteiligung der Konjunktiven auf, wird die<br />
Erkrankung als follikuläre Konjunktivitis bezeichnet.<br />
Adenovirusbedingte Gastroenteritiden (Serotypen 40 und 41), die klinisch nicht von<br />
Durchfallerkrankungen anderer Ätiologie zu unterscheiden sind, findet man vor allem bei<br />
Säuglingen und Kleinkindern. Oft tritt zusätzlich Fieber und mildes Erbrechen auf und<br />
die Kombination mit respiratorischen Symptomen ist möglich.<br />
VIR. EP. INF. NR. _______ <strong>21</strong>/10-2<br />
Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. <strong>Virologie</strong> d. Med. Universität <strong>Wien</strong><br />
Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. <strong>Virologie</strong> d. Med. Universität <strong>Wien</strong><br />
Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott.<br />
Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
Infektionen des Respirationstraktes sind ebenfalls bei Kindern sehr häufig, jedoch<br />
nicht auf diese Altersgruppe beschränkt. Die Symptome der Atemwegserkrankung durch<br />
Adenoviren reichen von der einfachen Erkältung über Bronchitis bis hin zur Pneumonie.<br />
In einer rezenten portugiesischen Studie konnten Adenoviren als zweithäufigste Erreger<br />
(10%) nach dem Respiratory Syncytial Virus (66.7%) bei Kindern
Tatsache bedenken, dass Adenoviren über einen längeren Zeitraum ausgeschieden<br />
werden können und somit ihr Nachweis im klinischen Material nicht unbedingt einen<br />
kausalen Zusammenhang mit dem aktuellen akuten Krankheitsgeschehen beweist. Das<br />
Testergebnis muss daher immer im Kontext mit dem klinischen Bild interpretiert werden.<br />
Der serologische Nachweis einer Adenovirusinfektion wird mittels der Komplement-<br />
Bindungs Reaktion (KBR) durchgeführt. Hier ist jedoch eine wiederholte Untersuchung<br />
im Abstand von 10 bis 14 Tagen erforderlich um die Infektion durch einen mindestens 4-<br />
fachen Titeranstieg zu beweisen und ist daher keine brauchbare Alternative zu den<br />
empfindlichen und raschen Virusnachweismethoden.<br />
Bei den zumeist selbstlimitierenden Adenovirusinfektionen ist in der Regel nur eine<br />
symptomatische Behandlung erforderlich. Bei sehr schwer verlaufenden Erkrankungen<br />
werden antivirale Chemotherapeutika (z.B. Cidofovir, Ganciclovir, Ribavirin)<br />
versuchsweise eingesetzt, da für diese in vitro eine antivirale Aktivität gegen Adenoviren<br />
gezeigt werden konnte. Der klinische Nutzen dieser Substanzen bei Infektionen mit<br />
Adenoviren einerseits und die Gefahr der Resistenzbildung sowie die ihrer Toxizität<br />
andererseits werden sehr kontroversiell diskutiert.<br />
Mit Erfolg wurde in den USA bei Militärrekruten eine Impfung gegen die Adenovirus-<br />
Serotypen 4 und 7 durchgeführt (Russell et al., Vaccine 2006; 24(15): 2835-2842).<br />
Nachdem die Impfung aus wirtschaftlichen Gründen allerdings wieder eingestellt wurde,<br />
kam es erneut zu Infektionsausbrüchen, die eine Wirksamkeit dieser Impfung<br />
nachträglich belegten. Derzeit steht kein Impfstoff zur Prophylaxe von<br />
Adenovirusinfektionen zur Verfügung.<br />
VIR. EP. INF. NR. _______ <strong>21</strong>/10-4<br />
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Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. <strong>Virologie</strong> d. Med. Universität <strong>Wien</strong><br />
Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott.<br />
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