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«Nicht wegen Kleinigkeit zum Arzt rennen» - Netzwerk Spitäler des ...

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Der Bund Wirtschaft Montag, 16.November 2009<br />

«Nicht <strong>wegen</strong> <strong>Kleinigkeit</strong> <strong>zum</strong> <strong>Arzt</strong><br />

rennen»<br />

Von Sarah Nowotny, Hans Galli.<br />

Spitalleiter Peter Kappert zeigt sich überzeugt, dass sich der Sonnenhof auch<br />

unter dem ab 2012 geltenden System behaupten wird.<br />

Peter Kappert: «Man sollte unter den Spitälern noch enger zusammenarbieten. (Valérie Chételat)<br />

Spitäler und Prämien in Bern<br />

Spitäler und Prämien in Bern 2012 wird die bernische Spitallandschaft umgepflügt. Dann kommt das Tarifsystem<br />

«Swiss DRG» <strong>zum</strong> Einsatz: Abgerechnet wird überall nur noch mittels Fallpauschalen. Die Kosten der<br />

Behandlungen übernimmt zu 55 Prozent der Kanton, 45 Prozent bleiben den Kassen. Das neue System soll den<br />

Wettbewerb verstärken; alle Spitäler müssen ihre Investitionen selber finanzieren. Das Geld wird aber nicht für<br />

alle reichen. Der Kanton will <strong>des</strong>halb seine Spitalliste, welche die von ihm finanzierten Institutionen aufführt,


anpassen. Dieses Jahr sind die Krankenkassenprämien im Kanton so stark wie seit 1996 nicht mehr gestiegen: um<br />

durchschnittlich 11,5 Prozent für Erwachsene. (sn)<br />

Herr Kappert, sind die Privatspitäler am Prämienschock im Kanton Bern mitschuldig<br />

Diese Fragen müssen Sie den Krankenkassen stellen. Ich kenne deren Berechnungsmethoden<br />

nicht. Der Umsatz der Klinik Sonnenhof ist immer noch gleich hoch wie vor drei oder vier<br />

Jahren. Somit gehören wir nicht zu den Verursachern <strong>des</strong> Prämienanstiegs.<br />

Aber die Prämien sind in Bern auch <strong>wegen</strong> der besonderen Stellung der Privatspitäler<br />

höher.<br />

Seit 2004 müssen oder dürfen wir Privatspitäler auch grundversicherte Patienten behandeln.<br />

Das führte damals zu einem Kostenschub für die Krankenkassen. Dieser wirkt bis heute nach,<br />

weil der Kanton Bern nichts an deren Behandlungskosten zahlt. Das wird sich ändern: Ab<br />

2012 muss der Kanton die Hälfte übernehmen, was die Kassen entlasten wird.<br />

Die Frage stellt sich, ob die Prämien auch <strong>des</strong>halb steigen, weil Berner länger im Spital<br />

bleiben als andere. Dies wiederum könnte damit zu tun haben, dass es im Kanton<br />

Überkapazitäten gibt. Das Bettenangebot bestimmt die Nachfrage.<br />

Da sind wir bei der Gretchenfrage. Ich behaupte, die Nachfrage bestimmt das Angebot. Das<br />

ist das Hauptproblem in der Schweiz. Wir sind ein verwöhntes Volk. Die Menschen müssten<br />

mehr Selbstverantwortung übernehmen und nicht <strong>wegen</strong> jeder <strong>Kleinigkeit</strong> <strong>zum</strong> <strong>Arzt</strong> rennen.<br />

Warum aber bleiben Bernerinnen und Berner länger im Spital als die Einwohner anderer<br />

Kantone<br />

Die jüngste Statistik der kantonalen Gesundheitsdirektion zeigt, dass die Patienten in den<br />

öffentlichen Spitälern zwei Tage länger bleiben als in den privaten. Warum das so ist, kann<br />

ich nicht sagen. Die Aufenthaltsdauer der Patienten wird den Spitälern ja schon heute nicht<br />

mehr vergütet.<br />

Was empfehlen Sie, um den Anstieg der Gesundheitsausgaben zu bremsen<br />

Auch ich habe keine einfache Antwort. Wir wollen ja die Leistungen nicht rationieren. Die<br />

Höhe der Kosten hängt mit unseren Ansprüchen zusammen. In der Schweiz ist nur das Beste<br />

gut genug – das gilt nicht nur im Gesundheitswesen. Zudem haben wir 26 verschiedene


kantonale Gesundheitssysteme. Die Kleinräumigkeit verursacht Ineffizienz und hohe<br />

Administrationskosten.<br />

Damit ist die Frage nicht beantwortet, wie der Kostenanstieg gebremst werden kann.<br />

Einer der Hauptgründe ist, dass wir Menschen länger leben. Wer vor zwei Jahrzehnten mit<br />

60 Jahren einen Herzinfarkt erlitt, verursachte Kosten für seine Beerdigung. Heute überlebt<br />

er dank einer Herzoperation oder der Gefässdilatation. Das erlaubt ihm einen Ausflug aufs<br />

Jungfraujoch. Dort gleitet er aus und muss als Folge die Hüfte operieren lassen. Später wird<br />

er krebskrank. Wenn er mit 90 Jahren stirbt, hat er Kosten von 200 000 Franken verursacht.<br />

Es ist doch eine Tatsache, dass vor allem in der Region Bern zu viele Spitäler dasselbe<br />

machen.<br />

Es wäre gut, wenn man im Salem etwas anderes als im Lindenhof und dort etwas anderes als<br />

im Engeried-Spital anbieten würde. Wir müssten unsere Angebote konzentrieren,<br />

zusammenlegen, nicht unbedingt streichen. Einig wird man sich aber nicht <strong>wegen</strong> der<br />

unterschiedlichen Besitzverhältnisse. Zumin<strong>des</strong>t bei den öffentlichen Spitälern sollte es aber<br />

funktionieren. Tut es jedoch ebenfalls nicht.<br />

Neben dem Inselspital betreibt das Engeried ein Brustzentrum. Braucht es zwei davon in<br />

der Region<br />

Ja, die braucht es. Wir machen viel mehr Mammografien als die Insel. Wir haben sogar die<br />

meisten Mammografie-Untersuchungen in der Schweiz.<br />

Aber je mehr Mammografien man macht, <strong>des</strong>to kompetenter wird man und <strong>des</strong>to besser ist<br />

es für die Patientinnen. Da würde es doch Sinn ergeben, sich zusammenzutun.<br />

Engeried und Insel sind sinnvoll. Das Frauenspital kann schon <strong>wegen</strong> seiner Grösse nicht<br />

alles abdecken. Ausserdem machen sie gewisse Sachen anders als wir. Frauen können dort<br />

nicht zu ihrem privaten Gynäkologen gehen. Deshalb sollten Patientinnen die Wahl haben.<br />

Mit dem Lindenhofspital kooperieren wir aber bereits, etwa bei Tumoruntersuchungen. Man<br />

sollte aber natürlich noch enger zusammenarbeiten.<br />

Versuchen Sie das denn<br />

Wir haben ja schon einiges unternommen. Fusioniert haben wir mit dem Engeried-Spital.<br />

Wir wollten auch mit dem Salem-Spital fusionieren, aber es wurde von Hirslanden gekauft.


Mit dem Inselspital betreiben wir den City-Notfall beim Bahnhof, sowie die PET Diagnostik<br />

AG Bern, welche beide keine Subventionen erhalten. Durch Zusammenlegungen und<br />

Kooperationen kann günstiger und somit innerhalb der vorgegebenen Tarife produziert<br />

werden. Überdies werden teure Investitionen besser ausgelastet.<br />

Gemäss den vorliegenden Prognosen werden die Krankenkassenprämien bis 2012 im<br />

Kanton Bern weiter happig steigen. Wird das neue Finanzierungsmodell danach die Wende<br />

bringen<br />

Die Versicherungen werden entlastet, während der Kanton mehr Patiententage<br />

mitfinanzieren muss. Wie stark sich das auf die Prämien auswirken wird und ob der Kanton<br />

die Steuern erhöhen muss, lässt sich noch nicht abschätzen.<br />

Um für 2012 gerüstet zu sein, bringen sich die Spitäler nun in Stellung, kaufen etwa teure<br />

Geräte. Sind Sie nicht gezwungen, bei diesem «Wettrüsten» mit<strong>zum</strong>achen<br />

Wir sind für das neue Finanzierungssystem bereit, ich wüsste nicht, was wir kaufen müssten.<br />

Je<strong>des</strong> Jahr haben wir zwischen fünf und zehn Millionen investiert.<br />

Was sollte der bernische Spitaldirektor Philippe Perrenoud (sp) im Hinblick auf 2012 tun<br />

Ob er Spitäler streichen muss, lässt sich heute noch nicht sagen. In der Peripherie braucht es<br />

meiner Meinung nach <strong>Netzwerk</strong>e von Haus- und Spezialärzten, die sich zusammentun und<br />

eine Infrastruktur gemeinsam nutzen. Diese <strong>Netzwerk</strong>e müssten mit Zentrumsspitälern<br />

vernetzt sein.<br />

Befürchten Sie, dass der Sonnenhof ab 2012 nicht mehr auf der kantonalen Spitalliste<br />

figurieren wird<br />

Nein, wir müssen am wenigsten befürchten. Von allen Privatspitälern tragen wir am meisten<br />

zur Grundversorgung in der Region Bern bei. Neben dem Inselspital verfügen wir über die<br />

grösste und älteste Notaufnahmestation. Wir arbeiten als einziges Privatspital sehr eng mit<br />

dem Inselspital zusammen. Professoren aus dem Inselspital arbeiten <strong>zum</strong> Teil bei uns. Mit<br />

unsern 21 Assistenzärzten tragen wir entscheidend zur Ausbildung der Ärzte bei. Der<br />

Sonnenhof ist zudem das einzige Spital im Osten Berns.<br />

Wie hoch ist der Anteil an Patienten mit obligatorischer Grundversicherung im Sonnenhof


Das sind rund 65 Prozent. Wir sind also darauf angewiesen, auf der kantonalen Spitalliste zu<br />

bleiben.<br />

Der Kanton wird künftig einen Fixpreis pro Fall festlegen – die Fallpauschale. Bereitet dies<br />

dem Sonnenhof Sorgen<br />

Nein, im Gegenteil. Wir hoffen, dass das neue System einen echten Vergleich zwischen den<br />

Spitälern ermöglichen wird. Es wird ein Aha-Erlebnis geben, wer wirklich gut ist und wer<br />

nicht.<br />

Sind Sie überzeugt, dass der Sonnenhof gut abschneiden wird<br />

Wir sind überzeugt, dass wir mit dem System der Fallpauschalen gut fahren werden. Drei<br />

Mitarbeitende nehmen bereits heute die entsprechenden Kodierungsarbeiten vor.<br />

Für den Vergleich der Spitäler sind Standards nötig. Ist es möglich, diese objektiv<br />

festzulegen<br />

Der Sonnenhof ist Mitglied der unabhängigen Klinikgruppe «Swiss Leading Hospitals». Als<br />

eine der wenigen Organisationen im Gesundheitswesen verfügen wir über ein<br />

Qualitätsstandard-System. In Europa kennt man insbesondere die ISO-Normen sowie die<br />

SQS-Standards. Auch die «Swiss Leading Hospitals» haben wegweisende Normen zur<br />

Prüfung der Qualitätsstandards entwickelt: Für alle medizinischen Bereiche wie Akutmedizin<br />

oder Psychiatrie gibt es einen Anforderungskatalog, in welchem die geforderten<br />

Minimalstandards aufgeführt und beschrieben sind. Je<strong>des</strong> Spital wird einer<br />

Aufnahmeprüfung unterzogen und alle drei Jahre erneut zertifiziert. Wir sind zudem im<br />

Gespräch mit der Schweizer Gesellschaft für Qualitätssicherung (SQS), ob unser Zertifikat als<br />

offizielles Label anerkannt werden kann. Der Sonnenhof ist überdies als Gesamtbetrieb ISOzertifiziert<br />

und hat die Rezertifizierung soeben bestanden.<br />

Welche Bedeutung hat dies für die kantonale Spitalliste<br />

Meines Erachtens sollte je<strong>des</strong> Spital ein Qualitätszertifikat vorweisen müssen, bevor es sich<br />

um die Aufnahme auf die Spitalliste bewerben darf. Eine Baufirma, welche sich um einen<br />

Autobahnabschnitt bemüht, muss auch ISO-zertifiziert sein. Dieselben Regeln müssen im<br />

Gesundheitswesen gelten. Unter den zertifizierten Spitälern wird eine Ausschreibung<br />

durchgeführt, und schliesslich kommen jene auf die Spitalliste, welche bestimmte Leistungen<br />

am günstigsten anbieten.


Der Kanton will aber nicht so vorgehen, er setzt vielmehr auf eine Mengenbeschränkung.<br />

Das führt einfach dazu, dass Patienten in ein womöglich qualitativ schlechteres Spital<br />

abgeschoben werden, wenn ein Spital sein Kontingent an Fällen ausgeschöpft hat.<br />

Auf der Internetseite von «Swiss Leading Hospitals» steht, das Ziel sei Spitzenmedizin in<br />

Verbindung mit Erstklasshotellerie. Das klingt, als würde viel Geld für etwas ausgegeben,<br />

was nicht zu den Kernkompetenzen eines Spitals gehört.<br />

Es stimmt, der Satz kann etwas in die Irre führen. Den Begriff «Luxus» sollte man nicht<br />

fördern. Aber es geht eigentlich nur darum, dass sich die Patienten abgesehen von ihren<br />

gesundheitlichen Problemen wohl fühlen, gut essen können, freundlichem Personal<br />

begegnen. Das kostet nicht mehr und hat nichts zu tun mit einem Fünf-Sterne-Hotel, aber<br />

mit einer Grundhaltung und einem Bewusstsein für eine umfassende Qualität.<br />

(Der Bund)

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