LOTOS - Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TU Hamburg ...
LOTOS - Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TU Hamburg ...
LOTOS - Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TU Hamburg ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>LOTOS</strong><br />
Logistics towards Sustainability<br />
Zusammenfassung<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
1
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Geför<strong>der</strong>t vom B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />
Impressum<br />
Bearbeitung<br />
Technische Universität <strong>Hamburg</strong>-Harburg<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Verkehrsplanung</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig<br />
Dipl.-Biol., Dipl.-Kfm. (FH) Peer Seipold<br />
Dipl.-Ing. Patric Drewes<br />
Dipl.-Logist. Jutta Wolff<br />
Dies ist die Zusammenfassung des vom B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Umwelt geför<strong>der</strong>ten Projekts<br />
„<strong>LOTOS</strong>: Logistics towards Sustainability“, das gemeinsam mit dem Unternehmen Tchibo<br />
GmbH sowie mit Unterstützung von Schlange & Co GmbH sowie dem <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (gemeinnützig) bearbeitet wurde.<br />
Stand: Januar 2010<br />
2
1 Einleitung<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Verkehrsplanung</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong><br />
Technische Universität <strong>Hamburg</strong>-Harburg<br />
Die reale Güterverkehrsentwicklung ist nicht nachhaltig. In <strong>der</strong> bisherigen Diskussion um die<br />
Steuerung von Wirtschaftsverkehrssystemen zu mehr Nachhaltigkeit konzentrieren sich<br />
Ansätze häufig auf die externe Kontextsteuerung durch politisch-planerische Vorgaben.<br />
Bekanntermaßen zeigen sich bisher nur wenige Steuerungsmechanismen als wirksam; noch<br />
ein geringerer Teil von ihnen besitzt auch die politische bzw. gesellschaftliche Akzeptanz.<br />
Gleichzeitig wird bei Umsetzungsvorhaben auf die Rationalitäten von Unternehmen <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong>en Selbststeuerungsfähigkeiten im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements gesetzt.<br />
Erfahrungen <strong>der</strong> unternehmerischen Praxis zeigen, dass die ökologische bzw. nachhaltige<br />
Optimierung von Güterverkehren in Unternehmen maßgeblich auf Basis definierter<br />
Instrumente o<strong>der</strong> Strukturen erfolgt (z. B. EMAS o<strong>der</strong> ISO 14.001).<br />
Der Wissenstransfer von Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung <strong>und</strong> Steuerung von<br />
logistischen Systemen wurde bisher vernachlässigt bzw. bestand darin, die Möglichkeiten<br />
einer nachhaltigen Gütermobilität schwerpunktmäßig im Rahmen von Stadt- bzw. City-<br />
<strong>Logistik</strong>-Projekten 1 zu realisieren bzw. beschränkte sich auf die Bereitstellung von<br />
Handlungsleitfäden zur Bestandsaufnahme von verkehrlichen Umweltauswirkungen 2 o<strong>der</strong> zur<br />
Darstellung innovative Konzepte 3 . Allerdings ist Datenbanken, Workshops, Seminaren u.ä.<br />
gemein, dass sie in Ihrer Wirkung primär informativ sind, auf freiwilliger Basis<br />
„unidirektional“ wirken <strong>und</strong> ihren Adressaten selten erreichen. Darüber hinaus werden <strong>für</strong><br />
diesen Prozess <strong>der</strong> Informationsgenerierung in Unternehmen erfahrungsgemäß keine bzw.<br />
kaum ausreichende personelle Ressourcen eingesetzt. Es fehlt also an einer <strong>der</strong><br />
Steuerungsfähigkeit vorausgehenden Wissensentwicklung <strong>und</strong> -umsetzung.<br />
Sowohl im Rahmen <strong>der</strong> systematischen Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Bearbeitung von<br />
Umweltmanagementsystemen als auch im Falle <strong>der</strong> Umsetzung von Leuchtturmprojekten<br />
wird erfahrungsgemäß die „Wissensentwicklung“, die eine Steuerung erst möglich macht,<br />
primär innerhalb <strong>der</strong> Unternehmen – unter Nutzung frei verfügbarer Fachmedien (EDV,<br />
Internet, Print-Literatur usw.) – durchgeführt. Externes „personelles“ Expertenwissen wird<br />
dagegen nur sehr selektiv hinzugezogen. Hierbei muss das aktuell verfügbare Wissen<br />
1<br />
MWMEV (Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Mittelstand, Energie <strong>und</strong> Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) (Hrsg.)<br />
(2000): Modellvorhaben Stadtlogistik NRW 1995-2000. Konzepte - Umsetzung - Empfehlungen.<br />
Abschlussdokumentation. Düsseldorf. (Bearbeitet durch Ingo Einacker, Heike Flämig, Christian Schnei<strong>der</strong>).<br />
2<br />
UBA (Umweltb<strong>und</strong>esamt) (1999) (Hrsg.): Verkehr im Umweltmanagement – Anleitung zur betrieblichen Erfassung<br />
verkehrsbedingter Umwelteinwirkungen, Berlin. http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdfl/1907.pdf#search=%22UBA%<br />
20%22Prof.%20Mario%20Schmidt%22%20Leitfaden%22 (letzter Aufruf am: 15.09.06).<br />
3<br />
HBS/DGB (Hans-Böckler-Stiftung, Deutscher Gewerkschaftsb<strong>und</strong>) (Hrsg.) (2001): Strategien <strong>für</strong> die Mobilität <strong>der</strong><br />
Zukunft - Handlungskonzepte <strong>für</strong> lokale, regionale <strong>und</strong> betriebliche Akteure. Düsseldorf. (Bearbeitet durch Heike<br />
Flämig, Wulf-Holger Arndt, Markus Hesse).<br />
3
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
umfassend <strong>und</strong> zielgruppengerecht ermittelt, bewertet, ausgewählt <strong>und</strong> auf das jeweilige<br />
Unternehmen übertragen werden. Im Rahmen dieser fallbezogenen Beziehung zwischen<br />
„Unternehmen“ mit selektiven „Wissensinseln“ wird jedoch nur ein geringer Teil des<br />
tatsächlich (in Deutschland) zur Verfügung stehenden Wissens <strong>für</strong> „nachhaltige logistische<br />
Prozesse“ genutzt, da ein umfassen<strong>der</strong> Wissenstransfer in die Praxis beim Unternehmen auch<br />
die Kenntnis <strong>und</strong> den unmittelbaren Zugriff auf ein aktives Netzwerk an externen Kontakten<br />
voraussetzt sowie die Fähigkeit, ermittelte „Wissenskontakte“ <strong>der</strong> relevanten Themenfel<strong>der</strong><br />
zielführend inhaltlich zu bewerten, aufgabenbezogen zu selektieren <strong>und</strong> vor allem in einem<br />
konkreten Praxisprojekt synergetisch zusammenzuführen. Hier schließt die zentrale<br />
Forschungsfrage an, inwieweit das existierende umfangreiche (externe) Potential an<br />
anwendungsorientiertem Fachwissen in den Themenbereichen „Nachhaltigkeit“, „<strong>Logistik</strong>“<br />
<strong>und</strong> „Gütermobilität“ <strong>für</strong> die nachhaltige Gestaltung <strong>und</strong> Steuerung <strong>der</strong> <strong>Logistik</strong> eines<br />
Unternehmens erschlossen werden kann.<br />
2 Forschungsprojekt: Ziele, Fragen <strong>und</strong> Methode<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> starteten die Technische Universität <strong>Hamburg</strong>-Harburg (<strong>TU</strong>HH) <strong>und</strong><br />
die Tchibo GmbH, geför<strong>der</strong>t vom B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong><br />
Reaktorsicherheit (BMU) im November 2006 das Projekt <strong>LOTOS</strong> – „Logistics towards<br />
Sustainability“.<br />
Ziel des Projekts ist die Initiierung <strong>und</strong> die Implementierung eines kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozesses unter Nachhaltigkeitskriterien zur Reduzierung von Ressourcenverbräuchen<br />
<strong>und</strong> Kohlenstoffdioxidemissionen entlang <strong>der</strong> gesamten Gütertransportkette am<br />
Beispiel des Unternehmens Tchibo. Da die ökologischen <strong>und</strong> sozialen Folgen von<br />
logistischen Prozessen umfangreich <strong>und</strong> komplex sind, erfolgte im Projektrahmen eine<br />
Beschränkung auf die Emissionsbilanzierung von Kohlendioxid (CO2) als Leitindikator.<br />
Vor dem aufgezeigten Hintergr<strong>und</strong> leiten sich folgende Forschungsfragen ab:<br />
- Welche Vorgehensweise zur Emissionsbilanzierung ist geeignet, Schwachstellen <strong>und</strong><br />
Potentiale einer nachhaltigen Gütermobilität eines Unternehmens zu identifizieren?<br />
- Inwieweit lassen sich die vorhandenen „Wissensinseln“ <strong>für</strong> die unmittelbare<br />
Wissensanwendung <strong>und</strong> -umsetzung auf eine reale Unternehmenssituation nutzen?<br />
- Wie sind die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Umsetzung zu bewerten?<br />
Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen kamen neben <strong>der</strong> klassischen logistischen<br />
Prozessanalyse drei Vorgehensweisen bzw. Instrumente zur Anwendung. Eine detaillierte<br />
Beschreibung wird auf <strong>der</strong> Homepage des Projekts (unter http://www.vsl.tuharburg.de/<strong>LOTOS</strong>)<br />
veröffentlicht.<br />
Für die Emissionsbilanzierung wurde im Rahmen des Projekts ein dreistufiges Vorgehen<br />
entwickelt. Zunächst gilt es die Bilanzierungsgrenzen zu bestimmen, um den Rahmen <strong>für</strong> die<br />
Bilanzierung bewusst zu wählen, die Bilanzierung vorzubereiten, um alle notwendigen<br />
Parameter <strong>und</strong> Hilfsmittel zu identifizieren, um dann die eigentliche Bilanzierung<br />
durchzuführen, indem die eigentliche Kalkulation <strong>und</strong> Auswertung realisiert wird. Die<br />
folgende Abbildung 1 gibt eine Übersicht über den Dreischritt <strong>der</strong> Bilanzierung.<br />
4
Bestimmen <strong>der</strong><br />
Bilanzierungsgrenzen<br />
Vorbereiten <strong>der</strong><br />
Bilanzierung<br />
Durchführen <strong>der</strong><br />
Bilanzierung<br />
Abbildung 1: Dreischritt <strong>der</strong> Bilanzierung<br />
- Auswählen geeigneter Indikatoren<br />
- Identifizieren <strong>der</strong> wesentlichen Transporte<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
- Abschätzen <strong>der</strong> Einflussmöglichkeit auf die Transporte<br />
- Festlegen <strong>der</strong> Bilanzierungsgrenzen<br />
- Gewinnen von Daten<br />
- Auswählen einer geeigneten Berechnungsweise<br />
- Festlegen <strong>der</strong> Emissionsfaktoren<br />
- Aufbauen des Berechnungsinstrumentes<br />
- Durchführen <strong>der</strong> Datenaufnahme<br />
- Berechnen <strong>der</strong> CO2-Emissionen<br />
- Analysieren <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
Für die Maßnahmengewinnung <strong>und</strong> -auswahl zur nachhaltigen Gestaltung <strong>und</strong> Steuerung <strong>der</strong><br />
Transportketten wurde das „Konzept <strong>der</strong> Wissensinseln“ entwickelt. Es baut auf <strong>der</strong> Idee auf,<br />
das existierende umfangreiche Potential an anwendungsorientiertem Fachwissen in den<br />
Themenbereichen „Nachhaltigkeit“, „<strong>Logistik</strong>“ <strong>und</strong> „Gütermobilität“ <strong>für</strong> eine praxisbezogene<br />
Aufgabenstellung zu erschließen.<br />
Dieses Wissen verteilt sich auf ganz unterschiedliche – in <strong>der</strong> Regel themenspezifische –<br />
„Wissensinseln“, wie Universitäten, Verbände, Öffentliche <strong>Institut</strong>ionen <strong>und</strong> NGO’s (Non-<br />
Governmental Organization). Jede „Wissensinsel“ verfügt wie<strong>der</strong>um über ein eigenes,<br />
selektives Netzwerk zu an<strong>der</strong>en Wissensinseln. Diese kleinen Netzwerke werden im Rahmen<br />
des Konzeptes als so genannte „Wissensatolle“ bezeichnet.<br />
5
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Abbildung 2: Innovatives Vorgehen – Verknüpfung von „Wissensinseln“<br />
Das Wissensinselnkonzept bildet zusammen mit Methoden <strong>der</strong> Maßnahmenverdichtung, die<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Maßnahmengewinnung <strong>und</strong> -auswahl. Für die Anwendung des<br />
Wissensinselnkonzepts sind zunächst geeignete Experten zu identifizieren <strong>und</strong> zu gewinnen,<br />
um zielorientiert an den zentralen Fragestellungen arbeiten zu können. Die Einbindung <strong>der</strong><br />
Experten in mo<strong>der</strong>ierten Workshops <strong>und</strong> ein detailliertes Workshopkonzept sichert die<br />
effiziente, zielorientierte Wissensübertragung zu möglichen Maßnahmen. Für die eigentlich<br />
Maßnahmenauswahl kommen die klassischen Instrumente <strong>der</strong> Cluster 4 - <strong>und</strong><br />
Nutzwertanalyse 56 zum Einsatz. Die finale Auswahl erfolgt in <strong>der</strong> Regel durch die<br />
Geschäftsleitung eines Unternehmens in Abstimmung mit dem Basisteam.<br />
4<br />
Backhaus, Klaus; Bernd Erichson; Wulff Plinke; Rolf Weiber: Multivariate Analysemethoden : eine<br />
anwendungsorientierte Einführung. 11., überarbeitete Auflage. Springer Verlag, Berlin, 2006, S. 490<br />
5 Bechmann, Arnim: Nutzwertanalyse, Bewertungstheorie <strong>und</strong> Planung. Hrsg. Prof. Dr. Egon Tuchtfeldt. Band 29 in <strong>der</strong><br />
6<br />
Schriftreihe: Beiträge zur Wirtschaftspolitik. Verlag Paul Haupt, Bern Stuttgart, 1978<br />
6 Zangemeister, Christof: Nutzwertanalyse in <strong>der</strong> Systemtechnik: Eine Methodik zur multidimensionalen Bewertung <strong>und</strong><br />
Auswahl von Projektalternativen. 4. Auflage, Wittemann Verlag, München 1976
Expertenakquise<br />
Wissensübertragung<br />
Maßnahmenauswahl<br />
- Identifizieren von Experten<br />
- Gewinnen von Experten<br />
- Durchführen von Expertenworkshops<br />
- Durchführen einer Clusteranalyse<br />
- Durchführen einer Nutzwertanalyse<br />
- Finales Auswählen <strong>der</strong> Handlungsoptionen<br />
Abbildung 3: Dreischritt <strong>der</strong> Maßnahmengewinnung <strong>und</strong> -auswahl<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Die Maßnahmenumsetzung wird mit dem Instrumentarium <strong>der</strong> Planungsanalyse 7 bewertet.<br />
Gegenstand bildet die Untersuchung <strong>der</strong> Inhalte (Outputs), <strong>der</strong> Folgen (Impacts/Outcomes)<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Entstehungsbedingungen (unternehmens)politische Handelns. Dabei zielt<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Berücksichtigung <strong>der</strong> Organisationsstrukturen (Aufbau- <strong>und</strong> Ablauforganisation)<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Entscheidungsprozesse (Akteursarena <strong>und</strong> das Verhalten <strong>der</strong> Akteure)<br />
auf die Erfassung sowohl harter (z. B. technische, organisatorische) als auch weicher (z. B.<br />
Handeln, Verhalten) Steuerungsbedingungen. Die Planungsanalyse umfasst fünf<br />
Analyseebenen:<br />
• Die Situationsanalyse liefert einen Überblick über den Planungsgegenstand bzw. über das<br />
Planungsobjekt, die Ausgangsbedingungen <strong>und</strong> die strukturellen Merkmale.<br />
• Die Zielanalyse liefert die zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Handlungsorientierungen.<br />
• Die Maßnahmenanalyse bildet die einzelnen Maßnahmen, Ansätze o<strong>der</strong> Konzepte<br />
möglichst wertfrei ab <strong>und</strong> liefert eine systematische Beschreibung <strong>der</strong><br />
•<br />
Systeminterventionen.<br />
Die Wirkungsanalyse prüft die Wirkungen des unternehmerischen, planerischen o<strong>der</strong><br />
politischen Handelns (Handlungswirkungsanalyse: Abweichung des geplanten <strong>und</strong><br />
realisierten Handelns) <strong>und</strong> <strong>der</strong> umgesetzten Maßnahmen hinsichtlich ihres<br />
Zielerreichungsgrads (Maßnahmenwirkungsanalyse: Aussagen zu Luftemissionen,<br />
Lärmimmissionen, Verschleiß, Sicherheit usw., also zu den substanziellen Wirkungen).<br />
• Die Determinantenanalyse untersucht die Aufbau- <strong>und</strong> Ablauforganisation<br />
(Organisationsanalyse) sowie die Akteursarena <strong>und</strong> Entscheidungsabläufe<br />
(Handlungsanalyse) unter Berücksichtigung <strong>der</strong> gegebenen Rahmenbedingungen, um die<br />
Entstehungs- <strong>und</strong> Umsetzungsbedingungen des Planungsprozesses nachzuzeichnen <strong>und</strong><br />
die Erfolgsfaktoren <strong>und</strong> Hemmnisse benennen zu können.<br />
7<br />
Flämig, H.: Güterverkehrssysteme in Verdichtungsräumen: Empirische Analysen, Umsetzungsprozesse,<br />
Handlungsempfehlungen. ECTL Working Paper 28, Hrsg.: Technische Universität <strong>Hamburg</strong>-Harburg, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Verkehrsplanung</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>, <strong>Hamburg</strong> 2004, Dissertation<br />
7
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
3 Der Anwendungsfall<br />
3.1 Das Unternehmen Tchibo<br />
Die Tchibo GmbH ist eines <strong>der</strong> größten deutschen weltweit tätigen Konsumgüter- <strong>und</strong><br />
Einzelhandelsunternehmen. Neben zahlreichen Röstkaffeeprodukten (Food) bietet Tchibo in<br />
verschiedenen europäischen Län<strong>der</strong>n ein wöchentlich wechselndes Angebot an<br />
Gebrauchsartikeln (Non Food) an. Das Unternehmen setzte im Geschäftsjahr 2008 mit ca.<br />
12.000 Beschäftigten r<strong>und</strong> 3,2 Mrd. Euro um.<br />
Der Bereich Corporate Responsibility <strong>der</strong> Tchibo GmbH wurde im Oktober 2006 geschaffen<br />
<strong>und</strong> ist verantwortlich <strong>für</strong> das strategische <strong>und</strong> koordinierende Management ökologischer <strong>und</strong><br />
sozialer Auswirkungen <strong>der</strong> Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Dazu gehört beispielsweise<br />
die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), <strong>der</strong> den Lieferanten<br />
Vorgaben zu <strong>der</strong> Einhaltung von Sozialstandards gibt, wie zum Beispiel das Verbot von<br />
Kin<strong>der</strong>arbeit, die höchst zulässigen Arbeitszeiten <strong>und</strong> Entlohnung <strong>der</strong> Beschäftigten o<strong>der</strong> dem<br />
Recht auf Gewerkschafts- <strong>und</strong> Tarifverhandlungsfreiheit. Den Anspruch eines nachhaltigen<br />
Rohkaffeeanbaus verfolgt Tchibo mit einem wachsenden Anteil verantwortlich angebauter<br />
Kaffees, die nach den Standards <strong>der</strong> Organisationen „Rainforest Alliance“, „Fairtrade“ <strong>und</strong><br />
„4C Association“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> EG Ökoverordnung angebaut wurden. Bereits vor <strong>der</strong> Einrichtung<br />
des Bereichs CR wurde in <strong>der</strong> Tchibo <strong>Logistik</strong> auf die Nutzung <strong>der</strong> umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />
Verkehrsträger Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff großen Wert gelegt. Die Errichtung <strong>der</strong><br />
Distributionszentren z.B. in Bremen <strong>und</strong> Neumarkt folgte daher in geographischer Nähe zu<br />
Güterverkehrszentren. Die Belieferung <strong>der</strong> Kaffeeproduktion in Marki sowie die Versorgung<br />
<strong>der</strong> Distributionszentren aus dem zentralen Vorratslager in Bremen wurde bereits weitgehend<br />
von <strong>der</strong> Straße auf die Schiene umgestellt. Der Vortransport von <strong>Hamburg</strong> <strong>und</strong> Bremerhaven<br />
nach Bremen erfolgt überwiegend per Binnenschiff <strong>und</strong> Bahn.<br />
3.2 Logistische Struktur bei Tchibo<br />
Die Beschaffungslogistik erfolgt getrennt <strong>für</strong> die Bereiche Non Food <strong>und</strong> Food von den<br />
Abgangshäfen bis zu dem zentralen Vorratslager. Die Distributionslogistik ab diesem Lager<br />
zu den Verkaufsstätten erfolgt gebündelt.<br />
Im Bereich Non Food erfolgt die Beschaffung vom Abgangshafen in Übersee über die<br />
deutschen Empfangshäfen bis zum zentralen Vorratslager. Die Ware läuft über das zentrale<br />
Vorratslager in Bremen, das mit über 200.000 Paletten-Stellplätzen eines <strong>der</strong> größten Läger in<br />
Europa ist. Die Distribution <strong>der</strong> Non Food Artikel erfolgt ab dem Vorratslager über die<br />
Distributionszentren bis zum Verkaufspunkt, wobei auf bestimmten Relationen die Transporte<br />
über Umschlagspunkte gesteuert werden, wenn Bündelungseffekte bis dorthin genutzt werden<br />
können.<br />
Im Bereich Food erfolgt die Beschaffung in Abhängigkeit von den jeweiligen Produkten.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich läuft die Beschaffung ab dem Seehafen in Übersee, über den Seehafen in<br />
Deutschland, über das Vorratslager im Hafen bis zur Produktion. Die Distribution erfolgt<br />
analog zu den Non Food-Artikeln.<br />
Der Vertrieb von Food- <strong>und</strong> Non Food-Artikeln erfolgt entwe<strong>der</strong> über die eigenen Filialen,<br />
die so genannten Depots im Lebensmittel- <strong>und</strong> Fachhandel o<strong>der</strong> über den Versandhandel.<br />
8
3.3 CO2-Bilanzierung<br />
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Aufbauend auf <strong>der</strong> Bestandsaufnahme des transportlogistischen Systems wurden die CO2-<br />
Emissionen <strong>der</strong> Transporte <strong>für</strong> das Jahr 2006 bilanziert. Bei <strong>der</strong> Bilanzierung standen<br />
folgende Ziele im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>:<br />
• Transparenz über die Ressourcenverbräuche<br />
• Identifizierung von Hot Spots <strong>für</strong> die Maßnahmenableitung<br />
• Vorbereitung <strong>der</strong> Implementierung einer jährlichen CO2-Bilanzierung bei Tchibo<br />
Die Bilanzgrenzen wurden wie folgt gewählt:<br />
„Es werden alle außerbetrieblichen Waren- <strong>und</strong> Gütertransporte betrachtet, die im Namen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />
im Auftrag <strong>der</strong> Tchibo GmbH zur Abwicklung <strong>der</strong> Geschäftstätigkeiten durchgeführt <strong>und</strong> bezahlt<br />
werden.“ Geschäftstätigkeiten umfassen in diesem Zusammenhang den Verkauf von Food <strong>und</strong> Non<br />
Food in den Filialen, dem Lebensmittel- <strong>und</strong> Fachhandel (inkl. Coffee-Bar), sowie die Bereiche<br />
Tchibo Direct, Coffee-Service <strong>und</strong> den Kaffee-Export.<br />
Die Festlegung dieser Betrachtungsgrenzen war maßgeblich davon bestimmt, dass das<br />
Unternehmen Tchibo sich zum einen zunächst auf den selbstbestimmten Aktionsraum<br />
beschränken wollte <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die Datenverfügbarkeit innerhalb dieser Grenzen<br />
deutlich besser war. Darüber hinaus wurden lediglich die beim Transport entstehenden CO2-<br />
Emissionen ohne die dazugehörige Vorkette betrachtet - mit Ausnahme <strong>der</strong> elektrifizierten<br />
Bahntransporte, da in diesem Fall <strong>der</strong> Hauptteil <strong>der</strong> Emissionen bei <strong>der</strong> Stromerzeugung<br />
entsteht. Ohne Betrachtung <strong>der</strong> Vorketten bei den elektrifizierten Bahnen wäre zudem<br />
Vergleich zu den an<strong>der</strong>en Verkehrsmitteln schwierig.<br />
Als Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die detaillierte Analyse <strong>der</strong> Transportströme wurde eine erste<br />
Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Transporte bei Tchibo <strong>für</strong> das Jahr 2006 durchgeführt <strong>und</strong> die damit<br />
verb<strong>und</strong>enen CO2-Emissionen ermittelt. Die Datenbeschaffung im Unternehmen wurde in<br />
direkter Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Tchibo durchgeführt. Verarbeitet wurden die<br />
Daten über ein in MS-Excel angelegtes Berechnungsinstrument. Die identifizierten Daten-<br />
<strong>und</strong> Informationslücken wurden soweit es ging geschlossen. Wenn Annahmen getroffen<br />
wurden, sind diese umfassend dokumentiert. In Tabelle 1 ist das Gesamtergebnis <strong>der</strong><br />
Bilanzierung des Transportaufwands <strong>und</strong> <strong>der</strong> emittierten CO2-Emissionen verteilt auf die<br />
Verkehrsträger absolut <strong>und</strong> anteilig dargestellt. Im Jahr 2006 wurden durch das Unternehmen<br />
Tchibo r<strong>und</strong> 6,77 Mrd. Tonnenkilometer generiert <strong>und</strong> insgesamt ca. 128.500 Tonnen CO2<br />
emittiert.<br />
Verkehrsträger CO2-Emissionen [t] Anteile Transportaufwand [tkm] Anteile<br />
Binnenschiff 113 0,1% 3.561.032 0,1%<br />
Flugzeug 506 0,4% 624.700 0,0%<br />
Schiene 2.333 1,8% 102.929.478 1,6%<br />
Strasse 26.647 20,8% 167.250.589 2,6%<br />
Seeschiff 98.820 77,0% 3.215.068.437 95,8%<br />
128.419 6.489.434.236<br />
Tabelle 1: Gesamtergebnis Emissionsberechnung 2006 verteilt über die Verkehrsträger<br />
9
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Als Schlussfolgerung aus <strong>der</strong> prozentualen Verteilung <strong>der</strong> Gesamtemissionen wurde <strong>der</strong><br />
Hauptfokus auf die Transportarten gelegt, die den höchsten Anteil an den gesamten<br />
transportbedingten CO2-Emissionen aufweisen: Seeschifftransporte mit einem Anteil von 77<br />
Prozent <strong>und</strong> Straßentransporte mit einem Anteil von 21 Prozent. Bezogen auf die Verteilung<br />
<strong>der</strong> Emissionen über die Abschnitte <strong>der</strong> Transportkette bilden <strong>der</strong> „Food Seetransport“, <strong>der</strong><br />
„Non Food Seetransport“ <strong>und</strong> die „Food <strong>und</strong> Non Food Belieferung Verkauf <strong>und</strong><br />
Rückwärtslogistik“ die Emissionsschwerpunkte („Hot Spots“).<br />
3.4 Wissenstransfer <strong>und</strong> Wissensgenerierung<br />
Der zentrale Projektbaustein umfasste das innovative Vorgehen zum Transfer von externem<br />
Wissen in das Unternehmen. Im Mittelpunkt standen dabei „wissensbasierte<br />
Expertenworkshops“ zum Austausch von Wissen zwischen Experten <strong>und</strong> verantwortlichen<br />
Mitarbeiter(innen) des Unternehmens, um Maßnahmen zur Reduzierung transportbedingter<br />
Ressourcenverbräuche des Unternehmens <strong>für</strong> die identifizierten Hot Spots zu identifizieren.<br />
Vor dem eigentlichen Wissenstransfer bzw. <strong>der</strong> Wissensgenierung stand zunächst die<br />
Identifizierung <strong>und</strong> Gewinnung geeigneter Experten. Da es sich um ein relativ breites<br />
Themenspektrum handelte, musste interdisziplinär nach Experten <strong>und</strong> Wissensträgern<br />
recherchiert werden. War die Zeit <strong>für</strong> das eigentlichen „Identifizieren“ noch überschaubar,<br />
stellte sich insbeson<strong>der</strong>e die Ansprache <strong>und</strong> Gewinnung <strong>der</strong> Experten als sehr zeit- <strong>und</strong><br />
arbeitsintensiv heraus. Insgesamt waren es weit über 1.000 Kontaktaufnahmen, die in einem<br />
engen Zeitfenster geleistet wurden.<br />
Im Rahmen von fünf Workshops wurde das interdisziplinäre, externe Wissen von 33 Experten<br />
im Unternehmen fallbezogen zusammengeführt, um Handlungsoptionen zu erarbeiten, die<br />
geeignet sind, dauerhaft CO2-Emissionen in <strong>der</strong> Transportkette zu reduzieren. Als Ergebnis<br />
wurden über 200 Vorschläge <strong>für</strong> Handlungsoptionen zur Reduzierung <strong>der</strong> CO2-Emissionen<br />
erarbeitet <strong>und</strong> diskutiert. Diese wurden durch verschiedene Methoden (Clusterung, ABC-<br />
Analyse, Skalierung) auf r<strong>und</strong> 30 Maßnahmen verdichtet. Die verbliebenen Maßnahmen<br />
wurden mit Hilfe einer Nutzwertanalyse nach ökologischen <strong>und</strong> ökonomischen Kriterien<br />
gewichtet.<br />
3.5 Reduktionsziele <strong>und</strong> verabschiedete Maßnahmen<br />
Es wurden neun Maßnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong> CO2-Emissionen identifiziert <strong>und</strong> durch<br />
den Vorstand verabschiedet, <strong>der</strong>en Umsetzung kurzfristig im Jahr 2008 erfolgen sollte. In<br />
einer ersten Abschätzung können durch die Umsetzung <strong>der</strong> folgenden Maßnahmen die CO2-<br />
Emissionen im Jahr 2008 gegenüber den Werten im Jahr 2006 um 7 Prozent gesenkt werden:<br />
10
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Verkehrsvermeidung:<br />
M 1: Vergleich verschiedener Routenoptimierungs-Software <strong>und</strong> Implementierung<br />
M 2: TETRIS – Optimierung <strong>der</strong> Palettenauslastung<br />
M 3: Qualitätsprüfungen bereits im Beschaffungsmarkt (Pilot: Shanghai)<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung:<br />
M 4: Verlagerung <strong>der</strong> Transporte auf die Bahn auf <strong>der</strong> Strecke <strong>Hamburg</strong>-Berlin<br />
M 5: Verlagerung <strong>der</strong> Transporte auf die Bahn von Bremen-Gallin (Mecklenburg<br />
Vorpommern)<br />
M 6: Nutzung des Motorway of the Sea-Konzeptes zur Versorgung von UK<br />
(Pilotprojekt)<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Entschleunigung <strong>und</strong> Verbrauchsoptimierung:<br />
M 7: Definition von ökologischen Anfor<strong>der</strong>ungen an Dienstleister im<br />
Seeschiffverkehr<br />
M 8: Definition von ökologischen Anfor<strong>der</strong>ungen an Dienstleister im Straßenverkehr<br />
M 9: Zusammenarbeit mit Skysails (Pilotprojekt)<br />
Neben dem projektbezogenen Ziel hat sich Tchibo im Transportbereich ein Reduzierungsziel<br />
von 30 Prozent bis zum Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2006 gesetzt. Dieses mittelfristige Ziel<br />
will Tchibo durch folgende Ansätze erreichen:<br />
• Entschleunigung von Seetransporten,<br />
• Nutzung mo<strong>der</strong>nster Seeschiffe sowie<br />
• Optimierung <strong>der</strong> bedarfs- <strong>und</strong> nachfragegesteuerten Warenverteilung zur Vermeidung von<br />
Transporten auf <strong>der</strong> langen, mittleren <strong>und</strong> kurzen Strecke (einschl. Rückwärtslogistik).<br />
Tchibo wird darüber hinaus eine jährliche Bilanzierung <strong>der</strong> transportbedingten CO2-<br />
Emissionen durchführen. Diese Bilanzierung soll durch ein regelmäßiges, externes <strong>und</strong><br />
unabhängiges Monitoring validiert werden.<br />
4 Kritische Reflektion <strong>der</strong> gewählten Methode<br />
4.1 Bilanzierung<br />
Mit <strong>der</strong> Emissionsbilanzierung wurden zwei Ziele verfolgt: Erstens sollte <strong>der</strong> durch die<br />
Transporte von Tchibo generierte Beitrag des Unternehmens zu den CO2-Emissionen ermittelt<br />
werden. Zweitens sollte das eingesetzte Instrumentarium dahingehend überprüft werden,<br />
inwieweit es auch auf an<strong>der</strong>e Unternehmen übertragbar ist. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung<br />
hierbei sind die Wahl <strong>der</strong> Bilanzierungsgrenzen <strong>und</strong> die Datengewinnung.<br />
Als einer <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungen stellt sich die Wahl <strong>der</strong> „richtigen“<br />
Bilanzierungsgrenzen dar. Dabei ist die Frage <strong>der</strong> räumlichen Dimension <strong>der</strong><br />
Bilanzierungsgrenzen noch relativ klar zu beantworten. Allerdings gibt es bisher keine<br />
einheitliche Vorstellung darüber, welche Indikatoren in welcher Ausprägung bei <strong>der</strong><br />
Bilanzierung berücksichtigt werden sollten.<br />
Die gewählten räumlichen <strong>und</strong> inhaltlichen Bilanzgrenzen, die <strong>für</strong> die (Emissions-)<br />
Bilanzierung im Rahmen des Projekts <strong>LOTOS</strong> bestimmend waren, spiegeln weniger das<br />
gewünschte noch notwendige Maß wi<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n sind vielmehr durch die Zugänglichkeit <strong>der</strong><br />
11
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Daten entstanden. Beispielsweise sind we<strong>der</strong> die Transportketten zwischen den Produktions-<br />
bzw. Anbaustätten <strong>und</strong> den Abgangshäfen (Transporte im Beschaffungsmarkt) betrachtet,<br />
noch sind die <strong>der</strong> Energiegewinnung vorgelagerten Ketten einbezogen (Ausnahme: Bahn).<br />
Auch sind nicht alle Transporte bilanziert, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Geschäftstätigkeit<br />
von Tchibo anfallen. Beispielsweise fehlen die „frei Haus“-Transporte. Zudem konnten<br />
bestimmte Transporte nicht separat ermittelt werden.<br />
Im Unternehmen Tchibo waren Daten zu Quellen <strong>und</strong> Senken <strong>der</strong> Transporte sowie zu den<br />
Transportgewichten meist vorhanden. Demnach kann die gewählte Vorgehensweise, mit<br />
Emissionsfaktoren auf Basis des Transportaufwands zu rechnen, als zielführend bewertet<br />
werden. Auch wenn Angaben zum direkten Verbrauch (von Energie o<strong>der</strong> Treibstoff) ein<br />
genaueres Ergebnis erzielen würden, konnten <strong>der</strong>artige Daten durch das Unternehmen nicht<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
4.2 Wissenstransfer <strong>und</strong> Wissensgenerierung<br />
Der Wissenstransfer <strong>und</strong> die Wissensgenerierung zu potentiellen Maßnahmen fand durch das<br />
Zusammentreffen verschiedener Experten zu verschiedenen Themenbereichen während <strong>der</strong><br />
Workshops statt. Das Wissen <strong>der</strong> Experten wurde „internalisiert“, indem es im Rahmen von<br />
Workshops Mitarbeiter(innen) des Unternehmens Tchibo GmbH gegenüber kommuniziert<br />
<strong>und</strong> die mündlichen Schil<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Experten schriftlich dokumentiert wurden.<br />
Insgesamt waren die Workshops durch eine durchweg hohe positive Gr<strong>und</strong>stimmung bzw.<br />
hohe innere (intrinsische) Motivation <strong>der</strong> Experten bestimmt. Diese motivierende <strong>und</strong> von<br />
positivem Interesse geprägte Atmosphäre sorgte <strong>für</strong> eine ambitionierte Beteiligung <strong>der</strong><br />
Experten in den Workshops. Unterstützt wurde diese durch die als wertvoll wahrgenommene<br />
interdisziplinäre Zusammensetzung von (bekannten) Experten, so dass die Experten die<br />
Möglichkeit zu einer persönlichen Vernetzung mit großem Interesse nutzten.<br />
Folgende positive Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Expertengewinnung konnten identifiziert werden:<br />
• Glaubwürdigkeit <strong>und</strong> Vertrauenswürdigkeit<br />
• Persönliche Wertschätzung<br />
• Persönliche Betroffenheit<br />
• Fachliches <strong>und</strong> persönliches Interesse<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das entworfene innovative Vorgehen <strong>der</strong><br />
Nutzung von Wissensinseln bei den Experten <strong>und</strong> Wissensträgern auf eine hohe<br />
Teilnahmebereitschaft traf. Es ist davon auszugehen, dass diese bereit sind, ihr Wissen auch<br />
in weitere gesellschaftlich relevante <strong>und</strong> öffentlich anerkannte Projekte einzubringen.<br />
Als ein erstes Ergebnis des Wissenstransfers lagen über 200 externalisierte Maßnahmen vor,<br />
aus denen im Rahmen <strong>der</strong> Maßnahmenverdichtung ein Katalog von 31 potentiellen<br />
Maßnahmen entstand. Aus diesem Katalog wurden durch den Vorstand neun kurzfristig<br />
umzusetzende Maßnahmen verabschiedet, die im Rahmen von <strong>LOTOS</strong> detailliert geprüft <strong>und</strong><br />
bearbeitet wurden.<br />
Die verantwortlichen Mitarbeiter(innen) des Unternehmens Tchibo haben sich umfangreich<br />
mit je<strong>der</strong> einzelnen Maßnahme im Rahmen des Umsetzungsprozesses auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Der<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Expertenworkshops begonnene Wissenstransfer wurde dabei weiter ausgebaut<br />
<strong>und</strong> das vorhandene themenspezifische Wissen kontinuierlich weiterentwickelt. Intensive<br />
Gespräche, Diskussionen <strong>und</strong> auch Schriftverkehr mit kooperierenden Transportdienstleistern<br />
12
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
haben darüber hinaus zu einem Transfer des Wissens auch über die Unternehmensgrenzen<br />
von Tchibo hinaus beigetragen.<br />
Ebenfalls angeregt durch den Wissenstransfer bei <strong>LOTOS</strong> testete das Unternehmen im<br />
Rahmen eines Pilotprojekts Möglichkeiten, um sowohl im Food- als auch im Non Food-<br />
Bereich die produktbezogenen Ressourcenverbräuche zu erfassen. Hierzu wurden exemplarisch<br />
ein Artikel des Food-Bereiches <strong>und</strong> ein Artikel des Non Food-Bereiches hinsichtlich<br />
seines spezifischen Carbon-Footprint entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette untersucht. Dabei<br />
konnten <strong>für</strong> die <strong>Logistik</strong>prozesse die Ergebnisse aus <strong>LOTOS</strong> genutzt werden.<br />
4.3 Wirkungsanalyse<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Wirkungsanalyse sind die Handlungswirkung <strong>und</strong> die Maßnahmenwirkung<br />
zu unterscheiden. Dabei zielt die Analyse <strong>der</strong> Handlungen auf den Umsetzungsprozess <strong>und</strong><br />
die Analyse <strong>der</strong> Maßnahmen auf die substantielle Wirkung.<br />
Auf <strong>der</strong> Handlungsebene wurde die Umsetzung <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Maßnahmen (s. Kap. 3.5)<br />
konsequent verfolgt (M1, M3, M7, M8, M9). Allerdings kam es bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong><br />
Maßnahmen M7 <strong>und</strong> M8 zu zeitlichen Verzögerungen aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Entscheidung <strong>für</strong> eine<br />
zusätzliche empirische Erhebung sowie aufgr<strong>und</strong> des Vorziehens <strong>der</strong> Transportausschreibung<br />
als Folge des allgemeinen Frachtratenverfalls im <strong>Logistik</strong>sektor. Die Umsetzung <strong>der</strong><br />
Maßnahmen M4, M5 <strong>und</strong> M6 war hingegen durch einen strukturellen Wandel <strong>der</strong> Tchibo-<br />
Gruppe geprägt. Im Gegensatz dazu hätte die Maßnahme M2 erfolgreich umgesetzt werden<br />
können. Die Maßnahme verzögert sich aufgr<strong>und</strong> seiner Komplexität <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beteiligung<br />
vieler an<strong>der</strong>er Unternehmensbereiche. Jedoch bestehen vielversprechende Potentiale über die<br />
Projektlaufzeit hinaus. Die Maßnahmen M2, M3, M7 <strong>und</strong> M8 sind im Projektzeitraum<br />
angestoßen worden <strong>und</strong> werden voraussichtlich in den nächsten Jahren durch das<br />
Unternehmen erfolgreich realisiert.<br />
Die Zielerreichung hinsichtlich <strong>der</strong> substantiellen Wirkung <strong>der</strong> Maßnahmen variiert sehr<br />
stark. Zunächst ist festzuhalten, dass sieben <strong>der</strong> neun verabschiedeten Maßnahmen nicht in<br />
2008 vollständig erfolgreich umgesetzt werden konnten. Der größte Teil <strong>der</strong> Maßnahmen<br />
konnte demnach keine substantielle Wirkung entfalten. Ausschließlich durch die Maßnahme<br />
3, Qualitätsprüfung bereits im Beschaffungsmarkt, <strong>und</strong> die Maßnahme 8, Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
Transportdienstleister See, konnte eine Reduktion <strong>der</strong> transportbedingten CO2-Emissionen<br />
erreicht werden. Beide Maßnahmen zusammen haben zu einer Reduzierung <strong>der</strong> CO2-<br />
Emissionen in Höhe von 5.303,7 tCO2-Emissionen geführt. Dies entspricht einer CO2-<br />
Einsparung an den gesamten von Tchibo verursachten transportbedingten CO2-Emissionen im<br />
Jahr 2006 in Höhe von 4,13 Prozent. Wird die im Rahmen <strong>der</strong> Maßnahme 8 bilanzierte<br />
marktbedingte Reduktion <strong>der</strong> CO2-Emissionen hinzugezogen, beträgt die gesamte Reduktion<br />
<strong>der</strong> CO2-Emissionen 12.495,2 tCO2. Folglich wurde die Projektzielsetzung, die<br />
transportbedingten CO2-Emissionen um 7 Prozent bis zum Ende des Jahres 2008 gegenüber<br />
dem Jahr 2006 zu verringern, erreicht.<br />
13
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Abbildung 4: Im Jahr 2008 erzielte CO2-Einsparungen<br />
Das aus dem Katalog bislang (Status: Ende 2008) nur ein geringer Teil an Maßnahmen den<br />
Weg in die unmittelbare Umsetzung fand, ist vor allem auf die komplexen<br />
unternehmensinternen Strukturen <strong>und</strong> strategischen Überlegungen zurückzuführen, als auf<br />
einen zu gering ausgefallenen Wissenstransfer. Nahezu während <strong>der</strong> gesamten Projektlaufzeit<br />
von <strong>LOTOS</strong> durchlebte das Unternehmen Tchibo eine Vielzahl an strategischen Neuerungen<br />
mit immensen internen Umstrukturierungsprozessen, die bis heute zu umfangreichen<br />
strukturellen <strong>und</strong> personellen Verän<strong>der</strong>ungen im Unternehmen geführt haben.<br />
5 Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />
Ziel des ForschungsProjekts <strong>LOTOS</strong> war es, durch die wissensgenerierende Zusammenarbeit<br />
zwischen Verkehrswirtschaft, verladen<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft, den Wissenstransfer<br />
zwischen <strong>der</strong> Forschung <strong>und</strong> den Unternehmen deutlich zu erhöhen <strong>und</strong> eine Methodik zu<br />
erproben, um mehr Nachhaltigkeitsprojekte zur Umsetzung zu bringen. Zur Erreichung dieses<br />
Ziels wurde eine einfach anwendbare Methodik zur ökologischen Optimierung <strong>der</strong> <strong>Logistik</strong><br />
entwickelt, die in einem Leitfaden 8 zusammengefasst <strong>und</strong> veröffentlicht wurde. Zur<br />
Übertragung <strong>der</strong> Ergebnisse ist zudem aus den Erkenntnissen des Prozesses des<br />
Wissenstransfers <strong>und</strong> <strong>der</strong> –generierung ein Konzept <strong>für</strong> eine <strong>Institut</strong>ion abgeleitet worden, die<br />
8<br />
„Die <strong>LOTOS</strong>-Methodik (Logistics towards Sustainability) - Leitfaden <strong>für</strong> Unternehmen zur Umsetzung von<br />
Nachhaltigkeitsprojekten“ Kostenloser Download des Leitfadens unter: www.vsl.tu-harburg.de/<strong>LOTOS</strong><br />
14
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
Unternehmen die Thematik zugänglich macht <strong>und</strong> Unternehmen unterstützt<br />
Nachhaltigkeitsprojekte umzusetzen.<br />
5.1 Bilanzierung<br />
Es existiert kein standardisiertes Vorgehen hinsichtlich <strong>der</strong> räumlichen, zeitlichen <strong>und</strong><br />
inhaltlichen Dimension <strong>der</strong> Bilanzierung. Die weitreichendste Standardisierung im Bereich<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt <strong>der</strong>zeit die GRI-Richtlinie dar. Der GRI-Leitfaden<br />
von 2006 9 (Version G3) umfasst ca. 80 Indikatoren zur Berichterstattung über die<br />
ökonomische, ökologische <strong>und</strong> gesellschaftlich/soziale Leistung einer Organisation. Mit <strong>der</strong><br />
Fassung aus dem Jahr 2002 liegt auch <strong>für</strong> den Bereich <strong>Logistik</strong> <strong>und</strong> Transport 10 vor. Zwar<br />
werden in den Leitlinien Bilanzierungsgrenzen definiert, es werden aber keine klaren<br />
Bilanzierungsregeln hinsichtlich <strong>der</strong> Bewertung vorgelegt.<br />
Die Bilanzierung im Rahmen des Projekts <strong>LOTOS</strong> umfasste die Wirkungskategorie<br />
„Treibhauseffekt“ anhand des Indikators CO2 (ohne die Betrachtung an<strong>der</strong>er Treibhausgase<br />
mittels CO2-Äquivalente). Obwohl ein nachhaltiges Wirtschaften mehr umfasst, als die<br />
Reduzierung des CO2-Ausstoßes, fokussieren die meisten Bilanzierungen darauf. Auch in<br />
diesem Projekt wurde <strong>der</strong> erste Bilanzierungsschritt auf die CO2-Emissionen begrenzt. Neben<br />
<strong>der</strong> hohen Relevanz von Kohlendioxid als Treibhausgas Nummer eins, sprechen <strong>für</strong><br />
Kohlendioxid als Steuerungsgröße die lineare Abhängigkeit zum Energieeinsatz (unabhängig<br />
vom eingesetzten Treibstoff) <strong>und</strong> dessen Einsatz als staatliche Leitgröße.<br />
Eine ganzheitliche Betrachtung <strong>der</strong> Ressourcennutzung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umweltfolgen durch<br />
logistische Prozesse würde aber mindestens die Ausweitung auf an<strong>der</strong>e Schadstoffemissionen<br />
aber auch um weitere ökologische Wirkungskategorien, wie Toxizität, bedeuten. Darüber<br />
hinaus müsste, dem Anspruch <strong>der</strong> Nachhaltigkeit folgend, neben <strong>der</strong> ökologischen,<br />
gleichermaßen die ökonomische <strong>und</strong> soziale Betrachtungsdimension einbezogen werden.<br />
Zudem fehlt es auch noch an <strong>der</strong> Bilanzierung <strong>der</strong> Lager- <strong>und</strong> Umschlagprozesse, da nur<br />
durch eine gesamtheitliche Betrachtung <strong>der</strong> <strong>Logistik</strong>prozesse, die Umweltwirkungen <strong>der</strong><br />
logistischen Kette <strong>und</strong> die substantiellen Wirkungen von Maßnahmen bewertet werden<br />
können.<br />
Allerdings wären zum jetzigen Zeitpunkt die meisten Unternehmen mit dieser Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Bilanzierung über die bisherigen Grenzen hinweg deutlich überfor<strong>der</strong>t, nicht zuletzt<br />
aufgr<strong>und</strong> des erheblichen Aufwands bei <strong>der</strong> Datenbeschaffung <strong>und</strong> -verarbeitung.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> unzureichenden Standardisierung kann eine Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
nur durch die entsprechende Transparenz gewährleistet werden, also wenn die<br />
Vorgehensweise einschließlich <strong>der</strong> Systemabgrenzung <strong>und</strong> die verwendeten<br />
Emissionsfaktoren offen gelegt werden. Entsprechendes gilt <strong>für</strong> die Emissionsfaktoren selbst,<br />
wo <strong>der</strong> entsprechende Gr<strong>und</strong>lagenbericht jeweils offen liegen sollte.<br />
9<br />
GRI (Global Reporting Initiative) (GRI 2006a): GRI Logistics and Transport Solution Sector Supplement (Pilot Version<br />
1.0), 2006; GRI (Global Reporting Initiative) (GRI 2006b): Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Version G3),<br />
2006<br />
10<br />
GRI-Sector Supplements: Indicator Protocols Set: EN, Aspect: Transport (EN29)<br />
(http://www.globalreporting.org/NR/rdonlyres/D2BC0DF8-FF2C-4BAB-B2B4-<br />
27DA868C2A5F/2800/smallG3_IP_EN_ENG_andcov.pdf, gesehen am: 02 Dezember 2009)<br />
15
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
Die Datenlage zu den Emissionsfaktoren kann im Bereich Straßen-, Bahn- <strong>und</strong> Luftverkehr<br />
als ausreichend eingeschätzt werden. Allerdings werden diese Daten bisher nicht <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit anwendungsgerecht zur Verfügung gestellt. Erheblicher Forschungsbedarf<br />
besteht hinsichtlich <strong>der</strong> Emissionsfaktoren <strong>für</strong> Schiffsverkehr. Insbeson<strong>der</strong>e im<br />
Seeschiffbereich ist die zur Verfügung stehende Datenlage unzureichend.<br />
Zusammenfassend sind <strong>für</strong> die dauerhafte Implementierung eines Berechnungsinstrumentes<br />
im Unternehmen insbeson<strong>der</strong>e die im Folgenden beschriebenen Voraussetzungen zu schaffen:<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> eine Integration des Ziels „CO2-Reduzierung“ (o<strong>der</strong> auch vergleichbarer Ziele)<br />
ist die Aufnahme von Prioritäten <strong>und</strong> Ziele in die Unternehmensphilosophie. Aktuell ist <strong>der</strong><br />
CO2-Ausstoß noch kein Entscheidungskriterium auf strategischer o<strong>der</strong> auf operativer Ebene<br />
(bspw. CO2 als strategische Einflussgröße bei <strong>der</strong> Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bzw.<br />
als operatives Entscheidungskriterium im Einkauf). Darüber hinaus müssen ausreichende<br />
personelle Kapazitäten <strong>für</strong> die Durchführung <strong>der</strong> Bilanzierung <strong>und</strong> zur Umsetzung von<br />
Maßnahmen geschaffen werden. Bei <strong>der</strong> Einführung eines Indikatorenmodells sollte ein<br />
Unternehmen zunächst mit den Prozessen beginnen, die im eigenen Verantwortungsbereich<br />
liegen, <strong>und</strong> dies nach <strong>und</strong> nach auf weitere Prozesse <strong>und</strong> Partner ausdehnen. Mittel- bis<br />
langfristig sollten die notwendigen Daten <strong>für</strong> die Emissionsbilanzierung in einem<br />
einheitlichen Format zur Verfügung stehen. Sinnvoll ist es, bereits frühzeitig auch geeignete<br />
Bilanzierungsregeln <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e Treibhausgase <strong>und</strong> Luftschadstoffe aufzustellen um den<br />
Einstieg in eine umfassen<strong>der</strong>e Bilanzierung zu erleichtern. Vorteilhaft <strong>für</strong> die Datenerfassung<br />
sind langfristige Vertragsbeziehungen, weil in diesen die Bereitstellung von bestimmten<br />
Daten zur Auflage gemacht werden kann. Bei anstehenden Ausschreibungen von<br />
Dienstleistungen <strong>für</strong> ein Unternehmen besteht von vornherein die Möglichkeit, potenzielle<br />
Subunternehmer auf die erwünschte Datenerhebung hinzuweisen. Es ist daher sinnvoll, die<br />
Verantwortung <strong>für</strong> die Bilanzierung im Controlling des Unternehmens anzusiedeln, da dort<br />
auch ökonomische Daten aus allen Unternehmensbereichen zusammenlaufen <strong>und</strong> die<br />
entsprechenden Informationsstrukturen meist vorhanden sind.<br />
Für die Transparenz <strong>und</strong> damit Glaubwürdigkeit <strong>und</strong> Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Bilanzen<br />
unterschiedlicher Unternehmen ist es darüber hinaus auf politischer Ebene notwendig, in<br />
Zusammenarbeit mit Wissenschaft <strong>und</strong> Unternehmen, kurzfristig klare Bilanzierungsregeln zu<br />
erarbeiten sowie die Datengr<strong>und</strong>lage festzulegen <strong>und</strong> laufend zu aktualisieren. Langfristig ist<br />
es erstrebenswert, in Zusammenarbeit von Herstellern, Nutzern <strong>und</strong> Wissenschaft, <strong>für</strong><br />
Transportmittel die technischen Voraussetzungen <strong>für</strong> eine nutzungsbezogene Erfassung („am<br />
Auspuff“) zu schaffen <strong>und</strong> diese gemeinsam mit den jeweiligen Vorketten zu bilanzieren.<br />
5.2 Innovatives Vorgehen: Nutzung von Wissensinseln zur Identifizierung<br />
von Maßnahmen<br />
Wissen über die nachhaltige Gestaltung logistischer Prozesse ist ausreichend vorhanden,<br />
erreicht jedoch nicht die zentralen Akteure <strong>der</strong> Umsetzung in den Unternehmen. Das liegt<br />
nicht an <strong>der</strong> mangelnden Bereitschaft zur Initiierung eines solchen Prozesses, son<strong>der</strong>n<br />
vielmehr an <strong>der</strong> fehlenden Vernetzung zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis sowie mangelnden<br />
personellen Kapazitäten in den Unternehmen. Letztlich hat sich damit die Eingangsthese des<br />
Projekts bestätigt, wonach neben den erfor<strong>der</strong>lichen Inhalten eine Infrastruktur benötigt wird,<br />
um den Zugang zum Wissen <strong>und</strong> zu den Experten zu vereinfachen. Um diese Lücke zu füllen,<br />
16
Logistics towards Sustainability (<strong>LOTOS</strong>)<br />
ist das Konzept <strong>der</strong> „<strong>LOTOS</strong>-Plattform“ (LP) zusammen mit den externen Experten<br />
entwickelt worden, welches ein Netzwerk zwischen Entscheidungs- <strong>und</strong> Wissensträgern zum<br />
Themenfeld Nachhaltigkeit <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> bilden soll:<br />
Unter dem Leitbild „Unternehmen befähigen, ihre Wertschöpfungskette nachhaltig zu<br />
gestalten“ sind die folgenden Zielsetzungen <strong>für</strong> die LP definiert worden:<br />
• Erhöhung des Wissenstransfers zwischen Forschung <strong>und</strong> Unternehmen im Themenfeld<br />
Nachhaltigkeit <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>.<br />
• Motivation <strong>und</strong> Unterstützung von Unternehmen zur Optimierung ihrer <strong>Logistik</strong> unter<br />
Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien.<br />
Die <strong>LOTOS</strong>-Plattform soll Infrastruktur <strong>für</strong> ein Netzwerk zwischen den Akteursgruppen<br />
Unternehmen (als Entscheidungsträger), Experten (als Wissensträger) <strong>und</strong> Politik (als<br />
Rahmengeber) sein.<br />
Um gegenüber den Unternehmen die erfor<strong>der</strong>liche Glaubwürdigkeit zu wahren ist es<br />
wichtig, dass die <strong>LOTOS</strong>-Plattform als neutral empf<strong>und</strong>en wird. Die Organisation <strong>der</strong><br />
<strong>LOTOS</strong>-Plattform sollte zentral aufgestellt <strong>und</strong> durch eine flache Hierarchie<br />
gekennzeichnet sein, um eine unkomplizierte dynamische Arbeitsweise zu ermöglichen.<br />
Das Team <strong>der</strong> <strong>LOTOS</strong>-Plattform sollte aus 3 bis 4 intrinsisch motivierten Beschäftigten<br />
bestehen, mit <strong>der</strong> Fähigkeit zur interdisziplinären Kommunikation bzw. Mediation<br />
zwischen Wirtschaftsunternehmen, Forschung, Politik <strong>und</strong> relevanten<br />
Stakehol<strong>der</strong>gruppen (NGO‘s, Verbände etc.). Es ist denkbar, dass über das Kernteam <strong>der</strong><br />
<strong>LOTOS</strong>-Plattform hinaus, lokal verankerte Multiplikatoren eingesetzt werden. Der<br />
Vorteil würde darin bestehen, eine Person vor Ort in die Arbeit zu integrieren, die die<br />
örtlichen Begebenheiten einschätzen kann <strong>und</strong> bereits ein Netzwerk zu den Unternehmen<br />
aufgebaut hat. Unternehmensseitig würde dieses Vorgehen die Hemmschwelle bei <strong>der</strong><br />
Kontaktaufnahme absenken. Mögliche Verankerungspunkte <strong>für</strong> dieses Netz wären<br />
Handelskammern, <strong>Logistik</strong>initiativen o<strong>der</strong> ähnliche <strong>Institut</strong>ionen.<br />
Tabelle 2 Konzept <strong>der</strong> <strong>LOTOS</strong>-Plattform<br />
Eine weitere Form <strong>der</strong> Unterstützung wäre die Ausbildung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Einsatz von<br />
Nachhaltigkeitsberatern(innen) – vergleichbar zu den stattlich geför<strong>der</strong>ten Energieberatern.<br />
Diese sollen insbeson<strong>der</strong>e kleinen <strong>und</strong> mittelständischen Unternehmen über die Hürde <strong>der</strong><br />
fehlenden Ressourcen hinweghelfen. Die Nachhaltigkeitsberater(innen) würden damit die<br />
Funktion eines, häufig in größeren Unternehmen, integriertem, externen Umwelt- o<strong>der</strong> CSR-<br />
Managers übernehmen.<br />
17
Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff<br />
18