2000-26 Was Sie schon lange über das HbA1c wissen wollten ...
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Tabelle 1<br />
Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>26</strong><br />
Fortbildung<br />
Hämoglobin A2 (α2δ2) vorkommen. Bei den<br />
übrigen Subfraktionen des Hämoglobins handelt<br />
es sich vorwiegend um «Glykosylierungs»-<br />
Produkte von Normalhämoglobin mit Hexosen<br />
bzw. Hexosephosphaten (posttranslationelle<br />
Modifikation). Diese Glykosylierung –<br />
oder besser Glykierung – hat man sich so<br />
vorzustellen 1 : Die Reaktion der Glykierung<br />
erfolgt nicht-enzymatisch und wird in ihrem<br />
Ausmass durch die relativen Konzentrationen<br />
des reagierenden Monosaccharids und des<br />
Hämoglobins bestimmt. Es handelt sich um<br />
eine Kondensationsreaktion. Und zwar wird<br />
Glukose (konzentrationsabhängig) <strong>über</strong> die<br />
Carbonylgruppe mit freien Aminogruppen<br />
(N-terminal oder ε-Aminolysin) des Hämoglobins<br />
nicht-enzymatisch und reversibel zu<br />
einer Aldiminverbindung (Schiff-Base) verknüpft<br />
[21]. Erst in einem zweiten, wesentlich<br />
langsameren Prozess entsteht durch eine sogenannte<br />
Amadori-Umlagerung die stabile Form<br />
des sogenannten Glykohämoglobins, ein Ketoamin<br />
2 . Die zuerst entstehende Aldiminverbindung<br />
ist sehr labil. <strong>Sie</strong> kann innert weniger<br />
Stunden wieder in ihre Komponenten zerfallen.<br />
Die Amadori-Umlagerung in die stabile Ketoaminverbindung<br />
hingegen erfolgt etwa 50mal<br />
langsamer. Kurzfristige Erhöhungen der Blut-<br />
1 Da keine eigentlichen Glykoside entstehen, sollte der Begriff<br />
der Glykosylierung ersetzt werden durch den Begriff Glykierung<br />
(engl. glycation).<br />
2 Der Begriff «Glykohämoglobin» ist eigentlich nicht korrekt<br />
(kein Glykoprotein!).<br />
Verschiedene Methoden der <strong>HbA1c</strong>-Bestimmung, mögliche Störfaktoren.<br />
glukose (beispielsweise im Rahmen eines oralen<br />
Glukose-Toleranztests) beeinflussen deshalb<br />
die Konzentrationen dieser Ketoaminverbindungen<br />
nicht. Bei der Beurteilung der mittleren<br />
Glykämielage («Blutzuckergedächtnis»)<br />
in der Diabeteskontrolle interessiert einzig<br />
die stabile Form des Glykohämoglobins. Das<br />
bedeutet, <strong>das</strong>s die labilen Aldiminverbindungen<br />
vor der Analyse entfernt (durch Ansäuern,<br />
Dialyse, Semicarbazid-Zugabe) oder <strong>das</strong>s spezifische<br />
Methoden zur isolierten Erfassung<br />
der Ketoaminverbindungen (Affinitätschromatographie,<br />
Immunoassay; s. Tab. 1) gewählt<br />
werden müssen.<br />
Die Auftrennung der HbA1-Komponenten [22]<br />
wie auch gewisser nicht-β-aminoterminaler<br />
Glykohämoglobine erfordert eine besondere<br />
Analytik [23], beispielsweise die Kationenaustauschchromatographie<br />
[24]. Die schnell<br />
wandernde Fraktion wird dabei als HbA1 bezeichnet<br />
und von der Hauptfraktion HbA0<br />
unterschieden. Die Subfraktion HbA1 kann<br />
dabei in grossen Säulen bei langsamer Chromatographie<br />
und veränderten Pufferlösungen in<br />
weitere Fraktionen unterteilt werden: HbA1a1,<br />
HbA1a2, HbA1b und <strong>HbA1c</strong> (s. Tab. 2). In<br />
den meisten analytischen Systemen werden<br />
die HbA1a-Komponenten aber nicht und die<br />
HbA1b-Komponenten nur andeutungsweise aufgetrennt.<br />
Komplizierend kommt hinzu, <strong>das</strong>s<br />
auch die Hauptfraktion HbA0 teilweise glykosyliert<br />
wird [25], was mit den üblichen<br />
Chromatographiemethoden jedoch nicht er-<br />
Methode gemessene Fraktion Störfaktor Störfaktor Störfaktor Störfaktor<br />
labile Hämoglobin- erhöhtes Varianten-Hämoglobin modifiziertes<br />
Form/Aldimin fetales Hämoglobin* (HbS, HbC, HbE) Hämoglobin**<br />
Affinitäts- totales glykiertes – – – –<br />
chromatographie Hämoglobin ➔ <strong>HbA1c</strong>- korrekte Messung korrekte Messung korrekte Messung korrekte Messung<br />
Äquivalente des glykierten Hämoglobins des glykierten Hämoglobins des glykierten Hämoglobins des glykierten Hämoglobins<br />
HPLC HbA1/<strong>HbA1c</strong> + +/– +/– +<br />
muss eliminiert muss erkannt und muss erkannt und interferierende<br />
werden Resultat Resultat Substanzen als<br />
entsprechend entsprechend glykiertes Hämoglobin<br />
korrigiert werden korrigiert werden gemessen<br />
Ionenaustausch- HbA1/<strong>HbA1c</strong> + + + +<br />
chromatographie muss eliminiert falsch hohes falsch tiefes interferierende<br />
werden Resultat Resultat*** Substanzen als<br />
glykiertes Hämoglobin<br />
gemessen<br />
Immunoassay spezifisches <strong>HbA1c</strong> – – – –<br />
korrekte Messung korrekte Messung korrekte Messung korrekte Messung<br />
des <strong>HbA1c</strong> des <strong>HbA1c</strong> des <strong>HbA1c</strong> des <strong>HbA1c</strong><br />
+ störender Einfluss; – kein Einfluss<br />
* fetales Hämoglobin erhöht: z.B. bei hereditärem persistierendem fetalem Hämoglobin, bei Betathalassämie,<br />
in der Schwangerschaft und bei Diabetes mellitus<br />
** Beispiele: carbamyliertes Hämoglobin bei Niereninsuffizienz/Urämie, acetyliertes Hämoglobin bei Aspirintherapie,<br />
modifiziertes Hämoglobin bei hohem Alkoholkonsum (Acetaldehydaddukt)<br />
*** Hämoglobin D: sowohl falsch tiefe als auch falsch hohe Resultate [131]<br />
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