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Seminar Nebenfach Nutzwertanalyse Erweiterte Theorie ...

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Friedrich – Alexander Universität<br />

Erlangen – Nürnberg<br />

Lehrstuhl für Konstruktionstechnik<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong><br />

<strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

<strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden,<br />

neue Adaptionen) und Einsatz<br />

Thomas Höfner<br />

(Dipl. – Ing. (FH) and cand. – M.Sc.) 2002


1. Einleitung<br />

„Das Hauptkriterium für die Investitionsentscheidung im industriellen Bereich ist gewöhnlich<br />

der voraussichtliche Gewinn eines Projektes, der monetär ausgedrückt wird. Der Gewinn<br />

ist aber als einziges Zielkriterium für die Entscheidungsfindung häufig unzureichend<br />

und kann außerdem bei komplexen Projektalternativen oft auch gar nicht angegeben werden.“<br />

Auch im privaten Bereich ergeben sich Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung<br />

wenn es z.B. um die Beschaffung komplexer Systeme geht. Heute werden z.B. PKW’s,<br />

HiFi – Anlagen und Computer zunehmend komplexer und der Überblick geht schnell verloren.<br />

Auch bei der Anschaffung einer Immobilie kann ein Nutzwertmodell eine nützliche<br />

Hilfe darstellen. Hinzu kommt, dass bei den eben erwähnten Beispielen ein Gewinn im<br />

ökonomischen Sinn nicht angegeben werden kann. Dies gilt auch bei Konstruktions –,<br />

Planungs – oder Entwicklungsaufgaben.<br />

Die <strong>Nutzwertanalyse</strong> bietet hier ein System die entscheidungsrelevanten Zielkriterien zu<br />

berücksichtigen und durch entsprechende Gewichtungen zu einem Projektwert zusammen<br />

zu fassen. Sie stellt eine Planungsmethodik dar, die der systematischen Entscheidungsvorbereitung<br />

dient.<br />

Nur unter dieser Vorrausetzung gelingt es mehrere Alternativen zu betrachten und die für<br />

den jeweiligen Einzelfall Beste auszuwählen. Ein Vorteil der <strong>Nutzwertanalyse</strong> besteht darin,<br />

dass hier objektive als auch subjektive Informationen über die Zielerträge der Projektalternativen<br />

zu einem Projektwert führen. Hiermit sind Vorlieben und Emotionen des Entscheidungsträgers<br />

gemeint (z.B. gute Erfahrung mit einem Hersteller, oder es wird eine<br />

Farbe bevorzugt). Eine subjektive Ausrichtung kann bei Unwissen über das Modell und<br />

falschen Gewichtungen zu falschen Ergebnissen führen. Zangemeister sieht die subjektive<br />

Ausrichtung als vorteilhaft an und impliziert daher das subjektive Moment bewusst mit<br />

in die Entscheidungsfindung ein. Es bedarf daher einer gewissen Übung mit den Modellen,<br />

die aber dann zu besseren und auch transparenten Ergebnissen führt.<br />

Nachfolgend soll die <strong>Nutzwertanalyse</strong> von Zangemeister kurz vorgestellt und einzelne<br />

Teilmethoden explizit mit anderen Autoren verglichen werden. Abschließend werden Anwendungen<br />

der <strong>Nutzwertanalyse</strong> vorgestellt.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 2


2. <strong>Nutzwertanalyse</strong> nach Zangemeister<br />

2.1 System und Problemstellung<br />

Durch die Zunahme an Möglichkeiten in Forschung und Technik, werden die Systeme die<br />

die moderne Gesellschaft miteinander verbindet zunehmend komplexer, d.h. die Anzahl<br />

der Komponenten wird stetig größer und ihre Funktionalität nimmt ebenfalls zu. Heute<br />

können mit einem Mobiltelefon Mails empfangen werden, was vor rund 10 Jahren nicht<br />

denkbar war. Zu den Systemen gehören Nachrichten –, Verkehrs –, Versorgungs – und<br />

Wirtschaftssysteme, wie komplexe technische Erzeugnisse, z.B. Flugzeuge, Raketen,<br />

Fertigungsstraßen und Kraftwerke.<br />

Mit der steigenden Komplexität einer Projektalternative (vergleichend Kauf eines Auto und<br />

eines Flugzeuges) wächst auch die Komplexität der Entscheidungsproblematik. Die Probleme<br />

beginnen also mit den Konsequenzen von weitreichenden Handlungen und einer<br />

Vielzahl von Alternativen, die es zu berücksichtigen gilt. Die Problematik der Alternativen<br />

wird sicher bei einem Autokauf ungleich größer sein, als bei einem Flugzeug, da wesentlich<br />

mehr Hersteller aus einem Sektor Produkte anbieten. Andererseits liegt der Preis der<br />

Investition bei einem Flugzeug in einer anderen Dimension. Weiterhin sind wichtige Faktoren<br />

bei der Entscheidungsproblematik:<br />

– Zeitkontraktion<br />

– Produktlebenszyklus<br />

– Vielfalt möglicher Alternativen<br />

– Langfristigkeit der Gesamtplanung<br />

Um bei den eben aufgelisteten Faktoren schnell zu einem sicheren Ergebnis zu kommen<br />

sind Methoden notwendig, die der<br />

– Informationsgewinnung<br />

– Informationsverarbeitung<br />

– Informationsauswertung<br />

dienen. Diese Tätigkeiten werden unter dem Begriff Planung zusammengefasst. In diesem<br />

Zusammenhang soll hier die korrekte Definition von Planung wiedergegeben werden:<br />

„Planung bedeutet vorausschauendes, systematisches<br />

Durchdenken und Formulieren von Verhaltensweisen,<br />

Zielen und Handlungsalternativen,<br />

deren optimale Auswahl sowie die Festlegung von<br />

Anweisungen zur rationellen Realisierung der<br />

ausgewählten Alternative.“<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 3


Wie oben bereits mehrfach beschrieben, sprechen wir im Engineering bei komplexen Produkten<br />

von Systemen. Diese Systeme sind oft so komplex, das an Modellen und Lösungen<br />

in interdisziplinären Teams gearbeitet werden muss. In der Systemtechnik wird bei<br />

der Entwicklung von neuen Produkten und bei der Erfassung von Problemen nach dem<br />

folgenden System vorgegangen:<br />

Zustandsanalyse<br />

(Systemstudien)<br />

Problemdefinition<br />

Konzeptentwurf<br />

(Systemsynthese)<br />

Konzeptanalyse<br />

(Systemsynthese i.e.S.)<br />

Bewertung<br />

(<strong>Nutzwertanalyse</strong>)<br />

Auswahlentscheidung<br />

Entwicklungsplanung<br />

Ausführungsplanung<br />

Abb. 2.1<br />

Makrologik der systemtechnischen Methodik<br />

Die Stufen von Abbildung 2.1 müssen wiederholt durchlaufen werden. Dieser Vorgang<br />

wird „systems engineering process“, oder hier Planungsprozess genannt. Dieser ist in Abbildung<br />

2.2 dargestellt. Übergeordnet können drei typischen Phasen unterschieden werden,<br />

wie oben schon beschrieben:<br />

– Informationsgewinnung<br />

– Informationsverarbeitung<br />

– Informationsauswertung<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 4


Zustandsanalyse<br />

Planungsprozess<br />

Informationsgewinnung<br />

(Systemanalyse)<br />

Informationsverarbeitung<br />

(Systemauswahl)<br />

Problemdefinition<br />

Konzeptentwurf<br />

Konzeptanalyse<br />

Bewertung<br />

Auswahlentscheidung<br />

Planungsorganisation<br />

(Systemmanagmanet)<br />

Informationsauswertung<br />

(Systemrealisierung)<br />

Entwicklungsplanung<br />

Ausführungsplanung<br />

Abb. 2.2<br />

Der Planungsablauf als Rückkopplungsprozess<br />

Auf Grundlage dieses Planungsprozesses soll nun die Problemstellung erörtert werden.<br />

Durch den iterativen Prozeß, der in Abb. 2.2 dargestellt wurde, ergeben sich mehrere Alternativen.<br />

Zu diesen Alternativen muss der Projektwert ermittelt werden, um diese dann<br />

ordnen zu können. Die Alternativen werden entsprechend den relevanten Zielen und den<br />

Präferenzen der Entscheidungsträger miteinander verglichen. Die Auswahl einer Alternative<br />

wird verkompliziert,<br />

– wenn viele Ziele zu berücksichtigen sind,<br />

– wenn unterschiedliche Zielmaße auftreten,<br />

– wenn die Präferenzstruktur stark differenziert ist,<br />

– wenn die Informationen mit Unsicherheiten behaftet sind,<br />

– wenn Zeitabhängigkeiten eine Rolle spielen<br />

– wenn mehrere Personen bei der Entscheidungsfindung<br />

berücksichtigt werden müssen<br />

– wenn kein eindeutiges Entscheidungskriterium existiert, sondern<br />

eine Synthese einer Vielfalt von Werten vorgenommen werden muss.<br />

Um eine Auswahl zu treffen, muss also eine Entscheidungsfindung stattfinden. Diese<br />

kann als Vorgang der Willensbildung verstanden werden. Wie in der Einführung beschrieben,<br />

besteht eine Entscheidung aus subjektiven und objektiven Momenten oder Einflußfaktoren.<br />

Es werden Entscheidungsfeld und Entscheidungsdeterminanten unterschieden.<br />

Diese sind in Abbildung 2.4 dargestellt. Um die verschiedenen Verhaltensweisen des<br />

Menschen zu verstehen, sei hier Abbildung 2.3 eingeschoben.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 5


Menschliche Verhaltensweisen<br />

(Handlungsarten)<br />

Rational<br />

Bewusst und überlegt vorgenommene Handlung<br />

Traditional<br />

Gewohnheitsmäßige Handlung<br />

Zufällig<br />

Nicht orientierte Handlung<br />

Inkonsistent<br />

Widerspruchsvolle Handlung<br />

Emotional<br />

gefühlsmäßige Handlung<br />

Abb. 2.3<br />

Menschliche Verhaltensweisen<br />

Entscheidungsbestimmende Einflussbereiche rationaler Entscheidungsfindung<br />

Entscheidungsfeld<br />

Entscheidungsdeterminanten<br />

Zustände der Umwelt<br />

(Objektsystem)<br />

Informationssystem<br />

Wertsystem<br />

Entscheidungslogik<br />

Objektiver Bereich<br />

Subjektiver Bereich<br />

Abb. 2.4<br />

Einflussbereiche rationaler Entscheidungsfindung<br />

Das Entscheidungsfeld beinhaltet die Gesamtheit aller objektiv gegebenen Umwelterscheinungen,<br />

die den Entscheidungsspielraum zwingend beeinflussen oder begrenzen.<br />

Die Entscheidungsdeterminanten hingegen umfassen alle subjektiven Gegebenheiten,<br />

durch die die Willensbildung des Entscheidungsträger maßgeblich beeinflusst wird.<br />

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Das Informationssystem dient dazu, alle wesentlichen Daten der Entscheidungsumgebung<br />

zu erfassen und entscheidungsrelevanten Informationen zu verarbeiten. Dabei können<br />

folgende Fehler auftreten:<br />

– es werden falsche Fakten ermittelt,<br />

– es fehlen relevante Fakten,<br />

– Alternativen sind unvollständig,<br />

– die Konsequenzen der Alternativen werden falsch dargestellt,<br />

– relevante Konsequenzen werden nicht erfasst.<br />

Diese Auflistung wurde eingangs Kapitel 2.1 schon kurz umrissen.<br />

Das Wertsystem umfasst die Wertinhalte. Wertinhalte sind Verhaltensgrundsätze und Ziele,<br />

die in der Präferenzstruktur nach ihrer subjektiv beigemessenen relativen Bedeutung<br />

geordnet werden. In der Präferenzstruktur können<br />

– relevante Ziele übersehen werden, oder<br />

– die Abbildung von Präferenzen erfolgt widerspruchvoll.<br />

Als letzte Determinante ist die Logik der Entscheidungsfindung von Bedeutung. Diese wird<br />

als Entscheidungsregel bezeichnet. Die Entscheidungsregel gibt an, wie die Gesamtwerte<br />

bei der schrittweise vorgenommenen Bewertung der Alternativen und darüber schließlich<br />

auch deren Ordnung zustande kommen.<br />

Die Entscheidungdeterminanten zielen auf die menschliche Komponente der <strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

ab. In der Praxis bedeutet das, dass die Bewertung aktiv von einer Urteilsperson<br />

oder Personen ausgeführt wird. Diese sollten bezüglich des zu beurteilenden Sachverhaltes,<br />

als auch bei einer eindeutigen Urteilsformulierung erfahren sein. Diese Eigenschaften<br />

gelten nicht nur für eine <strong>Nutzwertanalyse</strong>, sondern generell für zu beurteilende konzequenzenreiche<br />

Alternativen. Eine gute Methodik in der <strong>Nutzwertanalyse</strong> kann fehlenden<br />

Sachverstand und Weitblick nicht kompensieren.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 7


2.2 <strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

Wie aus Kapitel 2.1 schon hervorgeht, ist die <strong>Nutzwertanalyse</strong> ein Hilfsmittel, Alternativen<br />

bezüglich ihres subjektiven Wertbegriffs zu ordnen und die beste Alternative für die jeweilige<br />

Problemstellung und Rahmenbedingung auszuwählen. Nach der Definition von Zangemeister<br />

ist die <strong>Nutzwertanalyse</strong>:<br />

„<strong>Nutzwertanalyse</strong> ist die Analyse einer Menge<br />

komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck,<br />

die Elemente dieser Menge entsprechend den<br />

Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich<br />

eines multidimensionalen Zielsystems zu ordnen.<br />

Die Abbildung dieser Ordnung erfolgt durch die<br />

Angabe der Nutzwerte (Gesamtwerte) der Alternativen.“<br />

Der Nutzwert wird in der Wirtschaftswissenschaft als der subjektive durch die Tauglichkeit<br />

zur Bedürfnisbefriedigung bestimmte Wert eines Gutes definiert.<br />

Zur Betrachtung des Nutzwertes einer Alternative muss das Wertsystem, das aus Zielsystem<br />

und Präferenzen besteht herangezogen werden.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 8


2.3 Vorgehensweise in der <strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

2.3.1 Anforderungsliste und Zielsystem<br />

Um Projekte zu organisieren und zu koordinieren, sind diese in einem sogenannten Zielrahmen<br />

verankert. Der Zielrahmen ist die Basis des gesamten Zielsystems und inhaltlich<br />

auf die Organisation, sprich auf das Unternehmen oder den Konzern bezogen. In ihm sind<br />

die strategischen Ziele des Unternehmens festgehalten, die durch die Geschäftsleitung<br />

oder den Vorstand ausgegeben wurden. Der Zielrahmen ist maßgebend für den gesamten<br />

Planungs – und Entscheidungsprozeß im Unternehmen. Als Beispiel für den Zielrahmen<br />

kann die Vision 2010 der SCHOTT Glas herangezogen werden, in der die Unternehmensziele<br />

bis zum Jahr 2010 definiert sind. Im Allgemeinen können unternehmerische Ziele wie<br />

folgt beschrieben werden:<br />

– Gewinn und Wirtschaftlichkeitsstreben<br />

– hoher Marktanteil<br />

– technisch – wirtschaftliche Fortschrittlichkeit<br />

– zufriedene Mitarbeiter<br />

– Image in der Gesellschaft<br />

– gute Beziehungen zu Behörden, Gewerkschaften und Geschäftspartner<br />

– good will<br />

Bis auf die letzten zwei Punkte sind die Ziele aus heutiger Sicht für ein Unternehmen am<br />

wichtigsten.<br />

Das Zielprogramm ergibt sich aus dem Zielrahmen und beinhaltet die Spezifizierung dieser<br />

Ziele aus einzelne Unternehmensbereiche und entwickelt daraus Projekte, die diese<br />

Ziele befriedigend erreichen. Abbildung 2.5 zeigt den Aufbau dieser Struktur.<br />

Zielrahmen<br />

Definition von organisationsbezogenen strategischen Zielen<br />

Zielprogramm<br />

Definition organisationsbezogener allgemeiner Programmzielen<br />

Definition projektbezogener spezieller Programmziele<br />

Definition projektbezogener spezieller Programmziele<br />

Anforderungsliste<br />

Definition der relevanten und geforderten Systemmerkmale<br />

Abb. 2.5<br />

Makrologie zur Aufstellung eines Zielsystems<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 9


Die Anforderungsliste geht somit aus den einzelnen Projekten hervor. In der Anforderungsliste<br />

werden Eigenschaften (Ziele) der zu bewertenden Gesamtlösung aufgelistet<br />

und mit einer ersten Gewichtung versehen. Diese Gewichtung bezieht sich auf Forderungen<br />

und Wünsche. Forderungen können nochmals in feste Forderungen und tolerierte<br />

Forderungen unterteilt werden. Feste Forderungen müssen von den Alternativen mindestens<br />

erfüllt werden, um in eine intensivere Bewertung aufgenommen werden zu können.<br />

Tolerierte Forderungen hingegen sind wünschenswert, aber kein Muss. Wünsche hingegen<br />

können bei einer späteren <strong>Nutzwertanalyse</strong> nicht gewichtet werden. Tabelle 1 zeigt<br />

eine kurze Anforderungsliste für die Beschaffung einer Batterie.<br />

Tabelle 1<br />

Anforderungsliste<br />

Funktion mindestens 8,0 V unter Last Forderung<br />

Kosten (Preis) höchstens 1,50 Forderung<br />

Betriebssicherheit kein Auslaufen und Halten<br />

der Spannung über 1 Jahr<br />

Wunsch<br />

Um also eine <strong>Nutzwertanalyse</strong> korrekt durchführen zu können, wird vor dem Vergleich<br />

eine Anforderungsliste erstellt, aus der die Ziele hervorgehen. Die sogenannten Zielerträge<br />

werden in einer Zielwertmatrix geordnet und in einem hierarchischen Zielsystem aufgebaut.<br />

Dieses Zielsystem macht es der Urteilsperson einfacher, da sie mit zunehmender Dimensionalität<br />

überfordert wäre. Dies bezieht sich im speziellen auf die simultane gedankliche<br />

Erfassung und wertende Gegenüberstellung sämtlicher Zielerträge und die gedankliche<br />

Fixierung der Ergebnisse von Teilvergleichen und deren systematische, präferenzgerechte<br />

Kombination zu einer Gesamtaussage. Alle Ziele (z.B. Unternehmensziele, Forschungsziele,<br />

private Ziele) sollten durch die Anforderungsliste dokumentiert werden.<br />

Dieses Zielsystem muss, wie in der Einleitung schon beschrieben inhaltlich richtig und<br />

auch vollständig beschrieben werden. Hall schrieb hierzu:<br />

„Wichtiger als die Auswahl des richtigen Systems<br />

(Projektes) ist es, zunächst die richtigen Ziele zu<br />

bestimmen. Denn wählt man die falschen Ziele,<br />

dann löst man eine irrelevante Problemstellung;<br />

wählt man dagegen ein falsches System (auf Basis<br />

richtiger Ziele) so wählt man letztlich nur ein<br />

nicht optimales System.“<br />

Durch eine Aussagepräzisierung können die Ziele aufgrund von Mittel – Zweck – Beziehungen<br />

in Form miteinander verzweigter Zielketten systematisch zu eben angesprochener<br />

Zielhierarchie miteinander verbunden werden. Dies ist in der nachfolgende Abbildung dargestellt<br />

(Abb. 2.6).<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 10


Z 1<br />

hohe Wirtschaftlichkeit<br />

des Gutes<br />

Oberziel<br />

Z 2<br />

niedrige Betriebskosten<br />

Teilziel<br />

Z 3<br />

Treibstoffbedarf ⎡kg<br />

⎤<br />

⎢ ⎥<br />

⎣ h ⎦<br />

Unterziel<br />

Abb. 2.6 Dreistufige Zielkette aufgrund von Mittel – Zweck – Beziehungen mit Ober –<br />

und Unterziel<br />

Durch hinzufügen von Teil – oder Unterzielen ergibt sich folgender Aufbau eines Zielsystems<br />

(Abb. 2.7).<br />

Zielbereiche<br />

Z 1<br />

Zielstufen<br />

Z 11<br />

Z 12<br />

Z 13<br />

Z 111 Z 112 Z 121 Z 122 Z 123 Z 131 Z 132<br />

Z 1121 Z 1122 Z 1311 Z 1312<br />

Abb. 2.7<br />

Aufbau eines mehrstufigen Zielsystems aufgrund von<br />

Mittel – Zweck – Beziehungen<br />

Ehrlenspiel, Pahl/Beitz und Schweizer gehen nach dem von Zangemeister erarbeiteten<br />

und in Abbildung 2.7 dargestellten System vor.<br />

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Wie eben schon erwähnt können Alternativen schon vor der eigentlichen Bewertung überprüft<br />

werden. Dies schafft einen besseren Überblick und verkürzt die spätere Bewertung<br />

in der <strong>Nutzwertanalyse</strong>.<br />

Zangemeister nutzt hierfür die Simon – Regel (Regel der befriedigenden Lösung). Hier<br />

wird lediglich geprüft, ob die die einzelnen Kriterien mindestens erfüllt werden, oder nicht.<br />

Dieser Sachverhalt wir in Gleichung 2.1 dargestellt.<br />

m<br />

⎧<br />

+<br />

⎪1,wenn<br />

∑nij<br />

= m<br />

j=<br />

1<br />

N<br />

i<br />

= ⎨<br />

m<br />

(Gl. 2.1)<br />

⎪<br />

+<br />

0,wenn ∑nij<br />

< m<br />

⎪⎩<br />

j=<br />

1<br />

mit<br />

n<br />

+<br />

ij<br />

⎧1,<br />

wenn nij<br />

mindestens befriedigt ist<br />

= ⎨<br />

⎩ 0, wenn nij<br />

nicht befriedigt ist<br />

In Abbildung 2.8 ist dies grafisch dargestellt.<br />

unbefriedigend<br />

befriedigend<br />

n •1<br />

n •2<br />

n •3<br />

N = 0<br />

N = 1<br />

N<br />

Abb. 2.8<br />

Aufbau von m Nominalskalen mit jeweils zwei Zielwertkategorien<br />

Ehrlenspiel hat dieses System modifiziert. Seine Methode verwendet vorgegebene, allgemeingültige<br />

Kriterien (A bis G), wobei A und B für jede Lösungsvariante erfüllt sein<br />

müssen. Diese betreffen die Forderungen der Anforderungsliste und die Verträglichkeit<br />

mit angrenzenden Lösungen. Die Methode hat einen Vorteil. Neben den Urteilen Ja (+)<br />

und Nein (-), kann zusätzlich ein Fragezeichen () vergeben werden. Das Fragezeichen<br />

kennzeichnet einen Informationsmangel oder Unstimmigkeit. Sind die Probleme behoben<br />

kann die Alternative erneut bewertet werden. In Tabelle 2 ist dieses Schema dargestellt.<br />

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Tabelle 2<br />

Lösungsvarianten<br />

Kriterium 1 2 3 4 ...<br />

A Forderungen der Anforderungsliste erfüllt + + -<br />

B Verträglichkeit mit angrenzenden Lösungen gegeben + - + + ...<br />

C Grundsätzlich realisierbar + + +<br />

D Aufwand zulässig + + + -<br />

E Unmittelbare Sicherheit gegeben + - + + ...<br />

F Terminlich machbar + + + +<br />

G Know – How vorhanden / beschaffbar + + + +<br />

H ...<br />

Entscheidung + - -<br />

Zusätzlich sollen hier noch einige Punkte, die für die Erstellung eines Zielsystem von<br />

Wichtigkeit sind erörtert werden.<br />

Einzelne Ziele können auch miteinander interferieren, d.h. sie können einen Widerspruch<br />

ergeben, bzw. sich ergänzen. Diese Fälle werden Zielkonkurrenz oder Zielkomplementarität<br />

genannt. Bei einer Zielkonkurrenz bedingt die Ertragszunahme des einen Zieles eine<br />

Ertragsabnahme eines anderen Zieles.<br />

Die Zielkonkurrenz ist die eigentliche Ursache für Entscheidungskonflikte. Ein Beispiel<br />

hierfür ist:<br />

Z 1 =<br />

Z 2 =<br />

Verkürzung der Entwicklungszeit eines technischen Systems<br />

Erhöhung der technischen Zuverlässigkeit des Systems<br />

Werden nun unterschiedliche Personen zu einer Gewichtung herangezogen wird der Entscheidungskonflikt<br />

sichtbar. Für die kaufmännische Seite ist die Reduzierung von Kosten<br />

entscheidend und somit Ziel Z 1 mit einer höheren Gewichtung versehen. Das Qualitätsmanagement<br />

möchte gerne Kundenreklamationen reduzieren oder vermeiden und sieht<br />

somit die höhere Priorität in Ziel Z 2 . Der Konflikt kann nur durch einen Kompromiss behoben<br />

werden, in dem ein von beiden Seiten gewünschtes Verhältnis festlegt. Um Zielkonflikte<br />

zu vermeiden, muss auf einer Stufe der Hierarchie in Haupt – und Nebenziele unterschieden<br />

werden. Eine direkte Zielkonkurrenz ist allerdings nicht verifizierbar.<br />

Bei der Zielkomplementarität, erhöht sich der Ertrag des Zieles Z 2 durch eine Ertragserhöhung<br />

des Zieles Z 1 . Das nachfolgende Beispiel spiegelt diese Sachverhalt wider:<br />

Z 1 =<br />

Z 2 =<br />

Erhöhung der Leistungsabgabe eines Systems<br />

Verbesserung des Wirkungsgrades<br />

Eine weitere Form der Zielbeziehungen stellt die partielle Zielkomplementarität dar. Diese<br />

tritt in der Praxis auf. Nach Erfüllung mehrerer Unterziele, die durchaus in Konkurrenz zueinander<br />

stehen können, wird ein Oberziel vollständig erreicht. Wie bereits in Abb. 2.6<br />

dargestellt, stellt die fortlaufende Folge von Ober –, Teil – und Unterzielen eine Zielkette<br />

dar.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 13


Zum Abschluss dieses Kapitels sollen noch einige Verhaltensregel für das Aufstellen eines<br />

Zielsystems widergegeben werden.<br />

– ein Zielsystem muss interdisziplinär in Teamarbeit, evtl. unter zu Hilfenahme<br />

von externen Beratern erarbeitet werden<br />

– die Zielfindung ist ein kreativer Prozeß, Brainstorming und andere Methoden<br />

sollten zur Anwendung kommen.<br />

– die Zielvorstellungen auf ihre Realisierbarkeit hin zu prüfen<br />

– Ziele sollten schriftlich fixiert und eindeutig formuliert werden (Anfoderungsliste)<br />

– den zunächst noch ungeordneten Zielkatalog später entsprechend der<br />

hierarchischen Struktur ordnen und ergänzen<br />

– Konkretisierung der Ziele durch die Mittel – Zweck - Beziehungen<br />

– die Kriterien der Ziele sollten in einer Bewertung operational überprüfbar sein<br />

Je schwächer die Form der Skalierung, desto globaler wird die darauf<br />

aufbauende Entscheidungsfindung sein.<br />

– Zielkonflikte sind zu vermeiden und können durch Gewichtung beseitigt werden<br />

– die Ziele müssen ständig den sich ändernden Bedingungen angepasst werden<br />

Früher noch zweckmäßige Ziele können sich bei einer erneuten Betrachtung als<br />

irrelevant herausstellen.<br />

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2.3.2 Gewichtung der Zielkriterien<br />

Bei der Fülle an Zielkriterien können zwangsläufig nicht alle Kriterien ein gleich große Bedeutung<br />

für das Projekt besitzen. Es müssen also einzelne Kriterien höher gewichtet werden,<br />

als andere.<br />

Zangemeister geht in seiner <strong>Nutzwertanalyse</strong> nach der Methode der sukzessiven Vergleiche<br />

vor, die von Churman und Ackhof stammt und nachfolgend beschrieben wird.<br />

Die Methode eignet sich nicht sehr gut für die Ermittlung von Zielwerten, dafür aber zur<br />

Ermittlung von Kriteriengewichten. Das Kriteriengewicht kann als konstanter Faktor eines<br />

Kriteriums angesehen werden. Dieser Faktor gibt an, mit welchen Gewicht die Zielwerteinheit<br />

in den Gesamtnutzen einfließt.<br />

Nachfolgend soll die Vorgehensweise bei der Bewertungsschritte kurz geschildert werden.<br />

– die Zielkriterien werden in eine ordinale Präferenzordnung gebracht,<br />

so dass die Gewichte entsprechend dieser z.B. folgende Aussage erhalten:<br />

g 1 > g 2 > ... g i ... > ... g m<br />

– Nun erhält das am höchsten eingestufte Zielkriterium den Wert 1,0.<br />

Den übrigen Zielkriterien werden die entsprechenden Werte zugeordnet.<br />

– In diesem Schritt werden die Schätzwerte der Zielkriterien korrigiert. Diese<br />

werden solange korrigiert, bis alle Summen entsprechend dem Zielsystem<br />

stimmen.<br />

– Im letzten Schritt werden die Schätzwerte der einzelnen Gewichte aufsummiert<br />

und die Schätzwerte der einzelnen Gewichte durch diese Summe geteilt, so dass<br />

man bei der Herstellung des Verhältnisses wieder auf 1,0 kommt.<br />

Diese Vorgehensweise ist in Tabelle 3 mit einem Beispiel dokumentiert.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 15


Tabelle 3<br />

1. Schritt:<br />

Bestimmung der Präferenzordnung<br />

2. Schritt:<br />

Zuordnung der provisorischen<br />

Gewichte<br />

g 2 > g 1 > g 4 > g 3<br />

1,0 > 0,8 > 0,5 > 0,3<br />

3. Schritt:<br />

Sukzessive Korrektur der<br />

Schätzwerte<br />

3.1) Es sei g 2 > g 1 + g 4 + g 3<br />

da 1,0 > 0,8 + 0,5 + 0,3<br />

erfolgt Korrektur 2,0 > 0,8 + 0,5 + 0,3<br />

3.2) Es sei g 1 < g 4 + g 3<br />

da 0,8 < 0,5 + 0,3<br />

erfolgt Korrektur 0,7 < 0,5 + 0,3<br />

4. Schritt:<br />

Normierung der geschätzten<br />

Gewichte<br />

g 1 = 0,7 g 1 ’ = g 1 / 3,5 = 0,20<br />

g 2 = 2,0 g 2 ’ = g 2 / 3,5 = 0,57<br />

g 3 = 0,3 g 3 ’ = g 3 / 3,5 = 0,09<br />

g 4 = 0,5 g 4 ’ = g 4 / 3,5 = 0,14<br />

∑: 3,5 1,00<br />

Dieses Verfahren eignet sich allerdings nicht für mehr als 7 Kriterien. Es wird bei dieser<br />

Größe an Kriterien unübersichtlich und auch langwierig. Wird, wie in Kapitel 2.3.1 ein Zielsystem<br />

mit hierarchischer Struktur aufgebaut, so können die Ziele die auf einer Stufe stehen,<br />

mit dem direkt übergeordneten Kontenziel abgewogen werden. Die Anzahl der zu<br />

vergleichenden Elemente wird kleiner. Bei Änderungen im Zielsystem können somit auch<br />

einfacher verarbeitet werden, da nicht alles neu bewertet werden muss.<br />

Bei dieser Vorgehensweise gibt es Knotengewichte g K und Stufengewichte g S . Letztere<br />

sind die für die <strong>Nutzwertanalyse</strong> maßgebenden. Sie ergeben sich durch Multiplikation der<br />

übergeordneten Knotengewichte einer Zielkette. Die Menge der Stufengewichte ist identisch<br />

mit der Menge der Kriteriengewichte. In der nachfolgen Abbildung ist ein solches<br />

Schema mit einem Beispiel versehen worden.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 16


Knotengewicht<br />

Z 1<br />

1,0 1,0<br />

Stufengewicht<br />

Z 11 Z 12 Z 13<br />

0,5 0,5<br />

0,25 0,25<br />

0,25 0,25<br />

Z 111 Z 112 Z 113 Z 114 Z 115<br />

0,67 0,34<br />

0,33 0,16 0,34 0,09 0,33 0,08 0,33 0,08<br />

Z 1111<br />

0,25 0,09<br />

Z 1112<br />

0,75 0,25<br />

Z 1221<br />

0,5 0,04<br />

Z 1222<br />

0,5 0,04<br />

0,09 + 0,25 + 0,09 + 0,04 + 0,04 + 0,08 + 0,25 = 6 g i = 1,0<br />

Abb. 2.9<br />

Beispiel zur stufenweisen Bestimmung der relativen Gewichte einer<br />

Zielhierarchie. Die Endpunkte der Zielketten repräsentieren die bei der<br />

Bewertung der Alternativen zugrunde liegenden Zielkriterien [k .j ]<br />

Die Knotengewichte ergeben immer 1,0 bezogen auf die Stufen vorher. Beispiel hierfür<br />

sollen die Ziele mit dem Index Z 111 und Z 112 sein. Diese haben die Kontengewichte g K111 =<br />

0,67 und g K112 = 0,33. Die Summe ergibt 1,0. Die Stufengewichte g S111 und g S112 ergeben<br />

das Stufengewicht der vorherigen Stufe (hier 0,5). Die Stufengewichte mit 100 multipliziert<br />

ergibt die prozentualen Beitrag zum Gesamtziel.<br />

Ehrlenspiel und Pahl/Beitz haben die in Abbildung 2.9 dargestellte Methode übernommen.<br />

Schweizer geht in seiner <strong>Nutzwertanalyse</strong> einem anderen Ansatz nach, der sich für die<br />

Bewertung durch mehrere Urteilspersonen eignet. Die Zielpräferenzmatrix beruht auf dem<br />

ordinalen Paarvergleich, der zu einer Dominanzmatrix führt.<br />

Schweizer vergleicht für die Gewichtung paarweise die Zielkriterien miteinander. Nachdem<br />

alle Zielkriterienpaare miteinander verglichen worden sind, werden für jedes Kriterium<br />

die Punkte aufsummiert und über einen Dreisatz daraus die Gewichtung in der späteren<br />

Bewertung berechnet. Dies soll in Abbildung 2.10 dargestellt werden. Die Gewichtung<br />

soll am Beispiel des Zielkriteriums „Bedienbarkeit“ kurz erläutert werden. Die Bedienbarkeit<br />

hat den Index g in der Zielpräferenzmatrix (Ergebnisse sind fett hervorgehoben). Sie<br />

ist im direkten Vergleich zur Sprache mit dem Index h unterlegen. Daher wird hier ein h<br />

stehen. Beim Vergleich mit dem Service und der Hotline überlegen. Es wird daher jeweils<br />

ein g eingetragen. Sobald alle Kriterien mit einander verglichen worden sind, werden die<br />

Indizes für jedes Zielkriterium aufsummiert. Im Falle der Bedienbarkeit wurde sechs Mal<br />

ein g verteilt. Daher steht in der Spalte „Anzahl der Präferenzen“ die Zahl 6. Da 45 Urteile<br />

abgegeben worden sind, wird dies als Bezugspunkt gewählt. Bei einer Normierung auf<br />

100 Punkte ergeben sich dann die in Abbildung 2.10 gewonnen Gewichtungen für die<br />

Nutzwertmatrix.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 17


Gewicht Anzahl - Ziele<br />

Präf.<br />

9<br />

9<br />

9<br />

6<br />

11<br />

6<br />

14<br />

11<br />

11<br />

11<br />

4<br />

4<br />

4<br />

3<br />

5<br />

3<br />

6<br />

5<br />

5<br />

6<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

e<br />

f<br />

g<br />

h<br />

i<br />

k<br />

Invest. Kosten<br />

Betriebskosten<br />

Störanfälligkeit<br />

Leistung<br />

Schulungsaufw.<br />

Ergonomie<br />

Bedienbarkeit<br />

Sprache<br />

Service<br />

Hotline<br />

a<br />

b<br />

d<br />

e<br />

f<br />

f<br />

h<br />

i<br />

k<br />

c<br />

b<br />

c<br />

d<br />

g<br />

h<br />

g<br />

k<br />

a<br />

e<br />

c<br />

g<br />

e<br />

i<br />

g<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

e<br />

k<br />

f<br />

g<br />

h<br />

i<br />

e<br />

g<br />

h<br />

i<br />

k<br />

h<br />

i<br />

k<br />

a<br />

b<br />

k<br />

100<br />

45<br />

Abb. 2.10<br />

Beispiel für eine Zielpräferenzmatrix. Mit diesen lassen sich den Zielen<br />

Prioritäten zuordnen.<br />

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2.3.3 Zielertrags – oder Zielgrößenmatrix<br />

Bevor nun die Gewichte den einzelnen Zielkriterien zugeordnet werden, müssen diese in<br />

einer Matrix zusammengefasst werden. Zangemeister nennt diese Matrix Zielertragsmatrix.<br />

In ihr werden die Alternativen im Zielsystem durch ihre Zielerträge abgebildet.<br />

Ehrlenspiel und Pahl/Beitz nennen diese Matrix Zielgrößenmatrix, wobei sich dahinter das<br />

gleiche Gebilde verbirgt. Ehrlenspiel lehnt sich sehr stark an die von Zangemeister vorgegebene<br />

Struktur an. Pahl/Beitz baut dieses System weiter aus, indem er dort auch schon<br />

die Gewichtung mit einträgt und Spalten für die Bewertung und die Teilnutzen reserviert.<br />

In Tabelle 4 ist eine solche Matrix dargestellt. Die Matrix und die in ihr enthaltenen Beispiele<br />

stammen zwar von Pahl/Beitz, ist aber zwecks besserer Übersicht auf die von Zangemeister<br />

angegebene Form heruntergebrochen worden.<br />

Tabelle 4<br />

Bewertungskriterien Variante V 1 Variante V 2 Variante V j<br />

Eigensch. Eigensch. Eigensch.<br />

Nr. Einh. e i1 e i2 e ij<br />

1 Kraftstoff - g/kWh 240 300 e 1j<br />

verbrauch<br />

2 Leistungs - kg/kW 1,7 2,7 e 2j<br />

gewicht<br />

3 Einfachheit - niedrig mittel e 3j<br />

der Gußteile<br />

4 Lebens - Fahr - 80.000 150.000 e 4j<br />

dauer km<br />

… … … … …<br />

i e i1 e i2 e ij<br />

… … … … …<br />

n e n1 e n2 e nj<br />

Schweizer umgeht diesen Schritt ganz und trägt die Gewichtungen direkt in eine sogenannte<br />

Bewertungsmatrix ein. Diese entspricht der Nutzwertmatrix nach Zangemeister, in<br />

der die Gewichte mit den Zielwerten zu Nutzwerten verrechnet werden. Dies wird in Kapitel<br />

2.3.5 näher erläutert.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 19


2.3.4 Zielwertmatrix und Wertfunktion<br />

Um den einzelnen Zielerträgen neben den Gewichten auch einen Wert für den Gesamtnutzen<br />

beimessen zu können, bedarf es sogenannter Zielwerte. Diese Aufstellung ist notwendig,<br />

da ein Wert eine subjektive Größe ist. Wird zum Beispiel über die Anschaffung<br />

eines Autos nachgedacht, so kann die Leistung des Motors von 115 kW viel sein, wenn<br />

man eher an einen Kleinwagen gedacht hat. Bei dem Gedanken an einen Sportwagen<br />

fallen 115 kW eher klein aus. Der Schallpegel von 75 dB(A) sagt auch nichts über den<br />

Wert aus. Es muss erst bewertet werden, ob dies ruhig oder laut ist. Dies bezieht sich auf<br />

alle Zielkriterien, die im Zielsystem festgehalten sind. Die Beurteilung der Zielgrößen in<br />

einer Zielwertmatrix erleichtert auch die Arbeit mit rein verbal ausgedrückten Zielen. Ob<br />

etwas laut oder leise ist, hängt vom Sachverhalt und der Wertschätzung der Gesellschaft<br />

ab. Der Urteilsperson wird somit ein Bezugspunkt für seine Beurteilung zur Verfügung gestellt.<br />

Zangemeister geht hier nach den folgend aufgeführten Verfahren vor:<br />

– Psychometrischer Ansatz zur Ermittlung einer Wertfunktion<br />

– Normativer Ansatz zur Ermittlung einer Wertfunktion<br />

– Verfahren der konstanten Summen<br />

Die beiden ersteren Verfahren sind unter der Bezeichnung Verhältnisskalierung durch<br />

Verhältnisherstellung zu finden. Das Verfahren der konstanten Summen unter Verhältnisskalierung<br />

durch Verhältnisschätzung. Es soll hier nur auf die Verfahren der Verhältnisherstellung<br />

eingegangen werden.<br />

Psychometrischer Ansatz zur Ermittlung einer Wertfunktion:<br />

Zangemeister hat zur Ermittlung von Werten den Ansatz von Torgerson verwendet. Dieser<br />

ist auf eine psychologische Funktion aufgebaut. Sie wird verwendet, wenn die Konstruktion<br />

einer Verhältnisskala auf Basis einer physikalischen Funktion fehl schlägt. Die Anzahl<br />

der zur Verfügung stehenden Punkte wir stark reduziert und der Zielwertverlauf muss<br />

punktweise ermittelt werden. Dies geschieht nach einem vorher definierten Reiz / Zielertragsverhältnis.<br />

In einem ersten Schritt muss das Intervall im Zielertrag, das für die Urteilsperson von Bedeutung<br />

ist, durch Maximal – und Minimalwerte abgegrenzt werden. Für dieses Beispiel<br />

soll das Reiz / Zielertragsverhältnis 1/n auf ½ gesetzt werden, so dass die Skalenwerte<br />

die der Gleichung k(n a ) (mit a = 1, 2, 3, 4, usw.) gehorchen, folgende Werte annehmen: 1,<br />

2, 4, 8, 16, usw.<br />

Weiterhin werden 6 Standardreize angenommen, die im Intervall des Interesses liegen.<br />

Für jeden Standardwert wurde ein Wert genommen, der halb so groß erscheint als der<br />

Standardwert selbst. Diese Gegenüberstellung ist in Tabelle 5 dargestellt.<br />

Tabelle 5<br />

Standardbezugspunkt k sj 40 50 60 70 80 90<br />

Schätzpunkt k vj 35 40 47 55 60 68<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 20


Diese Punkte werden in einer Grafik aufgetragen (Abb. 2.11). Durch die Punkte wird eine<br />

Ausgleichsgerade gelegt. Durch die Ausgleichsgerade, ist es nun möglich jedem Standardbezugspunkt<br />

einen Schätzpunkt innerhalb des betrachteten Intervalls zuordnen zu<br />

können.<br />

Nun wird dem niedrigsten Standard der Wert 1 zugeordnet. Für das hier vorliegende Beispiel<br />

ist dies der Wert 35. Dieser Sachverhalt (35; 1) wird in die Grafik der Zielwertfunktion<br />

eingetragen und Reiz A genannt. Reiz A hat den Wert von 35 und wurde halb so groß angesehen<br />

wie sein Standardbezugspunkt, der den Wert 40 besitzt. Wenn Reiz A also den<br />

Wert 1 hat, so hat 40 den Wert 2 und wird Reiz B genannt. Dieser wird ebenfalls in die<br />

Grafik der Zielwertfunktion eingetragen. Reiz C hat einen Wert von 50 auf der Standardbezugspunktskala<br />

und ist doppelt so groß wie Reiz B. Er muss also 4 mal so groß sein<br />

wie Reiz A. Reiz C wird in die Grafik eingetragen (50; 4). Zurück in der linken Grafik wird<br />

dem Schätzpunkt 50, der Standardwert 64 ermittelt und als Reiz D bezeichnet. Reiz D hat<br />

in der Zielwertfunktion den Wert 8. Als letzter Punkt wir Reiz E mit den Werten 84 und 16<br />

in der Zielwertfunktion eingetragen. Die Punkte der Zielwertskala werden verbunden und<br />

kann nun als eine Zielwertfunktion verwendet werden.<br />

k vj<br />

k °j<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

n °j<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

30 40 50 60 70 80 90<br />

k sj<br />

30 40 50 60 70 80 90<br />

Abb. 2.11<br />

Schätz – (links) und Zielwertfunktion (rechts)<br />

Normativer Ansatz zur Ermittlung einer Wertfunktion:<br />

Dem normative Ansatz liegt die mathematische Funktion eines Zielkriteriums zugrunde.<br />

Sie beschreibt exakt den Funktionsverlauf im angestrebten Zielertragskontinuum. In der<br />

nachfolgenden Abbildung (Abb. 2.12) sind die wichtigsten Funktionen dargestellt. Diese<br />

Darstellung hat aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da es sehr viel mehr Funktionen<br />

gibt, die eine Wertfunktion zu einer Zielgröße beschreiben.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 21


y<br />

1,0<br />

y<br />

1,0<br />

y = ax<br />

y = 1 - ax<br />

x ≅ e ij<br />

und y ≅ w ij<br />

0<br />

Lineare Wachstumsfunktion<br />

x<br />

0<br />

Lineare Straffunktion<br />

x<br />

y<br />

1,0<br />

y = 1 - exp(-x/a)<br />

y<br />

1,0<br />

y = exp(-x/a)<br />

0<br />

Steigende Sättigungsfunktion<br />

x<br />

0<br />

Fallende Sättigungsfunktion<br />

x<br />

Abb. 2.12<br />

Gebräuchliche Wertfunktionen nach Zangemeister<br />

Um die Bewertung zu vereinfachen und auch Zielgrößen bewerten zu können die nicht<br />

einer physikalischen Größe entsprechen, kann das Urteilsschema (Tabelle 6) verwendet<br />

werden. Pahl/Beitz schlägt dieses Schema neben den Wertfunktionen vor. Ein Nachteil<br />

des Urteilsschema ist die Unsicherheit bei Zwischenwerten.<br />

Tabelle 6<br />

Nutzwert -<br />

anal.<br />

Wertskala<br />

VDI 2225<br />

Kraftstoff -<br />

verbrauch<br />

Eigenschaftsgrößen<br />

Leistungs -<br />

gewicht<br />

Einfachheit<br />

der Gußteile<br />

Lebensdauer<br />

Pkt. Pkt. g/kWh kg/kW - Fahr-km (10^3)<br />

0 400 3,5 extrem 20<br />

0<br />

1 380 3,3 kompliziert 30<br />

2 360 3,1 40<br />

1<br />

kompliziert<br />

3 340 2,9 60<br />

4 320 2,7 80<br />

2<br />

mittel<br />

5 300 2,5 100<br />

6 280 2,3 120<br />

3<br />

einfach<br />

7 260 2,1 140<br />

8 240 1,9 200<br />

extrem<br />

9 4 220 1,7 300<br />

einfach<br />

10 200 1,5 500<br />

Ein Wert von 400.000 km in der Lebensdauer kann nicht richtig zugeordnet werden. Die<br />

Klärung solcher funktionellen Gegebenheiten, muss vor der Bewertung geschehen, oder<br />

durch eine Wertfunktion ersetzt werden. Eine Vereinfach würde auch die Markierung<br />

durch Verhältniszeichen (≤, ≥) darstellen (z.B. ≤ 300.000 km).<br />

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Die erhaltenen Werte werden nun in einer Zielwertmatrix den einzelnen Zielkriterien und<br />

Varianten zugeordnet. Die Zielwertmatrix von Pahl/Beitz ist wieder vereinfacht in Tabelle 7<br />

dargestellt.<br />

Tabelle 7<br />

Bewertungskriterien Variante V 1 Variante V 2 Variante V j<br />

Wert Wert Wert<br />

Nr. Einh. w i1 w i2 w ij<br />

1 Kraftstoff - g/kWh 8 5 w 1j<br />

verbrauch<br />

2 Leistungs - kg/kW 9 4 w 2j<br />

gewicht<br />

3 Einfachheit - 2 5 w 3j<br />

der Gußteile<br />

4 Lebens - Fahr - 4 7 w 4j<br />

dauer km<br />

… … … … …<br />

i w i1 w i2 w ij<br />

… … … … …<br />

n w n1 w n2 w nj<br />

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2.3.5 Nutzwertmatrix<br />

Um nun den Gesamtnutzen einer Variante zu errechnen bedient sich Zangemeister der<br />

Additionsregel bei absolut fixierten Zielwertskalen. Diesem Ansatz folgen auch die anderen<br />

Autoren.<br />

Bei diesem Ansatz werden die Gewichte der einzelnen Zielkriterien mit den zugehörigen<br />

Zielwerten multipliziert und ergeben somit als Produkt den Teilnutzen. Der aufsummierte<br />

Teilnutzen einer jeden Varianten kennzeichnet den Nutzwert der Variante gegenüber den<br />

anderen bewerteten Varianten. Gleichung 2.3 stellt hierfür die Grundlage.<br />

1<br />

∑<br />

i=<br />

1<br />

n<br />

∑<br />

Gwg = g w = wg<br />

(Gl. 2.3)<br />

j<br />

i<br />

ij<br />

i = 1<br />

In Tabelle 8 ist die Nutzwertmatrix schematisch dargestellt.<br />

Tabelle 8<br />

ij<br />

Bewertungskriterien<br />

Variante V 1 Variante V 2<br />

Wert Gew. Wert Wert Gew. Wert<br />

Nr. Einh. Gew. w i1 wg i1 w i2 wg i2<br />

1 Kraftstoff - g/kWh 0,3 8 2,4 5 2,4<br />

verbrauch<br />

2 Leistungs - kg/kW 0,15 9 1,35 4 1,35<br />

gewicht<br />

3 Einfachheit - 0,1 2 0,2 5 0,2<br />

der Gußteile<br />

4 Lebens - Fahr -<br />

4 1 7 1<br />

dauer km 0,2<br />

… … ... … … … …<br />

i g i w i1 wg i1 w i2 wg i2<br />

… … … … … … …<br />

n g n w n1 wg n1 w n2 wg n2<br />

Gwg 1 Gwg 2<br />

Wg 1 Wg 2<br />

Eine Rangfolge der Varianten wird schließlich aus den Werten des Gesamtnutzens erstellt.<br />

Hier hat die Variante den höchsten Nutzen, die die höchste Punktzahl erreicht. Diese<br />

Rangfolge soll als Entscheidungshilfe und nicht als Entscheidung dienen. Falls zwei<br />

Varianten dicht beieinander liegen kann durch Änderung der Gewichtung die Sicherheit<br />

dieser Bewertung überprüft werden. Ist die Rangfolge erneut die gleiche, so kann das Ergebnis<br />

als sicher angesehen werden. Ergibt sich eine andere Rangfolge der Varianten, so<br />

sollte überlegt werden, ob die Gewichtung den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht.<br />

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3. Anwendungsbeispiele der <strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

3.1 Auswahlverfahren<br />

Bei der Bewertung eines Systems sollte sich vor dem benutzen einer Methodik Gedanken<br />

über die anzuwendende Methode gemacht werden. Die folgenden Kriterien helfen bei der<br />

Suche nach einem geeigneten Bewertungsverfahren:<br />

– Ausrichtung / Orientierung<br />

– Komplexität der Varianten<br />

– Subjektive Investitionshöhe<br />

– Dauer der Bewertung<br />

Die Ausrichtung bezieht auf die Ausrichtung des Verfahrens (wirtschaftlicher, technisch –<br />

wirtschaftlicher, oder indifferenter Ausrichtung).<br />

Die Komplexität wird unterteilt in einfache, mittel – komplexe und hoch – komplexe Varianten.<br />

Einfache Varianten sind Schrauben und Haartrockner. Systeme, wie ein Kraftfahrzeug,<br />

oder Waschautomat fallen in die Kategorie mittel – komplex. Kraftwerk, oder Passagierflugzeuge<br />

sind als hoch – komplex anzusehen.<br />

Die Investitionshöhe ist, wie vorher schon beschrieben eine subjektive Größe. Sie wird<br />

unterschieden in niedrig, mittel und hoch. Je weitreichender die finanzielle Konsequenz für<br />

den Entscheider ist, desto mehr wird er an einer gut durchgeführten Informationsgewinnung<br />

interessiert sein.<br />

Die Dauer eines Verfahrens, beinhaltet die Frage: „Wie schnell muss die Entscheidung<br />

getroffen werden“. Es werden hier die Ausprägungen: innerhalb einer Stunde, eines Tages,<br />

einer Woche, eines Monats oder eines Jahres vorgeschlagen. Entscheidungen, die in<br />

Sekunden oder Minuten fallen, sind rein intuitive Entscheidungen, die nicht berücksichtigt<br />

werden sollen.<br />

Die <strong>Nutzwertanalyse</strong> kann bei der Ausrichtung alle angegebenen Ausprägungen behandeln.<br />

Einfache und mittel – komplexe Varianten sind gut zu bewerten. Bei hoch – komplexen<br />

Varianten stößt die <strong>Nutzwertanalyse</strong> jedoch an ihre Grenzen. Auch bei hoch einzuschätzenden<br />

Investitionshöhen eignen sich andere Bewertungsverfahren besser. Eine<br />

<strong>Nutzwertanalyse</strong> ist ab der Dauer eines Tages einsetzbar und bietet dann ein sehr<br />

brauchbares Hilfsmittel zur Bewertung.<br />

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3.2 Anwendungsbeispiele<br />

<strong>Nutzwertanalyse</strong>n können, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, an einer Vielzahl von<br />

Projekten und Produkten angewendet werden, beispielsweise:<br />

– Straßenplanung: Berliner Innenring (Klockow, 1987)<br />

A8 Albauf – und Albabstieg (Landesamt für Straßen –<br />

wesen Baden – Würtemberg)<br />

– Ausgearbeitete<br />

– Konstruktion / : ICE – Drehgestell (Deutsche Bahn AG, 2000)<br />

– Kaufentscheid<br />

– Entwicklungsaufgaben: Hoch – Temperatur – Schnellbrandfarben für<br />

Porzellan (Cerdec AG, 1997)<br />

– Kaufentscheide: Kraftfahrzeug oder ähnliches<br />

Im nachfolgenden Kapitel soll anhand des Berliner Innenringes die <strong>Nutzwertanalyse</strong> am<br />

einem Beispiel erläutert werden.<br />

3.2.1 Bewertung durch die <strong>Nutzwertanalyse</strong> einer Straßenplanung am Beispiel<br />

des Berliner Innenringes<br />

Vor der deutschen Wiedervereinigung wurde eine Erweiterung des Innerstädtischen Autobahnringes<br />

BAB A 10 (inzwischen A 100) geplant. Die ursprüngliche Wegführung von<br />

Plötzensee/Moabit bis Tempelhof, sollte um 4,5 km, bis Neukölln verlängert werden.<br />

Problemstellung:<br />

Das Gebiet ist zum Teil dicht bebaut und die BAB endet in einem Kleingartengebiet. Von<br />

dort wird der Verkehr in die sich anschließenden Stadtstraßen geleitet. Die <strong>Nutzwertanalyse</strong><br />

wurde angewendet, da im Rahmen des Linienbestimmungsverfahren nach dem Bundesfernstraßengesetz<br />

ein Variantenvergleich vorgesehen ist. Die hier vorgestellte Veröffentlichung<br />

von Klockow et al. (1987) wurde als Pilotprojekt zur Weiterentwicklung der<br />

„Richtlinien für die Anlage von Straßen – Teil Wirtschaftlichkeitsrechnungen (RAS-W)“<br />

vewendet und sollte Umweltaspekten hierin einbeziehen.<br />

Alternativen:<br />

Untersucht wurden vier Trassenvarianten (A3, B, D, E) und die weiterentwickelte Nullvariante<br />

als Vergleichsfall untersucht. Weiterentwickelt bedeutet hier, dass kleinere Baumaßnahmen<br />

an vorhandenen Straßen einkalkuliert wurden. In Abbildung 3.1 ist die Streckenführung<br />

zu sehen (die Nullvariante ist nicht gekennzeichnet).<br />

Zielsystem:<br />

Der Zielkatalog enthielt zunächst zehn Oberziele und 32 Unterziele. Er wurde auf der Basis<br />

der verkehrspolitischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland, der Ziele der Verkehrsinvestitionspolitik<br />

und der verkehrspolitischen Ziele von Berlin (West) erstellt. Durch die<br />

Problemstellung wurden die 32 Unterziel auf 16 relevante Ziele reduziert. Die Aspekte der<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 26


Umwelt gehen mit in die Bewertung mit ein. Abbildung 3.2 zeigt das aufgestellte Zielsystem<br />

(veränderte Darstellung).<br />

Abb. 3.1 Darstellung der Trassenvarianten (Klockow et al. 1987)<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 27


Abb. 3.1 Zielsystem für die Bewertung der Plannungsvarianten (Klockow et al. 1987)<br />

Zielgewichtung:<br />

Nach welchem Schema die Gewichtung vorgenommen wurde lässt sich schlecht aus dem<br />

Text erkennen. Es kann sich um einen ordinalen Paarvergleich, wie der Zielpräferenzmatrix<br />

handeln, da die Zahlen in einem zweistelligen Bereich liegen. Die Gewichtungen sind<br />

der Tabelle 9 zu entnehmen. Für das Ziel U7 wurde die Gewichtung offensichtlich vergessen.<br />

Das Ziel wir später in der Bewertung und Nutzwertmatrix nicht mehr auftauchen.<br />

ÖPNV ist der Öffentliche Personennahverkehr und LAPRO das Berliner Landschaftsprogramm.<br />

Tabelle 9<br />

Kriterium<br />

L1/2 Gesamte zusätzl. jährliche Kosten<br />

L1 Investitionskosten<br />

L2 Laufende Kosten<br />

V1 Verkehrsunfallgeschehen, Gewichtung a:b = 50:50<br />

Gewicht<br />

15,00<br />

10,66<br />

a Unfallzahl<br />

b Unfallkosten<br />

V2 Reisezeiten 5,34<br />

V3 Betriebskosten 4,00<br />

R1 Lärmbelastung für Anwohner 15,75<br />

R2 Schadgasimmissionen für Anwohner 7,00<br />

R3 Trennwirkung (Zeitverlust) 5,85<br />

R4 Beeinträchtigung des Stadtbilds, Gewichtung a:b = 50:50 6,40<br />

a Beeinträchtigung<br />

b Gestaltungspotential<br />

U1 Tragfähigkeit der vorhandenen Situation 9,00<br />

U2 Auswirkungen durch Bau und Betrieb 5,01<br />

U3 Kompatibilität mit dem LAPRO 3,99<br />

U4 Flächenverbrauch (Ersatzforderung) 4,50<br />

U5 Anteil des ÖPNV 5,01<br />

U6 Energieverbrauch 2,49<br />

U7 Schadstoffemissionen, Gewichtung a:b = 50:50<br />

<br />

a Schadgase<br />

b Schwebstaub<br />

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Zielgrößen:<br />

Die Zielgrößen der zu bewertenden Alternativen sind in Tabelle 10 aufgeführt. Für eine<br />

einfachere Bewertung durch die Urteilspersonen wurde jeweils ein Optimalfall (+Fall) und<br />

ein Pessimalfall (-Fall) eingeführt.<br />

Tabelle 10<br />

Kriterium Dimension<br />

Zielerträge<br />

-Fall A3 B D E V +Fall<br />

L1/2 Mio DM/a 21,75 8,23 20,35 20,5 21,57 2,78 0<br />

L1 Mio DM/a 20,95 7,8 19,8 19,93 20,95 2,78 0<br />

L2 Mio DM/a 0,62 0,43 0,55 0,57 0,62 0 0<br />

V1a U/a 1872 1699 1652 1640 1621 1872 323<br />

b Mio DM/a 40,5 37,7 37,2 37,1 36,5 40,5 15<br />

V2 1000 Kfz.h/a 62862 6904 6978 7408 6713 8074 3724<br />

V3 TDM/a 82846 77123 76725 77881 73693 82846 71351<br />

R1 L-Punkte 93945 89459 89886 89326 88920 93945 0<br />

R2 S-Punkte 35124 31993 34652 33977 34536 36142 0<br />

R3 1000 1436,6 1373,6 1369,4 1353,2 1353,7 1390 0<br />

Warteh/a<br />

R4a Punkte 12072 1254 3243 3923 5079 0 0<br />

b 1000 Pkt. 0 1574 1908 1556 2009 0 2009<br />

U1 Punkte 10 4,5 4,1 3,5 3,9 2,7 0<br />

U2 Punkte 10 3 4,5 3,6 4,5 1,2 0<br />

U3 Punkte 10 2,1 3,1 2,2 2,8 0,7 0<br />

U4 ha 8,54 0,3 2,93 3,08 4,64 0 0<br />

U5 % 0 33,5 33,5 34,5 33,5 40 100<br />

U6 1000 t SKE/a 37196 34274 33852 34694 33987 37196 29768<br />

U7a t/a 6341 5771 5832 5872 5681 6341 4413<br />

b a 937,7 937,7 956,2 969,8 946,4 919,3 919,3<br />

Zielwerte:<br />

Zur Ermittlung der Zielwerte wurden aus den Daten (es wurden ca. 10.000 Einzeldaten<br />

eingegeben) Zielwertfunktionen errechnet. Dies hat den Vorteil einer höheren Genauigkeit.<br />

Die Zielwerte sind von den Autoren nicht mit angegeben worden, konnten aber durch<br />

Umstellen von Gleichung 2.3 rechnerisch ermittelt werden. Die Zielwerte sind in Tabelle<br />

11 zu finden.<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 29


Tabelle 11<br />

Kriterium<br />

Zielwerte<br />

A3 B D E V<br />

L1/2 0,618 0,057 0,050 0,000 0,871<br />

V1 0,111 0,136 0,142 0,159 0,000<br />

V2 0,946 0,945 0,938 0,949 0,926<br />

V3 0,498 0,533 0,432 0,796 0,000<br />

R1 0,048 0,043 0,049 0,053 0,000<br />

R2 0,232 0,014 0,033 0,017 0,000<br />

R3 0,044 0,047 0,058 0,058 0,032<br />

R4 0,833 0,841 0,725 0,790 0,500<br />

U1 0,550 0,590 0,650 0,610 0,730<br />

U2 0,700 0,550 0,640 0,550 0,880<br />

U3 0,790 0,690 0,780 0,720 0,930<br />

U4 0,965 0,657 0,639 0,457 1,000<br />

U5 0,335 0,335 0,345 0,335 0,400<br />

U6 0,393 0,450 0,337 0,432 0,000<br />

Nutzwerte:<br />

Die Nutzwerte wurde nach Gleichung 2.3 in Kapitel 2.3.5 errechnet und sind in der nachfolgenden<br />

Tabelle (Tab. 12) aufgelistet.<br />

Tabelle 12<br />

Kriterium Gewicht Nutzwerte<br />

A3 B D E V<br />

L1/2 15,00 9,2768 0,8484 0,7441 0 13,0668<br />

V1 10,66 1,1805 1,4468 1,509 1,6998 0<br />

V2 5,34 5,0529 5,0462 5,0073 5,0701 4,9472<br />

V3 4,00 1,9915 2,13 1,7277 3,185 0<br />

R1 15,75 0,7521 0,6805 0,7744 0,8424 0<br />

R2 7,00 1,6273 0,0976 0,2321 0,1207 0<br />

R3 5,85 0,2565 0,2736 0,3396 0,3376 0,1898<br />

R4 6,40 5,3317 5,3795 4,6386 5,0537 3,2<br />

U1 9,00 4,95 5,31 5,85 5,49 6,57<br />

U2 5,01 3,507 2,7555 3,2064 2,7555 4,4088<br />

U3 3,99 3,1521 2,7531 3,1122 2,8728 3,7107<br />

U4 4,50 4,3419 2,9561 2,877 2,055 4,5<br />

U5 5,01 1,6784 1,6784 1,7285 1,6784 2,004<br />

U6 2,49 0,9795 1,121 0,8387 1,0757 0<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 30


Total 43,0782 32,4767 32,5856 32,2367 42,5973<br />

Rang 1. 4. 3. 5. 2.<br />

Die Autoren führten nach der Errechnung der Nutzwerte noch eine Sensitivitätsanalyse<br />

durch, um die Sicherheit des Ergebnisses zu überprüfen. Trotz Veränderung der Gewichtung<br />

blieben Varianten A3 und V immer vorne.<br />

Dieses Beispiel zeigt, dass ein sogenanntes Sozialproblem (Planung einer Straße) mittels<br />

der <strong>Nutzwertanalyse</strong> gelöst werden kann.<br />

4. Literaturliste<br />

[1] C. Zangemeister, "<strong>Nutzwertanalyse</strong> in der Systemtechnik",<br />

Wittemannsche Buchhandlung, 1976<br />

[2] K. Ehrlenspiel, "Integrierte Produktentwicklung", Hanser Fachbuch,<br />

ISBN 3-446-15706-9, 1995<br />

[3] G. Pahl, W. Beitz, "Konstruktionslehre", Springer Verlag,<br />

ISBN 3-540-61974-7, 1997<br />

[4] P. Schweizer, "Systematisch Lösungen finden", vdf Hochschulverlag<br />

an der ETH Zürich, ISBN 3-7281-2648-9, 1999<br />

[5] W. S. Torgerson, "Theory and Methods of Scaling", New York 1968<br />

[6] Internetseite des Institutes für Landesplanung und Raumforschung<br />

der Universität Hannover<br />

http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/lehre/Ptm/Ptm_BewNwa.htm#zweck<br />

<strong>Seminar</strong> <strong>Nebenfach</strong>; <strong>Nutzwertanalyse</strong> – <strong>Erweiterte</strong> <strong>Theorie</strong> (Teilmethoden, neue Adaptionen) und Einsatz 31

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