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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong><br />

<strong>KIRCHNER</strong><br />

<strong>ALS</strong> <strong>ARCHITEKT</strong><br />

H I R M E R


<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong><br />

<strong>ALS</strong> <strong>ARCHITEKT</strong>


<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong><br />

<strong>ALS</strong> <strong>ARCHITEKT</strong><br />

herausgegeben von<br />

Ralf Beil und Katharina Siegmann<br />

mit beiträgen und quellentexten von<br />

Dieter Bartetzko, Ralf Beil, Fritz Bleyl, Henrik Karge, Ernst Ludwig Kirchner,<br />

Fritz Schumacher, Katharina Siegmann und Kerstin Zaschke<br />

H I R M E R V E RL A G


GRUSSWORT<br />

Am Morgen des 6. Mai 1880 wurde Ernst Ludwig Kirchner im Hause Ludwigstraße 217 in<br />

Aschaffenburg als Sohn eines in der Papierforschung bedeutenden Ingenieurs geboren.<br />

Seine ersten sechs Lebensjahre verbrachte er dort, bevor die Familie nach kurzer Station<br />

in Frankfurt am Main 1887 zuerst in die Schweiz und schließlich nach Chemnitz zog.<br />

Als 36-Jähriger erinnerte sich Kirchner an die ersten Anregungen zum Zeichnen, die sich<br />

ihm als Kind in Aschaffenburg und Frankfurt boten: »Als Junge saß ich immer am<br />

Fenster und zeichnete, was ich sah, Frauen und Kinderwagen, Bäume, Eisenbahnzüge<br />

etc. etc. Später kommen wir nach Frankfurt und der große, damals im Bau begriffene<br />

Bahnhof, Menschen und Tiere kamen hinzu«. Durch die Ausstellungen von Kirchners<br />

Werken in der Kunsthandlung Ludwig Schames wurde ab 1916 die Verbindung zu Frankfurt<br />

wieder erneuert und eng geknüpft. Aufenthalte im Sanatorium Dr. Oskar Kohnstamm<br />

in Königstein im Taunus und spätere Deutschlandreisen führten ihn immer wieder<br />

nach Frankfurt und in die Rhein-Main-Region.<br />

Die herausragende Künstlerpersönlichkeit Ernst Ludwig Kirchner wird innerhalb des Ausstellungsreigens<br />

zum Phänomen Expressionismus insbesondere durch drei monografische<br />

Präsentationen gewürdigt. Nach der Retrospektive im Städel Museum Frankfurt im Frühjahr<br />

2010, die auch das Spätwerk in den Blick nahm, und der Ausstellung zu Kirchners<br />

fotografischem Schaffen im Verhältnis zu seiner Malerei in der Kunsthalle Darmstadt zu<br />

Beginn diesen Jahres findet nun auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt ein für die Wissenschaft<br />

wie das große Publikum gleichermaßen fulminanter Abschluss dieses Kirchner-<br />

Zyklus statt, der zahlreiche neue Facetten dieses bedeutenden Künstlers der Moderne<br />

sichtbar macht.<br />

Als Maler, Grafiker und Bildhauer des Expressionismus ist Ernst Ludwig Kirchner eine<br />

feste Größe – dass er ausgebildeter Architekt und verbriefter Diplom-Ingenieur war, ist<br />

weitgehend unbekannt. Das Institut <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt schafft hier Abhilfe und<br />

stellt uns den Architekten Ernst Ludwig Kirchner auf umfassende Weise vor. Als kulturhistorischer<br />

Ort von ausgewiesenem Rang für Reformkunst und die Architektur der frühen<br />

Moderne ist die <strong>Mathildenhöhe</strong> geradezu dazu prädestiniert, Kirchners Architekturzeichnungen<br />

aus den Jahren 1901 bis 1905 zu präsentieren. Der Kulturfonds Frankfurt<br />

RheinMain freut sich deshalb umso mehr, nach Gesamtkunstwerk Expressionismus nun<br />

auch die Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner als Architekt auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt<br />

im Rahmen der Veranstaltungsreihe Phänomen Expressionismus als Hauptförderer<br />

unterstützen zu können.<br />

Prof. Dr. Herbert Beck<br />

Geschäftsführer<br />

Gemeinnützige Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH<br />

Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis mit<br />

Hut, 1905, Tuschpinsel, Bleistift und<br />

Aquarell, 22,5 x 17,5 cm, Brücke-Museum<br />

Berlin


Wir danken folgenden Leihgebern und Institutionen<br />

Brücke-Museum Berlin<br />

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt<br />

Kirchner Museum Davos<br />

Sammlung Hermann Gerlinger im Museum Moritzburg, Halle (Saale)<br />

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky<br />

Nachlass Ernst Ludwig Kirchner, Günther Ketterer und Ingeborg Henze-Ketterer, Wichtrach/Bern<br />

Städtische Museen Zwickau, Kunstsammlungen<br />

Unser herzlicher Dank geht an<br />

Karen Angne<br />

Dieter Bartetzko<br />

Katrin Boskamp-Priever<br />

Wolfgang Büche<br />

Birgit Dalbajewa<br />

Werner Durth<br />

Reinhard Franz<br />

Hermann Gerlinger<br />

Peter Grassinger<br />

Philipp Gutbrod<br />

Saskia Häger<br />

Wolfgang Henze<br />

Ingeborg Henze-Ketterer<br />

Vera Hullen<br />

Albrecht von Kalnein<br />

Henrik Karge<br />

Günther Ketterer<br />

Petra Lewey<br />

Kerstin Ludolph<br />

Gabriele Mielcke<br />

Magdalena M. Moeller<br />

Michael Mugler<br />

Jürgen Neubacher<br />

Christiane Remm<br />

Karin Schick<br />

Andrea Schmidt<br />

Katja Schneider<br />

Franziska Sorgen<br />

Silvia Uhlemann<br />

Karin Veralli<br />

Leslie Vettermann<br />

Jutta Wiese<br />

Karin Wirschem<br />

Kerstin Zaschke


INHALT<br />

Ernst Ludwig Kirchner und der Aufbruch der Künste um 1900<br />

Vorwort und Dank 9<br />

Ralf Beil<br />

diplomarbeit – handschriftlicher erläuterungsbericht 12<br />

Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit 17<br />

Ernst Ludwig Kirchner<br />

diplomarbeit – zeichnungen 20<br />

Vom Bau zum Bild – Ernst Ludwig Kirchner und die Architektur 29<br />

Dieter Bartetzko<br />

interieurs und innenausstattungen 36<br />

Mit festem Fundament und »jugendlicher Keckheit«<br />

Vom Architekten E.L. Kirchner, der auszog, Maler zu werden 49<br />

Katharina Siegmann<br />

einfamilienhäuser 58<br />

Erinnerungen 66<br />

Fritz Bleyl<br />

Lebenskultur – Reformkultur. Dresden um 1900 73<br />

Henrik Karge<br />

herrschaftliche villa, mietsvillen, öffentliche bauten 84<br />

Aus der Vorgeschichte der »Brücke« 102<br />

Fritz Schumacher<br />

Die Architekturlehre in Dresden zur Zeit Ernst Ludwig Kirchners 107<br />

Kerstin Zaschke<br />

technische zeichnungen und ornamente 120<br />

Anhang<br />

Kurzbiografie 129<br />

Stunden- und Semesterplan 1901–1905 130<br />

Kirchners Lehrer an der th Dresden (Auswahl) 134<br />

Gesamtverzeichnis der Architekturzeichnungen 136<br />

Auswahlbibliografie 142<br />

Bildnachweis 143<br />

Impressum 144


<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong> UND<br />

DER AUFBRUCH DER KÜNSTE UM 1900<br />

VORWORT UND DANK<br />

RALF BEIL<br />

Kirchner vor Kirchner: Die Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner als Architekt zeigt nicht weniger<br />

als die frühesten Werke des späteren Expressionisten von Weltrang. Zum ersten<br />

Mal überhaupt werden die virtuosen Architekturzeichnungen und ambitionierten Baupläne<br />

des jungen Ernst Ludwig Kirchner in Deutschland im musealen Rahmen präsentiert.<br />

Zum ersten Mal werden darüber hinaus alle erhaltenen Arbeiten dokumentiert:<br />

Rund ein Zehntel des architektonischen Œuvres war bislang unveröffentlicht. Ausstellung<br />

wie Publikation können aus einem reichen Konvolut an Arbeiten aus den Jahren<br />

1901 bis 1905 im Nachlass Kirchner schöpfen. Ernst Ludwig Kirchner ist der einzige der<br />

vier Architekturstudenten und späteren »Brücke«-Künstler Bleyl, Heckel, Kirchner und<br />

Schmidt-Rottluff mit einem veritablen Korpus an Architekturzeichnungen zwischen<br />

Historismus, Jugendstil und früher Moderne.<br />

Die Entwürfe aus Kirchners Studienzeit in Dresden und München reichen von aufwendigen<br />

Innenraumgestaltungen mitsamt Möbeln, Lampen und Wandornamenten über<br />

Wohnhausprojekte, Malerateliers, Hotel- und Museumsplanungen bis hin zu seiner Diplomarbeit<br />

mit dem Entwurf einer kompletten Friedhofsanlage. Es handelt sich bei alledem<br />

um mehr als nur eine Fußnote oder einen Nebensatz seiner Biografie. Immerhin<br />

hat Kirchner sein Studium nicht nur erfolgreich mit Diplom abgeschlossen, sondern laut<br />

seinem Professor Fritz Schumacher sogar noch, wenn auch am Ende erfolglos, einen<br />

Doktortitel in Architektur angestrebt.<br />

Fritz Schumacher, Jahrgang 1869, wird 1901 – im Jahr der ersten, epochemachenden<br />

Künstlerkolonieausstellung auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt – mit 32 Jahren an die<br />

Technische Hochschule Dresden berufen. Er gehört zur Generation des Aufbruchs der<br />

Künste um 1900, genau wie Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich, mit denen zusammen<br />

er 1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes wird. Fritz Bleyl beschreibt in<br />

seinen Erinnerungen eine Studienfahrt, »geleitet von Professor Schumacher, … nach<br />

Aschaffenburg, Darmstadt … und Frankfurt.« Auch wenn nur Bleyl und Heckel damit<br />

1905 nachweislich in Darmstadt und mit Sicherheit auch in der Künstlerkolonie <strong>Mathildenhöhe</strong><br />

gewesen sind – die Zeichnungen des durch Bücher und Zeitschriften wie The<br />

Studio oder Der Kunstwart wohlinformierten Kirchners zeigen Einflüsse von Olbrich wie<br />

Behrens gleichermaßen. Die Skizze für ein Berghäusel um 1904 mit großen weißen<br />

Wandflächen und Schachbrettfenstern sowie der lebensreformerisch schlichte Innenraum<br />

mit Liege von 1902–1905 mit markanter Teppichmusterung zeugen exemplarisch<br />

von der zeichnerischen Virtuosität und Modernität der Kirchner-Entwürfe.<br />

Die Ausstellung auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt stellt das stark von Jugendstil und<br />

früher Moderne geprägte architektonische Werk Kirchners zum einen in den Kontext<br />

seiner Lehrer, darunter Paul Wallot (Architekt des Berliner Reichstags 1884–1894) und<br />

Fritz Schumacher (ab 1909 einflussreicher Stadtbaumeister von Hamburg). Sie evoziert<br />

seine Kommilitonen und späteren »Brücke«-Kollegen Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl<br />

Skizze für ein Berghäusel, um 1904,<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />

24,2 × 31 cm<br />

9


10 R A L F B E I L<br />

Schmidt-Rottluff mit ihren freien, vielfach ebenfalls dem Jugendstil verbundenen Holzschnittarbeiten.<br />

Zum anderen aber erschließt sie im Fokus auf Kirchners Architekturzeichnungen<br />

durch die zum Teil frappierende Nähe seiner besten Arbeiten zum Schaffen<br />

zeitgenössischer Architekten und Gestalter wie Peter Behrens, Erich Mendelsohn oder<br />

Joseph Maria Olbrich ein überaus spannendes Kapitel der Kulturgeschichte des Bauens<br />

um 1900.<br />

Nicht zuletzt vermag das bedeutende Jugendstilkonvolut des späteren »Brücke«-Künstlers<br />

zu zeigen, um wie viel komplexer die Entwicklung der frühen Moderne verlaufen ist,<br />

als dies heutzutage weithin wahrgenommen wird. Kein Ort könnte für das Aufbrechen<br />

herkömmlicher Sehgewohnheiten und pauschaler Kategorisierungen geeigneter sein als<br />

die <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt zwischen Jugendstil, früher Moderne und Proto-Expressionismus.<br />

Der Jugendstil ist – das zeigen Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens ebenso<br />

wie Ernst Ludwig Kirchner – keine Endstation oder Sackgasse der neuzeitlichen Kulturgeschichte,<br />

sondern eine wesentliche Durchgangsstation und Passage zur Moderne.<br />

1999 schrieb der Münchner Kunsthändler Robert Ketterer zur Teilveröffentlichung der<br />

Kirchner-Blätter aus dem Nachlass: »Möge die Veröffentlichung der Studienarbeiten<br />

Kirchners ein Anstoß für weitere Forschungen auf diesem Gebiet sein«. Die Ausstellung<br />

und das hier vorliegende Katalogbuch des Instituts <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt erfüllen<br />

dieses Desiderat nun zwölf Jahre nach der Erstpublikation des Konvoluts.<br />

Nach Gesamtkunstwerk Expressionismus im Herbst und Winter 2010/11 ist Ernst Ludwig<br />

Kirchner als Architekt bereits die zweite Ausstellung auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt,<br />

die der Kulturfonds Frankfurt RheinMain im Rahmen des Großprojekts Phänomen Expressionismus<br />

substanziell fördert. Herbert Beck, Geschäftsführer der Kulturfonds Frankfurt<br />

RheinMain GmbH, ist hier an allererster Stelle zu danken. Mein besonderer Dank<br />

geht zugleich an Günther Ketterer sowie Ingeborg Henze-Ketterer und Wolfgang Henze,<br />

die uns den Nachlass Ernst Ludwig Kirchner großzügig geöffnet und damit die Übersichtsschau<br />

erst ermöglicht haben. Allen weiteren Leihgebern, ob institutionell oder<br />

privat, sei an dieser Stelle herzlich gedankt für ihre Bereitschaft zur Alimentierung der<br />

Ausstellung. Für die essenzielle Grundversorgung des Instituts <strong>Mathildenhöhe</strong> danke ich<br />

Oberbürgermeister Jochen Partsch stellvertretend für die Wissenschaftsstadt Darmstadt.<br />

Während unser Corporate Partner Caparol/Deutsche Amphibolin-Werke – herzlichen<br />

Dank Ralf Murjahn – die richtigen Farben für unsere Wände bereitgestellt hat, gebührt<br />

Angelika Bierbaum von hr2-Kultur Dank für die intensive Kulturpartnerschaft. Im<br />

Hirmer Verlag danke ich der Verlagsleiterin Kerstin Ludolph ebenso wie dem Grafiker<br />

Peter Grassinger. Für die Ausstellungsorganisation gilt mein Dank der freien Kuratorin<br />

Katharina Siegmann. Sie zeichnet für die Gesamtkoordination des Projekts verantwortlich<br />

und hat ebenso wie die Autoren Dieter Bartetzko, Henrik Karge und Kerstin Zaschke<br />

eigens einen neuen Katalogbeitrag zum Thema verfasst. Im Haus hat Ulli Emig als<br />

Administrationsleiter des Instituts <strong>Mathildenhöhe</strong> zusammen mit unserem Ausstellungsgestalter<br />

Christian Häussler sowie Jürgen Preusch mit seinem technischen Team<br />

routiniert für einen reibungslosen Ablauf der Vorbereitungen gesorgt. Tim Späth hat die<br />

Werbemedien realisiert. Ieva Akule danke ich für ihren Einsatz in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Angelika Nitsch für die Organisation der Führungen. Nur durch eine<br />

gemeinschaftliche Aktivität aller, auch der hier nicht genannten Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter des Projekts, ist das gesteckte Ziel erreicht worden. Last not least danke ich<br />

meiner Frau Sabine und meinen beiden Töchtern Zoë Antonia und Geraldine Maya – sie<br />

wissen wofür.


Innenraum mit Liege, 1902–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

13,6 × 21 cm<br />

E R N S T L U D W I G K I R C H N E R U N D D E R A U F B R U C H D E R K Ü N S T E U M 1 9 0 0<br />

11


12 D I P L O M A R B E I T<br />

K1–11<br />

Ein Friedhof. Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit<br />

von Ernst Ludwig Kirchner an der Technischen<br />

Hochschule Dresden, 1905, Titelseite sowie Seite 1<br />

Tuschfeder und Aquarell, 24 Seiten, 21 × 16,8 cm<br />

Kirchner Museum Davos


D I P L O M A R B E I T<br />

13


14 D I P L O M A R B E I T<br />

K1–11<br />

Ein Friedhof. Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit<br />

von Ernst Ludwig Kirchner an der Technischen<br />

Hochschule Dresden, 1905, Seite 10, 11 und 12, 13<br />

Tuschfeder und Aquarell, 24 Seiten, 21 × 16,8 cm<br />

Kirchner Museum Davos


K1–11<br />

Ein Friedhof. Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit<br />

von Ernst Ludwig Kirchner an der Technischen<br />

Hochschule Dresden, 1905, Seite 14, 15 und 16, 17<br />

Tuschfeder und Aquarell, 24 Seiten, 21 × 16,8 cm<br />

Kirchner Museum Davos<br />

D I P L O M A R B E I T<br />

15


16 D I P L O M A R B E I T<br />

K1–11<br />

Ein Friedhof. Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit<br />

von Ernst Ludwig Kirchner an der Technischen<br />

Hochschule Dresden, 1905, Seite 18, 19 und 20, 21<br />

Tuschfeder und Aquarell, 24 Seiten, 21 × 16,8 cm<br />

Kirchner Museum Davos


ERLÄUTERUNGSBERICHT<br />

ZUR DIPLOMARBEIT<br />

<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong><br />

Ein Friedhof<br />

von<br />

Ernst Ludwig Kirchner<br />

1. Mai 1905.<br />

programm<br />

Auf darunterstehend in seinen Abmessungen und seiner Höhenlage gegebenen Gelände<br />

soll eine Friedhofsanlage errichtet werden.<br />

Der fast horizontal liegende vordere Teil soll das Hauptgebäude aufnehmen und in seiner<br />

gärtnerischen Anlage architektonisch gestaltet werden. Es ist für die Gräber und<br />

Denkmäler hervorragender Personen bestimmt. Der verbleibende Teil ist durch Treppen<br />

und Rampen zu gliedern und mit Kolumbarien an geeigneter Stelle auszustatten, doch<br />

muß das Freigrab als wesentlicher Teil der Anlage auftreten. Der Haupteingang ist von<br />

der Hauptstraße aus zu nehmen. Zu Seiten des architektonisch bedeutenden Tores sind<br />

das Verwaltungsgebäude einerseits, das Gärtnerhaus andererseits mit einem Warteraum<br />

für Leichenträger unterzubringen. Hinter dem Gärtnerhaus und durch Anpflanzungen<br />

gedeckt, sollen ein Stallgebäude für ein Pferd, 2 Kühe und einige Ziegen, sowie mehrere<br />

Aborte Platz finden. Im Verwaltungsgebäude ist eine Wohnung aus 5 Wohnräumen,<br />

Mädchenkammer für 2 Mädchen, Küche und Zuber und Aborten bestehend, sowie eine<br />

Schreibstube des Verwalters (mit kleinem Vorzimmer) anzulegen.<br />

Die mit einer geräumigen geschlossenen Vorhalle ausgestattete Kapelle mit Altarraum<br />

250 qm Bodenfläche kann eine Empore erhalten, wovon der über der Vorhalle gelegene<br />

Teil für die Orgel und Sänger dienen soll. Zu Seiten des Hauptraumes sind 2 Versammlungsräume<br />

für Leidtragende von etwa 60 bis 70 qm Grundfläche anzuordnen, die behülfs<br />

Benutzung bei besonderen Festlichkeiten, durch breite Schiebetüren mit der Kapelle<br />

verbunden werden. Drei Zimmer für Geistliche, in der Nähe des Altarplatzes, jedes<br />

muß etwa 15 qm Grundfläche erhalten. Für einen kleinen Raum zur Aufbewahrung der<br />

Leuchter u.s.w. ist zu sorgen. Aborte sind vorzusehen.<br />

Zu zwei Seiten der Kapelle und mit dieser in Verbindung soll je eine Leichenhalle mit ca<br />

12 Zellen (diese in 2 Reihen geordnet, je eine Zelle und Tür) errichtet werden. Länge der<br />

Zellen mind. 3,5 m, Breite mind 2,60 m, Mittelgang 3,0 m.<br />

An einer der Hallen sind ein sehr gut erhellter Sezierraum von etwa 40–45 qm Grundfläche,<br />

ein Zimmer für Ärzte 15,0 qm groß, ein Zimmer für Gerichtsbeamte und ein Wärterzimmer<br />

von derselben Größe anzubauen.<br />

Dieser Raumgruppe kann auf der anderen Seite eine Nebenkapelle mit Vorraum erhalten.<br />

Um zu den Leichenhallen auf kürzestem Wege zu gelangen, sind an beiden Nebenstraßen<br />

Einfahrten vorzusehen.<br />

17


18 E R N S T L U D W I G K I R C H N E R<br />

Die Architektur sämtlicher Gebäude in Haustein.<br />

Zu geben: 1 Lageplan im Maßstab 1 : 100<br />

Sämtliche der Pläne, soweit sie zur Klarstellung des Entwurfes nötig, mit Ausnahme der<br />

Hauptschauseite der Baumgruppe im Maßstab 1 : 200 = 1 : 500<br />

Letztere im Maßstab 1: 100.<br />

Abgabezeit 1. Mai 1905.<br />

bearbeitung<br />

Der Tod das Aufhören des Individuums als Gegensatz zur Ewigkeit der Allgemeinheit<br />

suggeriert uns die vom gemeinen Leben abgeschlossene Einsamkeit als Grundgedanke<br />

der künstlerischen Bearbeitung der vor uns liegenden Aufgabe.<br />

Wir haben 2 Teile.<br />

i. Der vordere horizontale Teil<br />

ii. Der hinten ansteigende Teil<br />

Zwischen beiden die Hauptstraße auf der sich der ganze geschäftliche Verkehr sich [sic!]<br />

vollzieht.<br />

Da eine nähere Beschreibung des Geländes mit Angaben der Höhenlinien und des<br />

Baumbestandes im Programm leider fehlte, mußte die regelmäßige Aufteilung gewählt<br />

werden.<br />

I. Der vordere, horizontale Teil.<br />

Auf ihm steht die Hauptgebäudegruppe.<br />

A. Die Parentationshallen. Aus dem Lärm des Alltags tritt der Besucher von der Hauptstraße<br />

aus ein in die stillen Gewölbe der Gruftanlagen, in denen nur das leise Plätschern<br />

der durch Abwässer des Friedhofs gespeisten Monumentalfiguren widerhallt. Den Teich<br />

umgehend gelangt man zu den von dem Treppenturm flankierten Vorhallen. Von diesen<br />

Gängen nach den den Campo Santo begrenzende Leichenhallen. Die haben nach den<br />

Hauptwegen zur Vorhalle für die Einbringung der Leichen [sic!]. Bei der Parentationshalle<br />

ist jede religiöse Symbolik absichtlich vermieden, da sie allen Confessionen und<br />

Freien offen ist. Das große runde Fenster überscheint wie ein ruhiges, dunkles Auge den<br />

Friedhof.<br />

B. Gräber und Columbarien zu Seiten der Halle<br />

Durch seitliche Ausgänge im Campo Santo gelangt man dahin. Gegen die Straße<br />

schließt ein langgestrecktes Columbarium ab. Die Einteilung geschieht durch Reihen<br />

von Säulenurnen und Bäumen. Eine von der Gebäudegruppe zur Straßenmauer führende<br />

Mauer schließt diesen Teil von dem Hauptwege, wo der Geschäftsverkehr erfolgt, ab.<br />

II. Der hintere ansteigende Teil.<br />

Dieser gliedert sich in 3 Terrassen, die durch fahrbare Rampen und Treppenanlagen miteinander<br />

und mit dem Hauptweg verbunden sind.<br />

A. Die I Terrasse gliedert sich nach vorn, nach den Gebäudegruppen zu wieder in 2 Terrassen,<br />

da durch zu großer Höhe sonst die Gebäudegruppe totgeschlagen würde. Die<br />

beiden Terrassen nehmen Reihen von Säulenurnen, Wandgräbern und ein Columbarium<br />

auf. Die übrige Teilung geschieht durch die von Bäumen eingefaßten Gräberfelder und<br />

den Platz mit der Brunnenanlage.<br />

An der II Terrasse am Ende des Hauptweges befindet sich ein architektonisch monumentaler<br />

Brunnen, der als Gegenstück dient zum Hauptgebäude. Weiter sind zu beiden


Seiten der Rampen Felsengräber mit in den Berg gearbeiteten Grüften vorgesehen, die<br />

sich sehr reizvoll ausgestalten lassen, ebenso Urnennischen und Treppenanlagen. Oberhalb<br />

des Monumentalbrunnens mit seinen Treppen sind Columbarien und eine Nischenwand<br />

vorgesehen, die beide Columbarien verbindet. In dem Winkel Rosenbeete oder anderer<br />

gärtnerischer Schmuck. Im Centrum des Platzes befindet sich wieder ein Brunnen<br />

und architektonisch damit verbunden einige Mausoleen. An der Umfassungsmauer ziehen<br />

sich die Mauergruften hin, jedes Gräberfeld ist von Bäumen und Gebüsch umgeben,<br />

sodaß der Blick nicht alle die Geschmacklosigkeiten, die heute die Gräber zieren auf einmal<br />

in sich aufnehmen muß [;] in die großen Felder könnten dann nach Bedarf Nebenwege<br />

eingezogen werden, die ab und zu zu kleineren Plätzen mit Bänken erweitert werden.<br />

Die beiden gebrochenen Zugangstreppen die mit einem Brunnen verbunden werden<br />

könnten werden sicher zur Belebung des Bildes viel beitragen.<br />

Die Mittlere der 3ten Terrasse wird betont durch ein den Toten gewidmetes Denkmal,<br />

das auf der halbrund vorgebauten Rampe steht. An diese schließt sich eine Baumallee<br />

mit Säulenurnen [an]; die übrige Teilung vollzieht sich durch einen runden Weg, der einen<br />

ununterbrochenen Rundgang über den Friedhof gestattet, während sonst nur senkrecht<br />

aufeinander schneidende Wege aus Rücksicht auf eine günstige Ausnutzung des<br />

Geländes geplant sind.<br />

An der Straße gelegen sind noch die verlangten Wohnungen für Direktor und Gärtner,<br />

sowie einige Läden [?] an der Einziehung des Haupttores.<br />

ende<br />

Der unterzeichnende Verfasser versichert an Eides statt, daß er die vorliegende Friedhofsanlage<br />

eigenhändig und selbstständig gemacht hat<br />

Ernst Ludwig Kirchner<br />

Dresden, den 30. April. 1905.<br />

E R L Ä U T E R U N G S B E R I C H T Z U R D I P L O M A R B E I T<br />

19


20 D I P L O M A R B E I T<br />

K12<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 1, Haupteingang, 1905<br />

Bleistift, Buntstift und Gouache auf Velin,<br />

39,5 × 68,4 cm


K13<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 2, Grundriss der Parentationshalle mit<br />

Campo Santo, 1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 71,3 × 60,6 cm<br />

D I P L O M A R B E I T<br />

21


22 D I P L O M A R B E I T<br />

K14<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 3, Ansicht der Parentationshalle nach dem<br />

Campo Santo, 1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 36 × 62,9 cm


K15<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 4, Schnitt durch die Parentationshalle und<br />

Ansicht der Leichenhalle vom Campo Santo aus,<br />

1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 35 × 56,8 cm<br />

D I P L O M A R B E I T<br />

23


24 D I P L O M A R B E I T<br />

K16<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 5, Ansicht der Parentationshalle nach dem<br />

Friedhof, 1905<br />

Feder in Braun sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, montiert auf Karton, 24 × 63,5 cm


K17<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 6, Gesamtplan, 1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Zeichenkarton, 68,5 × 40 cm<br />

D I P L O M A R B E I T<br />

25


26 D I P L O M A R B E I T<br />

K18<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 7, Straßenansicht und Grundriss von<br />

Direktoren- und Gärtnerwohnung sowie den<br />

Columbarien, 1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 32,7 × 70,4 cm<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 8, Ansichten der drei Terrassen, 1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 34 × 68 cm


K20<br />

Diplomarbeit. Entwurf einer Friedhofsanlage.<br />

Blatt 9, Mittelschnitt durch die Gesamtanlage,<br />

1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 27 × 67 cm<br />

D I P L O M A R B E I T<br />

27


VOM BAU ZUM BILD –<br />

<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong><br />

UND DIE <strong>ARCHITEKT</strong>UR<br />

DIETER BARTETZKO<br />

Als Ernst Ludwig Kirchner im Juli 1905 an der Technischen Hochschule Dresden seine<br />

Diplomarbeit abgab, beerdigte er, so könnte man sagen, endgültig den Ingenieur, der er<br />

nach dem Willen seiner Eltern hätte werden sollen. Aus diesem Blickwinkel ist sein Entwurf,<br />

den er zur Prüfung vorlegte, buchstäblich die Grabplatte dieser Architektenkarriere,<br />

die endete, ehe sie begonnen hatte. Denn Kirchner reichte den »Entwurf einer<br />

Friedhofsanlage« ein. Schon ein flüchtiger Blick darauf zeigt, dass er, egal ob gezwungen<br />

oder freiwillig, sich als potenzieller Ingenieur beziehungsweise Architekt auf der Höhe<br />

seiner Zeit bewegte: Mit einer zentralen überkuppelten »Parentationshalle«, beiderseits<br />

flankiert von arkadierten, kielbogengewölbten Leichenhallen-Flügeln, die einem<br />

»Campo Santo« und drei gestaffelten, axialsymmetrisch geordneten Friedhofsterrassen<br />

vorgelagert sind (siehe Abb. S. 20–27), entsprach Kirchners Arbeit den Großformen, die<br />

damals ausschlaggebende Architekten wie Theodor Fischer, Hugo Licht oder Heinrich<br />

Reinhardt1 wenige Jahre später schufen.<br />

Wie die Gesamtform entsprach auch Kirchners Stilwahl dem Anspruchsniveau der Zeit:<br />

Kräftiges Bossenmauerwerk, markante Rundbögen und gedrungene Pfeiler, untersetzte<br />

Säulen und robuste Gesimse sind im Maßstab 1:100 zu einem typischen Ensemble des<br />

Fin de Siècle arrangiert, in dem, überformt von Jugendstil-Anklängen, Zitate byzantinischer,<br />

griechisch-archaischer und spätantiker »römisch-germanischer« Architektur2 verschmelzen. Unter allen Ansichten, Querschnitten und Grundrissen des Entwurfs verweist<br />

einzig der Gesamtplan (siehe Abb. S. 25) auf den künftigen leidenschaftlichen Maler.<br />

Denn auf ihm sind, architektonisch völlig unmotiviert, einzelne Felder in geradezu<br />

schreiendem Violett, Blau und Schwarz getuscht – Farben, die wenig später Signale des<br />

Kirchnerschen Expressionismus werden sollten.<br />

Dass der vom Prüfungsgremium mit der Note »gut« bewertete Friedhofsentwurf als<br />

symbolische Grabplatte über dem quasi totgeborenen Architekten Kirchner liege, dass<br />

er ein von der Ironie der Geschichte – das Thema der Diplomarbeit war von der Technischen<br />

Hochschule vorgegeben – geschenktes Symbol für den inneren Widerstand des<br />

passionierten Malers sei, passt ideal ins tradierte Bild von Ernst Ludwig Kirchners Künstlertum.<br />

In ihm erscheint der Vater des Malers, der Papierchemiker Ernst Kirchner, als<br />

treibende Kraft, der den eher widerwilligen Sohn genötigt habe, statt brotloser Kunst die<br />

aussichtsreiche Position eines Bauingenieurs anzustreben. Tatsächlich legen die ekstatische<br />

Freude, mit der Ernst Ludwig Kirchner nach dem Erwerb des Diploms sich der Malerei<br />

zuwandte, seine späteren abschätzigen Bemerkungen über seine Ausbildungsjahre<br />

an der Technischen Hochschule, 3 vor allem aber die fast neurotische Hybris, mit der er<br />

ab 1920 unter dem Pseudonym Louis de Marsalle4 seine Gemälde in Aufsätzen und Essays<br />

verherrlichte, die Vorstellung vom entfesselten, den Ketten des Ingenieurwesens<br />

und der Architektur entkommenen Maler nahe. Zumal, da selbst noch zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts in der Architektenausbildung und Architekturrezeption weite Kreise die<br />

Ernst Ludwig Kirchner, Gipsmodell der Villa<br />

Genge, 1901–1905, Silbergelatineabzug,<br />

Kirchner Museum Davos<br />

29


1 Peter Behrens, Haus Behrens,<br />

<strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt, 1901,<br />

historische Fotografie, 1901<br />

30 D I E T E R B A R T E T Z K O<br />

altgediente Hierarchie beibehielten, laut der Ingenieure mehr oder weniger geschickte<br />

Handlanger, Architekten dagegen freie Schöpfer und Künstler seien.<br />

Zur selben Zeit aber, und davon kann Ernst Ludwig Kirchner nicht unberührt geblieben<br />

sein, kündigte sich mit den Reformbestrebung der Jahrhundertwende ein fundamentaler<br />

Wandel an: Vereinigungen wie die Münchner, die Berliner und die Wiener Sezession, vor<br />

allem aber die Künstlergruppe der Darmstädter <strong>Mathildenhöhe</strong> begehrten nicht nur gegen<br />

den Konservatismus in der Malerei und Bildhauerei auf, sondern ebenso gegen den<br />

Historismus der Architektur; nicht wenige holten den traditionellen Begriff von der Baukunst<br />

als »Mutter aller Künste« zurück in die aktuellen Kunstdebatten. Zwar meist von<br />

Malern dominiert, bewirkten diese Künstlergruppen einen Wandel im zeitgenössischen<br />

Bauen; Namen wie Otto Wagner, Henry van de Velde, Joseph Maria Olbrich oder Hermann<br />

Muthesius, aber auch Franz von Stuck oder Franz von Lenbach, die kurz zuvor als<br />

»Malerfürsten« ihre berühmten Villen und Ateliers architektonisch maßgeblich mitgestaltet<br />

hatten – Stuck erhielt dafür noch 1925 den Ehrendoktortitel der Technischen<br />

Universität München –, bezeugen, dass um 1900 die Grenzen zwischen Kunst, Kunsthandwerk<br />

und Architektur fließend geworden waren; die Idee des späten 19. Jahrhunderts<br />

vom »Gesamtkunstwerk« erreichte damit ihren größten Einfluss.<br />

Kronzeuge dieser Entwicklung ist Peter Behrens, der während der Lehrjahre Ernst Ludwig<br />

Kirchners bereits als Maler und Kunsthandwerker ebenso angesehen war wie als Architekt.<br />

Sein bis heute populärer Holzschnitt Der Kuss, der 1898 die Haarflechten eines androgynen<br />

Paars, von dem jeder im anderen das eigene Ebenbild zu küssen scheint, als<br />

laszives vegetabiles Großornament rund um die Küssenden schlingt, stellte für den damaligen<br />

Akademismus eine unerhörte, ja skandalöse Synthese aus Ornament und Ereignisbild<br />

dar – und kann Kirchner kaum entgangen sein. Ebenso wenig, dass Behrens sich<br />

als Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie zunehmend der Architektur annahm. Sein<br />

Wohnhaus auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> (ABB. 1), das, anders als Olbrichs dortige Meisterbauten,<br />

statt vegetabiler Umrisse und Ornamente nahezu kahle Kuben aufweist, die sublim<br />

von einigen ausgeklügelten Kurvungen und streng gerahmten Ornamenten aufgelockert<br />

werden, machte seinerzeit Sensation und dürfte auch an der technischen Hochschule<br />

Dresden Thema gewesen sein. Vier Jahre später, im selben Jahr, in dem Ernst Ludwig<br />

Kirchner seinen Friedhofsentwurf als Diplomarbeit einreichte, erregte Peter Behrens –<br />

gewiss ein Zufall, aber ein aufschlussreicher – erneut Aufsehen mit dem monumentalen<br />

»Eduard-Müller-Krematorium« in Hagen.<br />

»Indem er jedoch zum Erstaunen der Kritiker seine erste bau- und raumkünstlerische<br />

Aufgabe mit hohem Niveau erfüllte, demonstrierte er in hervorragender Weise, dass ein<br />

Künstlertyp herangewachsen war, der ungeachtet des Spotts der reaktionären Akademiker<br />

über die sogenannten ›Malerarchitekten‹ wieder zu einer universellen Betätigung in<br />

allen Bereichen des Innen- und Außenbaus fähig war. Das Haus des Peter Behrens trug<br />

keineswegs den Charakter eines Erstlingswerks«. 5 So heißt es in einer Monografie über<br />

Peter Behrens’ Werdegang. Auch Kirchners Friedhofsentwurf verrät nichts von einem<br />

Erstlingswerk. Gebaut hätte er vermutlich ähnliche Bewertungen hervorgerufen wie die<br />

damaligen Behrensschen Gebäude. Doch so, wie Behrens vom Bild zum Bau wechselte,<br />

wechselte Kirchner vom Bau zum Bild. In den für diesen Aufsatz entscheidenden Jahren<br />

1901 bis 1905 aber überkreuzten sich die Entwicklungslinien dieser beiden Künstler, obwohl<br />

sie meines Wissens nie persönlichen Kontakt hatten. Es wird noch darauf zurückzukommen<br />

sein.<br />

Prägenden Einfluss auf den designierten Architekten Kirchner scheint sein Dresdner Lehrer<br />

Fritz Schumacher gehabt zu haben. Schumacher, gegen dessen Berufung Teile des


Dresdner Kollegiums mit dem Hinweis, er sei »Wortführer einer extrem gerichteten<br />

Moderne«, 6 interveniert hatten, unterrichtete in »Freihand- und Ornamentzeichnen«.<br />

Fritz Bleyl, Kirchners Freund, Kommilitone und späteres »Brücke«-Mitglied, schildert in<br />

seinen Erinnerungen an die gemeinsame Studienzeit, mit welchem Elan sie beide die<br />

Übungen absolviert haben. 7 Das Ergebnis aber waren für den heutigen Blick eher zahme,<br />

betont gediegene, zwischen Jugendstil- und Heimatschutz changierende Ornamente<br />

(siehe Abb. S. 124–127), wie sie 1903 auch an Fritz Schumachers Dresdner Villa für den<br />

Hofrat Martin Grübler oder, unterlegt mit altorientalischen Monumentalismen, 1908 an<br />

seinem zyklopischen Krematorium(!) in Dresden-Tolkewitz auftauchen (ABB. 2).<br />

Geradezu brav, wenn auch in den Augen vieler Zeitgenossen vermutlich »extrem modern«,<br />

mutet ein Hausentwurf Kirchners aus demselben Jahr an: Bei Hugo Hartung, dem<br />

konservativsten der Dresdner Lehrer, legte er 1903 im Kurs »Entwerfen von Hochbauten«<br />

die Ansichten und Grundrisse eines Malerateliers vor (siehe Abb. S. 58, 59), das, mehr<br />

villenartiges Künstlerhaus denn Atelier oder Malerwerkstatt, mit Sattel- und Walmdächern,<br />

kantigem Turmrisalit und »staufischem« Runderker sowie Bossensockeln und<br />

Eckbossierungen Schumachers heimatschützlerische Tendenzen auf die Spitze treibt<br />

und mit Motiven des vorangegangenen wilhelminischen Architekturpathos kombiniert.<br />

Gegen ein solches Künstlerhaus hätte vermutlich selbst der erzkonservative Berliner<br />

Julius Raschdorff, der Lieblingsarchitekt Kaiser Wilhelms ii., wenig einzuwenden gehabt.<br />

Umgekehrt dagegen Kirchners in etwa gleichzeitiger Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang<br />

(siehe Abb. S. 60–63). Hier treibt er Schumachers und Hermann Muthesius’ demonstrativ<br />

schlichten, auf wenige, anheimelnd weiche Großformen und Fachwerkzitate beschränkten<br />

Landhausstil radikal weiter. Einige sparsame Jugendstilornamente an Fensterlaibungen<br />

und schmalen Blendpfeilern – der Rest ist sanft gezirkelte, aber kahle Fläche.<br />

Bei diesem Gebäude, und erst recht bei Kirchners 1904 entstandener Skizze für ein Berghäusel<br />

(siehe Abb. S. 8), scheint – abgesehen vom Vorschein der später hervortretenden<br />

2 Fritz Schumacher, Krematorium<br />

Dresden-Tolkewitz, 1908–1911,<br />

historische Fotografie, 1911<br />

V O M B A U Z U M B I L D<br />

31


3 Peter Behrens, Speisezimmer im Haus<br />

Behrens, <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt, 1901,<br />

historische Fotografie, 1901<br />

32 D I E T E R B A R T E T Z K O<br />

alpenländischen »Davos-Besessenheit« – Peter Behrens’ Darmstädter Vorliebe für möglichst<br />

schmucklose Kuben zum Greifen nah. Das gilt nahezu durchgängig für die Interieurs,<br />

die Kirchner in Dresden entwarf (siehe Abb. S. 36–45), und von denen Schumacher<br />

in seinen Erinnerungen betonte, in ihnen habe sich das freischöpferische Temperament<br />

des späteren Malers durchgesetzt. 8 Auf den ersten Blick mit Entwürfen Henry van de<br />

Veldes oder Olbrichs zu verwechseln, zeigen sie, eingehender betrachtet, Affinität zur<br />

Kühle und Tektonik, mit der Peter Behrens seine noblen gradlinigen Innenräume und Einrichtungen<br />

entwarf (ABB. 3). Gleichfalls wie bei Behrens sind auch die Terrains für pulsierende<br />

und revoltierende Formen oder Ornamente rigide eingegrenzt: Meist sind es Teppiche<br />

oder sparsam vereinzelte Wandbehänge und Panele, auf denen sich die damals<br />

virulente Sucht nach Vitalität in wilden Zickzackmustern oder schlingernden Kurven<br />

entlädt (siehe Abb. S. 11, 41).<br />

Ist damit Ernst Ludwig Kirchner ein selbstverhinderter zweiter Peter Behrens? Dem<br />

widersprechen zahlreiche andere Entwürfe der Dresdner Zeit und auch der Münchner<br />

Episode, seinem Wintersemester 1903/04, das er an der dortigen Königlichen Technischen<br />

Hochschule absolvierte, und in dem er Kurse bei Paul Pfann, einem Schüler Paul<br />

Wallots, besuchte. Wegweisend für Kirchner, aber leider durch keine Zeichnungen dokumentiert,<br />

dürfte sein gleichzeitiger Aufenthalt in den Schwabinger »Lehrateliers für freie<br />

und angewandte Kunst« gewesen sein. 1902 von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz<br />

eröffnet, hatte sich diese Privatschule der Aufhebung aller herkömmlichen Grenzen<br />

zwischen Architektur, Kunsthandwerk, Malerei und Bildhauerei verschrieben. Die Impulse<br />

beider Institutionen, von denen die th München der gerade etablierten Prämoderne<br />

zuneigte, während die Lehrateliers absolute Autonomie der Kunst vertraten, lenkten<br />

Kirchners Ambitionen in eine neue Richtung. Während Behrens – insbesondere als<br />

»Generalgestalter« der aeg – alle Künste, auch die Baukunst, zu angewandter, sprich: dienender<br />

Kunst vereinen wollte, erstrebten Kirchners Münchner Lehrer deren Autonomie.


Dennoch ist von Freiheitsdrang wenig in den Studien des nach Dresden zurückgekehrten<br />

Kirchner zu spüren. Die Arbeiten beispielsweise für Karl Weichhardt, einen eher konservativen,<br />

insbesondere an der römischen Antike interessierten Lehrer (er publizierte<br />

Bände über Pompeji und die antiken Kaiserpaläste von Capri), zeigen den späteren Exzentriker<br />

Kirchner als akribischen, der Antike ehrfurchtsvoll nachspürenden Zeichner:<br />

1904 fertigte er wunschgemäß minutiöse Wandaufrisse des antik inspirierten, barocken<br />

Nymphenbads im Dresdner Zwinger (siehe Abb. S. 140). Das im selben Jahr entstandene<br />

Aquarell der Hetzer Bibliothek (siehe Abb. S. 41) zeigt sich als eine Art fiktiver, mit dicht<br />

belaubten Ästen übersponnene Pergola und ist damit sichtlich inspiriert von den damals<br />

berühmten »Gartensalons«, die in den Villen und Landhäusern Pompejis ausgegraben<br />

worden waren. Immerhin: Die Unbekümmertheit, mit der grüne, gelbe und roten Schlangenlinien<br />

den Gesamteindruck dieser Bibliothek bestimmen, mag als leises Wetterleuchten<br />

des aufziehenden Expressionismus gedeutet werden.<br />

Nein, ein eigenwilliger Auszubildender in Sachen Architektur war Ernst Ludwig Kirchner<br />

nicht. Sondern eher, das legen zumindest seine Zeichnungen und Entwürfe nahe, ein<br />

durchaus routinierter und gelegentlich origineller Musterschüler. Als solcher fiel er, noch<br />

in Dresden, 1903/04 bei Paul Wallot, dem angesehenen, wenn auch nicht unumstrittenen<br />

Architekten des Berliner Reichstags, im Hochbau-Skizzieren mit Entwürfen für<br />

Mietsvillen und eine Jugendstilvilla auf (siehe Abb. S. 90, 91). Vielleicht auf Wallots<br />

Wohlwollen für Experimentierfreude spekulierend, die Wallot in Gestalt seiner präfunktionalistischen<br />

Glas-Eisen-Kuppel über dem Reichstag harsche Kritik eingetragen hatte,<br />

präsentierte Kirchner dem Lehrer Skizzen mit deutlichen Anleihen bei Otto Wagners<br />

spektakulären Wiener Großbauten; bei der souverän knappen Bleistiftzeichnung einer<br />

dieser »Mietsvillen« scheint es sogar nur noch ein Katzensprung bis zu Adolf Loos’ umstrittenem<br />

Haus am Michaeler Platz (ABB. 4), das sechs Jahre später als radikal entornamentalisierter<br />

Kubus die Kritik zur Weißglut trieb.<br />

In der Schlussphase seines Studiums aber zeigt Kirchner sich alles andere als sprungbereit.<br />

Seine beiden Entwürfe für ein Museum und ein Schlösschen für einen Kunstliebhaber<br />

(siehe Abb. S. 84–89) sind risikoscheues »goldenes« Mittelmaß der seinerzeitigen<br />

Moderne, experimentell allenfalls für ein breites Publikum, höchst konventionell dagegen<br />

im Lichte der damals aktuellen Reformbestrebungen. Kirchners Museum wartet auf<br />

als eine mit sparsamen Jugendstil-Applikaten aktualisierte, letztlich biedere Paraphrase<br />

auf August Stülers Neues Museum (1855) in Berlin; einzig provokant an ihm sind die<br />

weiblichen Aktfiguren, die als eine Art schamloser Karyatiden vorsichtshalber in die<br />

Traufhöhe der Wandvorlagen der Schaufassade entrückt sind (siehe Abb. S. 96–101). Das<br />

Schlösschen wiederum ist ein vages und dennoch unverkennbares Zitat von Max Littmanns<br />

1901 in München eröffnetem Prinzregententheater (ABB. 5). Es beweist Ernst<br />

Ludwig Kirchners wachen Sinn für die architektonischen Tendenzen der Zeit, aber zeigt<br />

keine Suche nach eigenen Lösungen oder mehr als die konventionelle Ehrfurcht vor<br />

Kunst, Sammlern und Mäzenen. Damit aber steht Kirchner keineswegs allein. Schließlich<br />

zeichnete Mies van der Rohe, der zwischen 1908 bis 1912 erste Meriten im Berliner<br />

Architekturbüro von Peter Behrens erwarb, in seiner Freizeit Theater und Museen, deren<br />

Vorbilder Friedrich Gillys und Max Littmanns Architekturvisionen sind. Und auch Le<br />

Corbusier, der wie Peter Behrens als Maler begann, um sich dann zur Architektur umzuorientieren,<br />

bildete seine ersten Bauwerke nach dem Muster der Arts-and-Crafts-<br />

Bewegung und des Art Nouveau. Für sie als angehende Architekten gilt allerdings, was<br />

Kirchner erst als Maler für sich beanspruchte: »Ich muss zeichnen bis zur Raserei, nur<br />

zeichnen. Nur arbeiten, arbeiten und an sonst nichts denken«. 9<br />

4 Adolf Loos, Haus am Michaelerplatz 3,<br />

Wien, 1910–1912, kolorierter Druck, 1912<br />

V O M B A U Z U M B I L D<br />

33


5 Max Littmann, Prinzregententheater<br />

München, 1900–1901, historische Postkarte,<br />

um 1910<br />

34 D I E T E R B A R T E T Z K O<br />

Als Kirchner dies äußerte, lebte er schon als Maler in Berlin und verarbeitete die Eindrücke<br />

des pulsierenden Großstadtlebens in seinen Bildern. Der Aufbruch dagegen,<br />

sprich: die Gründung der »Brücke« in Dresden, war noch ausgesprochen gemäßigt und<br />

gleichsam im geistigen Einzugsbereich der Architektur erfolgt. So wie der Name der Vereinigung<br />

von innerer Bindung an seine Architektenausbildung und für die Suche nach<br />

Tragfähigem, Verbindlichem spricht, zeugt auch sein (später verschwiegener) Versuch,<br />

als Architekt zu promovieren, 10 davon, dass er keineswegs das Architekten- und Ingenieurswesen<br />

wie eine Zwangsjacke von sich geworfen hatte.<br />

Während der Dresdner »Brücke«-Jahre mit Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmitt-<br />

Rottluff bereiteten Kirchners Akte und Stadtansichten, vor allem aber die Varietészenerien<br />

vor, was in Berlin von 1911 an ausbrechen sollte. Dort werden aus den runden Formen<br />

seiner Bilder die zackigen, werden die Linien nervös und gespenstisch. Doch auch<br />

sein Architektentum flackert noch einmal auf: Kirchners selbstgestaltetes Atelier in Berlin-Steglitz<br />

löst das zuvor gebändigte wilde Ornament der Teppiche und Wandbehänge<br />

vom Zeichenblatt und lässt es in Gestalt von Mobiliar und Wanddekorationen Veitstänze<br />

aufführen (ABB. 6).<br />

Nun überkreuzen sich zum letzten Mal sein Werdegang und der des Peter Behrens, wird<br />

letzterer zum unwissentlichen Gegenspieler des Malers: Im Jahr, in dem Kirchner nach<br />

Berlin kommt, macht Behrens dort Sensation mit seiner aeg-Turbinenhalle in Moabit.<br />

Doch mit ihrer teils altägyptisch, teils mykenisch anmutenden, zyklopischen Fassade<br />

vor einem funktionalistisch verglasten Baukörper plädiert sie für freiwillige Zucht und<br />

ewige Ordnung, fesselt Peter Behrens das Zucken der neuen Zeit wie einen Prometheus<br />

an den Felsen unvergänglicher Grundgesetze der Zivilisation; aus dem Ruhestörer des<br />

provokanten Kusses von 1898 war ein Ruhestifter geworden.<br />

Damit baut Behrens das Gegenteil dessen, was Kirchner malt und in seinem Steglitzer<br />

Atelier Gestalt werden lässt. Dem selben Ziel wie Behrens, nämlich der Suche nach dem<br />

menschlichen Wesenskern und den Fundamenten der eigenen Zivilisation verpflichtet,<br />

spürt Kirchner nicht der Archaik und dem Mythos nach, sondern, wie einige polynesische<br />

Sammelstücke und Möbel seines Ateliers bezeugen, dem »unverbildeten Wilden«.<br />

Damit wird er zum Protagonisten eines Lebensgefühls der letzten Jahre vor dem


Ersten Weltkrieg, das der Kulturhistoriker Hermann Glaser einmal treffend als »pendelnd<br />

zwischen Abgrundahnung und Luftschifferglück« 11 charakterisiert hat.<br />

Es ist müßig, doch nicht fruchtlos, nachzudenken, welche Bauwerke entstanden wären,<br />

hätte der Expressionist Kirchner gebaut statt zu malen. Denn auf dem Gebiet der Kunst<br />

war die (zum Teil bis heute unterbewertete) Architektur ausschlaggebend für die künftige<br />

Entwicklung Deutschlands. Schon vor 1914 wieder anerkannt als »Mutter der Künste«<br />

entfachte sich an ihr ein Grundsatzstreit, der weit über die Grenzen der Kunst hinauswuchs<br />

und zum Spiegel des Wettlaufs zwischen Demokratie und Diktatur, Weimarer<br />

Republik und »Drittem Reich« wurde: Die Frage, ob man künftig unter Sattel- oder<br />

Flachdächern leben werde, ob funktionalistisch oder traditionalistisch gebaut werden<br />

solle, wurde zur Nagelprobe, die nicht nur Eliten, sondern die gesamte Bevölkerung bewegte.<br />

Und so siegte im Januar 1933 in übertragenem Sinne »der Block«, die Vereinigung<br />

konservativer Baumeister, über den »Kreis«, zu dem sich die modernen Architekten<br />

zusammengeschlossen hatten – und gleichsam en passant auch über die (zuvor<br />

schon aufgelöste) »Brücke«.<br />

Hätte Ernst Ludwig Kirchner nicht zuvor schon Davos als Refugium gewählt, wäre ihm<br />

spätestens 1937 nichts anderes übrig geblieben als die Flucht in die Schweiz. Dort steht<br />

heute das 1991 eröffnete Kirchner Museum. Die Züricher Architekten Annette Gigon und<br />

Mike Guyer haben es als Ensemble aus verglasten, quadratisch gerasterten Kuben entworfen.<br />

Nur mit viel Wohlwollen kann man darin einen leisen Abglanz jener relativ<br />

schmucklosen Kuben erkennen, die der junge Architekturstudent Kirchner einst in Dresden<br />

entworfen hat. In einem aber wird die Baugruppe dem Andenken an das Kirchnersche<br />

Architekturstudium gerecht: Sie ist, wie seinerzeit Kirchners Entwürfe, als zeitgenössische<br />

Architektur solides Mittelmaß, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und in ihr<br />

wartet, wie einst die Bilder im lernenden Architekten, der wilde Expressionismus.<br />

1 Die genannten Architekten reüssierten um 1910<br />

in Leipzig, Frankfurt am Main und Dresden mit<br />

monumentalen Friedhofsanlagen.<br />

2 Bauwerke wie das Mausoleum des Theoderich<br />

in Ravenna oder die karolingische Königshalle<br />

in Kloster Lorsch standen um die Jahrhundertwende<br />

als Kronzeugen einer Synthese aus<br />

römisch-antiker Zivilisation und »germanischer<br />

Urwüchsigkeit« hoch im Kurs. Eines der bekanntesten<br />

Bauwerke dieser Stilrichtung ist der Eingangsbau<br />

des Germanischen Nationalmuseums<br />

(1903) in Nürnberg von German Bestelmeyer.<br />

3 Dazu ausführlich: Kerstin Zaschke, Die Architekturlehre<br />

in Dresden zur Zeit Ernst Ludwig Kirchners,<br />

in diesem Band S. 107–119 sowie Meike<br />

Hoffmann, Ernst Ludwig Kirchner. Der Architekt.<br />

Einführung, in: Der Architekt Ernst Ludwig<br />

Kirchner, München 1999, S. 5–10.<br />

4 Siehe Claus Zoege von Manteuffel, Ernst<br />

Ludwig Kirchner. Zeichnungen und Pastelle,<br />

Stuttgart 1974.<br />

5 Hans Joachim Kadatz, Peter Behrens. Maler,<br />

Graphiker und Formgestalter, Leipzig 1977, S. 37.<br />

6 Oskar Reuther, Hochbau-Abteilung, in: Ein Jahrhundert<br />

Sächsische Technische Hochschule<br />

1828–1928. Festschrift zur Jahrhundertfeier,<br />

Dresden 1928, S. 45.<br />

7 Fritz Bleyl, Erinnerungen, in: Hans Wentzel,<br />

Fritz Bleyl. Gründungsmitglied der »Brücke«, in:<br />

Kunst in Hessen und am Mittelrhein, 1968, H. 8,<br />

S. 89–105, hier: S. 95.<br />

8 Siehe Fritz Schumacher, Aus der Vorgeschichte<br />

der Brücke, in: Der Kreis, 1932, H.1, S. 7–11.<br />

9 Lothar Grisebach (Hg.), Ernst Ludwig Kirchners<br />

Davoser Tagebuch, Neuaufl. Ostfildern-Ruit<br />

1997, S. 38.<br />

10 Schumacher 1932 (wie Anm. 8), S.10.<br />

11 Hermann Glaser, Sigmund Freuds 20. Jahrhundert.<br />

Seelenbilder einer Epoche, München<br />

1976, S.117.<br />

6 Ernst Ludwig Kirchner, Mansardennische<br />

im Atelier Berlin-Friedenau, 1914–1915,<br />

historische Fotografie, 1914–1915, Kirchner<br />

Museum Davos<br />

V O M B A U Z U M B I L D<br />

35


36 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E2<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansichten<br />

und Aufsicht von Schreibtisch und Sessel, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 34,2 × 49,5 cm


E1<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Perspektive, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Aquarell, weiß<br />

gehöht, auf braunem Zeichenpapier, 24,2 × 21,5 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

37


38 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E3<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansicht<br />

der Erkerwand, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 28,3 × 37,3 cm


Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansicht<br />

der Kaminwand, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 28,7 × 42,9 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

39


40 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E8<br />

Entwurf für eine Standuhr. Aufriss und<br />

Seitenansicht, 1903–1904<br />

Bleistift und Aquarell auf Zeichenpapier,<br />

26,1 × 27,6 cm


E5<br />

Entwurf für das Projekt Hetzer. Bibliothek.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

19,5 × 17,3 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

41


42 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E12<br />

Entwurf für eine Sitzecke mit Plastik<br />

einer Tänzerin, 1901–1905<br />

Bleistift, gewischt, auf Velin, 20 × 24 cm<br />

E13<br />

Entwurf für ein Speisezimmer. Perspektive,<br />

1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 25,5 × 30,7 cm


E10<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Perspektive, 1902–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 22,5 × 30,8 cm<br />

E11<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Perspektive, 1902–1905<br />

Bleistift sowie gelber, brauner und blauer Buntstift<br />

auf Zeichenpapier, 29,2 × 30 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

43


44 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E14<br />

Entwurf für einen Deckenlüster, 1903 –1904<br />

Bleistift sowie brauner, gelber, grüner und blauer<br />

Bundstift auf Zeichenpapier, 23,6 × 24,3 cm<br />

E15<br />

Entwurf für einen Deckenlüster. Grundriss<br />

und Seitenansicht, 1903 –1904<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Zeichenpapier,<br />

34 × 15,6 cm


E16<br />

Entwurf für einen Deckenlüster. Grundriss,<br />

Seitenansicht und Detail, 1903 –1904<br />

Feder, Bleistift und Aquarell auf Velin, 31,2 × 25,2 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

45


46 I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

E17<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Aufriss, 1903/04<br />

Tuschfeder, laviert, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 38,1 × 68 cm<br />

E18<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Grundriss und<br />

zwei Wandaufrisse, 1903/04<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 39,7 × 42 cm


E19<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Perspektive<br />

des Viertelkreiserkers, 1903/04<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 40,1 × 27 cm<br />

I N T E R I E U R S U N D I N N E N A U S S T A T T U N G E N<br />

47


MIT FESTEM FUNDAMENT UND<br />

»JUGENDLICHER KECKHEIT« 1<br />

–<br />

VOM <strong>ARCHITEKT</strong>EN E. L . <strong>KIRCHNER</strong>,<br />

DER AUSZOG, MALER ZU WERDEN<br />

KATHARINA SIEGMANN<br />

Am 1. Mai 1905 reichten die beiden Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner und<br />

Fritz Bleyl an der Königlich Technischen Hochschule in Dresden ihre Diplomarbeiten ein<br />

und erhielten am 1. Juli nach erfolgreich absolvierten Prüfungen ihre Zeugnisse zum Diplomingenieur.<br />

2 In der Zwischenzeit hatten sie gemeinsam mit den Kommilitonen Erich<br />

Heckel und Karl Schmidt aus Rottluff am 7. Juni die Künstlervereinigung »Brücke« gegründet.<br />

Kirchner und Bleyl hatten ihr Architekturstudium im Sommersemester 1901 aufgenommen.<br />

Ihre beider Neigung drängte nach freier künstlerischer Tätigkeit, doch ein Studium<br />

der Malerei war ihnen nach eigenem Bekunden seitens der Familien verwehrt, die mit<br />

der Ausbildung zum Architekten die kreativen Fähigkeiten in einem bürgerlichen Beruf<br />

kanalisiert sehen wollten. 3 Zu den beiden Studenten stießen 1903 beziehungsweise<br />

1905 die wie Kirchner aus Chemnitz stammenden Freunde Heckel und Schmidt, die bereits<br />

in der Schülervereinigung »Vulcan« ihre Interessen an Malerei und Dichtung verfolgt<br />

hatten. 4 Während Kirchner und Bleyl also zum Zeitpunkt der »Brücke«-Gründung<br />

kurz davor standen, einen akademischen Abschluss zu erhalten, widmeten sich Heckel<br />

und Schmidt nur zeitweise dem Architekturstudium und gaben es bald auf. Die jungen<br />

Architekturstudenten – Karl Schmidt war mit 20 Jahren der jüngste, Kirchner mit 25 der<br />

älteste – propagierten nun mittels der »Brücke« die Unabhängigkeit von akademischer<br />

Künstlerausbildung und arriviertem Künstlertum. Ohnehin waren ihnen ihre Gesinnung<br />

und ihr Streben maßgeblicher als bürgerliche Ansichten über Ausbildungsberufe. Dennoch<br />

gingen sie keineswegs so autodidaktisch dem Künstlertum entgegen, wie sie es<br />

selbst gerne später darstellten. Jenseits ihres jugendlichen Elans – woher rührte dieser<br />

entschlossene Mut, diese »Keckheit« der Architekturstudenten, sich auf freie Künstlerfüße<br />

zu stellen?<br />

AU S B I L D U N G U N D S E L B ST ST U D I U M<br />

Kirchner schilderte, seit seinem »dritten Lebensjahr mit Zeichnen, Malen und Modellieren<br />

beschäftigt« gewesen zu sein. 5 Als Schüler am Chemnitzer Realgymnasium hatte er<br />

Zeichenunterricht bei Max Rudolf Fischer, der ihm »systematische Licht- und Schattenlehre«<br />

vermittelt habe. 6 Gemäß seinen Vorlieben fiel auch das Zeugnis der Reifeprüfung<br />

vom 29. März 1901 aus – es weist Kirchner im Freihandzeichnen als »vorzüglich« aus,<br />

wohingegen er in allen anderen Fächern mit »genügend« die Schule beendete. 7<br />

Abgesehen von Kinderzeichnungen, die Kirchner später in Holzschnitte übertrug, 8 stammen<br />

die frühesten erhaltenen Skizzenbücher von dem 20-jährigen Künstler. Darin sind<br />

landschaftliche und familiäre Szenen sowie zahlreiche architektonische Skizzen in Bleistift<br />

und Aquarell festgehalten. Deutlich lässt sich das Bemühen um Stimmungsgehalt,<br />

Komposition und Perspektive ablesen.Wenngleich im akademischen Sinne als Naturstudien<br />

aufgefasst, so sind sie doch bereits mit energischem Strich gezeichnet (ABB. 1). 9<br />

Ernst Ludwig Kirchner mit frühen Gemälden<br />

auf dem Balkon seiner Eltern in Chemnitz,<br />

um 1904, Fotografie, Kirchner Museum<br />

Davos<br />

49


1 Ernst Ludwig Kirchner, Blick aus meinem<br />

Fenster. Blatt 2 aus dem Skizzenbuch i,<br />

1900/01, Tusche und Aquarell, 12 × 19 cm,<br />

Sammlung Gerlinger, Museum Moritzburg,<br />

Halle (Saale)<br />

50 K A T H A R I N A S I E G M A N N<br />

Das Zeichnen nahm im Architekturstudium selbstverständlich einen breiten Raum ein,<br />

vornehmlich jedoch im engen Rahmen des technischen Zeichnens. Viele Pflichtstunden<br />

hatten die Studenten zunächst der darstellenden Geometrie und dem Bauformenzeichnen<br />

zu widmen (Abb. S. 122, 123); etwas mehr kreativen Freiraum mag das Freihand- und<br />

Ornamentzeichnen sowie das Zeichnen nach dem lebenden Modell in den höheren Semestern<br />

geboten haben. 10 In den Erinnerungen Fritz Bleyls spiegelt sich wider, dass die<br />

künstlerisch ambitionierten Studenten die meisten Kurse »als rein wissenschaftlich und<br />

lebensfremd« empfanden und sich allein im Freihandzeichensaal wohlfühlten, wo sie<br />

begeistert die besten Leistungen brachten. 11 Kirchner und Bleyl erkannten ihre Verwandtschaft<br />

»als zwei in die gleiche Kerbe hauende Kunstbeflissene« 12 bereits als Erstsemester<br />

in der Darstellenden Geometrie bei Professor Karl Rohn und schlossen Freundschaft.<br />

In den folgenden Jahren absolvierten sie nicht nur das Studium gemeinsam, sondern<br />

nutzten jede Gelegenheit, sich künstlerisch fortzubilden. Sie zeichneten in ihren<br />

Studentenzimmern, spazierten skizzierend durch die Stadt und unternahmen Ausflüge<br />

ins Umland, stets voller Arbeitseifer und im intensiven Austausch. Sie waren orientierungsfreudig<br />

und offen nach allen Seiten, sich die aktuellen Strömungen der Kunst anzueignen:<br />

»Wir suchten Weiterbildung, fortschrittliche Entwicklung und Lösung vom<br />

Herkömmlichen, wo immer wir sie erhoffen konnten, so etwa in den damals erscheinenden<br />

Sammel- und Probebänden der Münchner ›Jugend‹, und bezogen die englische<br />

Kunstzeitschrift ›Studio‹, deren laufende Neuerscheinungen wir kaum erwarten konnten.«<br />

13 Auch den von Ferdinand Avenarius herausgegebenen Kunstwart, in dem über die<br />

neuesten Tendenzen in Dichtung, Theater, Musik, bildender und angewandter Kunst berichtet<br />

wurde, lasen sie ebenso interessiert wie die Neuerscheinungen namhafter Kunsthistoriker<br />

wie Julius Meier-Graefe oder Richard Muther. Hinzu wird die überaus reich<br />

und farbig illustrierte Publikation zum modernen Plakat ihres Professors Jean Louis<br />

Sponsel gekommen sein. 14 Die Kunst außereuropäischer Kulturen, insbesondere die afrikanische<br />

und polynesische, die man im Dresdner Völkerkundemuseum sehen konnte,<br />

beeindruckte Kirchner und seine Mitstreiter tief. 15 Die japanische Kunst war ohnehin en<br />

vogue; über sie wurde ausführlich in Kunstzeitschriften berichtet und in musealen<br />

Sammlungen der Stadt konnte man sie bestens studieren.


D I E P R ÄG E N D E N L E H R E R – F R I TZ S C H U M AC H E R U N D H E R M A N N O B R I ST<br />

Für die Grundausbildung und den weiteren Weg als Künstler waren für Kirchner (sowie<br />

die anderen »Brücke«-Mitglieder) insbesondere zwei Lehrer entscheidend: Fritz Schumacher<br />

und Hermann Obrist. Durch diese beiden Künstlerpersönlichkeiten wurde das<br />

Fundament gelegt, auf dem aufbauend die angehenden Architekten zu bedeutenden<br />

Malern werden konnten.<br />

Intensiv waren die Architekturstudenten mit Stilkunde konfrontiert, die die Kunsthistoriker<br />

Georg Treu, Jean Louis Sponsel und vor allem Cornelius Gurlitt lehrten. Neben Gurlitt,<br />

der große Bedeutung für die Etablierung der Denkmalpflege und des Städtebaus in<br />

der Architekturausbildung hatte, war es vor allem Fritz Schumacher, dessen Stillehre<br />

prägend gewesen sein wird für die »Brücke«-Mitglieder. Kirchner und Bleyl fingen<br />

gleichzeitig mit Schumacher im April 1901 an der Hochschule in Dresden an und werden<br />

dessen Antrittsrede am 10. Mai gehört haben. Darin beschreibt er die große Verantwortung,<br />

die der Architekt in deutlich höherem Maße habe als andere Künstler: »Ein Buch<br />

braucht man nicht lesen, ein Bild kann man gegen die Wand kehren«, aber der ihn umgebenden<br />

Architektur sei der Mensch ständig ausgesetzt. Daraus schlussfolgert Schumacher<br />

eine deutlich »strengere, entsagendere Selbstzucht« für den Architekten »gegenüber<br />

dem ungestraft fröhlich experimentierenden Maler …, denn er hat nicht allein<br />

sich selbst und seinen Auftraggeber gegenüber die Verantwortung zu tragen, sondern ist<br />

einem Stück Welt verantwortlich.« 16 Schumacher plädierte für eine gründliche Analyse<br />

der Architektur- und Stilgeschichte, denn sie sei »das unentbehrliche Fundament jeglicher,<br />

auch der individuellen Weiterentwicklung«. 17 Wirklich Unabhängiges allerdings<br />

könne sich aus der Maschine und dem industriell Gefertigtem entwickeln, die in ihrer<br />

konstruktiven Vollkommenheit von großem ästhetischen Wert seien. Gerade der Eisenbau<br />

böte die Option, mit dem neuen Material einen eigenen Stil zu entwickeln, doch das<br />

stetige Festhalten an historischer Stilarchitektur führe in eine Sackgasse. 18 Mit dem Verweis<br />

auf die englische Arts-and-Crafts-Bewegung schließend, setzt er sich für eine Orientierung<br />

an heimischen Traditionen ein, aus denen heraus sich Spezifisches wie Neues<br />

erarbeiten ließe (ABB. 2). 19<br />

Schumacher verstörte mit diesem Grundverständnis seine älteren Professorenkollegen<br />

– den jungen Studenten wie Kirchner und Bleyl wird er damit imponiert haben. Vielleicht<br />

ging ihnen dies auch noch nicht weit genug, denn er stellte sich damit als Mittlerfigur<br />

zwischen den Historismus, den er als Architekt bereits überwunden hatte, und die<br />

Reformkunst, für die er um die Jahrhundertwende stritt.<br />

2 Fritz Bleyl, Waldwärtergehöft.<br />

Perspektive, 1905, braune Tusche und<br />

Aquarell, 49 × 37 cm, Städtische Museen<br />

Zwickau<br />

V O M A R C H I T E K T E N , D E R A U S Z O G , M A L E R Z U W E R D E N<br />

51


3 Ernst Ludwig Kirchner in München,<br />

Fotografie, 1903/04<br />

52 K A T H A R I N A S I E G M A N N<br />

Zentral für Kirchner und in der Folge auch für seine Freunde sind dessen Monate in<br />

München gewesen (ABB. 3). 20 Für das Wintersemester 1903/04 schrieb sich Kirchner an<br />

der dortigen Technischen Hochschule gemäß seiner Studienakte für Kurse in Allgemeiner<br />

Kunstgeschichte, Modellieren und Ornament- und Figurenzeichnen sowie Dekorative<br />

Architektur ein (siehe Abb. S. 46). 21 Die Einschreibung an der th lieferte den Freiraum,<br />

um in den Lehr- und Versuchsateliers für angewandte und freie Kunst von Wilhelm<br />

von Debschitz und Hermann Obrist seine künstlerische Ausbildung weiter zu verfolgen.<br />

Welche Kurse Kirchner dort besuchte, ist nicht sicher; er selbst berichtete später,<br />

er habe Aktzeichnen belegt. 22 Grundsätzlich werden Kirchner wohl die Kurse in Porträtund<br />

Landschaftsmalerei sowie in den grafischen Techniken interessiert haben. 23 Meike<br />

Hoffmann vermutet, dass Kirchner einen Holzschnittkurs bei Hugo Steiner-Prag besucht<br />

hat, da sich der früheste von Kirchner erhaltene Holzschnitt auf einer Postkarte befindet,<br />

die er von München an Fritz Bleyl sendete. 24<br />

Die Lehrmethode der Lehr- und Versuchsateliers unterschied sich grundlegend von der<br />

an den Akademien praktizierten. Hermann Obrist, der charismatische Kopf der Schule in<br />

den ersten Jahren, setzte sich für das vorbildlose Schaffen aus sich selbst heraus ein:<br />

»Wohl dem, der Begabung und Trieb zu etwas hat und darin keinen offiziellen Schulunterricht<br />

erhalten hat. … Hat er noch dazu Charakter, d. h. Arbeitskraft, Ausdauer, Besonnenheit,<br />

Wille, so steht ihm der Himmel der schöpferischen Kunst offen.« 25 Dies dürfte<br />

bei Kirchner den Nerv getroffen haben.<br />

Obrist schilderte 1904, wie er einen neuen Schüler zunächst ganz frei nach dessen Interessen<br />

zeichnen ließ. »Nach sehr kurzer Zeit stellt sich regelmäßig heraus, daß es<br />

nichts mehr und nicht weniger ist als ganz gewöhnliches Blümchen- oder Tierchenzeichnen<br />

nach bloß malerischen oder illustrativen Gewohnheiten, was er da treibt. Hier<br />

erst setzt der Unterricht ein. Es wird ihm vor allem gezeigt, was er alles nicht gesehen<br />

hat, wie matt und oberflächlich er das über die Maßen interessante Naturgebilde aufgefaßt<br />

hat. … Er begreift allmählich, daß eine Blume, eine Muschel … noch etwas anderes<br />

ist als bloß associativ oder intellektuell eine Muschel, eine Wurzel …, daß es organisierte<br />

Gebilde voller Gesetzmäßigkeiten, voller Strukturen, voller Kräfteäußerungen sind.<br />

… Erst nachdem der Schüler sich gewissermaßen frei ausgelebt hat, wird die kritische<br />

Sonde angelegt« und die Fragen nach der Funktion und Bedeutung erörtert. 26 Prinzipiell<br />

müsse Architektur und Kunst, ob frei oder angewandt »… echt, wahr, zeitentsprechend<br />

und individuell« sein. 27 Das stellt nun sowohl das Gegenmodell zur Ausbildung an Technischen<br />

Hochschulen dar als auch eine höchst geeignete Auffassung für Kirchner, der<br />

ohnehin einem freien, bedingungslosen Künstlertum zustrebte. Mit diesen wegweisenden<br />

Impulsen kehrte er 1904 nach Dresden zum Abschluss seines Studiums und zu seinen<br />

Freunden zurück, mit denen er nunmehr bestärkt das Fortschreiten auf dem Weg als<br />

Maler betreiben konnte.<br />

W E C H S E L Z U N E U E N U F E R N<br />

Die Freunde hatten den Zusammenschluss zu einer Künstlergemeinschaft lange erwogen;<br />

Heckel berichtet von ihren Überlegungen, wie sie »an die Öffentlichkeit treten<br />

können. Eines Abends sprachen wir auf dem Nachhauseweg wieder davon. Schmidt-<br />

Rottluff sagte, wir könnten das Brücke nennen – das sei ein vielschichtiges Wort, würde<br />

kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen.<br />

Wovon wir weg mußten, war uns klar – wohin wir kommen würden, stand weniger<br />

fest.« 28 1906 wurde das vermutlich schon im Vorjahr verfasste Programm von Kirchner<br />

in Holz gestochen: »Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der


Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen und als Jugend, die<br />

die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den<br />

wohlangemessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht<br />

das wiedergibt, was ihm zum Schaffen draengt.« 29<br />

Anarchischer Freiheitsdrang und leidenschaftlicher Erneuerungswille paarten sich mit<br />

einem von Nietzsche geprägten Elitebewusstsein mit dem Ziel, sich Unabhängigkeit<br />

vom bis dato Gültigen zu verschaffen. 30 »Unmittelbar und unverfälscht« sollte das Gesehene<br />

und Gefühlte einen reinen Ausdruck finden. Gerade als nicht von einer Kunstakademie<br />

Verbildete wähnten sie sich frei von historischer Prägung und engem Stilkorsett.<br />

Besonders der arrivierte Kirchner stilisierte sich als gänzlich unabhängig von Einflüssen.<br />

Er leugnete vehement jegliche Vorbilder, ja sogar die gegenseitige Befruchtung der<br />

»Brücke«-Mitglieder in den frühen Jahren ihres aktiven Künstlerverbundes. Insbesondere<br />

seine zwischen 1920 und 1933 unter dem Pseudonym Louis de Marsalle veröffentlichten<br />

Texte zielten darauf ab, sich als autonome, einzig aus sich schöpfende Künstlerpersönlichkeit<br />

darzustellen. Keinen zeitgenössischen Künstler lässt er als Inspirationsquelle<br />

gelten, wenn überhaupt dann seien es nur die alten Meister, bei denen er »die gemeinsame<br />

Grundlage der Naturwelt« fühlte. 31 Kirchner nahm sich, wie nicht selten unter<br />

Künstlern, als einsamen Einzelkämpfer war und verwahrte sich nach Auflösung der<br />

»Brücke« streng dagegen, mit den Mitstreitern und überhaupt mit dem Expressionismus<br />

in Verbindung gebracht zu werden. 32<br />

Aber wie verlief die Entwicklung zur freien Künstlerschaft tatsächlich?<br />

W E I T E R E N T W I C K L U N G U N D E I N F L Ü S S E<br />

Im Jahr 1905, nachdem die Vierergruppe sich zusammengetan hatte und ihr Selbstverständnis<br />

als angehende Künstler gewachsen war, mietete man ehemalige Laden- beziehungsweise<br />

Werkstatträume in Dresden-Friedrichstadt als gemeinschaftlich genutzte<br />

Ateliers. Die Gemeinschaft Gleichgesinnter hob das künstlerische Schaffen auf eine<br />

neue, gewissermaßen professionellere Ebene (ABB. 4). Indem man weitere am Aktstudium<br />

Interessierte hinzuzog, konnte man sich Modelle leisten und es wurden die Übungen<br />

der sogenannten »Viertelstundenakte« eingeführt. 33 Diese Form des Aktzeichnens<br />

wies sich dadurch aus, dass entgegen der akademischen Tradition, wonach das Modell<br />

über lange Zeit hinweg in einer Pose verharrt, hier das Modell nach wenigen Minuten<br />

eine neue Stellung einnahm, sodass es auf schnelle Auffassung und eine präzise Umsetzung<br />

des Körpers mit wenigen Strichen ankam. 34 Laut der von Kirchner 1913 verfassten<br />

Chronik der »Brücke« bot sich ihnen dadurch »die Möglichkeit, den Akt, die Grundlage<br />

aller bildenden Kunst, in freier Natürlichkeit zu studieren. Aus dem Zeichnen dieser<br />

Grundlage ergab sich das allen gemeinsame Gefühl, aus dem Leben die Anregung zum<br />

Schaffen zu nehmen und sich dem Erlebnis unterzuordnen.« 35 »Freie Natürlichkeit« und<br />

»Erlebnis« sind die entscheidenden Stichworte für ihre Arbeitsweise, gepaart mit der im<br />

Programm beschworenen Unmittelbarkeit und Unverfälschtheit, die gerade gegenüber<br />

dem technisch-trockenen Zeichnen im Studium außerordentliche Geltung haben mussten.<br />

In den späteren Erinnerungen der Künstler wird der Schaffensrausch der frühen<br />

Jahre als impulsiv und dynamisch, ja unreflektiert beschrieben. 36<br />

Neben dem Zeichnen widmeten sich die Studenten ab 1904 auch intensiv dem Holzschnitt<br />

und wandten sie sich ab 1906 verstärkt der Malerei zu. In den frühen Holzschnitten<br />

von Kirchner und Bleyl ist die Orientierung am Jugendstil unübersehbar. Auch<br />

dass sie die satirische Grafik von Thomas Theodor Heine und Olaf Gulbransson im Simplizissimus<br />

sowie die Gestaltung des Ver Sacrum, das Organ der Wiener Secession, stu-<br />

4 Karl Schmidt-Rottluff, In einem Atelier,<br />

1905, Holzschnitt, 30,8 × 15 cm,<br />

Sammlung Gerlinger, Museum Moritzburg,<br />

Halle (Saale)<br />

V O M A R C H I T E K T E N , D E R A U S Z O G , M A L E R Z U W E R D E N<br />

53


5 Ernst Ludwig Kirchner, Mädchen auf<br />

dem Sofa, 1905, Holzschnitt, 8,4 × 10 cm,<br />

Brücke-Museum Berlin<br />

6 Felix Vallotton, La Paresse/Die Faulheit,<br />

1896, Holzschnitt, 17,8 × 22,2 cm, Staatliche<br />

Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett<br />

7 Ernst Ludwig Kirchner, Liegende Frau<br />

(Unruhe), 1905, Holzschnitt, 11,9 x 18 cm,<br />

Brücke-Museum Berlin<br />

54 K A T H A R I N A S I E G M A N N<br />

dierten, ist offensichtlich. 37 »Nirgends lernt man einen Künstler besser kennen als in seiner<br />

Grafik« erklärte Kirchner, und der Holzschnitt sei »die graphischste aller graphischen<br />

Techniken«. 38 In seinen ersten Holzschnitten kann man seinen Ausgangspunkt,<br />

sein Orientieren und Suchen ablesen.<br />

Beispiele wie Kirchners Mädchen auf dem Sofa (ABB. 5) oder das schon genannte Atelier<br />

von Schmidt-Rottluff zeigen den frühen Holzschnitt der »Brücke«-Gründer im reinen<br />

Flächenstil, wie ihn gegen Ende des 19. Jahrhunderts Félix Vallotton (ABB. 6) und Edvard<br />

Munch entwickelt hatten, die den Künstlern durch Publikationen bekannt waren. Es<br />

herrschte absolute Konzentration auf Komposition und Umriss, Einzelformen wurden<br />

zur Vereinfachung gedrängt. Durch das Ausblenden von Farbnuancierung ließen sich<br />

grundlegende künstlerische Kategorien erproben und eine präzise Formensprache entwickeln.<br />

Dabei kann man beobachten, wie sich Kirchner in dem entscheidenden Jahr<br />

1905 in seiner Grafik von der fließenden Linie zum gezackten, gerissenen und versatzstückhaften<br />

Strich bewegt (ABB. 7). Der frühe Einfluss des Jugendstils und des Symbolismus'<br />

hat seine Wirkung getan, entscheidende Fragen zum Umgang mit der Linie sind beantwortet<br />

und Kirchner kann seinen eigenen Stil langsam durch äußere Prägungen dringen<br />

lassen.


Die einflussreiche Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst anhand von Reproduktionen<br />

wurde schließlich wesentlich ergänzt durch die Begegnung mit Originalen<br />

von van Gogh und Paul Gauguin, die 1905 und 1906 in den Dresdner Galerien Ernst Arnold<br />

und Emil Richter in umfangreichen Ausstellungen präsentiert wurden. 39 Gerade von<br />

diesen beiden Künstlern konnten die »Brücke«-Gründer ihre Forderungen an eine Kunst<br />

ableiten, die frei von akademischen Normen und Bindungen zu sein hatte und in vitalistischer<br />

Ausdrucksweise unverfälscht Form und Farbe zu einer Gesamtwirkung bringen<br />

sollte. Hinter diesem Anspruch stand eine spezifisch physische und psychische Verfasstheit,<br />

die Kirchner als »mit Blut und Nerven gemalt« umschreibt. 40<br />

Auf die Wirkung zurückkommend, die die Architekturstudenten durch zeitgenössische<br />

Strömungen in Architektur und Gestaltung erhielten, sind die Reformbestrebungen von<br />

Wilhelm Kreis und Fritz Schumacher hinsichtlich einer Versachlichung der Gestaltung<br />

und einer der Funktion angemessenen Architektur und Innenausstattung zu nennen.<br />

Den Standpunkt der Materialgerechtigkeit und Ornamentreduktion verfolgte ebenso<br />

Karl Schmidt mit seinen Dresdner Werkstätten seit 1898, der einer der treibenden Kräfte<br />

bei der Gründung der Gartenstadt Hellerau 1906 war. 41<br />

In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass die erste Ausstellung der »Brücke«<br />

in Dresden im Herbst 1906 in den Ausstellungsräumen der Lampenfabrik von Karl Max<br />

Seifert stattfand. 42 Die Reaktionen in der Presse auf die Ausstellung waren durchaus<br />

wohlwollend, so äußerte Otto Sebaldt in einer Rezension: »Eine im Grunde genommen<br />

sehr erfreuliche Neuerscheinung auf dem Gebiet der bildenden Kunst Dresdens ist die<br />

Vereinigung ›Brücke‹, eine Gesellschaft junger begeisterter Künstler, die selbständig und<br />

selbstbewußt ihre eigenen Wege gehen will, ohne Rücksicht auf das, was eine bedächtige<br />

und weise Dresdner Jury als einwandfreie Kunst passieren läßt. Wie gesagt, die<br />

ganze Gruppe hat etwas Sympathisches, wenn auch noch manches Unreife. Aber das<br />

Ziel, ›als Jugend, die die Zukunft trägt, sich Arm- und Lebensfreiheit zu verschaffen gegenüber<br />

wohlangesessenen, älteren Kräften‹, ist ein hohes, erstrebenswertes Ziel, und<br />

wir können nur wünschen, daß recht viele der Jungen, eigene Wege Wandelnden, sich<br />

der Gruppe anschließen, um das gerade in Dresden so sehr notwendige Gegengewicht<br />

zu finden gegenüber einer durch trauriges Cliquenwesen sich dokumentierenden kastengeistigen<br />

Kunstrichtung.« 43 Letzteres war eine Replik auf die etablierte Professorenschaft<br />

an der Kunstakademie, worunter Carl Bantzer und Gotthard Kuehl mit ihrem gemäßigten<br />

Impressionismus noch zu den innovativsten Malern, Otto Gussmann wohl zu<br />

den aufgeschlossensten und für die jüngere Generation wirksamsten Persönlichkeiten<br />

zählten. 44<br />

Wie rigide man in Dresden allerdings auf die »Brücke«-Künstler reagierte, zeigte sich<br />

beispielsweise daran, dass das von Bleyl gefertigte Plakat für die Ausstellung bei Seifert<br />

nicht öffentlich aufgehängt werden durfte; der weibliche Akt wurde als anstößig zurückgewiesen,<br />

da man eine Schambehaarung darauf erkennen wollte (ABB. 8). 45 Nichtsdestotrotz<br />

nahm der Siegeszug der neuen Kunst ihren Lauf – bis zur Auflösung der<br />

»Brücke« 1913 sollten sie sich in 12 Gruppenausstellungen und 13 Wanderausstellungen<br />

mit 75 Stationen präsentieren können. 46<br />

D E R M A L E R K I R C H N E R U N D D I E A R C H I T E K T U R<br />

Als eines der Ziele der »Brücke« benennt Ernst Ludwig Kirchner in der Chronik den Versuch,<br />

»die neue Malerei mit dem Raum in Einklang zu bringen«. 47 Dazu hat das Architekturstudium<br />

und die Beschäftigung mit dem Innenausbau die Basis geschaffen, sowohl<br />

hinsichtlich der praktischen Ausbildung als auch in der theoretischen Fundierung.<br />

8 Fritz Bleyl, Plakat zur ersten Ausstellung<br />

der »Brücke«, 1906, Lithografie in Gelborange,<br />

69,2 × 25,4 cm, Kunstsammlungen<br />

Chemnitz<br />

V O M A R C H I T E K T E N , D E R A U S Z O G , M A L E R Z U W E R D E N<br />

55


9 Ernst Ludwig Kirchner, Zwei Entwürfe<br />

für die Ausgestaltung des Festsaales im<br />

Museum Folkwang Essen, publiziert durch<br />

Gustav Schiefler in Das Kunstblatt,<br />

Februar 1929<br />

56 K A T H A R I N A S I E G M A N N<br />

Die souveräne Fähigkeit, dreidimensionalen Raum in zweidimensionale Malerei zu überführen,<br />

und der versierte Umgang mit der Perspektive stammen aus der Architekturausbildung.<br />

Diese stand an der th Dresden vor allem durch Fritz Schumacher unter dem<br />

Vorzeichen der Erneuerung und der Reformkunst – Architektur wurde als Raumkunst<br />

begriffen und dementsprechend die Grenzen zwischen gebauter, angewandter und<br />

freier Kunst sukzessive aufgelöst. Aus diesem Verständnis heraus stattete Kirchner seine<br />

Ateliers und später seine Häuser in Davos im Sinne eines Gesamtkunstwerkes aus. Jenseits<br />

der Privatsphäre boten sich ihm nur begrenzt Möglichkeiten, Räume zu gestalten.<br />

Als Beispiele lassen sich die Einrichtung einer Kapelle (gemeinsam mit Heckel) auf der<br />

Sonderbund-Ausstellung in Köln 1912 nennen, 48 der Ausstellungsstand für den Tabakfabrikanten<br />

Feinhals auf der zwei Jahre später ebenfalls in Köln gezeigten Werkbund-<br />

Ausstellung sowie die Ausmalung eines Treppenhauses im Sanatorium Dr. Kohnstamm<br />

in Kronberg 1916. Die Entwürfe zur Raumausstattung des Festsaals im Folkwang-<br />

Museum aus den Jahren 1927 bis 1928 blieben unausgeführt (ABB. 9).<br />

In der Malerei Kirchners, wie der »Brücke«-Mitglieder generell, ist die Architektur zentrales<br />

Thema: Geradezu exemplarisch stehen etwa die Berliner Straßenszenen in ihrer<br />

Gedrängtheit und Nervosität für den Stil des Expressionismus und das damit verbundene<br />

Lebensgefühl. Dabei sind es weniger bekannte Stadtansichten als vielmehr abseitige<br />

Orte wie Hinterhöfe, Eisenbahnbrücken, technische Anlagen, Kanäle und Fabriken,<br />

die bevorzugt als Motive gewählt wurden. Und gerade in den radikalen Ausschnitten, der<br />

Skizzenhaftigkeit und der gezielten Verzerrung liegt die meisterliche Handhabung von<br />

Aufbau und Perspektive, die im Architekturstudium begründet wurde.


1 Fritz Bleyl, Erinnerungen, in: Hans Wentzel,<br />

Fritz Bleyl. Gründungsmitglied der »Brücke«, in:<br />

Kunst in Hessen und am Mittelrhein 8, 1968,<br />

S. 96.<br />

2 Abdruck von Kirchners Diplomzeugnis und<br />

seiner Diplomarbeit in diesem Katalog auf S. 2,<br />

12–27.<br />

3 Laut Kirchner haben er und die anderen<br />

»Brücke«-Gründer das Architekturstudium<br />

»mehr aus dem äußerlichen Grunde [ergriffen],<br />

um das nötige Geld vom Vater für ein gebilligtes<br />

Studium zu erhalten als aus Interesse«, zit. nach<br />

Lothar Grisebach (Hg.), Ernst Ludwig Kirchners<br />

Davoser Tagebuch, 1919–1928, Köln 1968, S. 65;<br />

siehe auch Fritz Bleyls Begründung für das<br />

Studium in: Bleyl 1968 (wie Anm. 1), S. 92f.;<br />

vgl. Bleyls Erinnerungen in diesem Katalog auf<br />

S. 66–71.<br />

4 Hierzu Renate Ritter, Das Realgymnasium<br />

Chemnitz als Nährboden einer deutschen<br />

Kunstrevolte?, in: 150 Jahre Gymnasium<br />

Chemnitz. Georgius-Agricola-Gymnasium<br />

(1857–2007), Chemnitz 2007, S. 51–59.<br />

5 Ernst Ludwig Kirchner, Die Arbeit E. L. Kirchners,<br />

um 1925/26, abgedruckt in: Eberhard W. Kornfeld,<br />

Ernst Ludwig Kirchner, Nachzeichnung<br />

seines Lebens, Bern 1979, S. 333.<br />

6 Brief Ernst Ludwig Kirchners an Carl Hagemann,<br />

30. Juni 1937, zit. nach: Donald E. Gordon, Ernst<br />

Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog<br />

der Gemälde, München 1968, S. 10.<br />

7 Reifeprüfungszeugnis in der Studentenakte<br />

Kirchners an der th Dresden: tu dd ua Nr. 5836.<br />

8 Zu Kirchners Kinderzeichnungen siehe Hans-<br />

Günther Richter, Ernst Ludwig Kirchner und<br />

die Kinderzeichnung, in: Ernst Ludwig Kirchner.<br />

Leben ist Bewegung (Ausst.-Kat. Städtische<br />

Galerie Aschaffenburg) 1999, S. 24–35.<br />

9 Die zwei Skizzenbücher aus den Jahren 1900/01<br />

und 1901/02 befinden sich in der Sammlung<br />

Gerlinger, verwahrt im Museum Moritzburg<br />

Halle (Saale).<br />

10 Ausführlich zum Studium der Architektur an<br />

der th Dresden siehe den Aufsatz in diesem<br />

Katalog von Kerstin Zaschke, Die Architekturlehre<br />

in Dresden zur Zeit Ernst Ludwig<br />

Kirchners, S. 107–119.<br />

11 Bleyl 1968 (wie Anm. 1), S. 93.<br />

12 Ebd.<br />

13 Ebd., S. 94.<br />

14 Jean Louis Sponsel, Das moderne Plakat,<br />

Dresden 1897.<br />

15 Grisebach 1968 (wie Anm. 3), S. 84.<br />

16 Fritz Schumacher, Antrittsvorlesung bei der<br />

Übernahme seiner Professur an der Königlich<br />

Technischen Hochschule zu Dresden am 10. Mai<br />

1901, in: Das Bauschaffen der Jetztzeit und seine<br />

historische Überlieferung, (Leipzig 1901) Nachdr.<br />

Nendeln/Liechtenstein 1976, S. 5–31, hier S. 9f.<br />

17 Ebd., S. 12f.<br />

18 Ebd., S. 21f.<br />

19 Ebd., S. 28.<br />

20 Zu Kirchners Studienaufenthalt in München<br />

siehe Thomas Röske, Entwicklung zum eigenen<br />

Stil. Ernst Ludwig Kirchner in München 1903/04,<br />

in: Freiheit der Linie. Von Obrist und dem<br />

Jugendstil zu Marc, Klee und Kirchner, hg. von<br />

Erich Franz (Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum<br />

für Kunst und Kulturgeschichte<br />

Münster), Bönen 2007, S. 222–226.<br />

21 Studentenakte Ernst Ludwig Kirchner, th<br />

München.<br />

22 Kirchner in einem Brief an Will Grohmann vom<br />

8. Juli 1925, in: Will Grohmann, Lieber Freund.<br />

Künstler schreiben an Will Grohmann, Köln<br />

1968, S. 37f.<br />

23 Zum Kursangebot siehe Dagmar Rinker, Die<br />

Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte und<br />

freie Kunst (Debschitz-Schule). München 1902–<br />

1914, München 1993 (Schriften aus dem Institut<br />

für Kunstgeschichte der Universität München<br />

61), S. 83.<br />

24 Meike Hoffmann, Ernst Ludwig Kirchner. Der Architekt,<br />

in: Der Architekt Ernst Ludwig Kirchner.<br />

Diplomarbeit und Studienentwürfe 1901–1905,<br />

mit einer Einführung von Meike Hoffmann<br />

(Ausst.-Kat. Ketterer Kunst München), München<br />

1999; besagte Postkarte von Kirchner an Bleyl<br />

vom 18. März 1904 befindet sich im Altonaer<br />

Museum.<br />

25 Hermann Obrist, Die Zukunft unserer Architektur,<br />

in: Dekorative Kunst 4, 1901, S. 329–349,<br />

hier S. 338.<br />

26 Ders., Die Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte<br />

und freie Kunst, in: Dekorative Kunst 7,<br />

1904, S. 229f.<br />

27 Obrist 1901 (wie Anm. 25), S. 348.<br />

28 Hans Kinkel, Aus einem Gespräch mit Erich<br />

Heckel, in: Das Kunstwerk 12, 1958, H. 3, S. 24.<br />

29 Programm der »Brücke« zit. nach: Horst Jähner,<br />

Künstlergruppe Brücke. Geschichte einer Gemeinschaft<br />

und das Lebenswerk ihrer Repräsentanten,<br />

Berlin 1984, S. 416.<br />

30 Auf den Einfluss von Nietzsches Schriften auf<br />

die »Brücke«-Mitglieder ist mehrfach hingewiesen<br />

worden, siehe dazu zum Beispiel Meike<br />

Hoffmann, Leben und Schaffen der Künstlergruppe<br />

»Brücke« 1905–1913. Mit einem kommentierten<br />

Werkverzeichnis der Geschäfts- und<br />

Ausstellungsgrafik, Berlin 2005, S. 162–168.<br />

31 Zit. nach Grisebach 1968 (wie Anm. 3), S. 131.<br />

32 So Kirchner in einer Einführung zu seinen Arbeiten<br />

im Katalog der Galerie Ludwig Schames,<br />

Frankfurt 1920 oder auch in einem Brief an Will<br />

Grohmann vom 15. Februar 1924, in: Will Grohmann,<br />

E. L. Kirchner, Stuttgart 1958, S. 212.<br />

33 Berichte zum »Viertelstundenakt« von Ernst<br />

Heckel siehe Kinkel 1958 (wie Anm. 28), S. 24<br />

sowie von Fritz Bleyl siehe Bleyl 1968 (wie<br />

Anm. 1), S. 96.<br />

34 Dass der »Viertelstundenakt« aus der Tradition<br />

der privaten Kunstschulen hervorging, wird<br />

nachgewiesen von Sandra Mühlenberend, Vom<br />

Stillstand zum Leben. Die Herkunft des »Viertelstundenaktes«,<br />

in: Die »Brücke« in Dresden<br />

1905–1911, hg. von Birgit Dalbajewa und Ulrich<br />

Bischoff (Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen<br />

Dresden), Köln 2001, S. 278–282.<br />

35 Ernst Ludwig Kirchner, Chronik der KG Brücke,<br />

1913, abgedruckt in: Jähner 1984 (wie Anm. 29),<br />

S. 424.<br />

36 Grisebach 1968 (wie Anm. 3), S. 84.<br />

37 Zu den Einflüssen von Jugendstil und japanischer<br />

Grafik siehe Petra Lewey, Fritz Bleyls Japo-<br />

nismus während der frühen »Brücke«-Zeit, in:<br />

Fritz Bleyl, die »Brücke« und der Jugendstil, in:<br />

Fritz Bleyl und die frühen Jahre der »Brücke«,<br />

hg. von Hermann Gerlinger u. a. (Ausst.-Kat.<br />

Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum u.a.),<br />

Schleswig 1999, S. 29–40 sowie im selben Katalog<br />

Heinz Spielmann, Fritz Bleyl, die »Brücke«<br />

und der Jugendstil, S. 41–53; Christiane Remm,<br />

Die Anfänge der »Brücke«-Graphik im Zeichen<br />

des Jugendstils, in: Frühe Druckgraphik der<br />

»Brücke«, Frühe Druckgraphik der »Brücke«, hg.<br />

von Magdalena M. Moeller (Ausst.-Kat. Brücke-<br />

Museum Berlin), München 2005, S. 26–32 sowie<br />

im selben Katalog Cathy Stoike, Elegante<br />

Schwünge und fernöstliche Harmonie. Fritz<br />

Bleyls japonistische Bildsprache und seine Bedeutung<br />

für die frühe Druckgraphik der<br />

»Brücke«, S. 34–39.<br />

38 Grisebach 1968 (wie Anm. 3), S. 190 und 191.<br />

39 An den sichtbaren Einfluss auf die Zeichnungen<br />

seiner Architekturstudenten infolge der Van-<br />

Gogh-Ausstellung erinnert sich in einem Aufsatz<br />

Fritz Schumacher, Aus der Vorgeschichte der<br />

»Brücke«, in: Der Kreis. Zeitschrift für künstlerische<br />

Kultur 9, 1932, S. 7–11, S. 8; vgl. in diesem<br />

Katalog, S. 102–105.<br />

40 Grisebach 1968 (wie Anm. 3), S. 196.<br />

41 Siehe zur kulturellen Szene Dresdens in diesem<br />

Katalog den Aufsatz von Henrik Karge, Lebenskultur.<br />

Reformkultur. Dresden um 1900,<br />

S. 73–83.<br />

42 Auch Fritz Schumacher gehörte zu der Vielzahl<br />

junger Architekten, die für Seifert Beleuchtungskörper<br />

entwarfen, siehe Erich Haenel, Fritz<br />

Schumacher, in: Dekorative Kunst 6, 1903,<br />

S. 281–300, Abb. zu den von der Firma Seifert<br />

gefertigten Lampen S. 305 und 308f.<br />

43 Otto Sebaldt, Dresdner Kunstschau ii, in: Sächsische<br />

Arbeiterzeitung, Dresden, 17. Ausg.,<br />

Nr. 246 vom 23. Oktober 1905, 1. Beilage, S. 1.<br />

44 Zur Malerei in Dresden um 1900 siehe Annegret<br />

Laabs, Malerei. Kunst im Aufbruch, in: Jugendstil<br />

in Dresden. Aufbruch in die Moderne (Ausst.-<br />

Kat. Dresden), Wolfratshausen 1999, S. 147–154.<br />

45 Bleyl 1968 (wie Anm. 1), S. 97.<br />

46 Auflistung nach Hoffmann 2005 (wie Anm. 30),<br />

S. 111.<br />

47 Jähner 1984 (wie Anm. 29), S. 425.<br />

48 Siehe Alfred M. Fischer, Zur Kölner Sonderbund-<br />

Ausstellung und ihrer Kapelle, in: Die Expressionisten.<br />

Vom Aufbruch bis zur Verfemung<br />

(Ausst.-Kat. Museum Ludwig Köln), Ostfildern-<br />

Ruit 1996, S. 262–275, hier S. 267ff.<br />

V O M A R C H I T E K T E N , D E R A U S Z O G , M A L E R Z U W E R D E N<br />

57


58 E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

I 2<br />

Entwurf für ein Maleratelier. Zwei Ansichten<br />

sowie Grundrisse von Erd- und Obergeschoss, 1903<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 47 × 62,5 cm


I 3<br />

Entwurf für ein Maleratelier. Längsschnitt, 1903<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 32 × 45,7 cm<br />

E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

59


60 E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

I 4<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei Ansichten, 1903–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Aquarell<br />

auf Karton, 32,3 × 47,2 cm


I 5<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei perspektivische Ansichten, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 32 × 48 cm<br />

E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

61


62 E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Architekturdetails und perspektivische Hinteransicht,<br />

1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 32 × 48,2 cm<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Dekorationsdetails und perspektivische Ansicht<br />

der Garderobe, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 31,3 × 47,5 cm


I 7<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei Ansichten der Diele, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 32 × 44,5 cm<br />

E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

63


64 E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

I 9<br />

Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Bleistift und roter Buntstift auf Transparentpapier,<br />

32 × 39,5 cm


Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Seitenansicht, zwei Querschnitte der Seiten sowie<br />

der Grundriss des Erkerfensters, 1901–1905<br />

Tuschfeder in Braun und Aquarell auf Velin,<br />

66,4 × 88,3 cm<br />

I 10<br />

Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Vorderfront. Aufriss und Grundriss des Erkers,<br />

1901–1905<br />

Tuschfeder in Braun und Aquarell auf Velin,<br />

70,3 × 62,5 cm<br />

E I N F A M I L I E N H Ä U S E R<br />

65


66<br />

Auszug aus den Erinnerungen von<br />

Fritz Bleyl an seine Studienzeit an der<br />

th Dresden und die Gründung der<br />

»Brücke«, publiziert im Aufsatz von Hans<br />

Wentzel, Fritz Bleyl. Gründungsmitglied<br />

der »Brücke«, abgedruckt in: Kunst in<br />

Hessen und am Mittelrhein 8, 1968,<br />

S. 89–105, hier S. 92–96.<br />

ERINNERUNGEN<br />

FRITZ BLEYL<br />

Bei der wirtschaftlichen Lage meiner Eltern war an ein Studium irgendwelcher Art nicht<br />

zu denken, so sehr auch meine nicht abzustreitende künstlerische Neigung und Befähigung,<br />

sowie mein brennender Wunsch für eine Ausbildung als Maler sprach und sie als<br />

aussichtsvoll erscheinen ließen. Man erwog nüchternere Berufe. Ich selbst hatte sonst<br />

keine Wünsche weiter geäußert und war nun begreiflicherweise recht niedergeschlagen,<br />

zumal auch noch einer meiner Onkel, ein Baumeister, im Sippenkreise gewichtig vom<br />

Malertum abgeraten hatte. Da erschien als Helfer in der Not – wie ein deus ex machina<br />

– aus Oelsnitz besonders zu diesem Zwecke herübergekommen, mein treuer Onkel Arthur<br />

und tat uns seinen Entschluß kund, mir ein Studium, wenn auch nicht als Maler, so<br />

doch als Architekt an der Technischen Hochschule in Dresden zu ermöglichen, indem er<br />

selbst die Hälfte der Kosten übernehmen wolle, für die andere Hälfte meine Großmutter<br />

mütterlicherseits, die »Falcksmutter«, gewonnen habe. Er, der auch in Oelsnitz vielfach<br />

einsprang, wo Not am Mann war, und der deshalb in Ansehen stand, machte solcher<br />

Weise nun auch mir gegenüber seinem Freimaurertum alle Ehre. Auch mag in meinem<br />

Falle sein Familien- oder Sippenbewußtsein ein gewichtiges Wort für seinen Entschluß<br />

gesprochen haben, daß nämlich innerhalb des großen Falckschen Familienkreises<br />

auch ein Bleyl Akademiker werden und studieren solle. Seine Absicht war allerdings, aus<br />

mir einen Regierungsbaumenschen zu machen.<br />

Wenn ich nun auch lieber an die Kunstakademie gegangen wäre, so war doch die Aussicht,<br />

zum Studium nach dem schönen Dresden gehen zu dürfen, zu verlockend, als daß<br />

meine Freude nicht hätte unaussprechlich sein sollen.<br />

Kurz nach Ostern 1901 reiste ich, der ich bis dahin nur je einen Tag lang die großen<br />

Städte Chemnitz und Leipzig kennengelernt hatte und dort stark beeindruckt worden<br />

war, nach Dresden ab, damit das Vaterhaus nun eigentlich für immer verlassend.<br />

Es ist mir noch heute, als ob damals – obgleich ich schon eine reiche Jugendzeit verlebt<br />

hatte –, eine beengende und allen freien Ausblick verwehrende Ringmauer um mich<br />

herum eingefallen wäre und das Blickfeld und Schweifen in die lebendige, farbige Weite<br />

freigegeben hätte. Eine neue Welt tat sich mir auf, ein inneres Wachstum und eine Entwicklung<br />

setzte ein, an die ich nur staunend und dankbar beglückt zurückdenke.<br />

In Dresden eilte ich bald hin zur Brühlschen Terrasse und war so hingerissen und benommen<br />

von dem großartigen Bild der Stadt mit ihrer herrlichen Umgebung und besonders<br />

des Elbstromes mit seinem lebhaften Dampferverkehr, daß ich stundenlang<br />

dort verweilte.<br />

Dann begann das Studium an der Technischen Hochschule. Den ernsteren lehrhaften Fächern<br />

wie höhere Mathematik, Physik, darstellenden Geometrie, Chemie u.a., allerdings<br />

rein wissenschaftlich und lebensfremd betrieben, konnte ich keine Reize abgewinnen,<br />

sie schreckten mich im Gegenteil ab und bedrückten mich; da sagten mir die technischen,<br />

baulichen Gebiete schon eher zu, Formenlehre der Antike und des Mittelalters


oten schon Künstlerisches, am meisten und liebsten aber hielt ich mich im Freihandzeichensaal<br />

auf, wo ich mich bald an die Spitze vorzuarbeiten wußte, und wo mich die<br />

beste Semestralnote mit stolzer Freude und Genugtuung erfüllte.<br />

Meine ersten Hochschulferien freilich mußte ich auf heimatlichen Wunsch hin teils als<br />

Maureranwärter an mit unlustiger Arbeit auf Bauplätze in Zwickau, teils als technischer<br />

Hilfsarbeiter im Landbauamt daselbst drangeben. Beide Betätigungen waren mir eine<br />

Qual und langweilten mich entsetzlich, und ich war froh, als die je achtwöchige Beschäftigung<br />

zu Ende war und ich wieder frei schaffen konnte, ja sogar mit Beihilfe der<br />

Hochschulklasse den Rest meiner Ferien an ersten äußerst anregenden Studienfahrten,<br />

unter Professor Weichardt nach Halberstadt, dem Harz, Braunschweig, Goslar, Hildesheim,<br />

Kassel, Wartburg, unter Professor Hartung nach Magdeburg teilnehmen durfte,<br />

unterwegs überall fleißig skizzierend und aquarellierend.<br />

Im ersten Semester arbeitete ich eines Tages im »Rohnsaal« an darstellender Geometrie<br />

und schlug mich mit den kindlichen Aufgaben herum, als ein ehemaliger Schulkamerad<br />

und Klassenbruder zu mir trat und mich aufforderte, doch einmal hinten an seinen Platz<br />

zu kommen, dort habe ein »Studiker«, wie wir uns damals nannten, offenbar ein Künstler,<br />

allerhand auf den Rand seines Rohnbogens gezeichnet; das müsse ich mir unbedingt<br />

einmal ansehen. Ich eilte hin und konnte die Randbilder, die allem Anschein nach in Ausfüllung<br />

unergiebiger Wartezeit auf den Professor oder einen seiner Hilfskräfte entstanden<br />

waren, betrachten. Der Anfertiger war Ernst Ludwig Kirchner aus Chemnitz, dessen<br />

Bekanntschaft ich alsbald suchte und fand, aus der sich nun rasch eine seltene Freundschaft<br />

entwickelte.<br />

Kirchner, der sich nicht mit seinem Vornamen, sondern aus irgendeiner Grille heraus damals<br />

»Gustav« rufen ließ, war in ähnlicher Weise zum Hochschulstudium der Architektur<br />

und des Hochbauwesens gekommen wie ich, nämlich durch familienbegründete<br />

Zwangsverhältnisse, an Stelle eines Malerstudiums an der Akademie.<br />

Ich traf auf einen wohlgebauten, aufrechten Jüngling größten Selbstbewußtseins, stärkster<br />

Leidenschaftlichkeit, der ein herrlich unbekümmertes Wesen und ein mitreißendes,<br />

freimütiges Lachen an sich hatte und geradezu von einer Wut, zu zeichnen, zu malen,<br />

sich mit künstlerischen Dingen und Gedanken zu beschäftigen und auseinanderzusetzen,<br />

besessen war. Seine »Bude« war die eines ausgesprochenen Bohemiens, voll von<br />

überall bunt herumliegenden Bildern, Zeichnungen, Büchern, Mal- und Zeichengerät,<br />

weit mehr eines Malers romantische Behausung als das Heim eines ordentlichen Architekturstudenten.<br />

Wir hatten uns geradezu finden müssen, hielten fortan während des Studiums zusammen<br />

wie die Kletten und ließen nicht so bald wieder voneinander. Wo der eine war,<br />

tauchte gewiß auch bald der andere auf. Sicher waren wir an der ganzen Hochschule als<br />

unzertrennliches Freundespaar, als zwei in die gleiche Kerbe hauende Kunstbeflissene<br />

bekannt. – Tag für Tag waren wir beisammen, trafen uns auf der Hochschule, gingen gemeinsam<br />

zu Tische und anschließend auf des einen oder anderen Bude oder suchten uns<br />

spätestens abends auf, betrachteten und bewerteten unsere neuesten Arbeiten, führten<br />

freundgesellige Gespräche bis tief in die Nacht hinein und freuten uns schon wieder auf<br />

neue Betätigung und Ernte.<br />

Was waren das für herrliche, beschwingte Stunden und Tage gegenseitigen Verstehens,<br />

Förderns und Erkennens. Wie frohgemut schlug mir das Herz, wenn es draußen an der<br />

Flurtür läutete und die erwartete Stimme oder das fröhliche Lachen des mit der Wirtin<br />

scherzenden Freundes erklang und Kirchner erschien, wohl auch bei schönem Wetter regelmäßig<br />

mich zu gemeinsamem Spaziergang namentlich abends, besonders gern na-<br />

E R I N N E R U N G E N<br />

67


68<br />

F R I T Z B L E Y L<br />

türlich bei Mondschein, in den konzerterklingenden, herrlichen »Großen Garten« abzuholen,<br />

dort draußen unsere Studien zu machen und neue Eindrücke und Erlebnisse zu<br />

sammeln.<br />

Bei alledem war Kirchner durch einen guten »Wechsel« von zu Hause besser gestellt als<br />

ich und konnte sich den nötigen und erwünschten Bedarf an Mal- und Zeichengerät<br />

weit leichter und bedenkenloser beschaffen. So nannte er bald einen Ölfarbenkasten,<br />

Kreide- und Pastellstifte, Temperafarben und das Werkzeug sowie eine Handkopierpresse<br />

für den Holzschnitt sein eigen und wendete alles in voller Fahrt an. Ich konnte<br />

das alles erst nach und nach erwerben.<br />

Ich entsinne mich noch seines ersten Ölbildes, einer frei erfundenen »Komposition«,<br />

einer Quellen- und Brunnennixe, an der er viel herummalte. Sie war schon ganz andersartig<br />

aufgefaßt als ähnliche Malereien jener impressionistischen Zeit, in der Darstellung<br />

und Malweise noch tastend, in noch ungelösten, unfrohen Farben. Aus einer Brunnenoder<br />

Feldquellennische heraus lehnte im Brustbild die Nixe, mit herabhängendem Strähnenhaar,<br />

den Besucher aus großen Rätselaugen anstarrend. Das Bild stand lange auf der<br />

Feldstaffelei in Kirchners Zimmer.Von mir malte er damals ein Brustbild, von dessen Farben<br />

ähnliches galt wie von der Brunnennixe. Sehr wohl erinnere ich mich auch eines der<br />

ersten Holzschnitte Kirchners, da er mir außerordentlich geglückt schien und gefiel.Wenige<br />

Tage nach einem Mondscheinspaziergang in die entlegeneren Teile des großen Gartens,<br />

wo die nächtlich traumhaft stillen Wiesen im ruhigen Mondlicht atmeten und man<br />

zu der Zeit noch die Nachtigall schlagen hören konnte, trat Kirchner überraschend mit<br />

diesem Holzschnitt hervor, einem Elfentanz auf einer mondscheinüberfluteten Waldwiese.<br />

Es war gleich ein Mehrfarbenholzschnitt, in Lila, Rosa und Grün gehalten. Fünf<br />

oder sechs nackte Elfchen schwangen sich in ungestümem Reigen. Ob Kirchner viele Abzüge<br />

gemacht hat, wo sie hingeraten sein können, ob überhaupt noch welche vorhanden<br />

sein mögen, kann ich nicht sagen. Als ich mir einen Abzug erbitten wollte, war es<br />

schon zu spät; zu meinem Bedauern war die Hauptplatte unter der Presse zerbrochen.<br />

Wir suchten Weiterbildung, fortschrittliche Entwicklung und Lösung vom Herkömmlichen,<br />

wo immer wir sie erhoffen konnten, so etwa in den damals erscheinenden Sammel-<br />

und Probebänden der Münchner »Jugend«, und bezogen die englische Kunstzeitschrift<br />

»Studio«, dessen laufende Neuerscheinungen wir kaum erwarten konnten, bis<br />

letzterem der Rang von den neu vordringenden, weit besseren deutschen Kunstzeitschriften<br />

abgelaufen wurde und wir uns diesen zuwandten.<br />

Auch Avenarius »Kunstwart« förderte uns auf seine Art und gab uns manche Hinweise<br />

und manche Aufklärung, auch auf schöngeistigem Gebiet unsern Blick weitend. Eines<br />

Tages brachte Kirchner aus irgendeiner Bücherei einen bebilderten Band von Meier-<br />

Gräfe über die modernen französischen Künstler mit. Wir waren begeistert.<br />

Selbst erwarben wir das eine und andere der damals herausgekommenen Bändchen von<br />

Richard Muther »Die Kunst«, die uns mit den Großen der damaligen Malerei und der<br />

modernen Zeichenkunst bekannt machten und uns auch, neben manchem Band der H.<br />

Knackfußschen Künstler Monographien, Bekanntschaft mit Sondergebieten der Weltkunst<br />

vermittelten und uns deren Künstlernamen und Werke nahebrachten, wie etwa<br />

die Plakatkunst oder den japanischen Farbenholzschnitt.<br />

An unserem Mittagstisch kreist heißumkämpft der »Simplizissimus«,Th.Th. Heine, Gulbranson<br />

waren unsere Männer. Selbstverständlich arbeiteten wir viel draußen, unmittelbar<br />

vor der Natur, etwa auf den Räcknitzer Höhen oder an der Elbe – stromauf bis Pillnitz-Pirna,<br />

stromab bis in die Meißener Gegend –, auch ab und zu in der Umgebung von<br />

Moritzburg.


Ein mehrtägiger Ausflug führte uns beide nach der »Sächsischen Schweiz«, wo wir, wohl<br />

im Zusammenhang mit unserem Architekturstudium an der Technischen Hochschule,<br />

viel in Kohle und Kreide zeichneten. In dieser Zeit hatte sich Kirchner eine sehr schwere<br />

Erkältung zugezogen, die ihn lange so mit einem quälenden Dauerhusten belästigte, daß<br />

er sich sogar vom Arzt den Kehlkopf pinseln lassen mußte. Sonst kannte Kirchner bei<br />

seinen Arbeiten, Neigungen und Studien keine körperliche Schonung, ein Umstand, der<br />

wohl den Grund mit dazu legte, daß er in kommenden Jahren gezwungen war, nach Davos<br />

zu gehen. Neben unserer außerordentlichen Betätigung als freischaffende Maler<br />

und Zeichner ging ständig unser Hochschulstudium einher.<br />

Es ist immer erstaunlich, wie wir doch den Anforderungen der Hochschule voll und ganz<br />

Genüge taten und unsere damals noch schwer durch allgemeine Fächer, wie Chemie,<br />

Physik u. ä. belasteten Prüfungen sogar mit dem Urteil »gut bestanden« erledigten.<br />

1903 war Kirchner auf ein Semester an die Technische Hochschule in München gegangen,<br />

wohin ich ihm leider nicht folgen konnte. Am letzten Abend vor der nächtlichen<br />

Abreise Kirchners hatte er noch eine bescheidene Abschiedsfeier in der Stadt gegeben,<br />

bei der auch Dodo mithielt, Kirchners Mädchen, zu dem er sich damals gefunden hatte.<br />

Es war, erstaunlicher Weise im Gegensatz zu der stürmischen Wesensart Kirchners, ein<br />

sanftes, zartes, weiches Geschöpf, das ihn aber doch, da sie hübsch und wohlgestalt war,<br />

stark zu fesseln schien und einige Zeit um ihn war, bis sie sich wieder voneinander<br />

trennten. Einige Holzschnitte Kirchners ließen die Gestalt Dodos unschwer erkennen. Im<br />

Zusammenhang mit dieser Neigung zu Dodo mag es gestanden haben, daß er seine<br />

Wohnung auf der Ostbahnstraße aufgab und mehr nach der Ausstellung hin verlegte.<br />

Von München aus trafen ein paar schmissige Federzeichnungspostkarten bei mir ein,<br />

auch entstanden dort einige Holzschnitte »Fatzken« und natürlich eine Unmenge Skizzen.<br />

Sonst schien München keinen allzu nachhaltigen Einfluß auf Kirchner ausgeübt zu<br />

haben. Nach einem Semester kehrte er als der Alte nach Dresden zurück, heiß erwartet<br />

von mir.<br />

An der Technischen Hochschule war es unter den Professoren vor allem die Persönlichkeit<br />

Fritz Schumachers, die uns stark fesselte und förderte. Schumacher war 1901, als wir<br />

die th bezogen, eben als Professor an die Hochbauabteilung berufen worden, wir gehörten<br />

also zu seinen ersten Schülern, und es war uns gerade recht, daß er, der als Künstler<br />

unter den ersten war, die sich von der totgelaufenen Stilarchitektur ab und – nach Überwindung<br />

des Jugendstils – freierem Schaffen zuwandten, uns junge Studenten ebenfalls<br />

zu solchem Schaffen anzuregen suchte und verstand. Freilich führte das zu noch ungeklärten<br />

Formen und Gestaltungen, immerhin begann ein frischerer Geist an der th umzugehen,<br />

von dem wir uns mit vollen Zügen erfassen ließen.<br />

Äußerst fördernd für uns waren auch die sogenannten Skizzierübungen bei Professor<br />

Wallot. Er lehrte zwar an der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse, kam aber zu<br />

uns herüber und stellte uns vierzehntägige Hausaufgaben, die dann, mit löwenmäßigen<br />

kritischen Pausen des Meisters versehen, vor versammeltem Kolleg besprochen wurden.<br />

Wallot hatte ein paar bestimmte Beurteilungsausdrücke, aus denen man das Nötige<br />

über die Bewertung und Güte der eingereichten Arbeit zu entnehmen vermochte, etwa<br />

»fleißige« oder »tüchtige« oder aber »sehr gute« und »ausgezeichnete« Arbeit. Wir<br />

beide, Kirchner und ich, waren bald unter der letzteren Gruppe, nicht zum wenigsten<br />

auch unserer malerischen Schaubilder wegen, auf Grund deren uns einstmals auch ein<br />

Bekannter voraussagte: »Sie werden einmal als Maler enden.«<br />

Auch Professor Weichardt gab uns ziemlich viel Freiheit und unseren persönlichen Talenten<br />

Ausdrucksmöglichkeiten. Bei ihm handelte es sich mehr oder weniger nur um<br />

E R I N N E R U N G E N<br />

69


70<br />

F R I T Z B L E Y L<br />

Darstellung von unabhängigen Schaubildern; wir machten bei ihm auch unsere ersten<br />

Studien nach dem lebenden Modell, freilich noch zu »akademisch«.<br />

Noch einmal zurückgreifend auf meine ersten Hochschulferien will ich erwähnen, daß<br />

damals auch in Zwickau mein erstes selbständiges wirkliches Bild entstand, eine Kohlezeichnung,<br />

von der in der Nähe von Zwickau die weite Gegend eindrucksvoll beherrschenden<br />

Grenzburg gegen die Sorben, Schönfels. Zusammen mit mehreren Freunden<br />

hatte ich einen singenden und klingenden Mondscheinausflug dorthin unternommen,<br />

wir hatten das zauberhafte Bild der sich im großen Mühlenteich spiegelnden Burg betrachtet<br />

und in uns aufgenommen und waren weit nach Mitternacht heimgekehrt. Am<br />

nächsten Nachmittag stellte ich das mit einem blaugrauen Tonpapierbogen bespannte<br />

Reißbrett, einen Kinderstuhl als behelfsmäßige Staffelei benutzend, auf und schuf in<br />

glückhafter Stimmung das Bild, das ich noch heute besitze und gern um mich habe.<br />

Es muß etwa um 1903 gewesen sein, oder auch um einiges später, als eine neue, eigenartige<br />

Persönlichkeit an unsere engere Freundesgemeinschaft herantrat. Eigenwillig<br />

grau, anscheinend nach besonderem Schnitt gekleidet, mit rundgedrücktem schwarzem<br />

Filzhut angetan, ließen hohe Stirn und klugblickende, klare, oft aufleuchtende und aufblitzende<br />

Augen und das ganze eindringliche Wesen Bedeutendes erwarten und erkennen,<br />

konnte das angehende Künstlertum des Neuen nicht verborgen bleiben. Es war, etwas<br />

jünger als wir, der von Kirchner schon angekündigte aus Chemnitz kommende Erich<br />

Heckel.<br />

Sogleich gewann durch ihn unsere Gemeinschaft neues Leben, unsere künstlerischen<br />

Belange Bereicherung und neuen Auftrieb. Aquarell und Holzschnitt wurden tüchtig gepflegt,<br />

und gezeichnet und gemalt auf Deubel komm raus.<br />

Auch Heckel war zuerst noch nicht rein Maler, sondern versuchte sich erfolgversprechend<br />

auf architektonisch-kunstgewerblichem Gebiet. So entsinne ich mich seiner Arbeit<br />

als Hilfskraft von Architekt Professor Wilhelm Kreis bei der Errichtung und Außenund<br />

Innengestaltung eines entzückenden Musiklusthauses auf der dritten Deutschen<br />

Kunstgewerbeausstellung in Dresden.<br />

Durch ein Wandgemälde, dessen Inhalt mir leider nicht mehr recht gegenwärtig ist, war<br />

auch der noch an der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse als Meisterschüler des<br />

Professors Gußmann arbeitende Max Pechstein an der Innengestaltung dieses Musikheims<br />

beteiligt. Heckel lernte ihn dort kennen, fühlte richtig den kommenden Mann und<br />

zukünftigen künstlerischen Revolutionär in ihm und gewann ihn für die Beteiligung an<br />

einer nun schon allmählich sich herauskristallenden, ans Licht und zum Leben drängenden<br />

Künstlervereinigung, die mit den bisher auf den Kunstausstellungen und in der Öffentlichkeit<br />

gezeigten üblichen Richtungen und Bestrebungen brechen, neue Ausdrucksmöglichkeiten<br />

suchen und verwirklichen, um Geltung und Anerkennung kämpfen und<br />

sich durchsetzen sollte.<br />

Auf der 3. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden war es auch, wo uns eine<br />

große, eindrucksvolle Überraschung erwartete und erregte. In dem von Frankreich ausgestalteten<br />

Ausstellungsraum lagen mehrere dicke, etwa ½ zu ¾ m große Bände mit<br />

photographischen Wiedergaben von Meisterwerken moderner französischer Kunst aus.<br />

Wir bestaunten diese großen, hervorragenden Wiedergaben der Bilder etwa Van Goghs<br />

oder Gauguins, um nur zwei Namen der Großen aus der Reihe der französischen Künstler<br />

herauszugreifen.<br />

Ein reges und mannigfaltiges Leben künstlerischen Austausches setzte ein. Wöchentlich<br />

einmal kamen wir regelmäßig, zuerst bei Kirchner, zusammen. Der Wunsch, nach dem<br />

lebenden Modell zu zeichnen, wurde verwirklicht und sogleich durchgeführt, nicht in


herkömmlicher akademischer Weise, sondern als »Viertelstundenakt«. Bald hatten wir<br />

als Modell ein bezauberndes junges Mädchen, fast noch ein Kind, die etwa fünfzehnjährige<br />

Isabella gefunden, ein quicklebendiges, schönstgebautes, durch keine Korsettmodetorheit<br />

verunstaltetes, fröhlich und gewandt auf unsere künstlerischen Ansprüche eingehendes<br />

Persönchen, gerade im Zustand des Aufblühens der Mädchenknospe. Mit wahrer<br />

Begeisterung wurde eine Stunde lang, wohl auch länger, gearbeitet, und manche gelungene<br />

Akt- und Bewegungszeichnung hingelegt, ja hingehauen, von denen ich noch<br />

eine ganz Anzahl aufbewahrt habe. Um eine recht reiche Ernte an Aktzeichnungen herauszuholen<br />

und einzuheimsen, wurde sogar oft der Platz schon bei Halbzeit der Viertelstunde<br />

gewechselt, so waren wir von geradezu herrlicher Arbeitswut besessen. An diesen<br />

Veranstaltungen beteiligen sich nach und nach auch einige junge Architekten unserer<br />

Bekanntschaft, so daß oft eine ganz stattliche Anzahl junger Aktzeichenbeflissener<br />

eifrigst und verbissen arbeitend um Isabella versammelt saß. Das war uns engeren Gemeinschaftsgliedern<br />

auch deshalb nicht unwillkommen, als ja dadurch die Modellkostenumlage<br />

um so geringer ausfiel.<br />

Nach Ablauf der Aktstunde blieben wir dann meist bei Tee, den die Wirtin kochen<br />

mußte, noch lange angeregt gesellig beisammen, führten nachdenkliche oder schöngeistige<br />

Gespräche oder lasen gehaltvolles Beachtenswertes vor. Dann bot uns wohl<br />

auch Heckel aus Büchern Kirchners dies und jenes Gedicht oder sprach es aus dem Gedächtnis,<br />

hinreißend, packend, lebenssprühend, sei es »Die Brück’ am Tay«, »Zwei Füße<br />

im Feuer« oder aus Walt Whitmans »Grashalmen«, »Kavallerie durchreitet«, »Kühn,<br />

vorsichtig und treu mein lieber Gefährte«, »Wir zwei Knaben, fest uns fassend, keiner<br />

von dem andern lassend«, oder aber auch aus den »Freß-, Sauf- und Venusliedern« von<br />

Arno Holz Derbes, Unbekümmertes, in herzhafter Sprache.<br />

Dabei ging es natürlich auch oft laut und lustig zu, so daß Kirchners Wirtsleute aufsäßig<br />

wurden und das weitere Viertelstundenaktzeichnen nach meiner »Bude« verlegt wurde,<br />

einem schönen, großen, hellen Zimmer im vierten, dem Atelierstockwerk, des mit jener<br />

eigentümlichen ovalen, freitragenden Monumentaltreppe ausgestatteten Lüttichaupalais<br />

an der Bürgerwiese.<br />

So viel ich mich erinnere, saß hier auch zum ersten Male eine neue Persönlichkeit zeichnend<br />

unter uns, ein stattlicher, kraftvoller, bebrillter junger Mann, ernst, zurückhaltend,<br />

aber auch schon mit Blick und Wesen und der Pranke des Löwen Großes ankündigend<br />

und ahnen lassend: Karl Schmidt aus Rottluff bei Chemnitz, der sich bald den Künstlernamen<br />

Schmidt-Rottluff zulegte und der dann ebenfalls zu den Gründern und Männern<br />

der neuen Künstlervereinigung gehören sollte, die sich endlich unter dem bedeutungsträchtigen<br />

und sinnvollen Namen »Brücke« zusammenschloß.Wer den Namen »Brücke«<br />

zuerst vorgeschlagen oder erfunden hat, weiß ich nicht mehr zu sagen; ich glaube aber,<br />

es war Heckel. Ursprünglich war die Bezeichnung »Künstlergruppe« vorgeschlagen und<br />

stand zur Entscheidung. Wir kamen jedoch davon ab und wählten »Künstlervereinigung«.<br />

Mit von Selbstvertrauen getragener Begeisterung wurde die Einrichtung der<br />

neuen Künstlervereinigung beraten und in Angriff genommen, mit großem Mut und jugendlicher<br />

Rücksichtslosigkeit und Keckheit der zunächst fast aussichtslos erscheinende<br />

Kampf wider die gegnerischen Kräfte begonnen.<br />

E R I N N E R U N G E N<br />

71


LEBENSKULTUR – REFORMKULTUR<br />

DRESDEN UM 1900<br />

HENRIK KARGE<br />

»Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der<br />

Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen und als Jugend, die die Zukunft trägt,<br />

wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen<br />

älteren Kräften.« 1<br />

1906 veröffentlichte die Künstlergruppe »Brücke« ihr berühmt gewordenes Manifest –<br />

von Ernst Ludwig Kirchner als Holzschnitt umgesetzt – als Appell zum radikalen künstlerischen<br />

Aufbruch. 2 In ihrer drängenden, ja geradezu aggressiven Rhetorik waren diese<br />

Worte durch die Schriften Friedrich Nietzsches, allen voran Also sprach Zarathustra, geprägt<br />

und spiegelten das Ideal der Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Dazu<br />

gehört der perpetuierte Aufbruch, die Überwindung bestehender Verhältnisse, die ewige<br />

Dynamik des Lebens und Schaffens, die Beschwörung der Jugend und der Zukunft.<br />

Es blieb nicht beim Programm: Die Kunst der »Brücke« war bestimmt von ständigen<br />

Veränderungen, wie die häufigen stilistischen Umbrüche in der kurzen Geschichte der<br />

Künstlergruppe eindrucksvoll beweisen – und der Bruch der Konventionen wurde im<br />

Leben der Künstler erstaunlich konsequent in die Tat umgesetzt. 3<br />

So erhob die »Brücke« von Beginn an die Avantgarde zum Prinzip ihrer Kunst, und dieses<br />

Prinzip basierte auf der radikalen Distanz zum gesellschaftlichen und künstlerischen<br />

Umfeld. In der Tat brachte die Abkehr der Architekturstudenten von der ihnen vorgezeichneten<br />

beruflichen Laufbahn und die Wahl eines freien Künstlerlebens in der proletarisch<br />

geprägten Dresdner Friedrichstadt eine gewisse Isolation innerhalb des städtischen<br />

Kulturlebens mit sich, doch bedeutete die »Brücke«-Ausstellung in der renommierten<br />

Galerie Arnold 1910 eine öffentliche Anerkennung der Künstlergruppe innerhalb<br />

der Dresdner Gesellschaft. 4 Für die spätere Mythenbildung um die »Brücke« war das romantische<br />

Bild der unverstandenen Künstlergenies dagegen geradezu konstitutiv, und<br />

so setzte sich in der Literatur ein Klischee fest, das im Dresden der Wende zum 20. Jahrhundert<br />

eine vergangenheitsfixierte Beamtenstadt sah, die keinen Raum für künstlerische<br />

Neuerungen bot. 5 In Wirklichkeit war die sächsische Residenzstadt um 1900 eine<br />

der dynamischsten deutschen Großstädte, und zwar sowohl in gesellschaftlicher und<br />

wirtschaftlicher Hinsicht als auch auf den verschiedensten Feldern der Kultur. Die folgenden<br />

Ausführungen stellen den Versuch dar, eine knappe Skizze dieser kulturellen<br />

Vielfalt zu entwerfen.<br />

Der Wandel der Elbmetropole von einer beschaulichen Residenzstadt in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer modernen Großstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

spiegelt sich in quantitativer Hinsicht in einer rasanten Bevölkerungsentwicklung:<br />

1914 wurden in Dresden 567.000 Einwohner gezählt, mehr als dreimal so viele wie zur<br />

Zeit der Reichsgründung 1871 (177.040) 6 – und immer noch etwas mehr als in der Gegenwart.<br />

Das Wachstum stellte hohe Anforderungen an die Entwicklung der städtischen<br />

Infrastruktur, die in den Jahrzehnten um 1900 zügig ausgebaut wurde.<br />

Dresdner Zwinger, Ansicht des Kronentores<br />

von der Terrasse der Langgalerie,<br />

Fotografie von Ermenegildo Antonio<br />

Donadini, um 1900<br />

73


1 Adolph Michalsky, Blick auf Dresden,<br />

um 1911, Feder und Aquarell, 51,5 × 86,5 cm,<br />

Städtische Galerie Dresden<br />

74 H E N R I K K A R G E<br />

Eine ähnliche Bevölkerungsentwicklung erlebten auch viele andere Großstädte des<br />

Deutschen Reiches, die wirtschaftliche Struktur war in Dresden jedoch eine besondere:<br />

In der Residenzstadt wurde keine Schwerindustrie angesiedelt. Stattdessen entfaltete<br />

sich nach der Depressionsphase der 1870er-Jahre neben der traditionellen Nahrungsund<br />

Genussmittelindustrie, die insbesondere in der Fertigung von Zigaretten und Schokolade<br />

bedeutend war, eine hochspezialisierte Feinindustrie, die im Maschinenbau vor<br />

allem Näh-, Schreib-, Rechen- und Verpackungsmaschinen sowie Geräte für die wissenschaftliche<br />

Forschung hervorbrachte. Besonders zukunftsträchtig war die Fabrikation<br />

von Fotoapparaten durch die 1889 gegründeten Kamerawerke Ernemann, die vor dem<br />

Ersten Weltkrieg auf dem Gebiet der Filmvorführgeräte weltweit führend waren.Weitere<br />

Schwerpunkte bildeten der medizinisch-hygienische Bereich mit der Fabrikation von<br />

Arzneimitteln und der Mundwasserfirma Odol von Karl August Lingner sowie vielfältige<br />

kunsthandwerkliche Industriezweige, zu denen die Herstellung von Porzellan und anderer<br />

Keramik (Villeroy & Boch), Möbeln (Deutsche Werkstätten Hellerau), Klavieren und<br />

Orgeln gehörte. Diese außerordentlich verzweigte Industrieproduktion war um 1900 bereits<br />

in einem bemerkenswerten Ausmaß in die Weltwirtschaft eingebunden und erlebte<br />

demgemäß auch starke konjunkturelle Schwankungen. So hatte die Wirtschaftskrise<br />

von 1900 bis 1902 eine Reihe von Firmenzusammenbrüchen und -konzentrationen<br />

und verstärkte technische Innovationen zur Folge. Sie bildete eine auffallend moderne<br />

Wirtschaftsstruktur mit einem beträchtlichen Frauenanteil, guten Entwicklungsperspektiven<br />

und einer hohen Wertschöpfung aus. 7<br />

Dass Dresden dennoch nach außen hin nicht primär als moderne Wirtschaftsmetropole<br />

in Erscheinung trat, hatte hauptsächlich mit dem traditionellen Image der Stadt als<br />

Zentrum der Künste und ihrer Einbettung in einen der attraktivsten Landschaftsräume<br />

Mitteleuropas zu tun. Es war die singuläre Schönheit der Residenzstadt an der Elbe, die<br />

im Zusammenklang von Architektur und Natur und im Wechselspiel von künstlerischen<br />

Traditionen und Neuerungen die ideale Voraussetzung für die Entfaltung einer sehr spezifischen<br />

Lebenskultur bot, die nicht ohne Einfluss auf die Ausprägung der einzelnen<br />

Künste blieb.<br />

Hier ist an erster Stelle das berühmte Stadtbild Dresdens8 zu nennen, das sich – nach<br />

den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs auch heute wieder – durch eine einzigartige


Konzentration von bedeutenden Großbauten des 16. bis 19. Jahrhunderts auf engstem<br />

Raum auszeichnet (ABB. 1). Der sogenannte Canalettoblick über die Elbe hinweg auf die<br />

spektakuläre Silhouette der Türme und Kuppeln der Altstadt lässt jedoch bei näherem<br />

Hinsehen erkennen, wie sehr die Zeit um 1900 das Stadtbild Dresdens umgeformt hat.<br />

Bereits die Bauten Gottfried Sempers, die Gemäldegalerie am Zwinger (1847–1855) und<br />

das nach dem Brand des ersten Semperschen Theaters neuerrichtete Hoftheater (1871–<br />

1878), fügten der barocken Stadtsilhouette völlig neue Akzente hinzu. 9 Doch erst um die<br />

Jahrhundertwende wurde die alte Elbfront Dresdens an der Brühlschen Terrasse fast<br />

vollständig durch neue Repräsentationsbauten wie die Kunstakademie von Constantin<br />

Lipsius (1886–1894) und das Ständehaus von Paul Wallot (1900–1907; ABB. 2) ersetzt,<br />

und selbst das Residenzschloss hat erst zwischen 1889 und 1901 seine (Neo-)Renaissancehülle<br />

erhalten. Weitere neue Akzente setzten das Restaurant »Italienisches Dörfchen«<br />

am Theaterplatz (1911–1913) und ein Stück flussabwärts ein riesiges Speichergebäude<br />

(1913–1914), beide von Stadtbaurat Hans Erlwein entworfen, sowie die erneuerte<br />

Augustusbrücke von Wilhelm Kreis (1906–1910). Die moderne Verkehrsplanung erzwang<br />

den Durchbruch einer Straßenschneise quer durch die Altstadt; die so entstehende<br />

König-Johann-Straße (heute Wilsdruffer Straße) wurde mit Wohn- und Geschäftshäusern<br />

in den Stilformen der deutschen Renaissance bebaut; schließlich fiel<br />

dem Bau des Neuen Rathauses (1905–1910) ein ganzes Stadtviertel zum Opfer. 10 Der<br />

Umbau des historischen Stadtzentrums in den Jahren um 1900 zog immense Verluste an<br />

alter Bausubstanz nach sich, und doch fügten sich alle neuen Bauten im Sinne einer<br />

übergreifenden baukünstlerischen Kontinuität dem überkommenen Stadtbild ein, das<br />

somit den für die Atmosphäre der Stadt fundamentalen Gesamtcharakter eines barokken<br />

Stadtkunstwerks bewahren konnte. Eine besondere Qualität erreichte die Verknüpfung<br />

von künstlerischen Neuerungen und historischen Reminiszenzen im Dresdner Musikleben<br />

jener Zeit, das in den legendären Uraufführungen der Opern von Richard<br />

Strauss durch den Generalmusikdirektor der Semperoper Ernst von Schuch (Salome<br />

1905, Elektra 1909, Der Rosenkavalier 1911) seine Höhepunkte fand. 11 So zeigte sich in<br />

2 Paul Wallot, Dresdner Ständehaus,<br />

1900–1907, Fotografie von Walter Möbius,<br />

1928<br />

D R E S D E N U M 1 9 0 0<br />

75


76 H E N R I K K A R G E<br />

Architektur, Malerei und Musik gleichermaßen die Dialektik von Tradition und Modernisierung,<br />

die das Kulturleben Dresdens um 1900 grundlegend prägte.<br />

Der landschaftliche Kontext bildete einen weiteren entscheidenden Faktor, der dem<br />

Stadtbild Dresdens über Jahrhunderte hinweg einen festen Rahmen gab: die Lage der<br />

Stadt in einer Talsenke zwischen rahmenden, an den steilen Südhängen mit Wein bewachsenen<br />

Hügelketten, am Horizont die Felsen der Sächsischen Schweiz, der ondulierende<br />

Verlauf der das Stadtgebiet großzügig durchziehenden Elbe, die – ein Sonderfall in<br />

Europa – auch in der Epoche der Industrialisierung ihr natürliches Flussbett nicht verlor.<br />

12 Bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts drang der königliche Hof auf ein Reglement<br />

zur Eindämmung der einsetzenden Bauspekulation, und so wurde der von Heinrich<br />

Hermann Bothen ausgearbeitete und 1862 genehmigte Generalplan zur Grundlage der<br />

städtebaulichen Entwicklung Dresdens. 13 Die geschlossene Bebauung sollte auf die Innenstadt<br />

und wenige ältere Vororte, wie die Neustadt und Friedrichstadt, beschränkt<br />

bleiben, die weiteren Neubebauungen hatten dagegen in offener Bauweise zu erfolgen,<br />

um eine umfassende Durchgrünung der Stadt zu gewährleisten. Zwar wurden diese Vorgaben<br />

nicht konsequent umgesetzt, doch entstanden in den folgenden Jahrzehnten tatsächlich<br />

riesige Neubaugebiete, in denen jedes Grundstück mit einem von Gartenstreifen<br />

eingerahmten Haus in der Mitte bebaut wurde – die villenartig wirkenden Häuser<br />

wurden zumeist etagenweise vermietet. Um die Jahrhundertwende setzte eine weitere<br />

Bebauungswelle in den noch selbstständigen Elbhangorten vom Weißen Hirsch über Loschwitz<br />

und Wachwitz bis Pillnitz ein: Wo wohlhabende Dresdner bereits im 19. Jahrhundert<br />

kleinere Häuser mit Gärten als Sommerfrischen unterhalten hatten, wurden<br />

nun aufwendige Villenbauten in malerischer Hang- oder Waldrandlage als ständige<br />

Wohnsitze der reichen Oberschicht errichtet. 14<br />

Die weiträumige, intensiv durchgrünte urbanistische Anlage der Residenzstadt und ihre<br />

landschaftliche Einbettung beeinflussten die Lebenskultur Dresdens nachhaltig: Trotz<br />

der Größe der Stadt waren Naturzonen von jedem Punkt aus rasch zu erreichen. So gab<br />

es eine ununterbrochene Tradition der künstlerischen Aneignung der Elbtallandschaft<br />

von den Landschaftsmalern der Zeit um 1800, unter denen Caspar David Friedrich herausragte,<br />

über die akademischen Landschafter der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

zu den Sezessionisten der Jahre ab etwa 1890 – Carl Bantzer, Paul Baum und Robert<br />

Sterl waren die bekanntesten von ihnen –, die sich über einige Jahre vorzugsweise im<br />

Frühjahr zum gemeinsamen Malen im Gebergrund bei Goppeln trafen und in diesem<br />

kleinen Ort südöstlich von Dresden eine temporäre Künstlerkolonie begründeten; selbst<br />

die »Brücke«-Maler Kirchner und Pechstein suchten im Sommer 1907 Goppeln auf. 15<br />

Die Natur bildete nicht nur die Hintergrundfolie, vor der sich die urbane Dresdner Kultur<br />

der Jahre um 1900 entfaltete; sie konstituierte auch einen Kernbegriff für eine weltanschauliche<br />

Bewegung, die mit der Elbmetropole in besonderem Maße verbunden war:<br />

die Lebensreform. Ziel dieser gesellschaftlich breit angelegten, wenn auch de facto auf<br />

gebildete Kreise beschränkten Reformbewegung war es, die gestaltete Umwelt des<br />

Menschen – das gesamte Wohnumfeld unter Einschluss der Wohnungseinrichtungen,<br />

aber auch die Stadt- und Landschaftsplanung – wieder zu den Grundlagen der Einfachheit<br />

und Natürlichkeit zurückzuführen. Als Reaktion auf die Zerstörung der Umwelt<br />

durch die radikale Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschrieb<br />

sich die Reformbewegung unter dem Leitbegriff »Heimatschutz« der Denkmalpflege<br />

und dem Naturschutz. Dabei wurden erstmals Landschaften und Kulturräume in<br />

ihren ökologischen und gestalterischen Zusammenhängen erkannt; nicht allein bedeutende<br />

Kunstdenkmäler, sondern auch natürliche Flussläufe und alte Wegeführungen,


Weinberghäuschen und -mauern, dörfliche Siedlungsstrukturen, kurz: alle Zeugnisse der<br />

traditionellen Wechselwirkung von Mensch und Natur erschienen nun als schützenswerte<br />

Kulturgüter. 16<br />

In keiner anderen Stadt Deutschlands dürfte die Reformbewegung der Zeit um 1900,<br />

deren vielfältige Facetten hier nur angedeutet werden können, eine solch komplexe Wirkung<br />

auf das kulturelle Leben ausgeübt haben wie in Dresden zwischen 1900 und 1914.<br />

So stand die Elbmetropole mit der von Karl August Lingner – dem Produzenten von<br />

Odol – initiierten Internationalen Hygieneausstellung von 1911 an der Spitze der lebensreformerisch<br />

ausgerichteten Hygienebewegung. 17 Dr. Lahmanns Sanatorium auf dem<br />

Weißen Hirsch genoss mit seinen Freiluft- und anderen Spezialanwendungen einen<br />

europäischen Ruf.<br />

In Dresden wirkte Ferdinand Avenarius, der mit der 1887 gegründeten Zeitschrift Der<br />

Kunstwart aus einer neoidealistischen Position heraus die Gedanken der Lebensreform<br />

vorantrieb und seine Vorstellungen in dem 1902 gegründeten Dürerbund institutionell<br />

zu festigen verstand. 18 Denkmalpflege und Naturschutz gehörten zu den wichtigsten<br />

Anliegen von Avenarius, und so unterstützte er auch die Gründung des Deutschen Bundes<br />

Heimatschutz, die 1904 wiederum in Dresden stattfand. Sachsen blieb auch in den<br />

folgenden Jahren das wichtigste Zentrum der deutschen Heimatschutzbewegung. 19 Bekanntlich<br />

führte die politische Entwicklung dieser Bewegung ins Umfeld des Nationalsozialismus,<br />

doch darf darüber nicht die Vielfalt geistiger Ansätze übersehen werden, die<br />

mit der Gründung des Heimatschutzbundes verknüpft waren und die noch heute die<br />

Grundlagen der ökologischen Bewegung und des Denkmalschutzes bilden.<br />

Eine Brücke zwischen Heimatschutz und Architektur schlug der Deutsche Werkbund,<br />

der 1907 in München ins Leben gerufen wurde, sein erstes Zentrum jedoch in Dresden<br />

hatte. 20 In dieserVereinigung engagierten sich die bedeutendsten reformorientierten Architekten<br />

Deutschlands, so vor allem Hermann Muthesius, Henry van de Velde und Fritz<br />

Schumacher, letzterer in seiner Dresdner Wirkungszeit zwischen 1901 und 1909 ein intellektueller<br />

Vorkämpfer der architektonischen Erneuerung. 21 Ein Jahr vor der Gründung<br />

des Werkbunds, 1906, hatte die maßgeblich von Schumacher organisierte iii. Deutsche<br />

Kunstgewerbeausstellung in Dresden weltweit für Furore gesorgt, weil hier erstmals die<br />

3 Richard Riemerschmid, Speisezimmer iii<br />

aus dem Maschinenmöbelprogramm der<br />

Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst<br />

auf der iii. Deutschen Kunstgewerbeausstellung<br />

in Dresden, 1906, historische<br />

Fotografie, 1906<br />

D R E S D E N U M 1 9 0 0<br />

77


4 Heinrich Tessenow, Hauptfassade<br />

des Festspielhauses Hellerau, 1911–1912,<br />

historische Fotografie, um 1915<br />

78 H E N R I K K A R G E<br />

Zusammenführung von qualitätvoller Handwerkskunst und industrieller Fertigung propagiert<br />

wurde. 22 Beispielhaft verwirklicht wurde diese Synthese mit dem auf der Ausstellung<br />

erstmals präsentierten Maschinenmöbelprogramm Richard Riemerschmids, das<br />

dieser mit den Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst, der Keimzelle der späteren<br />

Deutschen Werkstätten in Hellerau, entwickelt hatte (ABB. 3) – angeregt durch Friedrich<br />

Naumanns Aufsatz »Die Kunst im Zeitalter der Maschine« im Kunstwart 1904. 23<br />

Schließlich sei erwähnt, dass in Dresden 1901 auch der erste deutsche Kunsterziehungstag<br />

stattfand, von dem ein starker Impuls zur Beachtung des künstlerischen Ausdrucksvermögens<br />

des Kindes ausging. 24 All die aufgeführten Aspekte belegen, dass die Reformbewegung<br />

der Jahrhundertwende gerade in ihrer Dresdner Ausprägung einen wichtigen<br />

Beitrag zur Genese der modernen Kultur in Deutschland geleistet hat.<br />

Die Kunstgewerbeausstellung von 1906 markierte nicht allein eine grundsätzliche<br />

Wende des deutschen Kunstgewerbes hin zu Sachlichkeit und Funktionalität, sie bot<br />

auch den Dresdner Architekten der jüngeren Generation die erste Gelegenheit zu einer<br />

umfassenderen Manifestation ihrer Reformgedanken. 25 Weit weniger bekannt, aber<br />

nicht minder wichtig waren die Bauten der Internationalen Hygieneausstellung von 1911,<br />

die großenteils einem strengen Gestaltungsschema unterworfen wurden und damit geradezu<br />

als Leistungsschau der Dresdner Reformarchitektur gelten konnten – im Sinne<br />

eines übergreifenden Ordnungsgedankens wurde hier das Prinzip der Hygiene mit der<br />

konstruktiven Klarheit der Architektur zusammengeführt. 26<br />

Eine Modellsiedlung, in der die Reformideen auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden<br />

konnten, war die erste deutsche Gartenstadt Hellerau, die ab 1908 errichtet<br />

wurde. 27 Initiator der Gartenstadt war der Industrielle Karl Schmidt(-Hellerau), der mit<br />

seinen Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst an der Spitze der deutschen Kunstgewerbebewegung<br />

stand: Schmidt benötigte einen neuen Standort für den expandierenden<br />

Betrieb der Werkstätten und suchte nach einer Möglichkeit, seine Arbeiter und<br />

Angestellten in der Nähe des Betriebes, jedoch zugleich in naturverbundener Umgebung<br />

unterzubringen. Der Münchner Architekt Richard Riemerschmid28 lieferte den grundlegenden<br />

Bebauungsplan für Hellerau, der eine der hügeligen Heidelandschaft des<br />

Dresdner Nordens angepasste unregelmäßige Siedlungsstruktur vorsah, welche zugleich


geeignet war, malerische Platz- und Straßenräume zu schaffen. Vor allem aber sollte<br />

eine einfache, auf die regionale Situation zugeschnittene Architektur geschaffen werden,<br />

die sowohl kostengünstig als auch qualitativ anspruchsvoll ausfallen sollte. Die soziale<br />

Hierarchie wurde dabei keineswegs negiert, wie die Teilung in den zentralen Reihenhausbereich<br />

und das Villenviertel am Rande zeigt.<br />

Mehrere der bedeutendsten Architekten Deutschlands – neben Riemerschmid waren<br />

dies vor allem Hermann Muthesius, Heinrich Tessenow, Heinrich Tscharmann, Oswin<br />

Hempel, German Bestelmeyer und Theodor Fischer – beteiligten sich an dem Experiment<br />

Hellerau und bewiesen mit ihren Siedlungshäusern, dass die Forderung nach einfacher,<br />

ortsgebundener Baukunst zu recht unterschiedlichen Ergebnissen führen konnte.<br />

So entwarf Richard Riemerschmid Reihenhäuser mit malerisch verspielten Dächern, die<br />

den Aspekt der Traditionsgebundenheit in einer spezifisch süddeutschen »gemütlichen«<br />

Note deutlich werden lassen, während die Häuser des Berliner Architekten Hermann<br />

Muthesius das von diesem propagierte Vorbild des englischen Hauses partiell erkennen<br />

lassen. 29 Heinrich Tessenow 30 aus Rostock entwarf Kleinhäuser von geradezu asketischer<br />

Schlichtheit, deren Reiz allein auf der sensiblen Proportionierung der einzelnen Bauglieder<br />

beruht, was beim Publikum allerdings den Eindruck der Ärmlichkeit hervorrief. Bei<br />

der Planung seines bekannten Doppel-Einfamilienhauses von 1910/11 im Villen- oder<br />

Landhausgebiet von Hellerau (Heideweg 24/26) griff er dagegen auf das Vorbild von<br />

Goethes Gartenhaus in Weimar zurück. Den Höhepunkt seines Schaffens in Hellerau<br />

stellt das berühmte, 1911 bis 1912 errichtete Festspielhaus für das Tanztheater von Émile<br />

Jaques-Dalcroze dar, das mit seinen auf strenge geometrische Grundformen reduzierten<br />

Tempelfronten das Vokabular des Neoklassizismus in die Sprache der klassischen Moderne<br />

überführt (ABB. 4). 31 Trotz der unterschiedlichen Handschriften der einzelnen Architekten<br />

ist in der Gartenstadt Hellerau ein relativ einheitliches Ortsbild hergestellt<br />

worden: Nach Muthesius wurde hier »jene Einheitlichkeit der Anlage angestrebt, die wir<br />

an alten Ortschaften so sehr bewundern, aber infolge unserer verhängnisvollen Originalitätssucht<br />

bei neuen so selten anwenden«. 32<br />

Stärker als im privaten Wohnhausbau Dresdens konnte sich die Reformarchitektur in<br />

den Baumaßnahmen der öffentlichen Hand durchsetzen. Hier fand sie mit der Persönlichkeit<br />

des von 1905 bis 1914 in Dresden tätigen Stadtbaurats Hans Erlwein33 zu einer<br />

Wirksamkeit, die das Stadtbild der sächsischen Metropole nachhaltig geprägt hat. Eine<br />

Vielzahl öffentlicher Bauten, wie Verwaltungsgebäude, Schulen, Bauten der Wasser- und<br />

Abwasserwirtschaft, der Vieh- und Schlachthof und weitere Gewerbebauten, entstanden<br />

unter seiner Leitung. Es sind durchweg traditionsgebundene Neubauten, die auf<br />

eine möglichst harmonische Einpassung in das jeweilige städtische Umfeld hin konzipiert<br />

sind. In Erlweins Industriebauten, insbesondere dem Gasometer in Dresden-Reick,<br />

kommen andererseits auch moderne Materialien wie der Stahlbeton zum Einsatz.<br />

Mit der 1902 bis 1905 nach Plänen von Rudolf Schilling und Julius Graebner errichteten<br />

Christuskirche in Dresden-Strehlen34 (ABB. 5), dem Krematorium von Fritz Schumacher<br />

in Dresden-Tolkewitz (1908–1912; Abb. siehe S. 31) 35 und dem von Heinrich Tessenow<br />

entworfenen Festspielhaus in Hellerau besitzt Dresden drei herausragende Monumente,<br />

die für die Genese der modernen Architektur in Deutschland von besonderer Bedeutung<br />

sind. Eine größere Breitenwirkung ging jedoch von den schlichteren Modellen der Reformarchitektur<br />

aus, die sich vor allem in den städtischen Kultur- und Zweckbauten<br />

Hans Erlweins und in der Gartenstadtplanung von Hellerau niederschlugen. Es ist eine<br />

Baukunst, die aus dem ideologischen Fundament des Heimatschutzes erwuchs und auf<br />

Integration in das städtische wie landschaftliche Umfeld hin angelegt war.<br />

5 Schilling & Graebner, Christuskirche<br />

in Dresden-Strehlen, 1902–1905,<br />

Fotografie von Walter Möbius, 1935<br />

D R E S D E N U M 1 9 0 0<br />

79


6 Übungen rhythmischer Gymnastik<br />

während der Festspiele 1912 im Festspielhaus<br />

Hellerau, historische Fotografie, 1912<br />

80 H E N R I K K A R G E<br />

In den Jahren um 1900 wurden auch die Verknüpfungen der Künste untereinander mit<br />

großer Energie betrieben. 36 Dies betraf in erster Linie die Emanzipation des Kunstgewerbes<br />

im Konzert der Künste, die mit der schon erwähnten iii. Deutschen Kunstgewerbeausstellung<br />

ihren Höhepunkt erreichte. In diesem Zusammenhang wurde unter dem<br />

Leitbegriff der »Raumkunst« die dekorative Monumentalmalerei als ein der Architektur<br />

zugeordnetes künstlerisches Medium neu entdeckt. Die führende Persönlichkeit auf diesem<br />

Gebiet war Otto Gussmann (1869–1926), der ab 1897 dekorative Malerei an der<br />

Dresdner Kunstakademie lehrte und eine Reihe bedeutender Schüler wie Max Pechstein,<br />

Otto Dix, Peter August Böckstiegel und Wilhelm Rudolph prägte. Auf Gussmann gehen<br />

zahlreiche teils bildhafte, teils abstrakt-dekorative Wand-, Decken- und Gewölbemalereien<br />

in den Dresdner Neubauten der Jahrhundertwende zurück, von denen hier nur das<br />

Neue Rathaus und die Christuskirche in Strehlen genannt seien. 37<br />

Innerhalb der Kunstgewerbeausstellung von 1906 wurde der Abteilung »Raum-Kunst«<br />

eine eigene Gebäudegruppe, das von Wilhelm Kreis entworfene »Sächsische Haus«, gewidmet.<br />

Der Architekt stellte fest, dass »in Dresden das Streben auf groß angelegte und<br />

neue Raumgestaltung eine bedeutsame Rolle« gespielt habe. 38 Die markantesten<br />

Räume, in denen die Integration von Möbeln, Keramik, Wandvertäfelungen und dekorativen<br />

Malereien vorgeführt wurde, gingen auf Pläne Fritz Schumachers zurück, in dessen<br />

Klasse »Innerer Ausbau« auch der Student Ernst Ludwig Kirchner an der Technischen<br />

Hochschule Dresden das Entwerfen von Interieurs im Sinne einer auf dem Fundament<br />

des Jugendstils entwickelten reformerischen Raumkunst gelernt hatte (siehe Abb. S.<br />

36–39). 39<br />

Schließlich fand die Integration der Künste eine allerdings sehr kurzlebige Apotheose<br />

unter dem Leitmedium der Musik in Heinrich Tessenows Festspielhaus in Hellerau, das<br />

das Yin-Yang-Zeichen im Giebel trägt (ABB. 4). Émile Jaques-Dalcroze hatte die Grundgedanken<br />

seiner rhythmischen Gymnastik 1909 den Organisatoren der Gartenstadt Hellerau,<br />

Karl Schmidt und Wolf Dohrn, folgendermaßen erläutert: »Dem Körper seine<br />

Eurhythmie zurückgeben, in ihm die Musik schwingen lassen, aus der Musik eine integrale<br />

Kraft des Organismus machen, die wunderbare Tastatur des Muskel- und Nervensystems<br />

zum Klingen bringen, um plastisch ein ausgeglichenes Denken in Raum und<br />

Zeit zu vermitteln.« 40 In dem in abstrakter Strenge konzipierten und von hinterleuchteten<br />

textilen Behängen eingehüllten Festspielraum, der keine Trennung von Zuschauerraum<br />

und Bühne kannte, fanden in den Jahren 1912 und 1913 die Aufführungen der<br />

»Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus Émile Jaques-Dalcroze« statt, die ein europäisches<br />

Ereignis der Avantgardekultur darstellten (ABB. 6).<br />

Zu dieser Zeit war die Künstlergruppe »Brücke« bereits nach Berlin umgezogen und<br />

hatte sich schließlich 1913 aufgelöst. In dem Jahrzehnt zwischen den architektonischen<br />

Entwürfen Kirchners, die er zwischen 1901 und 1905 anfertigte, und dem Ende der<br />

Künstlervereinigung hatte sich die Dresdner Reformkultur vielfältig entwickelt. War die<br />

»Brücke« ein Teil dieses übergreifenden Phänomens?<br />

Es fällt auf, dass die »Brücke«-Künstler zwar ein komplexes Netz von Verbindungen zu<br />

Sammlern, Förderern und anderen Künstlern in Deutschland und verschiedenen europäischen<br />

Ländern aufbauten, innerhalb Dresdens jedoch relativ isoliert blieben. Zwar<br />

waren die Architekturstudenten durch ihr Studium bei Fritz Schumacher mit Reformgedanken<br />

in Berührung gekommen, doch nach der radikalen Neubegründung ihrer Identitäten<br />

als freie Künstler scheint ihr Interesse an umfassenderen gesellschaftlichen und<br />

kulturellen Entwicklungen weitgehend erloschen zu sein. Gerade die intensive Verknüpfung<br />

verschiedener Künste, intellektueller und kultureller Ebenen, die für die Reform-


ewegung in Dresden charakteristisch war, blieb den »Brücke«-Künstlern fremd, denn<br />

ihre Radikalität bestand darin, ihre gesamte Energie auf die eigene künstlerische Entwicklung<br />

zu verwenden. So waren sie auch an einer persönlichen Vernetzung der Künstler<br />

auf breiterer Ebene, wie sie die reformerische Gruppe der »Zunft« 41 mit Hans Erlwein,<br />

Fritz Schumacher, dem Kunsthandwerker Karl Groß und dem Bildhauer Georg<br />

Wrba repräsentierte, nicht interessiert.<br />

Gleiches Desinteresse galt der Stadtgestalt Dresdens und der naturräumlichen Einbindung<br />

der Metropole, die so viele andere Künstler faszinierte. Es war stattdessen eine dezidiert<br />

subjektive Sicht auf die Stadt, die das engste Lebensumfeld, die industriell geprägten<br />

Stadtteile Friedrichstadt und Löbtau, ins Zentrum der künstlerischen Arbeit<br />

stellte42 – und damit die sozialrealistische Kunst der 1920er-Jahre antizipierte. Auch<br />

wenn Kirchner und Pechstein im Sommer 1907 mit Goppeln den Künstlerort der Sezessionisten<br />

aufsuchten, 43 waren sie dort beziehungsweise später an den Moritzburger<br />

Seen nicht an einer visuellen Erfassung der Naturräumlichkeit interessiert, sondern betrachteten<br />

die Naturszenerien eher als Bühne für ihre radikalen künstlerischen Experimente.<br />

So liegt der Schluss nahe, dass sich die künstlerische Modernität der »Brücke«<br />

nur deshalb in ihrer radikalen Konsequenz entfalten konnte, weil sie nicht in die kulturelle<br />

Modernität der Lebensreformbewegung eingebunden war, die Dresdens Entwicklung<br />

nachhaltig prägen sollte.<br />

D R E S D E N U M 1 9 0 0<br />

81


1 »Brücke«-Manifest, zit. nach Horst Jähner,<br />

Künstlergruppe Brücke. Geschichte einer Gemeinschaft<br />

und das Lebenswerk ihrer Repräsentanten,<br />

Berlin 1996, S. 416.<br />

2 Meike Hoffmann, Leben und Schaffen der<br />

Künstlergruppe Brücke, 1905–1913, Berlin 2005,<br />

S. 183–196.<br />

3 Henrik Karge, Der emphatische Lebensbegriff<br />

im Kunstverständnis der Brücke. Zum Wechselverhältnis<br />

von Vitalismus, Boheme und Jugendkultur<br />

am Anfang des 20. Jahrhunderts, in: Jahrbuch<br />

der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden<br />

32, 2005 (Sonderbd. Gruppe und Individuum in<br />

der Künstlergemeinschaft Brücke. 100 Jahre<br />

Brücke – Neueste Forschung), S. 13–19.<br />

4 Die Brücke in Dresden 1905–1911, hg. von Birgit<br />

Dalbajewa und Ulrich Bischoff (Ausst.-Kat.<br />

Dresden 2001/02), Köln 2001, S. 35, 401f.<br />

5 So etwa in der ansonsten informativen populärwissenschaftlichen<br />

Publikation: Marianne Bernhard,<br />

Dresden. Eine Stadt vor 100 Jahren. Bilder<br />

und Berichte, Leipzig 1993, bes. S. 55, 58.<br />

6 Zahlen gemäß Michael Schmidt, Die städtebauliche<br />

Entwicklung von Dresden 1871–1918,<br />

Dresden 2003, S. 11. Vgl. auch Werner Pampel,<br />

Die städtebauliche Entwicklung Dresdens von<br />

1830 bis zur Ortsbauordnung 1905. Ein Beitrag<br />

zur Geschichte der Stadtgestaltung in Deutschland<br />

[Typoskript], Diss. tu Dresden, 1964.<br />

7 Detaillierte Angaben zur Wirtschaftsentwicklung<br />

Dresdens um 1900 finden sich in: Holger Starke<br />

(Hg.), Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 3: Von<br />

der Reichsgründung bis zur Gegenwart, Stuttgart<br />

2006, S. 59–72.<br />

8 Der Blick auf Dresden. Die Frauenkirche und das<br />

Werden der Dresdner Stadtsilhouette, hg. von<br />

Anna Greve, Gilbert Lupfer und Peter Plaßmeyer<br />

(Ausst.-Kat. Dresden 2005/06), München/Berlin<br />

2005.<br />

9 Henrik Karge, Die moderne Renaissance der<br />

Baukunst. Gottfried Semper und die Dresdner<br />

Architektur des 19. Jahrhunderts, in: ders. (Hg.),<br />

Gottfried Semper – Dresden und Europa. Die<br />

moderne Renaissance der Künste, München/<br />

Berlin 2007, S. 9–32.<br />

10 Überblicke über die Dresdner Architektur des<br />

späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Henrik<br />

Karge, Dresdner Architektur um 1900: Modernität<br />

durch Regionalbezug?, in: Blätter für deutsche<br />

Landesgeschichte 134, 1998, S. 273–319; ders.,<br />

Die Vielfalt des Neubeginns – Dresdener Architektur<br />

um 1900, in: Jugendstil in Dresden. Aufbruch<br />

in die Moderne (Ausst.-Kat. Dresden 1999),<br />

Wolfratshausen 1999, S. 31–43; Jürgen Paul, Stadtentwicklung<br />

und Architektur, in: Starke 2006<br />

(wie Anm. 7), S. 73–103. Vgl. auch J. Duncan Berry,<br />

The Legacy of Gottfried Semper: Studies in Späthistorismus,<br />

Ph.D. Diss. Brown University Providence/ri,<br />

1989; ders., Architectural Realism in<br />

Dresden: Semperian Themes from Lipsius to Schumacher,<br />

in: Karge 2007 (wie Anm. 9), S. 311–322.<br />

82 H E N R I K K A R G E<br />

11 Zum Dresdner Musikleben der Zeit um 1900:<br />

Hans John, Musikstadt von europäischem Rang,<br />

in: Starke 2006 (wie Anm. 7), S. 126–140;<br />

ders., Die Dresdner Oper von 1900 bis 1914, in:<br />

Michael Heinemann und Hans John (Hg.), Die<br />

Dresdner Oper im 20. Jahrhundert, Laaber 2005,<br />

S. 11–46.<br />

12 Jürgen Paul, Die Stadt am Wasser, in: Ausst.-<br />

Kat. Dresden 2005/06 (wie Anm. 8), S. 20–27.<br />

13 Schmidt 2003 (wie Anm. 6), bes. S. 23–29,<br />

52–55.<br />

14 Anja Wegerich, Der Villenbau auf dem Weißen<br />

Hirsch in Dresden im Zeitraum von etwa 1870<br />

bis 1910, Magisterarbeit tu Dresden, 2011. Die<br />

Gestalt der alten Weinbauorte an den Elbhängen<br />

vor der Umwandlung in Villengebiete im Gefolge<br />

des Reblausbefalls von 1887 ist in den Fotografien<br />

von August Kotzsch noch gut erkennbar: Ernst<br />

Hirsch, Matthias Griebel und Volkmar Herre,<br />

August Kotzsch 1836–1910. Von den Anfängen<br />

der Photographie in Loschwitz bei Dresden,<br />

Dresden/Basel 1986.<br />

15 Henrik Karge, Die Naturauffassung der Brücke<br />

im Kontext der deutschen Landschaftsmalerei<br />

um 1900, in: Ausst.-Kat. Dresden 2001/02 (wie<br />

Anm. 4), S. 295–303.<br />

16 Allgemeine Darstellungen zur Lebensreformbewegung:<br />

Eva Barlösius, Naturgemäße Lebensführung.<br />

Zur Geschichte der Lebensreform um<br />

die Jahrhundertwende, Frankfurt am Main/<br />

New York 1997; Die Lebensreform, hg. von Kai<br />

Buchholz (Ausst.-Kat. Darmstadt 2001), 2 Bde.,<br />

Darmstadt 2001; Florentine Fritzen, Gesünder<br />

leben. Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert,<br />

Stuttgart 2006.<br />

17 Ulf-Norbert Funke und Karl August Lingner.<br />

Leben und Werk eines gemeinnützigen Großindustriellen,<br />

Dresden 1996; Katja Unger, Die<br />

Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden<br />

1911 und ihre Bauten, Magisterarbeit tu Dresden,<br />

2011.<br />

18 Gerhard Kratzsch, Kunstwart und Dürerbund.<br />

Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im<br />

Zeitalter des Imperialismus, Göttingen 1969;<br />

Gerald Heres, Kunstwart – Dürerbund – Heimatschutz.<br />

Ferdinand Avenarius und die kulturellen<br />

Reformbewegungen in Dresden, in: Ausst.-Kat.<br />

Dresden 1999 (wie Anm. 10), S. 171–178.<br />

19 So übertraf die Mitgliederzahl des Landesvereins<br />

Sächsischer Heimatschutz im Jahre 1930 mit<br />

40.000 die der anderen deutschen Landesvereine<br />

bei Weitem. Quelle: Der deutsche Heimatschutz.<br />

Ein Rückblick und Ausblick, hg. v. d. Gesellschaft<br />

der Freunde des deutschen Heimatschutzes,<br />

München 1930, S. 187–204. Vgl. Edeltraud<br />

Klueting (Hg.), Antimodernismus und<br />

Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen<br />

Heimatbewegung, Darmstadt 1991.<br />

20 1912 wurde der Sitz des Werkbundes von<br />

Dresden nach Berlin verlegt, siehe Joan Campbell,<br />

Der Deutsche Werkbund 1907–1934,<br />

München 1989; Frederic J. Schwartz, The Werkbund.<br />

Design Theory and Mass Culture before<br />

the First World War, New Haven/London 1996;<br />

100 Jahre Deutscher Werkbund, 1907–2007, hg.<br />

von Winfried Nerdinger (Ausst.-Kat. München/<br />

Berlin 2007), München/Berlin 2007.<br />

21 Heidrun Laudel, Im Spannungsfeld zwischen<br />

Tradition und Neuschaffen. Fritz Schumachers<br />

Dresdner Jahre, in: Fritz Schumacher. Reformkultur<br />

und Moderne, hg. von Hartmut Frank<br />

(Ausst.-Kat. Hamburg 1994), Stuttgart 1994,<br />

S. 67–89.<br />

22 Das Deutsche Kunstgewerbe 1906. iii. Deutsche<br />

Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906; Klaus-<br />

Peter Arnold, Vom Sofakissen zum Städtebau.<br />

Die Geschichte der Deutschen Werkstätten und<br />

der Gartenstadt Hellerau, Dresden/Basel 1993,<br />

S. 78–84; Jutta Petzold-Hermann, Die Dritte<br />

Deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden<br />

1906, in: Ausst.-Kat. Dresden 1999 (wie Anm. 10),<br />

S. 65–79.<br />

23 Vgl. Alfred Ziffer, Möbelbau in Dresden – Unikat<br />

und Serie, in: Ausst.-Kat. Dresden 1999 (wie<br />

Anm. 10), S. 80–89, hier S. 86f. Der Aufsatz Naumanns<br />

in: Kunstwart 17, 1904, H. 2.<br />

24 Vgl. Karl Kreuzer, Jugendstil und Reformpädagogik,<br />

München 1988, S. 172–179; Roland Unger,<br />

Dresden und die Kunsterziehungsbewegung zu<br />

Beginn unseres Jahrhunderts, in: Dresdner Hefte<br />

17, 1999, H. 57, S. 14–21.<br />

25 Zur Reformarchitektur in Dresden: Heidrun Laudel,<br />

Dresdner Architektur vor dem Ersten Weltkrieg<br />

unter dem Vorzeichen der Reformbewegung,<br />

in: Dresdner Hefte 11, 1993, H. 36, S. 41–52;<br />

Karge 1999 (wie Anm. 10), S. 37–43; Ulrich Hübner<br />

u.a., Symbol und Wahrhaftigkeit. Reformbaukunst<br />

in Dresden, Husum 2005. Vgl. allgemein:<br />

Sigrid Hofer, Reformarchitektur 1900–<br />

1918. Deutsche Baukünstler auf der Suche nach<br />

dem nationalen Stil, Stuttgart/London 2005. –<br />

Die Jugendstilarchitektur blieb in Dresden auf<br />

relativ wenige Bauten beschränkt; Überblick<br />

dazu in: Karge 1999 (wie Anm. 10), S. 34–37.<br />

26 Vgl. Unger 2011 (wie Anm. 17).<br />

27 Aus der reichen Literatur über Hellerau: Wolf<br />

Dohrn, Die Gartenstadt Hellerau, Jena 1908;<br />

Erich Haenel, Die Gartenstadt in Hellerau, in:<br />

Die Kunst – Dekorative Kunst 24, 1911, Nr. 7,<br />

S. 297–343; Arnold 1993 (wie Anm. 22); Hans-<br />

Jürgen Sarfert, Hellerau. Die Gartenstadt und<br />

Künstlerkolonie, 3. Aufl. Dresden 1995; Ralph<br />

Lindner und Hans-Peter Lühr (Hg.), Gartenstadt<br />

Hellerau. Die Geschichte ihrer Bauten, Dresden<br />

2008; Claudia Beger und Andreas Seeliger, Gartenstadt<br />

Hellerau. Architekturführer, München<br />

2008; 100 Jahre Hellerau. Zur Geschichte und<br />

Zukunftsfähigkeit der Gartenstadtidee (Akten<br />

des internationalen Kolloquiums der tu Dresden,<br />

5.–7.6.2008), im Druck.<br />

28 Richard Riemerschmid. Vom Jugendstil zum<br />

Werkbund. Werke und Dokumente, hg. von


Winfried Nerdinger (Ausst.-Kat. München/<br />

Nürnberg 1982), München 1982, hier S. 34–38,<br />

400–406; Heidrun Laudel, Richard Riemerschmid<br />

– Möbelgestalter und Städtebauer, in:<br />

Lindner/Lühr 2008 (wie Anm. 27), S. 38–55.<br />

29 Hermann Muthesius, Landhäuser, München 1912,<br />

S. 177–191; vgl. ders., Das englische Haus, 3 Bde.,<br />

Berlin 1904/05. Vgl. Henrik Karge, »So gewinnt<br />

das Haus ein stattlicheres Auftreten …« – Hermann<br />

Muthesius in Hellerau, in: Lindner/Lühr<br />

2008 (wie Anm. 27), S. 72–87; ders., Die Konstruktion<br />

von Heimat. Hermann Muthesius und<br />

die Rezeption des englischen »vernacular« in<br />

der deutschen Gartenstadtbewegung, in: 100<br />

Jahre Hellerau (wie Anm. 27).<br />

30 Gerda Wangerin und Gerhard Weiss, Heinrich<br />

Tessenow. Ein Baumeister 1876–1950. Leben –<br />

Lehre – Werk, Essen 1976, bes. S. 25–31, 109–121;<br />

Marco De Michelis, Heinrich Tessenow 1876–<br />

1950. Das architektonische Gesamtwerk, Stuttgart<br />

1991, bes. S. 200f., 205–223; ders., Heinrich<br />

Tessenow – die Dresdner Jahre, in: Lindner/Lühr<br />

2008 (wie Anm. 27), S. 56–71.<br />

31 Wangerin/Weiss 1976 (wie Anm. 30), S. 26–30,<br />

190–194; De Michelis 1991 (wie Anm. 30), S. 13–<br />

39; De Michelis 2008 (wie Anm. 30), S. 60–67.<br />

32 Muthesius 1912 (wie Anm. 29), S. 189.<br />

33 Hans Erlwein. Stadtbaurat in Dresden 1905–<br />

1914, bearb. von Volker Helas (Ausst.-Kat.<br />

Dresden 1997), mit hervorragender Bilddokumentation<br />

der Erlweinschen Bauten.<br />

34 Karge 1999 (wie Anm. 10), S. 42f.; Cornelia Reimann,<br />

Die Christuskirche in Dresden-Strehlen,<br />

Husum 2007.<br />

35 Laudel 1994 (wie Anm. 21), S. 84–87; Karge 1999<br />

(wie Anm. 10), S. 42.<br />

36 In diesem Zusammenhang sei auf die polychromen<br />

Skulpturen des in Dresden tätigen<br />

Bildhauers Robert Diez hingewiesen.<br />

37 Katja Margarethe Mieth, Im Dienste der Architektur<br />

– Dekorative Malerei in Dresden um 1900,<br />

in: Ausst.-Kat. Dresden 1999 (wie Anm. 10),<br />

S. 155–162; Gussmann – Lange – Dix. Albstadts<br />

Dresdner Kunst (Ausst.-Kat. Albstadt 2006).<br />

38 Petzold-Hermann 1999 (wie Anm. 22), S. 73–75,<br />

Zitat S. 74.<br />

39 Zum Thema Architektenausbildung von Ernst<br />

Ludwig Kirchner bei Schumacher siehe den Aufsatz<br />

von Kerstin Zaschke in diesem Band,<br />

S. 107–119.<br />

40 Zit. nach De Michelis 2008 (wie Anm. 30),<br />

S. 56–71, hier S. 60, 63.<br />

41 Laudel 1994 (wie Anm. 21), S. 82f.; Claudia Lehmann,<br />

»Die Zunft« – eine Künstlergruppe in<br />

Dresden, Magisterarbeit tu Dresden, 2005.<br />

42 Konstanze Rudert, Dresdner Motive in den Werken<br />

der Künstlergemeinschaft Brücke 1905–1911,<br />

in: Die Brücke in Dresden 2001 (wie Anm. 4),<br />

S. 355–388; dies., Vom Erlebnis zur Konstruktion.<br />

Urbane Räume zwischen spontaner Erfahrung<br />

und reflektierter Bildkomposition, in: Jahrbuch<br />

der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 32,<br />

2005 (wie Anm. 3), S. 61–70. Allein Fritz Bleyl,<br />

der die »Brücke« bereits 1907 verließ, war an<br />

der künstlerischen Erfassung der für Dresden<br />

charakteristischen Stadt- und Naturzusammenhänge<br />

interessiert.<br />

43 Karge 2001 (wie Anm. 15), S. 297–299.<br />

D R E S D E N U M 1 9 0 0<br />

83


84 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C1<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Perspektive der Vorderfront,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift und Gouache, weiß gehöht,<br />

auf graublauem Karton, 26,5 × 38,5 cm


C2<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 1, Grundriss des Kellergeschosses<br />

sowie montierter Buchdruck, um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift auf Velin sowie montierter<br />

Buchdruck, 63 × 49 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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86 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C3<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 2, Grundrisse des Erd- und Obergeschosses<br />

sowie Situationsplan, um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 69 × 48 cm


C4<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 3, Ansicht der Vorderfront,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 52,5 × 96,5 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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88 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C5<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 4, Längsschnitt, um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 60,4 × 96 cm


C6<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 5, Seiten- und Rückansicht,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, laviert, Bleistift und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 58,8 × 48,5 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

89


90 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C7<br />

Entwurf für eine Mietsvilla. Seitenansicht,<br />

1903–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

24,2 × 27 cm


C8<br />

Entwurf für eine Mietsvilla. Zwei Ansichten,<br />

1903–1905<br />

Tuschfeder auf Transparentpapier, 26,5 × 54 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

91


92 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C10<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Grundriss des Erdgeschosses, 1904<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 97,5 × 61 cm


C9<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Ansicht der Hauptfassade, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, montiert auf Karton, 64,1 × 90,2 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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94 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C11<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Querschnitt mit Ansicht des Seitenflügels, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Zeichenpapier, 43,5 × 67,5 cm


C12<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Grundrisse des ersten sowie des zweiten bis<br />

vierten Geschosses, 1904<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 73,6 × 61,6 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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96 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C13<br />

Entwurf für ein Museum. Ansicht der Hauptfassade,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 114 × 64 cm


H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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98 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C14<br />

Entwurf für ein Museum. Querschnitt,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift und Sprühtechnik auf Velin,<br />

42,7 × 49,4 cm


C15<br />

Entwurf für ein Museum. Ansicht der Rückseite,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 37,7 × 67,5 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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100 H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

C16<br />

Entwurf für ein Museum. Grundriss des<br />

Erdgeschosses, 1904–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 51 × 68,4 cm


C17<br />

Entwurf für ein Museum. Detail der Ecke,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 64 × 45,7 cm<br />

H E R R S C H A F T L I C H E V I L L A , M I E T S V I L L E N , Ö F F E N T L I C H E B A U T E N<br />

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102<br />

Erinnerungen von Fritz Schumacher an<br />

seine Studenten an der th Dresden und<br />

späteren »Brücke«-Gründer, abgedruckt<br />

in: Der Kreis, Zeitschrift für künstlerische<br />

Kultur 9, 1932, S. 7-11.<br />

AUS DER VORGESCHICHTE<br />

DER BRÜCKE<br />

FRITZ SCHUMACHER<br />

Gelegentlich der Ausstellungen, die jüngst zur Feier des 25jährigen Jubiläums der Künstlervereinigung<br />

»Brücke« stattfanden, bin ich manchmal von befreundeter Seite angespornt<br />

worden, die Erinnerungen festzuhalten, die ich aus den Jahren der Vorgeschichte<br />

dieses künstlerischen Zusammenschlusses an einige seiner Mitglieder habe.<br />

Diese Erinnerungen ergeben sich daraus, daß die betreffenden Mitglieder jenes kleinen<br />

Kreises zuerst der Architektur zustrebten, und daß meine ersten Versuche als Lehrer an<br />

der Technischen Hochschule in Dresden sich kreuzten mit ihren ersten Versuchen als<br />

Schüler eben dieser Anstalt.<br />

Als mich knapp Dreißigjährigen der Ruf nach Dresden aus der abhängigen Stellung am<br />

Leipziger Hochbauamt befreite, mußte ich neben erfreulicheren Lehraufträgen zugleich<br />

das Fach des Freihandzeichnens übernehmen, zu dem mich weder Neigung noch besondere<br />

Begabung zog. Was ich als Apparat für diesen Unterricht vorfand, spottet jeder Beschreibung.<br />

Es war ein Saal von oben bis unten behängt mit schmutzigen Gipsen, aber<br />

nicht etwa die üblichen klassischen Vorbilder, sondern Abgüsse der übelsten Ornamentik<br />

der sächsischen Pseudo-Renaissance vom Jahrhundertende. Diese gespenstische<br />

Kunsthölle saß gedrängt voll junger erwartungsvoller Menschen, die vom Erwachen der<br />

»dekorativen Kunst« gehört hatten. Mitten unter ihnen saßen Kirchner und Heckel, die<br />

als werdende Architekten von mir die Kunst des »Freihandzeichnens« zu lernen hofften.<br />

Bei dem winzigen Fonds für Lehrmittel, der mir zur Verfügung stand, konnte ich leichter<br />

eine alte Welt verschwinden lassen, als eine neue aufbauen. Ich kündigte sie dadurch an,<br />

daß ich Muscheln, Steine, Schmetterlinge, kunstvoll getrocknete Pflanzen und Stoffe auf<br />

der Bildfläche erscheinen ließ. An Abgüssen suchte ich edle mittelalterliche Architekturplastik<br />

zu erlangen. Die Ornamentik wurde an alten holzgeschnitzten Renaissance- und<br />

Barockrahmen, die ich aus München bezog, dem Leben nähergebracht. Und an alle dem<br />

wurde nun in den verschiedensten Techniken herumprobiert.Vor allem in Kohle, der Bleistift<br />

wurde aufs Skizzenbuch beschränkt, das für den Zeichensaal erst entdeckt werden<br />

mußte, denn man kannte diesen nur als Fabrik von »Blättern« für die Examensmappe.<br />

Das alles ließ sich angesichts der großen Zahl der Studierenden, die ich zu versorgen<br />

hatte, und der vielen gleichgültigen Gesellen unter ihnen, nur in bescheidenem Maßstab<br />

heraufführen, aber man konnte bald erkennen, daß es einen kleinen Kreis gab, der die<br />

Absichten merkte und mitging. Zu ihnen gehörten Kirchner und Heckel, aber ich wäre<br />

ein schlechter Psychologe gewesen, wenn ich nicht erkannt hätte, daß es unter den Mitgehenden<br />

zwei Kategorien gab – diejenigen, die mit dem, was ich ihnen bieten konnte,<br />

zufrieden waren, und diejenigen, die kritisch blieben. Das unruhig suchende Wesen, das<br />

jeder Architekturlehrer an seinen Studenten kennt, verlor sich nie bei den »Brücke«-<br />

Leuten; bei Kirchner trug es früh den Charakter einer ziemlich verschlossenen Bitterkeit<br />

– bei Heckel äußerte es sich als verhaltene Leidenschaft. Es ist nicht leicht für den Lehrenden,<br />

zu erkennen, inwieweit er solcher kritischen Unrast nachgehen darf, da sie sich


sehr oft paart mit jener rein intellektuellen Begabung, die mit einer Unfähigkeit des Gestaltens<br />

verbunden ist. Deshalb war ich sehr zufrieden, als ich allmählich erreichte, daß<br />

sich auch diese unruhigen Elemente auf den Bahnen einer reinlichen naturtreuen Zeichnungstechnik<br />

bewegten.<br />

Dies dauerte aber nicht lange – plötzlich hörte es auf. Ich erinnere mich noch des ersten<br />

Males, als Heckel, der angefangen hatte, eine Pflanze in der breiten Schwarz-weiß-<br />

Manier des Holzschnittes zu zeichnen, sich nicht mehr um die Beobachtung der Überschneidungen<br />

und Bewegungen der Blätter kümmerte, sondern statt dessen etwas zu<br />

Papier brachte, was entfernt ähnlich aussah, wie die Gesamtform des Vorbildes. Als ich<br />

mich mit den Flüchtigkeiten der Zeichnung nicht zufrieden geben wollte, berief er sich<br />

auf das Recht der Stilisierung. Ich vertrat die Ansicht: erst muß man korrekt zeichnen<br />

können, dann erst darf man sich erlauben zu stilisieren, und verwies auf einige Blätter<br />

von Nicholson und ähnlichen plakativen Schwarz-weiß-Zeichnern, die ich bisweilen<br />

vorzeigte, um zu beweisen, daß ihnen ein genaues Formstudium zugrunde läge. Aber ich<br />

überzeugte nicht. Er meinte, nur auf das Erfassen eines Gesamtausdrucks käme es an,<br />

und der sei für ihn nun einmal so. Von dieser Zeit an begannen die künftigen »Brücke-<br />

Leute« zu meinem Schrecken höchst »unordentlich« zu zeichnen. Ich schob es auf den<br />

Einfluß einer Van-Gogh-Ausstellung, die damals in Dresden Aufsehen machte. Aber in<br />

Wahrheit brach hier die Zukunft durch, und ein Berufswechsel vollzog sich unsichtbar.<br />

Ich hatte ganz recht, wenn ich sagte, ein Architekt könnte mit dieser Art zu zeichnen<br />

nichts anfangen. Und sie hatten ganz recht, wenn sie als werdende Maler das umgekehrte<br />

meinten. Später bin ich manchmal geneckt worden, wenn sich meine Bekannten<br />

an den »heillosen Verzeichnungen« der »Brücke«-Leute stießen; man meinte, daß das<br />

eben von dem miserablen ersten Zeichenunterricht käme, den sie bei mir genossen hätten.<br />

In Wahrheit hatten sie bei mir gar nichts genossen; eine innerliche Berufsgrenze<br />

machte es unmöglich.<br />

Ich kann also nicht behaupten, daß ich die jungen Entlein verstand, die mir unerfahrenen<br />

Glucke davonschwammen, aber wenn mir die künstlerischen Werte auf zweifelhaft<br />

blieben, so hatte ich doch ein deutliches Gefühl für menschliche Werte, und das hat<br />

mich in diesem und anderen Fällen davon abgehalten, etwas zu stören oder zu belästigen,<br />

was sich entfalten wollte. Ich verfolgte das Werden mit einem gewissen sorgenvollen<br />

Interesse, nicht ganz sicher, ob jugendliche Überheblichkeit (die der Hochschullehrer<br />

ja bald genugsam kennen und, wenn er vernünftig ist, durchaus nicht mißachten lernt)<br />

die Leute auf einen Holzweg führte, oder ob sie sich noch »zurechtfinden« würden.<br />

Rückblickend freue ich mich immer, daß mein Freund Otto Gußmann den ganzen Regungen,<br />

die hier hervortraten, sofort Verständnis entgegenbrachte. Max Pechstein arbeitete<br />

damals als blutjunges Bürschchen in seiner Klasse auf der Akademie. Er lieh ihn mir<br />

manchmal aus, um mir für ein paar Mark Modelle meiner Bauten, die sehr auf farbige<br />

Wirkungen erpicht waren, in Farbe zu setzen. Pechstein entwickelte schon früh eine außerordentlich<br />

formale Fertigkeit und Sicherheit, so daß bei ihm die primitive Ausdrucksweise<br />

nicht aus dem ungelenken Tasten auf ungebahntem Wege entsprang, sondern als<br />

eine Art Umkehr wirkte. Pechstein fand sich bald mit Heckel und Kirchner zusammen<br />

und noch ein vierter war damals dabei, der ebenfalls in meiner Architekturabteilung tätige<br />

Student Fritz Bleyl, ein ernster, tüchtiger Mensch, der ganz nach dem Herzen eines<br />

Architekten sehr reizvoll zeichnen konnte und das auch in seinen graphischen Blättern<br />

nie ganz verleugnete. Ob er der »Brücke« dauernd angehörte, weiß ich nicht – er ist<br />

später im Architektenberuf geblieben, aber bei den ersten Ausstellungen des Kreises war<br />

er dabei. Sie fanden zuerst 1905 in den Räumen der großen Beleuchtungskörperfabrik<br />

A U S D E R V O R G E S C H I C H T E D E R » B R Ü C K E «<br />

103


104<br />

F R I T Z S C H U M A C H E R<br />

von Seifert statt, da sich wahrscheinlich die eigentlichen Kunstsalons den jungen Neuerern<br />

nicht öffneten. Ich glaube, daß man in Dresden mit wenigen Ausnahmen viel länger<br />

den Kopf über sie geschüttelt hat, als beispielsweise in Hamburg.<br />

Im Jahre 1905 konnte ich Heckel außerhalb des Zeichensaales beobachten. Ich machte<br />

mit dreißig meiner Studenten eine Exkursion in die kunstreichen Städtchen des Spessart<br />

und Odenwald. Inmitten der Schar frischer und zu jedem Übermut Tag und Nacht bereiter<br />

Burschen wirkte sein stilles Wesen, in dem der Ausdruck der Augen an die verborgene<br />

Glut eines jungen Mönches gemahnte, gar fremdartig. Schon während der Fahrt nach<br />

Aschaffenburg zeigte sich, daß man ihn zum Gegenstand der Neckerei auserkor, den<br />

jede solche Studentenfahrt nun einmal haben muß. Am Abend nahm ich mir einige der<br />

Anführer beiseite und sagte ihnen, wenn sie mit mir in Frieden bleiben wollten, müßten<br />

sie sich ein anderes Objekt für ihre Späße suchen, Heckel sei dafür ungeeignet. Das verwunderte<br />

sie augenscheinlich, aber sie versprachen brav zu sein und so konnte er in unserer<br />

Mitte ungehindert seine eigenen Wege gehen.Wenn wir über ein schönes Stück Architektur<br />

begeistert mit dem Skizzenbuch herfielen, tat er nicht mit. »Finden Sie das<br />

denn nicht schön, Heckel?« fragte ich ihn. »Doch«, sagte er, »aber warum soll man’s<br />

zeichnen«.<br />

Kurz darauf fand ich ihn dann vor der Pieta von Grünewald, die damals noch in der<br />

Aschaffenburger Stiftskirche hing, und er hatte die ergreifend gerungenen Hände, die<br />

über dem Toten schweben, mit aller Sorgfalt in sein Skizzenbuch gezeichnet, das doppelt<br />

so groß war, wie die unsrigen. Als wir dann später im Zuge durch die Landschaft<br />

fuhren, in der auf weiten Feldern Scharen von Menschen beim Heuen beschäftigt waren,<br />

zog er plötzlich wieder das große Skizzenbuch und fing an, leidenschaftliche Patzen auf<br />

die Blätter zu hauen. Da konnten sich die Kameraden denn doch nicht mehr halten und<br />

»Heckel skizziert!« ging es mit lautem Gelächter durch den ganzen Wagen.<br />

Ich hatte beim Beginn der Exkursion abgemacht, daß ich mich um den zeichnerischen<br />

Eifer und ohne besondere Aufforderung auch um die zeichnerischen Nöte der Studenten<br />

nicht bekümmern würde, aber am letzten Tage, da würde eine Ausstellung gemacht, bei<br />

der jeder mit seinen Arbeiten herausrücken müßte. Für diese Ausstellung setzte ich drei<br />

Preise aus, die ohne meine Mitwirkung von einer Jury verteilt werden sollten, die von<br />

den Studenten selbst gewählt wurde. Bei dieser Ausstellung erlebte ich die Freude, daß<br />

meine braven Jungen dem Heckelschen Skizzenbuch, obgleich es ihnen zum großen Teil<br />

einigermaßen verrückt erschien, den ersten Preis zuerkanten [sic]. Der stille Mann hatte<br />

sich durchgesetzt.<br />

Kurze Zeit darauf kam Heckel dann zu Kreis ins Atelier und ich sah ihn zuletzt beim Herrichten<br />

des »Sächsischen Hauses« der »iii. Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung 1906«,<br />

während ich die große Raumkunst-Ausstellung dieses Unternehmens aufbaute, das dem<br />

neuen Wollen im Kunstgewerbe endgültig die Bahn brach und zum »Deutschen Werkbund«<br />

führte. Im Jahr darauf hielt ich in München bei seiner Gründung die Taufrede. Damals<br />

spielte ja im künstlerischen Leben die Eroberung einer neuen Innenarchitektur die<br />

Hauptrolle und da ich dieses Fach an der Hochschule vorzugsweise vertrat, bin ich den<br />

»Brücke«-Leuten auf diesem Gebiet augenscheinlich nähergekommen, wie auf dem Gebiet<br />

des Zeichnens. Dies entnehme ich einem kleinen Nachspiel, das meine Lehrtätigkeit<br />

bei Kirchner hatte, den ich früher aus den Augen verlor, als Heckel. Eines Tages erschien<br />

er in meinem Amtszimmer, breitete eine Mappe mit den farbigen Zeichnungen<br />

zu einem ganz extravaganten modernen Innenraum vor mir aus und eröffnete mir, das<br />

sei seine Doktorarbeit. Er bäte mich nun, das weitere zu veranlassen, damit er diesen<br />

Titel bekäme.


Ich mußte ihm auseinandersetzen, daß nicht ein künstlerischer Entwurf, sondern eine<br />

wissenschaftliche Arbeit die Vorbedingung zum Doktorexamen sei, was ihn, glaube ich,<br />

sehr empörte. Er ließ durchblicken, daß die zivilisierte Welt nichts als Enttäuschungen<br />

böte und nur noch bei primitiven Menschen einige Erholung zu hoffen sei. Ich erinnerte<br />

an Gauguin. Er nahm das so ernsthaft auf, daß ich bei seinem Fortgang einen Aufbruch<br />

aus Europa mit Sicherheit erwartete. Ich bin nur seinen Bildern wieder begegnet, aber<br />

der Jugendeindruck, den ich von ihm hatte, hat mir sein schweres, schmerzvolles Ringen<br />

mit sich und mit seiner Umwelt immer verständlich gemacht. Ich freute mich seines<br />

Sieges.<br />

Auch die letzten Eindrücke von Heckel knüpfen an meine Tätigkeit als Lehrer der Innenarchitektur<br />

an. Als ich zum erstenmal nach dem Kriege im Kronprinzenpalais eine Gesamtausstellung<br />

seiner letzten Arbeiten sah, schrieb ich ihm nach Erfurt, wo er im Museum<br />

seinen Raum ausmalte, in meiner ersten Freude ein paar Zeilen. Er antwortete mir,<br />

daß er gerade bei seinem augenblicklichen Werk oft denken müsse an seine Dresdener<br />

Entwurfsarbeiten und die Überlegungen über die Gesetze des Raumes, die sich daran<br />

knüpften.<br />

So habe ich diese beiden Schüler, die nicht Architekten wurden, ausgiebiger vorfolgen<br />

können, wie die meisten anderen. Und seltsam, von Hamburg aus war das in den Kampfesjahren<br />

der »Brücke« leichter, als von Dresden aus, denn in Hamburg hatte sie eher<br />

eine Gemeinde, wie in der Stadt, aus der sie hervorging.<br />

Als ich 1909 nach Hamburg übersiedelte, fand ich dort ein Kunstpublikum, das sich in<br />

täglichen Diskussionen erging über Lichtwarks Bevorzugung so revolutionärer Erscheinungen<br />

wie Kalkreuth und Liebermann. Daneben aber stand unvermittelt eine Gemeinde,<br />

die sich nicht nur um Nolde, Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff kümmerte,<br />

sondern für die sie der Mittelpunkt der künstlerischen Interessen waren. Diese Gemeinde<br />

drang immer siegreicher vor und auch für mich wurden allmählich Heckel,<br />

Kirchner und Pechstein künstlerische Begriffe, die ich kaum noch mit meinen persönlichen<br />

Eindrücken in Beziehung brachte. Nur der historisch eingestellte Blick von Jubiläen<br />

bringt solch Erinnern wieder an die Oberfläche.<br />

A U S D E R V O R G E S C H I C H T E D E R » B R Ü C K E «<br />

105


DIE <strong>ARCHITEKT</strong>URLEHRE IN DRESDEN<br />

ZUR ZEIT <strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong>S<br />

KERSTIN ZASCHKE<br />

Das Architekturstudium Ernst Ludwig Kirchners und seiner »Brücke«-Kollegen Fritz<br />

Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff war schon mehrfach Gegenstand kunsthistorischen<br />

Interesses. 1 Zum einen weil die »Brücke«-Künstler lange Zeit als Autodidakten<br />

galten, 2 zum anderen weil die nicht künstlerische Ausbildung und ihr Einfluss<br />

auf das Werk der Künstler interessierte.<br />

Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl begannen ihr Architekturstudium in der Hochbauabteilung<br />

an der damals Königlich Sächsischen Technischen Hochschule Dresden am 15.<br />

April 1901 und schlossen es im Sommer 1905 mit dem Diplom ab, während Erich Heckel<br />

nur vom 21. April 1903 bis 17. Oktober 1906 und Karl Schmidt-Rottluff nur vom 27. April<br />

1905 bis 20. April 1907 zum Studium eingeschrieben waren. 3<br />

D I E T E C H N I S C H E H O C H S C H U L E D R E S D E N<br />

Zur Zeit Ernst Ludwig Kirchners konnte man in Dresden sowohl an der Kunstakademie4 als auch an der Technischen Hochschule5 Architektur studieren.Während die Ausbildung<br />

an der Kunstakademie den freischaffenden, künstlerischen Architekten zum Ziel hatte,<br />

richtete sich das Architekturstudium an der Technischen Hochschule (siehe Abb. S. 106;<br />

ABB. 1) auf die Ausbildung von Staatsbediensteten. Mit der parallelen Einführung des Diploms<br />

als Studienabschluss im Jahre 1883 und einer damit einhergehenden Modifizierung<br />

des Studienplans trat die Ausbildung an der Technischen Hochschule immer mehr<br />

in Konkurrenz zu der der Kunstakademie.<br />

Für das Sommersemester 1901 hatte die Annahme der Vorlesungen oder Übungen bis<br />

zum 7. Mai zu erfolgen. »Zu diesem Zweck [musste Kirchner] den betreffenden Dozenten<br />

das Einschreibebuch persönlich zur Unterschrift vorlegen und die Eintragung in die<br />

beim Dozenten ausliegenden Einschreibelisten bewirken.« 6 Das Honorar, das nach Anzahl<br />

und Umfang der Fächer berechnet wurde, »[betrug] für Studierende und Zuhörer<br />

bei Vorträgen, seminaristischen Uebungen und Uebungen in Gruppen für die wöchentliche<br />

Stunde 3 Mark, bei sonstigen Uebungen 2 Mark. – Vorlesungen der Privatdozenten<br />

bis 5 Mark, Uebungen bis 2½ Mark«. 7 Die Studierenden hatten pro Semester mindestens<br />

drei Vorlesungen oder Übungen zu belegen. Jedoch wurde ihnen die Einhaltung der<br />

Studienpläne empfohlen. 8 Das hieß für Kirchner und seine Studienkollegen von Montag<br />

bis Samstag ab sieben Uhr morgens9 43 Stunden Lehrveranstaltungen pro Woche im ersten<br />

Semester (siehe S. 130–133).<br />

DA S A R C H I T E K T U R ST U D I U M<br />

Das Architekturstudium umfasste acht Semester und wurde durch die Diplom-Vorprüfung<br />

nach vier Semestern gegliedert. In den ersten Semestern fand die allgemeinwis-<br />

senschaftliche 10 und technische 11 Ausbildung statt, während in der zweiten Studien-<br />

hälfte das Entwerfen im Mittelpunkt stand. Zusammen mit Kirchner hatten sich im<br />

Aula der Technischen Hochschule Dresden,<br />

1890, Fotografie von H. Krone<br />

107


1 Rudolf Heyn, Treppenhalle des Hauptgebäudes<br />

der Technischen Hochschule<br />

Dresden, 1872–1875<br />

108 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

Sommersemester 1901 weitere 22 Studenten12 immatrikuliert, darunter Fritz Bleyl:<br />

»Dann begann das Studium an der Technischen Hochschule. Den ernsteren lehrhaften<br />

Fächern wie höhere Mathematik, Physik, darstellende Geometrie, Chemie und anderes,<br />

allerdings rein wissenschaftlich und lebensfremd betrieben, konnte ich keine Reize abgewinnen,<br />

sie schreckten mich im Gegenteil ab und bedrückten mich; da sagten mir die<br />

technischen, baulichen Gebiete schon eher zu, Formenlehre der Antike und des Mittelalters<br />

boten schon Künstlerisches, am meisten und liebsten aber hielt ich mich im Freihandzeichensaal<br />

auf, wo ich mich bald an die Spitze vorzuarbeiten wußte, und wo mich<br />

die beste Semestralnote mit stolzer Freude und Genugtuung erfüllte.« 13 Man kann annehmen,<br />

dass es Kirchner ähnlich wie Bleyl erging, da er ebenso wie dieser »durch familienbegründete<br />

Zwangsverhältnisse« 14 anstelle eines Malereistudiums das Studium der<br />

Architektur gewählt hatte.<br />

Das Studium an der th Dresden war wie an den meisten Technischen Hochschulen der<br />

Zeit rein wissenschaftlich und wenig an der Praxis orientiert, was auch den Dresdner<br />

Professoren bewusst war. So gab es auch hier Bemühungen, das Architekturstudium zu<br />

reformieren. Fritz Schumacher, 15 1901 als junger, reformbegeisterter Architekt an die<br />

th Dresden berufen, beschrieb dies noch für 1908, kurz bevor er als Baudirektor nach<br />

Hamburg wechselte: »Examensforderungen wurden ermäßigt, Methoden verbessert,<br />

aber die grundsätzliche Umgestaltung der mathematischen und naturwissenschaftlichen<br />

Hilfsfächer im Sinne einer Entthronung der Theorie und einem Anpassen an das<br />

praktische Leben konnten wir nicht erreichen.« 16 Am 2. August 1901 trat die neue Prüfungsordnung<br />

für Diplomingenieure in Kraft. 17 Die Änderungen betrafen vor allem die<br />

Anzahl der abzulegenden Prüfungen. Kirchner wusste dies sofort auszunutzen, indem er<br />

im darauffolgenden Semester seine Einschreibung in Anwendungen der Differentialund<br />

Integralrechnung sowie Analytische Geometrie wieder streichen ließ.<br />

DA S ST U D I U M B I S Z U R D I P L O M -VO R P RÜ F U N G<br />

Die von Bleyl bezeichneten »rein wissenschaftlich und lebensfremd betriebenen Fächer«<br />

wurden im ersten Semester jeweils vor der Mittagspause gelesen, während der Nachmittag<br />

hauptsächlich den fachbezogenen Übungen vorbehalten war. Fachbezogener,<br />

wenn auch in den Augen der Architekturstudenten offensichtlich ebenso lebensfremd<br />

betrieben, waren da schon die Übungen im Geodätischen Zeichnen bei Arwed Fuhr-<br />

mann 18 oder Darstellende Geometrie bei Karl Rohn. 19<br />

Fuhrmanns Kurs begann mit Erläuterungen zum Aufmessen von Gelände, Wegen und<br />

Gebäuden und zur fachlich-angemessenen grafischen Darstellung in Plänen bis hin zum<br />

Entwerfen von Gärten und Stadtplätzen. 20 Sein Buch Anleitungen betreffend das Geodätische<br />

Zeichnen der Architekten21 vermittelt einen sehr guten Eindruck, wie er sein Fach<br />

lehrte: »Das ›Geodätische Zeichnen‹ der Architekten hat in erster Linie die Genauigkeit<br />

und die bestehenden Gebräuche zu berücksichtigen, es muss aber bei allen Darstellungen<br />

auch ästhetische Rücksichten nehmen, mithin das Hässliche … sorgfältig vermeiden.<br />

… Die zu benützenden Bleistifte müssen hart sein. Man spitzt sie an beiden Enden<br />

und zwar an dem einen ›flach‹, an dem anderen ›rund‹. … Die ›flache‹, besser gesagt: die<br />

keilförmige Spitze wird stets zum Zeichnen der geraden, die kegelförmige immer zu dem<br />

der krummen Linien benutzt. … Besonders hervor zu heben ist, dass die zu benutzenden<br />

Farben nicht grell sein dürfen und dass sie gut zusammenpassen müssen …«. 22 (ABB. 2)<br />

Freies künstlerisches Gestalten, wie es Kirchner suchte, hatte hier keinen Raum.<br />

Die Woche startete montagmorgens mit einem Vortrag Rohns zu darstellender Geometrie,<br />

der sich mit den Studenten wegen ihrer mangelnden Vorkenntnisse ziemlich


plagte. 23 Obwohl er Mathematiker war, strebte er für die technischen Disziplinen keinen<br />

rein theoretischen, sondern einen fachbezogenen und anschaulichen Unterricht an.<br />

Rohn betonte die Bedeutung der Bewegung für die Perspektive und folglich das Raumvorstellungsvermögen.<br />

Er erläuterte die Bedeutung von Skizzen als Illustration im Unterricht,<br />

denn sie verlangten eine noch präzisere Form der Vorstellung als die bloß gedankliche<br />

Lösung. Insgesamt legte er mehr Wert auf Skizzen und nur eine geringe Anzahl<br />

von Zeichnungen wäre sauber auszuführen24 (siehe Abb. S. 122, 123). In Rohns Übung fand<br />

auch Bleyls erste Begegnung mit Kirchner statt. »Im ersten Semester arbeitete ich eines<br />

Tages im ›Rohnsaal‹ an darstellender Geometrie und schlug mich mit den kindlichen<br />

Aufgaben herum, als ein ehemaliger Schulkamerad und Klassenbruder zu mir trat und<br />

mich aufforderte, doch einmal hinten an seinen Platz zu kommen, dort habe ein ›Studiker‹,<br />

wie wir uns damals nannten, offenbar ein Künstler, allerhand auf den Rand seines<br />

Rohnbogens gezeichnet; das müsse ich mir unbedingt einmal ansehen. Ich eilte hin und<br />

konnte die Randbilder, die allem Anschein nach in Ausfüllung unergiebiger Wartezeit auf<br />

den Professor oder eine seiner Hilfskräfte entstanden waren, betrachten.« 25 Wenn wohl<br />

auch nicht übermäßig beliebt bei dem eigentlich zur Malerei berufenen Studenten<br />

Kirchner, musste die darstellende Geometrie belegt werden, denn sie war Voraussetzung<br />

für die Übungen in Baukonstruktionslehre sowie in Bauformen- und Stillehre. 26<br />

Inmitten dieser so wenig künstlerischen Fächer überrascht es nicht, dass sich Bleyl und<br />

mit ihm wohl auch Kirchner am meisten und liebsten im Freihandzeichensaal aufhielt.<br />

Dort lehrte im ersten Semester zwar auch Heyns Assistent Hermann Dix Bauformenzeichnen,<br />

jedoch kann man zu Recht sagen, dass dieser Saal zumindest für einige Jahre<br />

Fritz Schumachers Saal war. 27 »Als mich knapp Dreißigjährigen der Ruf nach Dresden<br />

aus der abhängigen Stellung am Leipziger Hochbauamt befreite, mußte ich neben erfreulicheren<br />

Lehraufträgen zugleich das Fach des Freihandzeichnens übernehmen, zu<br />

dem mich weder Neigung noch besondere Begabung zog.Was ich als Apparat für diesen<br />

2 Arwed Fuhrmann, Entwurf zu einem<br />

Stadtplatze, aus: Beiträge zum geodätischen<br />

Zeichnen sowie zum Entwerfen von Gärten<br />

und Stadtplätzen, Dresden 1906<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

109


3 Fritz Schumacher, Ausstellungsgebäude,<br />

aus: Studien, Leipzig 1900, Lithografie nach<br />

Kohlezeichnung, 55 x 40 cm<br />

110 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

Unterricht vorfand, spottet jeder Beschreibung. Es war ein Saal von oben bis unten behängt<br />

mit schmutzigen Gipsen, aber nicht etwa die üblichen klassischen Vorbilder, sondern<br />

Abgüsse der übelsten Ornamentik der sächsischen Pseudo-Renaissance vom Jahrhundertende.<br />

Diese gespenstische Kunsthölle saß gedrängt voll junger erwartungsvoller<br />

Menschen, die vom Erwachen der ›dekorativen Kunst‹ gehört hatten. Mitten unter ihnen<br />

saßen Kirchner und Heckel, die als werdende Architekten von mir die Kunst des<br />

›Freihandzeichnens‹ zu lernen hofften.« 28 Schumacher wechselte als erstes das Lehrmaterial<br />

aus. »Der Saal füllte sich mit Abgüssen edelster Kunstwerke, Holzschnitzereien<br />

und farbigen Stoffen; dazu kamen natürliche Pflanzen, Schmetterlinge und Muscheln,<br />

und an der Hand dieses Materials wurde in verschiedenartigster Weise mit Kohle, Pinsel<br />

und Stift, ja nach den Neigungen und Fähigkeiten des einzelnen, gewirtschaftet. Besonders<br />

schien mir das Skizzieren architektonischer Schmuckformen wichtig, deren Modelle,<br />

hoch und unverrückbar an den Wänden des Saales angebracht, nicht anders zu erfassen<br />

waren, als wenn man sie in wirklichen Kirchenräumen oder Palasthöfen hätte<br />

aufs Korn nehmen wollen.« 29 In der Bauformenlehre der Antike versuchte er das Zeichnen<br />

durch Skizzieren in der Art von Naturaufnahmen lebendiger zu gestalten. Parallel zu<br />

diesen Übungen der Bauformenlehre hielt er Vorlesungen; diese waren eher eine von<br />

»den eigenen Instinkten« gestaltete Improvisation, die er sich später zum bewussten<br />

Prinzip machte. »Ich behandelte die Lehre der antiken Baukunst so unwissenschaftlich<br />

wie möglich, um nicht das Antiquarische, sondern das Allgemeingültige ihres Gedankenganges<br />

recht stark zum Vorschein zu bringen, und das Stilkolleg [Stillehre des Kunstgewerbes]<br />

suchte ich umgekehrt möglichst wissenschaftlich zu verankern, um den<br />

schwankenden Boden ästhetischer Reflexionen nach Kräften mit gesundem Tatsachenmaterial<br />

zu pflastern und so sicherer begehbar zu machen«. 30 In seinem ersten Semester<br />

trug er zu Stil und Technik vor, in dem er »an den verschiedenen Stoffen: Textilien, Keramik,<br />

Holz, Stein, Metall die ewigen Gesetze materialgerechten Gestaltens gesucht und<br />

der befruchtende Schatz der rein technischen Möglichkeiten vorgewiesen [hatte].« 31 Im<br />

zweiten Semester Stil und Form behandelte er »die typischen Gestaltungen, zu denen<br />

die immer wiederkehrenden baulichen Aufgaben führen«.<br />

Schumacher hielt seine Vorlesungen stets frei, höchstens mithilfe einer stichwortartigen<br />

Gliederung. Parallel dazu zeichnete er alle Illustrationen an die Tafel: Kunstformen,<br />

Perspektiven und technische Schnitte, während die Studenten alles nachzeichneten. Bei<br />

den Studenten kam die Art und Weise, wie Schumacher seine Fächer lehrte, offenbar an:<br />

»An der Technischen Hochschule war es unter den Professoren vor allem die Persönlichkeit<br />

Fritz Schumachers, die uns stark fesselte und förderte. Schumacher war 1901, als wir<br />

die th bezogen, eben als Professor an die Hochbauabteilung berufen worden, wir gehörten<br />

also zu seinen ersten Schülern, und es war uns gerade recht, daß er, der als Künstler<br />

unter den ersten war, die sich von der totgelaufenen Stilarchitektur ab und – nach Überwindung<br />

des Jugendstils – freierem Schaffen zuwandten, uns junge Studenten ebenfalls<br />

zu solchem Schaffen anzuregen suchte und verstand. Freilich führte das zu noch ungeklärten<br />

Formen und Gestaltungen, immerhin begann ein frischerer Geist an der th umzugehen,<br />

von dem wir uns mit vollen Zügen erfassen ließen.« 32 Schumacher verkörperte<br />

wohl nicht nur unter Studenten den frischeren Geist. Er galt »als Wortführer einer ex-<br />

trem gerichteten Moderne«, 33 der sich auf Initiative Cornelius Gurlitts34 an der th Dresden<br />

beworben hatte. 35 Für seine Berufung sprachen außer seinen Schriften36 wohl auch<br />

seine 1900 erschienenen Studien37 (ABB. 3, 4), in Kohle gezeichnete monumentale Architekturfantasien.


Aufbauend auf Schumachers Freihand- und Ornamentzeichnen lehrte Karl Friedrich<br />

Weichardt38 Ornamententwerfen, Figurenzeichnen, farbige Dekorationen und angewandte<br />

Perspektive, ab dem fünften Semester durch Aktzeichnen ergänzt. »Auch Professor<br />

Weichardt gab uns ziemlich viel Freiheit und unseren persönlichen Talenten Ausdrucksmöglichkeiten.<br />

Bei ihm handelte es sich mehr oder weniger nur um Darstellung<br />

von unabhängigen Schaubildern; wir machten bei ihm auch unsere ersten Studien nach<br />

dem lebenden Modell, freilich noch zu ›akademisch‹.« 39 Weichardt hatte sich intensiv<br />

mit der römisch-antiken Architektur beschäftigt und darüber zwei Bücher veröffentlicht.<br />

40 Die vielen darin enthaltenen Zeichnungen und Schaubilder geben einen guten<br />

Eindruck der Lehre Weichardts, wie Bleyl sie empfand. Sie sind in nichts mit den Studien<br />

von Schumacher zu vergleichen, sondern im Gegenteil eher trocken. Der von Kirchner<br />

erhaltene Ornamententwurf (siehe Abb. S. 127) zeigt kein Anpassen an den Stil Weichardts,<br />

auch wenn diesem eine »ausgesprochene Vorliebe für antike Dekorationsweise,<br />

die er mit moderner Auffassung in glücklichster Weise zu durchdringen wußte«, 41 nachgesagt<br />

wurde.<br />

Im zweiten bis fünften Semester lehrte Theodor Böhm42 das Fach Baukonstruktionslehre<br />

mit zunehmendem Entwurfsanteil. Im vierten Semester stand das Entwerfen einfacher<br />

Gebäude, im fünften Landwirtschaftliche Baukunde im Zentrum seiner Vorlesungen und<br />

Übungen. Die von Kirchner erhaltenen Blätter vermitteln einen Eindruck der gestellten<br />

Aufgaben und der in diesem Fach geforderten konstruktiven Präzision: vom Wohn- und<br />

Wirtschaftsgebäude, das detailliert im Kellergeschoss die Lagerräume für Milch, Obst<br />

und Kartoffeln aufweist, bis zur Stallanlage mit Krippenanordnung für Acker- und Militärpferde<br />

(siehe Abb. S. 120, 121). Außerdem lehrte Böhm im zweiten und dritten Semester<br />

Statik und Festigkeitslehre sowie Architektonisches Zeichnen. Letzteres ließ Kirchner jedoch<br />

wieder aus seinem Einschreibebogen streichen. Trotzdem blieb für den Besuch weiterer<br />

Vorlesungen und Übungen entsprechend der eigenen Interessen nicht viel Zeit.<br />

Nach dem vierten Semester erfolgte die Diplom-Vorprüfung. Bei der Anmeldung hierfür<br />

mussten die Studenten neben ihren Einschreibebögen auch eine Mappe mit Studienzeichnungen<br />

einreichen, deren Bewertung in die Note der Diplom-Vorprüfung einfloss.<br />

Es waren folgende Studienzeichnungen einzureichen: Darstellungen auf dem Gebiete<br />

der Projektionslehre, Perspektivkonstruktion und Projektion unter Anwendung der Konstruktionslinien<br />

(siehe Abb. S. 122, 123), Darstellungen aus dem Gebiete der Stein und<br />

Holzkonstruktion in einfachster Behandlung (Böhm), Freihandzeichnungen insbesondere<br />

von Ornamenten und Naturformen (Schumacher), Darstellungen aus der Formenlehre<br />

der antiken Baukunst (Schumacher), ein Höhen- und Lageplan nach eigener, unter<br />

Aufsicht des Dozenten gefertigter Aufnahme unter Beifügung der zugehörigen Feldbücher<br />

(Fuhrmann) und der Entwurf eines kleinen Bauwerkes einfachster Art unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Konstruktion. Danach erfolgten eine Klausur in Freihandzeichnen<br />

(Schumacher) und mündliche Prüfungen in Physik (Hallwachs), 43 Anorganischer<br />

Chemie (Hempel), 44 Darstellender Geometrie (Rohn), Baumaterialienlehre (Foerster),<br />

45 Festigkeitslehre und Hochbaukunst (Böhm).<br />

»Neben unserer außerordentlichen Betätigung als freischaffende Maler und Zeichner<br />

ging ständig unser Hochschulstudium einher. Es ist immer erstaunlich, wie wir doch den<br />

Anforderungen der Hochschule voll und ganz Genüge taten und unsere damals noch<br />

schwer durch allgemeine Fächer wie Chemie, Physik und ähnliches belasteten Prüfungen<br />

sogar mit dem Urteil ›gut bestanden‹ erledigten.« 46 Das scheint in der Tat erstaunlich,<br />

da Bleyl und Kirchner »Tag für Tag beisammen waren, [wir] trafen uns auf der Hochschule,<br />

gingen gemeinsam zu Tische und anschließend auf des einen oder anderen Bude<br />

4 Fritz Schumacher, Kaufhaus, aus:<br />

Studien, Leipzig 1900, Lithografie nach<br />

Kohlezeichnung, 55 × 40 cm<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

111


112 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

oder suchten uns spätestens abends auf, betrachteten und bewerteten unsere neuesten<br />

Arbeiten, führten freundgesellige Gespräche bis tief in die Nacht hinein und freuten uns<br />

schon wieder auf neue Betätigung und Ernte. …Wenn … Kirchner erschien, wohl auch bei<br />

schönem Wetter regelmäßig mich zu gemeinsamem Spaziergang namentlich abends, besonders<br />

gern natürlich bei Mondschein, in den konzerterklingenden, herrlichen ›Großen<br />

Garten‹ abzuholen, [dann um] dort draußen unsere Studien zu machen und neue Eindrücke<br />

und Erlebnisse zu sammeln«. 47 Auch Exkursionen waren während des Architekturstudiums<br />

üblich. Georg Treu48 hielt seine kunstgeschichtlichen Vorträge in der Antikensammlung<br />

des Dresdener Albertinums, darüber hinaus gehörten Studienfahrten dazu.<br />

DA S H AU P T ST U D I U M<br />

Das Hauptstudium war vor allem durch entwerferisches und künstlerisches Arbeiten<br />

geprägt. Es gab mehrere zur Belegung empfohlene Fächer, die jedoch nicht abgeprüft<br />

wurden. 49 Die Pflichtfächer waren auch bei der Diplomprüfung in großem Maße durch<br />

die einzureichenden Studienzeichnungen und die mündlichen Prüfungen vorgegeben.<br />

Einen hohen Stellenwert hatte weiterhin das von Weichardt gelehrte Fach Ornamententwerfen,<br />

Figurenzeichnen, einschließlich farbige Dekoration und angewandte Perspektive,<br />

welches Kirchner zum Beispiel in seinen drei Dresdner Semestern nach der<br />

Diplom-Vorprüfung mit zusammen 26 Semesterwochenstunden belegte. Drei der sechs<br />

vorgeschriebenen Konvolute der Studienzeichnungen – Perspektivische, mit Schatten<br />

versehene Darstellung eines Bauwerkes, Darstellungen von Ornamenten und farbigen<br />

Dekorationen, Ornamentenentwerfen und Naturstudien sowie Darstellung eines ganzen<br />

Gebäudes oder erheblicher Teile eines umfangreichen Bauwerkes nach eigener Aufnahme<br />

– wurden von Weichardt bewertet. Letztere könnte die Aufnahme einer Wand des<br />

Nymphenbades im Königl. Zwinger zu Dresden (siehe Abb. S. 140) sein, eine für Weichardt<br />

typische Aufgabe. Die Zeichnung des Nymphenbades ist zudem im Stil der von<br />

Weichardt in seinen Büchern überlieferten Zeichnungen gehalten. Eine weitere Bauaufnahme<br />

ist die Treppenhausbemalung und Gitter Anton-Graffstr. 29 (siehe Abb. S. 140).<br />

Die Zeichnung entspricht jedoch eher einer Bauaufnahme, die noch ins Reine gezeichnet<br />

werden müsste, somit nicht Eingang in eine Mappe mit zu bewertenden Studienzeichnungen<br />

für Bauaufnahme finden würde.<br />

Böhm bewertete im Diplom die in seinen Übungen zur Baukonstruktionslehre angefertigten<br />

Darstellungen aus dem Gebiete der Stein-, Holz- und Eisenkonstruktionen und<br />

Hugo Hartung 50 und Karl Weißbach 51 benoteten zusammen sowohl die Darstellungen<br />

ganzer Gebäude oder einzelner Bauteile aus der antiken, mittelalterlichen und Renaissance-Baukunst<br />

als auch einfache und reifere Entwürfe verschiedenartiger Gebäudegattungen,<br />

welche in den von ihnen und Schumacher gelehrten Fächern Bauformenlehre<br />

und Entwerfen entstanden.<br />

Ob unter diesen einzureichenden Studienzeichnungen auch Arbeiten aus den Kunstgewerblichen<br />

Übungen waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Prinzipiell wäre es möglich,<br />

denn Schumacher beschreibt, dass er in seinem Entwurfskolleg für Innenarchitektur,<br />

»gleichsam das Seminar zu seinen Stilvorträgen«, 52 nicht beim Innenraum stehen<br />

bleiben konnte, sondern diesen zunächst aus einer Gesamtarchitektur entwickelte, um<br />

ihn dann erst als Einzelaufgabe bis zur Durcharbeitung des Naturdetails weiterzuverfolgen.<br />

53 Schumachers Entwurfslehre als eine umfassende Gestaltung von der Raumform<br />

über seine Hülle bis zur Ausstattung und deren Detaillierung in Material und Materialbearbeitung<br />

lässt sich in Kirchners Studienarbeiten gut ablesen, wie beispielsweise am<br />

Entwurf für einen Deckenlüster (siehe Abb. S. 44, 45).


Eine Form der stufenweisen Durcharbeitung anderer Art bot das Skizzieren aus dem Gebiete<br />

des Hochbaus bei Paul Wallot, 54 dem Architekten des Berliner Reichstages. »Äußerst<br />

fördernd für uns waren auch die sogenannten Skizzierübungen bei Professor Wallot.<br />

Er lehrte zwar an der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse, kam aber zu uns<br />

herüber und stellte uns vierzehntägige Hausaufgaben, die dann, mit löwenmäßigen kritischen<br />

Pausen des Meisters versehen, vor versammeltem Kolleg besprochen wurden.<br />

Wallot hatte ein paar bestimmte Beurteilungsausdrücke, aus denen man das Nötige<br />

über die Bewertung und Güte der eingereichten Arbeit zu entnehmen vermochte, etwa<br />

›Fleißige‹ oder ›Tüchtige‹ oder aber ›sehr gute‹ und ›ausgezeichnete‹ Arbeit. Wir beide,<br />

Kirchner und ich, waren bald unter der letzteren Gruppe, nicht zum wenigsten auch unserer<br />

malerischen Schaubilder wegen, auf Grund derer uns einstmals auch ein Bekannter<br />

voraussagte: ›Sie werden einmal als Maler enden‹.« 55<br />

Diese sogenannten Skizzierübungen waren Übungen im Stegreifentwerfen, 56 kleine Entwurfsaufgaben,<br />

die in kurzer Zeit zu bearbeiten waren. Die malerische Darstellung der<br />

Skizze für ein Berghäusel (siehe Abb. S. 8) könnte in diesem Zusammenhang entstanden<br />

sein. 57 Allgemein sind diese Stegreifübungen nicht mit den in jeder Hinsicht ausgearbeiteten<br />

Entwürfen vergleichbar, stellen sie doch nur kleine Übungen dar. Trotzdem überrascht<br />

der Unterschied zu den Studienarbeiten, die in Wallots Meisteratelier an der<br />

Kunstakademie entstanden. 58 Hierbei handelt es sich bis auf sehr wenige Ausnahmen<br />

um Entwürfe für repräsentative Bauaufgaben wie Museen, Theater, Rathäuser und herrschaftliche<br />

Wohnsitze meist im Stil der Neorenaissance, während Kirchners Entwürfe<br />

und Skizzen keinerlei historische Stilmerkmale aufweisen. Die Entwürfe aus Wallots<br />

Atelier an der Kunstakademie erscheinen aus heutiger Sicht rückständig, auch nach damaligem<br />

Verständnis in keiner Weise modern (ABB. 5). Auch wenn das Skizzieren aus<br />

dem Gebiete des Hochbaus bei Wallot nur einen verschwindend geringen Anteil des Entwerfens<br />

ausmachte, führten die Übungen im Stegreifentwerfen »die jungen Architekten<br />

zu schöpferischem Arbeiten, weckten die Selbstkritik in ihnen und lehrten sie wirkliches<br />

architektonisches Denken«. 59<br />

Das von Hartung gelehrte Entwerfen von Hochbauten war ebenso wie das Ornamententwerfen<br />

Voraussetzung für das Arbeiten im Atelier im letzten Studienjahr. Hartung,<br />

der auch die Formenlehre des Mittelalters unterrichtete, »wies seine Studenten auf die<br />

Baukunst des Mittelalters, vor allem der Gotik [hin], von der sie zweckmäßiges Bauen<br />

5 Arno Pasig, Badeanlage, aus: Paul Wallot,<br />

Architektonische Entwürfe aus dem Atelier<br />

des Professor Dr. Paul Wallot, Teil 6/7,<br />

Leipzig 1903<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

113


114 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

und konstruktives Denken und somit innere Wahrhaftigkeit lernen müßten«. 60 Er wollte<br />

jedoch nicht, dass man die Bauwerke und Formen des Mittelalters nachbilden solle. Inhaltlicher<br />

Schwerpunkt seiner Lehre war der Wohnhausbau, welcher auch das Thema<br />

von Kirchners Entwurf eines Malerateliers ist (siehe Abb. S. 58, 59). Dieses, ein von Kantenquadern<br />

gefasstes Wohn- und Atelierhaus mit hohem Dach, entspricht vollkommen<br />

der von Hartung geforderten »inneren Wahrhaftigkeit«.<br />

Im selben Semester nahm Kirchner an der Exkursion mit Hartung teil, welche die ein<br />

Jahr zuvor belegte Formenlehre des Mittelalters durch Anschauung vor Ort ergänzte.<br />

»An der ersten [Studienfahrt], die unter Leitung von Professor Hartung nach Magdeburg<br />

und Braunschweig führte, beteiligte sich auch Ernst Ludwig Kirchner, der übrigens<br />

damals seine Arbeiten mit elk bezeichnete. Wir wandelten in dieser Zeit, es muß 1902<br />

oder 1903 gewesen sein, mit großen Künstlerkrawatten und breitkrämpigen Hüten<br />

durch die Weltgeschichte, so daß sich ein uns begegnender Bekannter nicht der lächelnden<br />

Bemerkung enthalten konnte: ›An ihren Hüten sollt ihr sie erkennen‹«. 61<br />

Den Abschluss der Entwurfsausbildung bildete das Arbeiten im Atelier für Baukunst bei<br />

Weißbach. Dieses stand zu Zeiten Kirchners an vier Tagen in der Woche im Zentrum des<br />

Studiums. Es war ein eher freies, nicht an feste Anwesenheitszeiten gebundenes Entwerfen.<br />

Weißbachs Interesse galt zunehmend dem Wohnhaus, speziell dem Arbeiterwohnhaus,<br />

denen er zwei Publikationen widmete. 62 Das Arbeiten im Atelier wurde von Weißbachs<br />

Vorlesungen zu Öffentlichen Bauten und Anlagen begleitet, die, nimmt man Kirchners<br />

Entwürfe als Maßstab, zentrales Entwurfsthema waren. Beim Entwurf von öffentlichen<br />

Bauten handelt es sich um sehr komplexe Entwurfsaufgaben, die erst mit zunehmender<br />

Übung im Entwerfen gestellt werden. Kirchner arbeitete im Sommersemester<br />

1904 das erste Mal im Atelier. Sein Entwurf eines Hotels für ein Grundstück in Dresden-<br />

Plauen (siehe Abb. S. 92–95) stellt im Vergleich zum später bearbeiteten Entwurf für ein<br />

Museum63 (siehe Abb. S. 96–101) eine weniger anspruchsvolle Aufgabe dar. Die beiden<br />

Entwürfe unterliegen entsprechend der jeweiligen Bauaufgabe unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien.<br />

Das Museum, ein »Tempel der Kunst«, stellt eine klassische, repräsentative<br />

Bauaufgabe dar. Das Hotel sollte zwar repräsentativ wirken, musste aber in erster<br />

Linie funktional sein. Mit der Ortsangabe Plauen wurde in der Aufgabenstellung<br />

sehr wahrscheinlich eine Anpassung der Gestaltung an die dortigen Gegebenheiten gefordert:<br />

ein gerade in Umbau und Erweiterung begriffenes bürgerliches bis großbürgerliches,<br />

gründerzeitliches Umfeld mit entsprechend moderner Bebauung.<br />

Zur gleichen Zeit entstanden von 1900 bis 1905 am südlichen Stadtrand nach Entwürfen<br />

von Weißbach die Neubauten für die Mechanische Abteilung der Technischen Hochschule<br />

Dresden. Sie bilden den Ausgangspunkt des heutigen Kerngeländes der Universität.<br />

Weißbachs Prinzipien von einer angemessenen Gestaltung und ihrer technischen<br />

Funktion entsprechend sind sie sehr sachlich gestaltet (ABB. 6).<br />

Eine Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, boten die jährlichen<br />

Preisaufgaben, eine Art studentischer Wettbewerb. Die Hochbauabteilung stellte kleinere<br />

oder größere Entwurfsaufgaben: ein zweigeschossiger Erkerbau (1900/01), eine<br />

Straßenbahnwartehalle am Postplatz (1902/03), ein Klubhaus für eine Sportwiese einer<br />

mittleren Stadt (1903/04), eine Reithalle in einem fürstlichen Park (1904/05) oder ein<br />

Zierhof eines Klubgebäudes (1905/06). Eine Kommission bewertete die unter einem<br />

Kennwort eingereichten Lösungen. In den Berichten der th Dresden wurden die Aufgabenstellungen,<br />

die eingereichten Arbeiten und die Namen der Preisträger veröffentlicht.<br />

Da weder Kirchner noch Bleyl unter den Preisträgern waren, kann nicht eruiert<br />

werden, ob sie Arbeiten einreichten. 64


Großen Raum nahmen im Hauptstudium neben der Entwurfsarbeit die kunst- und architekturhistorischen<br />

Fächer ein. Nachdem in den ersten Semestern in der Bauformenlehre<br />

die Grundlagen gelegt worden waren, wurde zum einen die Stillehre des Kunstgewerbes<br />

(Schumacher), zum anderen die Geschichte der Baukunst (Gurlitt) vertieft.<br />

Gurlitt las die Geschichte der Baukunst in einem viersemestrigen Zyklus – Antike, Mittelalter,<br />

Renaissance sowie Barockstil und neuere Zeit. »Beim Lehren hatte ich ständig<br />

daran zu denken, dass ich als Architekt vor jungen Architekten zu sprechen hatte. …Will<br />

ein Architekt einen alten Bau seinem Werte nach beurteilen, so muß er sich zunächst<br />

fragen, für wen, für welchen Zweck, mit welchen Werkmitteln er geschaffen sei. Er muss<br />

sich also ein Bild der Lebensverhältnisse, des Glaubens und seiner Betätigung, des Standes<br />

des handwerklichen Könnens geben, um das aus diesen Vorbedingungen entstandene<br />

Werk zu untersuchen, inwieweit der Baukünstler die ihm gestellte Aufgabe gelöst<br />

habe. Er muß sich klar sein, daß diesem nicht ästhetische Gründe Herz und Hand lenkten,<br />

sondern die Frage, wie die Wünsche des Bauherrn von ihm, als dessen Treuhänder<br />

auch in künstlerischer Beziehung, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Können<br />

zu erfüllen seien.« 65 Da Gurlitt der Auffassung war, dass keine Fotografie, kein Diapositiv<br />

das darstelle, was er in seinem Vortrag zeigen wollte, zeichnete er ebenso wie Schumacher<br />

und Hartung an die Tafel: »Perspektivische Querschnitte durch einen Bau, um die<br />

Konstruktion darzulegen, Aufblicke auf Gewölbe, Einblicke in diese von verschiedenen<br />

Standpunkten, Hinweise warum diese oder jene Hilfsform entstand und wie sie sich im<br />

Lauf der Zeiten auswirkte usw. Aber auch Darstellungen des Haushalts in den Wohngebäuden<br />

der verschiedenen Zeiten, wie sie sich aus den Gesellschaftsverhältnissen ergaben,<br />

gemessen an den für jeden neuzeitigen Entwurf maßgebenden Fragen. Wie kommt<br />

das Essen warm von der Küche zur Tafel? Wie erfolgt die Bedienung ohne Belästigung<br />

der Hausherrschaft? Wie waren die gesellschaftlichen Formen und was geschah, um<br />

diese festlich abspielen zu lassen?«. 66 Parallel dazu führte Gurlitt die Baugeschichtlichen<br />

Übungen ein, die er anfangs allein, später gemeinsam mit Robert Bruck67 in der<br />

Sammlung für Baukunst veranstaltete, deren Blätter und Modelle als Anschauungsmaterial<br />

dienten. Im Wintersemester 1904/05, als Kirchner die Baugeschichtlichen Übungen<br />

besuchte, gab es Vorträge über Städtebau, mittelalterlichen Kirchenbau und orientalische<br />

Baukunst.<br />

Gurlitt hielt zudem Vorlesungen über Backsteinbau und Holzbau, ausgewählte Kapitel<br />

der Ästhetik und Künstlerische Aufgaben im Städtebau. Letzteres war für ihn eine neue<br />

und so aktuelle Frage, dass er diese Vorlesung nicht nur fest in seinen Turnus integrierte,<br />

sondern ab 1910 in Form eines sechsstündigen Städtebauseminars anbot. Erste Gedanken<br />

zu den künstlerischen Aufgaben des Städtebaus publizierte Gurlitt bereits 1904 in<br />

dem Büchlein Über Baukunst, 68 in dem er sich der Gestaltung von Straßen und Plätzen<br />

widmete. Seine lange Beschäftigung mit Themen des Städtebaus mündete schließlich<br />

1920 in das Handbuch des Städtebaus. 69 Die Vorlesungen Gurlitts wurden durch diejenigen<br />

Jean Louis Sponsels70 über die Kunst in Dresden oder den Ornamentstich der Barockzeit<br />

sowie die von Georg Treu über die Bildhauerei des Altertums oder die Bildhauerei<br />

des 19. Jahrhunderts und die von Bruck über die Kunst in Dresdner Museen ergänzt.<br />

D I E D I P L O M A R B E I T<br />

Die Bearbeitung der Diplomarbeit erfolgte in den Semesterferien vor den Prüfungen im<br />

neunten Semester. Der Leiter des Ateliers für Baukunst stellte für jeden einzelnen Studenten<br />

das Thema und legte Umfang und Detaillierungsgrad fest. Gefordert waren jeweils<br />

ein Erläuterungsbericht, Grundrisse, Ansichten und ein Schnitt. Da Kirchner »die<br />

6 Karl Weißbach, Konstruktionssaal im<br />

neuen Hauptgebäude der th Dresden,<br />

historische Fotografie, 1905<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

115


7 Fritz Bleyl, Aus der Diplomarbeit,<br />

Wandelhalle. Perspektive, 1905, Aquarell,<br />

Brücke-Museum, Berlin<br />

116 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

Diplomprüfungskommission ganz ergebenst um Überweisung der Diplomaufgabe« 71 ersucht<br />

hatte, kann man vermuten, dass Weißbach die Diplomaufgabe üblicherweise persönlich<br />

übergeben hat.<br />

Im Jahr 1905 stellten Weißbach und Hartung den Studenten folgende Diplomthemen: 72<br />

Wandelhalle für ein feines Bad (Fritz Bleyl; ABB. 7), Friedhofsanlage (Ernst Ludwig Kirchner;<br />

siehe Abb. S. 12–24), Fürstliche Begräbniskapelle (Fritz Zimmermann), Kasino im<br />

Seebade (Karl Kießling), Friedhofskapelle mit Leichenhalle (Max Lungwitz), Museum mit<br />

Lesehalle und Vortragssaal (Janko Schafarik), Entwurf zu einem eingebauten Mietshause<br />

(Oskar Stremel) sowie Vorstadtkirche mit Pfarrhaus (Oskar Undeutsch). Kirchners<br />

konkrete Aufgabenstellung ist überliefert, da er sie seinem Erläuterungsbericht vorangestellt<br />

hat. Sie weicht, der Größe der zu bearbeitenden Anlage entsprechend, von den<br />

üblichen Anforderungen ab. Außer von Kirchner ist noch der Erläuterungsbericht von<br />

Janko Schafarik73 erhalten. Der Erläuterungsbericht Kirchners zeichnet sich gegenüber<br />

diesem durch die Illustrationen aus (siehe Abb. S. 14–16). Die Aufgabenstellung muss<br />

Kirchner als etwas undankbar empfunden haben, gibt sie doch aufgrund des geforderten<br />

Maßstabes keine Gelegenheit für detaillierte künstlerische Raumausstattungen und<br />

auch nur wenig Gelegenheit für überschwengliche, malerische Darstellung. Die Ansichten<br />

der drei Terrassen (siehe Abb. S. 26) ähneln in ihrer Gestaltung und Darstellung einigen<br />

der von Wallot publizierten studentischen Entwürfe der Dresdener Kunstakademie<br />

und verweisen somit auf dessen Einfluss. 74<br />

D I E D I P L O M - H AU P T P RÜ F U N G<br />

Ende des neunten Semesters fanden die Diplom-Hauptprüfungen statt. Einige Studenten<br />

ließen sich auf Antrag vom Besuch der Lehrveranstaltungen in diesem Semester befreien,<br />

darunter auch Kirchner. 75 Die mündlichen Prüfungen waren öffentlich und fanden<br />

alle an einem Tag statt. Hartung und Weißbach prüften über Wohnhausbau und Öffentliche<br />

Gebäude, Inhalte, die beide parallel zum Entwerfen im Hochbau beziehungsweise<br />

zum Arbeiten im Atelier vermittelt hatten. Schwieriger war wohl die Prüfung der Baukonstruktionslehre<br />

mit Anwendung der Statik bei Böhm, da dessen Fächer bloß bis zum


fünften Semester belegt wurden, also entsprechend lange zurücklagen. Bei Heizungsund<br />

Lüftungsanlagen mit Berücksichtigung der Hygiene prüfte Frühling aus der Ingenieurabteilung<br />

die damals sehr aktuellen, technischen Inhalte. Die historischen Fächer<br />

Formenlehre und Geschichte der antiken, der altchristlichen, mittelalterlichen und der<br />

Renaissance-Baukunst und Stillehre des Kunstgewerbes wiederum, die von Gurlitt geprüft<br />

wurden, waren aufgrund der fast das ganze Studium umfassenden Vorlesungen<br />

von einer ziemlichen Materialfülle.<br />

R E S Ü M E E<br />

Das Studium an der Technischen Hochschule Dresden war sehr straff strukturiert. Es gab<br />

nur wenige Freiheiten, sein Studium nach eigenen Interessensschwerpunkten zu gestalten.<br />

Vergleicht man die Studienpläne mit Kirchners Einschreibebögen, so kann man feststellen,<br />

dass Kirchner einige Fächer, die nicht zum Prüfungsumfang der Diplom-Vorprüfung<br />

gehörten, erst gar nicht belegte. Überraschenderweise besuchte Kirchner die Vorlesung<br />

Mineralogie, deren Besuch zu seinem Studienbeginn nur für die Staatsprüfung,<br />

nicht jedoch die Diplomprüfung verpflichtend war. Andererseits belegte er einige Fächer<br />

schon früher als in den Studienplänen empfohlen, 76 was vermuten lässt, dass er seinen<br />

München-Aufenthalt im Wintersemester 1903/04 langfristig geplant hatte.<br />

Betrachtet man die Einschreibebögen, speziell die Noten in den jeweiligen Fächern, entsteht<br />

der Eindruck, dass Kirchner, der durch seine Familie unterhalten wurde, weniger<br />

ehrgeizig war als sein Freund Fritz Bleyl, der auf die Gewährung von Stipendien angewiesen<br />

war und gute bis sehr gute Noten vorweisen musste. 77 Aus diesem Grund dürfte<br />

Bleyl im Gegensatz zu Kirchner auch nicht um Befreiung vom Besuch der Lehrveranstaltungen<br />

in der Vorbereitungszeit für die Diplom-Hauptprüfung nachgesucht haben. Da<br />

Kirchner sein Architekturstudium später nicht mehr thematisiert hat, stand es lange<br />

nicht zur wissenschaftlichen Diskussion. Die Entwurfslehre Schumachers vom Ornament<br />

bis zum Entwerfen von Inneneinrichtungen hatte bei Kirchner jedoch ihre Spuren<br />

hinterlassen, die sich nicht nur in der relativ großen Zahl erhaltener Studienentwürfe für<br />

Innenräume und Ausstattungsgegenstände zeigt. »Eines Tages erschien er [Kirchner] in<br />

meinem Arbeitszimmer, breitete eine Mappe mit den farbigen Zeichnungen zu einem<br />

ganz extravaganten modernen Innenraum vor mir aus und eröffnete mir, das sei seine<br />

Doktorarbeit.« 78 Das Gestalten eines Architekten war bei ihm eng verknüpft mit der des<br />

Künstlers. Immer wieder hat er die Ausstattungen seiner jeweiligen Wohnungen im<br />

Sinne eines Raumkonzeptes nicht nur selber entworfen, sondern auch hergestellt. 79 Und<br />

gemäß Schumachers Worten »… nach meinen Entwurf …, die Stoffe gewebt und die<br />

kostbaren Teppiche eigens geknüpft«, 80 hat auch Kirchner Kopfkissen, Stuhlkissen und<br />

Bildteppiche entworfen und herstellen lassen. 81 Die bekanntesten sind die von Lise Gujer<br />

nach seinen Entwürfen gewebten Bildteppiche. 82 Kirchner beschäftigte sich auch<br />

nach seinem Diplom wiederholt mit Raumgestaltungen. Hier wären zum Beispiel die<br />

Standgestaltung für den Tabakhändler Feinhals auf der Werkbund-Ausstellung in Köln<br />

1914, die Ausmalung des Treppenhauses in dem zum Sanatorium Kohnstamm in Königstein<br />

im Taunus gehörigen Brunnenhaus 1916 oder die geplante Ausmalung des Festsaales<br />

des Museum Folkwang in Essen zu nennen. Auch die 1992 entdeckten Architekturzeichnungen<br />

von 1914/15 für das Ausstellungsprojekt zur Zweihundertjahrfeier Karlsruhes83 gehören in diesen Zusammenhang.<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

117


1 Etwa Günter Krüger, Fritz Bleyl. Beiträge zum<br />

Werden und Zusammenschluss der Künstlergruppe<br />

»Brücke«, in: Leopold Reidemeister<br />

(Hg.), Brücke-Archiv, München 1968/69, S. 27–<br />

53 (Brücke-Archiv 2/3); Petra Lewey-Meyer, Fritz<br />

Bleyl – 1880–1966 [Typoskript], Diss. Universität<br />

Halle, 1993, S. 19–23. Während das Architekturstudium<br />

der »Brücke«-Künstler im Allgemeinen<br />

eher summarisch abgehandelt wurde, hat Peter<br />

Lasko 1997 auf Grundlage der Dokumente im<br />

Archiv der tu Dresden das Architekturstudium<br />

und die Lehrer der »Brücke«-Künstler detailliert<br />

dargestellt, siehe: Peter Lasko, The Student Years<br />

of the Brücke and their Teachers, in: Art History,<br />

20, 1997, S. 61–99; Kirchners Studienarbeiten<br />

wurden erstmals publiziert im Zusammenhang<br />

der Ausstellung Der Architekt Ernst Ludwig<br />

Kirchner. Diplomarbeit und Studienentwürfe<br />

1901–1905, München 1999, mit einer Einführung<br />

von Meike Hoffmann.<br />

2 Vgl. Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchner und<br />

die Künstlergruppe »Brücke«, in: Von der Brücke<br />

zum Blauen Reiter. Farbe, Form und Ausdruck in<br />

der deutschen Kunst von 1905 bis 1914, hg. von<br />

Tayfun Belgin (Ausst.-Kat. Museum am Ostwall,<br />

Dortmund), Heidelberg 1996, S. 63–81; Annegret<br />

Laabs, Malerei – eine Kunst im Aufbruch?, in:<br />

Jugendstil in Dresden. Aufbruch in die Moderne,<br />

hg. von den Staatlichen Kunstsammlungen<br />

Dresden (Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen/<br />

Kunstgewerbemuseum Dresden), Wolfratshausen<br />

1999, S. 154.<br />

3 tu dd ua Studentenakten: Hilmar Friedrich<br />

Wilhelm Bleyl Nr. 2539; Ernst Ludwig Kirchner<br />

Nr. 5836; Reinhold Erich Heckel Nr. 4654; Karl<br />

Friedrich Schmidt Nr. 10307. Heckel hatte sich<br />

jedoch bereits für das Sommersemester 1906,<br />

Schmidt-Rottluff sich für das Sommersemester<br />

1906 und das Wintersemester 1906/07 beurlauben<br />

lassen.<br />

4 1764 als Allgemeine Kunst-Academie der Malerey,<br />

Bildhauer-Kunst, Kupferstecher- und Baukunst<br />

im Auftrag von Kurfürst Friedrich Christian<br />

von Sachsen gegründet. 1950 wurde die Akademie<br />

der Bildenden Künste Dresden mit der<br />

Staatlichen Hochschule für Werkkunst, der<br />

Nachfolgerin der 1875/76 gegründeten Königlich<br />

Sächsischen Kunstgewerbeschule, zur Hochschule<br />

für Bildende Künste Dresden vereint.<br />

5 Gegründet 1828 als Technische Bildungsanstalt,<br />

1851 Königlich Polytechnische Schule, 1871<br />

Königlich Sächsisches Polytechnikum, 1890<br />

Königlich Sächsische Technische Hochschule,<br />

1918 Technische Hochschule, 1961 Technische<br />

Universität.<br />

6 Königlich Sächsische Technische Hochschule<br />

zu Dresden, Verzeichnis der Vorlesungen und<br />

Übungen samt den Stunden- und Studienplänen,<br />

Sommersemester 1901, S. 4.<br />

7 Ebd., S. 4.<br />

8 Ebd., S. 33.<br />

9 Im Sommersemester begannen die Vorlesungen<br />

um sieben Uhr, im Wintersemester um acht Uhr.<br />

10 Mathematik, Physik, Chemie.<br />

11 Differential- und Integralrechnung, Analytische<br />

Geometrie, Darstellende Geometrie, Vermessungslehre,<br />

Mineralogie.<br />

118 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

12 Im Sommersemester 1901 studierten 151<br />

Studenten in der Hochbauabteilung. Siehe: Bericht<br />

über die Königlich Sächsische Technische<br />

Hochschule Dresden 1901/02, S. 8.<br />

13 Fritz Bleyl, Erinnerungen, zit. nach: Hans Wetzel,<br />

Fritz Bleyl, Gründungsmitglied der »Brücke«, in:<br />

Magdalena M. Moeller (Hg.), Fritz Bleyl 1880–<br />

1966, München 1993, S. 209 (Brücke-Archiv 18).<br />

14 Ebd., S. 210.<br />

15 Fritz Schumacher (1869–1947), Studium der<br />

Mathematik, Naturwissenschaften, Architektur,<br />

1901–1909 außerordentlicher Professor für<br />

Bauformenlehre und Entwerfen. Kurzlebensläufe<br />

zu Schumacher sowie einigen anderen Lehrern<br />

Kirchners finden sich auf S. 134f.<br />

16 Fritz Schumacher, Stufen des Lebens, Stuttgart<br />

1935, S. 224.<br />

17 Bericht TH Dresden 1901/02 (wie Anm. 12), S. 8.<br />

18 Arwed Fuhrmann (1840–1907), Studium der<br />

Mathematik und Geodäsie, 1869–1906 Professor<br />

für Mathematik und Vermessungslehre.<br />

19 Karl Rohn (1855–1920), Studium der Mathematik,<br />

1885–1905 Professor für Darstellende<br />

Geometrie.<br />

20 Siehe: tu dd ua, nl G. A. Fuhrmann, Nr. 01;<br />

Arwed Fuhrmann, Beiträge zum geodätischen<br />

Zeichnen sowie zum Entwerfen von Stadtplätzen,<br />

Dresden 1906.<br />

21 Arwed Fuhrmann, Anleitungen betreffend das<br />

Geodätische Zeichnen der Architekten, Dresden<br />

1892.<br />

22 Ebd., S. 7, 22.<br />

23 Karl Rohn, Die Entwicklung der Raumanschauung<br />

im Unterricht. Festrede zur Feier des<br />

Geburtstages Seiner Majestät des Königs am<br />

23. April 1900, in: Bericht über die Königlich<br />

Sächsische Technische Hochschule Dresden<br />

1899/1900, S. 27–32.<br />

24 Ebd., S. 30f.<br />

25 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 210.<br />

26 Ebenso war Ornamentzeichnen Voraussetzung<br />

für das Belegen von Ornamententwerfen, Bauformen-<br />

und Stillehre waren Voraussetzung für<br />

das Belegen von Entwerfen von Hochbauten,<br />

Entwerfen von Hochbauten und Ornamententwerfen<br />

waren Voraussetzungen für das Arbeiten<br />

im Atelier. Siehe: Verzeichnis der Vorlesungen,<br />

Sommersemester 1901 (wie Anm. 6), S. 33.<br />

27 Laut den Stundenplänen der Hochbauabteilung<br />

in den Verzeichnissen der Vorlesungen und<br />

Übungen fanden dort von Schumachers Amtsantritt<br />

im Sommersemester 1901 bis zum<br />

Sommersemester 1904 alle seine Übungen statt.<br />

28 Fritz Schumacher, Aus der Vorgeschichte der<br />

»Brücke«, in: Der Kreis. Zeitschrift für künstlerische<br />

Kultur, 9, 1932, S. 7. Hier irrte Schumacher,<br />

handelte es sich 1901 doch um Bleyl. Heckel<br />

begann sein Studium erst 1903.<br />

29 Schumacher 1935 (wie Anm. 16), S. 220.<br />

30 Ebd., S. 217.<br />

31 Ebd., S. 217f.<br />

32 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 210.<br />

33 Oskar Reuther, Hochbau-Abteilung, in: Ein Jahrhundert<br />

Sächsische Technische Hochschule<br />

1828–1928. Festschrift zur Jahrhundertfeier,<br />

Dresden 1928, S. 45.<br />

34 Cornelius Gurlitt (1850–1938), Studium der<br />

Architektur und Kunstgeschichte, 1893–1920<br />

Professor für Geschichte der Baukunst und Stillehre,<br />

Gründer des Seminars für Städtebau.<br />

35 tu dd, ua, Nachlass Cornelius Gurlitt, Brief<br />

088/001, Schreiben von Schumacher an Gurlitt<br />

vom 6.12.1900; Brief 088/004, Schreiben von<br />

Schumacher an Gurlitt vom 31.12.1919.<br />

36 Eine Sammlung der in verschiedenen Zeitschriften<br />

publizierten Beiträge erschien 1899:<br />

Fritz Schumacher, Im Kampfe um die Kunst.<br />

Beiträge zu architektonischen Zeitfragen, Straßburg<br />

1899.<br />

37 Fritz Schumacher, Studien, Leipzig 1900.<br />

38 Karl Friedrich Weichhardt (1846–1906), Studium<br />

der Architektur, 1900–1906 Professor für Ornamententwerfen<br />

und Figurenzeichnen.<br />

39 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 213.<br />

40 Pompeji vor der Zerstörung. Reconstructionen<br />

der Tempel und ihrer Umgebung, Leipzig 1897;<br />

Das Schloss des Tiberius und andere Roemerbauten<br />

auf Capri, Leipzig 1900.<br />

41 Theodor Böhm, Karl Weichardt †, in: Taschenbuch<br />

der Technischen Hochschule zu Dresden,<br />

Wintersemester 1906/07, S. 54.<br />

42 Theodor Böhm (1847–1921), Studium des Bauingenieurwesens,<br />

1901–1911 Professor für Hochbau<br />

und Entwerfen.<br />

43 Wilhelm Hallwachs (1859–1922), Studium der<br />

Physik, 1893–1900 Professor für Elektrotechnik,<br />

1900–1922 Professor für Experimentalphysik.<br />

44 Eberhard Hempel (1886–1967), Studium der<br />

Kunstgeschichte, 1936–1955 Professor für<br />

Kunstgeschichte.<br />

45 Max Foerster (1867–1930), Studium des Bauingenieurwesens,<br />

1899–1930 Professor für Bauingenieurwissenschaften.<br />

46 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 212.<br />

47 Ebd., S. 210.<br />

48 Georg Treu (1843–1921), Studium der Theologie<br />

und Archäologie, 1882–1909 Professor für<br />

Kunstgeschichte, 1882–1919 Direktor der<br />

Skulpturensammlung im Dresdner Albertinum.<br />

49 Veranschlagen und Bauführung, Elemente der<br />

Ingenieurwissenschaft, Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht,<br />

Elemente des Maschinenbaus,<br />

Aquarellmalen.<br />

50 Hugo Hartung (1855–1932), Studium des Bauingenieurwesens<br />

und der Architektur, 1900–1912<br />

Professor für Hochbau und Entwerfen.<br />

51 Karl Weißbach (1841–1905), Studium der Architektur,<br />

ab 1869 Lehrer für Architektur- und<br />

Ornamentzeichnen am Polytechnikum in<br />

Dresden (später th), 1875–1901 Titularprofessor<br />

für Entwerfen von Hochbauten und farbigen<br />

Dekorationen, 1901–1905 Professor für Hochbau.<br />

52 Schumacher 1935 (wie Anm. 16), S. 220. Es<br />

handelt sich hierbei um die Kunstgewerblichen<br />

Übungen, da Innerer Ausbau eine Vorlesung<br />

ohne Übungen ist. Jedoch ist eine enge Verknüpfung<br />

dieser beiden Fächer Stillehre des Kunstgewerbes<br />

und Innerer Ausbau vorauszusetzen.<br />

53 Ebd.<br />

54 Paul Wallot (1841–1912), Studium der Architektur,<br />

1895–1911 Lehrauftrag der Kunstakademie<br />

Dresden, gleichzeitig an der th Dresden für<br />

Skizzieren aus dem Gebiet des Hochbaus.<br />

55 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 213.


56 Reuther 1928 (wie Anm. 33), S. 38. Reuther hatte<br />

selbst 1899–1904 Architektur in der Hochbauabteilung<br />

der th Dresden studiert und ebenfalls<br />

Skizzieren aus dem Gebiete des Hochbaus bei<br />

Wallot belegt.<br />

57 Gleiches könnte man für den Entwurf für ein<br />

Wohnhaus am Berghang (siehe Abb. S. 60–63)<br />

annehmen, welches ebenso malerisch dargestellt<br />

ist. Hoffmann hatte nur die Villenentwürfe<br />

(siehe Abb. S. 90, 91) den Skizzierübungen bei<br />

Wallot zugeschrieben, da es sich bei ihnen um<br />

schnelle, skizzenhafte Zeichnungen handelt,<br />

siehe Hoffmann 1999 (wie Anm. 1), S. 8.<br />

58 Paul Wallot, Architektonische Entwürfe aus<br />

dem Atelier des Geheimen Baurat Professor<br />

Dr. Paul Wallot, Bd. 4, Leipzig 1903; Bd. 6/7,<br />

Leipzig um 1907; Bd. 8/9, Leipzig um 1909. Bereits<br />

1898 erschien: Constantin Lipsius und Paul<br />

Wallot (Hg.), Architektonische Studien-Arbeiten<br />

aus dem akademischen Atelier von Constantin<br />

Lipsius, weil. Baurat und Professor an der Akademie<br />

der Bildenden Künste in Dresden ausgew.<br />

von Geh. Baurat Professor Dr. Wallot, Dresden<br />

1898. Auch stellte Wallot 1911 Arbeiten seiner<br />

Schüler in der Galerie Arnold in Dresden aus.<br />

Paul Wallot, Baukunst-Ausstellung Wallot und<br />

seine Schüler. Galerie Arnold, Schloßstraße,<br />

Dresden 1911. Die Galerie Arnold war bis in<br />

die 1920er-Jahre eine der führenden Galerien<br />

Deutschlands, in der 1910 auch die »Brücke«<br />

ausstellte.<br />

59 Reuther 1928 (wie Anm. 33), S. 38.<br />

60 Ebd., S. 46.<br />

61 Bleyl 1993 (wie Anm. 13), S. 217. Die Studienfahrt<br />

fand tatsächlich im Studienjahr 1903/04,<br />

folglich im Sommer 1903 vor Kirchners<br />

Münchenaufenthalt, statt. Siehe: Bericht über<br />

die Königlich Sächsische Technische Hochschule<br />

Dresden 1903/04, S. 16.<br />

62 Karl Weißbach, Wohnhäuser, Stuttgart 1902<br />

(Handbuch der Architektur; Teil 4: Entwerfen,<br />

Anlage und Einrichtung der Gebäude; Halb-<br />

Bd. 2: Gebäude für die Zwecke des Wohnens,<br />

des Handels und Verkehres; H. 1); Karl Weißbach<br />

und Walter Mackowsky (Hg.), Das Arbeiterwohnhaus.<br />

Anlage, innere Einrichtung und künstlerische<br />

Ausgestaltung, Arbeiterkolonien und<br />

Gartenstädte, Berlin 2. Aufl. 1910.<br />

63 Hoffmann datiert diesen Entwurf auf 1904 oder<br />

1904/05. Hoffmann 1999 (wie Anm. 1), S. 23ff.<br />

64 Der Entwurf Schlösschen für einen Kunstliebhaber<br />

(Abb. 84–89) sieht sehr nach einem Wettbewerbsbeitrag<br />

aus. Da das Thema aber nicht<br />

zu den jährlichen Preisaufgaben der Hochschule<br />

gehörte, ist leider keine weitere Zuordnung<br />

möglich.<br />

65 Cornelius Gurlitt, in: Johannes Jahn (Hg.),<br />

Die Kunstwissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen,<br />

Leipzig 1924, S. 20.<br />

66 Ebd., S. 21.<br />

67 Robert Bruck (1863–1942), Studium der Kunstgeschichte<br />

und Philosophie, 1902 Assistent für<br />

Kunstgeschichte an der th, 1906 außerordentlicher<br />

Professor für Kunstgeschichte, 1912–1941<br />

ordentlicher Professor für Mittlere und Neuere<br />

Kunstgeschichte.<br />

68 Cornelius Gurlitt, Über Baukunst, Berlin 1904.<br />

69 Cornelius Gurlitt, Handbuch des Städtebaues,<br />

Berlin 1920.<br />

70 Jean Louis Sponsel (1858–1930), Studium der<br />

Kunstgeschichte und Archäologie, ab 1898<br />

Privatdozent für Geschichte der Architektur und<br />

des Kunstgewerbes, 1902–1908 außerordentlicher<br />

Professor für Geschichte der Architektur<br />

und des Kunstgewerbes.<br />

71 Brief Kirchners an die Diplomprüfungs-Kommission<br />

der Hochbauabteilung der th Dresden vom<br />

10.1.1905, in: tu dd ua, Studentenakte 5836.<br />

72 Die Diplomthemen finden sich im Protokoll der<br />

Diplom-Hauptprüfung. Es konnten nur die<br />

Themen der Studenten, deren Akten erhalten<br />

sind, aufgeführt werden.<br />

73 Janko Schafarik (* 18.9.1882 in Belgrad), eingeschrieben<br />

vom 10.10.1901 bis 11.12.1905, in:<br />

tu dd ua, Studentenakte 9997.<br />

74 Vgl. Anm. 47.<br />

75 Brief von Kirchner an den Senat der th Dresden<br />

vom 10.5.05, in: tu dd ua, Studentenakte 5836.<br />

76 Kunstgewerbliche Übungen, Innerer Ausbau,<br />

Skizzieren aus dem Gebiete des Hochbaus.<br />

77 Siehe: Allgemeine Grundsätze für die Stipendienerteilung<br />

an der Technischen Hochschule zu<br />

Dresden, Dresden 1904.<br />

78 Schumacher 1932 (wie Anm. 28), S. 10. Schumacher<br />

musste ihm auseinandersetzen, dass<br />

nicht ein künstlerischer Entwurf, sondern eine<br />

wissenschaftliche Arbeit die Vorbedingung zum<br />

Doktorexamen sei.<br />

79 Siehe zum Beispiel: Hanna Strzoda, Die Ateliers<br />

Ernst Ludwig Kirchners. Eine Studie zur Rezeption<br />

»primitiver« europäischer und außereuropäischer<br />

Kulturen, Petersberg 2006.<br />

80 Schumacher 1935 (wie Anm. 16), S. 254.<br />

81 Kirchner Museum Davos (Hg.), Ernst Ludwig<br />

Kirchner. Katalog der Sammlung, Bd. 1, Davos<br />

1992, Abb. 279.<br />

82 Beat Stutzer, Bildteppiche von Ernst Ludwig<br />

Kirchner und Lise Gujer, Zürich 2009, S. 14.<br />

83 Ernst Ludwig Kirchner. Unbekannte Zeichnungen<br />

aus dem Kirchner-Museum Davos, ausgewählte<br />

Werke aus der Schenkung der Familienstiftung<br />

Benvenuta, Vaduz, 1994, hg. von Gabriele Lohberg<br />

(Ausst.-Kat. Bündner Kunstmuseum Chur/<br />

Kunsthalle Emden), Chur 1995, S. 17f., 106–109.<br />

A R C H I T E K T U R L E H R E I N D R E S D E N<br />

119


120 T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

G7<br />

Entwurf für ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude.<br />

Ansichten, Schnitte und Grundrisse, 1903<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />

68 × 50,3 cm


G8<br />

Entwurf für eine Krippenanordnung in Militär-<br />

Pferdeställen. Aufrisse, Schnitte und Grundrisse,<br />

1903<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 46,5 × 66,6 cm<br />

T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

121


122 T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

G1<br />

Studien zu geometrischen Körpern und Architekturdetails,<br />

1901/02<br />

Tuschfeder, laviert, und Bleistift auf Velin,<br />

43,5 × 57,4 cm


G2<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901/02<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin<br />

44 × 57,9 cm<br />

T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

123


124 T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

G3<br />

Zwei Ornamententwürfe. Vorsatzpapiere, 1901/02<br />

Tuschfeder in Blau und Rot sowie Bleistift auf Zeichenpapier,<br />

montiert auf Karton, je 11 × 5,5 cm<br />

G4<br />

Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschpinsel, Bleistift und gelber Buntstift auf Zeichenpapier,<br />

montiert auf Karton, 12,8 × 10,4 cm


G5<br />

Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschpinsel und Bleistift auf Zeichenpapier,<br />

montiert auf Karton, 16,7 × 12,6 cm<br />

G6<br />

Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschfeder in Rot auf Zeichenpapier, montiert<br />

auf Karton, 11,8 × 9,7 cm<br />

T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

125


126 T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

G 9<br />

Entwurf für eine Heizkörperverkleidung, 1901/02<br />

Bleistift und Buntstift auf Transparentpapier,<br />

33,4 × 26 cm<br />

G 10<br />

Entwurf für eine Heizkörperverkleidung, 1901/02<br />

Bleistift auf Transparentpapier,<br />

34,9 × 23,9 cm


G11<br />

Fünf Jugendstilornamente, 1902–1904<br />

Tusche mit Feder und Pinsel auf beidseitig mit Papier<br />

beschichtetem Karton, 59,8 × 39,9 cm<br />

T E C H N I S C H E Z E I C H N U N G E N U N D O R N A M E N T E<br />

127


KURZBIOGRAFIE<br />

1880 Geboren am 6. Mai in Aschaffenburg<br />

als ältester Sohn von Ernst Kirchner<br />

(1847–1921), Ingenieur und Chemiker<br />

in der Papierindustrie, und Maria<br />

Elise Franke (1851–1928). Zwei jüngere<br />

Brüder: Hans Walter (1882–1954) und<br />

Ulrich (1888–1950).<br />

1886 Umzug der Familie nach Frankfurt<br />

am Main, dann 1887 nach Perlen<br />

bei Luzern.<br />

1890 Übersiedlung nach Chemnitz,<br />

wohin der Vater als Professor für<br />

Papierwissenschaft berufen wurde. Eintritt<br />

Kirchners in das Realgymnasium.<br />

1901 Reifeprüfung am 29. März in<br />

Chemnitz. Zum 15. April Beginn des<br />

Architekturstudiums an der Technischen<br />

Hochschule Dresden.<br />

1903 Vordiplom an der th Dresden<br />

im Sommersemester 1903. Im Wintersemester<br />

Studium an der Technischen<br />

Hochschule in München, unter anderem<br />

bei Professor Paul Pfann. Besuch<br />

der privaten Lehr- und Versuchs-Ateliers<br />

für angewandte und freie Kunst von<br />

Wilhelm von Debschitz (1871–1948)<br />

und Hermann Obrist (1862–1927); belegt<br />

dort Kurse in Kompositionslehre<br />

und Aktzeichnen.<br />

1904 Wiederaufnahme des Studiums<br />

an der th Dresden zum Sommersemester<br />

1904. Erste malerische Versuche,<br />

die dem Jugendstil verhaftet<br />

sind. Im Sommer zusammen mit<br />

seinem Kommilitonen Fritz Bleyl<br />

(1880–1966) erste Ausflüge zur<br />

den Moritzburger Seen bei Dresden.<br />

Bekanntschaft mit Erich Heckel<br />

(1883–1970).<br />

1905 Diplomarbeit Entwurf einer<br />

Friedhofsanlage, 30. April, Zeugnis<br />

eines Diplom-Ingenieurs zum 1. Juli mit<br />

der Note »gut«. Am 5. Juni Gründung<br />

der Künstlergemeinschaft »Brücke«<br />

mit den Kommilitonen Erich Heckel,<br />

Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)<br />

und Fritz Bleyl.<br />

1906–1910 Die Künstler Cuno Amiet<br />

(1868–1961), Emil Nolde (1867–1956),<br />

Max Pechstein (1881–1955) und<br />

Otto Mueller (1874–1930) werden<br />

Mitglieder der »Brücke«. Zahlreiche<br />

Gruppenausstellungen in Deutschland.<br />

1911 Übersiedlung nach Berlin.<br />

Gründung des erfolglosen muim-<br />

Instituts (Moderner Unterricht in<br />

Malerei) zusammen mit Pechstein.<br />

1913 Kirchner verfasst die Schrift<br />

Chronik der kg Brücke. Aufgrund von<br />

Meinungsverschiedenheiten über<br />

seine Darstellung löst sich die Gruppe<br />

am 27. Mai auf.<br />

1915–1917 Kirchner meldet sich<br />

»unfreiwillig freiwillig« zum Kriegsdienst.<br />

Wegen einer psychischen<br />

Erkrankung wird er vorläufig aus dem<br />

Dienst entlassen. Aufenthalt in verschiedenen<br />

Sanatorien; erster Aufenthalt<br />

in Davos.<br />

1918 Ständige Übersiedlung in die<br />

Schweiz nach Davos Frauenkirch.<br />

1919–1937 Zahlreiche Ausstellungen<br />

in der Schweiz, in Deutschland, Belgien<br />

und den Vereinigten Staaten.<br />

1938 Am 15. Juni Freitod. Beisetzung<br />

auf dem Waldfriedhof in Davos.<br />

Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis mit Pfeife,<br />

1905, Holzschnitt, 9,8 × 18,9 cm, Brücke-<br />

Museum, Berlin<br />

129


STUNDEN- UND SEMESTERPL AN 1901–1905<br />

Aufgestellt von Kerstin Zaschke, tu Dresden | Quelle: Königlich Sächsische Technische Hochschule zu Dresden, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen samt der Stunden- und Studienpläne;<br />

Universitätsarchiv der tud, Studentenakte Ernst Ludwig Kirchner Nr. 5836<br />

Wochentage/Hörstunde<br />

4. SEMESTER WINTERSEMESTER 1902/03 3. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1902 2. SEMESTER WINTERSEMESTER 1901/02 1. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1901<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

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Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Beginn stets cum tempore<br />

130 A N H A N G<br />

7–8 Uhr 8–9 Uhr 9–10 Uhr 10–11 Uhr 11–12 Uhr 12–13 Uhr<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie i<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie i<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie i<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie i<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie i<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie i<br />

Ernst Kalkowsky<br />

Mineralogie<br />

Ernst Kalkowsky<br />

Mineralogie<br />

Ernst Kalkowsky<br />

Mineralogie<br />

Ernst Kalkowsky<br />

Mineralogie<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie ii<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie ii<br />

Georg Helm<br />

Analytische Geometrie ii<br />

Hugo Hartung<br />

Formenlehre des Mittelalters<br />

Hugo Hartung<br />

Formenlehre des Mittelalters<br />

Hugo Hartung<br />

Einrichtung der Gebäude<br />

Karl Weißbach<br />

Formenlehre der Renaissance<br />

Theodor Böhm<br />

Statik und Festigkeitslehre i<br />

Theodor Böhm<br />

Statik und Festigkeitslehre i<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie ii<br />

Max Foerster<br />

Baumaterialien<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Anwendung der Elementarmathematik<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Anwendung der Elementarmathematik<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie ii<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie ii<br />

Fritz Schumacher<br />

Stillehre der Kunstgewerbe<br />

Fritz Schumacher<br />

Stillehre der Kunstgewerbe<br />

Theodor Böhm<br />

Statik und Festigkeitslehre<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Walther Hempel<br />

Experimental-Chemie<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Vermessungslehre<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Vermessungslehre<br />

Fritz Schumacher<br />

Bauformenlehre der Antike<br />

Fritz Schumacher<br />

Freihand- und Ornamentenzeichnen<br />

Theodor Böhm<br />

Statik und Festigkeitslehre [2b]<br />

Karl Weichardt<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iii [2b]<br />

Karl Weißbach<br />

Formenlehre der Renaissance<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iii<br />

Jean Louis Sponsel<br />

Ornamentstich der Barockzeit<br />

KUPFERSTICHKABINETT<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie I<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Geodätisches Zeichnen [3a]<br />

Georg Helm<br />

Seminarübungen zur Analytischen Geometrie i<br />

(alle zwei Wochen)<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Geodätisches Zeichnen [2a]<br />

Fritz Schumacher<br />

Bauformenlehre der Antike<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Anwendung der Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Anwendung der Differentialund<br />

Integralrechnung<br />

Georg Helm<br />

Seminarübungen zur Analytischen Geometrie<br />

(alle 2 Wochen)<br />

Wilhelm Hallwachs<br />

Experimental-Physik<br />

Wilhelm Hallwachs<br />

Experimental-Physik<br />

Wilhelm Hallwachs<br />

Experimental-Physik<br />

Wilhelm Hallwachs<br />

Experimental-Physik<br />

Hugo Hartung<br />

Einrichtung der Gebäude<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Geodätisches Zeichnen [2a]<br />

Wilhelm Hallwachs<br />

Experimental-Physik


13–14 Uhr 14–15 Uhr 15–16 Uhr 16–17 Uhr 17–18 Uhr 18–19 Uhr<br />

N. N.<br />

Bauformenzeichnen [1b]<br />

Fritz Schumacher<br />

Freihand- und Ornamentenzeichnen [2a]<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie i<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie i [2a]<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre i<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie ii<br />

N. N.<br />

Bauformenzeichnen<br />

Fritz Schumacher<br />

Freihand- und Ornamentenzeichnen<br />

Karl Rohn<br />

Darstellende Geometrie ii [2a]<br />

Fritz Schumacher<br />

Freihand- und Ornamentenzeichnen [1b]<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre i<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre i<br />

Fritz Schumacher Freihand- und Ornamentenzeichnen<br />

Theodor Böhm Baukonstruktionslehre ii<br />

Arwed Fuhrmann Geodätisches Praktikum IM FREIEN<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre ii<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre i [2b]<br />

Hugo Hartung<br />

Formenlehre des Mittelalters [2a]<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre ii [2b]<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iii<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iii [2b]<br />

Georg Treu<br />

Geschichte der alten Kunst<br />

ALBERTINUM<br />

Theodor Böhm<br />

Architektonisches Zeichnen<br />

Karl Weichardt *<br />

Ornamententwerfen und Figurenzeichnen<br />

Karl Weichardt * Ornamententwerfen und Figurenzeichnen [2b]<br />

Fritz Schuhmacher<br />

Innerer Ausbau<br />

Theodor Böhm Baukonstruktionslehre ii<br />

Fritz Schuhmacher Kunstgewerbliche Übungen<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre ii<br />

Arwed Fuhrmann<br />

Geodätisches Praktikum [2a]<br />

IM FREIEN<br />

Georg Treu<br />

Bildhauerei des Altertums i<br />

ALBERTINUM<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre i<br />

Jean Louis Sponsel<br />

Die Kunst in Dresden<br />

Fritz Schuhmacher<br />

Innerer Ausbau<br />

Fritz Schumacher<br />

Bauformenlehre der Antike [2b]<br />

Fritz Schumacher<br />

Bauformenlehre der Antike<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Backsteinbau<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Backsteinbau<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Vorlesungen | Übungen | Kurse, für die sich Kirchner zunächst eingetragen hatte, um sie dann wieder zu streichen | […]: Note, sofern sie laut Studienakte belegt ist | *Zusammen mit dem Maler Friedrich Meyner<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

4. SEMESTER WINTERSEMESTER 1902/03 3. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1902 2. SEMESTER WINTERSEMESTER 1901/02 1. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1901<br />

S T U N D E N - U N D S E M E S T E R P L A N<br />

131


132 A N H A N G<br />

Wochentage/Hörstunde<br />

8. SEMESTER WINTERSEMESTER 1904/05 7. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1904 6. SEMESTER WINTERSEMESTER 1903/04 5. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1903<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Beginn stets cum tempore<br />

7–8 Uhr 8–9 Uhr 9–10 Uhr 10–11 Uhr 11–12 Uhr 12–13 Uhr<br />

Hugo Hartung<br />

Einrichtung der Gebäude<br />

Hugo Hartung<br />

Einrichtung der Gebäude<br />

Hugo Hartung Entwerfen von Hochbauten<br />

Hugo Hartung Entwerfen von Hochbauten<br />

Fritz Schumacher<br />

Stillehre der Kunstgewerbe<br />

Hugo Hartung Entwerfen von Hochbauten<br />

Paul Wallot Skizzieren aus dem Gebiet des Hochbaues<br />

Hugo Hartung Entwerfen von Hochbauten [2a]<br />

Fritz Schumacher<br />

Stillehre der Kunstgewerbe<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Karl Weißbach<br />

Öffentliche Bauten und Anlagen<br />

Paul Wallot<br />

Skizzieren aus dem Gebiete des Hochbaus [2a]<br />

Karl Weißbach<br />

Öffentliche Bauten und Anlagen<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Friedrich Lücke<br />

Die Kunst des Mittelalters<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Renaissance)<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Renaissance)<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Friedrich Lücke<br />

Die Kunst des Mittelalters<br />

Studiensemester in München an der Technischen Universität;<br />

vornehmlich Studien in freier Kunst an den privaten Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte und freie Kunst von Wilhelm von Debschitz und Hermann Obrist in München<br />

Karl Weichardt*<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Antike)<br />

Karl Weißbach Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Theodor Böhm Veranschlagen und Bauführung<br />

Fritz Schumacher<br />

Innerer Ausbau<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Robert Bruck<br />

Geschichte des Kunstgewerbes<br />

im Mittelalter<br />

Paul Wallot<br />

Skizzieren aus dem Gebiete des Hochbaues<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Antike)<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Mittelalter)<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Geschichte der Baukunst (Mittelalter)


13–14 Uhr 14–15 Uhr 15–16 Uhr 16–17 Uhr 17–18 Uhr 18–19 Uhr<br />

Hugo Hartung Entwerfen von Hochbauten<br />

Theodor Böhm Landwirtschaftliche Baukunst<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iv (Landwirtschaftliche Baukunst) [2b]<br />

Karl Weichardt*<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Karl Weichardt*<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Fritz Schumacher<br />

Innerer Ausbau<br />

Karl Weichardt*<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Theodor Böhm<br />

Baukonstruktionslehre iv (Landwirtschaftliche Baukunst)<br />

Karl Weichardt* Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen<br />

Aktzeichnen<br />

Karl Weichardt*<br />

Ornamentenentwerfen und Figurenzeichnen [2a]<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Karl Weißbach Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst [2a]<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Karl Weißbach<br />

Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

Georg Treu<br />

Griechische Bildhauerei bis Pheidias<br />

ALBERTINUM<br />

August Frühling<br />

Heizung und Lüftung<br />

Fritz Schumacher<br />

Kunstgewerbliche Übungen<br />

Fritz Schumacher Kunstgewerbliche Übungen<br />

Robert Bruck<br />

Geschichte des Kunstgewerbes<br />

im Mittelalter<br />

Arthur Esche<br />

Recht des Grund und Bodens und<br />

Recht des Verkehrswesens<br />

Cornelius Gurlitt und Robert Bruck<br />

Baugeschichtliche Übungen<br />

Robert Bruck<br />

Die Dresdener Museen<br />

und ihre Kunstschätze<br />

Robert Bruck Die Dresdener …<br />

Arthur Esche Recht des Grund<br />

und Bodens und Recht des Verkehrswesens<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Ausgewählte Kapitel<br />

aus der Ästhetik<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Ausgewählte Kapitel<br />

aus der Ästhetik<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Die künstlerischen Aufgaben<br />

im Städtebau<br />

Cornelius Gurlitt<br />

Die künstlerischen Aufgaben<br />

im Städtebau<br />

Friedrich Renk<br />

Wohnungshygiene<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

Montag<br />

Dienstag<br />

Mittwoch<br />

Donnerstag<br />

Vorlesungen | Übungen | Kurse, für die sich Kirchner zunächst eingetragen hatte, um sie dann wieder zu streichen | […]: Note, sofern sie laut Studienakte belegt ist | *Zusammen mit dem Maler Friedrich Meyner<br />

Freitag<br />

Samstag<br />

8. SEMESTER WINTERSEMESTER 1904/05 7. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1904 6. SEMESTER WINTERSEMESTER 1903/04 5. SEMESTER SOMMERSEMESTER 1903<br />

S T U N D E N - U N D S E M E S T E R P L A N<br />

133


<strong>KIRCHNER</strong>S LEHRER AN DER TH DRESDEN (AUSWAHL)<br />

134 A N H A N G<br />

Gurlitt, Cornelius Gustav,<br />

Prof. Dr. phil. Dr. theol.<br />

h.c. Dr.-Ing. E.h.<br />

* 1.1.1850 Nischwitz,<br />

† 25.3.1938 Dresden<br />

Professor für Geschichte<br />

der Baukunst und Stillehre<br />

von 1899 bis 1920<br />

1858 bis 1866 Gymnasium und Baugewerbeschule<br />

in Gotha, Zimmermannslehre<br />

1869 Studium der Architektur und Kunstgeschichte<br />

an den th Wien, Stuttgart, Berlin-Charlottenburg<br />

sowie an der Polytechnischen Schule Dresden<br />

1872 Tätigkeit als Architekt in Kassel, ab 1873 in<br />

Dresden<br />

1876 Archivalische Studien in Dresden, Leipzig,<br />

Erfurt, Merseburg und Wittenberg<br />

1879 Assistent und Inspektor am Kunstgewerbemuseum<br />

Dresden<br />

1889 Promotion<br />

1890 Privatdozent für Kunstgeschichte an der<br />

th Berlin-Charlottenburg<br />

1893 außerordentlicher, 1899 bis 1920 ordentlicher<br />

Professor für Geschichte der Baukunst und<br />

Stillehre an der th Dresden<br />

1904/05 sowie 1915/16 Rektor der th Dresden<br />

1909 Gründer und Leiter des Seminars für Städtebau<br />

sowie Direktor der Sammlung für Baukunst<br />

und neuere Kunstgeschichte ebd.<br />

1909 Dr. theol. h. c. der Universität Halle sowie<br />

Dr.-Ing., E. h. der th Stuttgart<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und<br />

Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 1882ff.<br />

Baukunst des Mittelalters, 1884<br />

Geschichte des Barockstils, des Rokoko und des<br />

Klassizismus, 3 Bde., 1886–1889<br />

Im Bürgerhause: Plaudereien über Kunst, Kunstgewerbe<br />

und Wohnungs-Ausstattung, 1888<br />

Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts, 1899<br />

Handbuch des Städtebaus, 1920<br />

Schumacher, Fritz<br />

(Friedrich Wilhelm),<br />

Prof. Dr. h.c. mult.<br />

* 4.11.1869 Bremen,<br />

† 5.11.1947 Hamburg<br />

Professor für Bauformenlehre<br />

und Entwerfen<br />

von 1901 bis 1909<br />

1889 Studium der Mathematik und Naturwissenschaften,<br />

dann Architektur an den th München<br />

und Berlin<br />

1893 Architekt im Büro Gabriel von Seidl in<br />

München, 1895 im Leipziger Stadtbauamt<br />

1901 bis 1909 außerordentlicher Professor für Bauformenlehre<br />

und Entwerfen an der th Dresden<br />

1906 Organisator der iii. Deutschen Kunstgewerbeausstellung<br />

in Dresden<br />

1907 Mitbegründer des Werkbundes<br />

1909 Stadtbaudirektor und Leiter des Hochbauwesens<br />

von Hamburg<br />

1920 Stadtbaudirektor von Köln<br />

1924 bis 1933 Oberbaudirektor von Hamburg<br />

1915 Dr. techn. h. c. der th Berlin, 1917 Dr.-Ing.<br />

E. h. der th Braunschweig, 1924 Dr. med. h. c.<br />

der Universität Köln<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

Im Kampfe um die Kunst, 1896<br />

Das Bauschaffen der Jetztzeit und historische<br />

Überlieferung, 1901<br />

Studien, 1900<br />

Der Geist der Baukunst, 1938<br />

Bauwerke/Projekte (Auswahl)<br />

Villa Klug, 1900<br />

Krematorium Dresden-Tolkewitz, 1908–1911<br />

Zahlreiche öffentliche Bauten in Hamburg,<br />

1909–1933<br />

Generalsiedlungsbebauungsplan von Köln,<br />

1920–1923 n Abb. 1, 2<br />

Wallot, Paul Johann,<br />

Prof. Dr.-Ing. E. h.<br />

* 26.6.1841 Oppenheim,<br />

† 10.8.1912 Bad Langenschwalbach<br />

Professor für Hochbau<br />

von 1895 bis 1911<br />

Studium der Architektur am Polytechnikum<br />

Hannover, an der Bauakademie Berlin und der<br />

Universität Gießen<br />

1864 Tätigkeit bei dem Architekten Martin Gropius<br />

in Berlin<br />

1868 Architekt in Frankfurt am Main<br />

1882 Architekt in Berlin<br />

1895 bis 1911 ordentlicher Professor für Hochbau<br />

an der th Dresden und an der Kunstakademie<br />

Dresden<br />

1910 Dr.-Ing. E. h. der th Dresden<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

Das Reichstagsgebäude in Berlin, 1897<br />

Parlamentshäuser und Ständehäuser, 1900<br />

Bauwerke (Auswahl)<br />

Reichstagsgebäude, Berlin, 1884–1918<br />

Totenhalle auf dem Johannisfriedhof, Dresden-<br />

Tolkewitz, 1894<br />

Wohnhaus für Kabinettsrat Gustav von Römheld,<br />

<strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt, 1899<br />

Sächsischer Landtag, sogenanntes »Ständehaus«,<br />

Dresden, 1901–1906<br />

n Abb. 3, 4


Weichardt, Karl (Carl)<br />

Friedrich Wilhelm,<br />

Prof.<br />

* 10.12.1846 Nermsdorf,<br />

† 5.10.1906 Dresden<br />

Professor für Ornamententwerfen<br />

und Figurenzeichnen<br />

von 1900<br />

bis 1906<br />

Zimmermannslehre, Studium der Architektur<br />

an der th München<br />

Tätigkeit bei Ludwig Bohnstedt in Gotha<br />

1874 bis 1886 Studienaufenthalte in Rom<br />

1900 Professor an der Kunstgewerbeschule Leipzig<br />

1900 bis 1906 Professor und Vorsteher der<br />

Sammlung für Ornamententwerfen und Figurenzeichnen<br />

an der th Dresden<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

Das Stadthaus und die Villa, 1878<br />

Motive zu Garten-Architekturen, 1879<br />

Pompei vor der Zerstörung. Rekonstruktionen<br />

der Tempel und ihrer Umgebung, 1897<br />

Das Schloß des Tiberius und andere Römerbauten<br />

auf Capri, 1900<br />

Bauwerke (Auswahl)<br />

Stadttheater in Eisenach, 1875–1878<br />

Zwei Geschäftshäuser für den Verlag K. F. Köhler<br />

in Leipzig, 1880–1881 sowie 1893–1894<br />

Neue Börse in Leipzig, 1884–1887<br />

Villa Tiberius (eigenes Wohnhaus), Dresden-<br />

Loschwitz, 1905<br />

n Abb. 5, 6<br />

Weißbach, Karl Robert,<br />

Prof.<br />

* 8.4.1841 Dresden,<br />

† 8.7.1905 Dresden<br />

Professor für Hochbau<br />

von 1875 bis 1905<br />

Ausbildung an der Baugewerkenschule Dresden<br />

1863 Studium der Architektur an der Akademie<br />

der bildenden Künste in Dresden, Studienaufenthalt<br />

in Italien und bis 1869 Lehrer an der Kunstgewerbeschule<br />

Dresden<br />

1869 Gründer einer privaten Kunstschule in<br />

Dresden und Lehrer für Architektur- und Ornamentzeichnen<br />

am Polytechnikum Dresden<br />

1875 bis 1901 Titularprofessor für Entwerfen von<br />

Hochbauten und farbigen Dekorationen an der<br />

neugegründeten Hochbauabteilung des Polytechnikums<br />

Dresden, bis 1891 zugleich Betreiber eines<br />

Architektenbüros in Dresden<br />

1892 bis 1896 sowie 1900 bis 1902 Vorstand der<br />

Hochbauabteilung am Polytechnikum/th Dresden<br />

1901 bis 1905 ordentlicher Professor für Hochbau<br />

und Leiter der Sammlung für Baukunst an der<br />

th Dresden<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

Die architektonischen Formen der Renaissance<br />

und ihre Decoration, 1879–1881<br />

Handbuch der Architektur: Wohnhäuser, 1902<br />

Das Arbeiterwohnhaus, 1910<br />

Bauwerke (Auswahl)<br />

Russisch-orthodoxe Kirche des hl. Simeon,<br />

Dresden, 1872–1874<br />

Nationaldenkmal auf dem Niederwald bei Rüdesheim<br />

am Rhein, 1877–1883<br />

Neubauten der th Dresden, heute: Zeuner-, Mollier-,<br />

Berndt- und Görgesbau, 1900–1905<br />

n Abb. 7, 8<br />

L E H R E R A N D E R T E C H N I S C H E N H O C H S C H U L E D R E S D E N<br />

135


GESAMTVERZEICHNIS DER <strong>ARCHITEKT</strong>URZEICHNUNGEN<br />

Alle hier nicht illustrierten Einträge sind in den Bildteilen abgebildet.<br />

Studien zu geometrischen Körpern, Darstellende<br />

Geometrie bei Professor Karl Rohn,<br />

Sommersemester 1901 bis Wintersemester<br />

1901/02<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 43,7 × 57,9 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78864<br />

n Abb. 1<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901<br />

Tuschfeder in Schwarz und Rot sowie Bleistift<br />

auf Velin, 43,7 × 57,9 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78862<br />

n Abb. 2<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 43,5 × 57,4 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78861<br />

n Abb. 3<br />

136 A N H A N G<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 43,7 × 57,4 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78860<br />

n Abb. 4<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 43,7 × 57,8 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78859<br />

n Abb. 5<br />

Studien zu geometrischen Körpern, 1901/02<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />

44 × 57,9 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden«, darin signiert »Dr. K. Rohn«<br />

Inv. Nr. 78865<br />

n Abb. S. 123<br />

Studien zu geometrischen Körpern und<br />

Architekturdetails,1901/02<br />

Tuschfeder, laviert, und Bleistift auf Velin,<br />

43,5 × 57,4 cm<br />

Signiert und datiert unten rechts, mittig bezeichnet<br />

mit dem Stempel »kgl. Polytechnikum<br />

Dresden», darin signiert »Dr. K. Rohn»<br />

Inv. Nr. 78863<br />

n Abb. S. 122<br />

Ornamententwürfe, Ornamentzeichnen bei<br />

Professor Fritz Schumacher, Sommersemester<br />

1901 und 1902<br />

Entwurf für eine Heizkörperverkleidung, 1901/02<br />

Bleistift und Buntstift auf Transparentpapier,<br />

33,4 × 26 cm<br />

Inv. Nr. 78851<br />

n Abb. S. 126 oben<br />

Entwurf für eine Heizkörperverkleidung, 1901/02<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 34,9 × 23,9 cm<br />

Inv. Nr. 78850<br />

n Abb. S. 126 unten<br />

Ornamententwürfe. Drei Randleisten, 1901/02<br />

Tusche mit Feder und Pinsel sowie Bleistift Karton,<br />

47 × 32 cm<br />

Inv. Nr. 78857<br />

n Abb. 6<br />

Ornamententwürfe. Drei Kopfleisten, 1901/02<br />

Tuschpinsel auf Karton, 38,2 × 32,9 cm<br />

Inv. Nr. 78856<br />

n Abb. 7<br />

Zwei Ornamententwürfe. Vorsatzpapiere, 1901/02<br />

Tuschfeder in Blau und Rot sowie Bleistift auf<br />

Zeichenpapier, montiert auf Karton, je 11 × 5,5 cm<br />

Mittig unterhalb der Zeichnung auf dem Karton<br />

signiert<br />

Inv. Nr. 78854<br />

n Abb. S. 124 oben<br />

Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschpinsel und Bleistift auf Zeichenpapier,<br />

montiert auf Karton, 16,7 × 12,6 cm<br />

Mittig unterhalb der Zeichnung auf dem Karton<br />

signiert<br />

Inv. Nr. 78853<br />

n Abb. S. 125 oben


Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschpinsel, Bleistift und gelber Buntstift auf<br />

Zeichenpapier, montiert auf Karton, 12,8 × 10,4 cm<br />

Mittig unterhalb der Zeichnung auf dem Karton<br />

signiert<br />

Inv. Nr. 78855<br />

n Abb. S. 124 unten<br />

Ornamententwurf. Vorsatzpapier, 1901/02<br />

Tuschfeder in Rot auf Zeichenpapier, montiert<br />

auf Karton, 11,8 × 9,7 cm<br />

Mittig unterhalb der Zeichnung auf dem Karton<br />

signiert<br />

Inv. Nr. 78852<br />

n Abb. S. 125 unten<br />

Ornamententwerfen und Figurenzeichnen<br />

bei Professor Karl Weichardt, Wintersemester<br />

1902/03, Sommersemester 1903 und 1904<br />

Fünf Jugendstilornamente, 1902–1904<br />

Tusche mit Feder und Pinsel auf beidseitig mit<br />

Papier beschichtetem Karton, 59,8 × 39,9 cm<br />

Inv. Nr. 78858<br />

n Abb. S. 127<br />

Entwürfe zum Inneren Ausbau, vermutlich<br />

Innerer Ausbau bei Professor Fritz Schumacher,<br />

Wintersemester 1902/03 und 1904/05<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Aufriss, 1902–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 20,9 × 51,4 cm<br />

Inv. Nr. 78840<br />

n Abb. 8<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Perspektive, 1902–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 22,5 × 30,8 cm<br />

Inv. Nr. 78841<br />

n Abb. S. 43 oben<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Perspektive, 1902–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 20 × 30,5 cm<br />

Inv. Nr. 78838<br />

n Abb. 9<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Wandschränken.<br />

Perspektive, 1902–1905<br />

Bleistift sowie gelber, brauner und blauer Buntstift<br />

auf Zeichenpapier, 29,2 × 30 cm<br />

Inv. Nr. 78839<br />

n Abb. S. 43 unten<br />

Entwurf für eine Tür, 1902–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 45 × 22,3 cm<br />

Inv. Nr. 78846<br />

n Abb. 10<br />

Innenraum mit Liege, 1902–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

13,6 × 21 cm<br />

Inv. Nr. 78833<br />

n Abb. S. 11<br />

Entwürfe für ein Maleratelier, Entwerfen<br />

von Hochbauten bei Professor Hugo Hartung,<br />

Sommersemester 1903<br />

Entwurf für ein Maleratelier. Zwei Ansichten<br />

sowie Grundrisse von Erd- und Obergeschoss,<br />

1903<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 47 × 62,5 cm<br />

Rechts unten signiert, bezeichnet »ges. Hartung<br />

1903«<br />

Inv. Nr. 78793<br />

n Abb. S. 58<br />

Entwurf für ein Maleratelier. Längsschnitt, 1903<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 32 × 45,7 cm<br />

Innerhalb der Zeichnung rechts unten signiert<br />

Inv. Nr. 78794<br />

n Abb. S. 59<br />

Entwürfe für Möbel, vermutlich Kunstgewerbliche<br />

Übungen bei Professor Fritz Schumacher,<br />

Sommersemester 1903 und 1904<br />

Entwurf für einen Deckenlüster. Grundriss,<br />

Seitenansicht und Detail, 1903–1904<br />

Feder, Bleistift und Aquarell auf Velin, 31,2 × 25,2 cm<br />

Inv. Nr. 78849<br />

n Abb. S. 45<br />

Entwurf für einen Deckenlüster, 1903–1904<br />

Bleistift sowie brauner, gelber, grüner und blauer<br />

Bundstift auf Zeichenpapier, 23,6 × 24,3 cm<br />

Inv. Nr. 78847<br />

n Abb. S. 44 links<br />

Entwurf für einen Deckenlüster. Grundriss<br />

und Seitenansicht, 1903–1904<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Zeichenpapier,<br />

34 × 15,6 cm<br />

Verso figürliche Ideenskizze und technische Skizze<br />

Inv. Nr. 78848<br />

n Abb. S. 44 rechts<br />

Entwurf für einen Polstersessel, 1903–1904<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Zeichenkarton,<br />

28,5 × 20,2 cm<br />

Inv. Nr. 78845<br />

n Abb. 11<br />

Entwurf für eine Standuhr. Aufriss und<br />

Seitenansicht, 1903–1904<br />

Bleistift und Aquarell auf Zeichenpapier,<br />

26,1 × 27,6 cm<br />

Inv. Nr. 78844<br />

n Abb. S. 40<br />

Entwürfe für Mietsvillen, Entwerfen von Hochbauten<br />

bei Professor Paul Wallot, Sommersemester<br />

1903 und Wintersemester 1904 /05<br />

Entwurf einer Mietsvilla. Ansicht, 1903–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 24,2 × 25 cm<br />

Inv. Nr. 78800<br />

n Abb. 12<br />

Entwurf für eine Mietsvilla. Seitenansicht,<br />

1903–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

24,2 × 27 cm<br />

Inv. Nr. 78801<br />

n Abb. S. 90<br />

G E S A M T V E R Z E I C H N I S D E R A R C H I T E K T U R Z E I C H N U N G E N<br />

137


Entwurf für eine Mietsvilla. Seitenansicht,<br />

1903–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 25 × 24,5 cm<br />

Inv. Nr. 78803<br />

n Abb. 13<br />

Entwurf für eine Mietsvilla. Zwei Ansichten,<br />

1903–1905<br />

Tuschfeder auf Transparentpapier, 26,5 × 54 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78802<br />

n Abb. S. 91<br />

Entwürfe für ein Wohnhaus am Berghang,<br />

vermutlich Skizzieren aus dem Gebiete<br />

des Hochbaus bei Professor Paul Wallot,<br />

Sommersemester 1903 und 1904 und Wintersemester<br />

1904 /05<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei Ansichten, 1903–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Aquarell<br />

auf Karton, 32,3 × 47,2 cm<br />

Inv. Nr. 78795<br />

n Abb. S. 60<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei perspektivische Ansichten, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton , 32 × 48 cm<br />

Inv. Nr. 78796<br />

n Abb. S. 61<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Architekturdetails und perspektivische Hinteransicht,<br />

1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 32 × 48,2 cm<br />

Inv. Nr. 78799<br />

n Abb. S. 62 oben<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Zwei Ansichten der Diele, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 32 × 44,5 cm<br />

Inv. Nr. 78797<br />

n Abb. S. 63<br />

Entwurf für ein Wohnhaus am Berghang.<br />

Dekorationsdetails und perspektivische Ansicht<br />

der Garderobe, 1903–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Karton, 31,3 × 47,5 cm<br />

Inv. Nr. 78798<br />

n Abb. S. 62 unten<br />

138 A N H A N G<br />

Entwürfe für ein Rauchzimmer, Studium<br />

bei Professor Paul Pfann an der th München,<br />

Wintersemester 1903/04<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Aufriss, 1903/04<br />

Tuschfeder, laviert, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 38,1 × 68 cm<br />

Rechts unten signiert, links unten bezeichnet<br />

»Ges. P. Pfann Professor«<br />

Inv. Nr. 78825<br />

n Abb. S. 46 oben<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Grundriss<br />

und zwei Wandaufrisse, 1903/04<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 39,7 × 42 cm<br />

Rechts unten signiert, innerhalb der Darstellung<br />

monogrammiert, links unten bezeichnet<br />

»Ges. P. Pfann Professor«<br />

Inv. Nr. 78826<br />

n Abb. S. 46 unten<br />

Entwurf für ein Rauchzimmer. Perspektive<br />

des Viertelkreiserkers, 1903/04<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 40,1 × 27 cm<br />

Inv. Nr. 78827<br />

n Abb. S. 47<br />

Entwürfe für ein Hotel, Dresden-Plauen,<br />

Öffentliche Bauten und Anlagen bei Professor<br />

Karl Weißbach, Sommersemester 1904<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Ansicht der Hauptfassade, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, montiert auf Karton, 64,1 × 90,2 cm<br />

Rechts innerhalb der Darstellung signiert und<br />

datiert<br />

Inv. Nr. 78806<br />

n Abb. S. 93<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Grundriss des Erdgeschosses, 1904<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 97,5 × 61 cm<br />

Oben mittig signiert und datiert, unten links<br />

bezeichnet »ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78805<br />

n Abb. S. 92<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Querschnitt mit Ansicht des Seitenflügels, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Zeichenpapier, 43,5 × 67,5 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert, links unten<br />

bezeichnet »Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78810<br />

n Abb. S. 94<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Grundrisse des ersten sowie des zweiten bis<br />

vierten Geschosses, 1904<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 73,6 × 61,6 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert, links unten<br />

bezeichnet »Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78804<br />

n Abb. S. 95<br />

Entwürfe für ein Museum, Öffentliche Bauten<br />

und Anlagen/Arbeiten im Atelier für Baukunst<br />

bei Professor Karl Weißbach, Sommersemester<br />

1904, Wintersemester 1904 /05<br />

Entwurf für ein Museum. Ansicht der Hauptfassade,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 114 × 64 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung monogrammiert,<br />

außerhalb signiert, links unten<br />

bezeichnet »Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78779<br />

n Abb. S. 96<br />

Entwurf für ein Museum. Grundriss des Erdgeschosses,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 51 × 68,4 cm<br />

Inv. Nr. 78781<br />

n Abb. S. 100<br />

Entwurf für ein Museum. Ansicht der Rückseite,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift und Sprühtechnik auf Velin,<br />

37,7 × 67,5 cm<br />

Rechts unten signiert, links unten bezeichnet<br />

»Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78780<br />

n Abb. S. 99<br />

Entwurf für ein Museum. Querschnitt,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder, Bleistift und Sprühtechnik auf Velin,<br />

42,7 × 49,4 cm<br />

Rechts unten signiert und monogrammiert,<br />

links unten bezeichnet »Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78782<br />

n Abb. S. 98<br />

Entwurf für ein Museum. Detail der Ecke,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 64 × 45,7 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung signiert,<br />

links unten bezeichnet »Ges. K. Weißbach«<br />

Inv. Nr. 78783<br />

n Abb. S. 101<br />

Entwurf eines Museum. Treppenaufgang,<br />

1904–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 46 × 69 cm<br />

Rechts unten signiert<br />

Inv. Nr. 78784<br />

n Abb. 14


Entwurf für ein Museum. Detail aus dem Mittelbau,<br />

1904 –1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 46,7 × 68,6 cm<br />

Inv. Nr. 78785<br />

n Abb. 15<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer, Innerer Ausbau<br />

bei Professor Fritz Schumacher, Wintersemester<br />

1904/05<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Perspektive, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Aquarell, weiß<br />

gehöht, auf braunem Zeichenpapier, 24,2 × 21,5 cm<br />

Rechts unten monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78816<br />

n Abb. S. 37<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansicht der<br />

Erkerwand, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 28,3 × 37,3 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert, links unten<br />

innerhalb der Darstellung monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78818<br />

n Abb. S. 38<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansicht der<br />

Kaminwand, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 28,7 × 42,9 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert, links unten<br />

innerhalb der Darstellung monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78817<br />

n Abb. S. 39<br />

Entwurf für ein Herrenzimmer. Ansichten und<br />

Aufsicht von Schreibtisch und Sessel, 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 34,2 × 49,5 cm<br />

Signiert und bezeichnet »ges. Schumacher 1904«<br />

Inv. Nr. 78815<br />

n Abb. S. 36<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«,<br />

um 1904/05<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Perspektive der Vorderfront, um<br />

1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift und Gouache, weiß gehöht,<br />

auf graublauem Karton, 26,5 × 38,5 cm<br />

Links unterhalb der Architekturdarstellung monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78786<br />

n Abb. S. 84<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 1, Grundriss des Kellergeschosses<br />

sowie montierter Buchdruck, um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift auf Velin sowie montierter<br />

Buchdruck, 63 × 49 cm<br />

Rechts unterhalb der Darstellung signiert,<br />

rechts unten bezeichnet »Gesehen [Name nicht<br />

leserlich]«<br />

Inv. Nr. 78791<br />

n Abb. S. 85<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen<br />

Kunstliebhaber«. Blatt 2, Grundrisse des Erdund<br />

Obergeschosses sowie Situationsplan,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 69 × 48 cm<br />

Rechts unten signiert und bezeichnet »Gesehen<br />

[Name nicht leserlich]«<br />

Inv. Nr. 78789<br />

n Abb. S. 86<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 3, Ansicht der Vorderfront,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 52,5 × 96,5 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung monogrammiert,<br />

unterhalb signiert<br />

Inv. Nr. 78787<br />

n Abb. S. 87<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen Kunstliebhaber«.<br />

Blatt 4, Längsschnitt, um 1904/05<br />

Tuschfeder, Bleistift, Gouache und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 60,4 × 96 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung monogrammiert,<br />

unterhalb signiert und bezeichnet<br />

»Gesehen [Name nicht leserlich]«<br />

Inv. Nr. 78788<br />

n Abb. S. 88<br />

Wettbewerb(?) »Schlösschen für einen<br />

Kunstliebhaber«. Blatt 5, Seiten- und Rückansicht,<br />

um 1904/05<br />

Tuschfeder, laviert, Bleistift und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 58,8 × 48,5 cm<br />

Rechts unten signiert, dazu beide Ansichten<br />

innerhalb der Darstellung rechts unten monogrammiert,<br />

rechts unten signiert und bezeichnet<br />

»Gesehen [Name nicht leserlich]«<br />

Inv. Nr. 78790<br />

n Abb. S. 89<br />

Diplomarbeit, 1905<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 1,<br />

Haupteingang, 1905<br />

Bleistift, Buntstift und Gouache auf Velin,<br />

39,5 × 68,4 cm<br />

Rechts unten bezeichnet »von E.L. Kirchner«<br />

Inv. Nr. 78771<br />

n Abb. S. 20<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 2,<br />

Grundriss der Parentationshalle mit Campo<br />

Santo, 1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 71,3 × 60,6 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Zeichnung signiert<br />

Inv. Nr. 78792<br />

n Abb. S. 21<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 3,<br />

Ansicht der Parentationshalle nach dem Campo<br />

Santo,1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 36 × 62,9 cm<br />

Rechts unterhalb der Zeichnung bezeichnet<br />

»von E.L. Kirchner«<br />

Inv. Nr. 78772<br />

n Abb. S. 22<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 4,<br />

Schnitt durch die Parentationshalle und Ansicht<br />

der Leichenhalle vom Campo Santo aus, 1905<br />

Tuschfederzeichnung, Bleistift sowie Aquarellund<br />

Sprühtechnik auf Velin, 35 × 56,8 cm<br />

Rechts unten signiert, innerhalb der Darstellung<br />

monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78773<br />

n Abb. S. 23<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 5,<br />

Ansicht der Parentationshalle nach dem Friedhof,<br />

1905<br />

Feder in Braun sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, montiert auf Karton, 24 × 63,5 cm<br />

Rechts unten signiert, innerhalb der Darstellung<br />

monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78774<br />

n Abb. S. 24<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 6,<br />

Gesamtplan, 1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Zeichenkarton, 68,5 × 40 cm<br />

Rechts unten innerhalb der Darstellung monogrammiert,<br />

rechts unten bezeichnet »E.L.<br />

Kirchner«<br />

Inv. Nr. 78775<br />

n Abb. S. 25<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 7,<br />

Straßenansicht und Grundriss von Direktorenund<br />

Gärtnerwohnung sowie den Columbarien,<br />

1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 32,7 × 70,4 cm<br />

Rechts unten signiert<br />

Inv. Nr. 78776<br />

n Abb. S. 26 oben<br />

Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 8,<br />

Ansichten der drei Terrassen, 1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 34 × 68 cm<br />

Rechts unten signiert<br />

Inv. Nr. 78777<br />

n Abb. S. 26 unten<br />

G E S A M T V E R Z E I C H N I S D E R A R C H I T E K T U R Z E I C H N U N G E N<br />

139


Entwurf einer Friedhofsanlage. Blatt 9,<br />

Mittelschnitt durch die Gesamtanlage, 1905<br />

Tuschfeder, Bleistift sowie Aquarell- und Sprühtechnik<br />

auf Velin, 27 × 67 cm<br />

Inv. Nr. 78778<br />

n Abb. S. 27<br />

Ein Friedhof. Erläuterungsbericht zur Diplomarbeit,<br />

1905<br />

Tuschfeder und Aquarell auf Papier, 21 × 16,8 cm,<br />

24 Seiten<br />

Signiert und datiert am Ende des Textes<br />

Kirchner Museum Davos, Inv. Nr. 1992/ben2-<br />

3/00222/P<br />

n Abb. S.12–16<br />

Diverse Entwürfe<br />

Entwurf für eine Sitzecke mit Plastik einer<br />

Tänzerin, 1901–1905<br />

Bleistift, gewischt, auf Velin, 20 × 24 cm<br />

Inv. Nr. 78835<br />

n Abb. S. 42 oben<br />

Entwurf für ein Speisezimmer. Perspektive,<br />

1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 25,5 × 30,7 cm<br />

Inv. Nr. 78834<br />

n Abb. S. 42 unten<br />

Entwurf für einen Innenraum mit Runderker.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenkarton, 31,1 × 46,9 cm<br />

Inv. Nr. 78836<br />

n Abb. 16<br />

Entwurf für eine Küche. Zwei Perspektiven,<br />

1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenkarton, 31,2 × 45,4 cm<br />

Inv. Nr. 78837<br />

n Abb. 17<br />

140 A N H A N G<br />

Treppenhausbemalung und Gitter Anton-<br />

Graffstr. 29, 1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier, 28,6 × 30,9 cm<br />

Inv. Nr. 78842<br />

n Abb. 18<br />

Schnitt durch ein Gebäude mit Innenhof,<br />

1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier mit grünem Buntstift<br />

koloriert, 38 × 48 cm<br />

Innerhalb der Darstellung mit Tusche bezeichnet<br />

Inv. Nr. 78811<br />

n Abb. 19<br />

Wand im Nymphenbad des Zwingers in Dresden.<br />

Aufriss, Schnitt und Grundriss, 1903<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 45 × 59,5 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert<br />

Inv. Nr. 78843<br />

n Abb. 20<br />

Entwurf für eine Krippenanordnung in Militär-<br />

Pferdeställen. Aufrisse, Schnitte und Grundrisse,<br />

1903<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Velin, 46,5 × 66,6 cm<br />

Recht unten signiert und datiert, links unten<br />

Stempel »K.S. Techn. Hochschule Dresden Hochbaukonstruktionen«,<br />

bezeichnet mit »H. Böhm«<br />

Inv. Nr. 78813<br />

n Abb. S. 121<br />

Entwurf für ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude.<br />

Ansichten, Schnitte und Grundrisse, 1903<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />

68 × 50,3 cm<br />

Rechts unten signiert und datiert, links unten<br />

Stempel »K.S. Techn. Hochschule Dresden Hochbaukonstruktionen«,<br />

bezeichnet mit »H. Böhm«<br />

Inv. Nr. 78814<br />

n Abb. S. 120<br />

Skizze für ein Berghäusel, um 1904<br />

Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />

24,2 × 31 cm<br />

Unterhalb der Zeichnung monogrammiert<br />

Inv. Nr. 78812<br />

n Abb. S.8<br />

Entwürfe für das Projekt Hetzer, 1901–1905<br />

Entwurf für das Projekt Hetzer. Fremdenzimmer ii.<br />

Aufriss, Schnitt und Detail, 1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier, 30,2 × 52 cm<br />

Inv. Nr. 78828<br />

n Abb. 21<br />

Entwurf für das Projekt Hetzer. Bibliothek.<br />

Aufriss und Perspektive einer Ecke, 1901–1905<br />

Bleistift auf Transparentpapier, 26,4 × 47,3 cm<br />

Inv. Nr. 78830<br />

n Abb. 22<br />

Entwurf für das Projekt Hetzer. Bibliothek.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Bleistift und Aquarell auf Transparentpapier,<br />

19,5 × 17,3 cm<br />

Inv. Nr. 78829<br />

n Abb. S. 41


Skizzen aus dem Schloss Pulsnitz, 1901–1905<br />

Schloss Pulsnitz. Bibliothek. Perspektive,<br />

1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier, 54,5 × 64,3 cm<br />

Inv. Nr. 78831<br />

n Abb. 23<br />

Schloss Pulsnitz. Bibliothek. Kaminecke.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier, 55,2 × 47,5 cm<br />

Inv. Nr. 78832<br />

n Abb. 24<br />

Entwürfe für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer,<br />

1901–1905<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Aufriss, 1901–1905<br />

Bleistift und brauner Buntstift auf Transparentpapier,<br />

20,6 × 21 cm<br />

Inv. Nr. 78819<br />

n Abb. 25<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Lichtpause auf Zeichenpapier, 32 × 36,8 cm<br />

Inv. Nr. 78820<br />

n Abb. 26<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Ansichten von Stuhl, Schemel, Polstersessel<br />

und Tisch, 1901–1905<br />

Bleistift auf Lichtpause, mit braunem und gelbem<br />

Buntstift koloriert, 22,4 × 64,3 cm<br />

Inv. Nr. 78821<br />

n Abb. 27<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Ansichten von Schreibtisch und Sofa, 1901–1905<br />

Tuschfeder und Bleistift auf Lichtpause, mit braunem<br />

und gelbem Buntstift koloriert, 24,8 × 59,1 cm<br />

Inv. Nr. 78822<br />

n Abb. 28<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Skizze für einen Deckenlüster, 1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 25,1 × 23,9 cm<br />

Inv. Nr. 78823<br />

n Abb. 29<br />

Entwurf für das Herrenzimmer Dr. Münchmeyer.<br />

Entwurf für den Deckenlüster. Grundriss und<br />

Ansicht, 1901–1905<br />

Bleistift auf Zeichenpapier, 31,5 × 16 cm<br />

Inv. Nr. 78824<br />

n Abb. 30<br />

Entwürfe für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz,<br />

1901–1905<br />

Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Perspektive, 1901–1905<br />

Bleistift und roter Buntstift auf Transparentpapier,<br />

32 × 39,5 cm<br />

Inv. Nr. 78809<br />

n Abb. S. 64<br />

Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Seitenansicht, zwei Querschnitte der Seiten sowie<br />

der Grundriss des Erkerfensters, 1901–1905<br />

Tuschfeder in Braun und Aquarell auf Velin,<br />

66,4 × 88,3 cm<br />

Rechts unten signiert<br />

Inv. Nr. 78807<br />

n Abb. S. 65 oben<br />

Entwurf für das Landhaus Dr. Genge, Loschwitz.<br />

Vorderfront. Aufriss und Grundriss des Erkers,<br />

1901–1905<br />

Tuschfeder in Braun und Aquarell auf Velin,<br />

70,3 × 62,5 cm<br />

Inv. Nr. 78808<br />

n Abb. S. 65 unten<br />

Alle Architekturzeichnungen befinden sich im<br />

Nachlass Ernst Ludwig Kirchner, Günther Ketterer<br />

und Ingeborg Henze-Ketterer, Wichtrach/Bern<br />

G E S A M T V E R Z E I C H N I S D E R A R C H I T E K T U R Z E I C H N U N G E N<br />

141


142<br />

AUSWAHLBIBLIOGRAFIE<br />

Ausst.-Kat. Basel 1979<br />

Ernst Ludwig Kirchner. Nachzeichnung seines<br />

Lebens, hg. von Eberhard Kornfeld (Ausst.-Kat.<br />

Kunstmuseum Basel), Bern 1979.<br />

Ausst.-Kat. Aschaffenburg 1980<br />

E. L. Kirchner. Dokumente, Fotos, Schriften, Briefe,<br />

gesammelt und ausgewählt von Karl-Heinz Gabler<br />

(Ausst.-Kat. Museum der Stadt Aschaffenburg u.a.),<br />

Aschaffenburg 1980.<br />

Ausst.-Kat. München 1999<br />

Der Architekt Ernst Ludwig Kirchner. Diplomarbeit<br />

und Studienentwürfe 1901–1905, mit einer Einführung<br />

von Meike Hoffmann (Ausst.-Kat. Ketterer<br />

Kunst München), München 1999.<br />

Ausst.-Kat. Dresden 2001<br />

Die »Brücke« in Dresden 1905–1911, hg. von Birgit<br />

Dalbajewa und Ulrich Bischoff (Ausst.-Kat. Staatliche<br />

Kunstsammlungen Dresden), Köln 2001.<br />

Ausst.-Kat. Berlin 2005<br />

Frühe Druckgraphik der »Brücke«, hg. von<br />

Magdalena M. Moeller (Ausst.-Kat. Brücke-Museum<br />

Berlin), München 2005.<br />

Bleyl, Fritz<br />

Erinnerungen, in: Hans Wentzel, Fritz Bleyl.<br />

Gründungsmitglied der »Brücke«, in: Kunst in<br />

Hessen und am Mittelrhein 8, 1968, S. 91–99.<br />

Debschitz, Wilhelm von<br />

Eine Methode des Kunstunterrichts, in: Dekorative<br />

Kunst 7, 1904, S. 209ff.<br />

Delfs, Hans u.a. (Hg.)<br />

Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel,<br />

4 Bde., Zürich 2010.<br />

Gordon, Donald E.<br />

Kirchner in Dresden, in: The Art Bulletin 48, 1966,<br />

S. 335–366.<br />

Grisebach, Lothar (Hg.)<br />

Ernst Ludwig Kirchners Davoser Tagebuch,<br />

1919–1928, Köln 1968.<br />

Grisebach, Lucius<br />

Von Chemnitz nach Dresden 1901–1908, in: Ernst<br />

Ludwig Kirchner, hg. von Lucius Grisebach (Ausst.-<br />

Kat. Museum der Moderne Salzburg), Köln 2009,<br />

S. 18–51.<br />

Hoffmann, Meike<br />

Konstruktionen eines Künstlers. Frühe Architekturzeichnungen<br />

von Ernst Ludwig Kirchner, in: Buch<br />

& Bild. Magazin für Buch- und Grafiksammler 3,<br />

1999, 2, S. 69–71.<br />

Dies.<br />

Kirchners Architekturstudium in Dresden. Einfluß<br />

auf sein Selbstverständnis als Künstler, in:<br />

magazin iii, Kirchner Museum Davos, 2001,<br />

S.11–23.<br />

Dies.<br />

Leben und Schaffen der Künstlergruppe Brücke<br />

1905 bis 1913. Mit einem kommentierten Werkverzeichnis<br />

der Geschäfts- und Ausstellungsgrafik,<br />

Berlin 2005.<br />

Hübner, Ulrich<br />

Symbol und Wahrhaftigkeit. Reformbaukunst in<br />

Dresden, Husum 2005.<br />

Hünlich, Bernd<br />

Wohnstätten und Lebensumstände der vier<br />

»Brücke«-Gründer in Dresden, in: Dresdener Kunstblätter<br />

29, 1985, S. 80–90.<br />

Ders.<br />

Ernst Ludwig Kirchner. Aspekte zu Leben und Werk<br />

der Dresdner Jahre, Vortrag, gehalten auf dem<br />

Kirchner Symposium, Davos 1988, Manuskript nl<br />

Hünlich, Kirchner Museum Davos.<br />

Ders.<br />

Die erste Dresdner Brücke-Ausstellung im Bau von<br />

Wilhelm Kreis, in: Dresdener Kunstblätter 26, 1982,<br />

S. 39–41.<br />

Karge, Henrik<br />

Die Vielfalt des Neubeginns – Dresdener Architektur<br />

um 1900, in: Jugendstil in Dresden. Aufbruch in<br />

die Moderne (Ausst.-Kat. Dresden), Wolfratshausen<br />

1999, S. 31–43.<br />

Krüger, Günter<br />

Fritz Bleyl, Beiträge zum Werden und Zusammenschluß<br />

der Künstlergruppe »Brücke«, in: Brücke-<br />

Archiv 2/3, 1968/69, S. 27–53.<br />

Laudel, Heidrun<br />

Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Neuschaffen.<br />

Fritz Schumachers Dresdner Jahre, in:<br />

Fritz Schumacher. Reformkultur und Moderne,<br />

hg. von Hartmut Frank (Ausst.-Kat. Deichtorhallen<br />

Hamburg), Stuttgart 1994, S. 67–89.<br />

Lasko, Peter<br />

The Student Years of the »Brücke« and their<br />

Teachers, in: Art History 20, 1997, S. 61–99.<br />

Mühlenberend, Sandra<br />

Vom Stillstand zum Leben. Die Herkunft des<br />

»Viertelstundenaktes«, in: Ausst.-Kat. Dresden<br />

2001, S. 278–282.<br />

Obrist, Hermann<br />

Ein künstlerischer Kunstunterricht, 1900, in: ders.,<br />

Neue Möglichkeiten in der Bildenden Kunst. Essays,<br />

Leipzig 1903.<br />

Ders.<br />

Die Zukunft unserer Architektur, in: Dekorative<br />

Kunst 4, 1901, S. 329–349.<br />

Ders.<br />

Die Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte<br />

und freie Kunst, in: Dekorative Kunst 7, 1904,<br />

S. 228–237.<br />

Reidemeister, Leopold (Hg.)<br />

Künstlergruppe »Brücke«. Fragment eines Stammbuches.<br />

Mit Beiträgen von Ernst Ludwig Kirchner,<br />

Fritz Bleyl und Erich Heckel, Berlin 1975.<br />

Reinhardt, Georg<br />

Die frühe »Brücke«. Beiträge zur Geschichte und<br />

zum Werk der Dresdner Künstlergruppe »Brücke«<br />

der Jahre 1905 bis 1908, Brücke-Archiv 9/10,<br />

1977/78, Berlin 1978.<br />

Remm, Christiane<br />

Die Anfänge der »Brücke«-Graphik im Zeichen<br />

des Jugendstils, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005,<br />

S. 26–32.<br />

Reuther, Oskar<br />

Hochbau-Abteilung, in: Ein Jahrhundert Sächsische<br />

Technische Hochschule 1828–1928. Festschrift<br />

zur Jahrhundertfeier, Dresden 1928.<br />

Rinker, Dagmar<br />

Die Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte<br />

und freie Kunst (Debschitz-Schule). München<br />

1902–1914, München 1993 (Schriften aus dem<br />

Institut für Kunstgeschichte der Universität<br />

München 61).<br />

Ritter, Renate<br />

Das Realgymnasium Chemnitz als Nährboden<br />

einer deutschen Kunstrevolte?, in: 150 Jahre Gymnasium<br />

Chemnitz. Georgius-Agricola-Gymnasium<br />

(1857–2007), Chemnitz 2007, S. 51–59.<br />

Röske, Thomas<br />

»Kirchner zeichnet wie andere Menschen<br />

schreiben«. Ernst Ludwig Kirchners Kunsttheorie<br />

und ihre Quellen, in: Ernst Ludwig Kirchner. Leben<br />

ist Bewegung, hg. von Brigitte Schad (Ausst.-Kat.<br />

Jesuitenkirche, Galerie der Stadt Aschaffenburg),<br />

Köln 1999, S. 70–86.<br />

Röske, Thomas<br />

Entwicklung zum eigenen Stil. Ernst Ludwig<br />

Kirchner in München 1903/04, in: Freiheit der Linie.<br />

Von Obrist und dem Jugendstil zu Marc, Klee und<br />

Kirchner, hg. von Erich Franz (Ausst.-Kat. Westfälisches<br />

Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte<br />

Münster), Bönen 2007, S. 222–235.<br />

Roters, Eberhard<br />

Beiträge zur Geschichte der Künstlergruppe<br />

»Brücke« in den Jahren 1905–1907, in: Jahrbuch<br />

der Berliner Museen 2, 1960, S. 172–210.<br />

Rudert, Konstanze<br />

Die Dresdner Architekturmotive in den Werken der<br />

»Brücke«-Künstler, in: Gilbert Lupfer u.a. (Hg.),<br />

Bau und Kunst. Festschrift zum 65. Geburtstag von<br />

Professor Jürgen Paul, Dresden 2000, S. 235–254.<br />

Schumacher, Fritz<br />

Im Kampfe um die Kunst. Beiträge zu architektonischen<br />

Zeitfragen, Straßburg 1899.<br />

Ders.<br />

Aus der Vorgeschichte der »Brücke«, in: Der Kreis.<br />

Zeitschrift für künstlerische Kultur 9, 1932, S. 7–11.<br />

Ders.<br />

Stufen des Lebens, Erinnerungen eines Baumeisters,<br />

Stuttgart/Berlin 1935.<br />

Soika, Aya<br />

Malerei im Dienste der Architektur. Die »Brücke«-<br />

Künstler und die Dresdner Raumkunst, in: Ausst.-<br />

Kat. Dresden 2001, S. 272–277.<br />

Spielmann, Heinz<br />

Fritz Bleyl, die »Brücke« und der Jugendstil, in:<br />

Fritz Bleyl und die frühen Jahre der »Brücke«,<br />

hg. von Hermann Gerlinger u.a. (Ausst.-Kat.<br />

Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum u.a.),<br />

Schleswig 1999, S. 41–53.<br />

Wentzel, Hans<br />

Zu den frühen Werken der »Brücke«-Künstler, in:<br />

Brücke-Archiv 1, 1967, S. 4–18.


BILDNACHWEIS<br />

akg-images<br />

S. 33, 34, 135r.o.<br />

bpk-Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte<br />

S. 54r., 55<br />

Brücke-Museum Berlin<br />

S. 4, 54l., u., 116, 128<br />

Institut <strong>Mathildenhöhe</strong>, Städtische Kunstsammlung<br />

Darmstadt<br />

S. 30, 32<br />

Kirchner Museum Davos<br />

S. 2, 12–16, 28, 35, 48<br />

Nachlass Ernst Ludwig Kirchner, Günther Ketterer<br />

und Ingeborg Henze-Ketterer, Wichtrach/Bern<br />

S. 8, 11, 20–27, 36–47, 58–65, 84–101, 120–127,<br />

136–141<br />

Reproduktionen aus historischen Publikationen<br />

S. 56, 77, 80, 108, 109, 113, 115, 134 m.u., 135 l.u., r.u.<br />

Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek<br />

Dresden (slub), Abt. Deutsche<br />

Fotothek<br />

S. 78; E. A. Donadini: S. 72; Walter Möbius: S. 31,<br />

75, 79, 135 l.2.v.u.<br />

Sammlung Hermann Gerlinger im Museum<br />

Moritzburg, Halle (Saale)<br />

S. 50, 53<br />

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg<br />

Carl von Ossietzky<br />

S. 134 m.2.v.u.<br />

Städtische Galerie Dresden<br />

S. 74<br />

Städtische Museen Zwickau, Kunstsammlungen<br />

S. 51<br />

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt<br />

S. 110, 111, 134 r. 1. und 2. v. u.<br />

Universitätsarchiv der Technischen Universität<br />

Dresden, Fotoarchiv<br />

S. 106, 134 o., 135 o.<br />

143


IMPRESSUM<br />

Diese Publikation erscheint anlässlich<br />

der Ausstellung<br />

Ernst Ludwig Kirchner als Architekt<br />

Institut <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt<br />

2. Oktober 2011 bis 8. Januar 2012<br />

Direktor<br />

Ralf Beil<br />

Ausstellung<br />

Idee und Gesamtleitung<br />

Ralf Beil<br />

Kuratorin<br />

Katharina Siegmann<br />

Ausstellungsarchitektur<br />

Christian Häussler<br />

Sekretariat<br />

Angelika Nitsch, Indra Metzger<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Ieva Akule<br />

Administration<br />

Ulli Emig, Michael Heine, Sandra Jakobi<br />

Restauratorische Betreuung<br />

Gitta Hamm<br />

Aufbau und Technik<br />

Jürgen Preusch, Uwe Brückner, Hartmut Kani,<br />

Karl-Heinz Köth<br />

Werbemedien<br />

becker späth Konzept und Design<br />

Institut <strong>Mathildenhöhe</strong><br />

Olbrichweg 13<br />

64287 Darmstadt<br />

Tel. +49 6151 13-2778<br />

Fax. +49 6151 13-3739<br />

www.mathildenhoehe.eu<br />

Katalog<br />

Herausgeber<br />

Ralf Beil, Katharina Siegmann<br />

Textredaktion<br />

Katharina Siegmann, Ralf Beil<br />

Bildredaktion<br />

Katharina Siegmann<br />

Projektmanagement Verlag<br />

Karen Angne<br />

Verlagslektorat<br />

Katrin Boskamp-Priever, Hepstedt<br />

Gestaltung und Produktion<br />

Peter Grassinger<br />

Lithografie<br />

Reproline Genceller, München<br />

Papier<br />

LuxoArt samt<br />

Druck und Bindung<br />

Appl Druck, Wemding<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek<br />

verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten<br />

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

© 2011 Institut <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt, Hirmer<br />

Verlag GmbH, München, und die Autoren<br />

© 2011 für die abgebildeten Werke von Ernst Ludwig<br />

Kirchner bei Nachlass Ernst Ludwig Kirchner,<br />

Günther Ketterer und Ingeborg Henze-Ketterer,<br />

Wichtrach/Bern; für Richard Riemerschmid und<br />

Karl Schmidt-Rottluff bei vg Bild-Kunst, Bonn 2011;<br />

für Fritz Bleyl bei Hilmar Werner-Bleyl, Berlin.<br />

ISBN 978-3-4447-4171-9<br />

www.hirmerverlag.de<br />

Abbildung auf dem Umschlag<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen. Querschnitt<br />

mit Ansicht des Seitenflügels, 1904. Vgl. S. 94<br />

Abbildung auf dem Vorsatzpapier<br />

Entwurf für ein Hotel, Dresden-Plauen.<br />

Ansicht der Hauptfassade, 1904. Vgl. S. 93<br />

Abbildung auf Seite 2<br />

Diplomzeugnis von Ernst Ludwig Kirchner, Kirchner<br />

Museum Davos<br />

Sponsoren und Partner<br />

Eine Ausstellung im Rahmen von<br />

Ermöglicht durch<br />

Kulturpartner<br />

Medienpartner<br />

Mit freundlicher Unterstützung von

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