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4 Highlights Current congress<br />

Stellenwert von Biologicals<br />

Dilemma der Studienlage<br />

Nach Ansicht von Dr. med. Klaus Fellermann und <strong>Kollege</strong>n (Klaus <strong>Herr</strong>linger und Eduard F. Stange),<br />

Zentrum für Innere Medizin, Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie,<br />

Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart, steht zu befürchten, dass die meisten Biologika dem<br />

direkten Vergleich zur etablierten immunsuppressiven Therapie nicht standhalten könnten.<br />

Für die Therapieentscheidungen<br />

bei der Behandlung der chronisch<br />

entzündlichen Darmerkrankungen<br />

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa<br />

sind neben dem Befallsmuster<br />

vor allem der bisherige<br />

Krankheitsverlauf und die<br />

Schwere der aktuellen Krankheitsaktivität<br />

bedeutend. Indikationen<br />

für eine immunsuppressive Therapie<br />

sind der chronisch-aktive Verlauf,<br />

der schwere bzw. bei der Colitis<br />

ulcerosa fulminante Schub sowie<br />

die Remissionserhaltung bei<br />

diesen Verlaufsformen.<br />

Unter dem Begriff der chronischen<br />

Aktivität werden zwei typische<br />

Krankheitsverläufe chronisch entzündlicher<br />

Darmerkrankungen zusammengefasst,<br />

die Steroidrefraktärität<br />

und die Steroidabhängigkeit.<br />

Als steroidrefraktär gelten Patienten,<br />

die unter einer hochdosierten<br />

Steroidtherapie (i.d.R. 1 mg/<br />

kg Körpergewicht Prednisolonäquivalent)<br />

über einen Zeitraum<br />

von mehreren Wochen keine Remission<br />

erreichen. Dies sind beim<br />

Morbus Crohn etwa 20 % der Patienten.<br />

Zusätzlich wird etwa jeder<br />

dritte Patient mit Morbus<br />

Crohn im Verlauf seiner Erkrankung<br />

steroidabhängig, d. h. nach<br />

anfänglich erfolgreich induzierter<br />

Remission ist ein Unterschreiten<br />

einer individuell unterschiedlichen<br />

Steroiddosis nicht ohne einen<br />

erneuten Rückfall möglich.<br />

Die Steroidabhängigkeit ist definiert<br />

durch zwei gescheiterte Reduktionsversuche<br />

innerhalb von<br />

sechs Monaten. Beide Verlaufsformen<br />

treten, wenn auch etwas seltener,<br />

bei der Colitis ulcerosa auf.<br />

Häufiger als beim Morbus Crohn<br />

ist bei der Colitis ulcerosa jedoch<br />

der fulminante Verlauf bis zur Entwicklung<br />

eines toxischen Megacolons.<br />

Auch diese schwere Verlaufsform<br />

bedarf der immunsuppressiven<br />

Therapie. Nach Erreichen der<br />

Remission bei chronisch-aktiven<br />

Verlaufsformen und nach schweren<br />

Schüben wird die anschließende<br />

Remissionserhaltung ebenfalls<br />

mit einer immunsuppressiven<br />

Therapie durchgeführt.<br />

Der Stellenwert der klassischen<br />

immunsuppressiven Therapie<br />

schlägt sich in den entsprechenden<br />

Empfehlungen der Deutschen<br />

Konsensuskonferenzen für den<br />

Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa<br />

sowie dem Europäischen<br />

Konsensus für die Behandlung des<br />

Morbus Crohn nieder.<br />

Am weitesten fortgeschritten ist<br />

die Entwicklung von Antikörpern<br />

gegen den Tumornekrosefaktor α.<br />

Im Gegensatz zu den klassischen<br />

Immunsuppressiva sind die Erfahrungen<br />

zu Effektivität, aber<br />

auch besonders zu Nebenwirkungsprofilen,<br />

begrenzt. Daher<br />

können diese Medikamente außerhalb<br />

von kontrollierten Studien<br />

immer nur die Reservetherapie<br />

bei ansonsten therapierefraktären<br />

Patienten darstellen.<br />

Infliximab – Indikationen<br />

und Limitationen<br />

Infliximab hat in einer plazebokontrollierten<br />

Studie Effektivität<br />

in der Remissionsinduktion beim<br />

Morbus Crohn gezeigt. In einer<br />

Dosierung von 5 mg/kg KG kann<br />

bei etwa der Hälfte der Patienten<br />

eine Remission erreicht werden.<br />

Diese Therapie ist in der Regel als<br />

„Bridging“ bei schweren refraktären<br />

Fällen bis zum Eintritt der<br />

gleichzeitig zu verabreichenden<br />

Immunsuppression zu verstehen.<br />

Die Immunsuppression soll auch<br />

die Bildung von Antikörpern gegen<br />

diese nicht voll humanisierte<br />

Form des Antikörpers verhindern.<br />

Indikationen für Infliximab<br />

sind der schwere therapierefraktäre<br />

Verlauf des Morbus Crohn<br />

und die Fistelkomplikation. Zeitgleich<br />

sollte immer mit einem<br />

Immunsuppressivum therapiert<br />

werden.<br />

Zur Frage der Effektivität von Infliximab<br />

in der Remissionserhaltung<br />

des Morbus Crohn ist die sogenannte<br />

ACCENT I-Studie konzipiert<br />

worden. Nach einer initialen<br />

Infusion mit 5 mg/kg Infliximab<br />

wurden die „Responder“ in achtwöchentlichen<br />

Abständen über<br />

46 Wochen weiterbehandelt.<br />

Nach 54 Wochen, also acht Wochen<br />

nach der letzten Infusion,<br />

waren in der optimalen Dosierung<br />

mit 10 mg/kg Infliximab<br />

noch 38 % der Patienten in Remission.<br />

Problematisch ist die Interpretation<br />

der Studie, weil in die<br />

Randomisierung für die Weiterbehandlung<br />

nur die initialen<br />

„Responder“ eingeschlossen wurden.<br />

Bezieht man aber die Erfolgsraten<br />

auf die Ausgangspopulation,<br />

dann wird in der optimalen<br />

Dosierung die langfristige Remissionserhaltung<br />

nur bei 26 %<br />

aller behandelten Patienten erreicht.<br />

Damit ist diese teure und<br />

vor allem nebenwirkungsträchtige<br />

Langzeittherapie nur im Ausnahmefall<br />

gerechtfertigt. Eine<br />

weitere Indikation für Infliximab<br />

stellt die Fistelkomplikation beim<br />

Morbus Crohn dar. Nach dreimaliger<br />

Infusion von Infliximab heilten<br />

unter der optimalen Dosis<br />

von 5 mg/kg KG 55 % der Fisteln<br />

ab, im Vergleich zu nur 13 % in<br />

der Kontrollgruppe. Die Langzeittherapie<br />

ist weniger erfolgreich,<br />

bei wiederholter achtwöchentlicher<br />

Gabe bleibt nur etwa jeder<br />

fünfte behandelte und nur jeder<br />

dritte initial ansprechende Patient<br />

dauerhaft in Remission.<br />

Infliximab und Colitis ulcerosa<br />

In einer kleinen plazebokontrollierten<br />

Pilotstudie bei schwerer<br />

bzw. fulminanter therapierefraktärer<br />

Colitis ulcerosa war Infliximab<br />

wirksam, bei 17/24 Patienten<br />

konnte eine Kolektomie innerhalb<br />

der ersten drei Monate<br />

nach einmaliger Infusion von<br />

4–5 mg/kg Infliximab vermieden<br />

werden. Die Wirksamkeit einer<br />

langfristigen Therapie wurde in<br />

zwei parallelen Studien (ACT-1<br />

und 2) bei mittelschwergradiger<br />

Colitis ulcerosa untersucht. Demnach<br />

lässt sich eine Remission<br />

nur bei jedem fünften Patienten<br />

dauerhaft aufrecht erhalten.<br />

Diese Ergebnisse dienten als<br />

Grundlage für die Zulassung bei<br />

dieser Indikation.<br />

Risiken der Therapie<br />

mit Infliximab<br />

Unter der Therapie mit Infliximab<br />

ist das Risiko opportunistischer<br />

Infektionen deutlich erhöht. In<br />

Verlaufsbeobachtungen wird eine<br />

Letalität, vor allem durch infektiöse<br />

Komplikationen, von bis<br />

zu 2,8 % berichtet. Auch aus diesem<br />

Grund muss die Indikation<br />

auf ansonsten therapierefraktäre<br />

Patienten beschränkt bleiben.<br />

Obligat vor Gabe von Infliximab<br />

ist der Ausschluss einer latenten<br />

Tuberkulose mittels Mendel-<br />

Mantoux-Test und Röntgen-Thorax,<br />

ein eventueller Verdacht auf<br />

Abszessbildung muss mittels<br />

Kernspintomographie ausgeräumt<br />

werden. Unter der Therapie<br />

mit Infliximab besteht das Risiko<br />

tödlicher Komplikationen,<br />

insbesondere Infektionen. Obligat<br />

vor Therapie ist der Ausschluss<br />

von Abszessen und latenten<br />

Infektionen, insbesondere der<br />

Tuberkulose.<br />

Andere biologische Therapeutika<br />

für den Morbus Crohn<br />

Nach den vielversprechenden<br />

ersten Erfahrungen mit Infliximab<br />

sind diverse andere Inhibitoren<br />

des Tumornekrosefaktor α<br />

untersucht worden oder derzeit<br />

in Erprobung. Insgesamt sind die<br />

Ergebnisse relativ enttäuschend.<br />

Adalimumab, eine weitere humanisierte<br />

Form dieses Antikörpers<br />

steht, kurz vor der Zulassung. Die<br />

Kurzzeitergebnisse weisen auf<br />

eine Remissionsrate von etwa<br />

30 % nach vier Wochen hin. In einer<br />

Langzeitstudie (CHARM) über<br />

ein Jahr zeigte sich eine dauerhafte<br />

Remission bei max. einem<br />

Viertel der Patienten. Adalimumab<br />

scheint auch im Falle eines<br />

Versagens oder Unverträglichkeit<br />

auf Infliximab noch eine Wirkung<br />

aufzuweisen. Schließlich ist noch<br />

Certolizumab zu erwähnen, ein<br />

Antikörper, der nur aus dem TNFbindenden<br />

Fab-Fragment besteht.<br />

In einer Phase-II-Studie<br />

konnte allerdings nach zwölf Wochen<br />

kein signifikanter Benefit<br />

gegenüber Plazebo gezeigt werden.<br />

Langfristige Behandlungsergebnisse<br />

liegen derzeit nicht voll<br />

publiziert vor.<br />

Die Verhinderung des „homing“,<br />

des Einwanderns von Lymphozyten<br />

in die Darmmukosa, kann<br />

über Blockade gewisser Liganden<br />

erreicht werden. Auch hier waren<br />

die bisherigen Daten zu Natalizumab,<br />

einem Antikörper gegen das<br />

α4β7-Integrin, wenig überzeugend.<br />

Weitere Studien mussten<br />

wegen der Entwicklung einer<br />

Leukenzephalopathie zeitweise<br />

unterbrochen werden. Nach einem<br />

Jahr Therapie sind ein Fünftel<br />

der Patienten in dauerhafter<br />

Remission.<br />

Auch die Gabe der antiinflammatorischen<br />

Zytokine IL-10 und IL-<br />

11 hat sich in mehreren kontrollierten<br />

Studien als unwirksam erwiesen.<br />

Insbesondere die Studien<br />

zu IL-11 können als beispielhaft<br />

für das Dilemma der Studienlage<br />

bei den meisten Biologika gelten.<br />

Während zwei plazebokontrollierte<br />

Studien eine begrenzte<br />

Wirksamkeit für IL-11 aufzeigten,<br />

war eine steroidkontrollierte Studie<br />

negativ.<br />

Ein wöchentlich subkutan zu applizierender<br />

Antikörper gegen<br />

das proinflammatorische IL-12 ist<br />

in einer plazebokontrollierten<br />

Phase-II-Studie getestet worden.<br />

Dabei konnte – bei <strong>sehr</strong> kleinen<br />

Patientengruppen – mit der optimalen<br />

Dosis von 3 mg/kg bei<br />

knapp 40 % der Patienten nach<br />

sieben Wochen Therapie eine Remission<br />

induziert werden. Auch<br />

diese Ergebnisse harren der Bestätigung<br />

in größeren Patientenkollektiven.<br />

In einer plazebokontrollierten<br />

Studie war Fontolizumab, ein Antikörper<br />

gegen Interferon γ, in der<br />

Lage, bei knapp einem Drittel der<br />

behandelten Patienten mit Morbus<br />

Crohn eine Remission zu induzieren,<br />

signifikant gegenüber<br />

Plazebo war dieses Ergebnis in einer<br />

post hoc Analyse besonders<br />

bei Patienten mit erhöhtem C-reaktiven<br />

Protein.<br />

Langfristig enttäuschend scheint<br />

auch der Ansatz mit rekombinantem<br />

GM-CSF, dem „granulocyte<br />

macrophage colony stimulating<br />

factor“, zu sein. Sagramostim<br />

wurde in einer plazebokontrollierten<br />

Studie mit 124 Patienten<br />

eingesetzt und diese Therapie<br />

war signifikant effektiver in der<br />

Remissionsinduktion als Plazebo<br />

(40 % vs. 19 %) nach acht Wochen<br />

Therapie. Diese erfolgversprechenden<br />

Resultate lassen sich in<br />

einer längerfristigen Beobachtung<br />

offensichtlich nicht halten.<br />

Andere biologische Therapeutika<br />

für die Colitis ulcerosa<br />

Die Datenlage zu biologischen<br />

Therapieformen bei der Colitis ulcerosa<br />

ist deutlich schlechter als<br />

für den Morbus Crohn. Nur kleine<br />

Fallserien existieren zu Natalizumab<br />

und zwei Antikörpern gegen<br />

den IL-2 Rezeptor. Visilizumab,<br />

ein anti-CD3 Antikörper, wird<br />

derzeit bei der schweren steroidrefraktären<br />

Colitis ulcerosa untersucht.<br />

Präliminäre Daten weisen<br />

auf eine gewisse Effektivität<br />

hin, allerdings erleiden die meisten<br />

Patienten ein schweres Zytokinfreisetzungssyndrom<br />

während<br />

der Infusionstherapie.<br />

Kritik an den Studien<br />

zur biologischen Therapie<br />

Bemerkenswert in Zusammenschau<br />

all dieser Studien ist die<br />

Tatsache, dass sich bisher – bis<br />

auf die Ausnahme Interleukin 11<br />

– keines der biologischen Therapeutika<br />

an einer etablierten Standardtherapie<br />

hat messen lassen<br />

müssen. In allen hier angeführten<br />

kontrollierten Studien ist mit Plazebo<br />

verglichen worden. Es steht<br />

zu befürchten, dass die meisten<br />

Biologika dem direkten Vergleich<br />

zur etablierten immunsuppressiven<br />

Therapie erst recht nicht<br />

standhalten könnten. In den<br />

meisten Studien erreicht nämlich<br />

weniger als die Hälfte der Patienten<br />

eine Remission. Dies wurde<br />

oft dadurch verschleiert, dass<br />

neue Endpunkte wie die sogenannte<br />

„Response“ eingeführt<br />

wurden. Diese bedeutet nur einen<br />

geringen Abfall des klinischen<br />

Aktivitätsindex CDAI um<br />

70–100 Punkte, d. h. den Patienten<br />

geht es besser – aber eben<br />

nicht gut (CDAI < 150). Weitere<br />

Faktoren, welche die Beurteilung<br />

der Studien erschweren, sind eine<br />

hohe Ansprechrate auf Plazebo<br />

und das aggressive Rekrutierungsgebaren<br />

mit der Folge, auch<br />

Patienten mit niedriger Entzündungsaktivität<br />

einzuschließen.<br />

Zusammenfassung<br />

Auf verschiedenen Ebenen wurde<br />

und wird unter Aufbietung großer<br />

finanzieller Mittel und Rekrutierung<br />

tausender Patienten versucht,<br />

im Rahmen kontrollierter<br />

Studien mittels sogenannter biologischer<br />

Therapeutika regulierend<br />

in die mukosale Inflammationskaskade<br />

einzugreifen und<br />

den Entzündungsprozess zu unterbinden.<br />

Die Hoffnung einer selektiveren<br />

und damit effektiveren<br />

und nebenwirkungsärmeren<br />

Therapie ist leider weitgehend<br />

enttäuscht worden. Das einzige<br />

bisher wirksame Therapeutikum<br />

Infliximab wird durch seine mangelhafte<br />

langfristige Effektivität<br />

und durch seine infektiösen Komplikationen<br />

limitiert.<br />

Daher muss derzeit das Ziel in der<br />

Therapie chronisch entzündlicher<br />

Darmerkrankungen sein, frühzeitig<br />

die Indikation zur immunsuppressiven<br />

Therapie zu stellen und<br />

diese dann konsequent und adäquat<br />

dosiert durch klassische Immunsuppressiva<br />

durchzuführen.<br />

Langfristig gesehen wird es allerdings<br />

sinnvoll sein, den Paradigmenwechsel<br />

in der Pathogenese,<br />

nämlich die Rolle eines Defektes<br />

der angeborenen Immunabwehr,<br />

auch in neue Therapieansätze<br />

umzusetzen. Dies bedeutet den<br />

Ausblick auf eine kausale Therapie,<br />

die dann hoffentlich auch<br />

nicht mehr die Nachteile der Immunsuppression<br />

hätte.<br />

Samstag, 16. Juni 2007<br />

Sitzung VIII<br />

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen<br />

8.30–9.15 Uhr<br />

(Stellenwert von Biologicals)

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