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Ansprache zur Kranzniederlegung am Waldfriedhof in Kroge ...

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Schützenansprache 2012 - <strong>Kroge</strong><br />

Liebe Schützenbrüder,<br />

liebe Ordensschwestern,<br />

liebe Geme<strong>in</strong>de,<br />

„Weil die Toten schweigen, beg<strong>in</strong>nt immer wieder alles von vorn“,<br />

schrieb der französische Philosoph Gabriel Marcel.<br />

D<strong>am</strong>it die Toten nicht schweigen, d<strong>am</strong>it wir ihre Stimme hören, stehen wir heute<br />

hier, um <strong>in</strong> dem ganzen Trubel, der schon war und der noch kommen wird, <strong>in</strong>wendig<br />

zu werden, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zublicken <strong>in</strong> unsere Seele, die weiß Gott nicht nur Schützenfeste<br />

kennt, sondern <strong>in</strong> der sich auch s<strong>am</strong>melt, was uns niederdrückt, was nachhaltig<br />

auch die Schattenseiten und Schwere des Lebens s<strong>am</strong>melt, was uns daran er<strong>in</strong>nert,<br />

dass das Leben, das wir so gerne feiern mit allen Geburtstagen und Festen, eben<br />

begrenztes Leben ist und auch die dunklen Zeiten der Geschichte kennt, <strong>in</strong> der auch<br />

Vorwürfe nicht verstummen; Zeiten der Kriege und s<strong>in</strong>nloser Opfer, die aus der Er<strong>in</strong>nerung<br />

der Älteren von uns noch nicht verschwunden s<strong>in</strong>d.<br />

Und da werden wir bei diesen <strong>Kranzniederlegung</strong>en immer konfrontiert mit e<strong>in</strong>er<br />

Melodie, die durch Mark und Be<strong>in</strong> geht: „Ich hatt’ e<strong>in</strong>en K<strong>am</strong>eraden….“<br />

Die Melodie zu diesem „Lied vom guten K<strong>am</strong>eraden“ gehört seit langem zum festen<br />

Bestandteil musikalisch umrahmter Gedenkveranstaltungen <strong>am</strong> Volkstrauertag und<br />

eben auch bei <strong>Kranzniederlegung</strong>en auf Schützenfesten; das gilt auch für entsprechend<br />

ausgerichtete Begräbnisfeiern.<br />

Wer offen und bewusst an solchen Veranstaltungen teilgenommen hat, weiß, wie<br />

wichtig diese Melodie für die meisten Teilnehmer ist. Ergriffenheit liegt auf vielen<br />

Gesichtszügen. Lassen sich mich kurz auf se<strong>in</strong>e Entstehung zu sprechen kommen.<br />

Der Text st<strong>am</strong>mt von dem schwäbischen Dichter Ludwig Uhland (1787-1862), der es<br />

1809 <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen geschrieben hat. Zu dem „Lied vom guten K<strong>am</strong>eraden“ ließ Uhland<br />

sich anregen von e<strong>in</strong>em Lied aus „Des Knaben Wunderhorn“, e<strong>in</strong>e S<strong>am</strong>mlung<br />

von Liedern des österreichischen Komponisten Gustav Mahler. Es entstand anlässlich<br />

des Tiroler Freiheitsk<strong>am</strong>pfes zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts unter Andreas Hofer.<br />

Die Melodie wird dem schwäbischen Komponisten Friedrich Silcher (1789–1860) zu-


geschrieben, zum<strong>in</strong>dest hat er 1812 ebenfalls <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen sie aus e<strong>in</strong>em Volkslied<br />

angepasst. Der Text dieses Liedes aus e<strong>in</strong>er Mischung von Trauer, Fatalismus und<br />

soldatischer Pflichterfüllung hat zu allen Zeiten die Menschen berührt. Und da s<strong>in</strong>d<br />

die drei Strophen, die wie die Melodie durch Mark und Be<strong>in</strong> gehen:<br />

Ich hatt e<strong>in</strong>en K<strong>am</strong>eraden,<br />

E<strong>in</strong>en bessern f<strong>in</strong>dst du nit.<br />

Die Trommel schlug zum Streite,<br />

Er g<strong>in</strong>g an me<strong>in</strong>er Seite<br />

Im gleichen Schritt und Tritt.<br />

E<strong>in</strong>e Kugel k<strong>am</strong> geflogen:<br />

Gilt sie mir oder gilt sie dir<br />

Ihn hat es weggerissen,<br />

Er liegt mir vor den Füßen<br />

Als wär's e<strong>in</strong> Stück von mir<br />

Will mir die Hand noch reichen,<br />

Derweil ich eben lad'.<br />

"Kann dir die Hand nicht geben,<br />

Bleib du im ew'gen Leben<br />

Me<strong>in</strong> guter K<strong>am</strong>erad!"<br />

Das Gleiche gilt noch stärker für die Melodie. Zwar war das Lied im 19. Jahrhundert<br />

noch nicht offiziell <strong>in</strong> das Trauerzeremoniell aufgenommen – ursprünglich wurden<br />

e<strong>in</strong> Trauermarsch und der Choral „Jesu, me<strong>in</strong>e Zuversicht“ gespielt. Doch seit etwa<br />

1871 wurde es üblicher, das „Lied vom guten K<strong>am</strong>eraden“ auch bei offiziellen Anlässen<br />

zu spielen. Seit dem Ersten Weltkrieg gehört es zum festen Bestandteil des militärischen<br />

Abschiedszeremoniells. Die Bundeswehr führt seit ihrem Bestehen diese<br />

Tradition fort.<br />

Und heute an dieser Stelle mit all diesem Zeremoniell darf es nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bewährten<br />

Tradition getan bleiben:<br />

„Weil die Toten schweigen, beg<strong>in</strong>nt immer wieder alles von vorn“<br />

Wir haben allen Grund, die Stimme der Toten zu hören.


In e<strong>in</strong>em viel zitierten Satz hat der selige Papst Johannes Paul II. <strong>am</strong> Vorabend des<br />

Irak-Krieges Anfang des Jahres 2003 auf das drohende Versagen politischer Friedensbemühungen<br />

h<strong>in</strong>gewiesen. Er sagte: „Krieg ist immer e<strong>in</strong>e Niederlage der<br />

Menschheit. Er ist niemals e<strong>in</strong> unabwendbares Schicksal.“<br />

Gott sei Dank tragen Sie heute Ihre Uniformen fürs Schützenfest und nicht, um <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Krieg zu ziehen.<br />

Und doch kennen wir alle die kle<strong>in</strong>en Kriege, die wir führen und die immer auch Eskalation<br />

von Gewalt nicht ausschließen können.<br />

Nehmen wir darum bei der Ehrung der Toten heute vor allem uns selbst <strong>in</strong>s Gebet,<br />

dass <strong>in</strong> uns die Sehnsucht nach Frieden nicht stirbt, dass wir unser Leben nicht nur<br />

<strong>in</strong> den mitunter gnadenlosen Bed<strong>in</strong>gungen dieser Welt e<strong>in</strong>richten, sondern dass wir<br />

uns führen lassen von jenem Geist, den uns die Kirche immer wieder an Pf<strong>in</strong>gsten<br />

zuspricht.<br />

„Bleib du im ew'gen Leben, Me<strong>in</strong> guter K<strong>am</strong>erad!"<br />

Wer das noch glauben kann, wenn l<strong>in</strong>ks und rechts neben e<strong>in</strong>em geschossen wird,<br />

der br<strong>in</strong>gt durch die Stimme Gottes die Toten <strong>in</strong>s Wort: Schützt das Leben, wo auch<br />

immer, der gute S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Schützenfestes.

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