Radegast, 2.3. Gustav Heinrich Anton Titus _1831 - 1913

Gustav Heinrich Anton Titus,
* Ribnitz 7. 1. 1831,
† Berlin 3. 3. 1913,
vormals auf Klotainen,
Kreis Heilsberg, Ostpreußen,
preußischer Major a. D.;
oo Berlin 9. 11. 1860
Antoinette Emma Helene
Zimmer de Cisielski,
* Potsdam 5. 9. 1839,
† Berlin 12. 4. 1927
(Eltern: Wilhelm August
Zimmermann de Cisielski,
preußischer Stadtgerichtsrat,
und Emma Marie v. Rohr
adH Trieplatz).
Hans Friedrich v. Restorff schreibt über Gustav v. Restorff auf Seite 99 seiner
Familiengeschichte:
„Der Major a. D. Gustav von Restorff, dem die Familie ihren Stammbaum verdankt,
forderte die Mitglieder der Familie auf, einen Verband zu gründen. Dies geschah am
5. Juni 1894 im Hotel Kaiserhof.“ Wir Nachfahren sind daher dem langjährigen
Vorsitzenden des Familienverbandes auch heute noch zu großem Dank verpflichtet.
Gustav wurde am 7. Januar 1831 als drittes Kind seiner Eltern Adolf Conrad Cord v. Restorff
und Elisabeth Wilhelmine, geb. Schuback, in Ribnitz geboren. Seine Schwester Louise war
bei seiner Geburt zweieinhalb Jahre alt und sein Bruder Carl knapp anderthalb.
Gustavs Vater war als Jurist Zweiter Beamter in dem kleinen mecklenburgischen
Landstädtchen. Die Familie bewohnte dort ein eigenes Haus mit einem großen Garten für die
Kinder und mit einem Pferdestall. Pferd und Wagen wurden benötigt, da der Vater zu
Amtsgeschäften und zu Sitzungen nach Hirschburg fahren musste.

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Wiederum anderthalb Jahre nach Gustav wurde die kleine Anna geboren, es folgten Adolf
und schließlich Hermann. Dies sind die Namen und Geburtsdaten der Kinder, die in Ribnitz
zur Welt kamen und die die ersten Jahre ihres Lebens miteinander verbrachten:
Louise Henriette Regine, geboren am 10. Juli 1828,
Carl Paul Heinrich, geboren am 3. August 1829,
Gustav Heinrich Anton Titus, geboren am 7. Januar 1831,
Johanna Wilhelmine Caroline Friederike, geboren am 14. Juli 1832,
gestorben am 10. April 1834,
Adolf Ludwig Franz, geboren am 13. Mai 1834, und
Hermann Ludwig Wilhelm Carl, geboren am 13. Juli 1835.
Sicherlich war Gustav mit seinen gerade drei Jahren zu klein, um den Schmerz beim Tod der
kleinen Anna auch selbst empfinden zu können. Es gab für ihn drei Brüder als
Spielkameraden, und der nächste Bruder lag schon einen Monat nach dem Tod der kleinen
Schwester in der Wiege.
Gustav war fünf Jahre alt, als sein Vater das Gut Radegast von der in Rakow lebenden
Großmutter Carolina Christiana übernahm und die Familie von Ribnitz wegzog. Nun begann
für die noch weiter wachsende Kinderschar das Leben auf dem Lande. In Radegast wurden
geboren:
Friedrich Otto Carl, genannt Fritz, geboren am 13. September 1836,
Wilhelm Emil Christian, geboren am 10. Februar 1838, und
Marie Henriette Caroline Auguste, geboren am 19. Juni 1839.
Sechs Söhne wuchsen miteinander auf und wurden zunächst von einer deutschen und einer
französischen Gouvernante erzogen. Zusätzlich wurden sie von ihrem Vater Adolf in
verschiedenen sportlichen Disziplinen unterwiesen und von der Mutter Lisette in biblischer
Geschichte, Zeichnen und in Musik. Sehr früh schon wurde bei Tisch französisch gesprochen,
einerseits um die Sprache zu trainieren, andererseits aber auch – wie Carl in seinen
Erinnerungen vermutet –, um die große Kinderschar vom Plappern abzuhalten. Ärgerlich war,
dass Louise nach dem Hauptgang immer am Tisch sitzen bleiben und den süßen Nachtisch
mit den Erwachsenen genießen durfte, während den Brüdern dies aus erzieherischen Gründen
versagt war. Sie sollen die große Schwester dafür des öfteren geknufft haben. Auch Ponys
bekamen die kleinen Jungen nicht, da sie sich voll und ganz auf das Lernen konzentrieren
sollten. Jedes Kind hatte aber sein eigenes Gärtchen, für das es selbst verantwortlich war.

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Es war eine liebevolle, aber doch auch konsequente, an christlichen Grundsätzen orientierte
Erziehung, die den Kindern aber keineswegs geschadet hat, zeigten sie sich doch später im
Erwachsenenalter dankbar dafür, dass sie rechtzeitig das Verzichten-Können gelernt hatten.
Das Vorrecht der Großmütter war es, die Kinder zu verwöhnen. Gustavs Bruder Carl erinnerte
sich noch im Alter an Weihnachtsgeschenke, die mit Phantasie und viel Liebe von der
Großmama Sillem ausgewählt waren, passend zum jeweiligen Lebensalter des beschenkten
Kindes.
Der Hausunterricht, der später von einem Hauslehrer erteilt wurde, war anspruchsvoll, denn
es war der Wunsch des Vaters, dass seine Söhne später – so wie vor ihnen er und sein älterer
Bruder Heinrich – studieren sollten. Als einmal für kurze Zeit ein Hauslehrer ausfiel,
unterrichtete Adolf selbst den Ältesten in Latein. Später kamen die Jungen, einer nach dem
anderen, aufs Gymnasium. An welchen Ort Gustav zur Schule geschickt wurde, wird nirgends
erwähnt. Er hat wohl gerade zu der Zeit als Zehnjähriger das Haus verlassen, als der Vater
seinen ersten Herzinfarkt erlitt.
Es folgten zwei Jahre Krankheit und vergebliche Kuren. Der sonst so aktive Vater, den die
Söhne als leistungsfähigen Sportler erlebt hatten, kämpfte nun gegen die Krankheit an, ohne
jedoch über seine Schmerzen zu klagen. Er starb 43jährig am 20. August 1843. Gustav war
zwölfeinhalb. Am Sterbebett hatte sich nicht nur Adolfs Familie versammelt, anwesend war
auch Onkel Heinrich aus Rosenhagen, der dem ältesten der Brüder, Carl, versprach, dass er
von nun an wie ein Vater für sie alle sorgen wolle. Und dieses Versprechen hat er zwanzig
Jahre lang gehalten, indem er neben seinem eigenen Gut Rosenhagen auch die Familie seines
verstorbenen Bruders und das Nachbargut Radegast als Vormund betreute.
Die kleine Dorothea Caroline Friederike, die etwa sechs Wochen vor dem Tode des Vaters in
Radegast geboren worden war, starb ein Jahr später am 12. Juli 1844. Da war Gustav 13 Jahre
alt und vielleicht gerade in den Ferien zu Hause, so wie im letzten Jahr, als der Vater starb.
Die Verantwortung für die Erziehung lag nun auf den nur anscheinend schwachen Schultern
der körperlich recht zarten Mutter Lisette. Regelmäßig schrieb sie Briefe an ihre auswärtig
untergebrachten Söhne und an die Herren, in deren Familien die Jungen während der

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Schulzeit „in Pension“ lebten. Sowohl von Carl als auch von Lisa, Adolfs ältester Tochter,
wissen wir, wie sehr diese Mutter von ihren Söhnen verehrt wurde.
Seit 1846 – dem Todesjahr von Onkel Titus – lebten bei der Großmutter Carolina Christiana
in Rakow dessen Witwe, Tante Marie, und deren vier Kinder, die aber jünger waren als
Louise, Carl und Gustav. Als die gemeinsame Großmutter am 1. April 1849 in Rakow
gestorben war, da trafen sich – so darf vermutet werden – die Rakower, die Rosenhäger und
die Radegaster sowie die Stenglin-Verwandten aus Schwerin auf dem Friedhof in Neubukow,
eine große Familie, deren neues Oberhaupt nun Onkel Heinrich aus Rosenhagen war.
Spätestens 1851 wird Gustav sein Abitur bestanden haben. Er entschied sich gegen ein
Studium und trat in das Garde-Grenadier-Regiment Kaiser Wilhelm Alexander von Russland
ein, wo er am 11. März 1852 – also mit 21 Jahren – Secondlieutnant wurde. Auch sein
jüngerer Bruder Wilhelm wurde später preußischer Offizier, während der sechs Jahre jüngere
Rosenhäger Vetter Dethleff 1855 – mit 18 Jahren – seine militärische Laufbahn in
Mecklenburg begann und dessen Brüder Jasper und Heino später in Österreich K.u.K.-
Offiziere wurden.
Die einzige Hochzeit, die zur damaligen Zeit in Radegast gefeiert werden konnte, war die von
Louise mit Helmuth v. Plessen am 8. Juni 1854. Die nächsten Jahre waren wieder von Trauer
überschattet: Nachdem am 22. März 1856 in Rosenhagen schon der jüngere Vetter Moritz als
Gymnasiast einer langjährigen Krankheit erlegen war, starb ein Jahr später, am 5. Februar
1857, in München Gustavs jüngerer Bruder Hermann, cand. jur.
Vier Jahre später, am 9. November 1860, heiratete Gustav in Berlin die 21jährige Antoinette
Emma Helene Zimmermann de Cisielski, deren Vater preußischer Stadtgerichtsrat war. Wenn
man sich die Schilderungen Hans Friedrichs über Hofbälle und Kaiser-Paraden ins Gedächtnis
zurückruft, so kann man sich vorstellen, dass möglicherweise der nun 28jährige Offizier seine
junge Braut bei einem vergleichbaren gesellschaftlichen Ereignis in Berlin kennen gelernt
hatte.
1863 war das Jahr, in dem die Vormundschaft über Radegast nach zwanzig Jahren zu Ende
ging. Die verbliebenen fünf Radegaster Brüder losten nach mecklenburgischem Brauch um
das väterliche Erbe. Das Los fiel auf Fritz, auf den ersten der Geschwister, der in Radegast

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geboren worden war. Lisette hatte ihr eigenes Vermögen wie auch die Erträge des Gutes
sorgsam verwaltet, so dass sie nun in der Lage war, jedem ihrer erwachsenen Kinder eine
beträchtliche Summe zu übergeben, mit der sich die übrigen Söhne eine eigene Existenz
aufbauen konnten. Gustav nahm als Hauptmann seinen Abschied und kaufte sich in
Ostpreußen an. Sein Gut hieß Klotainen, es lag im Kreis Heilsberg. Auch seine Brüder Carl
und Adolf gingen als Landwirte nach Ostpreußen: Carls dortiges Gut hieß Dosnitten und lag
im Kreis Preußisch Holland, Adolf kaufte das Gut Schwengels mit Montitten im Kreis
Heiligenbeil. – Auch in Rakow war die Zeit der Vormundschaft vorbei, das Los war auf Otto
gefallen, und der Jüngere der Brüder, Friedrich, kaufte in Ostpreußen das schöne Gut
Lindenau, ebenfalls im Kreise Heiligenbeil.
Im Lebenslauf Gustavs, der in Hans Friedrichs Familiengeschichte auf Seite 86f. nachzulesen
ist, steht als nächste Eintragung: „War Kriegsteilnehmer von 1866 und 1870/71, Ritter
des Eisernen Kreuzes II. Klasse (...)“, das heißt, dass Gustav reaktiviert worden war und
als preußischer Offizier seinen jüngeren Vettern am Tage der Schlacht bei Königgrätz am 3.
Juli 1866 feindlich gegenüber gestanden hatte. Sein jüngerer Bruder Wilhelm büßte in dem
mörderischen Bruderkampf zwischen Preußen und Österreich ein Auge ein, während seine
Vettern Jasper und Heino ihr Leben als K.u.K.-Offiziere ließen. Auch 1870/71 war Gustav
Kriegsteilnehmer. Da war er inzwischen 39 Jahre alt. Irgendwann – das Datum ist nicht
bekannt – verließ Gustav die preußische Armee als Major a. D. und ging zurück nach
Klotainen.
Das Jahr 1868 war ein Jahr mehrerer Hochzeiten. Als erster heiratete der 30jährige Offizier
Wilhelm in Berlin die Amerikanerin Fanny Kneeland. Die Hochzeit wurde im Schloss
Monbijou gefeiert, sicherlich mit großem Aufwand und mit vielen Gästen. Als dann am 1.
Mai 1868 Gustavs Bruder Fritz, der junge Besitzer von Radegast, in Parchow bei Kröpelin
Bertha v. Storch heiratete, da bedeutete dies, dass Lisette ihrer Schwiegertochter den großen
Haushalt überließ und mit ihrer jüngsten Tochter Marie zunächst nach Schwerin zog, wo
Marie noch im selben Jahr den sehr viel älteren braunschweigischen Offizier Hermann
Hollandt heiratete, der auch seine Schwiegermutter mit zu sich nach Braunschweig nahm.
Aus den erhaltenen Briefen geht hervor, dass die „gehorsame Tochter Bertha“ ein sehr
liebevolles Verhältnis zu ihrer „Herzens-Mama“ und zu ihrer Schwägerin Marie in
Braunschweig hatte.

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Im Jahre 1877 wurde in Radegast wieder einmal Taufe gefeiert, und die junge Mutter Bertha
erwähnt in ihrem Erzählbrief an die Schwiegermutter Lisette die Abreise der Brüder. Nur
Adolf wird von ihr namentlich genannt, aber es ist denkbar, dass auch „Onkel Gustav“ und
„Tante Nettchen“ zur Taufe aus Klotainen gekommen waren. Ein Jahr später ist in einem
weiteren Brief Berthas davon die Rede, dass Adolf, Gustav und Nettchen gemeinsam eine
Frühjahrsreise nach Rom unternommen haben, dass sie aber auf der Rückreise wohl nicht
nach Radegast kommen würden, da sie schon am 8. wieder in Klotainen sein wollten. Der
Brief ist vom 5. April 1878.
Am 1. November 1880 starb der Mittelpunkt der großen Radegaster Geschwisterschar,
Elisabeth Wilhelmine v. Restorff, genannt Lisette, Gustavs geliebte Mutter, in Braunschweig
im Hause ihrer Tochter Marie und ihres Schwiegersohnes Hermann Hollandt.
Die Hochzeit des Bruders Adolf am 1. Juni 1882 mit der sehr viel jüngeren Käthe v. der
Groeben, die in Groß Klingbeck im ostpreußischen Kreis Heiligenbeil gefeiert wurde, haben
Gustav und Nettchen sicherlich als Gäste miterlebt. Die enge Verbindung der Brüder zeigte
sich nicht nur bei der gemeinsamen Romreise, sondern auch wenige Jahre später, als das am
23. März 1883 geborene älteste Kind Adolfs und Käthes, Lisa, mit drei Jahren
Kinderlähmung bekam und davon ein völlig muskelloses Bein behielt. Wenn Käthe mit Lisa
wegen einer Behandlung oder Operation das heimatliche Schwengels für längere Zeit
verlassen musste, dann sprangen Onkel Gustav und Tante Nettchen ein und beaufsichtigten
den Gutshaushalt und die inzwischen geborenen jüngeren Nichten Ada und Ruth. Diese enge
familiäre Verbindung hielt auch später an, nachdem Gustav und Antoinette 1885 das Gut
Klotainen wieder verkauft hatten und nach Berlin gezogen waren. Da nahm das kinderlose
Ehepaar nacheinander die Nichten für einige Monate zu sich nach Berlin, um sie dort in die
Gesellschaft einzuführen und um sie „Kultur schnuppern“ zu lassen. Lisa berichtet darüber in
ihren Erinnerungen, die sie für ihren Neffen Eckart v. Stutterheim aufgeschrieben hat, Sohn
ihrer Schwester Ruth, genannt „Uthel“:
„Ich schrieb erst, daß Uthel manchmal stark geistig hungerte und litt als erwachsenes
Mädchen – Vater fand immer den Zeitpunkt heraus, wenn er dies beobachtete, dann
wurde sie für eine Zeit nach Berlin zu Tante Nettchen und Onkel Gustav geschickt,
wo sie Theater und Konzerte mit ihnen besuchte, im Kapellenverein arbeitete und in
dem großen Bekanntenkreis der Verwandten so manche Menschen kennen lernte,

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mit denen sie dann auch später verbunden blieb. Wir neckten sie dann gern mit ihren
‚100 Freundinnen’, sie war ja sehr beliebt! Auf Bällen unterhielt sie sich meist mehr
als daß sie tanzte, weil sie das viel schöner fand – anders als Tante Ada, die so sehr
gern tanzte, und auch hübscher! Du fragst, wann die beiden Schwestern zu Willichs
kamen. Sie waren das letzte halbe Jahr der Schulzeit in Berlin, gingen dort zum
Konfirmandenunterricht zu Consistorialrat Köhler an der Kaiser-Wilhelm-
Gedächtniskirche, und – bei Tante Nettchen und Onkel Gustav wohnend – nahmen
sie an dem Schulunterricht bei Willichs teil. Beide hatten keinerlei Lücken in
irgendeinem Fach und waren sehr sehr gern dort, hatten daneben guten
Klavierunterricht, besuchten viel Museen und Ausstellungen, gewannen dort
Freundinnen fürs Leben, so Elisabeth und Hanni Marwitz aus Rütznow, Agnes und
Oda Alvensleben, Ehrengard Senfft, die ich letztes Jahr hier bei Gilsas wiedersah,
die noch reizend von Schwengels und besonders von Vater sprach und so gar jetzt
noch ein Bild von ihm hatte!“ [S. Vf.]
Nach den drei Schwestern Lisa, Ada und Ruth war 1890 ein Sohn geboren worden, Adolf
Cord, der Erbe von Schwengels. Er macht sich in seiner Niederschrift „Heimat“ ganz andere
Gedanken über die Einflüsse, die von Onkel Gustav und insbesondere von Tante Nettchen
ausgingen:
„Element(!) war das von uns heiß geliebte Tante Nettchen. Sie war die kinderlose Frau
des“ [zweit-]„ältesten Bruders von Vater, Onkel Gustav, und vertrat bei uns die Stelle
einer Großmutter. Beide, Onkel und Tante, konnten sich nicht recht mit Mutter stellen,
obwohl sie sich jedes Jahr vier bis fünf Wochen von ihr verwöhnen ließen. Mutter gab
sich die größte Mühe mit ihnen – waren sie doch sehr wohlhabende Erblasser –, aber
Tante Nettchen versuchte dauernd, uns Kinder in Gegensatz zu Mutter zu bringen,
indem sie – für uns unmerklich – unserer Kritik an den Eltern, besonders aber an
Mutter, Nahrung gab. Ich glaube, sie hätte uns am liebsten adoptiert, um uns dem
‚verderblichen’ Einfluß der Eltern zu entziehen. Mit allen kleinen Sorgen gingen wir viel
lieber zu Tante Nettchen als zu den Eltern, weil sie uns unendliches Verständnis und
Hilfe brachte, doch nie ohne einen Seitenhieb auf Mutter! Wenn mir dies als Kind auch
nie klar wurde, so brachte es doch naturgemäß einen so starken Riß in das Verhältnis
zu meiner Mutter, der sich nie ganz geschlossen hat. Es ist das schlimmste Unrecht

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an einem Kinde, daß man es Kritik an seiner Mutter üben lehrt, diese kommt dem
Heranwachsenden leider ganz von selbst.“ [Cord v. R., Heimat, S. IIf.]
In Berlin führten Gustav und Antoinette ein offenes Haus, in das nicht nur die jungen Nichten
aus Schwengels eingeladen wurden. Hans Friedrich schreibt dazu auf Seite 87: „Nachdem er
Klotainen verkauft hatte, wohnte er in Berlin am Hafenplatz, wo sein allen
Verwandten – besonders den in Berlin kommandierten Neffen und den Kadetten aus
Lichterfelde – jederzeit gastfrei geöffnetes Haus allen Familien-Mitgliedern in
dankbarster Erinnerung steht.“ Und als Hermann Hollandt am 29. Dezember 1890 in
Braunschweig starb und seine Witwe Marie nun allein war, da holten Gustav und Antoinette
die Schwester und Schwägerin nach Berlin. Sie starb dort Jahre später am 31. Oktober 1906.
Gustav wurde am 7. Januar 1891 60 Jahre alt und beschäftigte sich nun zunehmend mit
Familiengeschichte. Er stellte die Stammbäume der Familie v. Restorff zusammen, auf die
sich später die Geschwister Hermine und Hans Friedrich bei ihren Arbeiten stützten, und er
trug sich mit dem Gedanken, den zahlreichen Brüdern und Vettern die Gründung eines
Familienverbandes vorzuschlagen. Die Erinnerung an den frühen Tod des eigenen Vaters mag
ihn dazu bewogen haben, Witwen und Waisen im Rahmen der Großfamilie abzusichern und
nach Möglichkeit zu unterstützen. Es war aber damals auch Mode, dass adlige, später auch
bürgerliche Familien Verbände gründeten. Wenn man sich fragt, warum die erste
Zusammenkunft der Restorff-Vettern nicht in Mecklenburg, sondern in Berlin stattgefunden
hat, so findet man die Erklärung sicherlich im Wohnort Gustavs. Berlin lag zwischen
Mecklenburg und Ostpreußen, so dass der Weg aus beiderlei Richtungen nicht allzu weit war.
Die Gründung des Familienverbandes v. Restorff fand – wie schon am Beginn erwähnt – am
5. Juni 1894 im Hotel Kaiserhof in Berlin statt. Teilnehmer der ersten Zusammenkunft waren
neben Gustav selbst: Gustavs Brüder Carl, nun wohnhaft in Schwerin, Adolf auf Schwengels,
Fritz auf Radegast und Wilhelm, Königlich Preußischer Oberst a. D., wohnhaft in Schwedt an
der Oder. Das Haus Rosenhagen vertrat der junge, nun Königlich Preußische Oberleutnant
Hans Friedrich, 32 Jahre alt. Aus dem Hause Rackow, das zur damaligen Zeit noch mit ck
geschrieben wurde, kamen der 59jährige Besitzer Otto und sein vier Jahre jüngerer Bruder
Friedrich, Besitzer von Lindenau in Ostpreußen. Das Haus Werle vertraten: Rudolph, der
Besitzer von Werle, 56 Jahre alt, dessen Sohn und Erbe Curd, 26 Jahre alt, und Friedrich
Freiherr von Restorff, K. u. K. Kämmerer und Rittmeister a. D. aus Wien. Diese elf Vettern

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gründeten den Familienverband von Restorff. Gustav hatte einen Satzungsvorschlag
ausgearbeitet, damals noch „Statuten“ genannt, über den im Einzelnen – Paragraph für
Paragraph – abgestimmt wurde. Danach wählte man die drei Mitglieder des Familienrates:
Gustav von Restorff, Berlin, Otto von Restorff-Rackow und Curd von Restorff aus dem
Hause Werle. Als Ort des nächsten Familientages schon ein Jahr später, 1895, wurde wieder
Berlin gewählt. Das in schöner Kanzlei-Handschrift verfasste Protokoll wurde von „Gustav
von Restorff“ und von „OvRestorff-Rackow“ unterschrieben.
Im Protokoll des zweiten Familientages am 18. Februar 1895 in Berlin wird Carl nun als
„Senior“ bezeichnet. Als solcher eröffnete er die Sitzung der acht Vettern, unter denen der
26jährige Walter v. R. aus dem Hause Werle zum ersten Mal erschienen war. Otto v. R.-
Rackow gedachte der Verstorbenen, unter ihnen „Frau Landrätin von Restorff geb.
Baronesse von Stenglin, Ludwigslust, gestorben 10. Januar 1895“. Dann wurden die
inzwischen gedruckten Statuten mit dem Haupt-Exemplar verglichen. Zum Kassenprüfer
wurde Gustavs Bruder Adolf v. R.-Schwengels ernannt. Zur damaligen Zeit wurden
Mitgliedsbeiträge erhoben; das Vermögen des Verbandes betrug knapp 2.000 Mark, erhöht
durch ein Legat von Fräulein Frida v. Restorff, das dankend angenommen worden war. Der
Familienrat blieb in seiner bisherigen Zusammensetzung bestehen, als Ort des nächsten
Familientages wurde Schwerin gewählt. Das Protokoll wurde unterschrieben von „Gustav
von Restorff, Schatzmeister“ und „OvRestorff-Rackow“, dem Schriftführer.
Der dritte Familientag fand am 1. Juni 1898 in Schwerin statt. Gustav als Vorsitzender
gedachte nach der Eröffnung der Sitzung der in den vergangenen Jahren Verstorbenen, unter
ihnen „der Frau Marie von Restorff – Rackow, geb. Freiin von Stenglin, gest. d. 5.
Sept. 1895,“ Ottos und Friedrichs Mutter, und er ernannte zum Protokollführer Friedrich v.
Restorff-Lindenau. In den Familienrat wurde – neben Gustav und Otto – aus dem Hause
Werle Rudolph gewählt, da sein Sohn Curd sein Amt im Familienrat niedergelegt hatte. Das
Verbandsvermögen betrug nun 3.800 Mark. Der nächste Familientag im Jahre 1901 sollte
wieder in Berlin stattfinden. Die Unterschriften unter dem Protokoll wie immer: „Gustav von
Restorff“ und „OvRestorff-Rackow“.
Der vierte Familientag fand – wie beschlossen – 1901 in Berlin statt, und zwar am 11.
Februar. Unter den elf Teilnehmern waren erstmals erschienen: die Brüder Eberhard und Otto,
28 und 20 Jahre alt, aus dem Hause Lindenau sowie die Brüder Fritze und Courtland, Söhne

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von Wilhelm, 31 und 27 Jahre alt. Jasper v. Restorff, Oberleutnant, Rostock, wurde zum
Protokollführer ernannt. Das Vermögen des Familienverbandes überstieg 6.000 Mark, Gustav
schenkte dem Familienfonds weitere 1.000 Mark. Der Familienrat bestand auch zukünftig aus
den „Herren Otto v. R.-Rackow, Gustav von Restorff und Rudolf von Restorff-Werle.“
Curd v. R., Rudolphs Sohn, wurde zum Archivar gewählt. Der nächste Familientag sollte
1904 in Radegast stattfinden. Unterschriften unter dem Protokoll: „Gustav von Restorff,
OvRestorff-Rackow“. Die dem Protokoll beigefügte Liste nennt 29 Namen von zahlenden
Mitgliedern, männlich und weiblich.
Zum fünften Familientag in Radegast am 18. Mai 1904 erschienen nur sieben Vettern: Gustav
von Restorff, nun 73 Jahre alt, seine Brüder Adolf v. R.-Schwengels, der gerade erst am 13.
Mai seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte, und Fritz v. R.-Radegast, 68 Jahre alt, der Gastgeber;
dazu Dethleff v. R.-Rosenhagen, inzwischen 67 Jahre alt, und der mit ihm gleichaltrige
Rudolph v. R.-Werle. Von der jüngeren Generation waren erschienen: Hans Friedrich v. R. aus
Wismar, Erbe von Rosenhagen, 41, und Hans-Ulrich v. R., Erbe von Radegast, wohnhaft
Sophienhof, 31 Jahre alt, der zum Protokollführer ernannt wurde. Das Verbandsvermögen
betrug nun bereits über 10.000 Mark. Die Mitglieder des Familienrates waren auch weiterhin
die „Herren Otto v. R., Gustav v. R., Berlin, und Rudolf v. R., Werle.“ Möglicherweise
war Otto v. Restorff-Rackow krank, da nicht anwesend; für den Fall, dass er sein Amt als
Schriftführer nicht weiter ausüben wollte, wurde als sein Stellvertreter sein Bruder Fritz v.
Restorff auf Lindenau erwählt. Der nächste Familientag sollte wieder in Berlin stattfinden, und
zwar im Herbst 1907. Das Protokoll ist unterschrieben – so wie bisher – von: „Gustav von
Restorff – Berlin“ und „OvRestorff-Rackow“.
Zum sechsten Familientag am 12. Oktober 1907 in Berlin versammelte sich eine 14köpfige
Herrenrunde: Gustav v. R., Berlin, nun bereits 76 Jahre alt, der Schriftführer Otto v. R.-
Rackow, 71 Jahre alt, Gustavs Bruder Fritz v. R.-Radegast, gerade 71 geworden; Fritz v. R.-
Lindenau, 67; Curd v. R., Werle, 39 Jahre alt; dazu die zukünftigen Erben Hans Friedrich v. R.,
Wismar, am 1. Oktober 45 Jahre alt geworden, Hans-Ulrich v. R., Tangrim, 34, Eberhard v. R.,
Schwedt, ebenfalls 34, Horst v. R., Koppenow, 26. Die jüngeren Herren Jasper aus dem Hause
Rosenhagen, Diedrich aus dem Hause Radegast, und Fritze, Sohn von Wilhelm, sowie Otto aus
dem Hause Lindenau waren Offiziere, bei Walter aus dem Hause Werle wird kein Beruf
genannt. Hans Friedrich wurde zum Protokollführer bestimmt; das Ausscheiden des bisherigen
Seniors Carl v. R. wurde zur Kenntnis genommen. Carl, der ältere Bruder Gustavs, starb 1914

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im Alter von 85 Jahren in Schwerin. Neuer Senior der Familie war nun der Vorsitzende Gustav
selbst. Das Vermögen des Verbandes betrug über 12.000 Mark, die Höhe der Mitgliedsbeiträge
wurde neu geregelt. Der Aufnahme des Herrn Reinhold v. Restorff aus dem Hause Mustin
wurde zugestimmt. 1907 gab es nur noch 24 zahlende Mitglieder. Zum Familienrat wurden
gewählt die Herren: „Otto v. R.-Rackow, Rudolf v. R.-Werle, Hans Friedrich v. R.,
Wismar. Der Senior Herr Gustav v. R. erklärt, daß er für den nächsten Zeitraum das
Amt des Schatzmeisters behalten wolle.“ Der nächste Familientag sollte drei Jahre später
im Oktober 1910 in Berlin stattfinden. Unterschrieben ist das von Hans Friedrich verfasste und
geschriebene Protokoll von „OvRestorff-Rackow, Gustav von Restorff – Berlin,
HFvRestorff – Wismar.“
Neun Herren erschienen bereits am 2. Mai 1908 zum siebenten Familientag in Schwerin: der
Senior, Vorsitzende des Verbandes und Schatzmeister Major a. D. Gustav v. R., Otto v. R.-
Rackow, Fritz v. R.-Radegast, Detlev v. R.-Rosenhagen, Rudolf v. R.-Werle und dessen Sohn
Curd v. R., dazu die Brüder Hans-Ulrich und Diedrich v. R. aus dem Hause Radegast sowie
Hans Friedrich v. R. aus dem Hause Rosenhagen, der wieder zum Protokollführer ernannt
wurde. Der Senior der Familie, Major a. D. Gustav v. R., eröffnete die Sitzung. Der neue
Familienrat bestand nun aus Otto v. R. auf Rackow, Rudolph v. R. auf Werle und dem
Hauptmann Hans Friedrich v. R., Wismar. Senior der Familie, wie von allen anerkannt, war
auch weiterhin Gustav v. R. Es wurde eine neue Satzung beschlossen. Das Protokoll trägt nun
vier Unterschriften: diejenigen von „Gustav von Restorff, Otto von Restorff, Rudolph von
Restorff und Hans Friedrich von Restorff."
Noch einmal eröffnete der Senior, Major a. D. Gustav von Restorff, am 19. Oktober 1910 den
achten Familientag in Berlin, zu dem außer ihm erschienen waren die elf Vettern Adolf v. R.-
Schwengels, Fritz v. R.-Radegast, Eberhard v. R.-Rackow, nach dem Tode seines Onkels Otto
am 16. Mai 1910 der neue Besitzer von Rackow, Horst v. R.-Lindenau, ebenfalls der neue
Besitzer nach dem Tode seines Vaters Friedrich im Jahre 1909, und Curd v. R. aus dem Hause
Werle sowie die Offiziere Hans Friedrich und Jasper aus dem Hause Rosenhagen, Hans-
Ulrich und Diedrich aus dem Hause Radegast, sowie Fritz(e) v. R., Brandenburg, und Walter
v. R. aus dem Hause Werle. Es wurde der verstorbenen Brüder Otto v. R., des ehemaligen
Besitzers von Rakow und langjährigen Schriftführers des Verbandes, und Friedrich v. R.,
Besitzers von Lindenau, gedacht. Weiterhin wurde zu Protokoll gegeben, dass Oberst
Wilhelm v. R. aus dem Familienverband ausgetreten war. Damit hatte sich schon der zweite

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Bruder Gustavs aus dem Familienverband zurückgezogen. Der ehemalige Senior Carl v. R.,
nun wohnhaft in Schwerin, war unverheiratet und damit kinderlos, nicht jedoch uninteressiert
an Familienangelegenheiten, denn er ließ sich von seinen Geschwistern dazu anregen, seine
Erinnerungen aufzuschreiben, die er dann im nächsten Jahr, 1911, vollendet hat. Wilhelm und
seine drei Söhne Fritze, Charlie und Courtie waren alle vier in der Mitgliederliste von 1901
aufgeführt. Einen Grund für das Ausscheiden der Brüder Carl und Wilhelm aus dem
Familienverband kennen wir nicht. Das Vermögen des Verbandes betrug etwas über 18.000
Mark. Dem neuen Familienrat gehörten an die Vettern „Herr Hans Friedrich von Restorff,
Wismar, Herr Eberhard von Restorff-Rackow als Schriftführer, Herr Fritz von Restorff,
Brandenburg als Schatzmeister“. Der nächste Familientag sollte im Februar 1914 in Berlin
stattfinden. Zum Schluss trug der Senior Gustav v. R. Ergebnisse aus der bisherigen
Familienforschung vor. Seine Unterschrift ist auch jetzt noch die erste unter dem Protokoll
mit dem Zusatz „Senior“, es folgen die Unterschriften von „Hans Friedrich von Restorff,
Friedrich v. Restorff, Eberhard von Restorff-Rakow“, erstmals ist Rakow ohne ck
geschrieben.
Gustav v. Restorff, preußischer Major a. D., Gründer, erster Vorsitzender, Schatzmeister und
Senior des Verbandes der Familie v. Restorff, starb am 3. März 1913 in Berlin im Alter von
82 Jahren. Seine Frau Antoinette, genannt „Nettchen“, überlebte ihn und starb erst 14 Jahre
später, am 12. April 1927, ebenfalls in Berlin. Sie wurde 87 Jahre alt.
Der neunte Familientag, der im Februar 1914 hatte stattfinden sollen, konnte erst nach
Beendigung des Ersten Weltkrieges am 27. März 1919 in Schwerin abgehalten werden.
Zusammengestellt von
MCWvR/August 2007