10 - OLG Düsseldorf - Halterverantwortung beim Anordnen eines GST
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Gericht:<br />
<strong>OLG</strong> Düsseldorf 1. Senat für Bußgeldsachen<br />
Entscheidungsdatum: 22.02.1990<br />
Aktenzeichen:<br />
5 Ss (OWi) 36/90 - (OWi) 22/90 I<br />
Dokumenttyp:<br />
Beschluss<br />
Quelle:<br />
Normen: § 31 Abs 2 StVZO, § 32 StVZO, § 29 Abs 3 StVO, § 9 Abs 1 OWiG, § 9 Abs 2 S 1<br />
OWiG, § 49 Abs 4 StVO, § 14 OWiG, § 17 Abs 3 OWiG, § 13a StVZO<br />
Verantwortlichkeit für das Fahren <strong>eines</strong> überlangen Sattelzuges - Beteiligung im Sinne von OWiG § 14 -<br />
Bußgeldbemessung - Berücksichtigung von Voreintragungen<br />
Orientierungssatz<br />
1. Allein die Feststellung, "der Betroffene habe zugelassen, daß der Fahrer mit dem Sattelzug trotz Überlänge<br />
im öffentlichen Straßenverkehr fuhr", begründet eine Verantwortlichkeit für den Einsatz des Fahrzeugs nicht.<br />
Erforderlich dafür ist, daß der Betroffene entweder selbst Halter des Fahrzeugs war oder ihn die Halterverantwortlichkeit<br />
nach OWiG §§ 9 Abs 1 Nr. 1, 2 oder 3 oder Abs 2 S 1 Nr. 1 betraf.<br />
2. Als Beteiligung im Sinne des OWiG § 14 Abs 1 kommen nur solche Beteiligungsformen in Betracht, die im<br />
Bereich des Strafrechts als (Mit-)Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe in diesem Sinne an der Ordnungswidrigkeit<br />
<strong>eines</strong> anderen setzt dabei voraus, daß der andere vorsätzlich handelt (vergleiche BayObLG München,<br />
1980-02-25, 1 Ob OWi 627/79, VRS 58, 458 (1980)).<br />
3. Verwertet der Tatrichter zu Lasten des Betroffenen Voreintragungen im Verkehrszentralregister, so reicht es<br />
nicht aus, lediglich festzustellen, daß und wie viele frühere Verkehrsverstöße vorliegen und ob sie einschlägig<br />
sind. Das ermöglicht dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die rechtliche Nachprüfung, ob die Verstöße ihrer Art<br />
nach oder wegen ihres Begehungszeitpunktes für die Bußgeldbemessung nach OWiG § 17 Abs 3 verwertbar<br />
sind (so auch <strong>OLG</strong> Düsseldorf, 1989-08-11, 5 Ss (OWi) 3<strong>10</strong>/89 - (OWi) 127/89 I).<br />
4. Getilgte oder tilgungsreife Voreintragungen (StVZO § 13a) dürfen bei der Bemessung der Geldbuße nicht<br />
mehr berücksichtigt werden. Ob dies der Tatrichter beachtet hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur prüfen,<br />
wenn dieser die Voreintragungen einschließlich ihrer Rechtskraftdaten in dem Urteil mitteilt.<br />
Fundstellen<br />
NZV 1990, 321 (Leitsatz und Gründe)<br />
VRS 79, 141-144 (1990) (red. Leitsatz und Gründe)<br />
VD 1990, 2<strong>10</strong>-213 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
VerkMitt 1990, Nr 112 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
weitere Fundstellen<br />
ZfSch 1991, 70-71 (red. Leitsatz)<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend AG Krefeld, 17. November 1989, Az: 22 OWi 955/89<br />
- Seite 1 von 5 -
Diese Entscheidung wird zitiert<br />
Literaturnachweise<br />
Lutz Schulz, VD 2005, 324-329 (Entscheidungsbesprechung)<br />
Diese Entscheidung zitiert<br />
Rechtsprechung<br />
So auch <strong>OLG</strong> Düsseldorf, 11. August 1989, Az: 5 Ss OWi 3<strong>10</strong>/89 - (OWi) 127/89 I<br />
Vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, 25. Februar 1980, Az: 1 Ob OWi 624/79<br />
Tenor<br />
1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.<br />
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.<br />
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine<br />
andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.<br />
Gründe<br />
1 Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "Zulassens des Fahrens ohne Genehmigung bei Überlänge<br />
- fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach §§ 29 Abs. 3, 49 StVO, 31, 32, 69 a, 70 StVZO in Verbindung<br />
mit § 24 StVG -" zu einer Geldbuße von 200,-- DM verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde<br />
des Betroffenen, der ihre Zulassung beantragt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.<br />
2 Die Rechtsbeschwerde ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen, weil die Nachprüfung des Urteils<br />
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.<br />
3 Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der<br />
Sache an die Vorinstanz.<br />
I.<br />
4 Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ließ der Betroffene zu, daß der Fahrer S am 13. Juni 1988<br />
mit dem Sattelzug ... und ... die Straße H in K befuhr, obwohl die zulässige Länge des Sattelzuges<br />
überschritten war. Es wurde eine Länge des Sattelzuges von 20 m und ein Überhang von 30 cm festgestellt.<br />
Eine Genehmigung lag lediglich für eine Länge von 18,50 m vor.<br />
5 Aufgrund dieser Feststellungen ist das Amtsgericht zu der Auffassung gelangt, der Betroffene habe<br />
"sich des fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Genehmigung bei Überlänge" im Sinne der im Urteilstenor<br />
genannten gesetzlichen Vorschriften schuldig gemacht. Der Einlassung des Betroffenen, es<br />
läge eine Dauererlaubnis für eine Länge des Sattelzuges von 22 m vor, hat das Amtsgericht keine Bedeutung<br />
beigemessen, weil "die bei den Akten befindliche Dauerausnahmegenehmigung vom 6. August<br />
1987 in Ziffer 4 ausdrücklich erkläre, daß eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO nicht eingeschlossen<br />
sei und im übrigen nach dieser Dauerausnahmegenehmigung Sattelzüge lediglich bis 19 m ausgezogen<br />
werden dürften".<br />
- Seite 2 von 5 -
II.<br />
6 Diese Feststellungen und Erwägungen tragen des Schuldspruch des angefochtenen Urteils nicht. Sie<br />
sind unzureichend und lassen eine abschließende rechtliche Beurteilung, ob und gegebenenfalls welche<br />
Bußgeldtatbestände der Betroffene verwirklicht hat, nicht zu.<br />
1.<br />
7 Einen Verstoß des Betroffenen gegen §§ 31 Abs. 2, 32 StVZO ergeben die Feststellungen nicht.<br />
8 Diese lassen zwar erkennen, daß der Betroffene nicht selbst Führer des beanstandeten Sattelzuges<br />
war. Aus welchem Grunde und ob er zu Recht für den Einsatz dieses Fahrzeugs zur Verantwortung<br />
gezogen worden ist, bleibt jedoch offen. Allein die Feststellung, "der Betroffene habe zugelassen, daß<br />
der Fahrer S mit dem Sattelzug ... trotz Überlänge den H weg in K befuhr", begründet seine Verantwortlichkeit<br />
für den Einsatz des Fahrzeugs nicht. Erforderlich dafür wäre, daß er entweder selbst Halter des<br />
Fahrzeuges gewesen wäre oder ihn die Halterverantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 oder<br />
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 OWiG getroffen hätte. Dazu enthält das Urteil keine Feststellungen (vgl.<br />
hierzu Senatsbeschluß vom 5. April 1982 in VRS 63, 135 = VM 1983, 15).<br />
2.<br />
9 Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht einen Verstoß des Betroffenen gegen § 29 Abs. 3 StVO angenommen.<br />
<strong>10</strong> Normadressat des Bußgeldtatbestandes nach §§ 29 Abs. 3, 49 Abs. 2 Nr. 7 StVO ist allein der Kraftfahrzeugführer<br />
(vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 7 StVO: "Ordnungswidrig handelt auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig<br />
entgegen § 29 Abs. 3 ein dort genanntes Fahrzeug oder einen Zug führt"). Dies war nicht der Betroffene,<br />
wie die Feststellungen ergeben.<br />
3.<br />
11 Ob der Betroffene sich an einer von dem Fahrzeugführer möglicherweise begangenen Ordnungswidrigkeit<br />
nach § 29 Abs. 3 StVO im Sinne des § 14 OWiG beteiligt hat, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen.<br />
12 a) Bei der Frage nach einer solchen Beteiligung des Betroffenen ist nicht dessen - im übrigen nicht<br />
festgestellte - etwaige rechtliche Halterverantwortlichkeit, sondern allenfalls seine tatsächlich in dem<br />
Unternehmen ausgeübte Funktion von Bedeutung, soweit sie Rückschlüsse auf den äußeren und inneren<br />
Tatbestand einer etwaigen Beteiligungsform an der Ordnungswidrigkeit des Fahrzeugführers zuläßt<br />
(vgl. BayObLG VRS 58, 458). Als Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG kommen nur solche Beteiligungsformen<br />
in Betracht, die im Bereich des Strafrechts als (Mit-)Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe<br />
zu werten wäre (vgl. BayObLG a.a.O. m. w. N.). Die Beteiligung in diesem Sinne an der Ordnungswidrigkeit<br />
<strong>eines</strong> anderen setzt dabei voraus, daß der andere vorsätzlich handelt (vgl. BGHSt 31, 309,<br />
<strong>OLG</strong> Köln VRS 56, 465; BayObLG a.a.O.).<br />
13 b) Eine abschließende Beurteilung insoweit ist dem Senat auch deshalb verwehrt, weil die Urteilsfeststellungen<br />
nicht zweifelsfrei ergeben, ob der Fahrer S das Fahrzeug vorsätzlich unter Verstoß gegen §<br />
29 Abs. 3 StVO geführt hat. Zwar läßt sich den Urteilsgründen noch hinreichend deutlich entnehmen,<br />
- Seite 3 von 5 -
daß eine Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 3 StVO nicht erteilt war. Es ist aber nicht festgestellt,<br />
daß der Einsatz des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr einer solchen Ausnahmegenehmigung<br />
bedurfte. Eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO war nämlich dann nicht erforderlich, wenn die Vorschriften<br />
über die Abmessungen hier nur deshalb nicht eingehalten worden sind, weil die Ladung nach<br />
vorn oder nach hinten zu weit hinausragte (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., §<br />
29 StVO Rdnr. 1 a; Vwv zu § 29 Abs. 3). Ob die festgestellte Überlänge des Sattelzuges konstruktionsoder<br />
lediglich ladungsbedingt war, ergeben die Feststellungen nicht. Danach ist nicht ausgeschlossen,<br />
daß der Sattelzug wegen der Länge der - im übrigen nicht mitgeteilten - Ladung auf die festgestellte<br />
Länge ausgezogen worden ist.<br />
4.<br />
14 Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung des Amtsgerichts, der Betroffene habe gegen § 70 StVZO<br />
verstoßen.<br />
15 Diese Vorschrift enthält lediglich Ermächtigungen im einzelnen aufgeführter Behörden, Ausnahmen von<br />
bestimmten Vorschriften der StVZO zu genehmigen. Die Fahrzeugbenutzung ohne Genehmigung nach<br />
§ 70 StVZO ist jedoch nicht als bußgeldbewehrt in § 69 a StVZO aufgeführt (vgl. <strong>OLG</strong> Koblenz VRS 58,<br />
460; Jagusch/- Hentschel a.a.O. § 70 StVZO Rdnr. 3).- - -<br />
16 Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben. Es unterliegt der Aufhebung (§§ 79<br />
Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO). Die Entscheidung über die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz<br />
beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO. Eine eigene Entscheidung des Senats in<br />
der Sache nach § 79 Abs. 6 OWiG scheidet aus, da weitere Feststellungen zu treffen sind.<br />
III.<br />
17 Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:<br />
1.<br />
18 Der Tatrichter wird Veranlassung haben, den Inhalt der im angefochtenen Urteil ersichtlich nur unvollständig<br />
zitierten "Dauerausnahmegenehmigung vom 6. August 1987" festzustellen und zu prüfen, ob<br />
ein Verstoß gegen eine Nebenbestimmung der Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 46 Abs. 3 Satz<br />
1 StVO vorliegt, etwa weil der Sattelzug über die darin zugelassene Länge hinaus ausgezogen worden<br />
ist. An einem solchen von dem Fahrzeugführer etwa begangenen Verstoß, der nach § 49 Abs. 4 Nr. 4<br />
StVO bußgeldbewehrt ist, ist eine Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG möglich. Auch kann der<br />
Fahrzeughalter oder der an seiner Stelle nach § 9 OWiG Verantwortliche Täter einer solchen Ordnungswidrigkeit<br />
sein (vgl. BayObLG VRS 65, 398; Jagusch/- Hentschel, a.a.O., § 46 StVO Rdnr. 29).<br />
Ebenfalls insoweit bedarf es gegebenenfalls weiterer Feststellungen.<br />
2.<br />
19 Das Amtsgericht hat bei der Bemessung der Geldbuße zu Lasten des Betroffenen Vorbelastungen wegen<br />
früher begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten berücksichtigt, ohne diese im einzelnen mitzuteilen.<br />
Das ist rechtsfehlerhaft.<br />
20 a) Verwertet der Tatrichter zu Lasten des Betroffenen Voreintragungen im Verkehrszentralregister, so<br />
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eicht es nicht aus, lediglich festzustellen, daß und wieviele frühere Verkehrsverstöße vorliegen und ob<br />
sie einschlägig sind. Das ermöglicht dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die rechtliche Nachprüfung,<br />
ob die Verstöße ihrer Art nach oder wegen ihres Begehungszeitpunktes für die Bußgeldbemessung<br />
nach § 17 Abs. 3 OWiG verwertbar sind (vgl. Senatsbeschlüsse in JMBl NW 1982, 259 = VRS 63, 469;<br />
VRS 64, 61 = DAR 1982, 337; VRS 68, 65; und vom 11. August 1989 - 5 Ss (OWi) 3<strong>10</strong>/89 - (OWi)<br />
127/89 I; <strong>OLG</strong> Koblenz VRS 64, 215, Göhler OWiG, 9. Aufl., § 17 Rdnr. 20).<br />
21 b) Auch aus einem weiteren Gesichtspunkt ist die Mitteilung von berücksichtigten Voreintragungen geboten.<br />
Getilgte oder tilgungsreife Voreintragungen (vgl. § 13 a StVZO) dürfen bei der Bemessung der<br />
Geldbuße nicht mehr berücksichtigt werden. Ob dies der Tatrichter beachtet hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht<br />
nur prüfen, wenn dieser die Voreintragungen einschließlich ihrer Rechtskraftdaten in<br />
dem Urteil mitteilt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. August 1989 a.a.O. und vom 28. August 1988 in<br />
VRS 76, 145 = VM 1989, 38 = <strong>OLG</strong> St § 261 StPO Nr. 5).<br />
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