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Neue Erkenntnisse zur Entdeckung von Milben und ... - BrehmSpace

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Karg, W., U. Karg & B. Schorlemmer (2010): Online-Supplement Nr. 1/2010 zum NBB-Bd. 624<br />

Westarp Wissenschaften, http://brehmspace.de<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Erkenntnisse</strong> <strong>zur</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>von</strong> <strong>Milben</strong> <strong>und</strong> <strong>zur</strong><br />

Verwandtschaft <strong>von</strong> räuberischen <strong>und</strong> parasitischen<br />

Gruppen (Acarina, Parasitiformes)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Karg 1 , Dipl. Ing. Udo Karg 2 , Dipl. Ing. Brigitte Schorlemmer 3<br />

1 Text <strong>und</strong> Zeichnungen<br />

2 Fotos<br />

3 Korrespondenz: Brigitte.Schorlemmer@gmx.de<br />

Mit 13 Seiten, 12 Abbildungen.<br />

Erste <strong>Entdeckung</strong>en<br />

Homer berichtete erstmalig in seiner Ilias (um 800 v. u. Z.) <strong>von</strong> Parasiten an H<strong>und</strong>en. Wahrscheinlich<br />

handelte es sich um Zecken. Eine erste bildliche Darstellung wurde an der Deckendekoration<br />

des Bacchustempels bei Baalbeck, Libanon entdeckt (Abb. 1). Der Bau des Tempels<br />

wird auf das Jahr 150 u. Z. geschätzt. Die steinerne Darstellung einer Zecke <strong>von</strong> nur etwa<br />

6–8 mm Länge ist 24 cm lang <strong>und</strong> 20 cm breit.<br />

Abb. 1: Relief einer Zecke an der Decke eines Säulenganges des römischen Bacchustempels<br />

in Baalbeck; Skizze nach Gorirossi-Bourdeau (1995).<br />

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Das muss für die damalige Zeit als eine außerordentliche wissenschaftlich-künstlerische Leistung<br />

gewertet werden. Es sollten eineinhalb tausend Jahre vergehen, bis eine exakte Beschreibung<br />

<strong>und</strong> Benennung der häufigsten Zecke, des Holzbockes vorlag: Ixodes ricinus Linné,<br />

1758 ! Erst die Entwicklung der optischen Instrumente <strong>und</strong> Untersuchungstechniken schufen<br />

Voraussetzungen, um die große Vielfalt der <strong>Milben</strong> aus der verborgenen Mikrowelt gleichsam<br />

ans Licht zu bringen.<br />

In der Folgezeit wurden vor allem <strong>Milben</strong> beschrieben, die man auf anderen Tieren fand:<br />

Acarus orbicularis O. F. Müller, 1776 auf Mistkäfern <strong>und</strong> auf kleinen Nagetieren;<br />

Parasitus coleoptratorum Linné, 1758 auf einem Käfer;<br />

Acarus fucorum De Geer, 1778 auf einer Hummel;<br />

Acarus gallinae De Geer, 1778 auf Hausgeflügel;<br />

Acarus hir<strong>und</strong>inis Hermann, 1804 auf der Rauchschwalbe;<br />

Gamasus carinatus C. L. Koch, 1839 auf der Feldmaus;<br />

Dermanyssus sylviarum Canestrini et Fanzago, 1877 auf Wildvögeln;<br />

Poecilochirus carabi G. et R. Canestrini, 1882 auf verschiedenen Käferarten;<br />

Parasitus mustelarum Oudemans, 1902 auf einem Wiesel;<br />

Parasiten oder Mikropassagiere<br />

Bis zu Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts nahm man an, dass es sich bei diesen <strong>Milben</strong>arten um<br />

Parasiten an den genannten Wirtstieren handelt. Der <strong>Milben</strong>forscher Reuter (1909) fasste daher<br />

diese <strong>Milben</strong> sowie verwandte Arten, einschließlich Zecken unter dem Namen Parasitiformes<br />

zusammen. Erst genaue Untersuchungen zeigten nach <strong>und</strong> nach, dass nur spezielle<br />

<strong>Milben</strong>gruppen Blutsauger sind. Von den angeführten Arten betrifft es die <strong>Milben</strong> auf Hausgeflügel<br />

oder freilebenden Vögeln. Sie gehören <strong>zur</strong> Gruppe der Eviphidides.<br />

Wir kennen inzwischen etwa tausend verwandte Arten, die aber nicht parasitisch, sondern<br />

räuberisch in den oberen Bodenschichten sowie auf Sträuchern <strong>und</strong> Bäumen leben. Viele erwiesen<br />

sich als Feinde <strong>von</strong> schädlichen <strong>Milben</strong>, Insekten <strong>und</strong> Nematoden. Wir bezeichnen die<br />

Eviphidides deshalb als Feindmilben (Abb. 2b). Aus einer Untergruppe, den Dermanyssoidea<br />

gingen die genannten Parasiten hervor – in Millionen <strong>von</strong> Jahren, versteht sich! Dies verlief<br />

zweifellos in Wechselwirkung mit der Entfaltung der Vögel zu Anfang der geologischen Periode<br />

des Tertiärs, also vor 55 bis 35 Millionen Jahren.<br />

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Abb. 2: Gamasina-Raubmilben der Gruppen<br />

Eugamasides – Käfermilben, Gattung Pergamasus (a),<br />

Eviphidides – Feindmilben, Gattung Eviphis (b),<br />

Ascides – Feuchtluftmilben, Gattung Prozercon (c);<br />

Körperlängen: 1,4 mm (a), 0,5 mm (b), 0,4 mm (c); original Mikrofotos.<br />

Nutzung <strong>von</strong> Tragwirten<br />

Verschiedene <strong>Milben</strong>gruppen haben ein bemerkenswertes Verhalten entwickelt. Sie suchen<br />

sogenannte Tragwirte auf, um zu neuen Nahrungsplätzen zu gelangen. Ein solches Verhalten<br />

wird als Phoresie bezeichnet – phorein, griechisch = tragen. Bei den Eviphidides, den Feindmilben<br />

(Abb. 2 b) besteigen alle Stadien die Tragwirte. Insekten oder kleine Nagetiere dienen<br />

zum schnellen Transport.<br />

Oft sind aber dazu nur bestimmte Jugendstadien (Zweitnymphen) befähigt, wie z. B. bei den<br />

Käfermilben – wissenschaftliche Bezeichnung Eugamasides (Abb. 2a). Diese Arten fand man<br />

besonders an Käfern.<br />

Räuberische <strong>Milben</strong><br />

Die meisten <strong>Milben</strong> der Gruppe Gamasina leben räuberisch <strong>von</strong> Fadenwürmern, anderen <strong>Milben</strong>,<br />

Fliegenlarven <strong>und</strong> kleinen Insekten bzw. Urinsekten (Abb. 3). Die Raubmilben spielen<br />

als Regulatoren in der Natur- wie Kulturlandschaft eine wichtige Rolle. Ausgewählte Arten<br />

werden in Massenzuchten vermehrt <strong>und</strong> <strong>zur</strong> biologischen Bekämpfung <strong>von</strong> Schaderregern<br />

(Spinnmilben, Thripsen <strong>und</strong> Weißer Fliege) eingesetzt (Karg 1994).<br />

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Eine weitere Gruppe meist sehr kleiner Raubmilben besiedelt die feinen Hohlräume feuchter<br />

Bodenschichten. Wir fassen sie als Ascides – Feuchtluftmilben zusammen (Abb. 2c). Sie vertilgen<br />

vor allem Nematoden – Fadenwürmer im Boden <strong>von</strong> Äckern, Wiesen <strong>und</strong> Wäldern.<br />

Abb. 3: Eine Raubmilbe hat einen Springschwanz mit den zangenartigen M<strong>und</strong>werkzeugen,<br />

den Cheliceren, ergriffen <strong>und</strong> beginnt ihn zu vertilgen. Dazu werden Verdauungssäfte ausgeschieden.<br />

Dadurch kann der verflüssigte Körperinhalt aufgesaugt werden; original Makrofoto.<br />

Schildkrötenmilben – Uropodina <strong>und</strong> Zecken – Ixodides<br />

Eingehende Untersuchungen galten den Uropodina. Wegen ihres ovalen, flachen Körpers<br />

bezeichnet man sie als Schildkrötenmilben. Es zeigte sich, dass auch sie vorwiegend räuberisch<br />

leben <strong>und</strong> besonders Nematoden – Fadenwürmer im Boden vertilgen. Auch die Schildkrötenmilben<br />

nutzen Tragtiere. Bei ihnen entwickelte sich aber eine Besonderheit: Bestimmte<br />

Entwicklungsstadien, sogenannte Wandernymphen, scheiden am After einen geleeartigen<br />

Stiel aus, mit dem sie sich an Insekten festheften (Abb. 4).<br />

Zunehmend erkennen die Fachwissenschaftler international, dass das Besteigen <strong>von</strong> Tragwirten<br />

in der Stammesgeschichte als Vorstufe zum Parasitismus gedient hat (Evans & Till 1979 –<br />

Großbritannien, Athias-Binche 1991 – Frankreich, Walter & Proctor 1999 – USA, Kanada,<br />

Australien, Hirschmann 1957, 1959, Karg & Schorlemmer 2008 – Deutschland).<br />

Aus der Gruppe der Schildkrötenmilben gingen wichtige Parasiten hervor. Wir müssen sie<br />

gleichsam als Basisgruppe für die medizinisch so bedeutsamen parasitischen Ixodides – Zecken<br />

betrachten. Es konnte gezeigt werden, wie sich bei den Schildkrötenmilben bereits<br />

Merkmale entwickelten – sogenannte Prädispositionen, also Vorstufen, die dann bei den Zecken<br />

zu Organen zum Stechen <strong>und</strong> Blutsaugen wurden (Karg & Schorlemmer 2008).<br />

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Zecken <strong>und</strong> Schildkrötenmilben sind eng verwandt <strong>und</strong> haben in der Phylogenese – Stammesentwicklung<br />

eine gemeinsame Wurzel.<br />

Da die Zecken sowohl an Reptilien wie an Säugetieren parasitieren, kommt für diesen Prozess<br />

ein Zeitraum zu Anfang der Mittelzeit der Erdgeschichte, der Trias, in Betracht, in dem sich<br />

diese Gruppen herausbildeten, also vor 210 bis 250 Millionen Jahren.<br />

Abb. 4: Vertreter der in Kompost,<br />

modrigen Pflanzenresten<br />

<strong>und</strong> Dung lebenden Schildkrötenmilben<br />

– Uropodina.<br />

Die Wandernymphe <strong>von</strong> Uroobovella<br />

marginata – Körperlänge<br />

0,9 mm – scheidet einen Stiel<br />

aus, mit dem sie sich am Tragwirt<br />

– Insekt – festheftet (4a).<br />

Manchmal befallen die Nymphen<br />

ein Insekt in großer Zahl<br />

(4b).<br />

Sowohl Zecken als auch Schildkrötenmilben besteigen Gräser <strong>und</strong> Kräuter, um hier auf ein<br />

Wirtstier bzw. Tragtier zu warten. Erschütterungen der Pflanzen <strong>und</strong> Geruchsreize aktivieren<br />

die <strong>Milben</strong>.<br />

Zecken suchen auf dem Wirt nach einer weichhäutigen Stelle, wo sie leichter mit ihren<br />

M<strong>und</strong>werkzeugen eindringen können (Abb. 5). Beim Menschen setzen sie ihren Weg auch<br />

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unter der Kleidung fort. Günstige Einstichstellen ergeben sich dann an Gelenkhäuten, z. B.<br />

unter den Achseln, in Kniekehlen oder am Fußgelenk.<br />

Zur Eiablage müssen die Zecken aber wieder <strong>zur</strong>ück an ihren ursprünglichen Lebensraum: die<br />

oberen Bodenschichten <strong>und</strong> die Streuauflage.<br />

Eine aufschlussreiche Beobachtung ergab sich bei Schildkrötenmilben. Treffen sie auf eine<br />

Insektenlarve, so spielt sich etwas Ähnliches ab: Sie suchen eine weichhäutige Stelle auf, um<br />

dort Flüssigkeit aus dem Körper zu saugen (Abb. 6). Karg (1989) konnte beobachten, wie<br />

Wandernymphen der Schilkrötenmilbe Uroobovella marginata (Koch) aus Treiberden im<br />

Gewächshaus Gurkenpflanzen bestiegen. Dann geschah etwas Überraschendes: Da offensichtlich<br />

kein Tragtier <strong>zur</strong> Verfügung stand, begannen die <strong>Milben</strong> in Risse des Gurkenstengels<br />

einzudringen, um hier Zelle für Zelle der Pflanze auszusaugen. Es entstanden beträchtliche<br />

Schäden an den Kulturen.<br />

Diese Fälle zeigen modellartig, wie aus harmlosen Bodenbewohnern Parasiten werden können.<br />

Obwohl bei den besprochenen Gruppen viele Arten räuberisch leben, konnten sich Parasiten<br />

entwickeln, die <strong>von</strong> eminenter humanmedizinischer <strong>und</strong> veterinärmedizinischer Bedeutung<br />

sind. Der Name Parasitiformes für die gesamte Gruppe ist daher durchaus berechtigt.<br />

Abb. 5: Eine Zecke sucht auf der Haut des Menschen nach einer günstigen, weichhäutigen<br />

Einstichstelle; Foto: Udo Karg.<br />

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Abb. 6: Eine Schildkrötenmilbe hat am After einer<br />

Raupe eine weichhäutige Einstichstelle gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

beginnt hier mit dem Saugen.<br />

Stammesverwandtschaft der <strong>Milben</strong>gruppen<br />

Die drei Raubmilbengruppen – Käfermilben, Schädlingsfeinde, Feuchtluftmilben – gehören<br />

zusammen <strong>zur</strong> großen Gruppe der Gamasina-Raubmilben. Etwa tausend Arten konnten in<br />

Mitteleuropa nachgewiesen werden <strong>und</strong> weltweit 25 Familien (Karg 1993, 2006).<br />

Den Parasitiformes muss weiterhin die weniger bekannte Raubmilbengruppe der Antennophorina<br />

zugeordnet werden. Ihre Vertreter leben überwiegend in den Tropen. Auch sie lassen<br />

sich <strong>von</strong> größeren Tieren transportieren, wie z. B. <strong>von</strong> Passaliden – Zuckerkäfern oder<br />

<strong>von</strong> Myriapoden – besonders H<strong>und</strong>ertfüßern bzw. Bandfüßern (Abb. 7).<br />

Abb. 7: Die meist tropischen Antennophorina-Raubmilben benutzen Myriapoden,<br />

besonders Bandfüßer (a) als Tragwirte, daneben Ausschnitt (b) mit Raubmilben<br />

stärker vergrößert; original Makrofoto Udo Karg, Regenwald in Ghana (Bia-Nationalpark).<br />

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Stammbaum der Parasitiformes<br />

Nach den Arbeitsmethoden der phylogenetischen Systematik <strong>von</strong> Hennig (1950, 1966, 1994)<br />

wurde ein Stammbaum entworfen (Abb. 8). In der Mitte finden wir die gemeinsame Gruppe<br />

der Zecken <strong>und</strong> Schildkrötenmilben. Beide Gruppen weisen spezielle gemeinsame Merkmalsabweichungen<br />

auf, sogenannte Synapomorphien – syn = zusammen, gemeinsam, apo = weg,<br />

abweichend, morphe = Form, Gestalt. Sie werden hier unter Nr. 2 in der Tabelle zusammengefasst.<br />

Entsprechende Spezialmerkmale begründen die übrigen gemeinsamen Wurzeln der<br />

linken <strong>und</strong> rechten Teile des Stammbaumes.<br />

In der eingehenden Untersuchung <strong>von</strong> Karg <strong>und</strong> Schorlemmer (2008) erhielt die gemeinsame<br />

Gruppe Zecken–Schildkrötenmilben (Ixodides–Uropodina) den Namen Margotrichina –<br />

margo = Rand, trichina = Haare. Der Name wurde nach der eigenartigen Verdrängung der<br />

Haare zum Rande hin auf dem hinteren Rückenteil gewählt (Abb. 9).<br />

Abb. 8: Stammbaum für die Gruppen der Parasitiformes auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong><br />

Synapomorphien Nr. 1 bis 6, entsprechend den Merkmalen in der Tabelle.<br />

Gemeinsame Spezialmerkmale, d. h. Synapomorphien der Gruppen<br />

Die Nummern im Stammbaum entsprechen den folgenden Merkmalsnummern:<br />

1. Zwei spezielle Tasthaare an einer Spalte am Tarsus des IV. Beinpaares (Abb. 10)<br />

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2. Bei der Larve hat sich die Position <strong>von</strong> Haarpaar I3 seitwärts verlagert (Abb. 9)<br />

Auf der Bauchseite neben dem Genitalschild besondere Furchenbildungen<br />

-Ebenso spezielle Furchenbildungen auf dem Rücken <strong>von</strong> Schildkrötenmilben <strong>und</strong> Zecken<br />

-Taxonomisch wichtiger Behaarungstyp der Beine beider Gruppen identisch<br />

3. Spezielle Form der Spermien: Ribbon-Spermien<br />

4. Cheliceren der ♂♂ meist mit Spermienüberträgern (Abb. 11)<br />

5. Beim ersten Nymphenstadium zusätzliche kleine Schilde ausgebildet (Abb. 12)<br />

6. Im Larvenstadium trägt der vordere Schild 8-9 Haarpaare (Abb.9)<br />

Abb. 9: Haarmuster auf dem Rücken der <strong>Milben</strong> sind Reste <strong>von</strong> Körpersegmenten, die in der<br />

Stammesgeschichte bei den Vorfahren ausgebildet waren. Bei den Larven wurden die Rückenseiten<br />

verschiedener Gruppen gezeichnet:<br />

Gamasina-Raubmilben (a – Muster sehr regelmäßig),<br />

Schildkrötenmilben (b) <strong>und</strong><br />

Zecken (c) mit einer eigenartigen seitlichen Verdrängung bestimmter Haarpaare<br />

(Pfeile!).<br />

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Abb. 10: Gemeinsames Spezialmerkmal – Synapomorphie – bei Trigynaspida <strong>und</strong> Sejides am<br />

Tarsus des IV. Beinpaares der Nymphen <strong>und</strong> der erwachsenen Tiere: ein Paar spezieller Tasthaare;<br />

nach Karg <strong>und</strong> Schorlemmer (2008).<br />

Abb. 11: Spermienüberträger bei Gamasina-Raumilben, Gattungen Pachylaelaps (a), Protogamasellus<br />

(b), Arctoseius (c), Evimirus (d), Amblyseius (e), Leptogamasus (f); Mikrozeichnungen,<br />

Karg (1993).<br />

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Fig. 12: Mikroskopische Zeichnungen vom Rücken der Erstnymphe bei den Schildkrötenmilben<br />

(a), bei den Sejides (b) <strong>und</strong> bei den Trigynaspida (c) mit zusätzlichen kleinen Schilden,<br />

einem gemeinsamen Sondermerkmal; nach Karg <strong>und</strong> Schorlemmer (2008).<br />

Durch diese Untersuchungen entfällt eine Gruppierung, die Canestrini im Jahre 1891 vornahm.<br />

Er fasste Gruppen, die keine Zecken sind, nach der Atemöffnung als Mesostigmata<br />

zusammen – meso = Mitte, stigma = Atemöffnung. Das ist aber kein korrektes Vorgehen. Das<br />

Merkmal ist keine Synapomorphie, denn bei den Taubenzecken sind die Stigmen ebenfalls<br />

seitlich in der Mitte des Körpers lokalisiert. Lediglich bei der Familie der Holzböcke (Ixodidae)<br />

sind die Stigmen etwas nach hinten verlagert. Dies muss aber als eine sek<strong>und</strong>äre Anpassung<br />

betrachtet werden. Im Hinterleib der Weibchen entwickeln sich 2000 bis 5000 Eier, die<br />

mit Sauerstoff versorgt werden müssen!<br />

Schlussfolgerungen<br />

Parasitische <strong>Milben</strong> erregten sehr früh in der Geschichte die Aufmerksamkeit des Menschen.<br />

Die mit Blut gefüllten Zecken sind mit bloßem Auge gut zu erkennen. Aber erst<br />

die Entwicklung der optischen Instrumente <strong>und</strong> Untersuchungstechniken schufen Voraussetzungen,<br />

um die große Vielfalt der <strong>Milben</strong> aus der verborgenen Mikrowelt gleichsam<br />

ans Licht zu bringen. Dieser Prozess ist auch jetzt noch im Gange.<br />

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Anfangs wurden alle <strong>Milben</strong> der großen Gruppe Parasitiformes als Parasiten angesehen.<br />

Im Laufe der Zeit konnte für die meisten Arten jedoch eine räuberische Lebensweise<br />

nachgewiesen werden. Viele Arten erwiesen sich als Schädlingsfeinde. Dies betrifft<br />

besonders die Gruppe der Eviphidides – Feindmilben.<br />

Aus zwei Gruppen sind aber blutsaugende Parasiten hervorgegangen, aus den Eviphidides<br />

– Dermanyssoidea die Vogel- <strong>und</strong> Geflügelparasiten, aus den Uropodina – Schilkrötenmilben<br />

die Zecken.<br />

Unsere neuen Bef<strong>und</strong>e zwangen dazu, einige <strong>Milben</strong>gruppen neu zu ordnen. Auf der<br />

Basis <strong>von</strong> Spezialmerkmalen – Synapomorphien wurde ein Stammbaum erstellt.<br />

Schildkrötenmilben sind mit Zecken enger verwandt als mit jeder anderen <strong>Milben</strong>gruppe.<br />

Sie wurden deshalb als Margotrichina zusammengefasst. Zusammen<br />

mit den Gamasina-Raubmilben <strong>und</strong> den Antennophorina-Raubmilben bilden sie<br />

die große <strong>Milben</strong>gruppe der Parasitiformes.<br />

Literaturhinweise<br />

Athias-Binche, F. (1991): Ecology and Evolution of Phoresy in Mites. – In: F. Dusbabek &<br />

Bukva (eds): Modern Acarology. Academia, Prague and SPB Academic publishing by The<br />

Hague, Vol. 1.<br />

Evans, G. O. & W. M. Till (1979): Mesostigmatic mites of Britain and Ireland (Chelicerata:<br />

Acari-Parasitiformes), an introduction to their external morphology and classification. Transactions<br />

of the zoological Society of London, 35: 139-270.<br />

Gorirossi-Bourdeau, Flora (1995): A documentation in stone of Acarina at the Roman Temple<br />

of Bacchus in Baalbek, Lebanon about 150 AD. Bull. Annals Soc. r. belge Ent. 131, 3-15.<br />

Hennig, R. (1950): Gr<strong>und</strong>züge einer Theorie der phylogenetischen Systematik. Berlin.<br />

Hennig, R. (1966): Phylogenetic systematics. In: University of Illinois Press, Urbana, Chicago,<br />

London.<br />

Hennig, R. (1994): Allgemeine Vorbemerkungen zum System der Tiere. In: Taschenbuch der<br />

Speziellen Zoologie, Wirbellose I, S. 392. Gustav Fischer Verlag Jena.<br />

Hirschmann, W. (1957): Waffen eines Wegelagerers: Klammer-, Stech-, Bohr-, Saug- <strong>und</strong><br />

Verankerungswerkzeuge bei Zecken. Mikrokosmos, 46 (12): 281-284.<br />

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Westarp Wissenschaften, http://brehmspace.de<br />

Hirschmann, W. (1959): M<strong>und</strong>werkzeuge <strong>und</strong> Hypostombestimmungstafeln. – Acarologie,<br />

Schriftenreihe für vergleichende <strong>Milben</strong>k<strong>und</strong>e, Teil 2, S. 23.<br />

Karg , W. (1989): Acari (Acarina), <strong>Milben</strong>, Unterordnung Parasitiformes, Uropodina Kramer,<br />

Schildkrötenmilben. In: Die Tierwelt Deutschlands 67. Teil, Gustav Fischer Verlag Jena.<br />

Karg, W. (1993): Acari (Acarina) <strong>Milben</strong>, Parasitiformes (Anactinochaeta) Cohors Gamasina<br />

Leach: Raubmilben. In: Die Tierwelt Deutschlands, 59. Teil, Gustav Fischer Verlag, Jena,<br />

Stuttgart, New York.<br />

Karg, W. (1994): Raubmilben, nützliche Regulatoren im Naturhaushalt. Die <strong>Neue</strong> Brehm-<br />

Bücherei, Band 624, Westarp Wissenschaften, Magdeburg.<br />

Karg, W. (1997): <strong>Neue</strong> Raubmilbenarten der Antennophoridae Berlese, 1892 (Acarina, Parasitiformes),<br />

phoretisch auf Passaliden. Mitteilungen aus dem Zoologischem Museum in Berlin,<br />

73 (1), 51-61.<br />

Karg, W. (2006): The systematics of Parasitiformes, especially of Gamasina Leach (Acarina),<br />

with new species from Ecuador (Acarina, Parasitiformes). Mitteilungen aus dem Museum für<br />

Naturk<strong>und</strong>e in Berlin, Zoologische Reihe, 82 (1), 140-169.<br />

Karg, W. & A. Schorlemmer (2008): Origin and Classification of the Ixodides (Ticks) within<br />

the Parasitiformes Reuter 1909 (Acarina). Acarologia XLVIII, 123-134.<br />

Walter, D. E. & H. C. Proctor (1999): Mites: Ecology, Evolution and Behaviour. CABI Publishing,<br />

New York , USA.<br />

© Westarp Wissenschaften, 2010<br />

Das Urheberrecht ist zu beachten. Inhaltliche Zusammenhänge dürfen unter direktem Verweisen<br />

auf Karg, W. für rein wissenschaftliche oder populärwissenschaftliche Zwecke verwendet<br />

werden. Rechte an Zeichnungen <strong>und</strong> Fotos in höherer Auflösung können auf Anfrage erworben<br />

werden.<br />

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt:<br />

Karg, W., U. Karg & B. Schorlemmer (2010): <strong>Neue</strong> <strong>Erkenntnisse</strong> <strong>zur</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>von</strong> <strong>Milben</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>zur</strong> Verwandtschaft <strong>von</strong> räuberischen <strong>und</strong> parasitischen Gruppen (Acarina, Parasitiformes).<br />

– Online-Supplement Nr. 1/2010 zum NBB-Bd. 624: Wolfgang Karg, Raubmilben,<br />

nützliche Regulatoren im Naturhaushalt. Westarp Wissenschaften, <strong>BrehmSpace</strong><br />

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