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Fragen an den Zeitzeugen Rainer Schmidt - Volksbank Mindener Land eG

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<strong>Fragen</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> <strong>Zeitzeugen</strong> <strong>Rainer</strong> <strong>Schmidt</strong><br />

<strong>Rainer</strong> <strong>Schmidt</strong>, geboren 1958 in Min<strong>den</strong>, startete im August 1977 seine Ausbildung<br />

bei der damaligen Spar- und Darlehnskasse Min<strong>den</strong>-Porta Westfalica <strong>eG</strong>. Er durchlief<br />

viele Stationen im Hause, bildete sich mehrfach nebenberuflich weiter und leitet heute<br />

<strong>den</strong> Bereich Marktm<strong>an</strong>agement mit 27 Mitarbeitern.<br />

Herr <strong>Schmidt</strong>, bitte beschreiben Sie die Zeit, in der Sie beim Spar- und<br />

Darlehnskassenverein Min<strong>den</strong> <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen sind.<br />

Nachdem ich mich bei der „Spadaka“ beworben hatte, kam der damalige Vorst<strong>an</strong>d<br />

Ernst Große-Heitmeyer zu uns nach Hause und unterhielt sich g<strong>an</strong>z locker mit meinen<br />

Eltern und mir. Scheinbar kam er zu dem Ergebnis, dass „der Junge“ und das familiäre<br />

Umfeld in Ordnung waren, und ich wurde zusammen mit drei <strong>an</strong>deren jungen Leuten<br />

eingestellt. Insgesamt erinnere ich mich <strong>an</strong> eine sehr familiäre Atmosphäre: Alle<br />

Mitarbeiter k<strong>an</strong>nten sich nicht nur dienstlich, sondern verbrachten oft auch ihre Freizeit<br />

mitein<strong>an</strong>der, auch mit <strong>den</strong> jeweiligen Partnern und Familien.<br />

Wie sah Ihr Berufsalltag <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs aus: Womit haben Sie sich beschäftigt?<br />

Es gab typische „Azubi-Aufgaben“, die m<strong>an</strong> im wöchentlichen Wechsel mit <strong>den</strong><br />

<strong>an</strong>deren Azubis zu erledigen hatte. Morgens waren die Nachttresor- Einzahlungen zu<br />

zählen. Da im Einzelh<strong>an</strong>del fast alle Geschäfte in bar abgewickelt wur<strong>den</strong>, war m<strong>an</strong><br />

mindestens bis Mittag oder sogar <strong>den</strong> g<strong>an</strong>zen Tag damit beschäftigt. Mindestens<br />

dreimal täglich erschienen alle Min<strong>den</strong>er B<strong>an</strong>ken zu festgelegten Uhrzeiten bei der<br />

L<strong>an</strong>deszentralb<strong>an</strong>k (LZB) am Klausenwall zur „Abrechnung“: Überweisungen und<br />

Schecks wur<strong>den</strong> im Original hin- und hergereicht. Auch das war Azubi-Aufgabe.<br />

Außerdem die gesamte Postbearbeitung und alle <strong>an</strong>fallen<strong>den</strong> Botengänge. Zur<br />

Berufsschule gingen wir nach Münster <strong>an</strong> die Geno-Akademie. Über mehrere Wochen<br />

wur<strong>den</strong> dort Volksb<strong>an</strong>k-Azubis aus g<strong>an</strong>z Westfalen zusammen unterrichtet.<br />

Wie sah ihre weitere berufliche Laufbahn aus, und wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der<br />

Jahre verändert?<br />

Vieles war H<strong>an</strong>d- und Kopfarbeit, technische Unterstützung gab es kaum. Nach der<br />

Ausbildung war ich zuerst im Kun<strong>den</strong>service tätig. Erste Tagesaufgabe: morgens<br />

Kontoauszüge in das jeweilige Kun<strong>den</strong>fach im „Kontentrog“ einsortieren. Am<br />

Monatsende brauchte m<strong>an</strong> für die riesigen Auszugstapel schon mal ein bis zwei<br />

Arbeitstage. Die Kun<strong>den</strong> holten sich ihre Auszüge bei uns ab und tätigten d<strong>an</strong>n ihre<br />

B<strong>an</strong>kgeschäfte: Sie legten uns z.B. ihre Rechnungen vor, und wir füllten <strong>den</strong><br />

Überweisungsträger für sie aus. Bargeld gab´s d<strong>an</strong>n <strong>an</strong> der Kasse, und natürlich nur da,<br />

nicht aus irgendeinem Automaten! Der Hauptkassierer war somit oft die wichtigste<br />

Bezugsperson für die Kun<strong>den</strong> – das war eine Zeitl<strong>an</strong>g auch meine Aufgabe. Die<br />

„Spadaka“ betrieb schon in <strong>den</strong> siebziger Jahren am Markt einen besonderen Service,<br />

nämlich eine Mittags- und Abendkasse über die normalen Öffnungszeiten hinaus. Und<br />

Samstags war die Geschäftsstelle <strong>an</strong> der Königstraße geöffnet, da ging es d<strong>an</strong>n fast<br />

ausschließlich um die Bargeldversorgung.<br />

Im Vergleich zu heute k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> von einer „entschleunigten Epoche“ sprechen mit<br />

übersichtlichen Aufgaben und konst<strong>an</strong>ten gesetzlichen Vorschriften.<br />

Auf meinem beruflichen Weg war ich auch als Zweigstellenleiter in der<br />

Privatkun<strong>den</strong>beratung tätig und später in der Kreditabteilung. Nach einigen


Weiterbildungsmaßnahmen arbeitete ich mich in <strong>den</strong> Bereich Vertriebssteuerung und<br />

Marketing ein und leite heute <strong>den</strong> Bereich Marktm<strong>an</strong>agement in unserem Hause.<br />

Wie wür<strong>den</strong> Sie die Entwicklung ihrer B<strong>an</strong>k und des B<strong>an</strong>kberufs insgesamt im Laufe<br />

der letzten dreißig Jahre beschreiben?<br />

Ein g<strong>an</strong>z wichtiger Schritt war der Einzug der EDV-Technik in die B<strong>an</strong>kenwelt Anf<strong>an</strong>g<br />

der Achtziger Jahre: Das „B<strong>an</strong>ken-Online-Service-System“, kurz „BOSS“, stellte die erste<br />

St<strong>an</strong>d-Datenverbindung zum Rechenzentrum in Münster dar. Die internen<br />

B<strong>an</strong>kstrukturen veränderten sich komplett. Neue Bereiche wie Marketing und<br />

Vertriebssteuerung, später Kun<strong>den</strong>-Service-Center, Marktunterstützung und<br />

Personalentwicklung wur<strong>den</strong> nach und nach erforderlich, um <strong>den</strong> Anforderungen von<br />

immer komplexeren Sachverhalten („Basel“-Richtlinien, Geldwäschegesetz,<br />

Verbraucherschutz, etc.) gerecht zu wer<strong>den</strong>.<br />

Auch die Erwartungshaltung der Kun<strong>den</strong> veränderte sich: Kun<strong>den</strong> informieren sich<br />

selbst sehr genau und stellen insgesamt immer höhere Anforderungen <strong>an</strong> Service und<br />

Beratung. Der B<strong>an</strong>ker von 1977 war Allrounder: Er wusste von allem ein bisschen,<br />

genug für einen generellen Überblick. Heute braucht es Spezialisten sowohl im<br />

Kun<strong>den</strong>geschäft als auch in <strong>den</strong> nachgelagerten B<strong>an</strong>kbereichen.<br />

Das heißt: Fort- und Weiterbildung nimmt einen immer höheren Stellenwert ein.<br />

Führungspositionen von heute erfordern fachliche Abschlüsse, die damals als<br />

Qualifikation zum B<strong>an</strong>kleiter ausgereicht hätten.<br />

Das liegt natürlich auch <strong>an</strong> der B<strong>an</strong>kengröße: Als ich die Ausbildung beg<strong>an</strong>n, gab es<br />

noch 15 eigenständige, entsprechend kleine Volksb<strong>an</strong>ken und Spar-und<br />

Darlehnskassen in unserem Geschäftsgebiet, die heute alle in der Volksb<strong>an</strong>k Min<strong>den</strong>er<br />

L<strong>an</strong>d zusammengefasst sind. Den vielen regulatorischen Anforderungen von heute<br />

würde auch keine der damaligen B<strong>an</strong>ken mehr gerecht wer<strong>den</strong> können.<br />

Insgesamt betrachtet gibt es in der B<strong>an</strong>kenwelt wie in <strong>an</strong>deren Br<strong>an</strong>chen auch eine<br />

ständig steigende Informationsflut, deren Halbwertzeit sich immer mehr verkürzt.<br />

Einen sehr starken W<strong>an</strong>del erlebt die Art der Kommunikation mit unseren Kun<strong>den</strong>:<br />

Themen wie Online-B<strong>an</strong>king oder Facebook, Twitter und Co. gewinnen zunehmend <strong>an</strong><br />

Bedeutung.<br />

Als einschnei<strong>den</strong>des weltwirtschaftliches Ereignis möchte ich die B<strong>an</strong>kenkrise<br />

2008/2009 und die aktuellen Schieflagen einiger europäischer Staaten nennen. Beides<br />

hatte und hat gravierende Auswirkungen auf <strong>den</strong> Euro-Raum. B<strong>an</strong>ken und Staaten<br />

kurz vor dem fin<strong>an</strong>ziellen Kollaps – das hatte m<strong>an</strong> sich bis dahin nicht vorstellen<br />

können. Der eine oder die <strong>an</strong>dere hat vielleicht in der Hoffnung auf hohe Gewinne auf<br />

die falschen Anlagen gesetzt und viel Geld verloren.<br />

Das führt grundsätzlich zur Überlegung: Wo ist mein Geld sicher? Das Prinzip der<br />

Genossenschaftsb<strong>an</strong>k erlebt in diesen Zeiten eine Art „Renaiss<strong>an</strong>ce“, und auch wir<br />

Volksb<strong>an</strong>ker selbst besinnen uns wieder verstärkt auf unsere ursprünglichen Werte wie<br />

die Mitgliederförderung. In diesem Prozess stecken wir gerade mittendrin.


Welche Fusionen haben Sie miterlebt? Bei welcher Fusion gab es die größten<br />

Hindernisse und Be<strong>den</strong>ken?<br />

Obwohl rundherum viele Fusionen stattf<strong>an</strong><strong>den</strong>, habe ich selbst nur zwei durchlaufen:<br />

Da war die Fusion der Volksb<strong>an</strong>ken Hille und Min<strong>den</strong>-Porta 2002 und der in 2011<br />

vollzogene Zusammenschluss der Volksb<strong>an</strong>ken Petershagen und Min<strong>den</strong>-Hille-Porta<br />

zur Volksb<strong>an</strong>k Min<strong>den</strong>er L<strong>an</strong>d. Beide verliefen problemlos, was wahrscheinlich der<br />

gründlichen Vorarbeit zu verd<strong>an</strong>ken ist. Zwei Anläufe davor, mit der Volksb<strong>an</strong>k<br />

Min<strong>den</strong> zu fusionieren, scheiterten in <strong>den</strong> Entscheidungsgremien der Volksb<strong>an</strong>k<br />

Min<strong>den</strong>.<br />

Welche Ratschläge können Sie jungen Nachwuchskräften im B<strong>an</strong>kgeschäft mit auf <strong>den</strong><br />

Weg geben?<br />

Fachlich immer auf dem neuesten St<strong>an</strong>d bleiben, agieren statt reagieren, und das<br />

Wichtigste: Immer aus Sicht des Kun<strong>den</strong> <strong>den</strong>ken und h<strong>an</strong>deln!<br />

Herr <strong>Schmidt</strong>, vielen D<strong>an</strong>k für dieses Gespräch!

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