Historische Hintergründe - Volksbank Mindener Land eG
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<strong>Historische</strong> Hintergründe<br />
Gliederung<br />
1. Einleitung<br />
2. Die Väter der Gedanken<br />
3. <strong>Land</strong>wirtschaft, Industrie und Gewerbe in Minden und Umgebung um 1870<br />
4. Die Gründungen<br />
5. Stürmische Zeiten – die Entwicklung bis heute<br />
6. Arbeit und Technik<br />
1. Einleitung<br />
Die Geschichte der <strong>Volksbank</strong> <strong>Mindener</strong> <strong>Land</strong> <strong>eG</strong> ist nicht nur eine Geschichte des<br />
Geldes sondern viel mehr eine Geschichte der Menschen. Der Zusammenschluss in<br />
einer Genossenschaft ist mehr als der rechtliche Vorgang, über den Gerichtsakten<br />
Aufschluss geben. Sie ist ein Bekenntnis zu den Prinzipien Selbsthilfe,<br />
Selbstverantwortung, Demokratie und damit verbunden zu den Werten Solidarität,<br />
Fairness, Vertrauen, Respekt, Verantwortung und Partnerschaft. Deutlich wird dies an<br />
vielen Stellen in der Vergangenheit und Gegenwart der <strong>Volksbank</strong>, nicht nur in Krisen,<br />
die durch gemeinsamen Zusammenhalt und Solidarität überwunden wurden, sondern<br />
auch in guten Zeiten, in denen Erfolge geteilt wurden.<br />
Blicken wir nun auf den Beginn der <strong>Volksbank</strong>. Dazu gehört mehr als die Nennung des<br />
der Gründungsdaten. Wir betrachten die Entwicklung der Genossenschaftsbanken in<br />
Westfalen und das Leben der Menschen in Minden und Umgebung. Wir schauen auf<br />
die wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die<br />
das Leben der Menschen prägten.<br />
2. Die Väter der Gedanken<br />
Im 19. Jahrhundert kam es zu bedeutenden Veränderungen und Umwälzungen von<br />
denen auch die Bauern betroffen waren. Besonders hervorzuheben ist die<br />
„Bauernbefreiung“, also die Ablösung der Bauern aus der Grundherrschaft. Diese<br />
wurde in Westfalen eingeleitet von den französischen Besatzern, Jérome Bonaparte,<br />
dem „König von Westphalen“. In Preußen ist die „Bauernbefreiung“ mit dem Namen<br />
1
der „Stein-Hardenbergschen Reformen“ verbunden. Doch der Bauer hatte eine<br />
Ablösezahlung zu leisten. Und dies gestaltete sich schwierig: Zum einen war es<br />
aufgrund der niedrigen Agrarpreise kaum möglich, Ablösungszahlungen aus dem<br />
laufenden Betrieb zu entnehmen, zum anderen gab es keine Banken und Sparkassen,<br />
bei denen Bauern zu vernünftigen Bedingungen Kredite erhalten konnten. Die<br />
zunehmende Bedeutung der Geldwirtschaft und die verstärkte Konkurrenz aus dem<br />
Ausland veränderten Leben und Wirtschaften der Bauern. Die einzige Möglichkeit für<br />
den kleinen <strong>Land</strong>wirt, an Geld zu kommen, war der Wucherer. Diese nutzten die<br />
Notlage aus. Ihre Zinssätze waren enorm und betrugen nicht selten hundert und mehr<br />
Prozent. Für denjenigen, der in die Hände der Wucherer geriet, folgte oftmals der<br />
wirtschaftliche Zusammenbruch. Haus und Hof waren verloren, es blieb ihnen nur die<br />
Auswanderung in eine Industriestadt oder über den Atlantik.<br />
Diese allgemeine Situation und ein harter Winter 1846, der zu Hungersnöten führte,<br />
veranlassten den jungen Bürgermeister des Ortes Weyerbusch im Westerwald, Friedrich<br />
Wilhelm Raiffeisen, zu Gründung des „Vereins für Selbstbeschaffung von Brod und<br />
Früchten“. Dieser auf christlicher Nächstenliebe gegründete Verein schaffte Getreide<br />
und Kartoffeln heran, erzeugte Brot und verkaufte es zu geringen Preisen an die<br />
Bedürftigen. In den nächsten Jahren gründete Raiffeisen in zwei weiteren Orten, in<br />
denen er als Bürgermeister tätig war, gleichgelagerte Vereine: 1849 den<br />
„Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter <strong>Land</strong>wirthe“ und 1854<br />
den „Heddesdorfer Wohltätigkeits-Verein“. Letzterer wollte umfassendere Aufgaben<br />
wahrnehmen. Dazu gehörten die Befriedigung des Kreditbedürfnisses, die Erziehung<br />
verwahrloster Kinder, Arbeitsbeschaffung für arbeitslose Einwohner und entlassene<br />
Sträflinge sowie die Errichtung einer Volksbibliothek. Das breite Betätigungsfeld des<br />
wohltätigen Vereins konnte auf Dauer nicht bestehen. Und so wurde er 1864 zum<br />
Heddesdorfer Darlehnskassenverein umgestaltet, der nur noch den wirtschaftlichen<br />
Zweig enthielt. Raiffeisen kommt zu der Erkenntnis: „Das persönliche Interesse ist der<br />
Kitt, welche Vereine der in Rede stehenden Art zusammenhalten muss“. Raiffeisen<br />
bietet in seiner Schrift „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der<br />
ländlichen Bevölkerung, sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter“ aus<br />
dem Jahr 1866 eine Anleitung zur Gründung von Darlehnskassenvereinen und<br />
berichtet über seine Erfahrungen. Er empfiehlt als Grundlage das Statut des<br />
2
„Darlehnskassen-Verein für das Kirchspiel Anhausen“ aus dem Jahr 1862, welches auf<br />
dem Grundsatz „der unbedingtesten Selbsthilfe“ beruht. Raiffeisen dazu: „Diejenigen,<br />
welche die Vereine am nöthigsten haben, sind in der Regel am wenigsten fähig, die<br />
Einrichtung herbeizuführen, zu erhalten und zu leiten; es ist deshalb eine allseitige<br />
Betheiligung dringend anzurathen. Durch zunehmende Verarmung haben alle<br />
diejenigen, welche sich diese Verarmung durch wucherische Händel nicht zu Nutze<br />
machen wollen, Nachtheil. Es liegt deshalb auch selbst im Interesse der<br />
wohlhabenderen Klasse, die Vereine zu fördern, und, soweit es nöthig ist, sich daran<br />
zu betheiligen.“<br />
Raiffeisen wollte mit seinen Vereinen basierend auf dem Prinzip der Selbsthilfe die<br />
Lage der <strong>Land</strong>bevölkerung dauerhaft verbessern.<br />
Die Ideen Raiffeisens nahm auch der Vorsitzende des Westfälischen Bauernvereins auf.<br />
Sie finden Eingang in sein Buch „Die Lage des ländlichen Grundbesitzes in Westfalen<br />
bezüglich der Verschuldung und Kreditnoth wie der Mittel zu deren Abhilfe. Nebst<br />
einem Anhang über das Versicherungswesen“. Zur Entstehungszeit 1868 finden sich in<br />
Westfalen noch wenige Genossenschaftsbanken, und es scheint, dass „die pekuniäre<br />
Lage des Grundbesitzes Westfalens […] kaum je berührt wird“. Doch mit Weitblick<br />
weist der Autor darauf hin „aber es liegt doch die Frage nahe, wird diese günstige<br />
Lage – ihr Bestehen vorausgesetzt – denn immer oder noch lange so bleiben?“ In<br />
seiner Untersuchung kommt Schorlemer-Alst zu dem Urteil, dass eine Realkreditnot<br />
noch nicht bestehe, aber „dagegen unter den obwaltenden Verhältnissen der<br />
Personalkredit leidet, voraussichtlich immer mehr abnehmen und sich zum<br />
dringenden Bedürfniß gestalten wird, weil auch in Westfalen diejenigen zum<br />
Bedürfniß gewordenen Anstalten fehlen, welche diesen Kredit dem ländlichen<br />
Grundbesitzer in geeigneter und brauchbarer Weise vermitteln.“ „Es müssen also für<br />
dieses Kreditbedürfniß Verkehrsmittel geschaffen werden, welche bei angemessener<br />
Selbstentäußerung seitens des Darleihers und bei genügender Sicherheiten seitens der<br />
Kreditnehmer, den letzteren hinreichenden und erträglich billigen Kredit zuführen,<br />
und dies ist nur möglich durch die Association der Grundbesitzer selbst zur Vorschussund<br />
Kreditvereinen.“<br />
Den Darlehnskassenvereinen schreibt Schorlemer-Alst eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe zu. Er stellt dem Egoismus und dem Handeln nach der Maxime „Jeder für<br />
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sich!“ die Brüderlichkeit mit der christlichen Devise „Einer für Alle und Alle für Einen“<br />
gegenüber. Weiterhin verweist er auf Raiffeisens Werk und führt den Heddesdorfer<br />
Kreditverein als Beispiel für einen ländlichen Kreditverein an.<br />
3. <strong>Land</strong>wirtschaft, Industrie und Gewerbe in Minden und Umgebung um 1870<br />
Betrachten wir die wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Minden und Umgebung<br />
oder besser des Altkreises Minden. Beginnen wollen wir damit in den 1870er Jahren.<br />
Dieser Zeitpunkt, der vor den Gründungen der ersten Spar- und Darlehnskassen der<br />
heutigen <strong>Volksbank</strong> <strong>Mindener</strong> <strong>Land</strong> liegt, wurde bewusst gewählt, um Veränderungen<br />
mit Einfluss auf das Leben der Bevölkerung aufzuzeigen.<br />
Zigarrenmacher<br />
Ein wichtiger Industriezweig in Minden und Umgebung war im 19. Jahrhundert die<br />
tabakverarbeitende Industrie. Der Schwerpunkt der Zigarrenindustrie verlagerte sich<br />
im ausgehenden 19. Jahrhundert in den Raum Bünde-Lübbecke. Dort boten die<br />
billigen Arbeitskräfte ein größeres Potential insbesondere für die Heimarbeit. Werfen<br />
wir kurz einen Blick auf die Zahlen der Handelskammer Minden für die<br />
zigarrenherstellenden Betriebe: 1864 waren es 25 Zigarrenherstellungsbetriebe mit<br />
1100 Arbeitern, 1899 ist die Zahl auf 19 Betriebe mit 780 Arbeitern gesunken.<br />
Eisenerzgewinnung<br />
Die Grundlage für einen weiteren Industriezweig boten die Erzlager des Wiehen- und<br />
Wesergebirges sowie die Kohlelager der Umgebung. In der Zeche „Viktoria“ bei<br />
Lerbeck wurden 1883 15.000 t Eisenerze, im Jahr 1899 18.200 t gefördert. Die Zeche<br />
„Wohlverwahrt“ bei Kleinenbremen förderte 1889 30.600 t Roteisenstein und steigerte<br />
die Förderung auf 68.800 t im Jahr 1899. Der Eisengehalt dieser Erze war allerdings<br />
recht gering, somit wurde die Verhüttung aufgrund der erforderlichen Zuschläge<br />
verteuert.<br />
Steinkohle wurde in Bölhorst, in Meißen und im Schacht „Laura“ in Barkhausen-Zollern<br />
gefördert. Die geförderte Menge an Kohle war nicht sehr ergiebig sie konnte nicht<br />
einmal den Bedarf der Stadt Minden decken, sie nahm beispielsweise beim Schacht<br />
„Laura“ jährlich ab. Die Förderung in den Schächten in Bölhorst und Barkhausen wurde<br />
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1880 bzw. 1887 eingestellt. Die Eisenverhüttung in der von der öffentlichen Hand<br />
geförderten „Friedrichshütte“ der Eisenwerke Porta Westfalica AG war nicht<br />
konkurrenzfähig. Der Betrieb wurde zum zweiten und letzten Mal wenige Jahre nach<br />
der Wiedereröffnung 1867 eingestellt.<br />
Glashütte und Glasfabrik<br />
Eine besondere Rolle für die Wirtschaft und Leben der Menschen spielten die<br />
Glashütten. An dieser Stelle sollen die wichtigsten genannt werden und ihre<br />
Entwicklung kurz beleuchtet werden. Die Glashütte Gernheim bei<br />
Ovenstädt/Petershagen wurde 1812 von den Bremer Kaufleuten Fritz Schrader und<br />
Cornelius Lampe gegründet. Entscheidend für die Ansiedlung in Gernheim waren die<br />
guten Transportverhältnisse, so verfügte die Glasfabrik direkt an der Weser über eine<br />
eigene Schiffsanlegestelle. Zur Glasfabrik gehörten einige Gebäude, die das Bild und<br />
das Leben der Gemeinde Ovenstädt prägten. Dazu gehörten die Wohngebäude für<br />
die Glasmacherfamilien, Produktionsgebäude für die Glasherstellung und ein großes<br />
Wohngebäude für die Unternehmersfamilie. Ein Großteil, ca. 75% der Erzeugnisse aus<br />
Gernheim, waren für den Export nach Nord- und Südamerika gedacht. In Spitzenzeiten<br />
betrug die Belegschaft der Glashütte 200 Arbeiter. Doch diese Spitzenzeiten hielten<br />
nicht lange an. Nach einem Konkurs 1849 und einem Wiederaufschwung in den<br />
1860er Jahren führten die Gründerkrise 1873, die starke ausländische Konkurrenz<br />
größerer Glasfabriken und der fehlende Bahnanschluss zur Schließung der Glasfabrik<br />
Gernheim 1877.<br />
Die 1860er Jahre bedeuteten nicht nur wie oben beschrieben für die Glashütte<br />
Gernheim Aufschwung, auch allgemein wird von einer Phase der Hochkonjunktur<br />
gesprochen, bedingt durch den Abbau staatlich-administrativer Hemmnisse und die<br />
Ausbreitung wirtschaftsliberaler Prinzipien. So entstanden weitere Glasfabriken. 1866<br />
gründeten Alwes und Kuhlmann, zwei <strong>Mindener</strong> Kaufleute, an der Porta mit Arbeitern<br />
aus Gernheim eine Glashütte. Es sollten zwei weitere folgen: 1867 gründeten F.A.<br />
Meyer und der Kaufmann Schwartze eine Hütte, 1870 wiederum die zuvor genannten<br />
Alwes und Kuhlmann eijne weitere. Die Glasfabriken in Porta beschäftigten zum<br />
Zeitpunkt der besten Auslastung 700-1000 Arbeiter. Der Vorteil dieser neu<br />
entstandenen Glashütten war die gute Verkehrsanbindung durch die Eisenbahn. Im 19.<br />
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Jahrhundert entwickelten sich auch die großen Konzerne, wie die Gerresheimer<br />
Glashüttenwerke Düsseldorf. Diese begann um 1900 systematisch andere Glasfabriken<br />
aufzukaufen, darunter auch das Gelände der geschlossenen Glasfabrik Gernheim, 1898<br />
die Glasfabrik Porta Westfalica und 1904 die Glasfabrik Wittekind. In der Glasfabrik<br />
Porta wurden bis zur Betriebsstilllegung 1930 mundgeblasene Flaschen angefertigt. In<br />
der Glasfabrik Wittekind wurde bis in die 1980er Jahre produziert.<br />
Ziegeleien<br />
Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Kreis Minden, der an dieser Stelle behandelt werden<br />
soll, ist das Ziegeleiwesen. Essentiell für das Entstehen und Bestehen von Ziegeleien<br />
waren die Rohstoffe Lehm und Ton. Diese Rohstoffe waren in dem uns<br />
interessierenden Gebiet rund um Minden und besonders dem Amt Petershagen in den<br />
Wesertälern und in Form von eiszeitlichen Lehm- und Tonablagerungen vorhanden.<br />
Waren die Rohstoffvorkommen erschöpft, konnte die Ziegelei nur noch bestehen,<br />
wenn Ton und Lehm von außerhalb herangeschafft wurden. Dies wurde vor allem<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg praktiziert. Im Bezirk der Handelskammer Minden war<br />
1898/99 117 Ziegeleibetriebe registriert. Die Zahl der Beschäftigten in Ziegeleien nahm<br />
zwischen 1878 und 1900 stark zu. Besonders wichtig für die Ziegeleibetriebe wurde<br />
der Anschluss an das Schienennetz. So konnte Kohle kostengünstiger herangeschafft<br />
und Ziegel abtransportiert werden. Ab 1898 wurde von den <strong>Mindener</strong> Kleinbahnen<br />
(MKB) die Strecke Minden-Uchte über Petershagen befahren. Hiervon profitierte<br />
besonders die Ziegelei Schütte-Heisterholz, über deren eigenes Anschlussgleis bis zu 20<br />
Waggons täglich das Werk verließen. Andere Ziegeleien wie in <strong>Mindener</strong>wald,<br />
Stemmer und Wegholm profitierten von dem weiteren Ausbau der Kleinbahn 1903<br />
und 1915. Auf der Strecke Minden-Heisterholz und Wegholm war wenig<br />
Personenverkehr, deshalb wurde die Strecke auch „Ziegeleistrecke“ genannt.<br />
Außergewöhnlich ist die Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg. So übertraf der Kreis<br />
Minden mit 1185 Ziegeleibeschäftigten alle Vorkriegszahlen. Die traditionellen Formen<br />
der Feldbrand- und Handstrichziegeleien machten Platz für technische Innovation, die<br />
eine effektivere Ziegelherstellung erlaubten. So waren in den 30er Jahren keine<br />
Handstrichziegeleien mehr zu finden.<br />
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Abschließend soll noch auf die enge Verbindung von <strong>Land</strong>wirtschaft und Ziegelei<br />
hingewiesen werden. So waren viele Ziegeler nebenbei als <strong>Land</strong>wirte tätig und<br />
umgekehrt. (Genaue Zahlen sind dabei kaum zu nennen, da die Feldbrandziegeleien<br />
keiner Genehmigung bedurften und nicht verzeichnet wurden.)<br />
Andere Industriezweige<br />
Wenden wir uns nun den Handwerksbetrieben zu, auf die ein Großteil der<br />
Warenproduktion zurückging und von denen einige sich zu überregional agierenden<br />
Industriebetrieben entwickeln konnten. Als Beispiel ist der Schlossereibetrieb des<br />
Johann Friedrich Drabert zu nennen. Berühmt wurde das Unternehmen vor allem mit<br />
seinem 1928 entwickelten drehbaren Stahlrohrstuhl, der millionenfach gefertigt<br />
wurde.<br />
In den umliegenden Gemeinden wurden Ende der 1880er und Anfang der 1890er<br />
Jahre bereits die ersten Spar- und Darlehnskassenvereine gegründet. In Minden gab es<br />
zu der Zeit bereits ein bestehendes Bankwesen mit der Reichsbankstelle, dem<br />
Vorschußverein Minden, dem <strong>Mindener</strong> Bankverein, die Kreis-Spar- und Darlehnskasse<br />
und den Stadtsparkassen Minden.<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft<br />
Der Anteil der <strong>Land</strong>bevölkerung an der Gesamtbevölkerung betrug im Kreis Minden<br />
bis ins frühe 20. Jahrhundert 76,7%. Dementsprechend hoch war der Anteil der<br />
Bevölkerung, der von der Agrarkrise der 1880er und 1890er Jahre betroffen war. Der<br />
zunehmende Konkurrenzdruck der deutschen <strong>Land</strong>wirtschaft führte zu einem Sinken<br />
der Getreidepreise. Wer neben der internationalen Konkurrenz bestehen wollte,<br />
musste versuchen, die Hektarerträge für Getreide zu steigern oder auf<br />
Veredelungswirtschaft setzen.Nur so konnte man von den stabileren Preisen für Fleisch<br />
und Molkereiprodukte profitieren. Die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür bot<br />
die Eisenbahn, denn auf dem Schienenweg gelangten Mineraldünger und die<br />
Futtermittel heran, ohne die das Wachstum der Produktivität zwischen 1880 und 1914<br />
nicht hätte erreicht werden können. So veränderten sich auch die <strong>Land</strong>wirtschaft und<br />
insbesondere der Ackerbau im Kreis Minden an der Wende zum 20. Jahrhundert. Im<br />
Zentrum stand der Anbau von Wintergetreide (Roggen und Weizen). Weiterhin war<br />
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eine Zunahme der Anbaufläche für Kartoffeln zu verzeichnen. Die Bauern bemühten<br />
sich intensiv, ihre Betriebe zu modernisieren und die sinkenden Getreidepreise durch<br />
Produktivität wettzumachen. Einen Fortschritt stellte Mineralische Düngung dar, sie<br />
führte zwischen 1890 und 1910 zu einer Verdopplung der durchschnittlichen<br />
Getreideerträge und zu einer Verdreifachung der Kartoffelernten. 1912 stellt Anton<br />
Quabeck, Generalsekretär des Verbandes ländlicher Genossenschaften der Provinz<br />
Westfalen, die Auswirkungen der Agrarkrise folgendermaßen dar:<br />
„Für den <strong>Land</strong>wirt hieß es nun, Felder und Wiesen zu verbessen, Heide und Moor zu<br />
kultivieren, besseres Saatgut und besseres Zuchtvieh einzuführen, an Stelle der<br />
massenhaft und oft planlos vom <strong>Land</strong>e zur Industrie abströmenden Arbeiter<br />
landwirtschaftliche Maschinen zu benutzen, durch Kunstdünger die Ergiebigkeit des<br />
Bodens, durch Kraftfutter die tierische Produktion zu erhöhen. Das alles kostete, um<br />
mit Montecuculi zu reden, Geld, Geld und nochmals Geld. Aus dem ‚Mann, der kein<br />
Geld gebraucht‘, wie er früher genannt wurde, wurde der <strong>Land</strong>wirt ein Unternehmer,<br />
der das Kapital als wichtigsten Produktionsfaktor in seine Rechnung stellen mußte.“<br />
4. Die Gründungen<br />
Somit wurden die „Darlehnskassen-Vereine als ein Mittel zur Abhilfe der Not der<br />
ländlichen Bevölkerung“ gesehen, wie der Titel des gleichnamigen Werks Raiffeisens<br />
besagt.<br />
Das Ereignis, das die Gründung von Bankgenossenschaften in Westfalen in Gang setzte,<br />
war ein Vortrag über ländliche Kreditvereine, den Raiffeisen im Oktober 1882 in der<br />
Generalversammlung des Westfälischen Bauernvereins unter seinem Vorsitzenden<br />
Freiherr von Schorlemer-Alst hielt. In den folgenden Jahren warb der Generalsekretär<br />
des Westfälischen Bauernverbandes Faßbender in Westfalen mit Vorträgen in örtlichen<br />
Versammlungen für die Gründung von genossenschaftlichen Kreditinstituten. Der<br />
Verband ländlicher Genossenschaften der Provinz Westfalen Raiffeisen eV bewertet in<br />
seiner Festschrift zum 75-jährigen Bestehen die Tätigkeit Faßbenders als<br />
Herausforderung: „Wenn man erwähnt, mit welcher Zähigkeit der Westfale am<br />
Althergebrachten festhält und sich allen Neuerungen widersetzt, kann man sich in<br />
etwa eine Vorstellung davon machen, mit welchen Schwierigkeiten diese Arbeit auf<br />
dem <strong>Land</strong>e verbunden war.“ Insgesamt leistet der Westfälische Bauernverein einen<br />
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erheblichen Beitrag zur Ausbreitung der Spar- und Darlehnskassen, indem die<br />
Führungspersönlichkeiten für diese neue Idee eintraten und sie auf Versammlungen<br />
und in Artikeln im „Westfälischen Bauern“ verbreitetee.<br />
1884 wurde die Ländliche Centralkasse als Zentralstelle für die westfälischen<br />
Kreditgenossenschaften, zunächst in Form einer Aktiengesellschaft ab 1900 in Form<br />
einer <strong>eG</strong>mbH, gegründet. Damit entschied man sich bewusst für eine<br />
Organisationsform mit dem Schwerpunkt Westfalen. Mit der Gründung des Verbandes<br />
ländlicher Genossenschaften der Provinz Westfalen 1889 fungierte die Ländliche<br />
Centralkasse als Geldausgleichsinstitut, während der Verband die Revision (seit dem<br />
Genossenschaftsgesetz von 1889 bestand Revisionszwang) der angeschlossenen<br />
Genossenschaften vornahm.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen,<br />
dass die Agrarkrise ein Kreditbedürfnis bei der (<strong>Land</strong>-)Bevölkerung entstehen<br />
ließ<br />
dass Werbung die Idee des genossenschaftlichen Kreditvereins verbreitete<br />
und dass die Verbände der Provinz Westfalen die Gründung erleichterten<br />
Wie sah nun die Gründung eines Spar- und Darlehnskassenvereins aus? Wie schnell<br />
verbreitete sich das Modell und die Idee im Kreis Minden? Wann wurden die<br />
genossenschaftlichen Vorgängerinstitute der <strong>Volksbank</strong> <strong>Mindener</strong> <strong>Land</strong> gegründet?<br />
Auf die erste Frage kann man antworten, indem man auf den idealtypischen<br />
Gründungsverlauf einer Bankgenossenschaft (nach A. Kluge) verweist.<br />
Zuerst entsteht eine Gruppe weniger Personen, die an der Gründung einer<br />
Genossenschaft interessiert sind. Diese Gruppe wirbt dann im Bekanntenkreis für ihr<br />
Vorhaben, entwirft anhand von Musterstatuten einen Satzungsentwurf und trifft eine<br />
Vorauswahl für Vorstand und Aufsichtsrat bzw. für das Rendantenamt geeignete<br />
Personen. Sind dann mindestens zwanzig bis dreißig Interessenten gefunden, wird eine<br />
Gründungsversammlung einberufen. Auf dieser wird der Inhalt der Satzung verlesen<br />
und über den Sinn der Genossenschaft referiert und diskutiert. Anschließend<br />
unterzeichnen die Gründungswilligen das Statut, Die erste Generalversammlung findet<br />
statt, in der die Mitglieder der Organe gewählt werden. Den Anstoß zur Errichtung<br />
einer Genossenschaft gaben einige wenige, zumeist Honoratioren des Ortes, wie<br />
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Kommunalbeamte, Lehrer und Geistliche. Die Gründung umfasste dann aber viele<br />
Interessenten.<br />
Anhand der Gründung wird deutlich: Schon zu diesem Zeitpunkt waren die Prinzipien<br />
Hilfe zur Selbsthilfe und Solidarität wichtig, dazu gehört eben auch das Einstehen des<br />
Stärkeren für den Schwächeren.<br />
Bis 1911 gab es im Kreis Minden 15 Spar- und Darlehnskassenvereine mit<br />
durchschnittlich 188 Mitgliedern. Die Gründungen der<br />
Vorgängerbankgenossenschaften der <strong>Volksbank</strong> <strong>Mindener</strong> <strong>Land</strong> erfolgten innerhalb<br />
der Gründungswellen 1889-1914 und 1918-1924.<br />
Die Spar- und Darlehnskassenvereine zeichnete unter anderem das<br />
Lokalisierungsprinzip aus. Die Tätigkeit des Vereins war beschränkt auf Dorf oder<br />
Kirchspiel. Dies hatte Vorteile für die Kreditgewährung, denn so wurden längere<br />
Borgfristen und eine Absicherung durch einfachen Schuldschein oder Bürgschaft<br />
ermöglicht.<br />
5. Stürmische Zeiten – die Entwicklung bis heute<br />
Der Erste Weltkrieg veränderte das Leben der Mitglieder und auch den Alltag und das<br />
Geschäft der Bank. Die Expansion des Genossenschaftswesen und Maßnahmen zu<br />
seiner weiteren Festigung wurden unterbrochen. Von Friedens- wurde auf<br />
Kriegswirtschaft umgestellt. In den ersten Tagen der Mobilmachung kam es zu<br />
Angstabhebungen. Nach kurzer Zeit zeigte sich aber ein rückläufiger Trend, und die<br />
überstürzt abgehobenen Gelder flossen zurück. Auch der Geschäftsalltag veränderte<br />
sich. Zahlreiche Mitglieder, Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte befanden sich als<br />
Soldaten im Krieg. Die unbesetzten Stellen vor allem des Rendanten mussten<br />
vorübergehend oder dauerhaft neu besetzt werden, Generalversammlungen mussten<br />
aufgrund geringer Teilnehmerzahlen abgesagt werden, Neuwahlen wurden<br />
verschoben. Die Vereine versuchten ihre im Krieg kämpfenden Mitglieder und ihre<br />
Angehörigen zu unterstützen. In der Generalversammlung des Spar- und<br />
Darlehnskassenverein Holzhausen I am 3. Juli 1915 wurde beispielsweise der Beschluss<br />
des Aufsichtsrates und Vorstandes bekannt gegeben, wonach für die als Soldaten<br />
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eingezogenen Mitglieder und ihre Angehörigen eine Versicherung gegen Kriegsgefahr<br />
mit 10 Mark Anteil abgeschlossen wurde.<br />
Die Inflation, von der am Meisten die Hyperinflation 1923 in Erinnerung ist, hat ihre<br />
Ursachen noch im 1. Weltkrieg. Die Kosten des Krieges von 160 Milliarden Mark, mehr<br />
als das Dreifache des deutschen Volkseinkommens von 1913, wurden durch Anleihen<br />
und Schuldverschreibungen aufgebracht. Der Geldumlauf verfünffachte sich von<br />
Kriegsbeginn bis 1918. Dagegen schrumpfte bzw. stagnierte das Warenangebot. So<br />
kam es zu enormen Preissteigerungen. Die Kriegsfolgelasten finanzierte der Staat über<br />
Anleihen bei der Reichsbank, dies bedeutete: Geldvermehrung. Zur hohen<br />
Staatsverschuldung traten die Reparationsforderungen des Versailler Vertrags, 132<br />
Milliarden Goldmark. Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 wurden riesige<br />
Geldmengen benötigt. Im November 1923 wurde Geldscheine mit einem Wert von<br />
100 Millionen Mark gedruckt. Im Herbst 1923 arbeitet 1728 Druckmaschinen Tag und<br />
Nacht für die Reichsdruckerei. Insgesamt arbeiteten 30.000 Menschen an der<br />
Herstellung der 10 Milliarden staatlich ausgegebenen Inflationsscheine. Die<br />
Hyperinflation hatte verheerende Folgen für die Bevölkerung: Die Arbeitslosigkeit stieg<br />
dramatisch an, Löhne und Gehälter konnten dem Preisanstieg der Waren und<br />
Dienstleistungen nicht folgen. Die Stabilisierung und die Normalisierung des<br />
Wirtschaftslebens gelang mit der Gründung der Deutschen Rentenbank im Oktober<br />
1923. Ab dem 15. November 1923 wurde die Rentenmark herausgegeben. Der<br />
Wechselkurs einer Rentenmark war mit einer Billion Papiermark (12 Nullen!) festgelegt<br />
worden. Doch die Rentenmark war nur als Übergangswährung zur Überwindung der<br />
Inflation eingeführt worden. Am 30. August 1924 wurde sie durch die durch Gold<br />
gedeckte Reichsmark abgelöst. Die Inflation hatte schlimme Folgen. Die Mitglieder<br />
verloren große Teile ihres Sparguthabens, und der Spar- und Darlehnskassenverein<br />
verlor erhebliche Teile seines eigenen Vermögens. So bedeutete die Währungsreform<br />
für viele Spar- und Darlehnskassenvereine ein Neuanfang. Die Folgen waren<br />
Geldknappheit und fehlende Spareinlagen. Diese aber waren schwer zu bekommen,<br />
da zum einen das Geld zum Sparen fehlte, zum anderen aber auch aus der<br />
Inflationserfahrung ein großes Misstrauen gegen das Sparen bestand. Gleichzeitig<br />
waren die Kassen aber auch bemüht, den Kreditanforderungen nachzukommen.<br />
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Während der Inflationszeit und zur Zeit der Währungsreform setzte ein Wettbewerb<br />
um die Kundenkreise der Kreditgenossenschaften ein. Die Großbanken errichteten<br />
Filialen in der Provinz, die Sparkassen führten Personalkredite ein. Um neue<br />
Kundenkreise zu erschließen und den bankmäßigen Ausbau von<br />
Dorfgenossenschaften zu unterstützen, errichteten die ländlichen Zentralkassen<br />
Zweigniederlassungen. So wurde auch 1924 die Zweigniederlassung der Ländlichen<br />
Zentralkasse Münster in Minden errichtet. Es ist davon auszugehen, dass die<br />
Gründungen der Spar- und Darlehnskassenvereine Hausberge, Päpinghausen und<br />
Unterlübbe von der Neueinrichtung der Zweigniederlassung in Minden beeinflusst<br />
wurden.<br />
Zu erwähnen ist an dieser Stelle die Selbsthilfe des Verbandes ländlicher<br />
Genossenschaften der Provinz Westfalen, um die angeschlossenen Kreditinstitute zu<br />
sanieren. So wurde ein Stützungsfonds für notleidende Spar- und Darlehnskassen<br />
gebildet. Die Abgaben waren freiwillig und wurden von den leistungsfähigen Kassen<br />
geleistet. So flossen bis 1930 zwei Millionen Reichsmark in den Fonds, womit<br />
Genossenschaften vor dem Konkurs gerettet werden konnten.<br />
Der wirtschaftliche Aufschwung der „Goldenen Zwanziger“ dauerte nicht lang. Die<br />
Weltwirtschaftskrise wurde mit dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im<br />
Oktober 1929 eingeläutet. Der Kapitalstrom nach Deutschland versiegte. Ausländische<br />
Darlehnsgeber zogen ihre Darlehen nach den Reichstagswahlen 1930 zurück. Bei<br />
diesen Wahlen wurde die NSDAP zweitstärkste Partei. Die Auswirkungen der<br />
Weltwirtschaftskrise waren Firmenzusammenbrüche, Bankenschließungen und<br />
Massenarbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen stieg von September 1929 bis Anfang<br />
1933 von 1,3 auf über 6 Millionen an. Das Realeinkommen sank, Kriminalität und<br />
Armut nahmen zu. Massenverelendung kennzeichnete den Alltag breiter<br />
Bevölkerungsschichten. Unter den Zusammenbrüchen ist besonders der des Bremer<br />
Textilkonzerns „Nordwolle“ hervorzuheben. Dessen Hauptaktionär war eine der vier<br />
größten Banken Deutschlands, die „Darmstädter und Nationalbank“, die im Juli 1931<br />
ihre Zahlungen einstellen musste. Die Sparer verloren das Vertrauen. Ein Run auf die<br />
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Kreditinstitute setzte ein. Die Reichsregierung verfügte Bankenfeiertage, die Schalter<br />
blieben geschlossen. Auch an den westfälischen Spar- und Darlehnskassenvereinen<br />
ging die Krise nicht spurlos vorüber. Entstandene Verluste konnten nur mit Hilfe der<br />
eigenen Mitglieder und der Reichsgenossenschaftshilfe bereinigt werden.<br />
Kommen wir zu einem der dunkelsten und schwersten Kapitel deutscher Geschichte,<br />
die Zeit der Nationalsozialistischen Diktatur unter Adolf Hitler von 1933-1945. Die<br />
ganzen Auswirkungen und Folgen der Grausamkeit und Brutalität der<br />
Nationalsozialisten, die Millionen Menschen das Leben kosteten, können hier,<br />
angesichts des Umfangs und der Schwere des Themas, nicht angemessen dargestellt<br />
werden. Wir wollen nur einzelne Schlaglichter aufgreifen, die direkte Auswirkungen<br />
auf die Genossenschaftsbanken hatten.<br />
Im Zuge der Gleichschaltung wurden die Organisationen des ländlichen<br />
Genossenschaftswesens dem „Reichsnährstand“ untergeordnet. Die<br />
Kreditgenossenschaften wurden der Reichsgruppe Banken untergeordnet. Personelle<br />
Veränderungen gab es vor allem in den Spitzenpositionen. So wurde in der Ländlichen<br />
Centralkasse Münster bereits 1933 Vorstand und Aufsichtsrat ausgewechselt, dabei<br />
wurden Dienstbezüge und Pensionen gekürzt oder aufgehoben. Für eine „linientreue“<br />
Führung der LC sorgte nun der neue Vorstand, der aus ehemaligen Angestellten der<br />
Wechselabteilung und des Sekretariats der LC bestand.<br />
1934 trat das „Reichsgesetz über das Kreditwesen“ (KWG) in Kraft. Mit diesem Gesetz<br />
wurde das Bankwesen einer strengen Aufsicht, ausgeübt vom „Aufsichtsamt über das<br />
Kreditwesen“ und dem „Reichskommissar“, unterstellt. Mit dem Gesetz sollte eine Krise,<br />
wie die Bankenkrise von 1931, verhindert werden. Es entsprach nicht der Absicht der<br />
Nationalsozialisten, die Kontrolle über das Bankwesen, selbst nach seiner Gesundung<br />
und Erfüllung bestimmter Anforderungen, aufzugeben. Die Absicht war, das<br />
Bankwesen in die „gelenkte“ Wirtschaft einzupassen, um sie als Einlagensammelstelle<br />
zur Staatsfinanzierung zu nutzen. Die Finanzierung des Zweiten Weltkrieges erfolgte<br />
„geräuschlos“. Dabei wurde auf die direkte Abschöpfung der Einkommen bei der<br />
Bevölkerung verzichtet. Stattdessen wurde das Sparen durch Steuervergünstigungen<br />
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(bspw. „Eisernes Sparen“) attraktiv gemacht. Zudem war das Horten von Geld<br />
verboten. Die überschüssige Liquidität sammelte sich bei den Banken, die nun<br />
aufgrund der mangelnden Möglichkeiten auf die Anlage in Reichstiteln angewiesen<br />
waren. Diese Finanzierung hatte im Gegensatz zur Kriegsanleihe, den Vorteil der<br />
Illusion: der Sparer fühlte sich nicht als Gläubiger des Reiches.<br />
Das Personal in vielen Spar- und Darlehnskassen bestand zur Zeit des Zweiten<br />
Weltkriegs fast ausschließlich aus Frauen. In Minden beispielsweise wurde der<br />
eingezogene Rendant Fritz Spieß durch seine Frau vertreten. Auch die jüngsten der<br />
Kasse, die Lehrlinge, mussten ihre Ausbildung unterbrechen und Reichsarbeitsdienst<br />
leisten oder in den Krieg ziehen.<br />
Das Stadtbild der Stadt Minden hatte sich zur Kriegsende verändert. Durch<br />
Luftangriffe zwischen 1943 und 1945 wurden zahlreiche Gebäude zerstört und fielen<br />
den Flammen zum Opfer, darunter der Dom und das historische Rathaus.<br />
Nach Kriegsende befand sich die Staatsgewalt in Deutschland bei den Siegermächten<br />
USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich. Das <strong>Land</strong> wurde in vier<br />
Besatzungszonen eingeteilt, wobei der Altkreis Minden zur britischen Besatzungszone<br />
gehörte. Im Potsdamer Abkommen, dem Ergebnis der Potsdamer Konferenz vom<br />
Sommer 1945, einigten sich Stalin, Truman und Churchill (später Attlee) über die<br />
Neuordnung Deutschlands und Europas. Dabei wurden auch Grundsätze über die<br />
Behandlung Deutschlands vereinbart, die auch als „4/5 D“ bezeichnet werden. Diese<br />
sind Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung, Demokratisierung und<br />
Demontage.<br />
Auch nach dem Krieg wurde die Zuteilung der Lebensmittel auf Lebensmittelkarten<br />
vorerst beibehalten. Die Ernährungslage der Bevölkerung war kritisch. Hunger war an<br />
der Tagesordnung. In diesen Zeiten boomte der Schwarzmarkt: die Reichsmark war<br />
wertlos, an ihre Stelle trat die „Zigarettenwährung“, aber auch Schmuck und andere<br />
Sachwerte wurden getauscht.<br />
Wichtig für den Wiederaufbau war die Währungsreform. In den westlichen<br />
Besatzungszonen wurde am 20./21. Juni 1948 die Deutsche Mark eingeführt. Als<br />
Erstausstattung erhielt jeder ein „Kopfgeld“ in Höhe von 40 DM. Die Sparguthaben<br />
wurden 10:1 und Löhne, Renten und Mieten 1:1 umgestellt. Die Sparer gehörten also<br />
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zu den Verlierern der Währungsreform. 1957 erfolgte durch das Altsparergesetz eine<br />
Aufwertung für Sparguthaben, die vor 1940 bestanden. Sie wurden auf 20% des<br />
Nennwertes in Reichsmark aufgestockt, somit bestand nun ein Umstellungsverhältnis<br />
von 5:1. Mit der Währungsreform verschwand der Schwarzmarkt, die Schaufenster der<br />
Läden waren über Nacht wieder prall gefüllt. Parallel zur Währungsreform wurde der<br />
Wechsel zur sozialen Marktwirtschaft eingeleitet: Ludwig Erhard setzte die Freigabe<br />
der gebundenen Preise und die Aufhebung der Rationierung wichtiger Güter durch.<br />
Wenige Tage nach der Einführung der DM erfolgt in der Sowjetischen Besatzungszone<br />
die Währungsreform.<br />
Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Es<br />
wurde vom Parlamentarischen Rat, bestehend aus 65 Mitgliedern, gewählt von den<br />
Länderparlamenten, ausgearbeitet. Die Bundesrepublik Deutschland wurde gegründet,<br />
ihr erster Bundespräsident war Theodor Heuss, Konrad Adenauer der erste Kanzler. In<br />
der SBZ wurde am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik gegründet.<br />
Die Teilung Deutschlands sollte 40 Jahre dauern.<br />
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot folgt der<br />
wirtschaftliche Aufschwung. Die BRD erlebt in den 50er Jahren das<br />
„Wirtschaftswunder“.<br />
Für die ländlichen Kreditgenossenschaften veränderte sich in der Nachkriegszeit<br />
zunehmend der Kundenkreis. Zwar bestand in der <strong>Land</strong>wirtschaft aufgrund der<br />
wachsenden Technisierung ein enormer Kreditbedarf, doch zählten zu den Kunden<br />
der ländlichen Kreditgenossenschaften immer mehr Kunden, die nicht in der<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft tätig sind. Es galt nun, auf die Bedürfnisse von Handel, Handwerk und<br />
Gewerbe einzugehen. Mit dem Wirtschaftswunder wuchsen auch die Einkommen. Die<br />
Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung sorgten für eine Ausweitung<br />
des Kundengeschäfts. Zum begehrten Bankkunden und zum Objekt des Wettbewerbs<br />
der Banken untereinander wurden Privathaushalte und Kleinunternehmer. Das<br />
Geschäft der Genossenschaftsbanken veränderte sich. Als Schlagworte sind zu nennen:<br />
verstärkter Wettbewerb, Universalisierung der Geschäfte, Konzentrationstendenzen<br />
und ein engere Zusammenarbeit zwischen Genossenschaftsbanken und Zentralkasse.<br />
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Es bildeten sich überregionale Spitzeninstitute, deren Ausgangspunkt die Kooperation<br />
ländlicher und gewerblicher Kreditgenossenschaften war. Am bekanntesten sind wohl<br />
die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die Raiffeisen- und <strong>Volksbank</strong>en-Versicherungen<br />
(R+V) und die Union-Investment Gesellschaft mbH. Diese Spezialunternehmen<br />
erweiterten das Dienstleistungssortiment der Genossenschaftsbanken. Den<br />
gesetzlichen Rahmen des Agierens der Bankgenossenschaften in Deutschland bildeten<br />
das Genossenschaftsgesetz und das Gesetz über das Kreditwesen.<br />
6. Arbeit und Technik<br />
Die Arbeit der Mitarbeiter hat sich von der Gründung der ersten Spar- und<br />
Darlehnskassen bis heute stark gewandelt. Erheblichen Anteil daran hatten die<br />
technischen Innovationen.<br />
Eine erste Erleichterung bot die Buchungsmaschine, die in der Spar- und Darlehnskasse<br />
Minden um 1942 angeschafft wurde. Diese rechnende Schreibmaschine rechnete den<br />
Saldo aus. Mit Wählscheiben, wie bei einem alten Telefon, wurden die Karteikarten, für<br />
jede Kontoart eine andere Farbe, eingezogen, und man landete in der richtigen Zeile.<br />
Lange Zeit hatten die Mitarbeiter der Spar- und Darlehnskasse eine Sechs-Tage-Woche.<br />
Der ehemalige Mitarbeiter Günter Macke erinnert sich noch gut daran, wie besonders<br />
es war, dass es 1958 samstags frei gab. Besonders arbeitsintensiv waren die<br />
Halbjahresabschlüsse Ende Juni und an Silvester. Während die anderen die Sonne im<br />
Sommerbad genießen konnten, machten die Mitarbeiter nach Kassenschluss bis 21 Uhr<br />
die Kontoabschlüsse. Und auch während Freunde und Bekannte Silvester frei hatten,<br />
saßen die fleißigen Mitarbeiter der Kasse bei Berlinern zusammen und arbeiteten an<br />
den Kontoabschlüssen. Selbst am Neujahrstag waren die Mitarbeiter in der Kasse zu<br />
finden, dies zwar erst ab 10 Uhr, aber trotzdem für viele von uns heute undenkbar.<br />
Das Ende der Arbeit an Neujahr leitet die moderne elektronische Datenverarbeitung<br />
mit der Umstellung auf die neue Lochkartentechnologie ein. Die genossenschaftlichen<br />
Buchungsgemeinschaften (GAD Gesellschaft für automatische Datenverarbeitung)<br />
ermöglichten es, dass selbst kleinen Kreditgenossenschaften die neue Technologie zur<br />
Verfügung stand. Auch zwischen Weihnachten und Neujahr konnten Mitarbeiter nun<br />
Urlaub nehmen. Wenige Jahre später wird die Lochkarte als Datenträger vom<br />
Klarsichtstreifen abgelöst.<br />
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Eine weitere Neuerung bringt das „Banken-Online-Service-System“ kurz BOSS. Im<br />
Geschäftsbericht der Spar- und Darlehnskasse Minden-Porta Westfalica <strong>eG</strong> wird die<br />
Bedeutung folgendermaßen beschrieben: „Wir sind – einschließlich aller<br />
Geschäftsstellen – über eine permanent geschaltete Postleitung direkt mit dem<br />
Computer unseres Gemeinschaftsrechenzentrums, der Gesellschaft für automatische<br />
Datenverarbeitung (GAD), in Münster verbunden. Die direkte Verbuchung aller<br />
Geschäftsvorfälle und die Öffnung der Bank für den internationalen Zahlungsverkehr<br />
sind unmittelbare Ergebnisse der neuen Technik.“ Online-Banking und SB-Terminals<br />
machen die <strong>Volksbank</strong> inzwischen rund um die Uhr für den Kunden erreichbar. Eine<br />
enorme Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Öffnungszeiten kurz nach den<br />
Gründungen noch ganz anders aussahen.<br />
7. Literatur<br />
Abelshauser, Werner: Die etwas andere Industrialisierung: Skizzen einer alternativen<br />
Entwicklung, in: Die etwas andere Industrialisierung. Studien zur Wirtschaftsgeschichte<br />
des Minden-Lübbecker <strong>Land</strong>es im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Werner<br />
Abelshauser, Essen 1999, S.9-32.<br />
Brakensiek, Stefan: Die <strong>Land</strong>wirtschaft in den Kreisen Minden und Lübbecke im 19.<br />
Jahrhundert, in: Die etwas andere Industrialisierung. Studien zur Wirtschaftsgeschichte<br />
des Minden-Lübbecker <strong>Land</strong>es im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Werner<br />
Abelshauser, Essen 1999, S.61-84.<br />
Faust, Helmut: Geschichte der Genossenschaftsbewegung. Ursprung und Aufbruch der<br />
Genossenschaftsbewegung in England, Frankreich und Deutschland sowie ihre weitere<br />
Entwicklung im Deutschen Sprachraum, Frankfurt a. M. 1977.<br />
Funk, Michael: Glas von der Weser – gestern, heute und morgen. Skizzen zu einer<br />
regionalen Branchengeschichte, in: dgg journal 7 (2008), S.11-24.<br />
Kluge, Arnd Holger: Geschichte der deutschen Bankgenossenschaften. Zur Entwicklung<br />
mitgliederorientierter Unternehmen, Frankfurt a. M. 1991 (Schriftenreihe des Instituts<br />
für bankhistorische Forschung e. V. 17).<br />
Kluge, Arnd Holger: Vom Vorschußverein zur <strong>Volksbank</strong> – vom Darlehenskassenverein<br />
zur Raiffeisenbank. Firmen deutscher Bankgenossenschaften als historische Quelle, in:<br />
Bankhistorisches Archiv 17 (1991), S.3-16.<br />
17
Kulke, Leopold: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Minden nach der<br />
Entfestigung 1873, in: Mitteilungen des <strong>Mindener</strong> Geschichtsvereins 45 (1973), S.15-80.<br />
Meier, Agnes: 1884-1984. 100 Jahre genossenschaftliche Zentralbank im Rheinland und<br />
in Westfalen, Düsseldorf 1984.<br />
Momburg, Rolf: Ziegelein überall. Die Entwicklung des Ziegeleiwesens im Minden-<br />
Lübbecker <strong>Land</strong> und in der angrenzenden Nachbarschaft, Minden 2000 (<strong>Mindener</strong><br />
Beiträge 28).<br />
Quabeck, Anton: Das ländliche Genossenschaftswesen in Westfalen, in: Beiträge zur<br />
Geschichte des westfälischen Bauernstandes hrsg. von Engelbert Frhr. v. Kerckerinck<br />
zur Borg, Berlin 1912, S.448-530.<br />
Schorlemer-Alst, Burkard Frhr. von: Die Lage des ländlichen Grundbesitzes in Westfalen<br />
bezüglich der Verschuldung und Kreditnoth wie der Mittel zu deren Abhilfe. Nebst<br />
einem Anhang über das Versicherungswesen, Münster 1868.<br />
Verband ländlicher Genossenschaften der Provinz Westfalen – Raiffeisen – e. V.: 75<br />
Jahre Verband ländlicher Genossenschaften der Provinz Westfalen – Raiffeisen – e. V.<br />
Münster. Geschichte, Entwicklung 1889-1964, Probleme, Münster 1965.<br />
Wandel, Eckhard: Das deutsche Bankwesen im Dritten Reich (1933-1945), in: Deutsche<br />
Bankengeschichte Bd. 3 Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, hrsg. vom Institut<br />
für bankhistorische Forschung e. V., Frankfurt a. M. 1983.<br />
Text: Maria Schulz im Auftrag der <strong>Volksbank</strong> <strong>Mindener</strong> <strong>Land</strong> 2012<br />
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