nude visions - Museum der bildenden Künste Leipzig
nude visions - Museum der bildenden Künste Leipzig
nude visions - Museum der bildenden Künste Leipzig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
extreme Bildausschnitte und Perspektiven gaben <strong>der</strong> Aktkunst nach dem Ersten<br />
Weltkrieg entscheidende Impulse. Der entblößte Körper wurde verfremdet, entmaterialisiert,<br />
durchleuchtet, fragmentiert und auf seine prinzipielle Darstellbarkeit<br />
hin analysiert.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Entwicklungen <strong>der</strong> Avantgarde aus den<br />
Vorkriegsjahren von den Fotografen aufgegriffen und weiter fortgeführt. In den 1950er<br />
und 1960er Jahren entstanden Körperbil<strong>der</strong> von größerer Natürlichkeit und Klarheit in<br />
<strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> so genannten Straight Photography. Viele Fotografen vereinigten<br />
beide Arbeitsweisen, wie die Fotografien von Josef Breitenbach (1896–1994) zeigen.<br />
In den 1970er Jahren entstanden zahlreiche Aktfotografien im Kontext von Body Art<br />
und Performance. Die Künstler erhoben die Unmittelbarkeit <strong>der</strong> eigenen körperlichen<br />
Erfahrung dabei oft zur politischen Frage. Die Sexualität Jugendlicher, ihre<br />
Selbstfindung und Selbsterfahrung, zeigte <strong>der</strong> amerikanische Fotograf und Regisseur<br />
Larry Clark (*1943) in einer ungewohnten, offenen wie neuen Bil<strong>der</strong>sprache. Die<br />
digitale Fotografie eröffnete neue Dimensionen. Mit den Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
Manipulierbarkeit verän<strong>der</strong>ten sich die Körperbil<strong>der</strong>. Und Privat und öffentlich werden<br />
im Internet und Fernsehen neu ausgelotet. Thomas Ruff (*1958) beispielsweise<br />
arbeitet mit Pornobil<strong>der</strong>n aus dem Internet.<br />
Aktfotografie wird oftmals mit dem Bild des weiblichen Aktes gleichgesetzt, dabei gibt<br />
es die eigene Bildtradition des männlichen Aktes. Seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
entstanden fotografische Männerakte als Vorlagenstudien für die künstlerische<br />
Ausbildung. Darüber hinaus gab es Aktaufnahmen von Anhängern des Bodybuildings.<br />
Piktorialisten inszenierten ihre männlichen Modelle hingegen im eklektizistischen<br />
Umfeld eines mit Kunstgegenständen dekorierten Interieurs o<strong>der</strong> als lyrische Motive<br />
mit Anklängen an mythologische Themen. Um die Jahrhun<strong>der</strong>twende setzten die<br />
ersten emanzipatorischen Bestrebungen homosexueller Männer ein. Die Aufnahmen<br />
von Guglielmo Plüschow (1852–1930), Wilhelm von Gloeden o<strong>der</strong> Vincenzo Galdi<br />
(1871–1961) fanden ihre Abnehmer auch unter Homosexuellen. Die<br />
Wan<strong>der</strong>vogelbewegung bot ebenfalls gewisse Freiräume. Viele Männerakte von<br />
Herbert List (1903–1975) fanden dort erste Anregung. Mit <strong>der</strong> Machtergreifung <strong>der</strong><br />
Nationalsozialisten kam die kurze Blütezeit des männlichen Aktes in Deutschland zum<br />
jähen Erliegen.<br />
Eine von Zensur bestimmte Atmosphäre prägte auch die ersten Jahrzehnte nach<br />
1945. Ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein zeigen die Aufnahmen von<br />
Will McBride (*1931), Herbert Roettgen (*1941), Norbert Przybilla (*1953), Robert<br />
Mapplethorpe (1946–1989) o<strong>der</strong> Wolfgang Tillmanns (*1968). Ungleich seltener<br />
richteten Fotografinnen die Kamera auf den männlichen Körper. In Deutschland<br />
beschäftigte sich Herlinde Koelbl (*1939) als eine <strong>der</strong> ersten intensiv mit dem<br />
Männerakt.<br />
Ein weiterer Aspekt <strong>der</strong> Ausstellung ist die Fotografie <strong>der</strong> sogenannten Glamourwelt:<br />
Revuetänzerinnen von T. W. Salomon, die Marilyn Monroe Bil<strong>der</strong> von Bert Stern<br />
(*1929), die kurz vor ihrem Tod entstanden, aber auch Fotografien von Stripperinnen<br />
und Tänzerinnen in St. Pauli von André Gelpke (*1947) o<strong>der</strong> Prostituierten von<br />
Antoine d’Agata (*1961) sind zu sehen wie zwei Werke von Marilyn Minter (*1948),<br />
die die dunkle Kehrseite des Glamourösen zeigen.