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<strong>Schließen</strong>, <strong>Beweisen</strong> <strong>und</strong> <strong>Folgern</strong><br />
Dr. Uwe Scheffler<br />
[Technische Universität Dresden]<br />
Dezember 2010
<strong>Beweisen</strong><br />
Der Beweis einer Formel A ist die Ableitung dieser Formel<br />
aus einer leeren Annahmenmenge:<br />
⊢ A = dfn ∅ ⊢ A<br />
oder in A 1 , . . . , A n ⊢ A ist n = 0<br />
Ein Theorem ist eine bewiesene Formel.<br />
Dr. Uwe Scheffler 2
Beispiel<br />
Gezeigt werden soll: ⊢ ∼P(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a))<br />
1. {1} ∼P(a) HypE ⊃<br />
2. {2} P(a) ∧ Q(a) HypE ∼<br />
3. {2} P(a) B ∧ 2<br />
4. {1} ∼(P(a) ∧ Q(a)) E ∼1, 2, 3<br />
5. ∅ ∼P(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a)) E ⊃ 1, 4<br />
Gezeigt werden soll: ⊢ ∼Q(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a))<br />
1. {1} ∼Q(a) HypE ⊃<br />
2. {2} P(a) ∧ Q(a) HypE ∼<br />
3. {2} Q(a) B ∧ 2<br />
4. {1} ∼(P(a) ∧ Q(a)) E ∼1, 2, 3<br />
5. ∅ ∼Q(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a)) E ⊃ 1, 4<br />
Dr. Uwe Scheffler 3
Theoreme<br />
Theoreme können zu jeder Zeit als Zeilen zum Beweis<br />
hinzugefügt werden.<br />
Beispiel, gezeigt werden soll:<br />
∀x(P(x) ∧ Q(x)) ⊃ ∼∃x(∼P(x) ∨ ∼Q(x))<br />
1. {1} ∀x(P(x) ∧ Q(x)) HypE ⊃<br />
2. {2} ∃x(∼P(x) ∨ ∼Q(x)) HypE ∼<br />
3. {3} ∼P(a) ∨ ∼Q(a) HypB ∃<br />
4. {1} P(a) ∧ Q(a) B ∀1<br />
5. ∅ ∼P(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a)) Theo<br />
6. ∅ ∼Q(a) ⊃ ∼(P(a) ∧ Q(a)) Theo<br />
7. {3} ∼(P(a) ∧ Q(a)) B ∨ 3, 5, 6<br />
8. ∅ ∼(P(a) ∧ Q(a)) ⊃ ∼∀x(P(x) ∧ Q(x)) Theo<br />
9. {3} ∼∀x(P(x) ∧ Q(x)) B ⊃ 7, 8<br />
10. {2} ∼∀x(P(x) ∧ Q(x)) B ∃2, 3, 9<br />
11. {1} ∼∃x(∼P(x) ∨ ∼Q(x)) E ∼1, 2, 10<br />
12. ∅ ∀x(P(x) ∧ Q(x)) ⊃ ∼∃x(∼P(x) ∨ ∼Q(x)) E ⊃ 1, 11<br />
Dr. Uwe Scheffler 4
Indirekte Beweise<br />
Satz: A 1 , . . . , A n ⊢ B genau dann, wenn<br />
A 1 , . . . , A n , ∼B ⊢ C, ∼C für irgendein C.<br />
Beweis: =⇒ – B ist das C.<br />
⇐= – Setze in der rechten Ableitung als<br />
Hypothese E ∼, mit E ∼, B ∼ erhält man die<br />
linke Ableitung.<br />
Anwendung: Wenn gezeigt werden soll<br />
◮ A 1 , . . . , A n ⊢ B, oder<br />
◮ ⊢ A 1 ⊃ (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .))<br />
so führe A 1 , . . . , A n , ∼B zum Widerspruch.<br />
Dr. Uwe Scheffler 5
Beispiel indirekter Beweis<br />
1. {1} ∼A ∨ ∼B Ann<br />
2. {2} ∼∼(A ∧ B) AiB<br />
3. {2} A ∧ B B ∼2<br />
4. {2} A B ∧<br />
5. {2} B B ∧<br />
6. {6} ∼A HypE ⊃<br />
7. ∅ ∼A ⊃ (A ⊃ C) Theo<br />
8. {2, 6} C B ⊃<br />
9. {2} ∼A ⊃ C E ⊃<br />
10. {10} ∼B HypE ⊃<br />
13. {2} ∼B ⊃ C E ⊃<br />
14. {1, 2} C B ∨ 1, 10, 13<br />
24. {1, 2} ∼C B ∨<br />
Also gilt: ∼A ∨ ∼B ⊢ ∼(A ∧ B).<br />
Dr. Uwe Scheffler 6
Das Deduktionstheorem<br />
Satz: ⊢ A 1 ⊃ (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .)) genau dann,<br />
wenn A 1 , . . . , A n ⊢ B.<br />
Beispiel: Anstelle von ⊢ A ⊃ B ⊃ (B ⊃ C ⊃ (A ⊃ C))<br />
zeige A ⊃ B, B ⊃ C, A ⊢ C.<br />
Bedeutung: Wenn ⊢ A 1 ⊃ (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .)), dann<br />
lassen sich damit n neue abgeleitete<br />
Schlußregeln rechtfertigen:<br />
Γ A 1<br />
Γ A 2 ⊃ (A 3 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .))<br />
,<br />
Γ A 1<br />
∆ A 2<br />
Γ ∪ ∆ A 3 ⊃ (A 4 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .))<br />
. . .<br />
Ξ<br />
Γ ∪ ∆ ∪ . . . ∪ Ξ<br />
Γ A 1<br />
∆ A 2<br />
.<br />
A n<br />
B<br />
Dr. Uwe Scheffler 7
Deduktionstheorem Beweis I<br />
Angenommen, ⊢ A 1 ⊃ (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .)). Dann<br />
sieht die gesuchte Ableitung so aus:<br />
1. {1} A 1 Ann.<br />
.<br />
n. {n} A n Ann.<br />
n + 1. ∅ A 1 ⊃ (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .)) Theo<br />
n + 2. {1} (A 2 ⊃ (. . . ⊃ (A n ⊃ B) . . .) B ⊃ 1, n + 1<br />
.<br />
n + n {1, . . . , n} B B ⊃ n, n + n − 1<br />
Dr. Uwe Scheffler 8
Deduktionstheorem Beweis II<br />
Angenommen, es gibt eine Ableitung A 1 , . . . , A n ⊢ B:<br />
∗<br />
1. {1} A 1 Ann. HypE ⊃<br />
.<br />
n. {n} A n Ann. HypE ⊃<br />
.<br />
k. {1, . . . , n} B<br />
Dann wird wie unter ∗ „um-analysiert“. Die Zeile<br />
k + n. ∅ B<br />
ist Resultat von n Anwendungen von E ⊃.<br />
Dr. Uwe Scheffler 9
Weitere Regeln ableiten<br />
1. {1} (A ⊃ B) ∧ (B ⊃ A) Voraussetzung<br />
2. {1} A ⊃ B B ∧ 1<br />
3. {1} B ⊃ A B ∧ 1<br />
4. {4} A Hypothese<br />
5. {1, 4} B B ⊃ 2, 4<br />
6. {6} B Hypothese<br />
7. {1, 6} A B ⊃ 3, 6<br />
Γ A ≡ B<br />
∆ A<br />
Γ, ∆ B<br />
A ≡ B = dfn (A ⊃ B) ∧ (B ⊃ A)<br />
Γ A ≡ B<br />
∆ B<br />
Γ, ∆ A<br />
Γ<br />
Γ<br />
A ≡ B<br />
A ⊃ B<br />
Γ<br />
Γ<br />
A ≡ B<br />
B ⊃ A<br />
Dr. Uwe Scheffler 10
Beispiele für interessante Regeln<br />
Γ<br />
∆<br />
Γ ∪ ∆<br />
A ∨ B<br />
∼A<br />
B<br />
Γ<br />
∆<br />
Γ ∪ ∆<br />
A ∨ B<br />
∼B<br />
A<br />
Γ<br />
Γ<br />
∀iA<br />
∃jA(i/j)<br />
Γ<br />
Γ<br />
∼A(i/j)<br />
∼∀iA<br />
Γ<br />
Γ<br />
∼∃iA<br />
∼A(i/j)<br />
Γ<br />
∆<br />
Γ ∪ ∆<br />
A ⊃ B<br />
B ⊃ C<br />
A ⊃ C<br />
Γ<br />
Γ<br />
A ⊃ B<br />
∼B ⊃ ∼A<br />
Γ<br />
∆<br />
Γ ∪ ∆<br />
A ⊃ B<br />
A ⊃ C<br />
A ⊃ B ∧ C<br />
Dr. Uwe Scheffler 11
Das Begründungsproblem<br />
◮ Lewis Carroll: Alice in Wonderland<br />
◮ Douglas Hofstadter: Godel, Escher, Bach: An Eternal<br />
Golden Braid<br />
◮ Warum stimmen die Regeln <strong>und</strong> nicht andere?<br />
◮ Warum genau diese Regeln unter all denen, die<br />
stimmen?<br />
◮ Logiken, oder Logik?<br />
Dr. Uwe Scheffler 12
Achilles <strong>und</strong> die Schildkröte<br />
Anna: Du akzeptierst, daß es reg<strong>net</strong>, <strong>und</strong> auch daß wenn<br />
es reg<strong>net</strong>, die Straße naß ist. Also mußt Du auch<br />
akzeptieren, daß die Straße naß wird.<br />
Ben: Warum sollte ich das?<br />
Anna: Nach der Regel, daß wenn A <strong>und</strong> A ⊃ B, dann<br />
auch B gilt. (γ)<br />
Ben: Du akzeptierst also, Wenn es reg<strong>net</strong> <strong>und</strong> wenn falls es<br />
reg<strong>net</strong> die Straße naß wird <strong>und</strong> wenn die Regel γ gilt,<br />
dann die Straße naß wird.<br />
Anna: Ja klar.<br />
Ben: Und wieso?<br />
Anna: Das ist ein Fall von: Wenn A <strong>und</strong> A ⊃ B <strong>und</strong><br />
A, A ⊃ B ⊢ B, dann gilt auch B. (γ ∗ )<br />
Ben: Du akzeptierst also, Wenn es reg<strong>net</strong> <strong>und</strong> wenn falls es<br />
reg<strong>net</strong> die Straße naß wird <strong>und</strong> wenn die Regel γ gilt, <strong>und</strong><br />
γ ∗ auch, dann die Straße naß wird.<br />
.<br />
Dr. Uwe Scheffler 13
Das Münchhausen-Trilemma<br />
Unendlicher Regress Regeln werden von Regeln<br />
begründet, die von anderen Regeln<br />
begründet werden, die selbst von anderen<br />
begründet werden . . .<br />
Der Teufelskreis Regeln werden durch Regeln begründet,<br />
deren Gültigkeit letztlich von ersteren<br />
abhängt.<br />
Der Erstbeweger Bestimmte Regeln werden nicht<br />
begründet, sondern akzeptiert.<br />
Dr. Uwe Scheffler 14
Warum gelten Regeln?<br />
1. Die ontologische Begründung: Jede (deklarative)<br />
Aussage beschreibt einen Sachverhalt. Die Welt ist so,<br />
daß immer wenn ein A <strong>und</strong> ein A ⊃ B entsprechender<br />
Sachverhalt vorliegen, liegt auch ein B<br />
entsprechender vor. Logik beschreibt Gesetze des<br />
Seins.<br />
2. Die Begründung aus dem Denken: Ob aus<br />
physiologischen oder psychologischen Gründen:<br />
Wenn wir A <strong>und</strong> A ⊃ B entsprechende Gedanken<br />
denken <strong>und</strong> für wahr halten, werden wir auch zur<br />
Akzeptanz des Gedankens B motiviert.<br />
3. Die Begründung aus der Sprache: Unsere Sprache hat<br />
sich historisch so entwickelt, daß „wenn-dann“ <strong>und</strong><br />
„<strong>und</strong>“ so verwendet werden, daß unter der<br />
Voraussetzung A <strong>und</strong> A ⊃ B auch B akzeptiert wird.<br />
Dr. Uwe Scheffler 15
Die systematische Antwort<br />
◮ (Klassische Prädikaten-) Logik beschäftigt sich mit den<br />
Eigenschaften der Operatoren <strong>und</strong> Quantoren.<br />
◮ Logik ist beschreibend <strong>und</strong> vorschreibend.<br />
◮ Gleichstarke Logiken sind die gleiche Logik:<br />
Deduktiv äquivalent heißen zwei Systeme, deren<br />
Theoremmengen (oder<br />
Ableitungsmengen) übereinstimmen.<br />
Dr. Uwe Scheffler 16
Die systematische Antwort II<br />
◮ Die Prädikatenlogik hat gute Eigenschaften:<br />
Korrekt ist die Prädikatenlogik, weil jede ableitbare<br />
Formel auch eine folgerbare ist: Wenn<br />
A 1 , . . . , A n ⊢ B, so A 1 , . . . , A n |= B.<br />
Semantisch widerspruchsfrei ist sie, weil es<br />
kein A gibt, so daß ⊢ A <strong>und</strong> ⊢ ∼A.<br />
Absolut widerspruchsfrei ist sei, weil nicht alle<br />
Formeln Theoreme sind.<br />
Vollständig ist die Prädikatenlogik, weil jede folgerbare<br />
Formel auch eine ableitbare ist: Wenn<br />
A 1 , . . . , A n |= B, so A 1 , . . . , A n ⊢ B.<br />
◮<br />
◮<br />
Jede konsistente Menge hat ein Modell.<br />
Jede Menge mit Modell hat auch ein<br />
abzählbares Modell.<br />
Kompakt ist die Folgebeziehung der Prädikatenlogik,<br />
weil jede Folgerung aus einer unendlichen<br />
Menge auch aus einer endlichen<br />
Untermenge realisiert werden kann: Wenn<br />
Γ |= B, so ∆ |= B für ein endliches ∆ ⊂ Γ.<br />
Dr. Uwe Scheffler 17