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Nichts Strukturiertes, Ornamentales,<br />

Haptisches stimuliert das ästhetische<br />

Bewusstsein.<br />

Der Sweetwaterwohnkomplex durchs Guckloch<br />

in der Holbeinstraße<br />

© Arnold Bartetzky<br />

Apropos Haptik: Die zementierte Privatheit<br />

evoziert ein mulmiges Gefühl<br />

dabei, dem Objekt nahe zu kommen.<br />

Wir trauen uns darum auch kaum,<br />

den riesigen, die gesamte vertikale<br />

Regenrinne ummantelnden Eiszapfen<br />

an einem Haus zu berühren, in<br />

der Angst hier Eigentums- oder Persönlichkeitsrechte<br />

zu verletzen. Die<br />

Grundstücksgrenze weitet sich atmosphärisch<br />

bis auf den Bürgersteig<br />

aus. Wo man sonst vor der verschnörkelten<br />

Eingangstür eines Mehrfamilienaltbaus<br />

stehen bleibt und betrachtet,<br />

guckt man sich hier, sofern es<br />

überhaupt was zu beschauen oder<br />

anzufassen gibt, wie ein Hühnerdieb<br />

um, ob auch kein Anwohner sprich,<br />

der Hausbesitzer, in Sichtweite ist.<br />

Kitsch und Krempel<br />

Neben der architektonischen Abschottung,<br />

die wohl all dem Unbill des<br />

chaotischen, riskanten Urbanen „da<br />

draußen“ gilt, dem Krach, Schmutz,<br />

der Diversität und ihren Konfliktpotentialen,<br />

deren Fernhaltung zur<br />

Bedingung eines Verbleibs in die Innenstadt<br />

gemacht wird, sind aber<br />

bisweilen auch eigentümliche Aneignungen<br />

des angebotenen Wohnraumes<br />

zu beobachten. Da, wo eines der<br />

renommiertesten Architekturbüros<br />

der Region karge Kühle und kantige<br />

Modernität anbietet, wie auch immer<br />

man geschmacklich dazu steht,<br />

bringt der Bewohner seine eigenen,<br />

an Behaglichkeit und Idylle orientierten<br />

Einrichtungsideen ein. So zu beobachten<br />

an den Stadthäusern Ecke<br />

Industriestraße/Holbeinstraße, dem<br />

„Sweetwater“-Komplex des Büros<br />

Weis & Volkmann. Die Häuser liegen<br />

direkt am Heine-Kanal, ein künstlich<br />

geschaffener Seitenarm verschafft<br />

jeder Parzelle einen eigenen Bootsanlegeplatz.<br />

Naturidyll und Urbanität<br />

scheinen architektonisch vereint.<br />

Doch hie und da zeugt ein Pflanzkasten<br />

auf einem Betonvorsprung über<br />

der Eingangstür oder die eigenwillige,<br />

private Gemütlichkeit simulierende<br />

Nachgestaltung der Sichtbetonwand,<br />

mal mit Naturstein, mal mit<br />

Kletterpflanzen aufgehübscht, vom<br />

Eigensinn der Eigentümer, es noch<br />

etwas idyllischer haben zu wollen.<br />

Dass der Flaneur dies überhaupt mitbekommt,<br />

ist dem Durchsetzungsvermögen<br />

der Architekten zu verdanken,<br />

die auf die Einfügung eines<br />

Sichtfensters, einer größeren Aussparung<br />

in der Mauer an der Holbeinstraße,<br />

bestanden, um der absoluten<br />

Abschottung zumindest ein wenig<br />

entgegen zu wirken.<br />

Der Gipel der Gemütlichkeit<br />

Mehr noch als hier ist ein Stück die<br />

Industriestraße hinauf, jenseits der<br />

Zschocherschen Straße, der Geist<br />

der Vorstadt spürbar. Der kühlen<br />

Klarheit wird ein Riegel, respektive<br />

eine Gardine vorgezogen, dem<br />

Minimalismus der Außenhaut wird<br />

mit Spitze begegnet, die die großen<br />

Fenster blickdicht verhängt. Provinziell<br />

anmutende, an elterliche<br />

Spießigkeit gemahnende Elemente<br />

lassen die Absicht der Stadt, hier junge,<br />

offene, hippe, eben „urbane“ Familien<br />

mit Kindern einzugliedern als<br />

Utopie erscheinen, deren Scheitern<br />

man nur dennoch mit Humor und Gelassenheit<br />

begegnen sollte. „Urbanität“<br />

als Lebenseinstellung muss auch<br />

ertragen können, wenn der einst<br />

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