Journal - Allianz

Gesellschaft
Latouri, EAC-l’Boulvart
Allianz Journal 2/2013
SPANIEN
Leiter, Michael Thoss, »die Kombination aus transmediterraner
Vernetzung der europäischen und nordafrikanischen
Webradios – ein Medium, das an Bedeutung
gewinnen wird.« Als Ziel des Engagements unterstreicht
Thoss die wechselseitige Wirkung des Projekts. Mit der
Zusammenarbeit hofft er, nicht nur die Zivilgesellschaft
des Landes zu stärken, sondern auch neue Kooperationen
anzustoßen.
Casablanca
Boulevard
der Freiheit
MICHAEL GRIMM
Tanger
Rabat
MAROKKO
Vor zehn Jahren war Heavy Metal in Marokko
noch als Teufelszeug geächtet. Eine Gruppe von
Hardrockern wanderte sogar ins Gefängnis. Heute
gehören sie zur Avantgarde der Kulturszene des
Landes. Auch Dank des Webradios »Boulevard«.
Die Allianz Kulturstiftung unterstützt das Projekt.
ALGERIEN
Musik drückt aus, wofür wir manchmal keine Worte finden.
Musik beschreibt ein Lebensgefühl, sie ist ein Stück
eigene Identität. Wie mächtig Musik tatsächlich sein
kann, hat 2003 eine Gruppe von Heavy Metal-Musikern
in Casablanca erfahren. 14 junge Männer wurden unter
dem Vorwurf, die Religion anzugreifen, vor Gericht
gestellt. Der Vorwurf des Satanismus schwebte im
Raum. Schließlich wurden die Musiker zu Haftstrafen
zwischen einem Monat und einem Jahr verurteilt. Zehn
Jahre später, im Frühjahr 2013, bereitet eines der damals
verurteilten Bandmitglieder eine Rock- und Metal-Sendung
für das Webradio »Boulevard« in Casablanca vor.
Das neu geschaffene Sprachrohr für Musiker, Journalisten
und Audiokünstler ist ein Projekt des Kreativnetzwerks
EAC-L’Boulvart (Education artistique et culturelle
L’Boulvart). Seit 1999 hat sich die gemeinnützige Organisation
zur Plattform für Freigeister aus den Bereichen
Musik, Kulturjournalismus, Film, Design, Mode und
Streetart entwickelt. Das jährlich von dem Netzwerk
organisierte Musikfestival L’Boulevard ist mittlerweile die
bedeutendste Musik- und Jugendkulturveranstaltung in
Nordafrika. Das Webradio soll Künstlern und Journalisten
nun dauerhaft eine Plattform geben.
»Mit dem Internetradio hoffen wir, unsere infrastrukturellen
Probleme lösen zu können«, sagt Chadwane
Bensalmai. Die 36-jährige Journalistin bildet zusammen
mit ihren Kollegen Hicham Bahou und Mohamed Mehari
Christine Auerbach von on3-radio aus Bayern (letzte Reihe, 2.v.r.) beim Treffen von
Webradiomachern aus Marokko, Deutschland und Frankreich im März in Casablanca
das Rückgrat von EAC-L’Boulvart. Seit 2009 hat das Netzwerk
eine eigene multifunktionale Basis. Sie befindet
sich etwas außerhalb der Innenstadt von Casablanca in
einem Gewerbegebiet in unmittelbarer Nachbarschaft
zu einigen Technologiefirmen. Daher auch der Name
»Le Boultek«.
Das Kulturzentrum Le Boultek vereint alles, was das
Radiojournalisten- und Musikerherz höher schlagen
lässt: Aufnahmestudios, Konferenz- und Proberäume
und auch einen Konzertsaal, in dem 200 Besucher Platz
finden. Ein Luxus: An Räumen für Proben und Konzerte
mangelt es in Marokko noch an allen Ecken und Enden.
»Die Kulturszene hat einen schweren Stand«, bestätigt
Nadine Müseler vom Goethe-Institut in Marokko. Die
Kunsthistorikerin aus Köln arbeitet seit fünf Jahren für
das Goethe-Institut in Rabat. Zusammen mit den Kollegen
vom Institut français bewarb sich die deutsche
Einrichtung 2009 beim »Deutsch-Französischen Fonds
für Kulturprogramme in Drittländern« um eine Basisfinanzierung
für das Webradio Boulevard. Der Arabische
Frühling in Teilen des Maghreb bereitete schließlich den
Weg. Mit dem Geld wurde eine erste Fortbildungsreihe
zusammen mit europäischen Webradios ermöglicht.
Auch eine technische Grundausstattung folgte.
2013 hat das Projekt »Webradio: Kultur über alle
Grenzen hinweg« einen weiteren Unterstützer gewonnen
– die Allianz Kulturstiftung. Überzeugt hat ihren
Christine Auerbach hat davon bereits profitiert. Die
Journalistin von on3-radio, der digitalen Jugendradiowelle
des Bayerischen Rundfunks, hat Anfang März in
Casablanca an einem ersten Treffen von Webradiomachern
aus Marokko, Deutschland und Frankreich
teilgenommen. Besonders beeindruckt haben Auerbach
der Elan und der Enthusiasmus, mit dem die Gastgeber
das neue Medium auf die Beine stellen. »Die machen
einfach. Man spürt wie es brodelt«, berichtet sie nach
der Reise. Zugegangen sei es wie im Taubenschlag.
Mittendrin die vor Energie nur so sprühende Chadwane
Bensalmai. »Das war ein großes Gemeinschaftsgefühl«,
erinnert sich Auerbach.
Die Zeiten der Hatz auf Heavy Metal-Kutten scheinen
endgültig vorbei. Was einst als Sakrileg galt, hat sich als
Kunstform emanzipiert. Kurz nach den Fortbildungen,
Workshops und Netzwerktreffen im Frühjahr 2013
waren die ersten Pilot-Beiträge zur Ausstrahlung fertig.
In einer der Sendungen schwärmen die marokkanische
Jazz-Legende Jauk Armal und der Nachwuchskünstler
Yassine Tirassi über die Wirkung ihrer Musik. Jazz, das
sei ein Gefühl der Freiheit, unvergleichlich, so Armal.
Seit Mai ist Radio Boulevard auf Sendung. Selbst im
Königshaus werden die neuen Töne wohlwollend aufgenommen.
König Mohammed hat seine Unterstützung
für das Webradio Boulevard zugesichert. Und im Herbst
folgen die nächsten Treffen mit Gleichgesinnten. Dann
wird sich weiter vernetzt mit Webradios aus Spanien,
Italien und einem Frauenwebradio aus Kairo.
Eine Langfassung des Artikels finden Sie im Internet unter:
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