Tamara Staudt. BRD 1999 Film-Heft von Ingeborg Havran
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Materialien<br />
Kurze Geschichte der deutschen Einwanderer nach Russland<br />
Viele Bundesbürger stehen der<br />
schnellen Einbürgerung der Spätaussiedler<br />
aus Russland und den Nachfolgestaaten<br />
der ehemaligen Sowjetunion<br />
mit Ablehnung und Unverständnis gegenüber.<br />
Weil sie vor Hunderten <strong>von</strong> Jahren<br />
bereits ausgewandert sind und oft kaum<br />
deutsch sprechen, warum sollten sie jetzt<br />
auf einmal Deutsche sein? Wer die Geschichte<br />
genauer betrachtet, erkennt<br />
aber, dass sie genau aus diesem Grunde<br />
verbannt, verfolgt und erniedrigt, ihrer<br />
kulturellen und nationalen Identität beraubt<br />
worden sind.<br />
Die fast 500-jährige Geschichte der Russlanddeutschen<br />
ist eine sehr bewegte und<br />
bewegende, in lokaler wie auch mentaler<br />
Hinsicht. Seit dem Mittelalter bis in das<br />
19. Jahrhundert hinein haben sich deutsche<br />
Einwanderer auf den Territorien fast<br />
aller Staaten Ost-, Mittel- und Südosteuropas<br />
angesiedelt. Sie wurden als dringend<br />
benötigte Arbeitskräfte in die Länder<br />
gerufen und haben – obwohl sie sich ihrem<br />
jeweiligen Einwanderungsland verbunden<br />
fühlten – die eigene Sprache und<br />
Kultur weitergepflegt. Als Spätaussiedler<br />
haben diese deutschen Minderheiten einen<br />
Anspruch auf Aufnahme und Einbürgerung<br />
in die Bundesrepublik, wenn ihre<br />
deutsche Abstammung, Sprache und Erziehung<br />
nachgewiesen ist (BVFG § 4).<br />
Schon im Mittelalter gab es Kontakte zwischen<br />
den beiden Völkern. Diplomaten,<br />
Geistliche und Kaufleute standen am Anfang<br />
dieser Entwicklung, im 15. Jahrhundert<br />
versuchte Iwan III. (1462-1505) Fachleute<br />
für einen längeren Aufenthalt in Russland<br />
zu gewinnen. Während der Regierungszeit<br />
Zar Peters des Großen (1689-1725)<br />
erlebte Russland eine ausgeprägte Europäisierung,<br />
der Bedarf an ausländischen<br />
Fachleuten stieg sprunghaft. Unter den<br />
angeworbenen Offizieren, Wissenschaftlern,<br />
Baumeistern und Handwerkern waren<br />
zahlreiche Untertanen deutscher Fürsten.<br />
Ein Teil der Einwanderer blieb zwar<br />
nur kurze Zeit, der andere aber blieb und<br />
bildete damit den Anfang deutscher Siedlungsgeschichte<br />
in den Städten.<br />
Eine grundlegende Wandlung erfuhr die<br />
russische Ausländerpolitik mit dem Regierungsantritt<br />
der Zarin Katharina II. (1762-<br />
1796). Im 17. und 18. Jahrhundert war<br />
es gelungen die Osmanen auf den Balkan<br />
zurückzudrängen, die Grenzen des russischen<br />
Reiches hatten sich erweitert in<br />
Richtung Schwarzes Meer im Süden und<br />
in Richtung Polen im Westen. Diese fast<br />
menschenleeren Gebiete sollten wirtschaftlich<br />
erschlossen und die Grenzen<br />
gesichert werden. Russland hatte selbst<br />
keine ausreichende Reserve an persönlich<br />
freien Siedlern, da die Bauern durch die<br />
Leibeigenschaft an ihre Grundherren gebunden<br />
waren.<br />
So rief Katharina II. 1763 in einem Einladungsmanifest<br />
ausländische Kolonisten<br />
dazu auf russische Böden urbar zu machen<br />
und versprach freie Berufs- und Wohnortwahl,<br />
Selbstverwaltung, staatliche Unterstützung<br />
bei der Umsiedlung, Befreiung<br />
vom Militär- und Zivildienst, Steuerfreiheit<br />
bis zu 30 Jahren sowie freie Religionsausübung.<br />
Es kamen zwischen 23000 und 29000<br />
Siedler aus Nordbayern, Nordbaden, Hessen,<br />
dem Rheinland und der Pfalz, der<br />
Großteil war bestimmt für die Kolonisation<br />
der Wolgasteppen. Zu Beginn des 19.<br />
Jahrhunderts zogen weitere Einwanderer<br />
aus dem Südwesten – vor allem aus dem<br />
22 ... <strong>Film</strong>-<strong>Heft</strong>