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Leben ist schoen.p65

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Das <strong>Leben</strong> <strong>ist</strong> schönRoberto Benigni. I 1998Film-Heft von Ute Stauer


MEDIENMÜNDIGKEITNichts prägt unsere Zeit mehr als die Revolution der modernen Medien. Im Zentrumder modernen Mediengesellschaft steht der Kinofilm. Wie Lesen undSchreiben zu den fundamentalen Kulturtechniken gehört, so gehört das Verstehenvon Filmen und das Erkennen ihrer formalen Sprache zu den Kulturtechnikendes neuen Jahrhunderts. Film bekommt mehr und mehr Bedeutung für dieEinschätzung und Beurteilung der sozialen Realität, für die lebensweltliche Orientierungund die Identitätsbildung. Das Geschichtsbewusstsein, das nationaleSelbstverständnis und das Verständnis fremder Kulturen werden in Zukunftmehr und mehr vom Medium Film mitbestimmt.Es <strong>ist</strong> ein großes Defizit, dass junge Menschen heute viel zu wenig vom MediumFilm wissen. Die Fähigkeit, auch im Medium der faszinierenden Unterhaltungden kritischen Blick nicht zu verlieren, die Fähigkeit, die Qualität einesFilms beurteilen zu können, die Fähigkeit zur Differenzierung des Visuellen, desImaginären und des Dokumentierten wird in Zukunft mit entscheidend sein fürdie Entwicklung unserer Medien-Gesellschaft.Für den pädagogischen Bereich sind somit die Vermittlung von Medienkompetenzund Filmsprache von Bedeutung. Film <strong>ist</strong> Unterhaltung, Film <strong>ist</strong> aber auchFenster zur Welt, Erzieher, Vorbildlieferant und Maßgeber. Medienkompetenz<strong>ist</strong> eine Notwendigkeit und gehört zu den modernen Kulturtechniken. Kino alsLesesaal der Moderne <strong>ist</strong> Ort der Unterhaltung und der Filmbildung. Kino <strong>ist</strong>Lernort.Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Institut für Kino und Filmkulturstellen sich die Aufgabe, diesen Lernort zu besetzen, die Medienmündigkeitzu fördern und die Bemühungen um einen bewussten und engagierten Umgangmit Film und Publikum zu unterstützen.Thomas KrügerPräsident der Bundeszentralefür politische BildungHorst WaltherLeiter des Instituts fürKino und FilmkulturDie Bundeszentrale für politische Bildung stellt in einer immer komplexer werdenden Welt moderne Wissensinhaltezur politischen Orientierung zur Verfügung. Mit ihren Bildungsangeboten fördert sie das Verständnispolitischer Sachverhalte, festigt das demokratische Bewusstsein und stärkt die Bereitschaft zur politischenMitarbeit. Sie veranstaltet Seminare, Kongresse und Studienreisen, gibt Bücher, Zeitschriften, Schriftenreihenund multimediale Produkte heraus und fördert Träger der politischen Bildungsarbeit.Das INSTITUT für KINO und FILMKULTUR wurde im Jahr 2000 als Verein mit Sitz in Köln gegründet. Es führtKino-Seminare durch, erstellt Film-Hefte, organisiert Veranstaltungen und erstellt Programme. Es erschließtden Lernort Kino und bildet eine Schnittstelle zwischen Kinobranche und Bildungsbereich.2 ... Film-Heft


Das <strong>Leben</strong> <strong>ist</strong> schönLa vita è bellaItalien 1998Buch und Regie: Roberto BenigniDarsteller: Roberto Benigni (Guido), Nicoletta Brasci (Dora), Giorgio Cantarini (Giosuè),Sergio Bustric (Ferruccio), Horst Buchholz (Dr. Lessing) u. a.Länge: 124 Min.FSK: ab 6 J. empfohlen ab 12 J.Film-Heft ... 3


DAS LEBEN IST SCHÖNInhaltEnde der 30er Jahre in Italien.Auch vor der sonnigen ländlichenToskana haben Faschismus und Antisemitismusnicht halt gemacht. Guido, einJude, und Dora erleben eine wunderbareRomanze voller komischer Ereignisse undzufälligen Begegnungen.Die Tragödie nimmt ihren Lauf als Guidound ihr gemeinsamer Sohn Giosuè deportiertwerden. Aus Liebe geht die Nicht-JüdinDora mit ins Konzentrationslager. Guidowill seinem Sohn die schrecklicheWahrheit ersparen und gaukelt ihm vor,sie spielten das „große Spiel“. Damit willer, obwohl von Angst erfüllt und erschöpft,Giosuè den Glauben erhalten, dass das<strong>Leben</strong> schön <strong>ist</strong>.Die vier Motive und die RealitätTrägt man die vielfältigen Motive,Symbole und Elemente dieses Filmszusammen, ergibt sich aus der scheinbarbunten Mischung von komischen,grotesken und tragischen Elementeneine logische Struktur, oder genauer,vier rote Fäden, denen die Erzählungfolgt und die der Handlung Spannungverleihen: die Motive.Das Märchen-MotivDas Märchen-Motiv, das sich stellenweiseauch als Doras Motiv bezeichnenlässt, da viele wundersame Ereignisseund Zufälle mit ihrer Person, dieGuido liebevoll „seine Prinzessin“ nennt,verbunden sind, <strong>ist</strong> eines der wichtigstenMotive. Dazu gehören auch alljene Handlungsstränge, die dem Schopenhauer-Mottovon der Kraft desWillens zuzuordnen sind. Märchentypisch<strong>ist</strong> zudem die Überwindungvon Hindernissen, das Stellen und Erfüllenvon Bedingungen, wie es für„das große Spiel“ elementar <strong>ist</strong>.Das Gewächshaus, als „schöner Ort“,gehört ebenfalls zum Märchen-Motiv.Es hat die Funktion des Paradiesgartensund damit eine wesentliche dramaturgischeFunktion, da in ihmder erste große Zeitsprung innerhalbdes Fortgangs der Geschichte vollzogenwird.Das Chaos-MotivDas Chaos Motiv übernimmt diverseFunktionen im Film. Es sorgt für Tempound bietet Benigni die Gelegenheit,den Faschismus komisch, stellenweiseslapstickhaft, grotesk oder paradoxdarzustellen.Verschiedene Eier und ein Hut spieleneine wichtige Rolle. Sie dienen Benigni4 ... Film-Heft


dazu, sich recht drastisch über zweiFasch<strong>ist</strong>en lustig zu machen.Rodolfo,als Vertreter der Staatsmacht in derörtlichen Präfektur, wird grundsätzlichdurch ein Ei der Lächerlichkeit preisgegeben.Nicht umsonst tituliert Guidoihn mit „der Blödmann mit dem Ei“.Eine Steigerung findet dieses Motivdurch einen Blumentopf, der Rodolfounbeabsichtigt am Kopf trifft – nachdemer sich Guido gegenüber arrogantbenommen hat. Der Hut spielt im Zusammentreffenvon Guido mit demPolsterer, einem im Grunde unbedeutendenMitläufer, eine Rolle.Das Rätsel–MotivDas Rätsel-Motiv verbindet sich mitder Person des KZ-Arztes Dr. Lessing.Es <strong>ist</strong> einerseits Ausdruck einer Hoffnungauf Rettung durch diesen imGe<strong>ist</strong>e der deutschen Aufklärung hochgebildeten Mann. Sein Umgang mitGuido erscheint fast freundschaftlich.Die Rätsel, die beide miteinander austauschen,wecken intellektuelle Neugier.Der Mann selbst bleibt dabei einRätsel, sorgt damit für Spannung,weil niemand einschätzen kann, wieer sich entscheiden wird. Er verkörpertdie größte Hoffnung, die einemgewissen Realismus entspringt, da esin seiner Macht stünde, Guido undseine Familie zu retten.Lessing <strong>ist</strong> aber zugleich das Ende derIllusion, im KZ könnte es auf Seitender Mächtigen Menschlichkeit geben.Das Giosuè–MotivDas Giosuè-Motiv stellt die Unschulddar. Der kleine Giosuè bildet den Kontrastzum Grauen des Lagers besondersdeutlich. Durch ihn wird der menschenverachtendeWahnsinn schmerzhaftbewusst.Mit Giosuès Person verbinden sich Attributewie der Spielzeugpanzer, diekindliche Lust am Spiel, insbesonderedaran, sich zu verstecken – das Schränkchenübernimmt in diesem Zusammenhangdie zentrale Aufgabe seinerRettung. Ein anderes Mal rettet ihnseine Unlust sich zu waschen.Pinocchio, den er selbst gebastelt hat,stellt die Frage nach dem Verhältniszur Wahrheit, wer lügt, bekommt eineebenso lange Nase wie dieser lustigeGeselle. Giosuès Intuition bringt ihnder Erkenntnis über die Wahrheit sehrnah, die hinter dem Spiel steckt, indas Guido ihn zu seinem Schutz verwickelt.Das Pferd des Onkels, ein weißerSchimmel mit dem Namen „RobinHood“(!) gehört ebenfalls zum Giosuè-Motiv. Es symbolisiert die Freiheit. Estritt zwar nicht oft, aber doch an entscheidendenStellen in Erscheinung,markiert den Aufbruch in einen anderen<strong>Leben</strong>sabschnitt der Protagon<strong>ist</strong>en.Das Real<strong>ist</strong>ischeDas Real<strong>ist</strong>ische erscheint in den Sequenzenbis zur Deportation ins KZeher als Stichwortgeber beispielsweisefür Parodien. Im Konzentrationslagererhält es jedoch seinen eigenenStellenwert und führt zu der Tragik indiesem Film. Das Real<strong>ist</strong>ische dokumentiertnicht, es wird verfremdet.Diese Verfremdung jedoch stellt dasGrauen, das dahinter in seinem ganzenAusmaß für Menschen, die esnicht erlebt haben, nur zu ahnen <strong>ist</strong>,nicht in Abrede. Es verharmlost dasGrauen nicht. Benigni hat schließlichnicht den Anspruch erhoben, zu dokumentieren.Film-Heft ... 5


DAS LEBEN IST SCHÖNDie Sequenzen und ihre motivische ZuordnungSequenz 1/ Motiv 2: Guido und sein FreundFerruccio im offenen Auto auf dem Wegdurch die sonnige Toskana. Ferrucchio:„... Hier bin ich – sprach ich zum Chaos –dein Sklave will ich sein.“Sequenz 2/ Motiv 2: Durchfahrt durch einkleines Dorf, das den König und seineFrau erwartet. Guidos warnende Handbewegungenvor ihrem heranrasenden Auto– die Bremsen sind defekt – werden vonder Bevölkerung als fasch<strong>ist</strong>ischer Grußmissverstanden und erwidert.Sequenz 3/ Motive 1 + 2: In der Nähe einesLandhauses, Ferruccio mit der Reparaturdes Autos beschäftigt. Guidos ersteBegegnung mit Dora, seiner „Prinzessin“,sie fällt ihm wie vom Himmel in die Arme.Das Märchen beginnt. Dort bekommt erauch ein paar Eier als Wegzehrung ...Sequenz 4/ Motiv 2 (fasch<strong>ist</strong>ische Übergriffe):Ankunft der beiden Freunde amHaus von Guidos Onkel. Beide werdenZeugen von einem Überfall auf den Onkel.Sequenz 5/ Motive 2+1: Im Haus desOnkels. Der Onkel liegt am Boden, <strong>ist</strong> jedochunverletzt. Er hat nicht um Hilfe geschrieen,denn: „Das Schweigen <strong>ist</strong> derlauteste Schrei“. Angebot an Guido, imHotel des Onkels als Kellner zu arbeiten.Sequenz 6 /Motiv 2: Spaziergang der beidenFreunde durch die kleine Stadt, beidevon Optimismus erfüllt. Guidos Lobpreisauf die Freiheit in einer Stadt. Zukunftspläne:Guidos Traum von einer eigenenBuchhandlung, Ferruccios Traum von einerPolsterei. Erste Begegnung mit demPolsterer.Sequenz 7/Motiv 2: In der Polsterei.Ferruccios Bewerbung um eine Arbeit.Guido findet währenddessen Gefallen andem neuen Hut des Polsterers, der abersofort protestiert, als er ihn aufsetzt. Aufdie Frage Guidos nach dessen politischerEinstellung erübrigt sich eine Antwort, alsdieser nach seinen Kindern Adolfo undBenito ruft. Schließlich gelingt es Guidodoch, seinen alten gegen den neuen Hutdes Polsterers auszutauschen.Sequenz 8/ Motiv 2: Im Gemeindeamt.Ein Büro im zweiten Stock einer Villa, vieleBlumentöpfe. Guido beantragt die Konzessionfür eine Buchhandlung. Die Sekretärinweigert sich, den Antrag 10 Minutenvor der Mittagspause entgegenzunehmen.Guido bemerkt die Eier vom Vortagin seiner Jackentasche und führt mit ihnenin der Hand das Gespräch fort.Rodolfo, der Abteilungsleiter, erscheint.Er verlässt vorzeitig das Büro, ohne GuidosBitte um eine einzige Unterschrift aufdem Antragsformular zu erfüllen. Guidolegt Beschwerde gegen das VerhaltenRodolfos ein und stößt dabei versehentlicheinen Blumentopf aus dem Fenster.Sequenz 9/ Motiv 2: Am Rathaus: DerBlumentopf fällt genau auf RodolfosKopf. Guido eilt ihm zur Hilfe. Dafür legter die Eier aus den Händen in RodolfosHut. Rodolfo, erfüllt von Wut und Rachsucht,hebt seinen Hut auf und setzt ihnsich – mit den Eiern – auf den Kopf. Guidomuss sich ein Fahrrad stehlen, um seinerWut zu entkommen, Rodolfo stiehltebenfalls eins, um ihn zu verfolgen.Sequenz 10/Motive 2+1: Auf der Straße.Guido rast beinahe in eine Gruppe vonKindern und stößt mit Dora zusammen.Sequenz 11/Motiv 2: Im Grand Hotel.Sein Onkel unterzeiht Guido einem kleinenTest als Kellner. Einblicke in die Choreografieeines Kellners. Betrachtungenüber den angemessenen Grad der Verbeu-6 ... Film-Heft


Sequenz 19/Motive 1 + 2: In der Petrarca-Grundschule.Erwartungsvolles Wartenauf den hohen Besuch von der Schulbehördein Rom, eine Riege von der Rektorinbis zum Schuldiener harren aus. Ein Jungewird wegen seines dunklen Teints undseiner erkennbaren Armut von der Rektorinin die letzte Reihe geschickt. An seinenPlatz kommt Lorenzo, ein hübscheradretter blonder Junge. In diesem Momenttritt Guido auf. Guidos erster Grußgilt seiner Prinzessin (Motiv 1). Dann folgtseine Parodie auf das Militärische: Er margung.Der Onkel dazu: „Du servierst, aberservil sollst du nicht sein.“ An andererStelle zu Guido: „Dienen <strong>ist</strong> die höchsteKunst. Gott <strong>ist</strong> der höchste Diener.“Sequenz 12/ Motive 1 + 2 (Die Kraft desWillens): Im Haus des Onkels. Ferrucciound Guido in einem Doppelbett. Betrachtungenüber die Macht des Willens. Ferrucciozitiert Schopenhauer: „Ich bin, wasich sein will“, und Guido <strong>ist</strong> so bege<strong>ist</strong>ert,dass er es zu seinem Handlungsprinzip erhebt.Sequenz 13/Motiv 1: Im Haus des Onkels.Guidos erste Begegnung mit demGewächshaus, wie mit einem irdischenParadiesgarten für ihn, wie eine Liebeslaube...Sequenz 14/ Motiv 2: Ferruccio auf demWeg zur Arbeit, große Freude über seinezufällige Begegnung mit der VerlegerinGuiccardini, der er gerne seine Gedichtevorlegen würde. Er traut sich jedoch nicht,sie anzusprechen. Er will die Manuskripteholen, während Guido sie in ein Gesprächverwickelt. In diesem Moment kommt derPolsterer vorbei und tauscht seinen Hutauf Guidos Kopf wieder gegen Guidos Hutauf seinem. Aber das stört Guido nicht ...Sequenz 15/Motive 1 + 2: In der Stadt,auf der Straße. Guido sinniert über FerrucciosKarriere als Dichter. Zufällige Begegnungzwischen Guido und Dora – diedritte. Bevor er sie jedoch ansprechenkann, erscheint Rodolfo und begrüßt Doraund deren Freundin in ihrer Begleitung.Guido versteckt sich hinter Ferruccio, derdaraufhin wie eine Statue stehen bleibt.Rodolfo fährt mit dem Auto davon. Guidospringt daraufhin wie ein Kobold hinterFerruccio hervor und begrüßt seine „ Prinzessin.“Dora liebt diese zufälligen Begegnungen,will keine arrangierten.Sequenz 16/ Motive 1 + 2: Guido schwebtim siebten Himmel. Ferruccio kommt vorMüdigkeit fast um, muss aber die Eskapadenseines Freundes mitmachen, so umkreisensie die beiden Frauen durch verschiedeneStraßen, nur um „zufällige“ Begegnungenmit Dora herbeizuführen.Sequenz 17/ Motive 1 + 2 : Schließlicherreichen die beiden Frauen die Francesco-Petrarca-Grundschule,wo sie als Lehrerinnenarbeiten. Die beiden Freundekommen, der Ohnmacht nah ebenfallsdort an.Sequenz 18/Motive 3 + 2: Im Grand Hoteldes Onkels. Guido in Kellner-Livree bedienteinen deutschen Hauptmann: Dr.Lessing. Rätsel: Je größer sie <strong>ist</strong>, destoweniger sieht man sie – die Dunkelheit.Die beiden verbindet offensichtlich eineArt Freundschaft. Dr. Lessings Versessenheitauf Guidos Rätsel <strong>ist</strong> überdeutlich,er vergisst dabei sogar das Essen.Guidos erste Begegnung mit dem Schulinspektoraus Rom. Guido erfährt den genauenZeitpunkt seines Besuchs in derPetrarca-Schule, zudem gelingt es ihm, andie Schärpe der italienischen Trikolore zukommen. Ferner gibt er dem Portier falscheAnweisungen, den Inspektor zuwecken.Film-Heft ... 7


schiert wie ein Offizier die Front ab. Wieein echter Inspektor fragt er nach demSchulpensum. Bruch der Vorstellung: Erverabredet sich mit Dora. Als er gehenwill, erinnert ihn die Rektorin an den eigentlichenAnlass seines Besuches: dieVorstellung des Rassenmanifests der Rassenforscher,das als Plakat an der Wandhängt. Sie will den offiziellen Nachweisdarüber, dass ihre Rasse allen anderenüberlegen <strong>ist</strong>. Nach kurzem Zögern zündetGuido ein parod<strong>ist</strong>isches Feuerwerküber den Rassenwahn. So pre<strong>ist</strong> er dieeinzigartige Schönheit seines linken Ohrs– ein besonders pikanter Hieb auf dieRassenideologie, die jüdische Merkmaleunter anderem an der Form der Ohren erkennenwollte. Lachhaft dagegen der„französische Knorpel“ und „ekelhaft“ die„russische Ohrmuschel“. Die Demonstrationeines reinrassigen arischen Beins,„eine arische Beinbeuge des italienischenFußes. Etruskischer Knöchel an römischemSchienbein. Davon können sie inBelgien nur träumen.“Sequenz 20: Der echte Inspektor erscheintgrimmig in der Aula der Schule.Sequenz 21/Motive 2 + 1: Guido befindetsich auf dem Höhepunkt seines eindruckvollenVortrags, bis auf die Unterwäscheausgezogen, die Trikolore leichtnach unten verrutscht, präsentiert er geradeseinen Bauchnabel und bekundet:„Was für eine Rasse!“Der Inspektor erscheint. Guido sieht ihn,klaubt seine Kleider zusammen und flüchtetüber die Fensterbank – nicht ohnesich von „seiner Prinzessin“ mit dem Hinweisauf Venedig (in Anspielung auf„Hoffmanns Erzählungen“ in der Oper andem folgenden Sonntag) zu verabschieden.Sequenzen 22-23/Motiv 1: In der Oper.„Hoffmanns Erzählungen“ von demdeutsch- jüdischen Kompon<strong>ist</strong>en JacquesOffenbach wird gegeben. Gerade erklingtdas bekannte Duett „Belle nuit d’amour“mit dem Finale der Barkarole – eine Musik,die an anderer Stelle noch von größererBedeutung sein wird. Während Doramit Rodolfo und Freunden ganz verzaubertin der Loge sitzt, versucht Robertoaus dem Parkett heraus ihre Aufmerksamkeitnach dem Schopenhauerschen Prinzipzu gewinnen ... und tatsächlich scheintes wieder zu funktionieren, sie lächelt.Sequenz 24/Motiv 3: Ferruccio und Guidogehören zu den letzten Zuschauern. Dabeibegegnen sie Hauptmann Lessing, derGuido voll Ungeduld die Lösung des letztenRätsels nennen will.Sequenz 25/ Motiv 2: Dora freut sich aufeinen gemütlichen Abend mit Rodolfo undEisessen. Der jedoch hat nur Sinn für dasgroße Abendessen beim Präfekten, zudem auch Dora und ihre Mutter Laura eingeladensind. Als Dora sich wütend weigert,weil er sich einfach über ihren Willenhinwegsetzt, scheint Rodolfo kleinbeizugeben. Das Blatt wendet sich jedochsofort, als sie dem Präfekten mit seinerFrau begegnen: Rodolfo, ganz auf seineKarriere fixiert, knickt ein – vergessen seineAngebote an Dora. Tiefe Enttäuschungbei Dora.Sequenzen 26-30/ Motive 1+ 2: Guidoauf der Suche nach Dora. Dabei wiederBegegnung mit dem Polsterer und seinerFrau, erneut gelingt es Guido, in einemunbeobachteten Augenblick seinen altenHut gegen den des Polsterers zu tauschen.Inzwischen hat Guido Dora entdeckt. Daes stark regnet, schickt sie Rodolfo, dasAuto vor den Eingang der Oper zu fahren.Guido, der den Streit zwischen Dora und8 ... Film-Heft


Rodolfo mitbekommen hat, beschließt,Dora zu entführen – mit dem Wagen desPolsterers. Ferruccio gibt ihm den Schlüsselund lenkt Rodolfo mit einem belanglosenGespräch über eine Konditorei ab.Unterdessen fährt ein schwarzes Auto beiDora vor, und Dora steigt, ohne auf denFahrer zu achten, ein. Ihre ganze Enttäuschungüber Rodolfo entlädt sich, schluchzend... bis sie Guido bemerkt, der wieder„seine Prinzessin“ begrüßt. Wieder <strong>ist</strong> eseine Art Macht des Schicksals, dem Guidonachgeholfen hat. Guido fährt zum erstenMal Auto, weil er Auto fahren will,nicht weil er es kann. Angekommen ander großen Treppe mitten in der Stadt bereitetGuido Dora einen roten Teppich ausmit dem roten Stoffballen des Polsterers– schließlich soll Dora durch keine Pfützegehen müssen. Romantisches Spiel mitden Erzählperspektiven, vermeintliche Erinnerungen,die tatsächlich jedoch Wünschean die gemeinsame Zukunft sind,ebenfalls märchenhafter Erzählstil. Situationskomik:Dora muss bei dem abendlichenSpaziergang mit Guido durch dieStadt ihren am Po zerrissenen Rock miteinem Kissen des Polsterers verdecken.Dabei sinniert sie über den Schlüssel, denderjenige finden muss, um sie für sich zugewinnen. Wieder Spiel mit der Machtdes Willens: Genau an der Stelle, wo dieFrau des Polsterers ihrem Mann immerden Schlüssel vom Balkon zuwirft, reagiertsie auch auf Guidos Zuruf.Sequenzen 31-32/ Motive 1 + 2 + 3:Dora und Guido beim Eisessen. Dora weißnoch nicht, wann sie Guido wiedersehenkann. Begegnung mit Dr. Lessing. Dernennt Guido die Lösung des Schneewittchen-Rätsels:„In sieben Minuten“ undbeantwortet auf wundersame Weise DorasFrage. Guidos ungewöhnlicher Heiratsantrag,erneutes Spiel mit der Erzählperspektive.Gebet Doras um einen trokkenenHut für Guido, prompt erfüllt ihrder auf dem Rad vorbeifahrende Polstererden Wunsch, der wieder einmal den Huttauscht. Dora reagiert verblüfft.Sequenzen 33-38/ Motive 2 + 3 + 1und 4: (Für den Fortgang der Handlungentscheidende Sequenz mit hohemSymbolwert.) Im Grand Hotel des Onkels.Die Gäste des Präfekten warten auf denBeginn des Festes. Guido, Kellner-Livree,trägt ein großes Straußenei vor sich her,als er prompt Rodolfo begegnet, vor demer sich verstecken muss. Der Onkel beider Herstellung der riesigen „Abessinien-Torte“, geschmückt mit einer äthiopischenDorfszenerie. Ironischer Kommentardes Onkels: „Unser neues Imperium“– eine Spende des Hotels. Guido erfährt,dass der Anlass für das Fest eine Verlobung<strong>ist</strong>. Rodolfo fragt ausgerechnet Guidonach dem Weg zum Büro des Direktors.Um nicht erkannt zu werden, machter einen fast bodentiefen Diener. Rodolfoverblüfft.Schnitt: In Doras Haus. Ein Streit zwischenMutter und Tochter, die nicht aufdas Fest gehen will, das für ihre Mutterso wichtig <strong>ist</strong>. Schließlich gibt Dora dochihren Widerstand auf. Schnitt: Währenddessenim Grand Hotel. Guido <strong>ist</strong> nochganz beseelt von seinem Rendezvous mitDora nach der Opernvorstellung am Nachmittag.Das groteske Versteckspiel mit Rodolfo,„dem Blödmann mit den Eiern“, und damitdie Parodie auf das fasch<strong>ist</strong>ische Italiensetzt ein. Draußen entdeckt man dengroßen Schimmel des Onkels, beschmiertin den Farben der italienischen Trikoloreund der Aufschrift „Achtung“ (auf deutsch)„jüdisches Pferd“. Der Onkel <strong>ist</strong> sich derschwerwiegenden Bedeutung dieses Zwischenfallsbewusst, während Guido diesnoch übergehen will: „Ich wusste garnicht, dass dein Pferd Jude <strong>ist</strong>.“Film-Heft ... 9


Doras Ankunft mit ihrer Mutter im GrandHotel (Sequenz 37/ zeitliche Zuspitzung).Das Fest: Als Dora einen Knopf verliert,sucht sie den Boden ab und kriecht in denSaal hinein. Dabei zeigt sie, wenn auchungewollt, der Gesellschaft den Hintern –Körpersprache mit Hintersinn in dem Kontextder Sequenzen. Das groteske Versteckspielzwischen Guido und Rodolfogeht unterdessen weiter, als sich beideDora nähern. Unterdessen gibt es einWiedersehen mit dem deutschen Hauptmann.Dr. Lessing (Motiv 3) muss aufgrundeines Telegramms nach Berlin zurück.Eine wichtige Sequenz des Hoffnungsmotivs:Zum Abschied rühmt LessingGuido als den „fantasievollsten Kellner“,den er je kennen gelernt habe. Guidogibt das Kompliment zurück, er habein Lessing den „gebildetsten Gast“ gehabt,den er je bedient habe. Lessing verspricht,extra zur Eröffnung von GuidosBuchhandlung zu kommen und bittet ihn:„Vergiss mich nicht“. Sie verabschiedensich – nicht ohne ein weiteres Rätsel desHauptmanns an Guido: „Nennst du denNamen, bin ich nicht mehr da.“ – Die Stille.Die plumpe Seite des Faschismus wirdgleich danach in Gestalt von RodolfosFreund Bruno deutlich: Der erscheint amTisch der Verlobten, in fasch<strong>ist</strong>ischer Uniform,und gibt Schlüpfriges aus ihrerMännerfreundschaft preis, Rodolfo <strong>ist</strong>peinlich berührt und Dora sichtlich gekränkt.Die Rektorin der Petrarca-Grundschulegibt derweil eine grauenvolle Mathematikaufgabewieder, in der die Kostenersparnisfür den Staat durch die Tötung Behindertererrechnet wird. Voller Respekt <strong>ist</strong>sie für die Grundschüler in Deutschland,die diese komplizierte Aufgabe schon inder dritten Klasse zu lösen wissen! Entsetzenbei Dora. Rodolfo schweigt. Wenigspäter gibt er seine Verlobung mit Dorabekannt. Guido reagiert auf diese Nachrichtschockiert durch eine Reihe vonZwischenfällen mit unfreiwilliger Komik.Unter dem Tisch der Verlobten begegnensich Guido und Dora wieder. Sie bittetihn, sie von dort fortzubringen. (Motiv 1).Der feierliche Einzug der Abessinien-Tortegeschieht parallel mit Guidos Erscheinenauf dem geschändeten Pferd seines Onkelsmitten im Festsaal. (Motiv 2). Er <strong>ist</strong>gekommen, um sie zu entführen und Rodolfowird wieder von einem Ei getroffen.Der Strauß <strong>ist</strong> ebenfalls in sich zusammengefallen,liegt in der Torte – eine Anspielungauf den Zusammenbruch des Imperiums.Schnitt/Sequenz 38: Am Hausdes Onkels. Dora und Guido sind auf demPferd angekommen. Während Guido dasHaus mit einem Draht zu öffnen versucht,nähert Dora sich dem Gewächshaus. Sietritt ein, Guido folgt ihr ... ins Paradies.Kurz darauf kommt ihr sechsjähriger(!)Sohn Giosuè aus dem Gewächshaus heraus,hinter sich einen kleinen Panzer ausBlech herziehend. (Motive 1 + 4/Zeitsprunginnerhalb der Sequenz 38)Sequenzen 39-44 (39 Wende)/ Motive 2,1 + 5: Der Faschismus <strong>ist</strong> unübersehbarin die Stadt eingezogen, ebenso deutlichdie Spuren des Krieges. Die Plakate, andenen Guido, Dora und Giosuè auf demFahrrad vorbeifahren, bejubeln den Endsieg.Nachdem sie Dora an der Grundschuleabgesetzt haben, gehen Vater undSohn mit dem Fahrrad weiter. Dabei fragtGiosuè nach der Bedeutung der Schilder,die Juden und Hunden den Zutritt zu Geschäftenverweigern. Guido versucht,darüber hinwegzugehen und ulkt: „Undmorgen schreiben wir: Für Spinnen undWestgoten Eintritt verboten.“In seinem Buch- und Schreibwarenladen(Sequenz 42) bekommt Guido plötzlichBesuch von zwei Herren, die ihn, ohne einenGrund zu nennen, auffordern, sie zurPräfektur zu begleiten. Er muss den ma-10 ... Film-Heft


lenden Giosuè allein zurücklassen – nichtaber ohne diese unheimliche Situation insLächerliche zu ziehen. Mit seinem Paradeschrittwill er dem Kleinen die Angst nehmen.In Guidos Abwesenheit bekommt GiosuèBesuch von seiner Großmutter, ohne eszu wissen. (Motiv 1). Seit der geplatztenVerlobung mit Rodolfo hatte sie die Familienicht mehr gesehen. Sie gibt sich alsKundin aus und bittet ihn, einen Brief anseine Mutter weiterzugeben. Laura kündigtindirekt ihren Besuch für den nächstenTag – Giosuès Geburtstag – an.Schließlich erkennt er sie.Guido kommt gegen Abend von der Präfekturin seinen Buchladen zurück. Dora<strong>ist</strong> auch da und spricht mit dem Kind überden Besuch der Großmutter. Mittlerweilewurde auch der Rollladen des Buchladensmit antisemitischen Sprüchen beschmiert.Guido darauf sarkastisch: „Wurde ja auchmal Zeit.“Sequenzen 45-46/ Motive 4 +2: GiosuèsGeburtstag, im Haus des Onkels. Es <strong>ist</strong>jetzt richtig wohnlich. Vorbereitungen fürdie Geburtstagsfeier Giosuès. HarmloserStreit um Giosuès Weigerung sich zu baden.Er sucht Zuflucht in einem Nachtschränkchenohne Boden (Motiv 4). KleinesVersteckspiel zwischen Mutter undSohn.Diese Sequenzen vermitteln dem ZuschauerEinblicke in ein glückliches Familienleben.Um so härter fällt später derKontrast ins Gewicht. Spiel mit Pinocchio,den Giosuè selbst gebastelt hat.Das letzte gemeinsame Essen wird vomOnkel mit Resten aus der Hotelküche zubereitet.Dora kommt inzwischen mit ihrerMutter in der Kalesche, die von „RobinHood“ gezogen wird, zum Haus zurück.Die beiden finden das Haus offen vor. Offensichtlichhat es einen Kampf gegeben,niemand <strong>ist</strong> mehr da.Sequenz 47/Motive 1, 2 + 5: Im Militärlastwagen.Guido, Giosuè und der Onkelsitzen darin. Das große Spiel beginnt miteiner Lüge: Guido gaukelt Giosuè eineReise vor, die Teil der Geburtstagsüberraschungsein soll.Sequenzen 48-50/ Motive 1,2 , 4 + 5:Eine kleine Bahnstation in der Nacht.Warten der Gefangenen auf den Weitertransport.Dora erscheint. Sie sucht nachden dreien, während die ersten Gefangenenden Zug mit den Viehwaggons besteigen.Guido tut bei Giosuè so, als stündeihnen der zweite Teil der Reise bevor,für die er extra Karten gekauft habe. BrutaleÜbergriffe eines deutschen Soldatenneutralisiert Guido durch ein „Danke“.Dora spricht einen italienisch sprechendendeutschen Offizier auf diesen „Irrtum“ an.Der kontrolliert die L<strong>ist</strong>en und bestätigtdie Richtigkeit des Transports der drei.Gegen seinen anfänglichen Widerstandbesteigt sie auf ihr Drängen den Zug.Giosuè entdeckt sie.Sequenzen 51-53/ Motive 1, 2, 4 + 5:Ankunft des Zuges am frühen Morgen.Die Gefangenen verlassen den Zug. Guidosucht Dora, genauso wie sie ihn (Motiv1). Für einen kurzen Augenblick sehen siesich – zum letzten Mal. Einblicke in GuidosBaracke. Giosuè hat die Zugfahrtnicht gefallen. Guido darauf: „Gut, dannnehmen wir auf der Rückfahrt den Bus.“Fortführung der Illusion: „Ich hab’ Bescheidgesagt.“ Groteske eingehende Betrachtungder guten deutschen Organisation(Motiv 2).Das große Spiel beginnt. Wer gewinnt,bekommt einen Panzer. 1000 Punkte mussman erreichen. (Motiv 4)Trennung vom Onkel. Schock, als sie dasInnere der Baracken betreten. Sie treffenauf ausgemergelte schweigende jungeMenschen. Guido muss sich auch erstFilm-Heft ... 11


fangen, denn Giosuè bricht fast in Tränenaus. Guidos groteske Geste: Er reibt sich,wie in Vorfreude auf die nächste Runde,die Hände. Giosuè droht, das Spiel alsTäuschung durch seine Reaktion zu enttarnen.Guido erinnert ihn an den erstenPreis, den Panzer (eventuell ein Symbolfür den unbeirrten <strong>Leben</strong>swillen).Unterdessen erscheint ein SS-Führer mitzwei Soldaten. Er will die Lagerregeln erklärenund sucht unter den Gefangenennach einem Dolmetscher. Guido, ohneeine Wort Deutsch zu verstehen, meldetsich. Ein groteskes Paradestück: Die deutscheVersion und was Guido darausmacht. Allein Giosuè weiß, wovon seinVater spricht, als er die Spielregeln, undnicht die Regeln des Lagers, erklärt. ZumSchluss legt er dem Lagerleiter in denMund: „Gestern habe ich den ganzen TagHimmel und Hölle gespielt, heute spielenwir Verstecken.“In dem Häftling Bartolomeo findet Guidoeine wichtige Stütze, Parallele zu Ferruccioin glücklichen Tagen.Sequenz 54/ Motive 1 + 5. Doras Barakke.Gedanken über die zunehmende Brutalitätder Aufseherinnen. Dora erfährt mitEntsetzen von der Selektion der Alten undder Kinder und ihrem sicheren Tod. Wasfür Guido Bartolomeo, <strong>ist</strong> für Dora Gigliola:eine moralische Stütze.Sequenzen 55-57/ Motive 2, 5, 4 + 1: Inder Gießerei. Guido muss wie die anderenGefangenen Ambosse schleppen, brichtunter der Last fast zusammen. Selbst erfindet keine anderen Worte mehr als: „Diesind verrückt.“ Er <strong>ist</strong> kurz davor aufzugeben– wenn da nicht Bartolomeo wäre,der ihn immer wieder antreibt. Spannung,als Bartolomeo durch ein Versehen einesanderen am Arm schwer verletzt wird.Zurück in Guidos Baracke. Giosuè wartetauf den Vater bis dieser erschöpft vonder Gießerei zurückkommt. Sofort nimmtGuido das Spiel wieder auf, als er Giosuèsieht. So präsentiert er seine tätowierteHäftlingsnummer sowie die Nummer ander Kleidung als Anmeldenummer. GiosuèsTrauer darüber, dass die anderen Kinderdas Spiel nicht kennen. Der geschwächteGuido gibt seinem Sohn ein Stück Brot.Am nächsten Tag in der Gießerei rettetsich Guido mit einer L<strong>ist</strong>: Ein umfunktionierterRegenschirm dient als Ambossattrappe,Vittorino, ein geschwächter Gefangener,der vor Erschöpfung zusammenzubrechendroht, profitiert davon.Guido übt schier übermenschliche Solidarität.Spannung: Plötzlich steht Giosuè vor Guidoin der Gießerei. Er wollte einfach nichtmit den anderen Kindern zum Duschen.Guido will ihn dazu zwingen, weil er dieGefahr, die hinter dem „Duschen“ lauert,nicht sieht. Guido droht Giosuè sogar mitPunktabzug.Giosuè in seiner Unschuld wandelt amAbgrund ... und kann sich erstmals, wennauch nicht bewusst, retten.Sequenzen 58-59/ Motiv 5: Während dieFrauen bei Sonnenuntergang von der Arbeitzurückkommen, sind die Alten unddie Kinder in langen Reihen auf dem Wegin die Gaskammern. Auch der Onkel bereitetsich, ohne es zu wissen, im Vorraumder Gaskammer auf den Tod vor.Sequenz 60/Motiv 4 + 1: Guidos Barakke.Guido <strong>ist</strong> mit Giosuè auf das obereBett gezogen, damit das Kind sich besserverstecken kann. Das Spiel soll Giosuèdazu bringen, sich zu verstecken und vorsichtigzu sein. Zunehmend muss GiosuèVerantwortung für sich selbst übernehmen.Sequenz 61/ Motiv 5: Dora muss mit einpaar Mädchen Kleidung sortieren. Dabei12 ... Film-Heft


hat sie große Angst, etwas von Guido,Giosuè oder dem Onkel zu finden.Sequenzen 62-63/ Motive 4 + 1: Eineenge Gasse im Lager. Guido schiebt eineschwankende Schubkarre, bedeckt mitSäcken. Daraus <strong>ist</strong> ein leises Schluckaufzu vernehmen: Giosuè. In einem unbewachtenBüro spricht Guido ins Mikrofon:„Guten Tag, Prinzessin ... die ganze Nachthabe ich von dir geträumt. Wir waren imKino.“ Ein Zeichen von Hoffnung und <strong>Leben</strong>swillen.Dora hört alles, ganz verwirrt,und vernimmt dann auch Giosuè, der ihrvon dem Spiel erzählt. Der plötzliche Abbruchlässt die Anspannung in Dora unddem Zuschauer unerträglich werden.Sequenzen 64-65/ Motive 5 + 4: In derBaracke beobachten Guido und der Kleine,wie ein Zug hin- und herfährt. Guidoerkennt, dass sie Zeugen einer Hinrichtungvon Partisanen werden, er reißt Giosuèvom Fenster, um ihm diesen Anblickzu ersparen. Guido weiß nicht, dass darunterauch sein Freund Ferruccio <strong>ist</strong>.Im Morgengrauen. Guidos abwesenderBlick auf die langen Reihen vor den Gaskammern.Giosuè holt ihn wieder zurück.Eine Aufseherin erscheint.Sequenz 66/ Motiv 3: Im Krankenrevierbegegnet Guido Dr. Lessing wieder. DochLessing erkennt ihn nicht. Guido versucht,sich mit einem Rätsel zu erkennenzu geben. Es gelingt. Dr. Lessing versonnen:„Guido.“ Er lässt Guido aus der Reihetreten. Hoffnung keimt auf ...Sequenz 67/ Motive 1, 2, 4, 3 + 5: Guidosoll auf Bitten von Lessing bei einemEssen in der Offiziersmesse bedienen. DieHoffnung auf Rettung <strong>ist</strong> hier durchausreal<strong>ist</strong>isch. Guido vermisst plötzlich Giosuè– er hat sich versteckt. Grund: Giosuèhat erfahren, was aus Leichen gemachtwird: Seife und Knöpfe. Guido reagiertdarauf mit grotesken Sprüchen. DasGroteske schlägt um ins Makabre. Spannung:Giosuè will aus dem Spiel aussteigen.In glatter Umkehrung der Realitätsagt Guido: „ Du darfst nicht alles glauben,was man dir erzählt. Das Kind kommtder Wahrheit näher als sein Vater. Guidoerwähnt den Panzer wieder und gibt vor,seinen Wunsch auszusteigen erfüllen zuwollen.Sequenzen 68-70/Motive 4 + 1: In derOffiziersmesse. Ein Fest in schauerlicherUmgebung. Die Kinder der Kommandantenbeim Spiel. Guido holt Giosuè dazuund schleust ihn ein. Eine weitere Variantedes großen Spiels beginnt. Die Gefahrder Entdeckung steigert die Spannung.Wie im Märchen darf Giosuè nichts sagen.Sequenz 71/ Motive 3 und 2: Guido begegnetDr. Lessing beim Essen wieder.Der Tausch von Blicken ebenso wie kleineTricks lassen erneut die Frage aufkommen:Wird Dr. Lessing Guido retten?Gleichzeitig bahnt sich eine Katastrophean: Giosuès artiges „Grazie“ hätte ihn beinahverraten. Nur Guidos Finte, indem erdie anderen, deutschen Kinder das italienischeDanke lehrt, rettet die Tarnung.Dennoch hat Guido die Aufmerksamkeitder Aufseherin erregt. Um Giosuè zu beruhigen,gibt Guido ihm den vermeintlichenZwischenstand des großen Spiels.Die Ereignisse spitzen sich zu ...Guido muss fassungslos erkennen, dassLessing nur auf der Suche nach der Antwortauf ein Rätsel war, als er ihn einlud!Das <strong>ist</strong> das Ende aller Hoffnungen!Am Grammophon sucht Guido die Barkaroleheraus.Sequenz 72/ Motiv 1: Doras Baracke. Dorahört die Barkarole, die (letzte) LiebeserklärungGuidos an sie. Naturimpressionen.Film-Heft ... 13


Sequenz 73/ Motive 1, 4 + 5: Die Musikdringt schwächer durch den Nebel. Guidound Giosuè verschwinden von dem Fest.Giosuès (magere) Ausbeute von dem Essenfür den Vater: Datteln und Marmelade.Guido mit Giosuè im Arm verläuft sich.Nebelschwaden ziehen vorüber. Eine gibtden Blick auf einen Leichenberg frei.Sequenz 74/ Motiv 5: In Guidos Baracke:Wachsendes Chaos im Lager, über Mikrofonwird nach Deserteuren gesucht. Hoffnungauf eine Zukunft nach dem Lagerkeimt auf. Guido beschließt, mit Giosuèabzuhauen. Eine verhängnisvolle Entscheidung.Sequenz 75/Motive 1, 4 + 5: Platz vordem Offiziersgebäude. Guido spielt vorGiosuè das Spiel weiter. Der Punktestandbeläuft sich bereits auf 940 Punkte. Einkleiner Kasten wird zu Giosuès Versteck.Guidos letztes Solo beginnt, er will dieletzten Punkte für Giosuè noch gewinnen.Sequenz 76/ Motiv 5: Guido erkennt ausder Ferne eine Gruppe von Frauen, die aufden Abtransport durch Lastwagen wartet.Sequenz 77/ Motiv 5: Flucht Guidos anOrten des Grauens vorbei.Sequenz 78/ Motive 2, 4 + 5: Guido kurzbei Giosuè am Kasten: Er nutzt eine Dekkeund Giosuès Jacke als weibliche Maskierung.Als ein Hund auf ihn zurast, wendeter die Schopenhauersche Methodean, der Hund wendet sich ab. Knappe Abfolgevon Sequenzen. Das Tempo derHandlung steigt.Sequenz 79/ Motive 1 + 2: Guido versucht,sich unter die Frauen zu schmuggelnund sucht nach Dora.Sequenz 80/ Motiv 1: Weitere vergeblicheSuche nach Dora.Sequenz 81/ Motive 1+ 5: SteigendeSpannung. Ein Lastwagen mit Frauen zumWeitertransport fährt an und beschleunigtseine Fahrt. Vergeblich läuft Guido hinterihm her, Dora suchend. Tragisch: DieseFrauen hören nicht seine Warnung, denLKW bei nächster Gelegenheit zu verlassen.Eine Aufseherin entdeckt ihn. Dieletzte Jagd beginnt, Guido vom Scheinwerferverfolgt. er wird gestellt.Sequenz 82/ Motive 1, 2, 3, 4 + 5 : Inder Nähe des Offiziersgebäudes, darinkönnte sich gerade Dr. Lessing aufhalten,wird Guido von Soldaten abgeführt. Aufseinem Weg zur Hinrichtung kommt er anGiosuès Kasten vorbei. Guidos letzterGruß an seinen Sohn, der ihn durch eineSehschlitz beobachten kann: sein groteskerParadeschritt. Dann bringen sie ihn imwahrsten Sinne des Wortes um die Ecke... in einer Maschinengewehrsalve. DerZuschauer hört es nur. Plötzliche Stillekehrt ein.Die Sonne geht auf. Die letzten deutschenSoldaten fliehen, die Gefangenenverlassen erschöpft das Lager. OhrenbetäubendeStille ...Giosuè kommt aus seinem Versteck.Ein amerikanischer Panzer kommt ihmentgegen. Giosuè kann es nicht fassen.Für ihn <strong>ist</strong> das Spiel Wirklichkeit geworden.Überglücklich klettert er auf denPanzer.Sequenz 83/ Motive 2 und 4: Giosuèfährt mit den Soldaten vorbei an Überlebendenund Militärkonvois durch eineherrliche Landschaft. Da sieht er seineMutter wieder.14 ... Film-Heft


DAS LEBEN IST SCHÖNFragen? Guido und Ferruccio im Auto auf dem Weg nach Arezzo. Ferucciosingt: „... Hier bin ich – sprach ich zum Chaos – dein Sklave will ichsein ... Frei bin ich endlich nun!“ Zeichnen Sie den Weg des Chaosnach. Welche Strukturen werden anhand dieses roten Fadens sichtbar?? Beschreiben Sie die Formen des Faschismus, wie er in Italien zu dieserZeit allgegenwärtig <strong>ist</strong>: auf der Straße, in der Schule, im Geschäftlichenund im Privatleben. Welche Ereignisse werden lächerlich gemacht,welche erfahren eine andere Kommentierung? Beschreiben Siedie verschiedenen Formen ihrer Darstellung.? Guido pre<strong>ist</strong> seinem Freund Ferruccio gegenüber die Stadt als Hort derFreiheit. Was versteht er darunter möglicherweise und erfüllt sich dieseErwartung?? Ferruccio und Guido im Haus von Guidos Onkel. Die beiden liegen imBett. Während Ferruccio plötzlich einschläft, versucht Guido vergeblichzu schlafen und fragt seinen Freund, wie er es geschafft habe.Ferruccio zitiert Schopenhauer „Ich bin, was ich sein will.“ Die Kraftkommt also von innen aus dem Ge<strong>ist</strong>. Weshalb <strong>ist</strong> dieser Gedanke dasLeitmotiv des Films? Zeichnen Sie das Motiv anhand von Filmszenennach.? Einige Motive und Dinge erhalten in dem Film eine besondere Bedeutung(z. B das Ei, der Hut, das Pferd, Giosuès Unlust, sich zu waschen,ein kleiner Schrank, der Panzer, die Rätsel des KZ-Arztes Dr. Lessing).Fallen Ihnen noch weitere ein?? Welche sind die Schlüsselszenen des Films und welchen Einfluss nehmensie auf den weiteren Verlauf der Handlung?? Benennen Sie den stärksten Antagonismus des Films. Warum steht geradeein Kind im Zentrum des grausamen Geschehens?? Wie lassen sich Guido, Dora, Guidos Onkel, Rudolfo, der Präfekt undder KZ-Arzt Lessing charakterisieren?? Skizzieren Sie das „Spiel“. Weshalb spielt Guido seinem Sohn etwasvor? Definieren Sie das Groteske und tragen Sie groteske Elemente desFilms zusammen.? Erörtern Sie, ob diese Art der Auseinandersetzung mit dem Holocaustangemessen <strong>ist</strong>. Was könnte dafür, was dagegen sprechen? BeschreibenSie Ihre Eindrücke.ÜFilm-Heft ... 15


? Welche Gefühle verbinden Sie mit dem Ende des Films?? Was lässt sich in Bezug auf die filmästhetischen Aspekte des Filmssagen, insbesondere:• die Darstellung der Personen durch die Kamera,• die Darstellung von Raum und Zeit,• die Farbgestaltung• die Effekte der Musik?Beschreiben Sie den Charakter der verschiedenen Musikformen.16 ... Film-Heft


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DAS LEBEN IST SCHÖNMaterialienZur Entstehung des Films DAS LEBEN IST SCHÖNIn einem Interview mit der Zeitschrift„Entertainment Weekly“(24.11.1998) tritt Roberto Benigni vor allemdem Eindruck entgegen, er habe mitDAS LEBEN IST SCHÖN eine Komödieproduzieren wollen. Das sei schlicht unmöglich– im Gegenteil, der Charakterdes Films sei eindeutig durch den Teil desFilms, der im Konzentrationslager spielt,eine Tragödie.Seine Sorge galt dementsprechend, bevorer mit der Produktion begann, den Gefühlenjüdischer Überlebender. So sandte erder jüdischen Gemeinde von Mailand seinSkript. Darüber hinaus konnte er MarcelloPezzetti vom Centro di Documentione EbraicaContemporanea in Mailand (Dokumentationszentrumdes zeitgenössischenJudentums) als Berater gewinnen, derauch an dem mehrfach ausgezeichnetenDokumentarfilm MEMORIA von RobertoGabbai mitgewirkt hat.Pezzetti war sichdes hohen Risikos bewusst, als sich einMann wie Benigni, dessen Bekanntheitbisher auf seiner Mitwirkung in komischenRollen beruhte, anschickte, sichdieses Themas anzunehmen. (Celli, Carloin: Journal of Popular Film and Television,Sommer 2000)Benigni selbst hat in der Figur Guidos einStück weit seinem Vater ein Denkmal gesetzt,der es verstanden habe, seinenSohn Roberto nicht mit den schrecklichenErlebnissen, die mit seinem Aufenthalt alsZwangsarbeiter in Erfurt verbunden waren,zu belasten.Die Reaktion Ehud Olmerts, des Bürgerme<strong>ist</strong>ersvon Jerusalem, gibt BenigniRecht:„Es <strong>ist</strong> ein Film von großer Sensibilität,der Schmerz und Liebe ausdrückt. DerCharakter des kleinen Giosuè <strong>ist</strong> der Triumphvon Optimismus und <strong>Leben</strong>. Ichhabe dies nie in einer stärkeren Form ausgedrücktgesehen.“(Olmert, Ehud in: Masi, Stefano. Roberto Benigni,New Books S.r.l. Rom 1999)Roberto Benigni mitseinem kleinenHauptdarstellerGiorgio CantariniMenschen, die selbst der Vernichtung nurknapp entronnen waren, Angehörige verlorenhatten, fürchteten eine Banalisierungdes Grauens. Manche sahen die Gefahr,dass durch das Fehlen von Szenen,die den Horror der einstigen Realität zumindesterahnen lassen, nachfolgendenGenerationen die Tatsache der Judenverfolgungnicht angemessen im Bewusstseinverankert bliebe. Der Film könnte alsauthentisch missverstanden werden, möglicherweiseder Verleugnung des HolocaustVorschub le<strong>ist</strong>en.18 ... Film-Heft


H<strong>ist</strong>orische HintergründeIn der Zeit von 1943 bis 1945wurden 8500 italienische Judenin Vernichtungslager deportiert, nur etwa800 von ihnen überlebten. Die Epochedes italienischen Faschismus von 1922bis 1943 lässt sich in drei Phasen einteilen.Die erste Phase von 1922 bis 1925<strong>ist</strong> die der Machtergreifung. Benito Mussoliniprofitierte dabei von der Furcht derdamaligen Eliten vor einer kommun<strong>ist</strong>ischenRevolution. Legitimiert durch seineErnennung zum Min<strong>ist</strong>erpräsidenten durchKönig Victor Emanuel III. sucht Mussoliniden Ausgleich mit der Monarchie, der Armee,Bürokratie und Industrie. BesondereBedeutung kam 1929 dem Abschluss derLateralverträge zu: Sie regelten die „RömischeFrage“, begründeten den Vatikanstaatals souveränen Staat und gewährtender katholischen Kirche zentrale gesellschaftlichePositionen und beinhaltetenEntschädigungen für den 1860/70 annektiertenKirchenstaat. Offensichtlichwar Mussolinis Politik darauf angelegt,eine möglichst breite Zustimmung in derBevölkerung zu erreichen. Insbesonderedie aufstrebende Mittelschicht und die Jugendsollten gewonnen werden.Mussolinis Führungsstil zeigte sich zunehmendvon seiner selbstherrlichen Seite,unter anderem durch den Machtzuwachsder Exekutive. Mit der Schaffung einerArbeitsverfassung, der „Carta del Lavoro“griff er massiv ins Arbeitsrecht ein: Streikund Aussperrung waren von nun an verboten,kollektive Arbeitsverträge wurdenabgeschlossen, Korporationen für Arbeitnehmerund Arbeitgeber gegründet. Derdennoch vorhandenen relativen Stabilitätin Wirtschaftsleben und Sozialbereich, dertechnischen und sozialpolitischen Neuerungenhatte Mussolini weiterhin breiteZustimmung im Volk zu verdanken.Mit dem Sieg über Abessinien im Jahre1936 sah Mussolini die Gelegenheit gekommen,seine Macht weiter zu festigen,der Staat sollte in immer mehr Gesellschaftsbereichenregulierend eingreifen.Der Machtanspruch ließ sich als totalitärbezeichnen, wenn auch im Vergleich zuNazi-Deutschland an zentralen rechtsstaatlichenGrundsätzen festgehaltenwurde.Mussolini hatte ein neues Menschenbildvor Augen. Über eine Art Kulturrevolutionsollte insbesondere der Jugend in derSchule mit Hilfe der entsprechenden Propagandader neue Menschentypus nahegebrachtwerden. Dieser sollte kämpferischsein und in imperialen Dimensioneneine italienische Herrschaft über das Mittelmeerhinweg zu den Weltmeeren aufbauenund festigen können.Im Gegensatz zu Hitlers pseudo-biologischbegründetem Antisemitismus wandtesich Mussolinis antijüdisches GesetzesdekretAspekten der nationalen Kultur zu.So wurde den Juden eine mangelnde Bereitschaft,sich zu assimilieren, vorgeworfen,womit sie aus eigener Schuld dasRecht verwirkt hätten, Teil der nationalenGemeinschaft zu sein. Ausgenommen vondiesem Dekret blieben Kriegsteilnehmerund deren Familien. Obwohl antisemitischgalt dieses Gesetz nicht als Maßnahmeim Zusammenhang des von Hitler-Deutschland geplanten Völkermords.Italiens Niederlagen gegen Griechenlandund Großbritannien in Nord-Afrika 1940Film-Heft ... 19


und 1941 zeigten Italiens militärischeSchwächen ebenso wie seine große Importabhängigkeit.Dennoch sah sich Mussoliniangesichts dieser verheerenden Niederlagennicht dazu veranlasst, aus demBündnis mit Deutschland auszuscheren.Das führte letztlich zu seinem Sturz 1943,der vom fasch<strong>ist</strong>ischen Großrat und demKönig gemeinsam herbeigeführt wurde.Die von König Victor Emanuel III. ernannteRegierung Badoglio löste die fasch<strong>ist</strong>ischePartei auf. Formal hielt sie die Kriegsallianzmit Deutschland aufrecht, währendsie in geheimer Diplomatie Verhandlungenmit den Alliierten aufnahm.Es kam am 3. September 1943 zum Abschlusseines Waffenstillstands zwischenItalien und den Alliierten, der am 8.Septemberoffiziell verkündet wurde. Diesführte zur Entwaffnung und Gefangennahmeitalienischer Truppen in Süd-Frankreich,Italien und auf dem Balkan durchdeutsches Militär und zur Flucht des Königssowie der Regierung nach Bari. In einemkleinen Teil des Territoriums wurdedie staatliche Kontinuität aufrechterhalten.Der von deutschen Truppen befreiteMussolini gründete im Norden Italiens dieso genannte Soziale Republik (Republikvon Salò). Im Rücken der nach Nordenziehenden Front arbeitete seit 1943 dieitalienische Widerstandsbewegung. EinBündnis von 1942 im Untergrund gegründetenParteien bildete im September1943 ein Nationales Befreiungskomitee,das nach der Befreiung Roms im Juni1944 Victor Emanuel III. zur Abdankungzwang. Sein Sohn Humbert wurde alsStatthalter eingesetzt und die RegierungBadoglio durch eine Koalition aus sechsParteien ersetzt.20 ... Film-Heft


Zitate des Wiener Psychologen Victor E. Frankl... zur weiterführenden Diskussion„In einem letzten Aufbäumenfühlst du, wie dein Ge<strong>ist</strong> überdiese ganze trostlose und sinnlose Welthinausdringt und auf deine letzten Fragenum einen letzten Sinn zuletzt von irgendwoherdir ein sieghaftes „Ja!“ entgegenjubelt.Und in diesem Augenblick – leuchtetein Licht auf in einem fernen Fenstereines Bauerngehöfts, das wie eine Kulisseam Horizont steht, inmitten des trostlosenGrau eines dämmernden bayrischenMorgens ... und das Licht leuchtet in derFinsternis.“„Auch der Humor <strong>ist</strong> eine Waffe der Seeleim Kampf um ihre Selbsterhaltung. Ist esdoch bekannt, dass der Humor wie kaumsonst etwas im menschlichen Dasein geeignet<strong>ist</strong>, D<strong>ist</strong>anz zu schaffen und sichüber die Situation zu stellen, wenn auchnur ... für Sekunden.“„Ich erfasse jetzt den Sinn des Letztenund Äußersten, was menschliches Daseinaufzuschwingen vermag. Ich erfasse jetztden Sinn des Letzten und Äußersten, wasmenschliches Dichten und Denken und –Glauben auszusagen hat: die Erlösungdurch die Liebe und in der Liebe! Ich erfasse,dass der Mensch, wenn ihm nichtsmehr bleibt auf dieser Welt, selig werdenkann – und sei es auch nur für Augenblikke– im Innersten hingegeben an das Bilddes geliebten Menschen ... In der denkbartr<strong>ist</strong>esten äußeren Situation, ... in der seineeinzige Le<strong>ist</strong>ung bestehen kann, in solcherSituation vermag der Mensch, im liebendenSchauen, in der Kontemplationdes ge<strong>ist</strong>igen Bildes, das er vom geliebtenMenschen in sich trägt, sich zu erfüllen.“Quelle:Frankl, Viktor E.:„... trotzdem Ja zum<strong>Leben</strong> sagen“ – EinPsychologe erlebtdas Konzentrationslager.München2000„Stellt der Wille zum Humor, der Versuch,die Dinge irgendwie in witziger Perspektivezu sehen, gleichsam einen Trick dar,dann handelt es sich jeweils um einenTrick so recht im Sinne einer Art <strong>Leben</strong>skunst.Die Möglichkeit einer Einstellungim Sinne von <strong>Leben</strong>skunst, auch mittenim Lagerleben, <strong>ist</strong> jedoch dadurch gegeben,dass dieses Lagerleben reich an Kontrasten<strong>ist</strong>, und die Kontrastwirkungenwiederum haben eine gewisse Relativitätallen Leidens zur Voraussetzung.“Film-Heft ... 21


DAS LEBEN IST SCHÖNLiteraturhinweiseBenigni, Roberto / Cerami, Vincenzo: Das<strong>Leben</strong> <strong>ist</strong> schön. Suhrkamp Taschenbuch,Frankfurt am Main 1998Zu diesem Film siehe auch:www.kinofenster.deDiNapoli, Thomas P.: The Italian Jewishexperience, New York 2000Frankl, Viktor E.: ... trotzdem Ja zum <strong>Leben</strong>sagen. Ein Psychologe erlebt dasKonzentrationslager. München 2000Herzer, Ivo: The Italian refuge. WashingtonD.C. 1989Masi, Stefano: Roberto Benigni. Gremese,Rom 1999Das <strong>Leben</strong><strong>ist</strong> schön ...22 ... Film-Heft


Was <strong>ist</strong> ein Kino-Seminar?Ein Kino-Seminar kann Möglichkeiten eröffnen,Filme zu verstehen.Es liefert außerdem die Chance zu fächerübergreifendemUnterricht für Schülerschon ab der Grundschule ebenso wie fürGespräche und Auseinandersetzungen imaußerschulischen Bereich. Das MediumFilm und die Fächer Deutsch, Gemeinschafts-und Sachkunde, Ethik und Religionkönnen je nach Thema und Film kombiniertund verknüpft werden.Umfassende Information und die Einbeziehungder jungen Leute durch Diskussionenmachen das Kino zu einem lebendigenLernort. Die begleitenden Film-Heftesind Grundlage für die Vor- und Nachbereitung.Filme spiegeln die Gesellschaft und dieZeit wider, in der sie entstanden sind. Basisund Ausgangspunkt für ein Kino-Seminarsind aktuelle oder themenbezogeneFilme, z. B. zu den Themen: Natur, Gewalt,Drogen oder Rechtsextremismus.Das Kino eignet sich als positiv besetzterOrt besonders zur medienpädagogischenArbeit. Diese Arbeit hat innerhalb einesKino-Seminars zwei Schwerpunkte.1. FilmspracheEs besteht ein großer Nachholbedarf fürjunge Menschen im Bereich des MediumsFilm. Filme sind schon für Kinder ein faszinierendesMittel zur Unterhaltung undLernorganisation.Es besteht aber ein enormes Defizit hinsichtlichdes Wissens, mit dem man Filmebeurteilen kann.Was unterscheidet einen guten von einemschlechten Film?Welche formale Sprache verwendet derFilm?Wie <strong>ist</strong> die Bildqualität zu beurteilen?Welche Inhalte werden über die Bildersprachetransportiert?2. Film als Fenster zur WeltÜber Filme werden viele Inhalte vermittelt:Soziale Probleme einer multikulturellenGesellschaft, zwischenmenschliche Beziehungs-und Verhaltensmuster, Geschlechterrollen,der Stellenwert von Familieund Peergroup, Identitätsmuster,Liebe, Glück und Unglück, <strong>Leben</strong>sziele,Traumklischees usw.Die in einem Kino-Seminar offerierte Diskussionbietet Kindern und Jugendlichendie Möglichkeit, gesellschaftliche Problembereicheund die im Film angebotenenLösungsmöglichkeiten zu erkennenund zu hinterfragen. Sie können sich alsobewusst zu den Inhalten, die die Filmevermitteln, in Beziehung setzen und ihrenkritischen Verstand in Bezug auf Filmspracheund Filminhalt schärfen.Das <strong>ist</strong> eine wichtige Lernchance, wennman bedenkt, dass Filme immer stärkerunsere soziale Realität beeinflussen undunsere <strong>Leben</strong>swelt prägen.Film-Heft ... 23


KINO GEGEN GEWALTFilmgeschichten von Toleranz und Intoleranz,Mitläufern und Standhaften,Wegsehen und Handeln,Angst und ZivilcourageFilme zum DiskutierenI Geschichten aus der Zeit des NationalsozialismusII Von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und IntoleranzIII Jugend und Gewalt – Gewaltbereitschaft heuteKINO GEGEN GEWALT <strong>ist</strong> ein Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung und des Instituts fürKino und Filmkultur. Es <strong>ist</strong> Teil des Aktionsprogramms der Bundesregierung „Jugend für Toleranzund Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ und wirdmit Unterstützung des Bundesmin<strong>ist</strong>eriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Filmverleiherund in Kooperation mit der AG KINO durchgeführt.IMPRESSUM:Herausgeber: INSTITUT für KINO und FILMKULTUR (IKF) im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB).Redaktion: Horst Walther (IKF), Verena Sauvage (BpB). Redaktionelle Mitarbeit: Ute Stauer, Holger Twele (auch Satz undLayout). Titel und Grafikentwurf: Mark Schmid (des.infekt. büro für Gestaltung. Friedenstr. 6. 89073 Ulm).Druck: Dinodruck + medien GmbH (Schroeckstr. 8. 86152 Augsburg). © Juni 2001Bildnachweis: Buena V<strong>ist</strong>aAnschrift der Redaktion:Institut für Kino und Filmkultur. Mauritiussteinweg 86-88. 50676 KölnTel.: 0221 - 530 1418 Fax: 0221 - 953 5975 eMail: www.film-kultur.de

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