REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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de. Indem man den Schwerpunkt nur<br />
auf Kernwaffenabrüstung setze, riskiere<br />
man eine Gefährdung des komplexen<br />
Interessengeflechts. Außerdem sei<br />
eine stärkere Verantwortlichkeit der<br />
EU, Chinas und Russlands sowie ein<br />
kooperativer Ansatz mit den USA <strong>für</strong><br />
das Funktionieren des NPT von Nöten.<br />
Fragmentierung<br />
des nationalen<br />
Gewaltmonopols<br />
Peter Nitschke sprach über die „Internationalisierung<br />
des Gewaltmonopols<br />
in der EU“. Hier impliziere der an<br />
Konjunktur gewinnende Begriff der<br />
„Securitization“, dass alles den Staat<br />
Betreffende nach der Frage der „Versicherheitlichung“<br />
ausgelegt werde.<br />
Als besonders relevant erweise sich<br />
dies auf Feldern wie dem internationalen<br />
Terrorismus, der organisierten<br />
Kriminalität oder der europäischen<br />
Integration.<br />
Angesichts der Integrationsschritte zu<br />
Sicherheitsfragen in der Entwicklung<br />
der EU werde deutlich, dass die Sicherheitsbemühungen<br />
hier immer grenzüberschreitender<br />
und weitläufiger werden.<br />
Besonders hervorzuheben sei<br />
dabei das Schengener Abkommen, da<br />
es über Nationalstaatsgrenzen hinaus<br />
wirke und damit den Raum der Sicherheit<br />
erweitere.<br />
Die 1993 mit dem Maastrichter Vertrag<br />
verabschiedete „Dritte Säule“ der<br />
EU, die Gründung der EUROPOL<br />
1999, die Ernennung eines EU-Terrorbeauftragten<br />
2004 sowie die Gründung<br />
von FRONTEX 2005 und der mit den<br />
USA 2007 beschlossene Datenaustausch<br />
seien weitere Beispiele.<br />
Daraus folge die Fragmentierung des<br />
nationalen Gewaltmonopols zugunsten<br />
eines Gewaltmonopols der EU<br />
und eine wachsende Intransparenz der<br />
Legitimation. So habe FRONTEX keine<br />
Informationspflicht gegenüber dem<br />
Europäischen Parlament. Durch die zunehmende<br />
Abgabe von Souveränitätsrechten<br />
an die europäische Ebene entstehe<br />
eine neue Form der Staatsräson.<br />
Das Gewaltmonopol der EU werde<br />
durch Prävention und polizeiwissenschaftliche<br />
Expertise, die über die<br />
34<br />
Grenzen Europas hinaus reicht, konturiert.<br />
Die zunehmende Rückbesinnung<br />
auf den Schutz der Bürger durch<br />
präventive Mittel stelle dabei einen Paradigmenwechsel<br />
dar; so würden Sicherheitsfragen<br />
immer mehr unter Präventionsaspekten<br />
gestellt und staatliche<br />
Kapazitäten hin zur Sicherheitspolitik<br />
verlagert. Es sei damit ein völlig<br />
neues Konzept entstanden, welches vor<br />
allem auf die Arbeit von Experten setze<br />
und weniger auf den parlamentarischen<br />
Souverän.<br />
Bezüglich zukünftiger Herausforderungen<br />
<strong>für</strong> die Sicherheit sprach Werner<br />
Link über „Sicherheitsrisiken und<br />
Ordnungspolitik aus der Sicht des<br />
‘Europäischen Westens’ “. Gemäß seiner<br />
Definition hätten Europa und USA<br />
zwar Gemeinsamkeiten, man müsse<br />
aber dennoch „Europe’s West“ von<br />
„America’s West“ unterscheiden. So<br />
seien die vier strategischen Bedrohungen<br />
Terror, Proliferation, regionale<br />
Konflikte und das Scheitern von Staaten<br />
zwar aus amerikanischer wie auch<br />
aus europäischer Sicht weitgehend<br />
identisch, doch würden daraus unterschiedliche<br />
Konsequenzen gezogen.<br />
Am deutlichsten erkennbar sei dies im<br />
Kampf gegen den Terror. In Europa<br />
werde dieser nicht als Krieg angesehen<br />
und präemptive Gewalt, das heißt<br />
gegen einen definitiv unmittelbar bevorstehenden<br />
oder gar bereits stattfindenden<br />
Angriff, sei nicht Bestandteil<br />
einer europäischen Sicherheitsstrategie.<br />
Die Veränderungen in der Weltpolitik<br />
seit 2001 hätten folglich eine<br />
Verschärfung der Sicherheitslage und<br />
neue Risiken mit sich gebracht, erkennbar<br />
etwa in dem Verhalten Russlands<br />
und der USA in Bezug auf das<br />
geplante US-Raketenabwehrsystem.<br />
Diese Entwicklungen hätten „gravierende<br />
Sicherheitskonsequenzen“ <strong>für</strong><br />
Europa zur Folge. Grundsätzlich sei<br />
daher eine rationale Risikoeindämmung<br />
erforderlich, die momentan<br />
allerdings an einem ordnungspolitischen<br />
Dissens zwischen den USA (hegemonial)<br />
und Europa (multilateral) zu<br />
scheitern scheine.<br />
Sollte Europa weiterhin im Konzert der<br />
Mächte mitspielen wollen, sei nach<br />
Link eine gleichberechtigte Kooperation<br />
in Fällen gemeinsamer Sicher-<br />
heitsinteressen zwischen „Europe’s<br />
West“ und „America’s West“ unbedingt<br />
notwendig.<br />
Klimawandel als<br />
Herausforderung<br />
Inwieweit auch Energie- und Klimapolitik<br />
als Herausforderung angesehen<br />
werden müsse und wie die Politik mit<br />
solchen Problemen umgehen solle,<br />
untersuchte Hanns W. Maull. Die großen<br />
Herausforderungen Versorgungssicherheit,<br />
Umbau des Weltenergiesystems,<br />
fortschreitender Klimawandel<br />
sowie Wahrung der Entwicklungschancen<br />
<strong>für</strong> die Weltbevölkerung beträfen<br />
uns zum größten Teil schon heute.<br />
Aber auch mittelfristig werde es immer<br />
wichtiger werden, erfolgreiches Krisenmanagement<br />
im Welterdölmarkt zu<br />
führen, damit verbunden auch die weltweite<br />
Nachfrage zu stabilisieren und<br />
mit den Folgen des Klimawandels und<br />
der Versorgungsknappheit umzugehen.<br />
Dabei stünden Energie- und Klimapolitik<br />
in unmittelbarer Wechselwirkung<br />
zueinander. Es könnten Synergien entstehen,<br />
wie beispielsweise die effektivere<br />
Nutzung von Energie im Rahmen<br />
eines funktionierenden Energiebinnenmarktes.<br />
Allerdings könne es in diesem<br />
Falle auch zu negativen Wechselwirkungen<br />
kommen, wie Subventionierung<br />
von Energieerzeugung oder<br />
Ersetzen von Erdöl durch Kohle.<br />
„Führung durch<br />
Beispiel“<br />
Grundsätzlich müsse daher eine rasche,<br />
tiefgreifende und möglichst flächendeckende<br />
Veränderung des Energiebewusstseins<br />
herbeigeführt werden,<br />
die auch einen effektiven Multilateralismus,<br />
die Beachtung von Verbraucherinteressen,<br />
Stabilität und Berechenbarkeit<br />
sowie die systemische<br />
Vernetzung von Politikbereichen umfasse.<br />
Effektive Sicherheitspolitik in<br />
diesem Bereich erfordere also eine gewisse<br />
Anpassungs- und Lernfähigkeit<br />
politischer Systeme – ein Prozess, wie<br />
er momentan besonders in China zu<br />
beobachten sei. „Führung durch Beispiel“<br />
sei gefragt. �<br />
Laura Buchwitz /<br />
Stefan Köppl<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 1/2008