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Kreishandwerkerschaft Dresden Ein Leben für die Berufsbildung: Gerhard Rößger Bild 1: Gerhard Rößger Am 6. August 2010 jährte sich zum 100. Mal der Geburtstag von Gerhard Rößger, Dachdeckermeister und Finanzökonom aus Dresden (Bild 1, Quelle: DDM Volkmar Pietsch, Dresden). Das ist uns Anlass, an seine Leistungen für unser Dachdeckerhandwerk zu erinnern. Nach dem Erlernen des Dachdeckerberufes legte er 1938 die Meisterprüfung in diesem Handwerk ab. Ein Jahr später wurde er Sieger im Berufswettkampf der Jungmeister in Sachsen. Dann musste er in den Krieg. 1945 kam er in seine völlig zerstörte Heimatstadt Dresden zurück. Zunächst übernahm er den väterlichen Betrieb in der Dresdner Neustadt und war festen Willens, sowohl beim Beseitigen der unendlichen Trümmerflächen und Bauschäden als auch beim Wiederaufbauen einer einst vorbildlich florierenden Struktur des Handwerks im Allgemeinen und des Dachdeckerhandwerks im Besonderen tatkräftig mitzuwirken. Das gab ihm die Kraft, neben dem Leiten seines Handwerksbetriebes eine Vielzahl von nebenberuflichen Tätigkeiten und Ehrenämtern auszuüben. Dieser Beitrag erinnert ohne Anspruch auf Vollständigkeit an zwei Schwerpunkte der Tätigkeiten: einerseits die Aus-, Fort- und Weiterbildung des Berufsnachwuchses. In sei- 10 nen Erinnerungen „1945 bis 1975 - Dreißig Jahre im Dienst für den Nachwuchs in meinem Handwerk“ bezeichnet G. Rößger seine vielgestaltigen diesbezüglichen Tätigkeiten „als wohl die Wertvollsten“ aller Funktionen. Andererseits widmete er der ständigen Weiterbildung der Berufskollegen in der Betriebsführung viel Zeit und Kraft. Bereits zum Schuljahresbeginn 1945 kam er der Bitte des Dresdner Schulamtes nach und unterrichtete in einer Berufsschule bis 1953 Dachdeckerlehrlinge. Auch einer großen Zahl Umschüler half er in dieser Zeit, im Dachdeckerhandwerk eine neue berufliche Zukunft aufzubauen. Im Wintersemester 1945/46 leitete er im Auftrag der Handwerkskammer erstmals einen fachtheoretischen Vorbereitungslehrgang auf die Meisterprüfung im Dachdeckerhandwerk mit 23 Teilnehmern. Als er 1975 mit Erreichen des Rentenalters diese Tätigkeit beendete, waren es insgesamt 402 Meisterschüler. Bemerkenswert ist, dass sich G. Rößger nach dem Ablegen der Meisterprüfung sein umfangreiches und fundiertes Fachwissen sowie seine pädagogisch-didaktischen Kenntnisse ausschließlich im Selbststudium erarbeitete. Das Talent für graphische Gestaltungen und technisch ausgereifte Zeichnungen hatte er wohl in den Genen. Für seine Tätigkeit als Berufsschullehrer im Nebenamt suchte G. Rößger vorhandene Fachliteratur und stellte fest, dass es aus der Zeit vor 1945 eine Vielzahl von Fachbüchern und Katalogen zum Dachdeckerberuf gab. Sie folgten vor allem einer konstruktiv-werkstofflichen Systematik, hatten aber kaum didaktisch-methodische Ansätze zum Aneignen des Stoffes durch die Lernenden und zum Führen des Lernprozesses durch die Lehrkräfte. Hier musste Abhilfe in Form eines Lehrbuches her! In Dachdeckermeister und Berufsschullehrer Karl-Heinz Kuhnlein (1920 – 1994) aus Leipzig fand er einen Verbündeten mit gleichen Sorgen und gleichem Vorhaben. Beide veröffentlichten 1957 das Buch „Berufskunde für Dachdecker, Band I Fachzeichnen“, das viele Kriterien eines Lehrbuches erfüllte. Ein größerer Abschnitt dieses Buches befasst sich mit der „Qualifizierung zum Dachdeckermeister“. Er enthält einige typische „Rößger-Zeichnungen”. Beide Persönlichkeiten unseres Handwerks, in gegenseitiger Achtung freundschaftlich verbunden, arbeiteten auch an der „Berufskunde für Dachdecker, Band II Allgemeine Fachkunde“ (erschienen 1958). Parallel zu seiner Dozententätigkeit in der Meisterausbildung war G. Rößger ab 1945 Fachbeisitzer im Meisterprüfungsausschuss und von 1958 bis 1977 dessen Vorsitzender. In ausgewählten Stellungnahmen finden wir seine grundlegenden Auffassungen zum fachlichen und ökonomischen Befähigen des Meisternachwuchses. Vorbereitungslehrgänge auf den Teil Fertigkeitsprüfung in der Meisterprüfung lehnte er aber kategorisch ab. Als zum Beispiel die Handwerkskammer Dresden im Jahre 1965 auch für das Dachdeckerhandwerk eine (neue) Rahmenausbildungsunterlage für die Vorbereitung auf die Meisterprüfung erarbeitete, die auch „Praktische Unterweisungen“ beinhaltete, gab G. Rößger zu bedenken: ,,... abgesehen davon, dass die praktische Ausbildung in der Praxis – und nicht an Modellen (etwa den gleichen, an denen auch die Prüfung abgelegt wird), geübt werden sollte…, kann und darf es nicht Aufgabe sein, den Meisterprüfungsanwärter auf sein Meisterstück oder die Arbeitsprobe ,zu drillen’. Die meisterliche Prüfungsarbeit soll individuelle Überlegungen ebenso beweisen, wie handwerkliches Geschick. Der Prüfling beweist solche Überlegungen aber nur dann, wenn er vor einer Aufgabe steht, die ihm neu ist, wobei er in gewissem Sinne ,schöpferisch’ tätig wird. Deshalb darf keinesfalls z. B. an einem bestimmten Modell, das Meisterstück ,trainiert’ werden“. Und 1966 beantwortete G. Rößger eine Umfrage der Handwerkskammer Dresden zum Inhalt künftiger Meisterausbildung: „Der künftige Handwerksmeister organisiert als Leiter eines Betriebes den gesamten Produktionsablauf, leitet und überwacht den Arbeitsablauf. Als Lehrausbilder obliegt ihm die Verantwortung zur Heranbildung des fachlichen Nachwuchses. Zur Leitung eines gesamten Handwerksbetriebes (…) ist die Befähigung einer guten Menschenführung erforderlich. …Bestrebung sollte sein, gegebenenfalls eine überbezirkliche Fachschule zu gründen, jedoch unter Beibehaltung der bezirklich durchzuführenden Prüfungen”. Neben seinem Wirken für das nachhaltige Befähigen des Berufsnachwuchses für das Dachdeckerhandwerk widmete sich G. Rößger auch ökonomischen Inhalten des Berufes. Unter anderem war er federführend am Erarbeiten der „Bezirkspreisregelung Nr. 1 für Umbau und Reparatur von Schorn- Das Handwerk 1/2011
Kreishandwerkerschaft Dresden steinköpfen für den Bezirk Dresden vom Mai 1967“ (siehe Bilder 2 und 3) beteiligt, ebenso an deren Ergänzung vom November 1968. Er wagte auch den Versuch, schon damals bestehende Unsicherheiten bezüglich eines etwaigen Mehrbedarfs an Biberschwänzen dem Decken von Trauf- und First-Doppelschichten zu beseitigen, indem er die Ergeb- Bild 2: Ausgabe des Heftes ,,Bezirkspreisregelung Nr. 1” Das Handwerk 1/2011 Bild 3: Auszug aus den Preisregelungen für den Umbau und die Reparatur von Schornsteinköpfen nisse beim Abzählen mit denen der üblichen Formelberechnung verglich (Bild 4). Über die Grenzen Dresdens und der Bezirke wurde G. Rößger durch seine aktive Arbeit in der Kammer der Technik der DDR bekannt. Vor allem über den Fachausschuss „Dachdeckungen“ und dessen Fachunterausschuss „Ökonomie“ nahm er bezüglich der Preisbildung in den Dachdeckerbetrieben republikweit Einfluss. Bild 4: Ergebnisvergleich des Ziegelbedarfs für Trauf- und Firstzuschläge durch Abzählen und mit der üblichen Formelberechnung Nicht immer fand ein Fachmann wie G. Rößger mit seinen ehrlichen, stets konsequenten Entscheidungen die Zustimmungen aller Berufskollegen. In seiner Freizeit und im (viel zu kurzen) Ruhestand – er verstarb 1982 – war G. Rößger ein begeisterter Bergsteiger im Elbsandsteingebirge. Seine Berghütte, der Club Berglust 06 und die „Alten vom Berge“ waren sein zweites Zuhause. Weitere Beispiele aus dem Wirken G. Rößgers nennt Dachdeckermeister Volkmar Pietsch, Dresden, in seiner Broschüre „Dachdeckerinnung Dresden“ anlässlich des 20. Jahrestages der Wiedergründung der Dachdeckerinnung Dresden im Juni 2010. Die persönliche Ausstrahlung von Gerhard Rößger und sein jahrzehntelanges Wirken für das Dachdeckerhandwerk über die Grenzen seiner Heimatstadt Dresden hinaus sind uns Bedürfnis, an ihn zu erinnern und ihm weiterhin ein ehrendes Gedenken zu bewahren. Der Verfasser zählt zu jenen Dachdeckermeistern, die unter dem Vorsitz G. Rößgers die Meisterprüfung ablegten und später seine Mitstreiter sein durften. Achim Wünsche Dipl.-Päd., Dachdeckermeister i. R. (Bilder 2 – 4: Verfasser) 11
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