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Thomas Bernhard- Ein literarischer Außenseiter ORF 1 am 12.2 ...

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"In Ischl halten alle allen alles dauernd vor." Es ist diese Neigung zum Superlativ, zu einem Extremvokabular,<br />

die dazu führt, dass man <strong>Thomas</strong> <strong>Bernhard</strong> öfter auch nicht gerne glauben wollte, weil man<br />

gemeint hat, hier wird die Übertreibung so stark, dass man den Wirklichkeitsgehalt nicht mehr<br />

herausfiltern könnte, aber gerade diese Übertreibungskunst ist es: Man muss übertreiben, um die Zustände<br />

zur Kenntlichkeit zu entstellen - ein Verfahren, das nicht von ungefähr an Brecht erinnern mag.<br />

<strong>Bernhard</strong> war ein Autor, der vor allem durch seine Erzählprosa besticht.<br />

Rare Lichtfiguren<br />

Die Autobiografie ist eine faszinierende Schilderung des Schülers <strong>Bernhard</strong>, des Lehrlings <strong>Bernhard</strong>, des<br />

erkrankten <strong>Bernhard</strong> und dann, als fünfter Band, eine Schilderung des kleinen Kindes <strong>Bernhard</strong>. Das<br />

heißt, er hat die Chronologie fast auf den Kopf gestellt und das Kind zeigt sich nun als ein widerspenstiges<br />

Individuum, das aufs Fahrrad steigt und auch einfach auf und davon fährt und dieses Motiv des<br />

Weggehens, des Ausbrechens, dieses Verlassens der Heimat spielt auch in den späteren Romanen eine<br />

große Rolle.<br />

<strong>Bernhard</strong> geht nicht zimperlich mit seiner Umgebung um, aber es gibt dann doch immer Lichtfiguren, so<br />

sein Lebensmensch Hedwig Stavianicek, die er im Krankenhaus kennengelernt hat, so aber auch sein<br />

Großvater, der ihn zur Literatur geführt hat und dessen Leben er auf der einen Seite in seinen tragischen<br />

Zügen darstellt, auf der anderen Seite aber auch dessen Radikalität er doch auch einigermaßen kritisch<br />

exponiert.<br />

Dieser Großvater wird zu einem verbindlichen Vorbild, gerade was die Radikalität, die monomanische<br />

Haltung gegenüber der Arbeit betrifft, selbst unter größten Entbehrungen <strong>am</strong> Schreiben festzuhalten und<br />

sich so auch wiederum selbst zum Außenseiter zu machen.<br />

Mehr als Verweigerung<br />

Es spielt keine unbedeutende Rolle in diesem Werk, jemand zu sein, der sich die Isolation gleichs<strong>am</strong><br />

erschrieben hat und aus dieser Isolation heraus schreiben kann. Die "schaurige Lust der Isolation", wie<br />

Robert Musil das genannt hat, hat man als einen seiner Wesenszüge erkannt. Diese Isolation ist mehr als<br />

bloß eine Verweigerung, sie ist auf der einen Seite natürlich der Ausschluss aus der Gesellschaft, aber<br />

andererseits ist es nicht möglich, über die Gesellschaft zu schreiben, ohne von ihr ausgeschlossen zu sein.<br />

Und in dieser Paradoxie bewegt sich sein Werk.<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Bernhard</strong> hat sich auch immer gegen ein Konsensmaximum gewehrt, immer dort, wo Übereinstimmung<br />

erzielt wurde, hat er zugeschlagen. Er war ein Meister wechselnder Gegensätze zwischen<br />

Authentizität und Nicht-Authentizität. Das Fiktionale erschien plötzlich als das Reale, das Reale als<br />

fiktional, das Komische als das Tragische, das Tragische als das Komische.<br />

Text: Wendelin Schmidt-Dengler, Ausschnitt aus seiner Ö1 Sendereihe "Literarische Außenseiter"<br />

Mehr zu <strong>Thomas</strong> <strong>Bernhard</strong> in oe1.<strong>ORF</strong>.at

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