Untitled - CDU-Moers
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WERNER H. HEINZE<br />
Das Neue Rathaus von <strong>Moers</strong><br />
Ein Beitrag zu seiner Baugeschichte anläßlich der Grundsteinlegung vor 30 Jahren<br />
Neu ist es nicht mehr, das <strong>Moers</strong>er Rathaus, von dem hier die Rede sein soll, denn es<br />
steht schon fast dreißig Jahre. Man nennt es aber das Neue Rathaus im Gegensatz zu<br />
dem bereits der Stadtgeschichte angehörenden Alten Rathaus, das einmal auf der<br />
Steinstraße zwischen dem Stadttor »Mattorn« und der Evangelischen Stadtkirche seinen<br />
Platz hatte und 1954 abgebrochen wurde.<br />
Stadtobrigkeit und Vertreter der Bürgerschaft konnten in <strong>Moers</strong> von je her nur unter<br />
räumlichen Schwierigkeiten ihren Amtsgeschäften nachgehen. Schon bevor das erste<br />
Rathaus 1602 erbaut wurde - es brannte bereits drei Jahre später ab veranstalteten<br />
die Schultheißen ihre Sitzungen in einem benachbarten Patrizierhause. Die Räume<br />
des bald wieder aufgebauten<br />
Rathauses mußten über<br />
Jahrhunderte hinweg mit<br />
anderen Behörden geteilt<br />
werden Bei der Zunahme<br />
städtischer Verwaltungsaufgaben<br />
ging man in unserem<br />
Jahrhundert zwangsläufig<br />
dazu über, verschiedene<br />
Verwaltungszweige in andere<br />
Gebäude der Stadt zu verlegen.<br />
Nach dem Zweiten<br />
Weltkriege waren im Alten<br />
Rathaus nur noch das Standesamt,<br />
die städtische Friedrich-Wilhelm-Bücherei<br />
und<br />
das Stadtarchiv zu finden.<br />
Die übrigen Abteilungen der Stadtverwaltung arbeiteten im Grafenschloß, im Amtsgerichtsgebäude<br />
sowie in einem Hinterhaus am Königlichen Hof. Dem über dreieinhalb<br />
Jahrhunderte währenden Zustand räumlicher Bedrängnis sollte ein Ende bereitet<br />
werden. So setzte sich die Stadt <strong>Moers</strong> zum Ziel, anläßlich ihrer im Jahre 1950 bevorstehenden<br />
650-Jahrfeier den Grundstein zu einem Rathausneubau zu legen.<br />
Ein nur zweckmäßiges Verwaltungsgebäude?<br />
Da eine sich ausweitende Stadt wie <strong>Moers</strong> auch in Zukunft mit wachsenden Verwaltungsaufgaben<br />
rechnen mußte, hatte der damalige Stadtbaurat Heinrich Hauschild<br />
die Vorstellung, ein vor allem erweiterungsfähiges modernes Verwaltungsgebäude in<br />
den unserer Zeit gemäßen Baustoffen Beton, Stahl und Glas zu bauen. Mit dieser<br />
Vorstellung stieß er bei den <strong>Moers</strong>ern auf keine Gegenliebe. Das hatte tiefere Ursachnen<br />
Die Stadt <strong>Moers</strong> kann zwar auf eine lange Vergangenheit zurückblicken, ihre<br />
historische Bausubstanz hat sie jedoch in den letzten zwei Jahrhunderten so gut ganz<br />
eingebüßt. Das begann 1763 mit dem Schleifen der oranischen Befestigungsanlagen,<br />
setzte sich fort in der späteren Niederlegung der Stadttore und endete mit dem<br />
schon erwähnten Abbruch des Alten Rathauses. Sieht man vom Restbestand des
Grafenschlosses, der Bebauung des Altmarktes und von einigen wenigen heute unter<br />
Denkmalschutz stehenden Gebäuden ab, bot <strong>Moers</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg ein<br />
überwiegend geschichts- und gesichtsloses Stadtbild. Der Wiederaufbau des z. T.<br />
stark verkommenen Altstadt-Ensembles stand damals noch nicht zur Debatte. So war<br />
es zu verstehen, daß die interessierte Bürgerschaft für ihr Verwaltungsgebäude keinen<br />
nüchternen Zweckbau, sondern ein »Rathaus« wollte mit einen Turm als Wahrzeichen.<br />
Nachdem beschlossen war, ein »Rathaus in einem Guß« zu bauen, begann sobald<br />
ein heftiges Tauziehen um den Standort des neuen Gebäudes. Auf der damals in einer<br />
Tageszeitung erschienenen Karikatur von Josef Lenzen beobachtet das Stadtbauamt<br />
in Gestalt eines sich lässig abwartend an einen Wegweiser lehnenden und amüsiert<br />
zusehenden Bauarbeiters, wie der Grundstein »Zur Einigkeit« vergeblich in Richtung<br />
Schloßpark gezogen werden soll. Die Taue, an denen Ingenieur Ernst Böhmann<br />
und andere Interessenten den Stein zur Leyendecker'schen Wiese an der Homberger<br />
Straße zu bewegen bemüht waren, sind bereits gerissen. Als Sieger bei diesem Kraftakt<br />
stellt der Karikaturist die Anhänger der Richtung Neumarkt dar, unter ihnen<br />
Stadtrat Karl Peschken und den Ingenieur Karl Seeles, als Attribut seines auf der<br />
Neustraße gelegenen Elektrogeschäftes eine Tischlampe schwenkend.<br />
Mit dem Neumarkt als Standort hatte man eine gute Wahl getroffen. Schon seit je<br />
wurden in Deutschland Rathäuser an Marktplätzen erbaut. Da, wo in <strong>Moers</strong> einst das<br />
»Meer«, eine starke Erweiterung des <strong>Moers</strong>bachs, die Altstadt von der Neustadt<br />
trennte, wo vor mehr als 200 Jahren im Zuge der Entfestigungsmaßnahmen durch<br />
Zuschütten des »Meeres« später der Neumarkt entstanden war, sollte das Rathaus<br />
den einst nach Norden offenen Platz städtebaulich vorteilhaft abschließen.<br />
Grundsteinlegung und Baubeginn<br />
Endlich konnte Stadtbaurat Hauschild die Planung anlaufen lassen. Bei dem Architekten<br />
Rainer Runge lag die Entwurfsarbeit am Rathaus in guten Händen. Unabhängig<br />
von seiner Arbeit veranstalteten die<br />
Mitarbeiter des Hochbauamtes auf<br />
Anregung ihres Amtsleiters Josef<br />
Lenzen unter sich einen Ideenwettbewerb.<br />
Von einem dieser Entwürfe<br />
übernahm man dann für die Runge'-<br />
sche Planung den Gedanken, die Rathausfront<br />
zu krümmen. Durch diesen<br />
Kunstgriff wurde die leichte Schwingung<br />
der an der Vorderseite des<br />
Rathauses von Nordosten nach<br />
Südwesten vorbeiführenden Unterwallstraße<br />
von der Gebäudemasse<br />
schwach wiederholt und zugleich Belebung<br />
in den 14 Fensterachsen großen<br />
Mitteltrakt gebracht.<br />
In der von Bürgermeister Wilhelm Müller, Stadtdirektor Hermann Keienburg und 19<br />
Stadträten unterzeichneten Gründungsurkunde wird feierlich betont, daß die Grund-
steinlegung im Jahre 1950, 650 Jahre nach der am 20. Juli 1300 erfolgten Verleihung<br />
der Stadtrechte, stattfand. Wörtlich heißt es weiter: »Nach langer Zeit der Not und<br />
Entbehrung, mitten im Aufbau und in der Hoffnung auf einen alle Deutschen einenden<br />
Frieden wurde dieses Werk begonnen. - Von dem Wunsche beseelt, daß künftigen<br />
Geschlechtern glücklichere Jahrzehnte als die hinter uns liegenden beschert sein<br />
mögen, haben wir diese Urkunde unterzeichnet.«<br />
Im März 1951 waren die Zeichnungen baureif. Zügig wurden die Bauleistungen ausgeschrieben.<br />
Bald hallte der Neumarkt von den Rammarbeiten der Rathausgründung<br />
wider. Der aufgeschüttete Baugrund verlangte eine Beton-Pfahlgründung. Man verwendete<br />
»Franki«-Pfähle, bei deren Herstellung die stählernen Mantelrohre zum<br />
Schutze des eingepreßten Betons gegen aggressives Moorwasser im Boden gelassen<br />
werden mußten.<br />
Der Turmhelm erregt die Gemüter<br />
Noch heute beschleicht jeden heimatbewußten <strong>Moers</strong>er Bürger ein Unbehagen, wenn<br />
er an den Schildbürgerstreich des Jahres 1907 denkt, der ihn den Mattorn, das<br />
Wahrzeichen seiner Stadt, gekostet hat. Das einst im Westen der Altstadt am Kopfe<br />
der zur Neustadt führenden Meerbrücke stehende Meertor oder »Mattorn«, wie es im<br />
Volksmund genannt wurde, stammte noch aus vororanischer Zeit und hatte seinen<br />
hübschen barocken Turmhelm vermutlich bald nach dem großen Stadtbrand von<br />
1605 erhalten. Man sagt, es seien in der Hauptsache Geschäftsleute der Neustadt<br />
gewesen, die zu Beginn unseres Jahrhunderts ein Interesse am Abbruch dieses damals<br />
einzigen noch erhaltenen Stadttores gehabt hätten. Sie versprachen sich von<br />
einem in die Neustadt sich ungehemmt ergießenden Verkehr eine wesentliche Belebung<br />
ihrer Geschäfte.<br />
Vom Rathausturm standen erst die Grundmauern, als durch eine Presseindiskretion<br />
die Aufnahme des in seinen Feinheiten noch nicht durchgebildeten Rathausmodells<br />
die Bürgerschaft erregte. Der Turmhelm fand keinen Beifall. Man hätte lieber den<br />
originalgetreuen Mattorn-Helm auf dem Rathausturm gesehen. Das war verständlich,<br />
denn die <strong>Moers</strong>er wollten für ihr Stadtbild wieder ein Wahrzeichen haben. Obwohl<br />
der Mattorn einen wesentlich kleineren Querschnitt hatte als der Rathausturm, wurde<br />
nun ein zweites Turmmodell' mit einem dem Mattorn ähnlichen Helm gefertigt und<br />
für eine »Volksabstimmung«<br />
eine Ausstellung<br />
der Modelle im Grafenschloß<br />
veranstaltet. An<br />
der lebhaften Zeitungsdiskussion<br />
beteiligte sich auch<br />
der Verfasser mit dem Artikel<br />
»Ein zweiter Schildbürgerstreich?«6.<br />
Er vertrat<br />
dabei die Ansicht, die<br />
<strong>Moers</strong>er sollten sich nach<br />
dem bedauerlichen Abbruch<br />
des Mattorn nicht<br />
aus falschverstandener<br />
Heimatliebe noch einen<br />
zweiten Fehler leisten, in-
dem sie einem zu unserer Zeit erbauten Rathausturm einen Helm im Stile des 17.<br />
Jahrhunderts aufsetzen. Der barocke Helm wurde nicht ausgeführt. Der berechtigte<br />
Wunsch aber, das Stadtbild durch ein neues Wahrzeichen zu beleben, blieb unerfüllt.<br />
Aufbauplan Neumarkt<br />
Um das Neue Rathaus an seinem Platze auch voll zur Geltung bringen zu können,<br />
fertigte das Stadtbauamt 1952 für den Neumarkt einen Aufbauplan7 an, dessen Leitgedanken<br />
man heute nach abgeschlossener Bebauung des Platzes vermißt. Dieser<br />
Plan sah vor, den für sein Breitenmaß unglücklich langen Neumarkt auf halber Länge<br />
einmal zu unterteilen, indem man vom Mitteltrakt des Rathauses aus in einer Entfernung<br />
von etwa 78 m den nördlichen Teil des Marktplatzes von rund 40 m auf fast 60<br />
m verbreitert. Auf diese Weise hätte sich das Bauwerk seinen Betrachtern auch vom<br />
südlichsten Punkte des Neumarktes aus in seiner ganzen Breite dargeboten.<br />
Mitte Januar 1953 konnten die ersten Verwaltungsabteilungen das Neue Rathaus beziehen.<br />
Die <strong>Moers</strong>er Bürgerschaft durfte sich wieder verwaltet und repräsentiert fühlen.<br />
Beim Betrachten des Bauwerks könnte man mit Goethe ausrufen »Übermütig<br />
sieht's nicht aus!«, besonders, weil die vorgesehene Verkleidung der Außenwände<br />
mit Naturwerkstein dem Rotstift des Stadtkämmerers zum Opfer gefallen war. Mit<br />
Werkstein wurden nur der Sockel sowie die Mauerwerksöffnungen des Erdgeschosses<br />
und des Turmes verkleidet, während die Außenwände einen gewöhnlichen Kratzputz<br />
erhielten. Trotzdem erfüllt das Gebäude, in seinen Baukörpern ausgewogen, mit Anstand<br />
die ihm zugewiesene städtebauliche Aufgabe und hebt sich wohltuend von der<br />
leider so langweiligen und einfallslosen Bebauung des langen Neumarktes ab. Im<br />
Hinblick auf das nun bald drei Jahrzehnte seine Aufgabe erfüllende Neue Rathaus sei<br />
von einem ehemaligen <strong>Moers</strong>er Bürger die hoffentlich nicht zu hohe Erwartung -<br />
wiederum mit Goethe - ausgesprochen: »Allen, die darin verkehrt, ward ein neuer<br />
Mut beschert.«