Jahresbericht 2004 - Oberbergischer Kreis
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Auch im Entwurf eines neuen Präventionsgesetzes lässt sich dieser widersprüchliche<br />
Trend erkennen. Dies kann hier beispielhaft nur an einem Aspekt erläutert werden:<br />
So unterstreicht der Entwurf einerseits, dass die politischen Entscheidungsträger der<br />
Prävention einen hohen Stellenwert geben. Inhaltlich ist hervorzuheben, dass der<br />
Beachtung von „Lebenswelten“ (§ 18 PrävG) für Präventionsmaßnahmen große<br />
Bedeutung zugesprochen wird - wirksame Prävention muss an kompletten<br />
Lebensformen im kulturellen Umfeld ansetzen.<br />
Andererseits ist mit HARDT (2005) zu kritisieren, dass sich das Gesetz nur auf den<br />
Gesundheitsbereich bezieht. Gesundheit ist aber als ein wesentlicher Bestandteil des<br />
alltäglichen Lebens zu verstehen. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das die<br />
Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit ebenso betont,<br />
wie die körperlichen Fähigkeiten.<br />
Daraus folgt, dass schon vom Ansatz her Gesundheitsförderung nicht nur „bei dem<br />
Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen“ anzusiedeln ist. Die<br />
Entwicklung gesünderer Lebensweisen muss Aufgabe eines gesamten politischen<br />
Entwurfes sein (ebd. S. 25). „Angewandte Prävention verlangt multidisziplinäre<br />
Bemühungen von Seiten der Medizin, der Erziehungswissenschaft sowie der<br />
Verhaltens- und Sozialwissenschaft“ (FESER,1978, S. 3211).<br />
Auf solche Widersprüche und die Notwendigkeit, strukturelle Bedingungen für ein<br />
gesundes Aufwachsen unserer Kinder und Jugendlichen zu schaffen, haben<br />
Fachleute der Beratungsstellen und Wissenschaftler, die sich mit Fragen seelischer<br />
Gesundheit befassen, schon vor Jahren aufmerksam gemacht.<br />
Dies können stellvertretend zwei Zitate von Heiner KEUPP, Professor für<br />
Sozialpsychologie an der Universität München, deutlich machen, der schon 1985 in<br />
einem Aufsatz über „Perspektiven psychosozialer Praxis in einer sich spaltenden<br />
Gesellschaft“ (KEUPP, 1985) u.a. auf folgendes hinwies:<br />
„Erziehungsberatungsstellen sind, wie alle gesellschaftlichen Teilbereiche, im Sog<br />
einer neokonservativen sozialen Reorganisation. Davon werden sie in dem Maße<br />
erfasst, wie sie sich ohne eigene Positionsbestimmung von dieser Strömung<br />
mitnehmen lassen. In ihrem professionellen Schwerpunkt in Richtung auf<br />
Psychologisierung und Therapeutisierung ist sie in Gefahr, alleine auf den<br />
Individualitätspol zu setzen. Das bedeutet aber, in einer sich spaltenden Gesellschaft<br />
allein auf das vereinzelte Subjekt und seine kleinfamiliären Primärformationen<br />
beschränkt beruflich zu handeln“ (ebd. S. 30).<br />
Und 1995 in dem Aufsatz „Erziehungsberatung in einer Welt riskanter werdender<br />
Chancen“: „Ein offenes Identitätsprojekt, in dem neue Lebensformen erprobt und<br />
eigener Lebenssinn entwickelt werden, bedarf materieller Ressourcen. Hier liegt das<br />
zentrale und höchst aktuelle sozial- und gesellschaftspolitische Problem. Eine<br />
Gesellschaft, die sich ideologisch, politisch und ökonomisch fast ausschließlich auf die<br />
Regulationskraft des Marktes verlässt, vertieft die gesellschaftliche Spaltung und<br />
generiert auch eine wachsende Ungleichheit der Chancen an Lebensgestaltung(......)<br />
Die Erprobung von Projekten der Selbstorganisation ist ohne ausreichende materielle<br />
Absicherung nicht möglich.“ (KEUPP, 1995, S. 251).<br />
P. Baumhof