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211 - Rechtsanwalt-schuetze.de

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Tötungs<strong>de</strong>likte:<br />

Systematischer Überblick<br />

§ <strong>211</strong>: Qualifikation - Einordnung umstritten<br />

§ 212 = Grundtatbestand<br />

§ 216 = Privilegierung<br />

§ 222 = Fahrlässigkeitstatbestand<br />

§ 213 = Strafzumessungsregel (kein<br />

eigenständiger Tatbestand)<br />

Son<strong>de</strong>rfall: Straftaten gegen <strong>de</strong>s ungeborene<br />

Leben (§§ 218 ff; Embryonenschutzgesetz)<br />

§ 221 = konkretes Gefährdungs<strong>de</strong>likt, schützt<br />

aber nicht allein das Leben, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

körperliche Unversehrtheit.


Abgrenzung Mord und<br />

Totschlag<br />

Die Literatur versteht § 212 als<br />

Grundtatbestand <strong>de</strong>r Tötungs<strong>de</strong>likte<br />

Mord ist eine Qualifikation<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

stehen § <strong>211</strong> und § 212 in<br />

einem Exklusivitätsverhältnis<br />

Totschlag, § 212<br />

Mord,<br />

§ <strong>211</strong><br />

Mord,<br />

§ <strong>211</strong><br />

Totschlag,<br />

§ 212


§§ 212, <strong>211</strong> Aufbauschema<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Tatbestand<br />

– Obj<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Subj<br />

– Vorsatz<br />

Tod eines an<strong>de</strong>ren Menschen<br />

Handlung<br />

Kausalität<br />

Obj Zurechnung<br />

Rw<br />

Schuld<br />

Strafe: Strafschärfung: § <strong>211</strong>, Mordmerkmale


Auslegungsgrundsätze<br />

Wegen <strong>de</strong>r absoluten Strafandrohung<br />

(lebenslänglich!) ist eine restriktive Auslegung <strong>de</strong>r<br />

Mordmerkmale (Mm) von Verfassungs wegen<br />

geboten, vgl. BverfGE 45, 187; 50, 5.<br />

Die Rechtsprechung hat allerdings teilweise die<br />

Ten<strong>de</strong>nz, insb beim Mm Heimtücke nicht durch<br />

Auslegung einzugrenzen, son<strong>de</strong>rn wählt die<br />

Rechtsfolgenlösung, wonach es durch Richterrecht<br />

möglich sein soll, bei außergewöhnlichen<br />

Umstän<strong>de</strong>n („Grenzfällen“) § 49 I anzuwen<strong>de</strong>n: 3 –<br />

15 Jahre FS. Bsp: Han<strong>de</strong>ln aus gerechtem Zorn,<br />

tiefem Mitleid, großer Verzweiflung,<br />

notstandsähnlicher Lage, schwerer Provokation


Mordmerkmale<br />

Einteilung in drei Gruppen:<br />

1. Gruppe = Verwerflichkeit <strong>de</strong>s Beweggrun<strong>de</strong>s<br />

= täterbezogen<br />

2. Gruppe = Verwerflichkeit <strong>de</strong>r<br />

Begehungsweise = tatbezogen<br />

3. Gruppe = Verwerflichkeit <strong>de</strong>s<br />

Handlungszwecks = täterbezogen


Einteilung <strong>de</strong>r Mm<br />

Die Einteilung <strong>de</strong>r Mordmerkmale in die erste<br />

und dritte Gruppe einerseits und zweite<br />

Gruppe an<strong>de</strong>rerseits hat Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n<br />

Prüfungsaufbau, insbeson<strong>de</strong>re bei<br />

Teilnehmern.


Mordmerkmal: Mordlust<br />

Aus Mordlust han<strong>de</strong>lt, wer eine unnatürliche<br />

Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Vernichtung menschlichen<br />

Lebens empfin<strong>de</strong>t (hier wird in <strong>de</strong>r Regel<br />

Schuldunfähigkeit gemäß § 20 vorliegen!).<br />

Der einzige Zweck <strong>de</strong>r Tat ist hierbei <strong>de</strong>r Tod<br />

eines Menschen: äußerst selten!<br />

Bsp: Tötung aus Neugier, Angeberei, zum<br />

Zeitvertreib


Mordmerkmal: Zur Befriedigung<br />

<strong>de</strong>s Geschlechtstriebes<br />

... tötet <strong>de</strong>r sog. Lustmör<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r schon im Tötungsakt<br />

geschlechtliche Befriedigung sucht<br />

... tötet <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r seine Geschlechtslust an <strong>de</strong>r Leiche<br />

befriedigen will (Nekrophilie),<br />

... tötet <strong>de</strong>r mit bedingtem Tötungsvorsatz han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />

Sexualverbrecher, <strong>de</strong>r im Interesse eines ungestörten<br />

Geschlechtsgenusses Gewalt anwen<strong>de</strong>t und dabei <strong>de</strong>n Tod<br />

<strong>de</strong>s Opfers als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf<br />

nimmt (BGHSt 19, 101).<br />

Belanglos ist, ob die erstrebte sexuelle Befriedigung<br />

tatsächlich erreicht wird, da ein zielgerichtetes Han<strong>de</strong>ln<br />

ausreicht.


Mordmerkmal: Habgier<br />

ist die Steigerung <strong>de</strong>s Erwerbssinns auf ein<br />

ungewöhnliches, ungesun<strong>de</strong>s, sittlich anstößiges<br />

Maß.<br />

Habgierig han<strong>de</strong>lt auch ein Täter, <strong>de</strong>r tötet, um<br />

Aufwendungen zu ersparen (vgl. BGHST 10, 39).


Mordmerkmal: sonstige<br />

niedrige Beweggrün<strong>de</strong><br />

sind solche Beweg­grün<strong>de</strong>, die in ihrer sittlichen Bewertung<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren in § <strong>211</strong> benannten Motiven gleichkommen.<br />

BGHST 3, 132: ,,Niedrig ist ein Tötungsbeweggrund, <strong>de</strong>r<br />

nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht,<br />

durch hemmungslose triebhafte Eigensucht bestimmt und<br />

<strong>de</strong>shalb beson<strong>de</strong>rs verwerflich, verächtlich ist".<br />

Gesamtbeurteilung muss zumin<strong>de</strong>st ein Missverhältnis<br />

zwischen Anlass und Erfolg ergeben.<br />

Beispiele: Tötung aus Rachsucht, Neid, Hass, Wut,<br />

Rassenhass, aus Enttäuschung über verweigerten<br />

Geschlechtsverkehr; aus nichtigem Anlass und plötzlicher<br />

Wut, aus triebhafter Eigensucht, Imponiergehabe, zur<br />

Ver<strong>de</strong>ckung einer vom Täter hervorgerufenen peinlichen<br />

Situation.


Mordmerkmal: Heimtücke<br />

Heimtückisch tötet, wer die objektiv gegebene Arg­ und<br />

Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt<br />

(BGHST 19, 321).<br />

➢ Arglos ist, wer in <strong>de</strong>r konkreten Situation von diesem Täter<br />

keine Feindseligkeiten erwartet (BGHST 27, 322).<br />

➢ Wehrlos ist das Opfer, wenn es in seiner<br />

Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark<br />

eingeschränkt ist. Diese Wehrlosigkeit muss sich als Folge<br />

<strong>de</strong>r Arglosigkeit darstellen.


Mordmerkmal: Grausam<br />

tötet, wer <strong>de</strong>m Opfer aus gefühlloser,<br />

unbarmherziger Gesinnung durch Dauer, Stärke<br />

o<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r Schmerzverursachung beson<strong>de</strong>rs<br />

schwere Qualen körperlicher o<strong>de</strong>r seelischer<br />

Art zufügt (BGHSt 3, 180)<br />

Bsp.: Verhungernlassen eines Kleinkin<strong>de</strong>s).


Mordmerkmal:<br />

Gemeingefährlich<br />

... tötet, wer zur Tötung Tatmittel einsetzt, <strong>de</strong>ren<br />

Wirkungsweise <strong>de</strong>r Täter im Einzelfall nicht sicher<br />

zu berherrschen vermag und <strong>de</strong>ren Einsatz daher<br />

auch geeignet ist, eine größere Anzahl von<br />

Menschen an Leib o<strong>de</strong>r Leben konkret zu gefähr<strong>de</strong>n<br />

Bsp: Tötung durch Brandstiftung, Überschwemmung,<br />

Explosivmittel.


Mordmerkmal: Ermöglichungsund<br />

Ver<strong>de</strong>ckungsabsicht<br />

Bei<strong>de</strong> Merkmale sind subjektive Tatbestandsmerkmale, d. h. es<br />

kommt allein auf die Tätervorstellung an. Die ,,an<strong>de</strong>re Straftat"<br />

(vgl. § 11 I Nr. 5), die ermöglicht o<strong>de</strong>r ver<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n soll,<br />

muss also nicht tatsächlich (objektiv) vorliegen. Auch braucht es<br />

sich nicht notwendig um eine eigene Straftat <strong>de</strong>s Täters zu<br />

han<strong>de</strong>ln (Bsp.: A tötet einen Zeugen, um eine Straftat seines<br />

Freun<strong>de</strong>s F zu ver<strong>de</strong>cken), allerdings muss <strong>de</strong>r Täter<br />

zielgerichtet töten, um damit die Straftat zu ver<strong>de</strong>cken.<br />

In Ver<strong>de</strong>ckungsabsicht han<strong>de</strong>lt z. B. wer einen von ihm<br />

angefahrenen Verkehrsteilnehmer, <strong>de</strong>n ihn nach einer Straftat<br />

anhalten<strong>de</strong>n Polizeibeamten o<strong>de</strong>r einen Verfolger tötet, um<br />

Zeugen <strong>de</strong>r Tat zu beseitigen o<strong>de</strong>r unerkannt zu entkommen.


Versuchsaufbau: §§ 212, <strong>211</strong>, 22<br />

● Tb<br />

● Subj Tb (Tatentschluss)<br />

● Vorsatz bzgl. § 212<br />

● Vorsatz bzgl. Mordmerkmal 2. Gruppe<br />

● Mordmerkmal 1. /3. Gruppe<br />

● Obj: Unmittelbares Ansetzen<br />

● Rw<br />

● Schuld<br />

● Strafe: § 24?


Mordmerkmale<br />

Mehrere Mordmerkmale können auch<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r auftreten. Dies ist auch nicht<br />

ohne Be<strong>de</strong>utung, weil sich daran u.a. die<br />

beson<strong>de</strong>re Schwere <strong>de</strong>r Schuld feststellen<br />

lässt.<br />

In <strong>de</strong>r Praxis be<strong>de</strong>utet § <strong>211</strong> keine lebenslang<br />

zu vollstrecken<strong>de</strong> Freiheitsstrafe, son<strong>de</strong>rn<br />

gem. § 57 a wird nach 15 Jahren geprüft, ob<br />

eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollstreckung möglich<br />

ist. Dafür sind die Feststellungen im Urteil die<br />

Grundlage.

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