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grüner frauenbericht 2015

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<strong>grüner</strong><br />

<strong>frauenbericht</strong><br />

<strong>2015</strong><br />

halbe-halbe in beruf,<br />

politik und alltag


03 inhalt<br />

inhalt<br />

05 Editorial<br />

06 Frauenwelt in Zahlen<br />

10 Glossar<br />

12 Interview mit Eva Glawischnig<br />

14 Wer hat’s gesagt?<br />

16 Kommentar von Sibylle Hamann<br />

18 FRAUEN UND GELD<br />

20 Ich arbeite – also bin ich arm?<br />

23 Die Diskussion um die Frauenpension<br />

26 Wie weiblich ist das Budget?<br />

28 Europa-Panorama<br />

29 Wir Grüne wollen<br />

30 FRAUEN UND SICHTBARKEIT<br />

32 Gleich, gleicher, Gender<br />

34 Mama geht arbeiten<br />

36 Wie wir – und wie weiblich?<br />

38 Europa-Panorama<br />

39 Wir Grüne wollen<br />

50 FRAUEN UND KÖRPER<br />

52 Gesundheit aus Genderperspektive<br />

53 5 Fragen an Elisabeth Löffler<br />

54 Straffen, spritzen, gesetzlich regeln<br />

55 Schwanger – was nun?<br />

56 Europa-Panorama<br />

57 Wir Grüne wollen<br />

58 GEWALT GEGEN FRAUEN<br />

60 Der Weg aus der Gewaltspirale<br />

62 Selbstbestimmt und selbstbewusst<br />

64 Vom Selfie zum Sexting<br />

66 Europa-Panorama<br />

67 Wir Grüne wollen<br />

68 Parlamentarische Arbeit<br />

70 Grüne Frauenorganisationen<br />

71 Impressum<br />

40 FRAUEN UND BILDUNG<br />

42 Wissen ist weiblich<br />

44 Die gläserne Decke hat einen Sprung<br />

46 5 Fragen an Edeltraud Hanappi-Egger<br />

47 Frauen helfen Frauen<br />

48 Europa-Panorama<br />

49 Wir Grüne wollen


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

04


05 editorial<br />

Liebe Frauen,<br />

liebe Männer,<br />

unser jährlicher Frauenbericht hat ein Anliegen. Wir wollen Frauen und Mädchen<br />

darin bestärken, sich in Gesellschaft und Politik einzumischen. Die einzelnen Kapitel<br />

– „Frauen und Geld“, „Frauen und Sichtbarkeit“, „Frauen und Bildung“, „Frauen und<br />

Körper“ und „Gewalt gegen Frauen“ – liefern Fakten, schildern die Probleme und<br />

zeigen politische und gesellschaftliche Lösungen auf. Unser Ziel ist es, die schiefe<br />

Ebene, auf der sich Frauen bewegen müssen, gerade zu richten.<br />

Frauen finden derzeit nicht die gleichen Rahmenbedingungen vor, um zu<br />

Ressourcen und Macht zu kommen. Überall, wo Geld eine wichtige Rolle spielt, sind<br />

Frauen kaum sichtbar. Solange relevante politische Hebel, wie das jährliche Budget<br />

oder eine Steuerreform, nicht auf diese schiefe Ebene Einfluss nehmen, werden<br />

wir von echter Gleichbehandlung weit entfernt bleiben. Die Entlastung durch die<br />

geplante Steuerreform geht im Übrigen zu zwei Drittel an Männer und nur zu einem<br />

Drittel an Frauen. Das ist ignorant gegenüber den Frauen in Österreich, die immer<br />

noch um ein Viertel weniger verdienen als Männer; ignorant gegenüber den vielen<br />

Frauen, die an der Armutsgrenze leben, ignorant gegenüber den vielen Frauen,<br />

die trotz guter Ausbildung unter ihrem Qualitätsniveau eingesetzt und bezahlt<br />

werden.Viele Fragen stellen wir schon lange, z.B. warum „Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie“ Frauen zugeschrieben wird. Oder warum die Pflege von Angehörigen<br />

immer noch vor allem Frauensache ist. Frauen sind aufgrund ihrer Karenzzeit,<br />

Teilzeittätigkeit, Erwerbspausen etc. in der Pension benachteiligt, das darf auch in<br />

Diskussionen um das Frauenpensionsalter nicht einfach weggewischt werden.<br />

Manche alte Fragen stellen sich neu und in unerträglicher Schärfe – man denke<br />

an die Entführung und Versklavung, die Misshandlung, Vergewaltigung und<br />

Ermordung von Tausenden Frauen und Mädchen etwa in Syrien, im Irak oder<br />

in Nigeria – Berivan Aslan ist als kurdisch-stämmige Österreicherin besonders<br />

involviert. Sie versucht unter anderem durch Reisen in die kritischen Gebiete im<br />

Nahen Osten zu verhindern, dass das Schicksal dieser Frauen aus dem Fokus der<br />

Weltöffentlichkeit gerät. Diese brutale Frauenfeindlichkeit darf uns nicht mundtot<br />

machen, ganz im Gegenteil: Sie soll uns alle ermutigen, uns für eine (gewalt)freie<br />

Gesellschaft einzusetzen!<br />

Eva Glawischnig<br />

Grüne Bundessprecherin<br />

Berîvan Aslan<br />

Grüne Frauensprecherin


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

06<br />

frauenwelt<br />

in zahlen<br />

In 6 % der österreichischen Gemeinden<br />

gibt es eine Bürgermeisterin!<br />

4,34 Mio. Frauen<br />

leben in Österreich, das sind<br />

51,2 % der Gesamtbevölkerung!<br />

23 % der Alltagswege<br />

legen Frauen in Vorarlberg<br />

zu Fuß zurück (Männer: 15 %).<br />

62 Tage müssen<br />

Frauen länger arbeiten,<br />

damit sie auf das gleiche<br />

Gehalt wie Männer im<br />

gleichen Job kommen.<br />

2<br />

Nobelpreisträgerinnen<br />

aus Österreich gibt es:<br />

Bertha von Suttner (Friedensnobelpreis<br />

1905) und Elfriede Jelinek<br />

(Nobelpreis für Literatur 2004).<br />

7 Rektorinnen<br />

gibt es in Österreich. D.h.<br />

jede dritte Uni wird von<br />

einer Frau geleitet.<br />

1,4 Kinder<br />

ist die durchschnittliche<br />

Kinderzahl pro Frau.<br />

1961 waren es 2,8 Kinder.


07 frauenwelt in zahlen<br />

29,1 Jahre<br />

ist das durchschnittliche<br />

Alter der Mutter bei der<br />

Geburt des ersten Kindes.<br />

Frauen verdienen<br />

brutto pro Stunde um<br />

23 %<br />

weniger als Männer<br />

(EU-Durschnitt: 16,4 %).<br />

51 % der ProfessorInnen<br />

der Akademie der bildenden Künste sind Frauen.<br />

83,6 Jahre beträgt die<br />

durchschnittliche Lebenserwartung<br />

von Frauen. Die<br />

von Männern beträgt 78,5 Jahre.<br />

852 Euro Pension<br />

bekommt eine Frau im<br />

Durchschnitt.<br />

1.769 Euro der Mann.<br />

55,2 % der<br />

20–24-jährigen Frauen<br />

leben im Elternhaus, bei<br />

den Männern sind es 70,4 %.<br />

94,5 % beträgt der<br />

Schülerinnen-Anteil<br />

an Pädagogischen<br />

Hochschulen.<br />

145.031 Frauen und 128.249 Männer<br />

studierten 2013/2014 an öffentlichen Universitäten.


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

08<br />

In den Studienrichtungen<br />

Maschinenbau und<br />

Elektrotechnik<br />

liegt der Frauenanteil<br />

unter 10 %.<br />

42 %<br />

Frauenquote gibt es<br />

bei Doktoratsabschlüssen<br />

an österr.<br />

Universitäten.<br />

Frauen sind in Österreich<br />

mit einem Anteil von<br />

15,2 % deutlich<br />

weiterbildungsaktiver<br />

als Männer (13,0 %).<br />

Generell waren Frauen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

häufiger<br />

überqualifiziert<br />

beschäftigt<br />

als Männer mit Migrationshintergrund<br />

(32 % gegenüber<br />

25 %).<br />

70 % der Österreicherinnen<br />

im Alter von 40 und mehr<br />

Jahren haben sich in den<br />

letzten drei Jahren einer<br />

Mammographie unterzogen.<br />

74,2 % aller Frauen<br />

haben sexuelle Belästigung<br />

erlebt.<br />

Die weibliche Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen beträgt<br />

58 % gegenüber 70 % bei Frauen ohne Migrationshintergrund.


09 frauenwelt in zahlen<br />

Von den 183 Abgeordneten des Nationalrats<br />

sind derzeit 56 Frauen (30,6 %).<br />

Weltweit<br />

sind die Abgeordneten<br />

in den Parlamenten etwa<br />

20 % Frauen.<br />

3,08 Stunden<br />

wenden Frauen täglich für<br />

die Haushaltsführung auf<br />

(Männer: 2,10 Stunden).<br />

1918 wurde das Frauenwahlrecht in Österreich<br />

(vergleichsweise früh) eingeführt.<br />

839 Anzeigen<br />

wegen Vergewaltigung<br />

gab es 2014 in Österreich.<br />

668 Fälle konnten geklärt<br />

werden.<br />

Selbst-<br />

41 % der<br />

ständigen sind Frauen.<br />

3,23 Stunden Freizeit haben Frauen<br />

durchschnittlich am Tag.<br />

(Männer: 3,58 Stunden)<br />

QUELLEN:<br />

Statistik Austria, „Österreichische Prävalenzstudie zur<br />

Gewalt an Frauen und Männern“ des Österreichischen<br />

Instituts Familienforschung (ÖIF), Gender Pay Gap<br />

von Eurostat, Polizeiliche Kriminalstatistik Österreich.


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

10<br />

was heisst<br />

eigentlich …<br />

Binnen-I<br />

Das Binnen-I soll in der deutschen Sprache sichtbar machen, dass sowohl die männliche als auch die<br />

weibliche Form gemeint ist – z. B. LehrerInnen oder MitarbeiterInnen. 1987 verabschiedete die UNESCO<br />

eine Resolution für einen nicht sexistischen Sprachgebrauch, im Zuge derer eine Richtlinie erarbeitet<br />

wurde, die neben Empfehlungen zum Gebrauch der weiblichen Form und des Binnen-I verschiedene<br />

Varianten geschlechtergerechter Sprache vorstellt. Eine aus der Queer-Theorie stammende Alternative<br />

zum Binnen-I ist das sogenannte Gender Gap (z. B. Musiker_innen oder Politiker_innen). Damit sollen<br />

alle sozialen Geschlechter und Geschlechteridentitäten miteinbezogen werden.<br />

Einkommensschere<br />

Im internationalen Fachjargon auch „Gender Pay Gap“ genannt, stellt die Einkommensschere<br />

die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede zwischen den durchschnittlichen<br />

Bruttostundenverdiensten von Frauen und jenen der Männer dar. Im Vergleich zu anderen<br />

EU-Mitgliedstaaten zählt Österreich zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen<br />

Lohn- und Gehaltsunterschieden (23 %) und rangiert an vorletzter Stelle. Noch größere<br />

Unterschiede gibt es nur in Estland (29,9 %). Der EU-Durchschnitt beträgt 16,4 %.<br />

Equal Pay Day<br />

Aus den obigen Zahlen zur Einkommensschere ergeben sich die Berechnungen zum „Equal Pay Day“.<br />

Dieser Stichtag besagt, wann Frauen gleich viel verdient haben, wie männliche Kollegen bereits Ende<br />

des vorangegangenen Jahres in der Tasche hatten. Das überparteiliche internationale Frauennetzwerk<br />

BPW (Business and Professional Women) berechnet diesen Tag für <strong>2015</strong> wie folgt: Bei einer Basis von<br />

260 Arbeitstagen im Jahr, abzüglich des 1. Jänner und des 6. Jänner als Feiertage, ergeben sich aus<br />

den 23 % Einkommensunterschied insgesamt 62 Tage, die Frauen länger arbeiten müssen als Männer.<br />

Daher fiel der Equal Pay Day im Jahr <strong>2015</strong> auf den 31. März. Der Equal Pay Day wird allerdings auch im<br />

Herbst (Anfang/Mitte Oktober) begangen. Dieses Datum verweist auf den Stichtag, ab dem<br />

Frauen statistisch gesehen ohne Lohn weiterarbeiten müssen.<br />

Gender Mainstreaming<br />

Gender Mainstreaming ist eine Strategie für EntscheidungsträgerInnen, zur Gleichstellung von Frauen<br />

und Männern beizutragen. Dabei werden politische Maßnahmen auf eine mögliche benachteiligende<br />

Auswirkung auf Frauen und Männer analysiert, um dem anschließend entgegenzuwirken. Das Prinzip<br />

des Gender Mainstreaming wurde erstmals 1995 auf der Weltfrauenkonferenz in Peking beschlossen.<br />

Die Europäische Union hat das Prinzip aufgegriffen und sich zur Durchführung von Gender<br />

Mainstreaming verpflichtet, ebenso wie die österreichische Regierung –<br />

zumindest auf dem Papier.


11 glossar<br />

Gender Budgeting<br />

Frauen und Männer sollen in allen Bereichen gerecht und fair entlohnt und behandelt werden.<br />

Dafür ist eine Veränderung der Budgetpolitik im Sinne des Gender Mainstreaming notwendig –<br />

Gender Budgeting lautet das Zauberwort. Es bedeutet, dass das Budget auf seine Auswirkungen<br />

auf Männer und Frauen hin analysiert und entsprechend den Gleichstellungszielen verändert wird.<br />

Denn auch „geschlechtsneutral“ erscheinende Änderungen in Bereichen wie z. B. Gesundheit,<br />

Bildung, Verkehr, Arbeitsmarkt etc. können sich aufgrund der Lebensrealitäten von Frauen<br />

und Männern unterschiedlich auswirken.<br />

Quotenregelung<br />

Gut 50 % der Gesamtbevölkerung sind Frauen – allerdings spiegelt sich dieses Verhältnis in den meisten<br />

Institutionen, Gremien, Aufsichtsräten, in der Wissenschaft, in sogenannten Top-Jobs, in der Politik<br />

usw. nicht wider. Eine Möglichkeit, das zu ändern, ist die Quotenregelung. Darunter versteht man eine<br />

Vorgabe, die festlegt, dass ein bestimmter Prozentsatz von MitarbeiterInnen eines Unternehmens oder<br />

Mitgliedern eines Gremiums aus Frauen bestehen muss. Die EU-Kommission hat sich im November<br />

2012 für eine Frauenquote von 40 % in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ausgesprochen.<br />

In Österreich sind Grundlagen für die Frauenquote im Bundes-Verfassungsgesetz festgeschrieben,<br />

verankert ist die Quotenregelung bisher mit 45 % nur im Öffentlichen Dienst.<br />

Revenge Porn<br />

Revenge Porn, übersetzt Racheporno, bezeichnet explizit sexuelle Inhalte (meist Fotos oder Videos),<br />

die – häufig von Expartnern – ohne die Genehmigung der darauf abgebildeten Person im Internet<br />

verbreitet werden, um ihr zu schaden. Oft werden die Bilder mit dem Zusatz des echten Namens,<br />

einem direkten Link zum Facebook-Profil oder auch anderen persönlichen Daten wie Wohnadresse,<br />

Arbeitsplatz oder Telefonnummer hochgeladen. Besonders oft sind Frauen davon betroffen.<br />

Vor allem in Großbritannien sind Rachepornos in den vergangenen Jahren zunehmend außer Kontrolle<br />

geraten, weshalb der Gesetzgeber nun reagiert hat: Der Upload pornografischen Materials ohne<br />

Zustimmung der gezeigten Person wurde im Oktober 2014 unter Strafe gestellt.<br />

Viktimisierung<br />

Wörtlich bedeutet Viktimisierung „Zum-Opfer-Machen“ (lat. victima = Opfer, daraus engl. victim).<br />

Oft wird der Begriff gebraucht, um eine Opfer-Täter-Umkehr zu beschreiben, die etwa dann vorliegt,<br />

wenn einem Opfer sexueller Gewalt vorgeworfen wird, die Gewalt selbst provoziert zu haben.<br />

Viktimisierung liegt auch dann vor, wenn eine Person eine Benachteiligung erfährt, weil sie sich über<br />

eine Diskriminierung beschwert hat oder weil sie eine andere Person, die sich beschwert hat,<br />

unterstützt bzw. unterstützt hat.


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

12<br />

„natürlich betrifft<br />

frauenpolitik<br />

auch männer“<br />

Hat ein Mädchen <strong>2015</strong> in Österreich die gleichen<br />

Zukunftschancen wie ein Bub? Und wie schaut Gleichberechtigung<br />

in zehn Jahren aus? Eva Glawischnig,<br />

die Chefin der Grünen, im Interview.<br />

Wenn wir von Feminismus oder Frauenpolitik<br />

sprechen, wird generell davon ausgegangen, dass<br />

das Thema „nur“ Frauen betrifft. Warum ist diese<br />

Annahme falsch?<br />

Eva Glawischnig: Natürlich betrifft Frauenpolitik<br />

auch Männer. Bis 1975 durften Frauen ohne Zustimmung<br />

des Mannes nicht arbeiten, über den Wohnsitz<br />

mitentscheiden und den Familiennamen wählen. Da<br />

haben Frauen viel an Selbstständigkeit erkämpft,<br />

und Männer mussten entsprechend Macht abgeben.<br />

Andererseits verändert der Feminismus traditionelle<br />

Rollenerwartungen an Männer.<br />

„Ganze Männer machen halbe-halbe“ – diese<br />

Forderung wurde erstmals 1996 von der damaligen<br />

SPÖ-Frauenministerin Helga Konrad gestellt. Und<br />

sie findet sich u.a. auch in diesem Frauenbericht<br />

wieder. Was hat sich in fast 20 Jahren getan?<br />

Männer gehen immer öfter in Karenz. Im Öffentlichen<br />

Dienst gibt es endlich einen Rechtsanspruch<br />

auf einen Papa-Monat. Immerhin 353 Männer haben<br />

von diesem Gebrauch gemacht. Allerdings gehen<br />

Männer deutlich kürzer in Karenz. Mehr Väterbeteiligung<br />

wäre notwendig. Die meiste Zeit mit den<br />

Kindern verbringen immer noch die Mütter.<br />

Eine zentrale Forderung der Grünen lautet: gleicher<br />

Lohn für gleiche Arbeit. Oft hört man das Argument,<br />

Frauen könnten gar nicht weniger verdienen,<br />

weil es ja Kollektivverträge gibt. Verhandeln Frauen<br />

einfach schlechter?<br />

Erstens gibt es nicht überall Kollektivverträge, und<br />

zweitens sind die „traditionellen Frauenberufe“ viel<br />

schlechter bezahlt. Regina Petrik, unsere burgenländische<br />

Spitzenkandidatin, hat ein Jahr lang in<br />

unterschiedlichen Berufen, etwa als Näherin, als<br />

Verkäuferin usw. gearbeitet. Am besten verdient hat<br />

sie als Bauarbeiterin, also in einem „traditionellen<br />

Männerberuf“. Und dann gibt es noch die gläserne<br />

Decke: In europäischen Topunternehmen ist nur eines<br />

von sieben (13,7 %) Aufsichtsratsmitgliedern und<br />

nur eine von 30 VorstandschefInnen (3,2 %) weiblich.<br />

Warum käme ein gesetzlicher Mindestlohn von<br />

1.550 Euro vor allem Frauen zugute?<br />

Frauen verdienen in Österreich im Schnitt um 23%<br />

weniger als Männer. Eine Sekretärin bei einem Notar<br />

oder einem Rechtsanwalt, aber auch eine Friseurin<br />

würde daher von einem gesetzlichen Mindestlohn<br />

deutlich profitieren.


13 interview<br />

Frauen verrichten nach wie vor einen großen Teil<br />

der unbezahlten Arbeit, kümmern sich um die<br />

Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen.<br />

Wie können Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit<br />

in unserer Gesellschaft besser aufgeteilt werden?<br />

Es braucht einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz<br />

ab dem vollendeten ersten Lebensjahr,<br />

und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass<br />

Männer gleich lang in Karenz gehen. Pflegebedürftige<br />

Menschen haben meist nicht nur Töchter, sondern<br />

auch Söhne, die einen Teil übernehmen könnten.<br />

Notwendig ist ein Rechtsanspruch auf<br />

Pflegekarenz, denn die Gefahr, den<br />

Arbeitsplatz zu verlieren, belastet<br />

pflegende Angehörige oft<br />

noch zusätzlich.<br />

Mitte März hat die österreichische<br />

Bundesregierung<br />

eine Steuerreform<br />

präsentiert, bei der sie<br />

sich nur auf den kleinsten<br />

gemeinsamen Nenner<br />

hat einigen können.<br />

BezieherInnen niedriger<br />

Einkommen und Frauen sind<br />

die klaren VerliererInnen dieser<br />

Steuerreform. Was heißt das, und<br />

wo würde das Grüne Modell ansetzen?<br />

Nach unserem Modell würde eine Teilzeitbeschäftigte<br />

im Jahr 1.100 Euro mehr im Börserl haben, nach<br />

dem Regierungsmodell bloß 290 Euro. Der Kanzler<br />

würde dagegen fast gar nicht davon profitieren,<br />

während die Regierung ihm 2.300 Euro mehr im<br />

Jahr geben will. Wir würden also niedrige Einkommen<br />

deutlich mehr entlasten.<br />

Zu Beginn der Frauenrechtsbewegungen haben<br />

Frauen für ihr politisches Mitspracherecht<br />

gekämpft. Wofür gilt es heute zu kämpfen?<br />

besser gebildet sind als früher, sind Führungspositionen<br />

immer noch vorwiegend männlich besetzt.<br />

Nicht einmal ein Drittel der Nationalratsabgeordneten<br />

sind Frauen. Wir brauchen Gewaltschutzzentren,<br />

Notwohnungen sowie Frauen- und Mädchenberatungsstellen.<br />

Jede fünfte Frau in Österreich ist<br />

von Gewalt betroffen. Und wie man angesichts<br />

der Debatte um das Sexualstrafrecht sieht, sehen<br />

manche Männer sexuelle Belästigung immer noch<br />

als Kavaliersdelikt an. Das ist jenseitig!<br />

Hat ein Mädchen <strong>2015</strong> in Österreich die gleichen<br />

Zukunftschancen wie ein Bub?<br />

Ich würde mir das sehr wünschen,<br />

aber leider ist dem<br />

nicht so. Obwohl die<br />

Frauenbewegung sehr<br />

erfolgreich ist, sind<br />

vollkommene Chancengleichheit<br />

oder gleicher<br />

Lohn für gleiche Arbeit<br />

immer noch hart zu<br />

erkämpfen.<br />

Im Bildungsbereich haben<br />

Mädchen bereits aufgeholt.<br />

Am Arbeitsmarkt, bei der Karriere<br />

oder im Geldbeutel sieht das<br />

noch anders aus. Wie schaut Gleichstellung<br />

in zehn Jahren aus?<br />

Frauen und Männer werden sich partnerschaftlich<br />

die Kindererziehung gerecht aufteilen, Frauen werden<br />

gleich viel verdienen wie Männer, im Parlament<br />

und in Führungsetagen sitzen so viele Frauen wie<br />

Männer, und keine Frau ist mehr von Gewalt oder<br />

sexueller Belästigung betroffen. Das ist die Vision.<br />

Vermutlich werden wir aber länger als zehn Jahre<br />

brauchen, um sie zu verwirklichen. p<br />

Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als<br />

Männer. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist immer<br />

noch zu erkämpfen. Und obwohl Frauen deutlich


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

14<br />

wer hat’s<br />

gesagt?<br />

Was haben Emma Watson und Andreas Gabalier<br />

gemeinsam? Wohl eher nichts, wie unsere<br />

Zitaten-Sammlung zeigt. Welche Themen wurden<br />

im vergangenen Jahr diskutiert? Die Zitate<br />

des Jahres – zwischen echtem Engagement<br />

und infamer Ignoranz.<br />

><br />

><br />

><br />

„Men, I would like to take this opportunity to extend your<br />

formal invitation. Gender equality is your issue too.“<br />

Emma Watson, UN-Sonderbotschafterin für Frauen<br />

In ihrer Rede vor den Vereinten Nationen, 20. 9. 2014<br />

><br />

„Den Text der österreichischen Bundeshymne<br />

lernte ich mit acht Jahren in der Schule im Sachkundeunterricht,<br />

und ich sehe keine Veranlassung,<br />

ihn anders zu singen.“<br />

Andreas Gabalier, Musiker<br />

In einem offenen Brief via APA, 24. 6. 2014<br />

„Die brutale Sparpolitik der EU-Troika der letzten Jahre<br />

hat die Armut von Frauen weiter erhöht, prekäre Beschäftigung<br />

wird zunehmend zum Normalarbeitsverhältnis, die ,gläserne Decke‘<br />

im Karriereverlauf ist für viele Frauen nach wie vor aus Beton.“<br />

Monika Vana, Grüne Europaabgeordnete<br />

Anlässlich des Internationalen Frauentags <strong>2015</strong>, 4. 3. <strong>2015</strong><br />

><br />

„Die Rache der Frauen wird nicht furchtbar sein.“<br />

Reinhold Entholzer, Oberösterreichs SPÖ-Chef<br />

Zum Aufbegehren der Frauen in der SPÖ im Interview<br />

mit der Tageszeitung „Der Standard“, 25. 8. 2014<br />

„Aber ich gestehe zu, dass die Quote ein hilfreiches Vehikel wäre.“<br />

Hans Jörg Schelling, ÖVP-Finanzminister<br />

Im Interview mit dem Magazin „WOMAN“, Ausgabe 26/2014


15 zitate<br />

><br />

„Das Binnen-I verstößt gegen alle Usancen der deutschen Sprache<br />

und ist ein artifizielles Minderheitenprogramm.“<br />

Konrad Paul Liessmann, Philosoph<br />

Über seinen Kampf gegen das Binnen-I im Magazin „Profil“, 28. 7. 2014<br />

><br />

„Es schenkt uns niemand das Binnen-I, sondern<br />

wir haben es uns genommen.“<br />

Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste<br />

Im „ZIB 2“-Interview, 15. 7. 2014<br />

><br />

><br />

><br />

„I am Malala, but I am also those 66 million girls who<br />

are deprived of education. I’m not raising my voice. It is<br />

the voice of those 66 million girls.“<br />

Malala Yousafzai, 17-jährige Kinderrechtsaktivistin<br />

Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises, 10. 10. 2014<br />

„Auf Frauen verzichten heißt Geld vernichten!“<br />

Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments,<br />

Grüne/EFA-Fraktion, Österreich<br />

Im Interview mit www.phenomenelle.de, 1. 4. <strong>2015</strong><br />

„Sexual assault is neither a ,light‘ nor ,fluffy‘ matter,<br />

and we cannot treat it as if it were.“<br />

Emma Sulkowicz, Studentin und Anti-Vergewaltigungs-Aktivistin<br />

Über ihren Protest „Carry That Weight“ in der Studentenzeitung<br />

der Columbia University, 26. 10. 2014<br />

><br />

><br />

„Es ist nichts Herabsetzendes, wenn die Frau kocht und<br />

auf die Kinder schaut. Der Mann muss es würdigen.“<br />

Herbert Prohaska, ehemaliger Fußballspieler und Trainer<br />

Im Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“, 16. 8. 2014<br />

„Gender matters everywhere in the world. And I would like<br />

today to ask that we should begin to dream about and plan for<br />

a different world. A fairer world. A world of happier men and<br />

happier women who are truer to themselves. And this is how<br />

to start: we must raise our daughters differently.<br />

We must also raise our sons differently.“<br />

Chimamanda Ngozi Adichie, nigerianische Schriftstellerin<br />

In ihrem Buch „We Should All Be Feminists“, veröffentlicht im Oktober 2014


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

16<br />

feminismus<br />

in der krise?<br />

in der krise –<br />

feminismus!<br />

Der Feminismus hat alle ökonomischen Krisen<br />

und ideologischen Konfrontationen der vergangenen<br />

Jahre erstaunlich gut überstanden – und ist sogar<br />

kräftiger denn je. In den wichtigsten Existenzfragen<br />

unserer Gegenwart kann er uns den<br />

Weg weisen.<br />

Zugegeben: Um die Jahrtausendwende, als der<br />

Aktienmarkt noch stabil und der Glaube an das<br />

ewige Wohlstandswachstum ungebrochen war,<br />

machte der Feminismus einen etwas ramponierten<br />

Eindruck. Die Politik hatte ihn erfolgreich in Nischen<br />

zurückgedrängt, die „Frauenförderungsprogramme“,<br />

„Frauenforschungslehrstühle“ oder „Frauenhäuser“<br />

hießen. Dort – so lautete der Auftrag – sollten sich<br />

Feministinnen still miteinander beschäftigen. Dort<br />

kriegten sie ein bisschen Geld und zum Frauentag<br />

jährlich ein bisschen ritualisierte Aufmerksamkeit,<br />

damit sie die Allgemeinheit nicht weiter belästigen<br />

würden. Man stellte Feministinnen damals flächendeckend<br />

als schönheits-, lust- und körperfeindliche<br />

Ideologinnen dar, schmähfrei, verbissen und verhärmt.<br />

Und irgendwann bald, so hieß es, wenn die<br />

alten Kämpferinnen gebrechlich wären, würde sich<br />

der Feminismus erledigt haben. Denn die jungen,<br />

feschen, sexy, erfolgreichen Alpha-Mädchen –<br />

die brauchen so etwas doch nicht!<br />

Inzwischen sind multiple Krisen über uns hinweggezogen.<br />

Europa kämpft mit dem Euro und mit<br />

der Massenarbeitslosigkeit. An den Rändern des<br />

Kontinents herrscht Krieg, wir müssen uns gegen<br />

fundamentalistische Bedrohungen wappnen, innen<br />

und außen. Viele einstige Gewissheiten – der Fortschrittsglaube,<br />

die Strahlkraft der liberalen Demokratie<br />

– schauen mittlerweile ramponiert aus. Aber,<br />

oh Wunder: Der Feminismus ist immer noch da. Er<br />

hat alle Stürme, die über ihn hinweggefegt sind,<br />

unbeschadet überlebt. Er schaut sogar frischer und<br />

lebendiger aus als zuvor. Und wer weiß – womöglich<br />

eignet er sich inmitten des Durcheinanders sogar<br />

als Wegweiser.<br />

Das ist tatsächlich gut möglich. Man muss nur ein<br />

bisschen genauer hinschauen, um dafür schon jetzt<br />

Indizien zu erkennen. Erstes Beispiel: die globale<br />

Wirtschaft. In den Machtzentren des US-amerikanischen<br />

Kapitalismus ist der Feminismus ins Gewand


17 kommentar<br />

des „Diversity Managements“ geschlüpft und zieht<br />

von dort aus um die Welt. Was der Feminismus<br />

schon lange weiß, weiß nämlich inzwischen auch<br />

jedes profitorientierte Unternehmen: dass Vielfalt<br />

von Vorteil ist; dass Entscheidungen qualitativ besser<br />

werden, wenn jene, die sie fällen, möglichst viele<br />

unterschiedliche Erfahrungen mitbringen.<br />

Die Quote, einst ein verpöntes Brachialinstrument,<br />

ist dewegen heute in der Mitte des Mainstreams<br />

angekommen. In allen Branchen wird sie mittlerweile<br />

ausprobiert, in Bildung und Wissenschaft, in der<br />

Politik und in den Medien. Sogar in weltanschaulich<br />

konservativen Institutionen gehört es mittlerweile<br />

zum guten Ton, ein Mindestmaß an Vielfalt zur<br />

Schau zu stellen. Nach anfänglichem Heulen und<br />

Zetern stellt sich beinahe überall heraus: Die Quote<br />

ist überraschend effizient. Sie wirkt rasch, wo<br />

Überzeugen und Verhandeln jahrzehntelang<br />

nichts bewegt haben. Und man<br />

gewöhnt sich daran.<br />

Zweites Beispiel: die Familien-politik.<br />

Hier herrscht Verwirrung und<br />

Angst, abzulesen an stetig sinkenden<br />

Kinderzahlen. Das traditionelle<br />

Familienbild vom „Haupternährer“<br />

und der „Zuverdienerin“ hat endgültig<br />

ausgedient, es kracht an allen Ecken und<br />

Enden. Die einen arbeiten zu viel, verausgaben sich<br />

in Dauerüberstunden und schlittern ins Burn-out. Die<br />

anderen arbeiten zu wenig und finden aus Arbeitslosigkeit<br />

oder Dauerprekariat nicht mehr heraus.<br />

Dazwischen bleibt für Familien kaum Luft und<br />

eit zum Verschnaufen.<br />

Wie könnte man das menschenwürdiger organisieren?<br />

Hier zeigt uns der Feminismus skandinavischer<br />

Prägung die Richtung an. Gleichberechtigte Elternschaft<br />

ist die sinnvollste Art, bezahlte und unbezahlte<br />

Arbeit unter einen Hut zu bringen, privat ebenso<br />

wie gesamtgesellschaftlich. Männer müssen sich für<br />

Familie, Reproduktion und Vereinbarkeitsfragen gleichermaßen<br />

verantwortlich fühlen – und gleichermaßen<br />

verantwortlich gemacht werden. Funktionieren<br />

kann das nur, wenn sich Männer an der Frauenbewegung<br />

ein Beispiel nehmen und Rollenzwänge,<br />

Erwartungshaltungen und Geschlechterklischees<br />

hinterfragen. Die Konflikte, mit denen diese Neuverteilung<br />

der Rollen einhergeht, kann man derzeit<br />

spüren, vor allem in Obsorgefragen. Doch wir ahnen<br />

bereits: Es wird sich am Ende auszahlen. Für beide<br />

Geschlechter.<br />

Drittes Beispiel ist der Kulturkampf. Die westlichen<br />

Demokratien werden akut bedroht, bedrängt von<br />

fundamentalistischen Kräften, die von Hass und revolutionären<br />

Heilsversprechen angetrieben werden.<br />

Was kann man dem entgegensetzen? Was genau<br />

wollen wir verteidigen? Was macht, im Vergleich zu<br />

anderen, das Besondere, Verteidigenswerte<br />

unserer Art zu leben aus? Auch hier hat<br />

sich der Feminismus als großartiger<br />

Kompass erwiesen.<br />

Es ist kein Zufall, dass es in der<br />

Auseinandersetzung mit dem Islamismus<br />

immer sehr rasch um Frauenrechte<br />

geht. Ob alle Menschen<br />

denselben Anspruch auf Würde,<br />

Respekt und Platz in der Öffentlichkeit<br />

haben; ob sie dieselben Chancen<br />

haben, sich zu entfalten – diese Fragen hat<br />

die Frauenbewegung zu stellen gelernt. Und sie sind<br />

ebenso tauglich, um festzustellen, wie ernst es eine<br />

Gesellschaft generell mit ihren Grundwerten meint –<br />

mit den Menschenrechten, mit der Demokratie, mit<br />

dem selbstbestimmten Leben.<br />

Man muss diese Fragen ja nicht immer nur den Fundamentalisten,<br />

den „anderen“ stellen. Zum Erkenntnisgewinn<br />

helfen sie auch in der unmittelbaren Nähe<br />

ganz gut. p<br />

> Text: Sibylle Hamann / Foto: Godany


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

18<br />

was kostet<br />

die welt?<br />

Ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben bedeutet<br />

auch ein ökonomisch unabhängiges Leben. Frauen arbeiten<br />

jedoch besonders oft in prekären Arbeitsverhältnissen, d.h.<br />

in Teilzeit, oder sie sind geringfügig beschäftigt. Und: Die<br />

Einkommensschere zwischen Frauen und Männern<br />

schließt sich nicht. Warum eigentlich?<br />

„Viele Leute fragen mich, wie ich das alles unter einen Hut bekomme … aber irgendwie geht es sich immer<br />

aus.“ Alexandra Simonic ist das, was man gemeinhin als Workaholic bezeichnen könnte: Sie studiert<br />

Musikmanagement und BWL, arbeitet 20 Stunden in der Woche bei einer Rechtsschutzversicherung,<br />

ist DJane aus Leidenschaft und nebenbei auch noch ehrenamtlich tätig. Man könnte aber auch sagen:<br />

Alexandra ist eine von vielen jungen Frauen, die zwischen Lebensplanung und Lebensfinanzierung einfach<br />

eines wollen: leben.<br />

Dabei hat sie schon relativ früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen: „Ich habe mit 19 die HAK-Matura<br />

gemacht, ein Jahr zuvor bin ich von zuhause ausgezogen. Ab dem Zeitpunkt der Matura habe ich mir mein<br />

Leben selber finanzieren müssen. Im Nachhinein gesehen bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich recht<br />

schnell selbstständig sein musste. Das bringt einen in der persönlichen Entwicklung schnell weiter.“<br />

Arbeit ist für Alexandra identitätsstiftend. „Mein Selbstwert hängt schon stark an dem, was und wofür<br />

ich arbeite“, sagt die 29-Jährige. Gerade der Job als DJane verlangt ihr dabei aber oft einiges ab. „Das<br />

Auflegen ist ein purer Nacht-Job. Wenn ich beispielsweise um 1 oder 2 Uhr anfange, arbeite ich bis 5<br />

oder halb 6 in der Früh. Das schlägt sich natürlich auf den Körper nieder.“ Von ihren Jobs als DJane kann<br />

Alexandra aber allein nicht leben. „Dazu brauchst du in Österreich viele Connections und Glück – und<br />

es hilft, wenn man ein Mann ist“, meint sie. Zwar wird über die Höhe der Gagen in der Branche nicht viel<br />

gesprochen, Alexandra ist aber der Meinung, dass männliche DJs zumindest ernster genommen werden,<br />

wenn sie mehr fordern.<br />

Alexandra macht sich viele Gedanken über die Zukunft. Seit einigen Jahren zahlt sie in eine private<br />

Pensionsvorsorge ein. Gibt das Sicherheit? „Es gibt mir zumindest das Gefühl, das, was mir möglich ist,<br />

getan zu haben“, sagt sie. Als sie vor zwei Wochen nach einem DJ-Gig ein Taxi nach Hause genommen hat,<br />

ist ihr aufgefallen, dass der Taxi-Fahrer schon weit über 70 Jahre alt gewesen sein muss. „In dem Moment<br />

hab ich mich gefragt: Wie lange werde ich eigentlich einmal arbeiten müssen? Wir werden immer älter,<br />

die Gesundheitsversorgung wird immer besser. Aber werde ich mir dieses Gesundheitssystem auch noch<br />

leisten können, wenn ich alt bin?“ Bei so großen Fragen vergisst man oft, dass zwischen Lebensplanung<br />

und Lebensfinanzierung ja vor allem eines möglich sein: leben. Mit 29 genau so wie mit 79. p


19 frauen und geld<br />

Alexandra<br />

Simonic, 29<br />

Teilzeit-Angestellte, Studentin, DJane<br />

und ehrenamtliche Mitarbeiterin<br />

in der Rosa Lila Villa


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

20<br />

Ich arbeite –<br />

also bin ich arm?<br />

Gleichstellungspolitik ist noch immer nicht in der Job-<br />

Realität österreichischer Frauen angekommen. Reden wir<br />

über Einkommensgerechtigkeit, gesetzlichen Mindestlohn,<br />

ein Pensionsmodell für Frauen, das vor Armut schützt, und<br />

ein Steuermodell das echte Chancengleichheit schafft.<br />

Vollzeit beschäftigte Frauen verdienen in der Europäischen<br />

Union im Durchschnitt um 16,4 % weniger<br />

als Vollzeit beschäftigte Männer. In Österreich ist<br />

dieser Wert noch weitaus schlechter. Mit 23,4 %<br />

weniger Verdienst für Frauen, liegt Österreich EUweit<br />

am vorletzten Platz und wird nur von Estland<br />

unterboten.<br />

Trotz guter Ausbildung werden Frauen oft unter<br />

ihrem Qualifikationsniveau eingesetzt und bezahlt.<br />

Unselbständig Erwerbstätige nach Einkommensgruppen und Geschlecht 2013<br />

Höchstes Viertel<br />

Drittes Viertel<br />

Zweites Viertel<br />

Niedrigstes<br />

Viertel<br />

Frauenanteil insgesamt<br />

in Prozent<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Frauen<br />

Männer<br />

Quelle: Statistik Austria, 2014. Lohnsteuer- und HV-Daten. Ohne Lehrlinge.<br />

Mittleres Bruttojahreseinkommen der unselbständig Erwerbstätigen 2013<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

in Euro<br />

Arbeiter &<br />

Arbeiterinnen<br />

Angestellte<br />

Vertragsbedienstete<br />

Beamte &<br />

Beamtinnen<br />

Frauen<br />

Männer<br />

Insgesamt<br />

Quelle: Statistik Austria, 22.12.2014. Lohnsteuerdaten – Sozialstatistische Auswertungen.


21 frauen und geld<br />

Entwicklung der mittleren Jahreseinkommen (vor Steuern) der ausschließlich selbständig Erwerbstätigen<br />

in Euro<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010* 2012** 2013**<br />

Frauen<br />

Männer<br />

Insgesamt<br />

Quelle: Statistik Austria, 2014. Einkommenssteuerdaten. *) Zeitreihenbruch durch die Einführung des Gewinnfreibetrags.<br />

**) Die Werte für 2012 und 2013 wurden mit einem zeitreihenanalytischen Prognoseprogramm geschätzt.<br />

Die Einkommensschere zwischen Männern und<br />

Frauen schließt sich nicht.<br />

Der Einkommensnachteil von Frauen fällt je nach<br />

sozialer Stellung unterschiedlich stark aus, im öffentlichen<br />

Bereich schwächer als in der Privatwirtschaft.<br />

Unter den BeamtInnen verdienen Frauen 95 % des<br />

mittleren Männereinkommens, unter Vertragsbediensteten<br />

77 %. Dagegen kommen weibliche<br />

Angestellte auf 51 % der mittleren Männerverdienste,<br />

Arbeiterinnen nur auf 43 %. Diese Einkommensunterschiede<br />

werden auch in der Pension fortgeschrieben.<br />

Mit einer Jahrespension von 13.162 € erhielten Pensionistinnen<br />

um 58 % weniger Pension als Männer<br />

(22.860 €).<br />

Drittel der geringfügig Beschäftigten und etwas<br />

mehr als die Hälfte der freien DienstnehmerInnen<br />

sind Frauen.<br />

Gerade bei Teilzeitjobs in sogenannten traditionellen<br />

Frauenberufen, die schlechter bezahlt werden besteht<br />

die Gefahr einer schlechten Absicherung und<br />

Bezahlung, was Auswirkungen bis hin zur Pension<br />

hat. Dass unbezahlte Arbeiten nach wie vor zumeist<br />

von Frauen erledigt, ist keine Neuigkeit.<br />

Frauen tragen dadurch ein ungleich höheres<br />

Armutsrisiko. Lohnschere, Working Poor, ungleiche<br />

Verteilung von Fürsorge,-und betreuungspflichten<br />

und weibliche Gratisarbeit sind kein Mythos, sondern<br />

prägen die wirtschaftlichen, sozialen, ökonomischen<br />

und politischen Strukturen.<br />

atypische<br />

beschäftigungsverhältnisse<br />

Ein Teil dieser Einkommensunterschiede ist auf die<br />

höhere Zahl von Teilzeitbeschäftigungen bei den<br />

Frauen zurückzuführen. Frauen sind, unabhängig<br />

von ihrem Qualifikationsniveau, durchwegs stärker<br />

von atypischer Beschäftigung betroffen als Männer.<br />

Zirka vier Fünftel der Beschäftigten in Teilzeit, zwei<br />

einkommenstransparenz<br />

und angabe von mindestentgelt<br />

Einkommensgerechtigkeit befindet sich noch immer<br />

im Stillstand. Im Regierungsübereinkommen wird als<br />

Ziel „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Gleichstellung<br />

von Frauen am Arbeitsmarkt“ gefordert. Als


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

22<br />

Herausforderung wird dabei genannt: Einkommensunterschiede<br />

verringern, Frauen am Arbeitsmarkt<br />

entsprechend ihrer Qualifikationen fördern und<br />

Diskriminierungen beseitigen. Das ist bekanntlich<br />

nichts Neues.<br />

Eine der sechs angeführten Maßnahmen heißt:<br />

Einkommenstransparenz. Am 1. März 2011 trat eine<br />

Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes in Kraft. Die<br />

wohl bekannteste Neuerung ist die Verpflichtung für<br />

Unternehmen, betriebsinterne Einkommensberichte<br />

zu erstellen. Das Problem dabei: Selbst im Vollausbau,<br />

der seit 2014 geltend ist, muss nur etwa 1 % der<br />

Betriebe Einkommensberichte erstellen (2.800 von<br />

insgesamt 300.000 Betrieben in ganz Österreich).<br />

Der Einkommensbericht ist dem Betriebsrat im<br />

ersten Quartal des Folgejahres zu übermitteln. Wenn<br />

es keinen Betriebsrat gibt, ist der Einkommensbericht<br />

in einem für alle MitarbeiterInnen zugänglichen<br />

Raum aufzulegen. Das bedeutet: Verpflichtung ohne<br />

Konsequenzen.<br />

Der Anspruch auf Erstellung und Übermittlung bzw.<br />

Information kann seitens des Betriebsrates oder<br />

seitens einzelner ArbeitnehmerInnen gerichtlich<br />

geltend gemacht werden. Allerdings gibt es keine<br />

Strafen für die Unternehmen, wenn sie der Erstellung<br />

des Einkommensberichtes nicht nachkommen. Die<br />

Betriebe sind auch nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen<br />

zur Verringerung der Einkommensunterschiede<br />

wie die Erstellung von Frauenförderplänen zu ergreifen.<br />

MitarbeiterInnen hingegen drohen sehr wohl<br />

Verwaltungsstrafen – und zwar bis zu 360 € –, wenn<br />

sie über die anonymisierten Durchschnittsgehälter in<br />

ihrem Unternehmen sprechen. Unklarheiten gibt es<br />

auch darüber, welche Gehaltsbestandteile in diesen<br />

Berichten bei den Einkommen ausgewiesen werden<br />

müssen. Denn das Gesetz definiert nicht, welche<br />

Einkommensbestandteile (Zulagen, Überstunden,<br />

Sachleistungsbezüge, Jubiläumsgelder etc.) in den<br />

Einkommensberichten anzuführen sind. Ohne Unterstützung<br />

und Kontrolle durch eine unabhängige<br />

Stelle ist damit zu rechnen, dass die Einkommensberichte<br />

wenig aussagekräftig sind oder gar geschönt<br />

werden.<br />

Ebenfalls beschlossen wurde, dass Stellenanzeigen<br />

das Mindestgehalt und einen Hinweis auf eine mögliche<br />

Überzahlung beinhalten müssen.<br />

Seit März 2011 muss in jeder Stellenanzeige stehen,<br />

wie viel man im inserierten Job mindestens verdienen<br />

kann – selbst dann, wenn nur nach einer geringfügig<br />

beschäftigten Aushilfe gesucht wird. Das<br />

Mindestentgelt kann unterschiedlich geregelt sein,<br />

zum Beispiel durch Kollektivvertrag, Gesetz, Satzung<br />

oder Mindestlohntarif. In Bereichen, in denen es<br />

keinen Kollektivvertrag gibt, muss das Entgelt angegeben<br />

werden, das als Mindestgrundlage für die<br />

Vertragsverhandlung dienen soll. Wissen ArbeitgeberIn<br />

(oder die Arbeitsvermittlungsfirma) bereits<br />

zum Zeitpunkt der Stellenausschreibung, dass für<br />

die ausgeschriebene Position z. B. auch Zulagen<br />

zustehen, muss auch das in den Inseratentext aufgenommen<br />

werden.<br />

Von der Bezahlungsinfo nicht erfasst sind arbeitnehmerähnliche<br />

Personen (z. B. freie DienstnehmerInnen)<br />

sowie ArbeitnehmerInnen in hohen Führungspositionen<br />

(z. B. GeschäftsführerInnen). Die Novelle<br />

soll vor allem Diskriminierungen in der Arbeitswelt<br />

abbauen und durch die Verbesserung der Einkommenstransparenz<br />

die wirtschaftliche und soziale<br />

Teilhabe fördern sowie einer sozialen Ausgrenzung<br />

entgegenwirken. Gerade für Frauen ist das eine<br />

wichtige Maßnahme.<br />

Die Regierung nimmt sich vor, die Gehaltsangaben in<br />

Stelleninseraten und Einkommensberichte zu evaluieren<br />

und gegebenenfalls unter Einbindung der Sozialpartner<br />

weiterzuentwickeln (z. B. Maßnahmenplan,<br />

Antragsrecht). Nur: Alle im Regierungsprogramm<br />

genannten Maßnahmen sind 1. nicht budgetiert und<br />

2. sind es alte Forderungen und Ankündigungen<br />

der Frauenministerin, zu denen es keine konkreten<br />

Vorschläge auf Umsetzung gibt.


23 frauen und geld<br />

sind. Sie leisten den Großteil der unbezahlten Arbeit<br />

im Haushalt, tragen die Verantwortung sowohl für<br />

die Erziehung und Betreuung der Kinder aber auch<br />

pflegebedürftiger Angehöriger. Im Gegensatz dazu<br />

mussten und müssen sie die fehlenden Rahmenbedingungen<br />

bei der Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Privatleben mit guter Organisation ausgleichen. Im<br />

Berufsleben waren und sind sie deshalb noch immer<br />

mit schlechterer Bezahlung und fehlenden Chancen<br />

beim Aufstieg und dem Zugang zur Aus- und Weidas<br />

grüne steuermodell<br />

Geschlechter- und sozialgerechte Steuerreformen<br />

können einen zentralen Beitrag zur Bekämpfung von<br />

Frauenarmut in Österreich leisten. Die im März <strong>2015</strong><br />

von der Regierung präsentierte Einigung ist keine<br />

Reform des Steuersystems, sondern eine Tarifanpassung.<br />

BezieherInnen niedriger Einkommen und<br />

vor allem Frauen gehören zu den VerliererInnen,<br />

weil die ohnehin schon weit geöffnete Einkommensschere<br />

noch weiter aufgeht. Von der rot-schwarzen<br />

Tarif-Anpassung profitieren Männer wesentlich<br />

stärker als Frauen, auf die nur ein gutes Drittel der<br />

Entlastung fällt. Die Erhöhung des Kinderfreibetrags<br />

von 220 auf 400 Euro (100 Mio Euro) kommt<br />

geringverdienenden Familien und vielen Alleinerzieherinnen<br />

nicht zugute. Während beim grünen Modell<br />

die Entlastung mit 50 % bei Frauen und 50 Prozent<br />

bei Männern gerecht aufgeteilt ist, sieht das Steuermodell<br />

der Regierung bei Frauen ein Entlastungsvolumen<br />

von gerade einmal 36 % vor, bei Männern<br />

dagegen stolze 64 %.<br />

Wir Grünen haben im Jänner ein von Experten<br />

durchgerechnetes Modell zur umfassenden Reform<br />

des Steuersystems und der Entlastung unterer Einkommen<br />

vorgelegt. Damit wären 90 % der Arbeitsund<br />

Erwerbseinkommen entlastet, 10 % belastet<br />

worden. Wir wollen eome Entlastung niedriger und<br />

mittlerer Einkommen und die Hälfte des Entlastungsvolumens<br />

für Frauen. p<br />

Die Diskussion<br />

um die Frauenpension<br />

Die Angleichung des Frauenpensionsalters mit dem<br />

Pensionsalter der Männer beginnt mit 2024. Berechnung<br />

zeigen aber: Ein späterer Pensionsantritt von Frauen<br />

entlastet das Pensionssystem so gut wie nicht.<br />

Mit 1. Jänner 1993 ist das „Bundesverfassungsgesetz<br />

über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen<br />

und weiblichen Sozialversicherten“ in Kraft<br />

getreten. Dieses Gesetz wird mit 31. Dezember 2033,<br />

also dem Datum, an dem beide Geschlechter das<br />

gleiche Regelpensionsalter erreicht haben werden,<br />

außer Kraft treten. Dass Frauen fünf Jahre vor den<br />

Männern Anspruch auf das reguläre Regelpensionsalter<br />

haben, ist damit zu begründen, dass Frauen in<br />

Gesellschaft und der Arbeitswelt nicht gleichgestellt


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

24<br />

terbildung konfrontiert. Das sind nur einige Gründe<br />

dafür, dass Frauen aufgrund der Doppel- und Dreifachbelastung<br />

mit einem früheren Regelpensionsalter<br />

rechnen konnten.<br />

Im Vorfeld des oben angeführten Bundesverfassungsgesetzes<br />

wurde von den Frauenpolitikerinnen<br />

im Jahr 1992 ein begleitendes Gleichstellungspaket<br />

beschlossen. Darin enthalten sind die notwendigen<br />

Bedingungen zur Erreichung der Gleichstellung,<br />

unter denen sich die Frauen vorstellen konnten, das<br />

Frauenpensionsalters ab 2024 schrittweise anzuheben.<br />

Die Grünen sprechen sich wie alle Frauenorganisationen<br />

deshalb für die stufenweise Anpassung<br />

und nicht eine vorzeitige Anpassung aus.<br />

Die meisten Frauen können derzeit um fünf Jahre<br />

früher in Pension gehen als Männer. In der öffentlichen<br />

Debatte wird dies als ungerecht dargestellt<br />

und die Anhebung des Pensionsantrittsalters von<br />

Frauen als Einsparungsmöglichkeit im Pensionssystem<br />

dargestellt. Die Ungerechtigkeit bestünde,<br />

so Kritiker, darin, dass Frauen zumindest fünf Jahre<br />

länger eine Pension erhielten als Männer und somit<br />

dem System wesentlich höhere Kosten entstünden<br />

als durch Männer.<br />

Beide Argumente sind sachlich falsch, denn<br />

> Frauenpensionen sind deutlich niedriger als<br />

Männerpensionen.<br />

> Sie kommen daher dem Bundesbudget trotz<br />

früheren Pensionsantritts und höherer Lebenserwartung<br />

deutlich billiger als Männer.<br />

> Das tatsächliche Antrittsalter von Frauen in der<br />

Alterspension liegt mit 59,3 Jahren wesentlich<br />

näher beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter<br />

von 60 Jahren als bei Männern (62,8/65).<br />

und beginnt mit Halbjahresschritten im Jahr 2024.<br />

Im Jahr 2033 werden Frauen und Männer ein gleiches<br />

Pensionsantrittsalter haben. Diese Anhebung<br />

ist formal an eine Verbesserung beim Erwerbszugang<br />

und der Einkommenshöhe gebunden (vor<br />

allem bei der Einkommenshöhe hat sich allerdings<br />

seit dem Beschluss dieser Regelung 1992 fast nichts<br />

getan – Stichwort Gender Gap).<br />

Eine Vorziehung dieser Anhebung ist aus verfassungsrechtlichen<br />

Gründen allerfrühestens mit dem<br />

Jahr 2018 möglich. Eine frühere Anhebung ist aber<br />

auch ökonomisch kontraproduktiv. Zum Beispiel<br />

geht knapp ein Drittel aller Frauen (32,3%) nicht<br />

aus der Erwerbstätigkeit in Pension, sondern aus<br />

der Arbeitslosigkeit oder dem Krankengeldbezug.<br />

Ein späterer Pensionsantritt verwandelt also nur<br />

Einsparungen im Pensionssystem in Mehrausgaben<br />

in der Arbeitslosenversicherung oder der Krankenversicherung.<br />

Die Grünen sind für die Beibehaltung des bereits<br />

im Jahr 1992 beschlossenen „Bundesverfassungsgesetzes<br />

über unterschiedliche Altersgrenzen von<br />

männlichen und weiblichen Sozialversicherten“<br />

(BGBl. 1992/832), in dem die Anhebung des Frauenpensionsalters<br />

ab 2024 um ein 1/2 Jahr pro Jahr<br />

festgeschrieben ist. Es bedarf aber noch erheblicher<br />

Schritte, um Fraueneinkommen, aber auch die Beschäftigungszeiten<br />

(Beitragszeiten) deutlich zu erhöhen,<br />

weil andernfalls auch die Anhebung ab 2024<br />

zu ungewünschten Effekten führt. Darüber hinaus<br />

müssen jene noch existierenden Bestimmungen in<br />

Gesetzen, Dienstordnungen, Kollektivverträgen und<br />

Betriebsvereinbarungen, die Frauen dazu zwingen,<br />

mit Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters in<br />

Pension zu gehen, gesetzlich als sittenwidrig deklariert<br />

werden.<br />

Die Anhebung des gesetzlichen Frauenpensionsalters<br />

auf 65 Jahre ist bereits gesetzlich vorgesehen


25 frauen und geld<br />

Eine Frau hätte mit Pensionsantritt mit 60 Jahren die<br />

Frauenmedianpension des Jahres 2014 von 838 €<br />

im Monat. Über 23,78 Jahre Bezugszeit „kostet“ ihre<br />

Pension dem Pensionssystem 278.978 €. Arbeitet<br />

sie ein Jahr länger, so erhöht sich ihre Monatspension<br />

auf 869 € im Monat, die sie aber nur 22,78<br />

Jahre erhält. In diesen 22,78 Jahren kostet sie dem<br />

Pensionssystem als 277.003 €. Das Pensionssystem<br />

erspart sich also über einen Zeitraum von fast 23<br />

Jahren betrachtet nicht einmal 2.000 € (oder 0,7 %<br />

der Gesamtsumme). Dem gegenüber stehen aber<br />

erhebliche Mehrkosten, da angesichts der Situation<br />

am Arbeitsmarkt entweder diese Frauen arbeitslos<br />

werden, oder an ihrer Stelle andere Personen keine<br />

Arbeit finden.<br />

Anm.: Bei der Berechnung dieses Beispiels wurde<br />

nicht die durchschnittliche Bezugsdauer einer<br />

Pension (23,9 Jahre), sondern die fernere Lebenserwartung<br />

im Alter von 60 Jahren herangezogen<br />

(23,78 Jahre). p<br />

–0,7 % –1,7 % –3,1 % –4,7 % –6,6 %<br />

838<br />

2.789,87<br />

869<br />

2.770,03<br />

899<br />

2.741,63<br />

930<br />

2.704,67<br />

960<br />

2.659,16<br />

991<br />

2.605,08<br />

Pension<br />

mit 60<br />

ein<br />

Jahr<br />

zwei<br />

Jahre<br />

drei<br />

Jahre<br />

vier<br />

Jahre<br />

fünf<br />

Jahre<br />

Pension neu in € Kosten über 23,78 Jahre in 100 €<br />

300.000,00<br />

290.000,00<br />

280.000,00<br />

270.000,00<br />

+10,4% +14,1%<br />

+18,2%<br />

260.000,00<br />

250.000,00<br />

+3,3%<br />

+6,8%<br />

240.000,00<br />

230.000,00<br />

Pension<br />

mit 60<br />

ein<br />

Jahr<br />

zwei<br />

Jahre<br />

drei<br />

Jahre<br />

vier<br />

Jahre<br />

fünf<br />

Jahre<br />

Gesamtkosten Pension<br />

Gesamtkosten Notstandshilfe


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

26<br />

Wie weiblich<br />

ist das Budget?<br />

Die Idee von Gender Budgeting ist die Gleichstellung von<br />

Frauen und Männern als zentraler Bestandteil der Wirtschaftsund<br />

Finanzpolitik. Geld hat ja bekanntlich kein Mascherl –<br />

aber ein Geschlecht?<br />

Gender Mainstreaming ist eine Strategie zur Gleichstellung<br />

von Frauen und Männern, die die klassische<br />

Frauenpolitik ergänzen soll. Dabei werden politische<br />

Maßnahmen auf eine mögliche benachteiligende<br />

Auswirkung auf Frauen und Männer analysiert, damit<br />

Benachteiligungen entgegengewirkt werden kann.<br />

Da Männer und Frauen unterschiedliche Verhaltensweisen,<br />

Ressourcen und Bedürfnisse haben<br />

können, können „neutral“ gemeinte Maßnahmen<br />

unterschiedlich stark auf sie wirken. Zumeist werden<br />

die Interessen von Frauen nicht ausreichend wahrgenommen,<br />

wodurch Benachteiligungen entstehen.<br />

Gender Mainstreaming soll klassische Frauen- und<br />

Gleichstellungspolitik ergänzen, jedoch keineswegs<br />

ersetzen.<br />

Das Prinzip des Gender Mainstreaming wurde<br />

erstmals auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995<br />

beschlossen. Die Staaten wurden aufgefordert, „geschlechterspezifische<br />

Belange in die Konzeption aller<br />

Politiken und Programme einzubeziehen, so dass<br />

vor dem Fällen von Entscheidungen die Folgen für<br />

Männer bzw. Frauen analysiert werden“. Die EU hat<br />

das Prinzip aufgegriffen und sich zur Durchführung<br />

von Gender Mainstreaming verpflichtet, ebenso wie<br />

die österreichische Regierung.<br />

Ein zentraler Bereich für Gender Mainstreaming ist<br />

die Steuer- und Budgetpolitik, also Gender Budgeting.<br />

Bisher ist die Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />

und Gender Budgeting in Österreich<br />

noch mangelhaft.<br />

gender budgeting in<br />

der verfassung – und dann?<br />

Gender Budgeting bedeutet, dass das Budget auf<br />

seine Auswirkungen auf Männer und Frauen hin<br />

analysiert und entsprechend der Gleichstellungsziele<br />

verändert wird. Denn auch „geschlechtsneutral“<br />

erscheinende Änderungen in Bereichen wie z.B.<br />

Gesundheit, Bildung, Verkehr, Arbeitsmarkt, etc. können<br />

sich aufgrund der Lebensrealitäten von Frauen<br />

und Männern unterschiedlich auswirken.<br />

Im Rahmen der Haushaltsrechtsreform 2007 ist es<br />

nicht zuletzt aufgrund des Engagements der Grünen<br />

zu einer Verankerung von Gender Budgeting in der<br />

Verfassung gekommen. Mit 1. Jänner 2009 wurde<br />

die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und<br />

Männern im öffentlichen Haushaltswesen als Staatszielbestimmung<br />

in der Verfassung verankert. Die<br />

Budgetpolitik des Bundes, der Länder und Gemeinden<br />

muss sich seit 2013 verpflichtend am Grundsatz<br />

der Gleichstellung der Geschlechter ausrichten. Doch<br />

die Umsetzung des Gender Budgetings größtenteils<br />

noch lässt auf sich warten.<br />

haushaltsführung:<br />

gleichgestellt<br />

Der Budgetdienst, der regierungsunabhängige<br />

Analysen und Fachexpertisen zu budgetrelevanten<br />

Dokumenten erstellt, hält in der Budgetanalyse<br />

2014/<strong>2015</strong> fest: „Der Budgetdienst hat im Vorjahr


27 frauen und geld<br />

bei den Budgetunterlagen eine aussagekräftige<br />

Gesamtdarstellung zum Thema Gender Budgeting<br />

vermisst, aus der die angestrebten Wirkungen insgesamt<br />

abgelesen werden können. Im Budgetbericht<br />

2014/<strong>2015</strong> wurden nunmehr zwar für alle Untergliederungen<br />

die Genderziele in einer Aufstellung<br />

zusammengefasst, diese beinhaltet jedoch keinerlei<br />

Analyse oder Gesamtaussage zur Ausrichtung der<br />

Zielsetzungen und Maßnahmen oder zur angestrebten<br />

Gesamtwirkung.“<br />

Zwar wurden von Bund, Ländern und Gemeinden<br />

Gleichstellungsziele, Gleichstellungsmaßnahmen und<br />

entsprechende Messindikatoren definiert, es gab<br />

jedoch wenige Veränderungen bei den Maßnahmen<br />

und den Wirkungszielen.<br />

Gleichstellungsziele sind meist sehr breit ausgerichtet<br />

(„Verbesserter Schutz vor Gewalt, insbesondere<br />

gegen Frauen, Minderjährige und SeniorInnen/<br />

Wirksamkeit des Betretungsverbots“, „Sicherstellung<br />

der Gendergerechtigkeit in der Mobilität sowie eines<br />

gleichen Zugangs zu allen Verkehrsdienstleistungen/<br />

Anzahl durchgeführter Genderanalysen“), wesentliche<br />

Schwerpunkte liegen auf der Bewusstseinsbildung<br />

zu Gleichstellungsfragen, Verbesserung der<br />

Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, einer besseren<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der<br />

Erhöhung des Frauenanteils in Führungsfunktionen.<br />

Die Erhöhung des Anteils von Frauen an Einzelpersonenförderungen<br />

wurde als Zielsetzung im Budget<br />

2014/<strong>2015</strong> beispielsweise aber wieder weggelassen.<br />

So heißt es weiter in der Budgetanalyse: „Zusammenfassend<br />

kann daher festgehalten werden, dass<br />

die Voranschlagsentwürfe 2014 und <strong>2015</strong> Impulse<br />

zur Gleichstellung von Frauen und Männern schaffen,<br />

die weiterentwickelt werden müssen. Gender-Budgeting-Ansätze<br />

als Analyse- und Steuerungsinstrument<br />

kommen in den Zielsetzungen und Maßnahmen<br />

der Ressorts und Obersten Organe insgesamt<br />

noch wenig zum Einsatz.“<br />

Im Jahr 2014 erhielt das Bundesministerium für Bildung<br />

und Frauen (BMBF) laut Budgetentwurf 8,08<br />

Mrd. €, auf die Frauen- und Gleichstellungsagenden<br />

entfielen davon rund 8,5 Mio. €. <strong>2015</strong> schreibt der<br />

Budgetentwurf für das BMBF eine Obergrenze von<br />

7,99 Mrd. € bei den Auszahlungen vor. Das Frauenbudget<br />

erhöht sich auf rund 10,15 Mio. €.<br />

Eine Veränderung der Budgetpolitik im Sinne des<br />

Gender Mainstreaming ist essenziell. Dabei muss der<br />

Prozess der Budgeterstellung demokratisiert werden<br />

– etwa durch öffentliche Hearings jedes Ministeriums<br />

sowie die Einbeziehung von NGOs in diesen<br />

Prozess. Alle an der Entwicklung und Entscheidung<br />

<strong>grüner</strong> politischer Konzepte Beteiligten sollten über<br />

Gender-Kompetenz verfügen und die Methodik des<br />

Gender Mainstreaming kennen. p


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

28<br />

Europa-Panorama<br />

Teilzeit, prekäre Beschäftigungssituationen, Armut<br />

trotz Arbeit, im Niedriglohnsektor überdurchschnittlich<br />

und in Führungspositionen unterdurchschnittlich<br />

repräsentiert – das ist die Realität für Frauen am<br />

Arbeitsmarkt in Europa. Die brutale Sparpolitik der<br />

EU-Troika der letzten Jahre hat die Situation noch<br />

verschlimmert. Der Grundsatz, wonach Männer<br />

und Frauen für gleichwertige Arbeit Anspruch auf<br />

gleiches Entgelt haben, ist in den EU-Verträgen<br />

verankert. Doch Papier ist geduldig: Mit 23 % ist der<br />

Gender Pay Gap in Österreich über dem EU-Schnitt<br />

von 16 %. Auch die Teilzeitrate von Frauen ist weit<br />

überdurchschnittlich: 46 % im Vergleich zu EUweiten<br />

30 %.<br />

her mit dem<br />

mindestlohn<br />

Wir Grüne fordern europaweit verbindliche soziale<br />

Mindeststandards, gleichen Lohn für gleichwertige<br />

Arbeit, eine Mutterschutz-Richtlinie und den Ausbau<br />

europaweiter ArbeitnehmerInnenrechte, u. a. Mindeststandards<br />

bei Löhnen und Arbeitslosenversicherung.<br />

Derzeit gibt es in 22 EU-Staaten Mindestlöhne,<br />

in Österreich branchenabhängige Kollektivverträge<br />

(von denen allerdings nicht alle Berufe erfasst sind).<br />

Die Mindestlöhne rangieren von 11,12 Euro in Luxemburg<br />

bis 1,06 Euro in Bulgarien. Laut einer Eurofound-Studie<br />

würden bei einem EU-weiten Mindestlohn,<br />

der mindestens 60 % des länderspezifischen<br />

mittleren Lohns beträgt, ein Fünftel der Frauen und<br />

ein Zehntel der Männer profitieren. Besonders hohe<br />

Effekte gäbe es bei Teilzeit, wo EU-weit jede/r Dritte<br />

betroffen wäre. Es ist klar zu sehen: Frauen profitieren<br />

in doppelter Hinsicht von einem europäischen<br />

Mindestlohn! Die nachhaltige Einkommensdiskriminierung<br />

von Frauen ist eine Schande für das<br />

21. Jahrhundert.<br />

gender budgeting<br />

In einem Punkt hat Österreich gegenüber der EU zumindest<br />

in der Theorie die Nase vorn: beim Gender<br />

Budgeting. Die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive<br />

bei der Erstellung öffentlicher Haushalte<br />

ist in Österreich in der Verfassung verankert (von<br />

der Umsetzung fehlt allerdings jede Spur). Für das<br />

EU-Budget fehlt eine entsprechende Regelung<br />

bislang. Nichtsdestotrotz gibt es auf europäischer<br />

Ebene Bestrebungen, das Budget als Werkzeug für<br />

die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. So<br />

haben das Europäische Parlament, der Rat sowie die<br />

Kommission schon im Jahr 2013 in einer gemeinsamen<br />

Erklärung verkündet, dass bei der Erstellung<br />

des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) in Zukunft<br />

Gleichstellungsaspekte einbezogen werden sollen.<br />

Dies ist allerdings erst ein Anfang. Wir Grüne fordern<br />

die sofortige Einführung von Gender Budgeting<br />

in allen Stadien der Erstellung des EU-Budgets,<br />

insbesonders auch bei Investitionsentscheidungen.<br />

Zahlreiche Best-Practice-Beispiele auf lokaler Ebene<br />

in der ganzen EU zeigen, wie es gehen kann. p<br />

> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete


29 frauen und geld<br />

wir grüne<br />

wollen:<br />

> Eine Lohnpolitik, die sich vor allem für Lohnerhöhungen<br />

in den niedrig bezahlten „Frauenbranchen“ einsetzt<br />

> Einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.500 € brutto<br />

> Maßnahmen auf allen Ebenen des Arbeitsmarktes (bei Ausbildung,<br />

Wiedereinstieg, Entlohnung etc.), um die Situation von Frauen<br />

gravierend zu verbessern<br />

> Die Förderung qualifizierter (Teilzeit-)Arbeitsplätze für Frauen<br />

> Verpflichtung zu Frauenförderplänen in der Wirtschaft<br />

> Gesetzliche Verankerung des Rückkehrrechts in eine<br />

Vollzeitanstellung nach Inanspruchnahme von Teilzeitregelungen<br />

(Elternteilzeit, Karenz etc.)<br />

> Gender Budgeting auf allen Ebenen der<br />

Budgeterstellung und Budgetpolitik<br />

> Die Einbeziehung von Frauen-NGOs<br />

in den Prozess der Budgeterstellung<br />

> Die Förderung der Forschung auf dem Gebiet<br />

des Gender Budgetings<br />

> Ausreichende Ressourcenausstattung<br />

für Gender Budgeting in den Ressorts<br />

> Gender Budgeting auf allen Ebenen<br />

der Budgeterstellung und Budgetpolitik<br />

> Beibehaltung des Gender-Checks<br />

bei allen Gesetzen und Verordnungen<br />

> Permanentes Erwerbs-Screening und Einstiegsgehälter-Check<br />

> Förderung für Betriebe nur bei Nachweis<br />

von Gleichbehandlung von Frauen und Männern


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

30<br />

Melanie<br />

Schiller, 27<br />

Leiterin der On-air-Promotion bei OKTO


31 frauen und sichtbarkeit<br />

wo sind die<br />

4,34 millionen<br />

frauen?<br />

Wenn die Frage nach<br />

der Sichtbarkeit von<br />

Frauen in der Gesellschaft<br />

gestellt wird, ist es gleichzeitig<br />

auch immer eine Frage nach Machtverhältnissen,<br />

Hierarchien und der Ökonomie der<br />

Aufmerksamkeit. Wo sind Quoten sinnvoll, und was bewirken<br />

sie (bzw. haben sie schon bewirkt)? Und: Wie werden Frauen<br />

durch sprachliche Gleichstellung sichtbar gemacht?<br />

Warum ist es für dich wichtig, dass in der österreichischen Bundeshymne auch die Töchter vorkommen?<br />

„Ja, weil wir da sind“, antwortet Melanie Schiller auf diese Frage. Es ist ein pragmatisches Argument<br />

– und eines, das sitzt. „Ich finde, man sollte überhaupt einfach ,Menschen‘ schreiben“, fügt Melanie<br />

schmunzelnd hinzu.<br />

Die studierte Kultur- und Sozialanthropologin arbeitet als Leiterin der On-air-Promotion bei OKTO,<br />

einem partizipativen Fernsehsender in Wien. In ihrer Arbeit ist Sichtbarkeit per se ein wichtiges Thema.<br />

Minderheiten und gesellschaftlichen Teilgruppen, Frauen, Männern, LGBTIQ-Personen – allen soll und<br />

wird hier die Möglichkeit gegeben, Fernsehen zu machen. Frauen sind unter den SendungsmacherInnen<br />

auch stark vertreten.<br />

Melanie hat eine klare Botschaft an Mädchen und Frauen: „Take the chance! Du hast viele Möglichkeiten,<br />

nutze die Chancen, die dir das Leben bietet.“ Für die 27-Jährige ist es bedeutend, keine Angst vor der<br />

eigenen Sichtbarkeit zu haben, sich selbst etwas zuzutrauen. „Ganz wichtig ist da das kleine Fünkchen ,Du<br />

schaffst das schon‘, das zum Beispiel Eltern einem Kind mitgeben können“, sagt Melanie. „Meine Kinder<br />

werden auf jeden Fall so aufwachsen.“<br />

Dabei hat es in Melanies Leben auch eine Zeit gegeben, in der sie dachte, dass ein Teil von ihr unsichtbar<br />

sein müsse. Eine junge lesbische Frau, die am Land aufwächst – ihr Coming-out-Prozess war nicht einfach,<br />

aber Melanie hat sich ihren Weg gesucht. Die Kultur- und Sozialanthropologie, die Arbeit und Forschung in<br />

den Bereichen Anti-Rassismus, Migration, Asyl und Queer Studies wurden ihr Zuhause.<br />

An der Universität war Gender-Theorie in ihrer Studienrichtung ein zentrales Thema. „Wo aber Räume mit<br />

Macht gefüllt sind, wie es an der Uni der Fall ist, geht es für Frauen noch immer darum, dass sie sich ihren<br />

Platz hart erkämpfen müssen“, meint Melanie. Strukturelle Gegebenheiten halten alte Machtgefüge hoch –<br />

nicht nur auf der Uni, sondern auch was die Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von<br />

Frauen generell in Gesellschaften betrifft. Darüber hinaus sind Benachteiligungen, die aufgrund Ethnizität,<br />

Religion etc. existieren, ja auch nicht einfach wegzudenken, Diskriminierung wird gemacht.<br />

Die vielfältigen Rollen einer Frau in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten wahrzunehmen, zu<br />

akzeptieren und zu unterstützen ist für Melanie ein wesentlicher Schritt, um die Sichtbarkeit von Frauen<br />

in Gesellschaften zu fördern. „Ich bin ja nicht nur Frau, ich bin in manchen Situationen dann auch große<br />

Schwester, Tochter, gute Freundin, Arbeitskollegin oder eine lesbische Frau, die einfordert, dass sie heiraten<br />

oder mit ihrer Partnerin ein Kind bekommen darf, wenn sie das möchte.“ Das kleine Fünkchen Hoffnung<br />

auf eine gleichberechtigte Welt und der Wille, die Gesellschaft positiv mitzugestalten, sind da in<br />

jedem Fall sinnvolle und wichtige Instrumente. p


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

32<br />

Gleich, gleicher,<br />

Gender<br />

Österreich ist im Bereich Gender Equality eindeutig kein<br />

Vorreiter. Doch wenn es um die Sichtbarmachung von Frauen<br />

in Politik und Wirtschaft geht, hat sich die Quote noch keine<br />

FreundInnen gemacht.<br />

Der „Global Gender Gap Report“, den das Schweizer<br />

Weltwirtschaftsforum alljährlich veröffentlicht, liefert<br />

klare Zahlen: 2014 lag Österreich in der weltweiten<br />

Gleichstellungsrangliste auf Platz 36 (von 142<br />

Ländern), ein Jahr zuvor immerhin noch auf Platz<br />

19 (von 136 Ländern). Die Top-Plätze im Ranking<br />

nehmen skandinavische Länder wie Island (Platz 1),<br />

Finnland (Platz 2) und Norwegen (Platz 3) ein. Nach<br />

Malawi (34) und den Bahamas (36), jedoch noch vor<br />

Kenia (37) und Lesotho (38) ist also Österreich zu<br />

finden. Syrien, Tschad, Pakistan und Jemen bilden<br />

übrigens die Schlusslichter im „Global Gender Gap<br />

Report“. Nachholbedarf gibt es in Österreich in<br />

vielen Bereichen.<br />

frauen im parlament<br />

Der bisher höchste Frauenanteil im österreichischen<br />

Parlament (33,9 %) wurde 2002 erreicht. Nach der<br />

Nationalratswahl 2006 sank der Frauenanteil im<br />

Nationalrat zunächst auf 31,2 %, nach der Wahl im<br />

Oktober 2008 sogar auf 27,3 %. Von den 183 Abgeordneten<br />

des Nationalrats sind derzeit 56 Frauen<br />

(30,6 %). Von den 61 Mitgliedern des Bundesrats sind<br />

derzeit 18 Frauen (29,51 %).<br />

Angesichts des beschämend niedrigen Frauenanteils<br />

im österreichischen Parlament fordern die Grünen<br />

neben einem eigenständigen Frauenministerium<br />

auch klare finanzielle Anreize für mehr Frauen in der<br />

Politik. Konkret soll z. B. ein Teil der Parteienbzw.<br />

der Klubfinanzierung an Frauenquoten in den<br />

Parlamentsklubs gebunden werden.<br />

Die Grünen sind die einzige Partei, die ihre eigene<br />

Frauenquote von 50 % einhält (die Grünen haben<br />

einen aktuellen Frauenanteil von 54,17 % bei den<br />

MandatarInnen im Parlament) und glaubwürdig für<br />

eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen<br />

gesellschaftlichen Bereichen eintritt.<br />

frauen in<br />

führungspositionen<br />

Durch mehr Frauen in Führungspositionen würden<br />

sich auch die großen Einkommensunterschiede zwischen<br />

den Geschlechtern verringern. Die obersten<br />

Führungsebenen, Geschäftsführung und Aufsichtsräte<br />

sind jedoch weitgehend von Männern dominiert.<br />

2014 betrug der Frauenanteil in den Geschäftsführungen<br />

der 200 größten bzw. umsatzstärksten<br />

heimischen Unternehmen laut „Frauen.Management.<br />

Report.2014“ der AK Wien 5,6 % (gleich wie 2013), in<br />

den Aufsichtsgremien konnte der Frauenanteil von<br />

13,4 % (2013) marginal auf 13,9 % erhöht werden.<br />

Weiters heißt es in der AK-Studie: „Die besonders im<br />

Fokus der Öffentlichkeit stehenden börsennotierten<br />

Unternehmen, die sich per „Corporate Governance<br />

Kodex“ zu guter Unternehmensführung bekennen,<br />

schneiden mit lediglich sechs Frauen (2013: sieben<br />

Frauen) in den Vorstandsetagen noch schlechter ab.


33 frauen und sichtbarkeit<br />

Im Aufsichtsrat liegt der Anteil bei 12,0 % weiblich<br />

besetzten Mandaten und damit ein weiteres Mal<br />

unter dem Ergebnis der Top-200-Unternehmen.<br />

Die staatsnahen Unternehmen machen hingegen<br />

spürbare Fortschritte: Zahlen aus dem Jahr 2013<br />

zeigen, dass unter den 285 vom Bund entsandten<br />

Aufsichtsratsmitgliedern 94 Frauen vertreten<br />

sind. Durchschnittlich liegt die Bundesfrauenquote<br />

damit in jenen 55 Unternehmen, an denen der Staat<br />

mit mehr als 50 % beteiligt ist, bei 33 % (2011: 26<br />

Prozent). Öffentliche Unternehmen nehmen so eine<br />

Vorreiterrolle ein, die Privatwirtschaft und dabei<br />

besonders die Kapitalmarktunternehmen hinken bei<br />

der geschlechtergerechten Besetzung von Spitzenpositionen<br />

deutlich nach.“<br />

Quotenregelungen sind die effektivste Methode zur<br />

Erhöhung des Frauenanteils in zentralen Positionen.<br />

Deshalb setzen sich die Grünen für gesetzlich verpflichtende<br />

Frauenquoten ein. Obwohl es heute so<br />

viele Maturantinnen und Akademikerinnen wie noch<br />

nie gibt, sind Frauen in allen wichtigen Bereichen<br />

(z. B. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Medien<br />

oder Gewerkschaft) weiterhin unterrepräsentiert.<br />

Gesetzlich verpflichtende Quotenregelungen<br />

würden dafür sorgen, dass die Top-Jobs seltener an<br />

mittelmäßig qualifizierte Männer und öfter an die<br />

bestqualifizierten Frauen gehen würden.<br />

Mittels Frauenquoten soll eine Erhöhung des Frauenanteils<br />

in diversen Bereichen erreicht werden,<br />

wobei diese Erhöhung auf verschiedenen Wegen angestrebt<br />

werden kann: von unmittelbar verpflichtenden<br />

Quotenvorgaben über Zielquoten, die innerhalb<br />

einer bestimmten Zeit erreicht werden müssen, bis<br />

zu Anreizmechanismen, die über finanzielle oder<br />

andere Anreize zur Erhöhung von Frauenquoten motivieren<br />

sollen. Begründet werden können Frauenquoten<br />

mit der verfassungsrechtlichen Verankerung<br />

der Gleichstellung der Geschlechter sowie mit dem<br />

Anspruch des Staates, in seinem Tätigkeitsbereich<br />

bzw. auch dort, wo er finanziert, das politische Ziel<br />

der Geschlechtergleichstellung zu verfolgen. <br />

In Österreich gibt es derzeit zwei Quotenregelungen:<br />

> Eine gesetzliche Quotenregelung im Bundesgleichbehandlungsgesetz,<br />

die eine Bevorzugung<br />

von Frauen bei gleicher Qualifikation vorsieht,<br />

solange der Frauenanteil unter 45 % liegt.<br />

> Für staatsnahe Unternehmen gibt es eine<br />

Ministerratsvereinbarung, die vorsieht, dass der<br />

Frauenanteil unter den von der Regierung entsandten<br />

Aufsichtsratsmitgliedern bis 2018 35 %<br />

erreichen soll. Eine gesetzliche Regelung für<br />

private Unternehmen ist nicht geplant, hier setzt<br />

die Regierung auf die „freiwillige Selbstverpflichtung“<br />

der Unternehmen.<br />

Den Grünen ist das zu wenig: Wir fordern eine<br />

50 %-Quote in allen Aufsichtsräten börsennotierter<br />

Unternehmen und Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung.<br />

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Wirtschaftsminister<br />

Reinhold Mitterlehner haben sich am<br />

15. Februar 2011 im Ministerrat darauf verständigt,<br />

dass staatsnahe börsennotierte Unternehmen, an<br />

denen der Bund mindestens 50 % hält, bis 2013 im<br />

Aufsichtsrat 25 % Frauen haben sollen und dieser<br />

Anteil bis 2018 auf 35 % steigen soll. Eine gesetzliche<br />

Regelung soll es selbst bei Nichterreichung<br />

des Ziels nicht vor 2018 geben. Für alle anderen<br />

börsennotierten Unternehmen soll einstweilen keine<br />

Quote, sondern nur eine Selbstverpflichtung in Form<br />

einer „Explain or Comply“-Regelung des „Corporate<br />

Governance Kodex“ gelten – statt des derzeitigen<br />

ausschließlichen Empfehlungscharakters (R 42) „zur<br />

Berücksichtigung der Aspekte der Diversität des<br />

Aufsichtsrats auch im Hinblick auf die Vertretung<br />

beider Geschlechter“. p


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

34<br />

Mama<br />

geht arbeiten<br />

Familiäre Pflichten werden noch immer primär Frauen zugeordnet.<br />

Daher sind sie es, die allzu oft vor die Wahl zwischen Familie und<br />

Karriere gestellt werden. Mehr Väterbeteiligung kann Frauen<br />

einen rascheren Wiedereinstieg garantieren.<br />

Die Geburt eines Kindes bedeutet für Frauen noch<br />

immer einen massiven Einschnitt in ihre Erwerbskarriere.<br />

Frauen unterbrechen aufgrund einer Elternschaft<br />

nicht nur die Erwerbsarbeit, sondern nehmen<br />

eine Arbeit danach auch nur in reduziertem Ausmaß<br />

wieder auf. Auf Männer hat Elternschaft eine völlig<br />

andere Auswirkung. Männliche Biografien werden<br />

durch die Geburt eines Kindes nur unwesentlich<br />

beeinflusst. Das Arbeitspensum von Vätern steigt<br />

durch Familiengründung sogar an.<br />

Die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit durch<br />

den Ausbau der Kinderbetreuung sowie eine gleichmäßigere<br />

Verteilung der Betreuungsarbeit auf die<br />

Elternteile – das müssen Ziele moderner Familienpolitik<br />

sein, und dazu gehören beispielsweise der<br />

Rechtsanspruch auf einen qualitätsvollen Kinderbetreuungsplatz<br />

ab dem vollendeten 1. Lebensjahr des<br />

Kindesund die Anerkennung sozialer Elternschaft<br />

beim Kinderbetreuungsgeldbezug.<br />

Wir Grüne fordern das Recht auf (Eltern-)Teilzeit für<br />

alle mit Recht auf Rückkehr zur Vollzeitarbeit sowie<br />

eine Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz<br />

nach der Karenzzeit auf 26 Wochen. Denn: Nur eine<br />

bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch<br />

eine gute soziale Infrastruktur (ganztägige qualitativ<br />

hochwertige Kinderbetreuung, mehr ambulante und<br />

teilstationäre Dienste in der Altenbetreuung etc.)<br />

hilft Frauen, einem ihrer Qualifikation entsprechenden<br />

Beruf nachzugehen.<br />

Nach wie vor gibt es – bedingt durch Mehrfachzuständigkeiten<br />

(Bund, Länder, Gemeinden) sowie<br />

jahrzehntelange Versäumnisse im Ausbau – viel zu<br />

wenige Kinderbetreuungsplätze in Österreich. Krippe<br />

und Kindergarten sind die ersten und wichtigsten<br />

Stationen auf einem lebenslangen Bildungsweg. D.h.<br />

Bildung beginnt nicht erst mit dem Schuleintritt.<br />

Eine umfassende öffentliche, qualitativ hochwertige<br />

und leistbare Kinderbetreuungsstruktur ist auch eine<br />

zentrale Voraussetzung dafür, dass Eltern tatsächlich<br />

entscheiden können, wann sie nach der Kinderpause<br />

wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Die Kinderbetreuungsquote<br />

bei den Drei- bis Fünfjährigen<br />

liegt im Kindergartenjahr 2013/2014 bei 90,8%, bei<br />

den Null- bis Zweijährigen allerdings nur bei 23%.<br />

und die väter?<br />

Derzeit haben lediglich Bundesbedienstete einen<br />

Rechtsanspruch auf einen unbezahlten Papa-Monat.<br />

Erstens sollten davon alle Väter – also auch jene in<br />

der Privatwirtschaft – profitieren können. Zweitens<br />

braucht es natürlich einen vollen Einkommensersatz.<br />

Ein Papa-Monat darf nicht nur gut verdienenden<br />

Vätern vorbehalten sein. Aus Sicht der Grünen muss<br />

das Ziel sein, dass es für beide Elternteile selbstverständlich<br />

ist, sich an der Kinderbetreuung zu<br />

beteiligen. Es liegt bestimmt nicht daran, dass Väter<br />

nicht wollen, sondern viele Familien können es sich<br />

nach wie vor aufgrund der Einkommensunterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen nicht leisten, dass der<br />

Mann in Karenz geht. Genau hier muss angesetzt<br />

werden, aber nicht mit einem Bonus, sondern mit<br />

einem einkommensabhängigen Karenzgeld.


35 frauen und sichtbarkeit<br />

Aus einer von der APA veröffentlichten Aufstellung<br />

des Beamtenressorts geht hervor, dass ungefähr jeder<br />

achte Vater den Papa-Monat in Anspruch nimmt.<br />

Seit Jahresbeginn 2011 haben Männer im Öffentlichen<br />

Dienst diesen Anspruch auf einen Karenzurlaub<br />

ohne Bezahlung im Ausmaß von bis zu vier Wochen.<br />

Seit 1. Jänner 2011 gingen demnach 1.083 Männer in<br />

den Papa-Monat.<br />

wenn, dann gehen väter<br />

kurz in karenz<br />

beim KBG. Dabei werden alle abgeschlossenen Fälle<br />

herangezogen. Die Väterbeteiligung ist bei dieser<br />

Betrachtungsweise vergleichsweise hoch, da bei der<br />

Auswertung der abgeschlossenen Fälle nicht berücksichtigt<br />

wird, wie lange die Väter jeweils KBG in<br />

Anspruch genommen haben. Bei der „Momentaufnahme“<br />

der monatlichen Statistik ist die Väterbeteiligung<br />

deutlich geringer, weil Väter in der Regel nur<br />

für wenige Monate KBG beanspruchen. Bei genauerem<br />

Hinsehen heißt das also: Väter beteiligen sich<br />

zwar in steigendem Ausmaß, aber der Zeitraum der<br />

Inanspruchnahme ist nach wie vor deutlich kürzer als<br />

der von Frauen. p<br />

In der Öffentlichkeit kursieren regelmäßig verschiedene<br />

Statistiken zur Väterbeteiligung beim Kinderbetreuungsgeld<br />

(KBG). Das Ministerium beruft sich<br />

dabei auf Sonderauswertungen zur Väterbeteiligung<br />

Nicht bezahlte Arbeit Frauen/Männer/insgesamt<br />

06:00<br />

04:48<br />

04:52<br />

Stunden pro Tag ab 19 Jahren<br />

(Montag–Sonntag)<br />

03:36<br />

02:24<br />

01:12<br />

03:59<br />

03:08<br />

02:10<br />

03:52<br />

02:42<br />

00:35 00:45 00:22<br />

00:00<br />

Haushaltsführung<br />

00:09 00:08 00:10<br />

Kinderbetreuung Freiwilligenarbeit insgesamt<br />

Gesamt Frauen Männer<br />

Quelle: Statistik Austria, Zeitverwendungserhebung; erstellt am 1. 10. 2012


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

36<br />

Wie wir –<br />

und wie weiblich?<br />

Unter Österreichs JournalistInnen herrscht annährend<br />

Geschlechterparität. Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf:<br />

Es gibt noch viel zu tun. Auch beim ORF.<br />

Im Journalismus sind immer mehr Frauen tätig.<br />

Netzwerke stärken Autorinnen, Redakteurinnen und<br />

Chefredakteurinnen. Laut „Journalisten-Report“<br />

(2007) liegt Österreich mit einem Frauenanteil von<br />

42 % im Journalismus weit vor der Schweiz (33 %)<br />

und vor Deutschland (37 %).<br />

Im Detail zeichnet sich jedoch ein bereits bekanntes<br />

Bild ab: Fast ein Drittel der Frauen (32 %) in<br />

Medienberufen arbeitet in Teilzeit; von den Männern<br />

tun dies lediglich 18 %. Ein großer Unterschied<br />

zwischen Journalistinnen und Journalisten zeigt sich<br />

auch noch immer beim Einkommen: Bei den 30- bis<br />

39-Jährigen verdienen 85 % der Frauen unter 3.500<br />

Euro, aber nur 67 % der Männer. Und: Je höher man<br />

in die Führungsetagen kommt, desto weniger werden<br />

die Frauen. Während also fast jeder fünfte Mann<br />

(18,5 %) eine leitende Funktion ausübt, tut dies bei<br />

den Frauen nur knapp eine von zehn (9 %) 1 .<br />

gleichstellung im ORF<br />

Der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender ist per<br />

ORF-Gesetz dazu verpflichtet, „nach Maßgabe der<br />

Vorgaben des Gleichstellungsplanes (§ 30b) auf eine<br />

Beseitigung einer bestehenden Unterrepräsentation<br />

von Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten<br />

und der Funktionen sowie von bestehenden<br />

Benachteiligungen von Frauen im Zusammenhang<br />

mit dem Arbeitsverhältnis hinzuwirken“. Weiters<br />

heißt es in § 30a (2): „Frauen sind unterrepräsentiert,<br />

wenn der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl<br />

der dauernd Beschäftigten, einschließlich überlassener<br />

Arbeitskräfte, 1. in der betreffenden Verwendungs-,<br />

Entlohnungs- oder Funktionsgruppe oder<br />

2. in sonstigen hervorgehobenen Verwendungen<br />

oder Funktionen, welche keine Unterteilung in<br />

Gruppen aufweisen, der Stiftung weniger als 45 vH<br />

beträgt.“<br />

Wie es um die Gleichstellung bei Österreichs größtem<br />

Medienanbieter bestellt ist, zeigen die Ergebnisse<br />

des von der ORF-Gleichbehandlungskommission<br />

und der internen AG für Gleichstellungsfragen<br />

vorgelegten Berichts:<br />

Zum Stichtag 31. 10. 2014 standen im ORF 1.434<br />

Frauen und 1.933 Männer in einem dauernden<br />

Beschäftigungsverhältnis, das entspricht einem<br />

Frauenanteil von 42,6 % (plus 0,4 Prozentpunkte<br />

gegenüber 2013).<br />

Davon betrug der Frauenanteil<br />

> im Bereich Programm 53,3 %<br />

(plus 0,1 Prozentpunkte)<br />

> im Bereich Administration und Technik 29,9 %<br />

(plus 0,2 Prozentpunkte)<br />

> im Bereich Landesstudios 45,7 %<br />

(plus 1,2 Prozentpunkte)<br />

Betrachtet man den Frauenanteil nach Altersgruppen,<br />

wird der ORF zunehmend weiblicher – allerdings<br />

zeigt sich bei der Analyse des Frauenanteils in<br />

den einzelnen Verwendungsgruppen, dass durchaus<br />

Handlungsbedarf besteht. Auch wenn die im Zuge<br />

der Umsetzung des Gleichstellungsplans im vergangenen<br />

Jahr getroffenen Maßnahmen, insbesondere<br />

die „Gleichstellungsmillion“, zu einer weiteren<br />

Verbesserung des Frauenanteils in den höheren


37 frauen und geld<br />

Verwendungsgruppen führten – einen Frauenüberhang<br />

gibt es nur in den Verwendungsgruppen bis<br />

10 (Sekretariate); in den Redaktionen (bis VG13)<br />

sind 38 % der MitarbeiterInnen weiblich, im mittleren<br />

Management nur 27 %, auf Ebene der AbteilungsleiterInnen<br />

und HauptabteilungsleiterInnen 23 %.<br />

Die ORF-Geschäftsführung ist zudem klar männlich<br />

dominiert: Unter den DirektorInnen findet sich mit<br />

Kathrin Zechner als Fernsehdirektorin die einzige<br />

Frau, unter den LandesdirektorInnen sind mit Karin<br />

Bernhard (Kärnten) und Brigitte Wolf (Wien) zwei<br />

von neun Posten mit Frauen besetzt.<br />

Ein Blick auf die Beschäftigungsarten lässt ebenfalls<br />

Verbesserungspotenzial erkennen, denn die<br />

befristeten Verträge entfielen auf 46 Männer und<br />

83 Frauen, daraus ergibt sich ein Frauenanteil von<br />

64,3 %. Von den unbefristeten Verträgen entfielen<br />

1.731 auf Männer und 1.296 auf Frauen, woraus<br />

sich ein Frauenanteil von 42,8 % ergibt (plus 0,3<br />

Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr).Bei der<br />

Mehrzahl der befristeten Verträge handelt es sich<br />

um Karenzvertretungen, die wiederum überwiegend<br />

auf Frauen entfallen. Der Frauenanteil im Bereich der<br />

Teilzeitbeschäftigung beträgt 71,3 %, der Frauenanteil<br />

im Bereich der Vollzeitbeschäftigung 31,5 %.<br />

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wurde<br />

währenddessen in New York mit dem „Women’s<br />

Empowerment Principles CEO Leadership Award“<br />

ausgezeichnet, einem internationalen UNO-Preis, der<br />

an ManagerInnen verliehen wird, die sich speziell für<br />

die Gleichstellung von Frauen einsetzen. Dass der<br />

Gleichstellungsplan des ORF bereits international<br />

Beachtung findet, ist natürlich gut. Noch besser<br />

wäre es aber, wenn die angestrebte Quote auch<br />

auf allen Ebenen erfüllt wird. p<br />

1)<br />

Andy Kaltenbrunner, Matthias Karmasin, Daniela<br />

Kraus, Astrid Zimmermann: Österreichs Medien<br />

und ihre Macher. Eine empirische Erhebung. In: Der<br />

Journalisten-Report. Teil I, Facultas Verlags- und<br />

Buchhandels AG. Wien 2007<br />

ORF-Mitarbeiter-Statistik 2013/2014<br />

Verwendungsgruppe männer frauen gesamt<br />

frauenanteil<br />

2014 2013<br />

VG 2–10 466 641 1.107 57,9 % 57,1 %<br />

VG 11–14 1.067 624 1.691 36,9 % 36,4 %<br />

VG 15–18 341 145 486 29,8 % 28,7 %<br />

Quelle: Bericht „Gleichstellung im ORF“, November 2014


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

38<br />

Europa-Panorama<br />

Von der Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

in der EU sind wir auch im Jahr <strong>2015</strong> weit entfernt.<br />

Werfen wir einen Blick in die Berufswelt: In der EU<br />

sind Frauen in allen Bereichen in Führungspositionen<br />

unterrepräsentiert, durchschnittlich sind nur 17 %<br />

Frauen in Spitzengremien. Die „gläserne Decke“<br />

erweist sich im Karriereverlauf oft aus Beton. Eine<br />

Quote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen<br />

wäre ein wichtiger Schritt in Richtung gerechtere<br />

Repräsentation von Frauen – so fordert es die<br />

von den Grünen unterstützte „Women on Board“-<br />

Richtlinie.<br />

die politik als vorbild?<br />

Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der<br />

Politik sollte Gleichstellung gelebt werden. Derzeit<br />

sieht es allerdings düster aus: Die EU-Kommission<br />

hat nach wie vor eine Frauenquote von nur knapp<br />

einem Drittel, das Europäische Parlament von 37 %.<br />

Die Europäische Grüne Partei (EGP) geht mit gutem<br />

Beispiel voran und hat – ähnlich den Österreichischen<br />

Grünen – eine Mindestfrauenquote von 50 %<br />

in allen Gremien verankert.<br />

viele männer wollen nicht<br />

nur ernährer, sondern auch<br />

väter sein<br />

Zahlreiche Studien zeigen, dass ein Großteil der<br />

berufstätigen Väter gerne weniger arbeiten würde.<br />

Dagegen möchten 20 % der erwerbstätigen Frauen<br />

ihre Wochenstundenzahl erhöhen. Und hier beißt<br />

sich die Katze in den eigenen Schwanz: Männer<br />

möchten gerne weniger arbeiten und auch ihre Rolle<br />

als Vater ausfüllen, doch im Regelfall verdienen<br />

sie besser als Frauen. Frauen möchten gerne mehr<br />

arbeiten, aber verdienen deutlich weniger und/oder<br />

sind in Teilzeitanstellungen gefangen. Um endlich<br />

einen Schritt vorwärts zu machen, muss mit der<br />

Mutterschutzrichtlinie auch eine EU-weite Regelung<br />

für eine Freistellung der Väter unmittelbar nach der<br />

Geburt eines Kindes eingeführt werden. Doch die<br />

Diskussionen dazu sind zermürbend, der Rat der EU<br />

blockiert das Vorhaben, den meisten Mitgliedstaaten<br />

ist das zu teuer. Europäischer Fortschritt sieht<br />

anders aus. Derzeit wird lieber in Atomenergie und<br />

Autobahnen investiert statt in Europas Zukunft. p<br />

> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete<br />

Der europäische Vergleich zeigt ganz klar: Fortschritte<br />

beim Frauenanteil gibt es nur in Ländern, die<br />

verbindliche Regelungen geschaffen haben – selbstverpflichtende<br />

und damit unverbindliche Quoten<br />

sind nicht genug. Deshalb braucht es Anreizsysteme:<br />

In Irland beispielsweise verlieren Parteien, die nicht<br />

mindestens 30 % Frauen auf ihren Listen stehen<br />

haben, die Hälfte der staatlichen Parteienförderung.


39 frauen und sichtbarkeit<br />

wir grüne<br />

wollen:<br />

> Eine gesetzlich verpflichtende Geschlechterquote von<br />

mind. 50 % für Aufsichtsratsgremien<br />

> Die Förderung von Arbeitszeitmodellen, die Führungspositionen<br />

in Teilzeit ermöglichen<br />

> Verpflichtende Frauenquoten bei der Erstellung von KandidatInnenlisten<br />

für Wahlen und die Bindung der Parteienförderung an die Erfüllung dieser<br />

Quoten über ein System einer Basisparteienförderung mit Zusatzprämien<br />

und Zuschlägen je nach erzielter Frauenquote<br />

> 50 %-Frauenquoten bei der Besetzung von Gremien im öffentlichen<br />

Bereich, z. B. bei den von Regierungsstellen zu entsendenden VertreterInnen<br />

in Beiräten (Menschenrechtsbeirat, Gentechnik-Kommission,<br />

ORF-Stiftungsrat etc.)<br />

> Halbe-halbe in der Bundesregierung: Die Besetzung der Ministerien<br />

mindestens zur Hälfte mit Frauen und der Regierung insgesamt zur Hälfte<br />

mit Frauen ist für die Grünen (Selbst-)Verpflichtung<br />

> Ja zu kostenlosen Kindergärten, denn es handelt sich um<br />

Bildungseinrichtungen<br />

> Bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung<br />

(Bundesrahmengesetz): Öffnungszeiten, Kosten, Raumgröße und<br />

Gruppengröße dürfen nicht von der Postleitzahl abhängen; jedes Kind<br />

in Österreich soll die gleichen Bildungschancen haben.<br />

> Aufwertung des Berufs der KindergartenpädagogIn; adäquate Bezahlung<br />

auch infolge einer reformierten Ausbildung (auf Hochschulniveau)<br />

> Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige und kostenlose Kinderbetreuung<br />

für Kinder ab einem Jahr bei gleichzeitiger Verlängerung und<br />

Flexibilisierung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen.<br />

Langfristig soll dieser Rechtsanspruch ab Ende der Mutterschaftsschutzfrist<br />

bestehen.


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

40<br />

geschlechtersind<br />

nicht<br />

klischees<br />

g’scheit<br />

Es gibt sie nach wie vor: die klassischen Frauen- und<br />

Männerdomänen im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt.<br />

Frauen in Führungspositionen? Erfolgreich, aber rar. Frauen in<br />

Technikberufen? Qualifiziert, aber selten. Nur durch ein geschlechtersensibles<br />

Bildungssystem kann es echte Chancengleichheit im<br />

Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt geben.<br />

Raspberry, also Himbeere. Raspberry Pi, um genauer zu sein – so heißt das kleine blaue Kästchen auf Nele<br />

Schnabls Schreibtisch. Es ist kaum größer als ein Seifenstück, aber ein voll funktionsfähiger Computer, und<br />

es kann alles, was man als angehende EDV-Technikerin zum Programmieren und Experimentieren braucht.<br />

„Hast du schon mal von Linux gehört? Shell Command?“, fragt Nele. „Obwohl … das ist vielleicht schon ein<br />

bisschen nerdig.“ Raspberry Pi wurde vor ein paar Jahren mit dem Ziel entwickelt, jungen Menschen den<br />

Erwerb von Programmier- und Hardwarekenntnissen zu erleichtern. Und Nele ist jetzt eine davon.<br />

Die gebürtige Waldviertlerin hat in der siebten Klasse Gymnasium die Schule abgebrochen. Die angefangene<br />

AugenoptikerInnen-Lehre stellte sich als mäßig interessant heraus, also fragte Nele ihre AMS-Betreuerin, ob<br />

sie beim Programm „Frauen in Handwerk und Technik“, kurz FiT, mitmachen könnte. Sie konnte. Mit dem<br />

Programm wird die Qualifizierung von Frauen in handwerklich-technischen Berufen gefördert. „Ich hab mir<br />

eine Holzwerkstatt angeschaut, den Bereich Elektronik, ich hab überall ein bissl reingeschnuppert.“ In ihrem<br />

jetzigen Lehrbetrieb wurde sie aufgenommen, nachdem sie ein EDV-Praktikum absolviert hatte. „Nele hat<br />

sich im Praktikum sehr bewährt“, meint ihr Lehrlingsbetreuer Oliver. „Auf sie kann man sich verlassen. Sie ist<br />

sehr genau, und das ist in diesem Job das Um und Auf.“ „Ich lern das schnell“, meint Nele. „Ich schau’s mir<br />

an, mach’s einmal, und dann hab ich es mir gemerkt.“<br />

Die EDV-Abteilung, in der Nele arbeitet, ist klein. Neben Oliver hat Nele noch eine Kollegin. „Mädchensein<br />

in dem Beruf war deshalb für mich bisher das Normalste auf der Welt, auch weil meine Schwester EDV-<br />

Technikerin ist. Erst in der Berufsschule hab ich mitbekommen, dass der Technikbereich noch immer<br />

männerdominiert ist“, sagt Nele. In ihrer Klasse ist sie das einzige Mädchen. „Es gibt nur männliche Lehrer,<br />

aber wir haben eine Direktorin!“<br />

Nele will auf jeden Fall die Matura nachmachen und hat sich auf Anraten des Klassenvorstands für die<br />

Berufsmatura angemeldet. Die Lehre mit Reifeprüfung machen laut einer Statistik des Bildungsministeriums<br />

übrigens 8,7% aller Lehrlinge, Tendenz: steigend.<br />

„Nach der Lehre will ich ein paar Jahre arbeiten, dann aber vielleicht noch studieren – Kultur- und<br />

Sozialanthropologie würde mich interessieren.“ Die Ausbildung, so Nele, ist für sie die Sicherheit, jederzeit<br />

wieder in den Job zurückkehren zu können. „EDV-TechnikerInnen werden ja immer und überall gesucht.“ Ein<br />

Job mit Zukunft also – und eine Frau, die noch viel vorhat. p


41 frauen und bildung<br />

Nele<br />

Schnabl, 19<br />

EDV-Technikerin in Lehre


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

42<br />

Wissen ist<br />

weiblich<br />

Beim Thema Bildung haben Frauen in den letzten Jahren<br />

„aufholen“ können. Frauen sind top ausgebildet, ab Maturaniveau<br />

überholen sie sogar die Männer. Aber nach wie vor gilt: je höher<br />

der Abschluss, umso geringer der Frauenanteil.<br />

Die gute Nachricht zuerst: Geschlechterspezifische<br />

Unterschiede im Bildungsniveau haben abgenommen.<br />

Bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 25<br />

bis 64 Jahren haben Frauen zwar immer noch ein<br />

niedrigeres Bildungsniveau als Männer – im Jahr<br />

2012 hatten 23,2 % der Frauen dieses Alters höchstens<br />

einen Pflichtschulabschluss, bei den Männern<br />

lag der Anteil bei 14,9 %. Bezüglich der Reifeprüfungsquote<br />

haben Frauen ihre männlichen Schulkollegen<br />

dagegen bereits Mitte der 1980er-Jahre<br />

überholt. 2012/13 haben 49,7 % der jungen Frauen<br />

(bezogen auf den Durchschnitt der 18- bis 19-Jährigen)<br />

die Matura erfolgreich abgelegt. Bei den<br />

Männern waren es hingegen nur 35,5 %. 58,3 % der<br />

Maturaabschlüsse werden von Frauen abgelegt,<br />

bei den Lehrabschlüssen liegt der Frauenanteil bei<br />

44,3 %. An Universitäten haben die Frauen die Männer<br />

bereits überholt. Im Studienjahr 2012/13 wurden<br />

58,7 % der Studienabschlüsse von Frauen erworben.<br />

Bei den Doktoraten sind Männer allerdings noch in<br />

der Überzahl. 56,3 % der postgradualen Doktoratsabschlüsse<br />

entfielen auf Männer. Bei den Studienabschlüssen<br />

an Fachhochschulen ist der Frauenanteil<br />

mit 48,9 % insgesamt noch deutlich niedriger als an<br />

den Universitäten.<br />

gleichstellung im<br />

schul- und bildungswesen<br />

Große geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen<br />

nach wie vor in der Fächerwahl, und zwar<br />

sowohl was den Schul- als auch den Hochschulbereich<br />

betrifft.<br />

Schon im Kindergarten und in der Volksschule sollte<br />

bei Mädchen das Interesse an Technik und Naturwissenschaften<br />

geweckt werden, und Burschen muss<br />

mehr geboten werden als Bauecken. Jedes Kind<br />

braucht Platz zur Entfaltung seiner Persönlichkeit<br />

und zur Erweiterung eigener Handlungskompetenzen.<br />

Denn im Bildungssystem wird der Grundstein<br />

für die weitere Berufs- und Bildungswahl gelegt.<br />

Bei der Genderkompetenz der PädagogInnen gibt<br />

es noch großen Verbesserungsbedarf. LehrerInnen<br />

müssen die Kompetenzen für einen geschlechtersensiblen<br />

Unterricht im Rahmen der Aus- und<br />

Weiterbildungen erwerben.<br />

Bedauerlich ist, dass es kaum mehr Förderungen<br />

für Projekte zur geschlechtersensiblen Berufs- und<br />

Ausbildungswahl gibt. Ohne diese Projekte fehlen<br />

ExpertInnen, die ihr Wissen über eine geschlechtersensible<br />

Berufs- und Ausbildungswahl in die Schulen<br />

tragen. Investitionen in die Verbesserung der<br />

Berufschancen von Mädchen lohnen sich immer und<br />

dürfen daher nicht als Einsparungsposten gesehen<br />

werden.<br />

ich mach eine lehre!<br />

Von den insgesamt 115.068 Lehrlingen in Österreich<br />

im Jahr 2014 waren 39.249 Mädchen. Die am<br />

häufigsten von Mädchen gewählten Lehrberufe sind<br />

Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau und Friseurin.<br />

Verglichen mit den Zahlen der Lehrlingsabschlüsse<br />

lässt sich daraus also schlussfolgern, dass mehr<br />

Mädchen die Lehre abschließen als Burschen.


43 frauen und bildung<br />

Die vor allem von Mädchen gewählten Lehrberufe<br />

sind wesentlich schlechter bezahlt als die männerdominierten<br />

Bereiche (Beispiel Friseurin und KFZ-Mechaniker).<br />

Unser Bildungssystem fördert Mädchen<br />

und junge Frauen kaum, Technik und Handwerk als<br />

Berufsbild zu wählen. All dies führt dazu, dass Mädchen<br />

und junge Frauen in tradierte Rollenklischees<br />

gedrängt werden. Maßnahmen zu Chancengleichheit<br />

und Selbstbestimmung für alle Mädchen und junge<br />

Frauen in Österreich müssen als ein hohes gesellschaftliches<br />

Ziel erarbeitet und umgesetzt werden.<br />

ich geh studieren!<br />

An den öffentlichen Universitäten belegen Frauen<br />

in erster Linie verstärkt geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche<br />

sowie pädagogische Studien,<br />

während die Männer in der Mehrzahl technische Studienfächer<br />

wählen. Betrachtet man die Frauenquote<br />

auf Ebene der einzelnen Studienrichtungen, so sind<br />

Sprachstudien, veterinärmedizinische Studien und<br />

Pädagogik typische „Frauenstudien“. Hier werden<br />

Frauenanteile von über 80 % erreicht. Männliche<br />

Domänen sind die Studienrichtungen Maschinenbau,<br />

Elektrotechnik und Informatik mit Frauenanteilen<br />

von bis zu unter 10 %.<br />

Bezogen auf die Studienabschlüsse zeigen sich<br />

im Zeitvergleich jedoch merkbare Veränderungen.<br />

Während 2002/03 nur 16,4 % der Abschlüsse im<br />

Bereich Montanistik von Frauen abgelegt wurden,<br />

waren es 2012/13 schon 25,8 %. In den Rechtswissenschaften<br />

stieg der Frauenanteil von 50,2 % auf 53,5 %.<br />

In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften lag der<br />

Anteil der Frauen 2002/03 bei 49,0 % und 2012/13<br />

bei 52,4 %. Bei den Abschlüssen in Veterinärmedizin<br />

ist der Frauenanteil von 71,6% weiter auf 84,7 % angestiegen.<br />

Aber auch in den Naturwissenschaften konnte<br />

der Frauenanteil weiter zulegen (2002/03: 57,0 %,<br />

2012/13: 62,4 %). In der Medizin, der bildenden und<br />

angewandten Kunst sowie in der darstellenden Kunst<br />

ist der Frauenanteil allerdings zurückgegangen.<br />

mit wissen zur<br />

führungsposition?<br />

Auch eine gute bzw. höhere Ausbildung garantiert<br />

Frauen allerdings kein existenzsicherndes Einkommen,<br />

und Bildung allein führt nicht zwangsläufig zu<br />

mehr Chancengleichheit.<br />

Selbst bei gleichen Bildungsabschlüssen sind Frauen<br />

stärker in mittleren Positionen vertreten, während<br />

Männer häufiger in Führungspositionen aufsteigen.<br />

Die zehn häufigsten Lehrabschlüsse nach Lehrberufen<br />

Einzelhandel ingesamt<br />

Bürokauffrau/-mann<br />

Landwirtschaft<br />

Kraftfahrzeugtechnik<br />

Köchin/Koch<br />

Installateur und Gebäudetechniker<br />

Metalltechnik insgesamt<br />

Friseur und Perückenmacher<br />

Maschinenbautechnik<br />

Maurerin/Maurer<br />

Männer<br />

0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000<br />

Frauen<br />

6.000<br />

Quelle: Statistik Austria, Schulstatistik 2012/2013; erstellt am 12.1.<strong>2015</strong>


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

44<br />

Nach dem Abschluss einer BHS üben beispielsweise<br />

bedeutend mehr Frauen (53,8 %) als Männer (28,6 %)<br />

nur mittlere Tätigkeiten aus, während umgekehrt<br />

mehr Männer (42,3 %) als Frauen (27,6 %) mit<br />

BHS-Abschluss höher und hoch qualifizierte Tätigkeiten<br />

verrichten. Deutlich ist auch der Unterschied<br />

bei Beschäftigten mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss,<br />

hier üben 22,3 % der Männer, aber nur<br />

7,0 % der Frauen eine führende Tätigkeit aus. p<br />

Die gläserne Decke<br />

hat einen Sprung<br />

Die universitäre Forschung wird noch immer klar von Männern<br />

dominiert. Je höher die Karrierestufe, desto weniger Frauen. Das<br />

Potenzial und die Notwendigkeit frauenfördernder Maßnahmen<br />

wurden erkannt – aber sie greifen langsam.<br />

Frauen sind in Österreich in der Forschung stark<br />

unterrepräsentiert. Innerhalb der EU ist Österreich,<br />

was den Anteil von Wissenschafterinnen und<br />

Ingenieurinnen an den Erwerbstätigen betrifft, weit<br />

abgeschlagen. Speziell in der Hochschulforschung<br />

nimmt der Frauenanteil mit jeder Karrierestufe ab<br />

(„leaky pipeline“).<br />

Österreich braucht jedoch dringend NachwuchswissenschafterInnen,<br />

um den Anschluss an die<br />

führenden Forschungsnationen nicht zu verlieren.<br />

Die Abwanderung von „High Potentials“ ins Ausland<br />

aufgrund fehlender Karrieremöglichkeiten, starrer<br />

hierarchischer Strukturen und fehlender Commitments<br />

zu echter Gleichstellung muss gestoppt<br />

werden.<br />

Zwar sind durch gezielte Maßnahmen der letzten<br />

Jahre gewisse Erfolge sichtbar, doch der Frauenanteil<br />

bewegt sich im Vergleich zum vorhandenen<br />

Potenzial weiterhin auf einem niedrigen Niveau.<br />

Während bereits 61,4 % der Erstabschlüsse (an öffentlichen<br />

Universitäten und Fachhochschulen nach<br />

Hauptstudienrichtung 2012/13) auf Frauen entfielen,<br />

liegt der Frauenanteil bei den Doktoraten bereits bei<br />

nur mehr 43,7 %, bei den AssistentInnen bei 39% und<br />

bei den ProfessorInnen gar nur bei kümmerlichen<br />

22,2 %. Eine besondere Hürde für Frauen auf dem<br />

Weg zur Professur stellt die Habilitation dar. Dieser<br />

Qualifizierungsschritt ist für Frauen häufig schwer<br />

zu bewältigen, weil er mit der Phase des Elternwerdens<br />

zusammenfällt. Die Habilitation ist international<br />

völlig unüblich und nur mehr bei einem Teil der<br />

Berufungen überhaupt relevant. Daher sollte sie<br />

gänzlich abgeschafft werden.<br />

Frauenförderung muss ein integraler Bestandteil<br />

der Leistungsvereinbarungen bleiben. Die Unis<br />

müssen zur Umsetzung konkreter frauenfördernder<br />

Maßnahmen verpflichtet werden. Auch müssen<br />

etwa Laufbahnstellen ausgebaut und ein echtes<br />

Tenure-Track-System (ein aus den USA kommendes<br />

Laufbahnmodell für Hochschullehrende mit<br />

hohem Kündigungsschutz) eingeführt werden. Das<br />

Stipendienwesen auf Doktoratsebene ist auszubauen.<br />

Dabei ist auch die grundlegende Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Privatleben herzustellen. Es müssen<br />

nicht nur Betriebskindergärten eingerichtet, sondern<br />

auch familienfreundliche Beschäftigungsverhältnisse<br />

geschaffen werden. An den chronisch unterfinanzierten<br />

Hochschulen wird ein Großteil der Lehre und<br />

Forschung von Personal in befristeten und teilweise<br />

sehr schlecht bezahlten Stellen bestritten. In den<br />

Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist die<br />

Situation besonders schwierig. Diese Fächer haben


45 frauen und bildung<br />

einen hohen Frauenanteil und sind im Vergleich mit<br />

anderen Disziplinen finanziell deutlich schlechter<br />

ausgestattet. Die meisten Forschungsförderungsprogramme<br />

sind auf Naturwissenschaft und Technik<br />

ausgerichtet. Aus diesem Grund sind Frauen wesentlich<br />

häufiger vom akademischen Prekariat betroffen<br />

als Männer.<br />

Im Studienjahr 2013/14 waren an den öffentlichen<br />

Universitäten 36.173 Personen als wissenschaftliches<br />

und künstlerisches Personal tätig. Davon waren<br />

2.356 ProfessorInnen; 33.919 entfielen auf das sonstige<br />

wissenschaftliche und künstlerische Personal.<br />

Insgesamt betrug der Frauenanteil 39,5 %.<br />

zahlen und fakten<br />

Der sogenannte „Glass Ceiling Index“ im Gender<br />

Monitoring des Wissenschaftsministeriums zeigt,<br />

dass Aufstiegschancen von Frauen v. a. an den<br />

Kunstunis und der Uni Klagenfurt gegeben sind;<br />

am schlechtesten schneiden die Montanuni und die<br />

Veterinärmedizinische Universität ab. Zwar zeigt die<br />

Analyse eine signifikante Verbesserung, andererseits<br />

beweist sie aber auch, dass Männer nach wie vor<br />

bessere Aufstiegschancen haben.<br />

Der Frauenanteil am gesamten wissenschaftlichen<br />

bzw. künstlerischen Personal liegt österreichweit bei<br />

35 %. Den Höchstwert weist die Vetmed auf (57 %),<br />

den niedrigsten wieder die Montanuni (16 %), gefolgt<br />

von der TU Graz (17 %).<br />

In den universitären Führungsgremien sieht es bezüglich<br />

Frauenanteil im Regelfall wesentlich besser<br />

aus: In den Universitätsräten gibt es bereits fifty-fifty,<br />

in den Rektoraten (inklusive der Vizerektorate) liegt<br />

der Frauenanteil bei 43 %, in den Berufungskommissionen<br />

bei 42 %, in den Habilitationskommissionen<br />

bei 38 % und in den Senaten bei 42 %. Die absoluten<br />

Führungspositionen sind aber weiter eher in Männerhand:<br />

Von den derzeit 22 RektorInnen sind nur<br />

sieben Frauen.<br />

feministische<br />

forschung<br />

Um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen, darf<br />

sich feministische Politik nicht nur mit Personalpolitik<br />

begnügen. Die Auseinandersetzung mit<br />

den Faktoren der Ungleichheit ist zentral für ihre<br />

Überwindung. Wissenschaft und Forschung waren<br />

jahrhundertelang von Männern geprägt, erst in den<br />

letzten hundert Jahren waren Frauen zum Studium<br />

zugelassen. Die Auswirkungen dieses Ausschlusses<br />

liegen nicht nur in der nach wie vor niedrigen Zahl<br />

an Professorinnen, sondern auch in den Wissenschaften<br />

selbst: So beschäftigte sich die Medizin z. B.<br />

lange vornehmlich mit dem männlichen Körper, die<br />

Literaturwissenschaft nur mit männlichen Autoren<br />

etc. In den letzten Jahrzehnten haben sich daher<br />

einerseits interdisziplinäre Gender Studies etabliert,<br />

andererseits gibt es fachspezifische feministische<br />

Forschungsschwerpunkte. Diese feministische Wissenschaft<br />

gerät jedoch in Zeiten der Budgetknappheit<br />

und eines antifeministischen Backlashs (also Angriffe<br />

auf Frauenrechte) zunehmend in Bedrängnis.<br />

Die feministischen Wissenschaften müssen weiterhin<br />

eingefordert und ausgebaut werden, um ihren Beitrag<br />

zur Gleichstellung leisten zu können. p<br />

Lehrpersonal-Verteilung an den öffentlichen Universitäten in Österreich<br />

PersonaltyP Personen Vollzeitäquivalente<br />

Zusammen Männer Frauen Zusammen Männer Frauen<br />

Öffentliche Universitäten<br />

Lehrpersonal gesamt 36.173 21.898 14.279 20.453 13.105 7.348<br />

Professorinnen und Professoren 2.356 1.834 522 2.270 1.766 503<br />

Sonstiges wissensch. u. künstl. Personal 33.919 20.150 13.773 18.183 11.339 6.845<br />

Quelle: Statistik Austria, 2014. Lohnsteuer- und HV-Daten. Ohne Lehrlinge.


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

46<br />

5 Fragen an …<br />

Edeltraud Hanappi-Egger,<br />

Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien<br />

Sie sind studierte Informatikerin und forschen<br />

seit Anfang der 90er-Jahre u.a. zur Situation von<br />

Frauen in der IT-Branche. Was ist das Spannende<br />

am Forschungsfeld Frauen und Technik?<br />

Edeltraud Hanappi-Egger: Das Spannende im<br />

wahrsten Sinne des Wortes ist, dass gerade der<br />

Technikbereich stark mit Männern und Maskulinitätskonstruktionen<br />

in Verbindung gebracht wird<br />

und daher Frauen noch immer als eher exotisch<br />

wahrgenommen werden. Gerade diese Sonderstellung<br />

macht es Frauen dann schwer, mit dem<br />

Spannungsverhältnis umzugehen, dass sie einerseits<br />

als Expertinnen anerkannt werden wollen,<br />

andererseits das aber immer wieder im<br />

Widerspruch zum Frausein zu stehen<br />

scheint. Wenn sie also versuchen,<br />

„wie Männer“ zu sein, gelten sie<br />

als unweiblich, wenn sie etwas<br />

anders machen, gelten sie als<br />

unprofessionell. Dieses Dilemma<br />

wird in der Literatur als „double<br />

binding“ bezeichnet.<br />

Bei der Anzahl der StudienanfängerInnen<br />

und Uni-AbsolventInnen liegen Frauen<br />

inzwischen vorne. Doch im Zuge einer universitären<br />

Laufbahn kommen der Wissenschaft die<br />

Frauen abhanden. So liegt der Frauenanteil bei<br />

den AssistentInnenstellen nur noch bei 40 %,<br />

unter den DozentInnen und ProfessorInnen bei<br />

20 %. Wo sind die Frauen?<br />

Das Problem, dass Frauen im Laufe der wissenschaftlichen<br />

Karrieren immer weniger werden,<br />

ist ein europaweites. Das liegt wohl daran, dass<br />

die Vorstellung einer wissenschaftlichen Normalbiografie<br />

hohe zeitliche und örtliche Flexibilität<br />

inkludiert, die gerade in bestimmten Lebensabschnittsphasen<br />

schwer lebbar ist. Das führt<br />

tendenziell zu einem stärkeren Ausschluss und<br />

Selbstausschluss von Frauen. Das bedeutet, dass<br />

wir Frauen dann oft im Drittmittelbereich und/<br />

oder in der Lehre finden. Das Problem kriegen<br />

wir wohl erst in den Griff, wenn sich die Wissenschaftskultur<br />

in Summe in Richtung mehr Inklusion<br />

verändert. Dazu gehört z. B. auch, dass sich eine<br />

karriererelevante Leistungsbeurteilung auf<br />

ein breites Leistungsportfolio bezieht.<br />

Werden Ihrer Einschätzung nach Frauen in<br />

Forschung und Lehre benachteiligt? Wenn ja,<br />

wie äußert sich diese Benachteiligung?<br />

Ich meine, es sind nicht die Frauen per se, sondern<br />

es werden bestimmte Lebenskontexte<br />

benachteiligt, nämlich solche, die es<br />

einfach nicht erlauben, den extrem<br />

hohen Ansprüchen in wissenschaftlichen<br />

Karrieren zu genügen.<br />

Internationale Erfahrungen,<br />

generell Mobilität, eine stark auf<br />

Publikationsoutput in angesehenen<br />

Fachjournalen ausgerichtete<br />

Evaluierung, Drittmitteleinwerbungen<br />

usw. – das impliziert eine ziemliche<br />

soziale Unabhängigkeit. Alle, die das nicht<br />

leben können oder wollen, haben es in der Wissenschaft<br />

schwer – und es sind statistisch gesehen<br />

weitaus mehr Frauen als Männer, die Vereinbarkeitsprobleme<br />

haben.<br />

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die<br />

geringe Zahl von Frauen in leitenden Positionen<br />

in der Wissenschaft, insbesondere in Ihrem Fach?<br />

Führungspositionen werden traditionell noch<br />

immer stark mit sehr spezifischen Männerbildern<br />

in Verbindung gebracht. Ähnlich wie bei Frauen<br />

in der Technik stellt sich auch hier das Problem,<br />

dass Frauen sich an diese Vorstellungen anpassen<br />

oder andere Wege gehen können. Dabei laufen sie


47 frauen und bildung<br />

Gefahr, entweder als unweiblich oder als unprofessionell<br />

zu gelten. Dies erzeugt ambivalente<br />

Haltungen Führungsaufgaben gegenüber. Es fehlt<br />

an Rollenvorbildern, aber auch an sogenannten<br />

Talentemanagement-Projekten, also Karriereprogrammen.<br />

Oft liegt es aber auch an der fehlenden<br />

Ermutigung: In der Annahme, dass Frauen „eh<br />

nicht an Führungsaufgaben interessiert sind“, werden<br />

sie schlicht nicht gefragt – oder „übersehen“.<br />

Manche FeministInnen halten bisherige Förderinstrumente<br />

für unzureichend und plädieren für<br />

eine Frauenquote. Sind Sie persönlich für oder<br />

gegen die Einführung einer Frauenquote in Forschung<br />

und Lehre?<br />

Quoten sind ohne Frage ein Beschleunigungsinstrument,<br />

sie bringen also schneller einen entsprechenden<br />

Effekt. Allerdings gebe ich zu bedenken,<br />

dass Quoten immer gleiche Qualifikationen<br />

voraussetzen. Damit wird aber das System, am<br />

Beispiel Wissenschaft mit den sehr spezifischen<br />

karriererelevanten Leistungsbewertungen, nicht infrage<br />

gestellt. Es wäre aber meines Erachtens auch<br />

an der Zeit, zum Beispiel die Rolle der Lehre an<br />

den Universitäten wieder aufzuwerten und stärker<br />

bei der Evaluierung und Mittelvergabe einfließen<br />

zu lassen. Daher: Ja, Quoten, wo sie Sinn haben.<br />

Aber auch eine Hinterfragung der Wissenschaftskultur<br />

steht an. p > Foto: Gloria Warmuth<br />

Frauen<br />

helfen Frauen<br />

Frauenberatungsstellen kämpfen mit einer schwierigen<br />

finanziellen Struktur. Die Politik muss Rahmenbedingungen<br />

schaffen, damit die Mitarbeiterinnen in den Frauenberatungen<br />

noch besser helfen können.<br />

Die Erfahrungen und das Wissen der Expertinnen<br />

über die Situation von Frauen in der Region sind<br />

enorm wichtig. Sie wissen am besten, was Frauen,<br />

die sich in schwierigen Situationen befinden,<br />

brauchen.<br />

Österreichweit werden aus dem Budget für Frauen<br />

im Bundesministerium für Bildung und Frauen derzeit<br />

56 Frauenservicestellen mit 13 Außenstellen, die<br />

aufgrund ihres ganzheitlichen Beratungsangebots<br />

jedenfalls geschlechtssensible Berufsorientierung<br />

anbieten, gefördert.<br />

Laut Auskunft der Bundesministerin wurden<br />

2013 aus den Mitteln der Frauenprojektförderung<br />

5.890.961 Euro und 5.874.240 Euro an Förderungen<br />

im Jahr 2014 vergeben. Für das Förderjahr <strong>2015</strong> lagen<br />

mit Stand 12. Jänner <strong>2015</strong> 207 Anträge vor. Fünf<br />

davon sind abschließend behandelt, alle übrigen in<br />

Bearbeitung.<br />

Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser leisten einen<br />

wertvollen Dienst. Dieser Dienst muss honoriert<br />

und weiter entsprechend gefördert werden.<br />

Zu diesem Zweck soll ein eigenes Frauenberatungsförderungsgesetz<br />

– analog zum Familienberatungsförderungsgesetz<br />

– erlassen werden, das objektive<br />

Kriterien für die Fördervergabe und bei deren Erfüllung<br />

einen Rechtsanspruch auf Förderung festlegt.<br />

Rahmenförderverträge mit Fraueneinrichtungen sind<br />

grundsätzlich mindestens auf drei Jahre abzuschließen,<br />

und jede Frauenberatungsstelle sowie die Frauenservicestellen<br />

sollen eine Basisfinanzierung in der<br />

Höhe von bis zu 100.000 Euro vom Bund erhalten.<br />

Es ist zu prüfen, inwieweit die Leistungs- und<br />

Finanzierungsbedingungen des AMS bei arbeitsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen für Frauen und<br />

Mädchen Direktvergaben an Frauenberatungsstellen<br />

zulassen, da Frauenberatungsstellen meist nicht


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

48<br />

die Overheadkosten zur Beteiligung an öffentlichen<br />

Ausschreibungsverfahren tragen können. Nach<br />

Prüfung einer Optimierung der Förderungen von<br />

Ländern, Städten, AMS und Bund für die Frauenund<br />

Mädchenberatungsstellen werden die Mittel des<br />

Bundes für die Förderung von Frauenberatungseinrichtungen<br />

jährlich um bis zu 10 Mio. Euro höher<br />

angesetzt als derzeit.<br />

Ein konkreter Entwurf für ein Frauenberatungsförderungsgesetz<br />

müsste im ExpertInnenkreis ausgearbeitet<br />

werden. p<br />

Europa-Panorama<br />

In den letzten 150 Jahren hat sich in der Entwicklung<br />

des Bildungsgrads von Frauen und Männern einiges<br />

getan: 39,9 % aller Frauen (31,5 % der Männer)<br />

zwischen 30 und 34 Jahren in der EU haben einen<br />

akademischen Abschluss. Spitzenreiter sind Irland<br />

(57,9 %) und die skandinavischen Länder. In der Realität<br />

stehen wir vor folgender Situation: Frauen sind<br />

im Schnitt höher qualifiziert, die Spitzenpositionen<br />

besetzen jedoch Männer, Frauen sind öfter in Teilzeitjobs<br />

und prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />

zu finden.<br />

warum gibt es so wenige<br />

frauen an der spitze?<br />

Ergebnisse aus der „Eliteforschung“ zeigen, dass<br />

begabte Mädchen und junge Frauen bereits in Familie,<br />

Schule und Freundeskreis kaum dazu motiviert<br />

werden, ihre vorhandenen Fähigkeiten systematisch<br />

auszubauen und in ihre berufliche Zukunft zu<br />

investieren: Häufig bremsen Eltern Mädchen eher<br />

und unterstützen sie darin, bescheiden, artig und<br />

angepasst zu sein. Intelligente, mutige und unangepasste<br />

Mädchen, die einen starken Willen und eigene<br />

Ideen für ihre Zukunft haben, gelten als „schwierig“<br />

und „wild“.<br />

Die EU startete 2012 die Kampagne „Wissenschaft<br />

ist Mädchensache“ (Laufzeit: drei Jahre; http://science-girl-thing.eu),<br />

um mehr Frauen für die Forschung<br />

zu begeistern und sie zu einer wissenschaftlichen<br />

Laufbahn zu motivieren. Solche Kampagnen sind ein<br />

Schritt in die richtige Richtung, doch reichen sie bei<br />

Weitem nicht aus. Bildung, Forschung und Wissen<br />

sind für die Entwicklung einer Gesellschaft unverzichtbar.<br />

Wir Grüne fordern europaweit Investitionen in die<br />

Förderung von Mädchen und jungen Frauen in nicht<br />

traditionellen Berufen (zum Beispiel nach Vorbild<br />

des Wiener Töchtertags). Geschlechtergerechte<br />

Kindergartenpädagogik und geschlechtergerechte<br />

Schulbücher bis hin zur Unterstützung von Nachwuchswissenschafterinnen<br />

an den Hochschulen<br />

bilden die Grundlage dafür. Nur wenn wir schon im<br />

Kleinkindalter beginnen, können wir eine tatsächliche<br />

Gleichstellung von Frauen im gesamten<br />

Bildungssektor erreichen. p<br />

> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete


49 frauen und bildung<br />

wir grüne<br />

wollen:<br />

> Frauenförderung als integralen Bestandteil<br />

der Leistungsvereinbarungen<br />

> Intensivierung von Förderprogrammen und Stipendien für<br />

Nachwuchswissenschafterinnen, insbesondere auf Doktoratsebene<br />

> Veröffentlichung der Evaluierungen<br />

von Frauenförderung an den Hochschulen<br />

> Flexiblere und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle,<br />

Betriebskindergärten an allen Hochschulen<br />

> Etablierung von Mentoringprogrammen<br />

> Wiedereinstiegshilfen nach Auszeiten<br />

> Ein politisches Bekenntnis zur Gleichbehandlung<br />

in F&E bzw. an Hochschulen<br />

> Erhöhung der Gender-Sensibilität der Führungskräfte und Forschenden<br />

> Ausbau der Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen<br />

> Ein eigenes Frauenberatungsförderungsgesetz –<br />

analog zum Familienberatungsförderungsgesetz


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

50<br />

Veronika<br />

Kritzer, 62<br />

Pensionistin


51 frauen und körper<br />

hat gesundheit<br />

ein geschlecht?<br />

Der „kleine Unterschied“ ist vielleicht gar nicht so klein:<br />

Frauen erleben ihren Körper anders als Männer, Frauen werden<br />

anders krank und werden oft anders behandelt. Dabei sind weibliche<br />

Selbstbestimmung in allen gesundheitlichen Belangen sowie<br />

genderspezifische Aspekte der Vorsorge und Versorgung<br />

wichtige Anliegen <strong>grüner</strong> Gesundheitspolitik.<br />

„Meinem Body geht’s sehr gut!“ – Veronika Kritzer füllt den Raum mit einer Energie, die keinen Zweifel<br />

an dieser Aussage lässt. Es liegen gerade vier Probentage mit der Age Company, einer zeitgenössischen<br />

Tanzperformance-Gruppe für Frauen um und über 50, hinter ihr. „Abgesehen von ein bisschen Muskelkater<br />

funktioniert alles super. Ich kümmere mich halt um das Apparatl, und deswegen versagt es mir den Dienst<br />

auch nicht“, sagt sie.<br />

Über Veronikas Bett hängt eine Aktzeichnung, darauf sind sie und ihr Freund zu sehen. Das Kunstwerk<br />

entstand 2012 im Rahmen eines Projekts anlässlich des „Europäischen Jahres für aktives Altern und<br />

Solidarität zwischen den Generationen“. Es zeigt ein Paar, für das Alter, Körperlichkeit und Sinnlichkeit<br />

Dimensionen sind, die auf jeden Fall zusammengehen. Ihren Freund hat Veronika übrigens vor einigen<br />

Jahren bei einem Nackttanzkurs getroffen. „Das mag schon eine sehr spezielle Art und Weise sein, sich<br />

kennenzulernen. Aber so kam auch die Sexualität wieder in mein Leben. Der körperliche Genuss und das<br />

vielfältige Erleben haben sich im Alter wesentlich verbessert.“ Man merkt schnell: Diese Frau weiß über sich,<br />

über ihren Körper und ihre Bedürfnisse bescheid. Durch ihren früheren Job ist sie natürlich sensibilisiert.<br />

Veronika arbeitete als Physiotherapeutin und merkte schnell: Ich bin selbst dafür verantwortlich, wie ich alt<br />

werde! „Wenn etwas nicht funktioniert, tragen manche Leute ihren Körper einfach irgendwohin und sagen:<br />

,Mach was damit.‘ Sie selber aber kümmern sich nicht darum und fühlen sich einfach nicht zuständig“, erzählt<br />

Veronika von ihren Erfahrungen.<br />

Die Kunst des Zuhörens, das hat sie in ihrer Arbeit gelernt, ist auf dem Weg zur körperlichen<br />

Selbstbestimmtheit eine große Hilfe. Auf den eigenen Körper zu hören – das müssen die meisten aber<br />

erst lernen. Dennoch: „Die Menschen wissen eigentlich selbst am besten, was gut für sie ist und warum<br />

sie etwas tun oder nicht tun.“ Manchmal stünde aber die eigene Angst im Weg – vor allem, wenn es um<br />

gesundheitliche Vorsorge geht. „Meine Erfahrung ist, dass viele Leute keine Untersuchungen machen, weil<br />

sie Angst vor einem negativen Ergebnis haben oder – etwa bei einem psychotherapeutischen Prozess – weil<br />

sie Angst haben, sich selbst zu begegnen.“<br />

Zahnarzt, Tanzen, Gesundenuntersuchung, Mammografie – für Veronika gehört das alles zu einer<br />

ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge dazu. Es muss ja nicht für alle gleich Nackttanzen sein … p


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

52<br />

Gesundheit aus<br />

Genderperspektive<br />

Die Diskriminierung von Frauen im Gesundheitsbereich zeigt<br />

sich auf unterschiedlichen Ebenen. Weibliche Lebenszusammenhänge<br />

werden vielfach ausgeblendet.<br />

In der Medizin sind Krankheitsbild, Untersuchungsmethoden,<br />

Symptombeschreibung und Behandlung<br />

immer noch auf die männliche Norm abgestellt,<br />

obwohl es gravierende geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede geben kann. Medikamente werden<br />

fast ausschließlich an Männern erprobt. Ein Beispiel:<br />

Die häufigste Todesursache von Frauen sind<br />

Herzerkrankungen; Studien weisen jedoch darauf<br />

hin, dass Frauen in der Kardiologie nachweislich<br />

schlechter behandelt werden als Männer. Ein anderer<br />

Problembereich ist die medikamentöse Versorgung<br />

von Frauen. Frauen bekommen nicht nur doppelt so<br />

oft wie Männer Tranquilizer und Psychopharmaka<br />

verschrieben (man nimmt ihre Symptome weniger<br />

ernst), auch die Wirkungen und Nebenwirkungen<br />

von Medikamenten sind bei Frauen angesichts<br />

mangelnder klinischer Studien oft unzureichend<br />

untersucht.<br />

Der „Gender Medicine“ ist innerhalb des Gesundheitswesens<br />

verstärkt Augenmerk zu schenken.<br />

Denn nur wenn Frauen Zugang zu Gesundheitsangeboten<br />

und Information haben, kann eine qualitativ<br />

hochwertige medizinische Versorgung garantiert<br />

werden. Grundlegende Bestrebung <strong>grüner</strong> Gesundheitspolitik<br />

ist es, diese Strukturen aufzuzeigen und<br />

zu überwinden. Wie in allen Politikfeldern müssen<br />

auch in der Gesundheitspolitik geschlechtsspezifische<br />

Auswirkungen mitgedacht und zur Grundlage<br />

von Entscheidungen werden.<br />

frauen und gesundheitspolitik<br />

Männer dominieren in Führungspositionen des<br />

Gesundheitswesens. Karriereschienen für Frauen<br />

sind nur mangelhaft entwickelt, und frauenspezifische<br />

Lebenssituationen werden in Diagnostik und<br />

Therapie zu wenig berücksichtigt (z.B. Möglichkeiten<br />

eines Kur- oder Spitalsaufenthalts für Frauen mit<br />

Kleinkindern etc.).<br />

Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Arbeiten<br />

einen deutlichen Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit<br />

von BehandlerInnen und PatientInnen auf<br />

den Therapieerfolg. Die Wahlmöglichkeit zwischen<br />

weiblichen und männlichen TherapeutInnen ist daher<br />

zu verbessern.<br />

Eine geschlechterdifferenzierte Sichtweise ist also<br />

ein wesentliches Qualitätskriterium, welches im<br />

Gesundheitswesen von der Datenerhebung über<br />

die medizinische Behandlung bis hin zur stärkeren<br />

Verankerung von Frauen und ihren Interessen in<br />

Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und in<br />

Führungsebenen Berücksichtigung finden muss.<br />

Die Repräsentanz von Frauen ist daher in allen<br />

Verwendungs- und Führungspositionen zu erhöhen.<br />

Eine geschlechtsdifferenzierte Sichtweise trägt<br />

zur geschlechtsadäquaten Gesundheitsförderung<br />

und Prävention bei, ermöglicht eine differenzierte<br />

Diagnostik, erhöht die Qualität der Behandlung für<br />

Frauen sowie Männer und trägt zur Identifikation<br />

spezifischer Ressourcen bei.<br />

gesundes körpergefühl<br />

kann man lernen<br />

Gerade in der Pubertät finden gravierende Veränderungen<br />

statt, die dazu führen, dass Jugendliche ihren<br />

Körper mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten.<br />

Vor allem bei Mädchen sind diese pubertären<br />

Veränderungen häufig mit einer erhöhten Unzufriedenheit<br />

mit ihrem Körper und ihrem Erscheinungs-


53 frauen und körper<br />

bild verbunden, während sich Burschen meist eine<br />

eher positive Einstellung zu ihrem Körper bewahren<br />

können.<br />

Ein positives Selbstbild, eine wertschätzende<br />

Umwelt, gesunde Ernährung und ausreichend<br />

Bewegung sind die Schlüssel zu einem gesunden<br />

Körpergewicht und Essverhalten. Die Schule hat die<br />

Aufgabe, ein Ort zu sein, an dem alle Kinder und<br />

Jugendliche geschätzt und in ihrem Selbstbild gestärkt<br />

werden. Darüber hinaus kann die Schule auch<br />

zur gesunden Ernährung beitragen. Die Einführung<br />

eines Unterrichtsfachs „Gesunde Ernährung“ ist nicht<br />

sinnvoll. Wichtig ist das täglich gelebte gesunde Essen.<br />

Dazu gehören ein gemeinsames abwechslungsreiches<br />

Frühstück, eine gesunde Zwischenmahlzeit<br />

und eine warme Mahlzeit, bei deren Zubereitung<br />

die SchülerInnen regelmäßig eingebunden werden.<br />

Zudem müssen LehrerInnen und SchulärztInnen<br />

geschult werden, problematisches Essverhalten<br />

frühzeitig zu erkennen. Der Kontakt zu den Eltern<br />

der betroffenen SchülerInnen muss gesucht werden,<br />

um die Ursachen und mögliche Auswege rasch<br />

zu finden. Vielleicht benötigen die Eltern nur eine<br />

Ernährungsberatung, damit zu Hause gesunde<br />

Nahrung angeboten wird. Möglicherweise muss<br />

eine Psychotherapie ins Auge gefasst werden. p<br />

5 Fragen an …<br />

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin und Lebensund<br />

Sozialberaterin mit Schwerpunkt Sexualität<br />

Frau Löffler, wie definieren Sie für sich den<br />

Begriff „Frauengesundheit“?<br />

Elisabeth Löffler: Ich denke dabei an Aufklärung<br />

in Schulen und Kindergärten – auch für Mädchen<br />

mit Behinderung. Die Zugänglichkeit zu Ärzten<br />

muss gegeben sein, und in Gesundheitseinrichtungen<br />

sollte es zur Normalität gehören, dass auch<br />

Frauen mit Behinderung als Patientinnen<br />

kommen können. Ich denke dabei<br />

aber auch an Schutz für Frauen<br />

mit Behinderung von Gewalt und<br />

die Rahmenbedingungen, die<br />

es braucht, damit dieser Schutz<br />

gegeben ist. Frauengesundheit<br />

bedeutet für mich auch, dass<br />

ich mich nicht fürchten muss vor<br />

Übergriffen und vor struktureller<br />

Gewalt, die Frauen mit Behinderung ja<br />

sehr stark erleben.<br />

Menschen mit Behinderung beobachten oft, dass<br />

die Behinderung als entscheidendes Merkmal<br />

von außen wahrgenommen wird, während die<br />

Geschlechtsidentität in den Hintergrund rückt.<br />

Was bedeutet das für den Lebensalltag einer<br />

behinderten Frau?<br />

Die Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen sind<br />

so unterschiedlich wie die Frauen selbst. Aber allgemein<br />

bedeutet es, dass man sehr lange als Kind<br />

wahrgenommen und behandelt wird – und man<br />

sich selbst auch so sieht. All die Erfahrungen, die<br />

man als Jugendliche/r macht, erleben<br />

Frauen mit Behinderung oft erst 10<br />

bis 15 Jahre später.<br />

In welchen Bereichen brauchen<br />

Frauen mit Behinderung mehr<br />

Unterstützung?<br />

Das Thema Körpergefühl ist wichtig.<br />

Frauen mit Behinderung kennen<br />

Berührung oft als etwas, das sie<br />

über sich ergehen lassen müssen, etwa<br />

im Spital oder von Therapeuten. Wann und<br />

wie lernt man dann, dass eine Berührung gut und<br />

eine andere Berührung nicht gut ist? Auch beim<br />

Thema Schwangerschaft fehlt noch vieles. Wenn<br />

eine Frau mit Behinderung ein Kind bekommt,<br />

wird sie oft psychologisiert. Willst du wirklich ein


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

54<br />

Kind? Wofür ist das ein Ersatz in deinem Leben?<br />

Was willst du sublimieren? Es wird total genau<br />

analysiert, und ich glaube nicht, dass das so einer<br />

nicht behinderten Frau passiert.<br />

Studien besagen, dass Frauen mit Behinderung<br />

nur äußerst selten zum Frauenarzt gehen. Wo<br />

muss angesetzt werden, damit sich das ändert?<br />

Ist die Praxis barrierefrei? Wie groß ist die Kabine?<br />

Darf mein Assistent mitkommen? Das sind alles<br />

Fragen, die ich mir als Frau mit Behinderung stelle.<br />

Es wäre wichtig, dass ÄrztInnen von vornherein<br />

kommunizieren, was sie anbieten oder eben nicht<br />

anbieten bzw. wo sie bereit sind zu unterstützen.<br />

Wenn auf der Website einer Praxis steht „Wir sind<br />

barrierefrei zugänglich“ oder wenn ein Folder in<br />

leicht verständlicher Sprache angeboten wird,<br />

dann merken die Frauen, dass sie mitgedacht,<br />

gemeint und eingeladen sind zu kommen – und<br />

es spricht sich sicher ganz schnell herum.<br />

Frausein und Behindertsein – das sind gleich zwei<br />

Dimensionen, die mit gesellschaftlicher Ungleichheit<br />

verbunden sind. Wo muss die Politik konkret<br />

ansetzen, um das zu ändern?<br />

Ein wichtiger Schritt wäre das Recht auf Persönliche<br />

Assistenz. Weiters sollten in Entscheidungsgremien<br />

zur Frauengesundheit auch Frauen mit<br />

Behinderung vertreten sein. Es braucht barrierefreie<br />

Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen<br />

– und dafür muss es ein Extrabudget geben, denn<br />

für die Kosten sollen nicht die Frauenhäuser aufkommen<br />

müssen. Es muss ein politisches<br />

Anliegen sein, dass Frauen mit Behinderung<br />

sichtbar werden. Frauen mit Behinderung sind<br />

da – es ist nicht ein großes Leid, es ist eine Form<br />

zu leben. p > Foto: Ernst Spiessberger<br />

Straffen, spritzen –<br />

gesetzlich regeln<br />

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des/der BetrachterIn.<br />

Schönheitsoperationen sind jedoch hochkomplexe medizinische Eingriffe.<br />

Dieser Tatsache muss auch die Gesetzgebung Rechnung tragen.<br />

Schönheitsoperationen scheinen immer beliebter,<br />

„normaler“, aber auch ausgefallener zu werden. Diesen<br />

Eindruck erwecken jedenfalls Werbung und Medien.<br />

Neben den häufigsten Eingriffen wie Lidkorrekturen,<br />

Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und<br />

Botox-Behandlungen sind in den letzten Jahren auch<br />

Eingriffe in die weibliche Intimzone wie „Schamlippenkorrekturen“<br />

oder „vaginale Verjüngungen“ auf<br />

dem OP-Tisch in Mode gekommen. Schätzungen<br />

gehen von 30.000 bis 50.000 Operationen jährlich<br />

aus, die ohne medizinische Notwendigkeit erfolgen.<br />

Etwa 80 bis 90 % dieser medizinisch nicht indizierten<br />

Eingriffe werden an Frauen durchgeführt.<br />

Medizinische Eingriffe müssen besser heute als morgen<br />

strengeren Qualitätsanforderungen unterliegen,<br />

denn jede Schönheitsoperation ist für die PatientInnen<br />

auch mit Risiken verbunden. Eine qualitätsgesicherte<br />

Ausbildung der SchönheitschirurgInnen<br />

ist daher ebenso unerlässlich wie eine umfassende<br />

Aufklärung und Dokumentation über die Operationen<br />

selbst.<br />

ein <strong>grüner</strong> erfolg<br />

Nach einer Reihe von Anfragen an Gesundheitsminister<br />

Stöger und einem Antrag der Grünen für eine<br />

bessere gesetzliche Regelung zum Thema Schönheitsoperationen<br />

wurde im Juli 2012 das Bundesgesetz<br />

über die Durchführung von ästhetischen


55 frauen und körper<br />

Behandlungen und Operationen (ÄsthOPG), das mit<br />

1. 1. 2013 in Kraft getreten ist, im Parlament beschlossen.<br />

Als „SchönheitschirurgIn“ dürfen sich in Österreich<br />

seither nicht mehr alle ÄrztInnen bezeichnen.<br />

Das Gesundheitsministerium hat gemeinsam mit der<br />

Ärztekammer Mindestausbildungsstandards festgelegt,<br />

welche ÄrztInnen neben den FachärztInnen<br />

für plastische Chirurgie berechtigt sind, ästhetische<br />

Operationen durchzuführen (z. B. Nasenkorrekturen<br />

durch HNO-ÄrztInnen oder AllgemeinmedizinerInnen<br />

mit entsprechender Fortbildung und langjähriger<br />

Erfahrung).<br />

Außerdem sind die MedizinerInnen verpflichtet,<br />

PatientInnen vor einem Eingriff umfassend aufzuklären,<br />

einen schriftlichen Kostenplan vorzulegen, eine<br />

Fotodokumentation zu erstellen und einen Operationspass<br />

mit allen relevanten Daten auszustellen.<br />

Zwischen nachweislicher Aufklärung und Einwilligung<br />

zur Operation muss in der Regel überdies ein<br />

Zeitraum von 14 Tagen verstreichen. Das Gesetz<br />

enthält außerdem verschärfte Werbebeschränkungen<br />

sowie ein Provisionsverbot.<br />

Unzulässig sind ästhetische Behandlungen und Operationen<br />

an Personen, die das 16. Lebensjahr noch<br />

nicht vollendet haben. Bis zum 18. Lebensjahr ist die<br />

Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich.<br />

Bei Gesetzesverstößen drohen Geldstrafen von<br />

bis zu 25.000 Euro. Das Verbot von Schönheitsoperationen<br />

sollte jedoch für alle Jugendlichen unter 18<br />

Jahren gelten. p<br />

Schwanger,<br />

was nun?<br />

Wenn sich Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch<br />

entscheiden, müssen sie in ihrem Selbstbestimmungsrecht<br />

gestärkt werden, damit sie eine solche Entscheidung so einfach<br />

und so risikofrei wie möglich umsetzen können.<br />

Die gesetzlichen Regelungen bezüglich Schwangerschaftsabbruch<br />

unterscheiden sich in Europa erheblich.<br />

Vom Totalverbot bis zur relativ autonomen<br />

Entscheidungsfreiheit der Frau gibt es zahlreiche<br />

Varianten, den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch<br />

zu reglementieren. In Österreich ist er seit<br />

dem 1. Jänner 1975 mit der „Fristenlösung“ geregelt.<br />

Dies bedeutet, der Abbruch ist straffrei, wenn er bis<br />

zum dritten Schwangerschaftsmonat von einer/m<br />

Ärztin/Arzt nach vorheriger Beratung durchgeführt<br />

wird. Wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung<br />

einer nicht anders abwendbaren ernsten<br />

Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens<br />

für die körperliche oder seelische Gesundheit der<br />

Schwangeren erforderlich ist oder die Schwangere<br />

zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist,<br />

kann die dreimonatige Frist überschritten werden.<br />

Es gibt keine näheren Durchführungsbestimmungen<br />

und keine Regelungen für eine Kostenübernahme. In<br />

Österreich sind ÄrztInnen nicht verpflichtet, Abtreibungen<br />

vorzunehmen. Außerhalb Wiens gibt es nur<br />

wenige ÄrztInnen oder Krankenhäuser, die auch öffentlich<br />

die Durchführung von Abbrüchen anbieten.<br />

Dies bedeutet, dass Frauen außerhalb der Großstadt<br />

oft nicht die Möglichkeit haben, den Eingriff in der<br />

Nähe ihres Wohnorts vornehmen zu lassen.<br />

Die Grünen fordern die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch<br />

in allen öffentlichen Spitälern und<br />

auf Krankenschein. Darüber hinaus sollen – nach<br />

französischem Vorbild – Kliniken durch Demonstrationsbannmeilen<br />

vor Belästigung und Agitation<br />

geschützt werden. Gleichzeitig ist jedoch auch eine<br />

verstärkte Verhütungsinformation erforderlich. Die<br />

Übernahme der Kosten für die Verhütungsmittel


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

56<br />

durch die Kassen, wie es in einigen europäischen<br />

Ländern der Fall ist, würde viele unerwünschte<br />

Schwangerschaften und damit viel Not verhindern.<br />

Ein Grüner Erfolg: Mit der Rezeptfreistellung der<br />

„Pille danach“ wurde 2009 eine unserer langjährigen<br />

Forderungen umgesetzt, die Niederschlag in der<br />

parlamentarischen Arbeit fand. Das war eine wichtige<br />

Maßnahme, mit der Frauen einen barrierefreien<br />

Zugang zu einem Notfallsverhütungsmittel erhalten<br />

haben.<br />

meine entscheidung,<br />

meine kosten<br />

Europaweit verglichene Zahlen über vorgenommene<br />

Schwangerschaftsabbrüche lassen laut ExpertInnen<br />

einen Schluss auf die Versorgung mit schwangerschaftsverhütenden<br />

Mitteln zu. Soll heißen: In den<br />

Ländern, in denen weniger Abtreibungen vorgenommen<br />

werden, ist der Zugang zur Verhütung besser,<br />

leistbar und gesellschaftlich akzeptiert. Ein Schwangerschaftsabbruch<br />

wird in Österreich nicht wie in<br />

fast allen anderen westeuropäischen Ländern von<br />

der Krankenkasse bezahlt, d.h. in Österreich müssen<br />

Frauen den Abbruch selbst bezahlen, außer es<br />

gibt einen medizinischen Grund für einen Abbruch<br />

(Indikation).<br />

Europa-Panorama<br />

schwangerschaftsabbruch<br />

und strafrecht<br />

Der Schwangerschaftsabbruch war, ist und bleibt<br />

ein heiß umkämpftes Thema: In den USA, in Europa,<br />

derzeit aktuell in Spanien – überall herrscht der<br />

Glaubenskrieg zwischen BefürworterInnen – Pro-<br />

Choice – und GegnerInnen – Pro-Life. In Österreich<br />

gibt es nach wie vor den vor 40 Jahren erzielten<br />

Kompromiss der Fristenlösung, also das strafrechtliche<br />

Verbot des Abbruchs, in Verbindung mit<br />

der Straffreiheit innerhalb der ersten drei Monate.<br />

Frauen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind nicht zu<br />

bekommen, machen sich also, wie oben erwähnt,<br />

nicht strafbar, wenn „der Schwangerschaftsabbruch<br />

innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der<br />

Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher<br />

Beratung von einem Arzt vorgenommen wird“ (§ 97<br />

StGB). Die Rahmenbedingungen im Vorfeld eines<br />

Schwangerschaftsabbruchs sowie bei der Durchführung<br />

sind jedoch kaum bis gar nicht an den Bedürfnissen<br />

der betroffenen Frauen ausgerichtet, dabei<br />

belegen viele Studien, dass die Kostenübernahme<br />

von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch ein<br />

Kennzeichen und eine Basis für den hohen Stellenwert<br />

der sexuellen und reproduktiven Gesundheit<br />

in der Gesellschaft ist. p<br />

Das EU-Parlament stimmte Mitte März <strong>2015</strong> über<br />

den sogenannten Tarabella-Bericht ab. In dem<br />

Papier zur Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

geht es u.a. darum, dass Frauen insbesondere durch<br />

den einfachen Zugang zu Empfängnisverhütung und<br />

Abtreibung die Kontrolle über ihre sexuellen und<br />

reproduktiven Rechte haben müssen. Unterstützt<br />

werden daher Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung<br />

des Zugangs von Frauen zu Dienstleistungen<br />

der sexuellen und reproduktiven Gesundheit<br />

und zu besserer Information über ihre Rechte und<br />

über die verfügbaren Dienstleistungen.<br />

Die gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch<br />

in Europa divergieren derzeit erheblich<br />

und reichen vom Totalverbot (z. B. in Malta)<br />

bis zur relativ autonomen Entscheidungsfreiheit.<br />

Auch die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch<br />

variieren innerhalb Europas und bewegen sich<br />

zwischen 0 und 517 Euro, wobei die meisten Länder<br />

in Westeuropa die teilweise oder vollständige Kostenübernahme<br />

unterstützen.<br />

Die Grüne Fraktion im Europaparlament spricht sich<br />

mit Nachdruck für das Selbstbestimmungsrecht<br />

von Frauen und ihre sexuellen sowie reproduktiven<br />

Rechte aus und hat sich dafür eingesetzt, diese auch<br />

im Tarabella-Bericht zu verankern. Die Unterstützung<br />

sexueller und reproduktiver Gesundheit und


57 frauen und körper<br />

die damit verbundenen Rechte (SRHR, Sexual and<br />

Reproductive Health and Rights) sind in zahlreichen<br />

internationalen Verträgen und Konferenzen<br />

festgeschrieben (u.a. CEDAW, UNO-Bevölkerungskonferenz<br />

1994 und UNO-Frauenkonferenz 1995)<br />

und von zentraler gesellschaftlicher wie individueller<br />

Bedeutung.<br />

Das Thema darf allerdings nicht auf den zweifellos<br />

wichtigen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen<br />

reduziert werden, sondern hier geht es um das<br />

körperliche und seelische Wohlbefinden in Bezug<br />

auf alle Bereiche der Sexualität und Fortpflanzung;<br />

und dazu kann und soll das Europaparlament klar<br />

Stellung beziehen. Die EU kann den höchstmöglichen<br />

Gesundheitsstandard nur dann erreichen, wenn<br />

die reproduktive und sexuelle Gesundheit sowie die<br />

damit verbundenen Rechte uneingeschränkt geachtet<br />

und gefördert werden. p<br />

> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete<br />

wir grüne<br />

wollen:<br />

> Verpflichtende und regelmäßige Dokumentation<br />

in Form eines Frauengesundheitsberichts<br />

> Umsetzung der Gleichbehandlung von Frauen in sämtlichen<br />

Wirkungsbereichen – sowohl als Partnerinnen und als Verantwortliche –<br />

des Gesundheitssystems<br />

> Ganzheitliche Gesundheitsförderung durch z. B. Untersuchungen zur<br />

Prävalenz und Versorgungsstruktur frauenspezifischer Erkrankungsbilder<br />

> Kostenlose bzw. leistbare Verhütungsmittel<br />

> Die Entwicklung von risikoarmen Verhütungsmethoden für Männer<br />

und Frauen als Gegenstand innovativer Forschung<br />

> Einen offenen Sexualkundeunterricht an Schulen<br />

> Eine bessere Aufklärung von Frauen über die mit einem Kaiserschnitt<br />

verbundenen Risiken und eine Aufwertung der Hebammentätigkeit<br />

sowie deren bessere Finanzierung durch die Krankenkassen<br />

> Keine Schönheitsoperationen für unter 18-Jährige sowie strengere<br />

Werbebeschränkungen und höhere Strafen bei Verstößen


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

58<br />

es tut<br />

weh<br />

Es kann überall passieren. Es kann Frauen aller Altersstufen, jeder<br />

Herkunft und Sozialisation passieren. Gewalt an Frauen ist kein<br />

individuelles, sondern ein politisches und gesellschaftliches Problem.<br />

Wie finden betroffene Frauen – und Kinder – einen Weg aus der<br />

Gewalt? Und welche Gesetze und Institutionen schützen Frauen vor<br />

physischen und psychischen Übergriffen?<br />

„Manchmal sieht man es erst auf den zweiten Blick“ – dieser Satz steht auf einem Plakat in Maria<br />

Rösslhumers Büro, und es stimmt: Erst der zweite Blick offenbart die geballten Fäuste, die sich schemenhaft<br />

in das Tapetenmuster der auf den ersten Blick gediegenen Wohnzimmeridylle einordnen. „Jede fünfte Frau<br />

ist zumindest einmal in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen, und dabei ist die Dunkelziffer noch gar<br />

nicht erfasst“, sagt Maria Rösslhumer.<br />

1985 gründet sie, unterstützt von der Caritas, die erste Wohngemeinschaft für Frauen mit Behinderung in<br />

Wien. Ihre Vision: den Frauen die Möglichkeit geben, sich in kleinstrukturierten Betreuungseinrichtungen zu<br />

entfalten, einen Weg in die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu finden.<br />

Maria holt die Matura nach, beginnt mit Anfang 30 ein Studium und setzt sich intensiv mit dem Thema<br />

Frauenpolitik auseinander. In dieser Zeit lernt sie auch den Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser<br />

kennen, wird Mitarbeiterin, später Geschäftsführerin und etabliert die Frauenhelpline gegen Gewalt<br />

0800/222 555.<br />

Das erste Frauenhaus wurde 1978 in Wien gegründet. Insgesamt gibt es derzeit 30 Frauenhäuser in<br />

Österreich, die meisten von ihnen sind im 1988 gegründeten Verein organisiert. „Frauenhäuser sind in<br />

erster Linie Schutzeinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen. Wir bieten aber auch umfassende<br />

Unterstützung, psychologische und juristische Beratung, Begleitung zum Gericht, zur Polizei oder zu<br />

medizinischer Versorgung. Wir vermitteln Jobs und helfen bei der Suche nach leistbaren Wohnungen. Und<br />

ganz wichtig: Frauenhäuser sind auch Kinderschutzeinrichtungen“, sagt Maria. Darüber hinaus definieren<br />

sich die Frauenhäuser auch als frauenpolitische Einrichtung mit feministischen Prinzipien, gehen hinaus,<br />

führen Seminare mit PolizistInnen, Schulungen mit Berufsgruppen wie LehrerInnen oder RichterInnen durch.<br />

„In Österreich ist vergleichsweise schon viel passiert“, sagt Maria. „Die Gesetze werden laufend verbessert,<br />

das Betretungsverbot wurde verlängert und es gibt die kostenlose Prozessbegleitung von der Anzeige bis<br />

zum Ende des Gerichtsverfahrens – das haben andere Länder nicht.“ Auch auf europäischer Ebene wurde<br />

nicht zuletzt aufgrund der Zusammenarbeit der Frauenhäuser im europäischen Netzwerk WAVE (Women<br />

Against Violence Europe) viel erreicht. Und trotzdem: Die Gewalt gegen Frauen ist nicht weniger geworden.<br />

„Wenn man sich die Zahlen anschaut, weiß man: Wir müssen noch viel tun!“, sagt Maria. Dabei ist vor allem<br />

auch wichtig, über die Anliegen und Angebote der Frauenhäuser zu berichten. Und das ist hiermit wieder<br />

einmal geschehen. p


59 frauen gegen gewalt<br />

Maria<br />

Rösslhumer, 54<br />

Geschäftsführerin des Vereins Autonome<br />

Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und von<br />

WAVE (Women Against Violence Europe),<br />

www.aoef.at


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

60<br />

Der Weg<br />

aus der Gewaltspirale<br />

Die Auswirkungen von Gewalt betreffen nicht nur die Frauen,<br />

die Opfer von Gewalt werden, sondern auch ihre Familien,<br />

FreundInnen und die Gesellschaft insgesamt. Nur wenn sich<br />

Frauen sicher fühlen, können sie selbstbestimmt leben.<br />

Die 2011 veröffentlichte „Österreichische Prävalenzstudie<br />

zur Gewalt an Frauen und Männern“ des<br />

Österreichischen Instituts für Familienforschung<br />

(ÖIF) liefert folgende Zahlen: Drei Viertel aller<br />

Frauen haben sexuelle Belästigung erlebt (74,2 %),<br />

nahezu ein Drittel aller Frauen hat sexuelle Gewalt<br />

erfahren (29,5 %). 90,3 % der von sexueller Gewalt<br />

betroffenen Frauen erlebten diese ausschließlich von<br />

Männern, weitere 8,6 % überwiegend von Männern.<br />

In ihrer Kindheit – also bis zum Alter von 16 Jahren<br />

– haben etwa drei Viertel der befragten Personen<br />

psychische und/oder körperliche Gewalterfahrungen<br />

gemacht. Dabei zeigen sich kaum Unterschiede<br />

zwischen Frauen und Männern. Frauen waren in ihrer<br />

Kindheit zu 74,8 % von psychischer und zu 72,6 %<br />

von körperlicher Gewalt betroffen. Bei der sexuellen<br />

Gewalt existieren klare geschlechterspezifische<br />

Unterschiede: Mit 27,7 % Nennungen waren mehr als<br />

doppelt so viele Frauen in ihrer Kindheit sexuellen<br />

Übergriffen ausgesetzt wie Männer (12 %).<br />

Die altersspezifische Betrachtung zeigt, dass die<br />

ältere Generation in ihrer Kindheit signifikant<br />

häufiger Gewalt erlebt hat als die Jüngeren. Ein<br />

ebenso signifikanter Rückgang an in der Kindheit<br />

erlebten Gewalthandlungen ist bei der sexuellen<br />

Gewalt zu beobachten – und zwar sowohl bei Frauen<br />

als auch bei Männern. So geben 40,8 % der 51- bis<br />

60-jährigen Frauen und 19,9 % der Männer in dieser<br />

Altersgruppe an, in ihrer Kindheit sexuellen Übergriffen<br />

ausgesetzt gewesen zu sein, wohingegen die<br />

Nennungen in der Altersgruppe der heutigen 16- bis<br />

20-jährigen Frauen bei 19,6% und die der Männer in<br />

dieser Altersgruppe bei 6,4 % liegen, was eine Halbierung<br />

der Übergriffe bzw. sogar einen Rückgang<br />

um zwei Drittel bedeutet.<br />

Die sexuelle Belästigung ist jene Gewaltform, die<br />

am häufigsten an öffentlichen Orten erfahren wird<br />

(Frauen: 51,3 %, Männer: 12,5 %).<br />

Gewalt gegen Frauen – darunter fallen sexuelle<br />

Übergriffe, Vergewaltigung und „häusliche Gewalt“ –<br />

ist ein Verstoß gegen die Grundrechte von Frauen in<br />

Bezug auf Würde, Gleichheit und Zugang zur Justiz.<br />

78 Millionen Euro betragen die Kosten, die pro Jahr<br />

in Österreich durch familiäre Gewalt entstehen –<br />

sowohl durch Gewalt von Männern gegen Frauen<br />

als auch durch häusliche Gewalt gegen Kinder und<br />

Jugendliche.<br />

prävention<br />

und täterarbeit<br />

Da personale und strukturelle Gewalt eng miteinander<br />

verschränkt sind und einander oft ergänzen,<br />

setzt eine wirksame Bekämpfung von Gewalt<br />

Maßnahmen voraus, die sowohl bei den TäterInnen<br />

ansetzen und das Opfer unterstützen, als auch die<br />

Veränderungen der gesellschaftlichen Ungleichheiten<br />

zwischen den Geschlechtern zum Ziel haben.<br />

Es muss auf allen Ebenen angesetzt werden: Justiz,<br />

Medizin, Kinder, familiäres Umfeld und Männer- bzw.<br />

TäterInnenarbeit. Viele Erhebungen weisen darauf<br />

hin, dass Gewalt gegen Frauen eines der weltweit<br />

größten Gesundheitsrisiken darstellt. Interessante


61 frauen gegen gewalt<br />

Ergebnisse zeigt auch eine Studie im Gesundheitsbereich:<br />

82 % der Frauen in Österreich wünschen<br />

sich, dass ÄrztInnen einen Verdacht auf Gewaltbetroffenheit<br />

adäquat ansprechen.<br />

Auch Männerarbeit ist in der Gewaltprävention ein<br />

zentraler Schlüsselfaktor: eine gesetzlich verankerte<br />

verpflichtende Teilnahme an Täterarbeitsprogrammen<br />

für Männer, gegen die eine Wegweisung/einstweilige<br />

Verfügung ausgesprochen wurde, und eine<br />

Finanzierung zum Auf- und Ausbau der Täterarbeit<br />

in ganz Österreich. Es sollte eine enge Kooperation<br />

bei der Täterarbeit mit den Interventionsstellen,<br />

Gewaltschutzzentren und Frauenhäusern gegeben<br />

sein, damit alle Maßnahmen einen maximalen Opferschutz<br />

gewährleisten können.<br />

ökonomische gewalt<br />

Gewalt wird nicht nur körperlich ausgeübt, sondern<br />

auch psychisch und ökonomisch. Von ökonomischer<br />

oder finanzieller Gewalt sind in erster Linie Frauen,<br />

aber auch alte und pflegebedürftige Menschen<br />

betroffen. Wenn Frauen über kein eigenes Einkommen<br />

verfügen oder das Einkommen vom Partner<br />

kontrolliert wird, kann diese Situation vom Partner<br />

ausgenützt werden.<br />

Diese finanzielle Abhängigkeit gefährdet Frauen, in<br />

einer Beziehung Gewalt zu erleiden. Ökonomische<br />

Abhängigkeit vom Gewalttäter aufgrund geringen<br />

Einkommens trifft berufstätige ebenso wie nicht<br />

berufstätige Frauen. Vor allem für Alleinerzieherinnen<br />

und Migrantinnen ist die Situation am Arbeitsund<br />

Wohnungsmarkt denkbar schlecht. Sie zählen<br />

zu den besonders armutsgefährdeten Gruppen.<br />

Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind, und vor<br />

allem Nicht-EU-Bürgerinnen sehen sich mit besonderen<br />

Hürden konfrontiert. Sie haben in manchen<br />

Bundesländern wie in Niederösterreich nur verminderten<br />

Anspruch auf Mindestsicherung. In anderen<br />

Bundesländern ist der Bezug der Mindestsicherung<br />

zwar möglich, kann aber ebenso wie ein Einkommen<br />

unter dem ASVG-Richtsatz zum Verlust der Niederlassungsbewilligung<br />

führen.<br />

Ökonomische Gewalt wird bisweilen auch gesetzlich<br />

verstärkt: Bei der Berechnung der Notstandshilfe<br />

etwa wird das PartnerInneneinkommen mitberücksichtigt,<br />

die Notstandshilfe infolgedessen häufig<br />

gekürzt. Solche Kürzungen betreffen zu 54 %<br />

Frauen, die seit dem 15. Lebensjahr und in den 12 Monaten vor der Befragung<br />

körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben, EU-28 (%)<br />

67% 33%<br />

25%<br />

Keine körperliche<br />

und/oder sexuelle<br />

Gewalt seit dem<br />

Alter von 15 Jahren<br />

Ja, Gewalterfahrung<br />

vor mehr als<br />

12 Monaten<br />

Ja, Gewalterfahrung<br />

in den letzten<br />

12 Monaten<br />

8%<br />

Anmerkung: Auf der Grundlage aller Befragten (N=42.002) / Quelle: FRA-Erhebnung zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, 2012


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

62<br />

Frauen, obwohl nur 42 % aller Arbeitslosen Frauen<br />

sind. Besonders dramatisch zeigt sich die strukturelle<br />

Benachteiligung von Frauen in den Fällen, in<br />

denen aufgrund eines PartnerInneneinkommens die<br />

gesamte Notstandshilfe gestrichen wird: 82% aller<br />

Streichungen betreffen Frauen.<br />

frauen als ware<br />

Frauenhandel ist jede Art von Geschäftemacherei,<br />

mit der in der Regel die Migrationsbestrebungen<br />

von Frauen ausgenutzt und missbraucht werden.<br />

Gemeinsam mit Drogen- und Waffenhandel gehört<br />

Menschen- bzw. Frauenhandel zu den drei „ertragreichsten<br />

Geschäften“ des organisierten Verbrechens.<br />

Herkunftsländer sind vor allem lateinamerikanische,<br />

asiatische und afrikanische Staaten, aber<br />

auch osteuropäische Länder. Betroffen sind neben<br />

Sexarbeiterinnen vor allem Hausangestellte und<br />

Frauen, die „per Katalog“ verheiratet werden.<br />

Österreich ist zwar auch Transitland für gehandelte<br />

Frauen, in erster Linie aber Zielland. In Österreich,<br />

wie in den anderen Industrieländern, werden Frauen<br />

für reproduktive Tätigkeiten wie Hausarbeit, für Heirat<br />

und Sexarbeit nachgefragt. Damit ist Österreich<br />

am Handel mit Menschen mitbeteiligt. Die restriktiven<br />

Fremdengesetze in Österreich begünstigen<br />

diese Menschenrechtsverletzung von Frauen, wie<br />

auch UNO-Menschenhandelsberichte hervorheben.<br />

Strafen haben nämlich anstatt der Täter die Opfer zu<br />

befürchten: Verwaltungsstrafen wegen illegaler Prostitution,<br />

vor allem aber die Abschiebung. Damit wird<br />

wiederum die Verfolgung der Frauenhändler verunmöglicht,<br />

da die gehandelten Frauen zum Zeitpunkt<br />

eines Prozesses häufig bereits abgeschoben wurden<br />

und daher nicht mehr aussagen können. Generell<br />

fehlt es in Österreich an ausreichenden Opferschutzmaßnahmen.<br />

Auch gibt es hierzulande derzeit nur<br />

eine einzige Opferschutzeinrichtung, die ausdrücklich<br />

für Opfer von Frauenhandel zuständig ist – die<br />

Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels<br />

(IBF) in Wien; notwendig wäre eine verbesserte<br />

Zusammenarbeit von NGOs und Behörden in Fragen<br />

der Opferidentifizierung.<br />

Die Grünen treten – neben einer verstärkten internationalen<br />

Zusammenarbeit zur Bekämpfung von<br />

Frauenhandel bereits im Vorfeld – insbesondere<br />

für eine Verbesserung des Schutzes für Opfer von<br />

Frauenhandel ein. p<br />

Selbstbestimmt<br />

und selbstbewusst<br />

Frauen mit Behinderung sind in weit höherem Ausmaß<br />

von sexualisierter Gewalt betroffen als nicht behinderte Frauen.<br />

Der Schutz vor Gewalt weist allerdings große Lücken auf.<br />

Frauen mit Behinderungen sind in Belangen der<br />

Ausbildung, am Arbeitsmarkt sowie im Privatbereich,<br />

wie zum Beispiel bei der Führung eines<br />

selbstbestimmten Sexual- und Familienlebens oder<br />

der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, besonders<br />

benachteiligt. Ein Leben mit Behinderung bedeutet<br />

auch heutzutage größtenteils ein Leben in institutionellen<br />

Abläufen. Je isolierter, größer und je stärker<br />

eine Einrichtung von institutionellen Abläufen abhängig<br />

ist, desto gewaltanfälliger ist sie.<br />

Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind besonders<br />

gefährdet, Opfer von Gewalt und sexuellem


63 frauen gegen gewalt<br />

Missbrauch zu werden. Frauen, deren Behinderung<br />

mit einer Kommunikationsbeeinträchtigung einhergeht,<br />

wie z.B. bei einer Lernbehinderung oder bei<br />

Gehörlosigkeit, bilden eine besonders gefährdete<br />

Risikogruppe.<br />

Es gibt eine Vielzahl an Hindernissen für Frauen mit<br />

Behinderungen. Neben baulichen Barrieren ist oft<br />

der Zugang zu Informationen nicht möglich. Dazu<br />

kommt, dass die meisten Unterstützungsangebote<br />

nicht an die Lebensbedürfnisse der Frauen mit Behinderungen<br />

angepasst sind. Dies widerspricht dem<br />

Artikel 6 der Behindertenrechtskonvention, der die<br />

Mehrfachdiskriminierung von Frauen mit Behinderungen<br />

anspricht und Maßnahmen zur Stärkung von<br />

Autonomie und Selbstbestimmung fordert. Denn:<br />

Der wirksamste Schutz gegen sexuelle Gewalt und<br />

Missbrauch sind Aufklärung und Selbstbestimmung<br />

durch Persönliche Assistenz und unterstützte Entscheidungsfindung.<br />

Die AutorInnen der Studie formulieren sechs konkrete<br />

Empfehlungen, die Frauen mit Behinderung<br />

unterstützen sollen:<br />

1. Barrierefreier Zugang zu Information<br />

sowie zu Unterstützungsangeboten<br />

und verbesserter Zugang zu Recht und<br />

Strafverfolgung<br />

2. Schulungen für MitarbeiterInnen in den<br />

Bereichen Gewalt und Lebenssituation<br />

von Frauen mit Behinderungen<br />

3. Stärkere Vernetzung zwischen<br />

Opferschutz- und Unterstützungseinrichtungen<br />

und Organisationen für<br />

Menschen mit Behinderungen sowie<br />

Selbstvertretungsorganisationen<br />

4. Öffentliche Sensibilisierung für Gewalt<br />

gegen Frauen mit Behinderungen<br />

das wissen um die<br />

eigenen rechte<br />

Zwischen 2013 und <strong>2015</strong> wurde ein EU-Projekt mit<br />

dem Thema „Zugang von Frauen mit Behinderung<br />

zu Opferschutz- und Unterstützungseinrichtungen<br />

bei Gewalterfahrungen“ (Daphne III) durchgeführt.<br />

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Verbesserung<br />

der Zugänglichkeit von Opferschutzeinrichtungen,<br />

die mithilfe und aus der Sicht der betroffenen Frauen<br />

analysiert wurde.<br />

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass in den an der<br />

Studie beteiligten Ländern (Deutschland, Großbritannien,<br />

Island und Österreich) zwar eine Vielzahl<br />

nationaler Gesetze existiert, die darauf abzielen,<br />

Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt und Personen<br />

mit Behinderungen vor Rechtsverletzungen<br />

und Diskriminierung zu schützen. Allerdings zeigen<br />

sich Lücken im System, wenn es darum geht, Frauen<br />

mit Behinderung entsprechende Unterstützungsleistungen<br />

zu gewähren, die den Zugang zu Behörden<br />

und das Einfordern von Rechten ermöglichen.<br />

5. Gesellschaftliche Inklusion von Frauen<br />

mit Behinderungen<br />

6. Einen politischen Willen und mehr<br />

finanzielle Mittel zur Umsetzung von<br />

Barrierefreiheit und Inklusion auf allen<br />

Ebenen


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

64<br />

Vom Selfie<br />

zum Sexting<br />

Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft, und sie<br />

verändert auch die Formen von Gewalt, denen Frauen heute<br />

ausgesetzt sind. Digitale Gewalt überschreitet in vielen<br />

Fällen deutlich die Grenzen zur Straftat.<br />

11% der Frauen haben bereits unangemessene<br />

Annäherungsversuche in sozialen Medien erlebt<br />

oder erhielten E-Mails oder SMS-Nachrichten mit<br />

eindeutig sexuellem Inhalt. Unter den jungen Frauen<br />

(18–29 Jahre) waren es 20 %, die bereits Opfer von<br />

solchen Formen der Online-Belästigung wurden –<br />

diese Zahlen liefert der 2014 veröffentlichte Bericht<br />

der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte<br />

(FRA).<br />

virtuelle gewalt<br />

ist auch echt<br />

Cyber-Mobbing und Cyber-Bullying meinen das<br />

bewusste Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder<br />

Belästigen mit elektronischen Kommunikationsmitteln<br />

wie dem Handy oder im Internet. Im Internet<br />

werden vor allem Foto- und Videoplattformen<br />

(z. B. Flickr oder YouTube) und soziale Netzwerke<br />

(z. B. Facebook) für diese Angriffe missbraucht, die<br />

Hemmschwelle sinkt durch die Anonymität und die<br />

räumliche Distanz.<br />

Beim Cyber-Stalking werden das Internet oder<br />

andere Kommunikationstechnologien wie z. B. das<br />

Handy benutzt, um andere Personen beharrlich zu<br />

verfolgen. Beharrliche Verfolgung, das sogenannte<br />

Stalking, ist seit 1. Juli 2006 strafbar.<br />

Justizminister Brandstetter will aktuell einen neuen<br />

Tatbestand bei Cyber-Mobbing schaffen. Der vorgeschlagene<br />

Gesetzestext lautet: „Wer eine Person im<br />

Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung<br />

eines Computersystems längere Zeit in ihrer<br />

Privatsphäre verletzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu<br />

einem Jahr zu bestrafen.“<br />

Brandstetter will bis Mitte <strong>2015</strong> im Strafrecht die<br />

gesetzliche Lücke schließen, weil virtuelles Mobbing<br />

bisher kaum verfolgbar ist. Die Frage des Stalkingzeitraums<br />

wird seiner Meinung nach letztlich die<br />

Judikatur auslegen, und das wird auch von Fall zu<br />

Fall individuell sein, unter Umständen könnten für<br />

eine Verurteilung aber schon wenige Vorfälle etwa<br />

über zwei bis drei Wochen hinweg ausreichen. Bei<br />

den Ermittlungsmöglichkeiten gegen sogenannte<br />

Hassposter und ihre verhetzenden Äußerungen wird<br />

sich nicht viel ändern. Schon jetzt kann man bei entsprechendem<br />

RichterInnen-Beschluss ja die Daten<br />

der betreffenden Personen ausheben lassen.<br />

sexting und<br />

revenge porn<br />

Sexting, der Begriff setzt sich aus „Sex“ und „Texting“<br />

(engl. für das Senden von SMS) zusammen,<br />

meint das Verschicken und Tauschen von eigenen<br />

Nacktaufnahmen über Internet und Handy. Revenge<br />

Porn, also Racheporno, bezeichnet das Hochladen<br />

von Nacktbildern auf öffentlich zugänglichen Websites<br />

ohne die Zustimmung und das Wissen der<br />

darauf abgebildeten Person, meist in Verbindung mit<br />

deren Kontaktdaten.<br />

Eine Studie aus England (National Society for the<br />

Prevention of Cruelty to Children, 2012) zeigt, dass<br />

der Großteil der weiblichen Jugendlichen von den<br />

männlichen Jugendlichen unter Druck gesetzt wird,


65 frauen gegen gewalt<br />

eigene Bilder zur Verfügung zu stellen. Eine Erhebung<br />

unter Schweizer Jugendlichen (JAMES-Studie,<br />

2012) ergab, dass nur 6 % der Befragten Daten mit<br />

erotischem Inhalt von sich selbst versenden. 2012<br />

lancierte die Schweizer Stiftung Pro Juventute eine<br />

Aufklärungskampagne gegen Sexting. In Deutschland<br />

kann Sexting bei Minderjährigen einen Verstoß<br />

gegen § 184b oder § 184c StGB begründen.<br />

Erstmals in Österreich hat die Initiative Saferinternet.<br />

at im Februar <strong>2015</strong> eine Studie zum Thema Sexting<br />

präsentiert. Bei einer repräsentativen Online-Umfrage<br />

wurden 500 Jugendliche zwischen 14 und 18<br />

Jahren zu Erfahrungen und Motiven rund um das<br />

Thema Sexting befragt.<br />

Die Studienergebnisse zeigen sehr deutlich, dass<br />

Sexting eine häufige Facette des Beziehungs- und<br />

Sexuallebens von Jugendlichen geworden ist: 51%<br />

der Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kennen<br />

jemanden, der oder die schon einmal Nacktaufnahmen<br />

von sich selbst an andere geschickt hat. Ein<br />

Drittel (33 %) hat selbst schon Fotos oder Videos<br />

erhalten, auf denen die oder der Abgebildete fast<br />

nackt oder nackt zu sehen ist. 16% der Jugendlichen<br />

gaben an, schon einmal Nacktaufnahmen von<br />

sich selbst erstellt und diese dann meistens auch<br />

verschickt zu haben.<br />

Die weite Verbreitung von Sexting im Alltag zeigt<br />

sich auch daran, dass es 31 % als „normal“ empfinden,<br />

ihren PartnerInnen Nacktaufnahmen zu<br />

schicken. Jede/r Zehnte (9 %) sagt auch, dass es<br />

„normal“ sei, Nacktaufnahmen von der besten<br />

Freundin oder vom besten Freund zu kennen.<br />

Mit der Zunahme von Sexting im Leben von Jugendlichen<br />

steigt auch die Anzahl der Probleme. Knapp<br />

die Hälfte aller Jugendlichen (46 %) kennt jemanden,<br />

die oder der schon einmal Probleme mit Sexting<br />

hatte. Sexting geht zwar in den meisten Fällen gut,<br />

wenn aber etwas passiert, dann ist das oft mit sehr<br />

unangenehmen Erfahrungen für die Betroffenen<br />

verbunden. Die häufigsten Folgen im Bekanntenkreis<br />

der Befragten: Die Aufnahmen wurden im Freundeskreis<br />

verbreitet (81 %), die Abgebildeten wurden<br />

verspottet (55%), die Aufnahmen wurden öffentlich<br />

gemacht (49 %), sie wurden Eltern oder Lehrenden<br />

gezeigt (21 %) oder man wurde damit erpresst (14 %).<br />

Die aktuelle Rechtslage in Österreich führt dazu,<br />

dass Sexting von Jugendlichen in vielen Fällen<br />

strafbar ist (zum Beispiel dann, wenn pornografische<br />

Aufnahmen weitergegeben werden). Es gelangen<br />

Bestimmungen zum Kampf gegen Kinderpornografie<br />

(§ 207a StGB) zur Anwendung. p<br />

Formen von sexueller Online-Belästigung seit dem 15. Lebensjahr und in den 12 Monaten vor der<br />

Befragung – einschließlich ungewollter E-Mails oder SMS-Nachrichten mit eindeutig sexuellem und<br />

beleidigendem Inhalt, nach Altersgruppen, EU-28 (%)<br />

25 %<br />

20 %<br />

20<br />

15 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

11<br />

13<br />

6<br />

11<br />

5<br />

6<br />

3<br />

3<br />

2<br />

11<br />

5<br />

0 %<br />

18–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre 50–59 Jahre 60 Jahre und<br />

darüber<br />

Seit dem 15. Lebensjahr In den letzten 12 Monaten<br />

Gesamt<br />

Hinweise: Auf Grundlage aller Frauen mit gültigen Antworten auf beide Fragen zu Online-Belästigung (n=35.820).<br />

6.084 Befragte gaben bei beiden Fragen die Kategorie „nicht zutreffend“ an; in 98 Fällen fehlte die Information zum Alter.<br />

Quelle: FRA-Erhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, 2012


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

66<br />

Europa-Panorama<br />

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte<br />

(FRA) führte in den vergangenen Jahren<br />

eine großangelegte Studie zu Gewalt gegen Frauen<br />

durch. Es handelt sich dabei um die größte repräsentative<br />

Studie, die jemals international zu diesem<br />

Thema erstellt wurde. Die Ergebnisse basieren auf<br />

Interviews mit 42.000 Frauen in den Mitgliedsstaaten<br />

der EU. Laut dieser Studie sind 62 Millionen<br />

Frauen in der EU – also jede dritte Frau – bereits<br />

Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Auch<br />

andere Studien zeigen, dass in der EU 20 bis 25 %<br />

aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer<br />

physischer Gewalt werden.<br />

Bei der Erhebung wurden Frauen zu ihren Erfahrungen<br />

mit körperlicher, sexueller und psychischer<br />

Gewalt einschließlich häuslicher Gewalt befragt.<br />

Thema der Befragung waren auch Stalking, sexuelle<br />

Belästigung und die Rolle, die neue Technologien<br />

bei Missbrauchserfahrungen spielen. Die Erhebung<br />

enthielt auch Fragen zu Gewalterfahrungen in der<br />

Kindheit.<br />

> 33 % der Frauen haben seit dem 15. Lebensjahr<br />

körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren;<br />

eine von 20 Frauen (5 %) ist seit ihrem<br />

15. Lebensjahr vergewaltigt worden.<br />

> Von den Frauen, die derzeit mit einem Partner/<br />

einer Partnerin zusammenleben (oder früher mit<br />

einem Partner/einer Partnerin zusammengelebt<br />

haben), waren seit dem 15. Lebensjahr 22 % körperlicher<br />

und/oder sexueller Gewalt durch den/<br />

die PartnerIn ausgesetzt.<br />

> 20 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr<br />

körperliche Gewalt außerhalb der Partnerschaft<br />

erfahren.<br />

> Lediglich 33 % der Opfer von Gewalt in einer<br />

Partnerschaft und 26 % der Opfer von Gewalt<br />

außerhalb einer Partnerschaft wandten sich<br />

nach dem schwerwiegendsten Vorfall an die<br />

Polizei oder eine andere Organisation (z. B.<br />

eine Opferhilfe-Einrichtung).<br />

Die Istanbul-Konvention des Europarats, die 2011<br />

angenommen wurde und am 1. August 2014 in Kraft<br />

getreten ist, wurde bisher von 16 Ländern – darunter<br />

Österreich – ratifiziert. Das Übereinkommen sieht<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt<br />

gegen Frauen sowie zum Schutz aller anderen<br />

Opfer häuslicher Gewalt vor. Die EU-Kommission<br />

muss, so wie vom Europaparlament in einer Resolution<br />

im Februar dieses Jahres gefordert, endlich<br />

eine umfassende Strategie für die Bekämpfung von<br />

Gewalt gegen Frauen erarbeiten.<br />

Gewalt gegen Frauen verursacht in der EU jährlich<br />

schätzungsweise 226 Milliarden Euro an direkten<br />

und indirekten Kosten, wie eine Studie der britischen<br />

Soziologinnen Sylvia Walby und Philippa Olive zeigt.<br />

Präventionsmaßnahmen kosten bedeutend weniger.<br />

Da die gesetzlichen Regelungen zu Verhinderung<br />

von Gewalt und Unterstützung von Opfern in den<br />

EU-Ländern unterschiedlich sind, ist ein umfassender<br />

gesetzlicher Rahmen notwendig. p<br />

> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete


67 frauen gegen gewalt<br />

wir grüne<br />

wollen:<br />

> Ausbau der Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen<br />

(z. B. Gewaltschutzzentren, Notwohnungen sowie Frauen- und<br />

Mädchenberatungsstellen)<br />

> Verstärkten Gewaltschutz für Frauen, Kinder und Jugendliche sowie<br />

einen Ausbau der Interventionsstellen durch Regionalisierung und<br />

Spezialisierung bei gleichzeitiger Sensibilisierung von Polizei, Justiz<br />

sowie PädagogInnen und im Gesundheitsbereich<br />

> Ausbau von Schulungen, Schulungsmaßnahmen und Seminaren<br />

bzw. Informations- und Sensibilisierungsarbeit besonders im Gesundheitsbereich,<br />

in der pflegerischen und medizinischen Ausbildung<br />

und im Justizbereich sowie die Implementierung von Opferschutzgruppen<br />

in den Spitälern<br />

> Fixe Verankerung des Themas „Gewalt in der Familie“ in der Ausbildung<br />

aller Berufsgruppen, die täglich mit Gewalt in der Familie konfrontiert sind,<br />

sowie verpflichtende Fortbildungen<br />

> Verbesserungen zum Schutz des Kindes: Alle Einrichtungen und<br />

Institutionen, die mit Betroffenen arbeiten, müssen über die Auswirkungen<br />

von Gewalt an Kindern Bescheid wissen und anerkennen, dass Kinder<br />

in jedem Fall von der Gewalt mitbetroffen sind<br />

> Keine gemeinsame Obsorge für Gewalt ausübende Väter im Falle einer<br />

Scheidung/Trennung der Eltern; Kontaktverbot für einen Gewalttäter bei<br />

der Schule, beim Kindergarten, beim Hort und bei der Arbeitsstelle<br />

> Gewaltpräventionsangebote im Bildungsbereich: flächendeckender<br />

Ausbau an Gewaltpräventionsarbeit in Schulen, um Kinder und<br />

Jugendliche vor Gewalt in der Familie zu schützen, sie zu informieren,<br />

zu stärken und zu unterstützen<br />

> Anonymität der Opfer von Frauenhandel im Strafverfahren<br />

> Rechtsanspruch auf Aufenthalt für alle Opfer von Frauenhandel<br />

> Ausreichender Versicherungsschutz und Zugang zu Gesundheitseinrichtungen<br />

in Österreich für Opfer von Frauenhandel


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

68<br />

parlamentarische<br />

arbeit<br />

Frauenpolitische Anfragen (Auszug)<br />

Förderung der Gleichstellung im Schul- und Bildungswesen:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03400/imfname_380127.pdf<br />

Förderung von Frauenorganisationen:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03399/imfname_380124.pdf<br />

Ausschluss von Frauen beim Techniker-Cercle:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03635/imfname_383606.pdf<br />

Gewalt an Frauen:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03618/imfname_383125.pdf<br />

Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung bei Kreditvergaben:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03402/imfname_380133.pdf<br />

Maßnahmen zum Abbau der Einkommensschere:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03403/imfname_380136.pdf<br />

Mädchenförderung (Mädchen und Frauen in nicht traditionellen Berufen):<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03401/imfname_380130.pdf<br />

Auslegung einer Vergewaltigungsdrohung als Unmutsäußerung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04210/imfname_390615.pdf<br />

Frauenpolitische Anträge (Auszug)<br />

Frauenquoten in Aufsichtsräten:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00998/imfname_393654.pdf<br />

Cybermobbing, Sexting:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01003/imfname_393676.pdf<br />

Gendermedizin:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01004/imfname_393687.pdf<br />

Genderspezifische Gesundheitsförderung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01005/imfname_393691.pdf<br />

Gendergesundheit und Gesundheitsbericht:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01006/imfname_393695.pdf<br />

Stärkere Beachtung von Genderunterschieden in der medizinischen Praxis:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01001/imfname_393668.pdf<br />

Grüne Anträge im Pflegebereich (Auszug)<br />

Studie zur Situation pflegender Angehöriger:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00775/index.shtml#tab-Uebersicht<br />

Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00536/index.shtml<br />

Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit<br />

(durch Novellierung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes):<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00392/index.shtml#tab-Uebersicht


69 parlamentarische arbeit<br />

Bundespflegegeldgesetz (BPGG):<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00243/index.shtml#tab-Uebersicht<br />

Gewerberechtliche Trennung von Vermittlungsagenturen<br />

und PersonenbetreuerInnen in der 24-Stunden-Betreuung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00867/index.shtml<br />

Grüne Anfragen im Pflegebereich (Auszug)<br />

Finanzielle Unterstützung von pflegenden Angehörigen für Ersatzpflege:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_00430/index.shtml<br />

Rückstufungen Pflegegeld:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_00431/index.shtml<br />

Selbstversicherung für pflegende Angehörige:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_01264/index.shtml<br />

Selbstversicherung zur Pflege eines behinderten Kindes:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_01693/index.shtml<br />

Inanspruchnahme von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02070/index.shtml<br />

Pflegefonds:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02251/index.shtml<br />

24-Stunden-Betreuung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02735/index.shtml<br />

Steigende Inanspruchnahme der 24-Stunden-Betreuung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03705/index.shtml<br />

Selbstversicherung für pflegende Angehörige:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04518/index.shtml<br />

Grüne Anträge und Anfragen im Bereich<br />

Soziales/Familie/Gesundheit (Auszug)<br />

Keine Verluste für ehemalige KinderbetreuungsgeldbezieherInnen<br />

im Arbeitslosenversicherungsrecht:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00610/index.shtml<br />

Bundes-Verfassungsgesetz, Arbeitslosenversicherungsgesetz, Änderung:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00022/index.shtml<br />

Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes:<br />

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00536/index.shtml<br />

Stärkere Beachtung von Genderunterschieden in der medizinischen Praxis:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01001/index.shtml<br />

Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen mit Behinderungen:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00094/index.shtml<br />

Elternteilzeit parallel zur Karenz:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00684/fnameorig_369177.html<br />

Kinderbetreuungsgeld für Pflegeeltern:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01002/fnameorig_393704.html<br />

Väterbeteiligung beim Kinderbetreuungsgeld:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04148/fnameorig_389482.html<br />

Verlängerung des kostenlosen verpflichtenden Kindergartenjahrs:<br />

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04099/fnameorig_388341.html


<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />

70<br />

kontaktE<br />

Der Grüne Klub im Parlament<br />

Löwelstraße 12<br />

1017 Wien<br />

T +43 1 40 110 6342<br />

F +43 1 40 110 6760<br />

Berîvan Aslan<br />

Abgeordnete zum Nationalrat, Frauen- und<br />

KonsumentInnenschutzsprecherin der Grünen<br />

E berivan.aslan@gruene.at<br />

I www.gruene.at/ayguel-berivan-aslan<br />

Sekretariat:<br />

Angelika Nussbaum<br />

T +43 1 40 110 6532<br />

F +43 1 40 110 6885<br />

E angelika.nussbaum@gruene.at<br />

Die grünen frauen niederösterreich<br />

Daniel-Gran-Straße 48<br />

3100 St. Pölten<br />

T +43 2742 310 660<br />

F +43 2742 310 660 11<br />

E amrita.enzinger@gruene.at<br />

I www.noe.gruene.at/themen/frauen<br />

Die grünen frauen oberösterreich<br />

Landgutstraße 17<br />

4040 Linz<br />

T +43 732 739 400 430<br />

F +43 732 739 400 99<br />

E frauen.ooe@gruene.at<br />

I www.frauen.ooe.gruene.at<br />

Die grünen frauen burgenland<br />

Hauptstraße 16<br />

7000 Eisenstadt<br />

T +43 664 83 17 510<br />

F +43 2682 66 178<br />

E bgld@gruene.at<br />

I www.burgenland.gruene.at/themen/<br />

frauen-gleichbehandlung<br />

Die grünen frauen salzburg<br />

Haydnstraße 2/1<br />

5027 Salzburg<br />

T +43 662 87 63 37<br />

F +43 662 87 63 37 22<br />

E frauen.salzburg@gruene.at<br />

I www.salzburg.gruene.at/themen/frauen<br />

Die grünen frauen kärnten<br />

Sterneckstraße 19<br />

9020 Klagenfurt/Celovec<br />

T +43 463 515 326 11<br />

F +43 463 515 326 27<br />

Barbara Lesjak<br />

Frauensprecherin<br />

Die grünen frauen steiermark<br />

Kaiser-Franz-Josef-Kai 70/1<br />

8010 Graz<br />

Regionalservicebüro<br />

T +43 664 831 74 88<br />

E steiermark@gruene.at<br />

I www.stmk.gruene.at<br />

E barbara.lesjak@gruene.at<br />

I www.kaernten.gruene.at/themen/frauen


71 grüne frauenorganisationen, impressum<br />

Die grünen frauen tirol<br />

Museumstraße 11/1. Stock<br />

6020 Innsbruck<br />

T +43 512 577 109<br />

F +43 512 577 109 10<br />

E frauen.tirol@gruene.at<br />

I www.frauen.tirol.gruene.at<br />

Christine Baur<br />

Frauensprecherin<br />

Die grünen frauen vorarlberg<br />

Bergstraße 6<br />

6900 Bregenz<br />

T +43 5574 47 488<br />

F +43 5574 47 488 10<br />

Antje Wagner<br />

Frauensprecherin<br />

E antje.wagner@gruene.at<br />

I www.vorarlberg.gruene.at/frauen<br />

Die grünen frauen wien<br />

Grünes Haus<br />

Lindengasse 40<br />

1070 Wien<br />

T +43 521 25 234<br />

E gruene.frauen.wien@gruene.at<br />

I www.diegruenenfrauenwien.at<br />

www.wien.gruene.at/frauen<br />

impressum<br />

Medieninhaber:<br />

Der Grüne Klub im Parlament, 1017 Wien<br />

ReferentInnen:<br />

Ewa Dziedzic (Frauen)<br />

Barbara Maier (Europa)<br />

Gabriele Stauffer (Gesundheit)<br />

Lukas Wurz (Soziales)<br />

Anna Schopf (Arbeitsmarkt)<br />

Anja Fellerer (Familie)<br />

Redaktion:<br />

Johanna Stögmüller<br />

Fotografie:<br />

Amélie Chapalain<br />

Gestaltung:<br />

Christian Modlik<br />

Lektorat:<br />

Belinda Mautner<br />

Hersteller:<br />

Druckerei Janetschek,<br />

Gusshausstraße 24–26, 1040 Wien<br />

Verlags- und Erscheinungsort:<br />

Wien<br />

Ewa Dziedzic<br />

Frauensprecherin<br />

E ewa.dziedzic@gruene.at<br />

Liesbeth Bijl<br />

Frauenreferentin der Frauenorganisation Wien<br />

Mahsa Abdolzadeh<br />

Karenzvertretung

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