grüner frauenbericht 2015
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<strong>grüner</strong><br />
<strong>frauenbericht</strong><br />
<strong>2015</strong><br />
halbe-halbe in beruf,<br />
politik und alltag
03 inhalt<br />
inhalt<br />
05 Editorial<br />
06 Frauenwelt in Zahlen<br />
10 Glossar<br />
12 Interview mit Eva Glawischnig<br />
14 Wer hat’s gesagt?<br />
16 Kommentar von Sibylle Hamann<br />
18 FRAUEN UND GELD<br />
20 Ich arbeite – also bin ich arm?<br />
23 Die Diskussion um die Frauenpension<br />
26 Wie weiblich ist das Budget?<br />
28 Europa-Panorama<br />
29 Wir Grüne wollen<br />
30 FRAUEN UND SICHTBARKEIT<br />
32 Gleich, gleicher, Gender<br />
34 Mama geht arbeiten<br />
36 Wie wir – und wie weiblich?<br />
38 Europa-Panorama<br />
39 Wir Grüne wollen<br />
50 FRAUEN UND KÖRPER<br />
52 Gesundheit aus Genderperspektive<br />
53 5 Fragen an Elisabeth Löffler<br />
54 Straffen, spritzen, gesetzlich regeln<br />
55 Schwanger – was nun?<br />
56 Europa-Panorama<br />
57 Wir Grüne wollen<br />
58 GEWALT GEGEN FRAUEN<br />
60 Der Weg aus der Gewaltspirale<br />
62 Selbstbestimmt und selbstbewusst<br />
64 Vom Selfie zum Sexting<br />
66 Europa-Panorama<br />
67 Wir Grüne wollen<br />
68 Parlamentarische Arbeit<br />
70 Grüne Frauenorganisationen<br />
71 Impressum<br />
40 FRAUEN UND BILDUNG<br />
42 Wissen ist weiblich<br />
44 Die gläserne Decke hat einen Sprung<br />
46 5 Fragen an Edeltraud Hanappi-Egger<br />
47 Frauen helfen Frauen<br />
48 Europa-Panorama<br />
49 Wir Grüne wollen
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
04
05 editorial<br />
Liebe Frauen,<br />
liebe Männer,<br />
unser jährlicher Frauenbericht hat ein Anliegen. Wir wollen Frauen und Mädchen<br />
darin bestärken, sich in Gesellschaft und Politik einzumischen. Die einzelnen Kapitel<br />
– „Frauen und Geld“, „Frauen und Sichtbarkeit“, „Frauen und Bildung“, „Frauen und<br />
Körper“ und „Gewalt gegen Frauen“ – liefern Fakten, schildern die Probleme und<br />
zeigen politische und gesellschaftliche Lösungen auf. Unser Ziel ist es, die schiefe<br />
Ebene, auf der sich Frauen bewegen müssen, gerade zu richten.<br />
Frauen finden derzeit nicht die gleichen Rahmenbedingungen vor, um zu<br />
Ressourcen und Macht zu kommen. Überall, wo Geld eine wichtige Rolle spielt, sind<br />
Frauen kaum sichtbar. Solange relevante politische Hebel, wie das jährliche Budget<br />
oder eine Steuerreform, nicht auf diese schiefe Ebene Einfluss nehmen, werden<br />
wir von echter Gleichbehandlung weit entfernt bleiben. Die Entlastung durch die<br />
geplante Steuerreform geht im Übrigen zu zwei Drittel an Männer und nur zu einem<br />
Drittel an Frauen. Das ist ignorant gegenüber den Frauen in Österreich, die immer<br />
noch um ein Viertel weniger verdienen als Männer; ignorant gegenüber den vielen<br />
Frauen, die an der Armutsgrenze leben, ignorant gegenüber den vielen Frauen,<br />
die trotz guter Ausbildung unter ihrem Qualitätsniveau eingesetzt und bezahlt<br />
werden.Viele Fragen stellen wir schon lange, z.B. warum „Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Familie“ Frauen zugeschrieben wird. Oder warum die Pflege von Angehörigen<br />
immer noch vor allem Frauensache ist. Frauen sind aufgrund ihrer Karenzzeit,<br />
Teilzeittätigkeit, Erwerbspausen etc. in der Pension benachteiligt, das darf auch in<br />
Diskussionen um das Frauenpensionsalter nicht einfach weggewischt werden.<br />
Manche alte Fragen stellen sich neu und in unerträglicher Schärfe – man denke<br />
an die Entführung und Versklavung, die Misshandlung, Vergewaltigung und<br />
Ermordung von Tausenden Frauen und Mädchen etwa in Syrien, im Irak oder<br />
in Nigeria – Berivan Aslan ist als kurdisch-stämmige Österreicherin besonders<br />
involviert. Sie versucht unter anderem durch Reisen in die kritischen Gebiete im<br />
Nahen Osten zu verhindern, dass das Schicksal dieser Frauen aus dem Fokus der<br />
Weltöffentlichkeit gerät. Diese brutale Frauenfeindlichkeit darf uns nicht mundtot<br />
machen, ganz im Gegenteil: Sie soll uns alle ermutigen, uns für eine (gewalt)freie<br />
Gesellschaft einzusetzen!<br />
Eva Glawischnig<br />
Grüne Bundessprecherin<br />
Berîvan Aslan<br />
Grüne Frauensprecherin
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
06<br />
frauenwelt<br />
in zahlen<br />
In 6 % der österreichischen Gemeinden<br />
gibt es eine Bürgermeisterin!<br />
4,34 Mio. Frauen<br />
leben in Österreich, das sind<br />
51,2 % der Gesamtbevölkerung!<br />
23 % der Alltagswege<br />
legen Frauen in Vorarlberg<br />
zu Fuß zurück (Männer: 15 %).<br />
62 Tage müssen<br />
Frauen länger arbeiten,<br />
damit sie auf das gleiche<br />
Gehalt wie Männer im<br />
gleichen Job kommen.<br />
2<br />
Nobelpreisträgerinnen<br />
aus Österreich gibt es:<br />
Bertha von Suttner (Friedensnobelpreis<br />
1905) und Elfriede Jelinek<br />
(Nobelpreis für Literatur 2004).<br />
7 Rektorinnen<br />
gibt es in Österreich. D.h.<br />
jede dritte Uni wird von<br />
einer Frau geleitet.<br />
1,4 Kinder<br />
ist die durchschnittliche<br />
Kinderzahl pro Frau.<br />
1961 waren es 2,8 Kinder.
07 frauenwelt in zahlen<br />
29,1 Jahre<br />
ist das durchschnittliche<br />
Alter der Mutter bei der<br />
Geburt des ersten Kindes.<br />
Frauen verdienen<br />
brutto pro Stunde um<br />
23 %<br />
weniger als Männer<br />
(EU-Durschnitt: 16,4 %).<br />
51 % der ProfessorInnen<br />
der Akademie der bildenden Künste sind Frauen.<br />
83,6 Jahre beträgt die<br />
durchschnittliche Lebenserwartung<br />
von Frauen. Die<br />
von Männern beträgt 78,5 Jahre.<br />
852 Euro Pension<br />
bekommt eine Frau im<br />
Durchschnitt.<br />
1.769 Euro der Mann.<br />
55,2 % der<br />
20–24-jährigen Frauen<br />
leben im Elternhaus, bei<br />
den Männern sind es 70,4 %.<br />
94,5 % beträgt der<br />
Schülerinnen-Anteil<br />
an Pädagogischen<br />
Hochschulen.<br />
145.031 Frauen und 128.249 Männer<br />
studierten 2013/2014 an öffentlichen Universitäten.
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
08<br />
In den Studienrichtungen<br />
Maschinenbau und<br />
Elektrotechnik<br />
liegt der Frauenanteil<br />
unter 10 %.<br />
42 %<br />
Frauenquote gibt es<br />
bei Doktoratsabschlüssen<br />
an österr.<br />
Universitäten.<br />
Frauen sind in Österreich<br />
mit einem Anteil von<br />
15,2 % deutlich<br />
weiterbildungsaktiver<br />
als Männer (13,0 %).<br />
Generell waren Frauen<br />
mit Migrationshintergrund<br />
häufiger<br />
überqualifiziert<br />
beschäftigt<br />
als Männer mit Migrationshintergrund<br />
(32 % gegenüber<br />
25 %).<br />
70 % der Österreicherinnen<br />
im Alter von 40 und mehr<br />
Jahren haben sich in den<br />
letzten drei Jahren einer<br />
Mammographie unterzogen.<br />
74,2 % aller Frauen<br />
haben sexuelle Belästigung<br />
erlebt.<br />
Die weibliche Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen beträgt<br />
58 % gegenüber 70 % bei Frauen ohne Migrationshintergrund.
09 frauenwelt in zahlen<br />
Von den 183 Abgeordneten des Nationalrats<br />
sind derzeit 56 Frauen (30,6 %).<br />
Weltweit<br />
sind die Abgeordneten<br />
in den Parlamenten etwa<br />
20 % Frauen.<br />
3,08 Stunden<br />
wenden Frauen täglich für<br />
die Haushaltsführung auf<br />
(Männer: 2,10 Stunden).<br />
1918 wurde das Frauenwahlrecht in Österreich<br />
(vergleichsweise früh) eingeführt.<br />
839 Anzeigen<br />
wegen Vergewaltigung<br />
gab es 2014 in Österreich.<br />
668 Fälle konnten geklärt<br />
werden.<br />
Selbst-<br />
41 % der<br />
ständigen sind Frauen.<br />
3,23 Stunden Freizeit haben Frauen<br />
durchschnittlich am Tag.<br />
(Männer: 3,58 Stunden)<br />
QUELLEN:<br />
Statistik Austria, „Österreichische Prävalenzstudie zur<br />
Gewalt an Frauen und Männern“ des Österreichischen<br />
Instituts Familienforschung (ÖIF), Gender Pay Gap<br />
von Eurostat, Polizeiliche Kriminalstatistik Österreich.
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
10<br />
was heisst<br />
eigentlich …<br />
Binnen-I<br />
Das Binnen-I soll in der deutschen Sprache sichtbar machen, dass sowohl die männliche als auch die<br />
weibliche Form gemeint ist – z. B. LehrerInnen oder MitarbeiterInnen. 1987 verabschiedete die UNESCO<br />
eine Resolution für einen nicht sexistischen Sprachgebrauch, im Zuge derer eine Richtlinie erarbeitet<br />
wurde, die neben Empfehlungen zum Gebrauch der weiblichen Form und des Binnen-I verschiedene<br />
Varianten geschlechtergerechter Sprache vorstellt. Eine aus der Queer-Theorie stammende Alternative<br />
zum Binnen-I ist das sogenannte Gender Gap (z. B. Musiker_innen oder Politiker_innen). Damit sollen<br />
alle sozialen Geschlechter und Geschlechteridentitäten miteinbezogen werden.<br />
Einkommensschere<br />
Im internationalen Fachjargon auch „Gender Pay Gap“ genannt, stellt die Einkommensschere<br />
die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede zwischen den durchschnittlichen<br />
Bruttostundenverdiensten von Frauen und jenen der Männer dar. Im Vergleich zu anderen<br />
EU-Mitgliedstaaten zählt Österreich zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen<br />
Lohn- und Gehaltsunterschieden (23 %) und rangiert an vorletzter Stelle. Noch größere<br />
Unterschiede gibt es nur in Estland (29,9 %). Der EU-Durchschnitt beträgt 16,4 %.<br />
Equal Pay Day<br />
Aus den obigen Zahlen zur Einkommensschere ergeben sich die Berechnungen zum „Equal Pay Day“.<br />
Dieser Stichtag besagt, wann Frauen gleich viel verdient haben, wie männliche Kollegen bereits Ende<br />
des vorangegangenen Jahres in der Tasche hatten. Das überparteiliche internationale Frauennetzwerk<br />
BPW (Business and Professional Women) berechnet diesen Tag für <strong>2015</strong> wie folgt: Bei einer Basis von<br />
260 Arbeitstagen im Jahr, abzüglich des 1. Jänner und des 6. Jänner als Feiertage, ergeben sich aus<br />
den 23 % Einkommensunterschied insgesamt 62 Tage, die Frauen länger arbeiten müssen als Männer.<br />
Daher fiel der Equal Pay Day im Jahr <strong>2015</strong> auf den 31. März. Der Equal Pay Day wird allerdings auch im<br />
Herbst (Anfang/Mitte Oktober) begangen. Dieses Datum verweist auf den Stichtag, ab dem<br />
Frauen statistisch gesehen ohne Lohn weiterarbeiten müssen.<br />
Gender Mainstreaming<br />
Gender Mainstreaming ist eine Strategie für EntscheidungsträgerInnen, zur Gleichstellung von Frauen<br />
und Männern beizutragen. Dabei werden politische Maßnahmen auf eine mögliche benachteiligende<br />
Auswirkung auf Frauen und Männer analysiert, um dem anschließend entgegenzuwirken. Das Prinzip<br />
des Gender Mainstreaming wurde erstmals 1995 auf der Weltfrauenkonferenz in Peking beschlossen.<br />
Die Europäische Union hat das Prinzip aufgegriffen und sich zur Durchführung von Gender<br />
Mainstreaming verpflichtet, ebenso wie die österreichische Regierung –<br />
zumindest auf dem Papier.
11 glossar<br />
Gender Budgeting<br />
Frauen und Männer sollen in allen Bereichen gerecht und fair entlohnt und behandelt werden.<br />
Dafür ist eine Veränderung der Budgetpolitik im Sinne des Gender Mainstreaming notwendig –<br />
Gender Budgeting lautet das Zauberwort. Es bedeutet, dass das Budget auf seine Auswirkungen<br />
auf Männer und Frauen hin analysiert und entsprechend den Gleichstellungszielen verändert wird.<br />
Denn auch „geschlechtsneutral“ erscheinende Änderungen in Bereichen wie z. B. Gesundheit,<br />
Bildung, Verkehr, Arbeitsmarkt etc. können sich aufgrund der Lebensrealitäten von Frauen<br />
und Männern unterschiedlich auswirken.<br />
Quotenregelung<br />
Gut 50 % der Gesamtbevölkerung sind Frauen – allerdings spiegelt sich dieses Verhältnis in den meisten<br />
Institutionen, Gremien, Aufsichtsräten, in der Wissenschaft, in sogenannten Top-Jobs, in der Politik<br />
usw. nicht wider. Eine Möglichkeit, das zu ändern, ist die Quotenregelung. Darunter versteht man eine<br />
Vorgabe, die festlegt, dass ein bestimmter Prozentsatz von MitarbeiterInnen eines Unternehmens oder<br />
Mitgliedern eines Gremiums aus Frauen bestehen muss. Die EU-Kommission hat sich im November<br />
2012 für eine Frauenquote von 40 % in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ausgesprochen.<br />
In Österreich sind Grundlagen für die Frauenquote im Bundes-Verfassungsgesetz festgeschrieben,<br />
verankert ist die Quotenregelung bisher mit 45 % nur im Öffentlichen Dienst.<br />
Revenge Porn<br />
Revenge Porn, übersetzt Racheporno, bezeichnet explizit sexuelle Inhalte (meist Fotos oder Videos),<br />
die – häufig von Expartnern – ohne die Genehmigung der darauf abgebildeten Person im Internet<br />
verbreitet werden, um ihr zu schaden. Oft werden die Bilder mit dem Zusatz des echten Namens,<br />
einem direkten Link zum Facebook-Profil oder auch anderen persönlichen Daten wie Wohnadresse,<br />
Arbeitsplatz oder Telefonnummer hochgeladen. Besonders oft sind Frauen davon betroffen.<br />
Vor allem in Großbritannien sind Rachepornos in den vergangenen Jahren zunehmend außer Kontrolle<br />
geraten, weshalb der Gesetzgeber nun reagiert hat: Der Upload pornografischen Materials ohne<br />
Zustimmung der gezeigten Person wurde im Oktober 2014 unter Strafe gestellt.<br />
Viktimisierung<br />
Wörtlich bedeutet Viktimisierung „Zum-Opfer-Machen“ (lat. victima = Opfer, daraus engl. victim).<br />
Oft wird der Begriff gebraucht, um eine Opfer-Täter-Umkehr zu beschreiben, die etwa dann vorliegt,<br />
wenn einem Opfer sexueller Gewalt vorgeworfen wird, die Gewalt selbst provoziert zu haben.<br />
Viktimisierung liegt auch dann vor, wenn eine Person eine Benachteiligung erfährt, weil sie sich über<br />
eine Diskriminierung beschwert hat oder weil sie eine andere Person, die sich beschwert hat,<br />
unterstützt bzw. unterstützt hat.
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
12<br />
„natürlich betrifft<br />
frauenpolitik<br />
auch männer“<br />
Hat ein Mädchen <strong>2015</strong> in Österreich die gleichen<br />
Zukunftschancen wie ein Bub? Und wie schaut Gleichberechtigung<br />
in zehn Jahren aus? Eva Glawischnig,<br />
die Chefin der Grünen, im Interview.<br />
Wenn wir von Feminismus oder Frauenpolitik<br />
sprechen, wird generell davon ausgegangen, dass<br />
das Thema „nur“ Frauen betrifft. Warum ist diese<br />
Annahme falsch?<br />
Eva Glawischnig: Natürlich betrifft Frauenpolitik<br />
auch Männer. Bis 1975 durften Frauen ohne Zustimmung<br />
des Mannes nicht arbeiten, über den Wohnsitz<br />
mitentscheiden und den Familiennamen wählen. Da<br />
haben Frauen viel an Selbstständigkeit erkämpft,<br />
und Männer mussten entsprechend Macht abgeben.<br />
Andererseits verändert der Feminismus traditionelle<br />
Rollenerwartungen an Männer.<br />
„Ganze Männer machen halbe-halbe“ – diese<br />
Forderung wurde erstmals 1996 von der damaligen<br />
SPÖ-Frauenministerin Helga Konrad gestellt. Und<br />
sie findet sich u.a. auch in diesem Frauenbericht<br />
wieder. Was hat sich in fast 20 Jahren getan?<br />
Männer gehen immer öfter in Karenz. Im Öffentlichen<br />
Dienst gibt es endlich einen Rechtsanspruch<br />
auf einen Papa-Monat. Immerhin 353 Männer haben<br />
von diesem Gebrauch gemacht. Allerdings gehen<br />
Männer deutlich kürzer in Karenz. Mehr Väterbeteiligung<br />
wäre notwendig. Die meiste Zeit mit den<br />
Kindern verbringen immer noch die Mütter.<br />
Eine zentrale Forderung der Grünen lautet: gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit. Oft hört man das Argument,<br />
Frauen könnten gar nicht weniger verdienen,<br />
weil es ja Kollektivverträge gibt. Verhandeln Frauen<br />
einfach schlechter?<br />
Erstens gibt es nicht überall Kollektivverträge, und<br />
zweitens sind die „traditionellen Frauenberufe“ viel<br />
schlechter bezahlt. Regina Petrik, unsere burgenländische<br />
Spitzenkandidatin, hat ein Jahr lang in<br />
unterschiedlichen Berufen, etwa als Näherin, als<br />
Verkäuferin usw. gearbeitet. Am besten verdient hat<br />
sie als Bauarbeiterin, also in einem „traditionellen<br />
Männerberuf“. Und dann gibt es noch die gläserne<br />
Decke: In europäischen Topunternehmen ist nur eines<br />
von sieben (13,7 %) Aufsichtsratsmitgliedern und<br />
nur eine von 30 VorstandschefInnen (3,2 %) weiblich.<br />
Warum käme ein gesetzlicher Mindestlohn von<br />
1.550 Euro vor allem Frauen zugute?<br />
Frauen verdienen in Österreich im Schnitt um 23%<br />
weniger als Männer. Eine Sekretärin bei einem Notar<br />
oder einem Rechtsanwalt, aber auch eine Friseurin<br />
würde daher von einem gesetzlichen Mindestlohn<br />
deutlich profitieren.
13 interview<br />
Frauen verrichten nach wie vor einen großen Teil<br />
der unbezahlten Arbeit, kümmern sich um die<br />
Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen.<br />
Wie können Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit<br />
in unserer Gesellschaft besser aufgeteilt werden?<br />
Es braucht einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz<br />
ab dem vollendeten ersten Lebensjahr,<br />
und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass<br />
Männer gleich lang in Karenz gehen. Pflegebedürftige<br />
Menschen haben meist nicht nur Töchter, sondern<br />
auch Söhne, die einen Teil übernehmen könnten.<br />
Notwendig ist ein Rechtsanspruch auf<br />
Pflegekarenz, denn die Gefahr, den<br />
Arbeitsplatz zu verlieren, belastet<br />
pflegende Angehörige oft<br />
noch zusätzlich.<br />
Mitte März hat die österreichische<br />
Bundesregierung<br />
eine Steuerreform<br />
präsentiert, bei der sie<br />
sich nur auf den kleinsten<br />
gemeinsamen Nenner<br />
hat einigen können.<br />
BezieherInnen niedriger<br />
Einkommen und Frauen sind<br />
die klaren VerliererInnen dieser<br />
Steuerreform. Was heißt das, und<br />
wo würde das Grüne Modell ansetzen?<br />
Nach unserem Modell würde eine Teilzeitbeschäftigte<br />
im Jahr 1.100 Euro mehr im Börserl haben, nach<br />
dem Regierungsmodell bloß 290 Euro. Der Kanzler<br />
würde dagegen fast gar nicht davon profitieren,<br />
während die Regierung ihm 2.300 Euro mehr im<br />
Jahr geben will. Wir würden also niedrige Einkommen<br />
deutlich mehr entlasten.<br />
Zu Beginn der Frauenrechtsbewegungen haben<br />
Frauen für ihr politisches Mitspracherecht<br />
gekämpft. Wofür gilt es heute zu kämpfen?<br />
besser gebildet sind als früher, sind Führungspositionen<br />
immer noch vorwiegend männlich besetzt.<br />
Nicht einmal ein Drittel der Nationalratsabgeordneten<br />
sind Frauen. Wir brauchen Gewaltschutzzentren,<br />
Notwohnungen sowie Frauen- und Mädchenberatungsstellen.<br />
Jede fünfte Frau in Österreich ist<br />
von Gewalt betroffen. Und wie man angesichts<br />
der Debatte um das Sexualstrafrecht sieht, sehen<br />
manche Männer sexuelle Belästigung immer noch<br />
als Kavaliersdelikt an. Das ist jenseitig!<br />
Hat ein Mädchen <strong>2015</strong> in Österreich die gleichen<br />
Zukunftschancen wie ein Bub?<br />
Ich würde mir das sehr wünschen,<br />
aber leider ist dem<br />
nicht so. Obwohl die<br />
Frauenbewegung sehr<br />
erfolgreich ist, sind<br />
vollkommene Chancengleichheit<br />
oder gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit<br />
immer noch hart zu<br />
erkämpfen.<br />
Im Bildungsbereich haben<br />
Mädchen bereits aufgeholt.<br />
Am Arbeitsmarkt, bei der Karriere<br />
oder im Geldbeutel sieht das<br />
noch anders aus. Wie schaut Gleichstellung<br />
in zehn Jahren aus?<br />
Frauen und Männer werden sich partnerschaftlich<br />
die Kindererziehung gerecht aufteilen, Frauen werden<br />
gleich viel verdienen wie Männer, im Parlament<br />
und in Führungsetagen sitzen so viele Frauen wie<br />
Männer, und keine Frau ist mehr von Gewalt oder<br />
sexueller Belästigung betroffen. Das ist die Vision.<br />
Vermutlich werden wir aber länger als zehn Jahre<br />
brauchen, um sie zu verwirklichen. p<br />
Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als<br />
Männer. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist immer<br />
noch zu erkämpfen. Und obwohl Frauen deutlich
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
14<br />
wer hat’s<br />
gesagt?<br />
Was haben Emma Watson und Andreas Gabalier<br />
gemeinsam? Wohl eher nichts, wie unsere<br />
Zitaten-Sammlung zeigt. Welche Themen wurden<br />
im vergangenen Jahr diskutiert? Die Zitate<br />
des Jahres – zwischen echtem Engagement<br />
und infamer Ignoranz.<br />
><br />
><br />
><br />
„Men, I would like to take this opportunity to extend your<br />
formal invitation. Gender equality is your issue too.“<br />
Emma Watson, UN-Sonderbotschafterin für Frauen<br />
In ihrer Rede vor den Vereinten Nationen, 20. 9. 2014<br />
><br />
„Den Text der österreichischen Bundeshymne<br />
lernte ich mit acht Jahren in der Schule im Sachkundeunterricht,<br />
und ich sehe keine Veranlassung,<br />
ihn anders zu singen.“<br />
Andreas Gabalier, Musiker<br />
In einem offenen Brief via APA, 24. 6. 2014<br />
„Die brutale Sparpolitik der EU-Troika der letzten Jahre<br />
hat die Armut von Frauen weiter erhöht, prekäre Beschäftigung<br />
wird zunehmend zum Normalarbeitsverhältnis, die ,gläserne Decke‘<br />
im Karriereverlauf ist für viele Frauen nach wie vor aus Beton.“<br />
Monika Vana, Grüne Europaabgeordnete<br />
Anlässlich des Internationalen Frauentags <strong>2015</strong>, 4. 3. <strong>2015</strong><br />
><br />
„Die Rache der Frauen wird nicht furchtbar sein.“<br />
Reinhold Entholzer, Oberösterreichs SPÖ-Chef<br />
Zum Aufbegehren der Frauen in der SPÖ im Interview<br />
mit der Tageszeitung „Der Standard“, 25. 8. 2014<br />
„Aber ich gestehe zu, dass die Quote ein hilfreiches Vehikel wäre.“<br />
Hans Jörg Schelling, ÖVP-Finanzminister<br />
Im Interview mit dem Magazin „WOMAN“, Ausgabe 26/2014
15 zitate<br />
><br />
„Das Binnen-I verstößt gegen alle Usancen der deutschen Sprache<br />
und ist ein artifizielles Minderheitenprogramm.“<br />
Konrad Paul Liessmann, Philosoph<br />
Über seinen Kampf gegen das Binnen-I im Magazin „Profil“, 28. 7. 2014<br />
><br />
„Es schenkt uns niemand das Binnen-I, sondern<br />
wir haben es uns genommen.“<br />
Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste<br />
Im „ZIB 2“-Interview, 15. 7. 2014<br />
><br />
><br />
><br />
„I am Malala, but I am also those 66 million girls who<br />
are deprived of education. I’m not raising my voice. It is<br />
the voice of those 66 million girls.“<br />
Malala Yousafzai, 17-jährige Kinderrechtsaktivistin<br />
Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises, 10. 10. 2014<br />
„Auf Frauen verzichten heißt Geld vernichten!“<br />
Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments,<br />
Grüne/EFA-Fraktion, Österreich<br />
Im Interview mit www.phenomenelle.de, 1. 4. <strong>2015</strong><br />
„Sexual assault is neither a ,light‘ nor ,fluffy‘ matter,<br />
and we cannot treat it as if it were.“<br />
Emma Sulkowicz, Studentin und Anti-Vergewaltigungs-Aktivistin<br />
Über ihren Protest „Carry That Weight“ in der Studentenzeitung<br />
der Columbia University, 26. 10. 2014<br />
><br />
><br />
„Es ist nichts Herabsetzendes, wenn die Frau kocht und<br />
auf die Kinder schaut. Der Mann muss es würdigen.“<br />
Herbert Prohaska, ehemaliger Fußballspieler und Trainer<br />
Im Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“, 16. 8. 2014<br />
„Gender matters everywhere in the world. And I would like<br />
today to ask that we should begin to dream about and plan for<br />
a different world. A fairer world. A world of happier men and<br />
happier women who are truer to themselves. And this is how<br />
to start: we must raise our daughters differently.<br />
We must also raise our sons differently.“<br />
Chimamanda Ngozi Adichie, nigerianische Schriftstellerin<br />
In ihrem Buch „We Should All Be Feminists“, veröffentlicht im Oktober 2014
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
16<br />
feminismus<br />
in der krise?<br />
in der krise –<br />
feminismus!<br />
Der Feminismus hat alle ökonomischen Krisen<br />
und ideologischen Konfrontationen der vergangenen<br />
Jahre erstaunlich gut überstanden – und ist sogar<br />
kräftiger denn je. In den wichtigsten Existenzfragen<br />
unserer Gegenwart kann er uns den<br />
Weg weisen.<br />
Zugegeben: Um die Jahrtausendwende, als der<br />
Aktienmarkt noch stabil und der Glaube an das<br />
ewige Wohlstandswachstum ungebrochen war,<br />
machte der Feminismus einen etwas ramponierten<br />
Eindruck. Die Politik hatte ihn erfolgreich in Nischen<br />
zurückgedrängt, die „Frauenförderungsprogramme“,<br />
„Frauenforschungslehrstühle“ oder „Frauenhäuser“<br />
hießen. Dort – so lautete der Auftrag – sollten sich<br />
Feministinnen still miteinander beschäftigen. Dort<br />
kriegten sie ein bisschen Geld und zum Frauentag<br />
jährlich ein bisschen ritualisierte Aufmerksamkeit,<br />
damit sie die Allgemeinheit nicht weiter belästigen<br />
würden. Man stellte Feministinnen damals flächendeckend<br />
als schönheits-, lust- und körperfeindliche<br />
Ideologinnen dar, schmähfrei, verbissen und verhärmt.<br />
Und irgendwann bald, so hieß es, wenn die<br />
alten Kämpferinnen gebrechlich wären, würde sich<br />
der Feminismus erledigt haben. Denn die jungen,<br />
feschen, sexy, erfolgreichen Alpha-Mädchen –<br />
die brauchen so etwas doch nicht!<br />
Inzwischen sind multiple Krisen über uns hinweggezogen.<br />
Europa kämpft mit dem Euro und mit<br />
der Massenarbeitslosigkeit. An den Rändern des<br />
Kontinents herrscht Krieg, wir müssen uns gegen<br />
fundamentalistische Bedrohungen wappnen, innen<br />
und außen. Viele einstige Gewissheiten – der Fortschrittsglaube,<br />
die Strahlkraft der liberalen Demokratie<br />
– schauen mittlerweile ramponiert aus. Aber,<br />
oh Wunder: Der Feminismus ist immer noch da. Er<br />
hat alle Stürme, die über ihn hinweggefegt sind,<br />
unbeschadet überlebt. Er schaut sogar frischer und<br />
lebendiger aus als zuvor. Und wer weiß – womöglich<br />
eignet er sich inmitten des Durcheinanders sogar<br />
als Wegweiser.<br />
Das ist tatsächlich gut möglich. Man muss nur ein<br />
bisschen genauer hinschauen, um dafür schon jetzt<br />
Indizien zu erkennen. Erstes Beispiel: die globale<br />
Wirtschaft. In den Machtzentren des US-amerikanischen<br />
Kapitalismus ist der Feminismus ins Gewand
17 kommentar<br />
des „Diversity Managements“ geschlüpft und zieht<br />
von dort aus um die Welt. Was der Feminismus<br />
schon lange weiß, weiß nämlich inzwischen auch<br />
jedes profitorientierte Unternehmen: dass Vielfalt<br />
von Vorteil ist; dass Entscheidungen qualitativ besser<br />
werden, wenn jene, die sie fällen, möglichst viele<br />
unterschiedliche Erfahrungen mitbringen.<br />
Die Quote, einst ein verpöntes Brachialinstrument,<br />
ist dewegen heute in der Mitte des Mainstreams<br />
angekommen. In allen Branchen wird sie mittlerweile<br />
ausprobiert, in Bildung und Wissenschaft, in der<br />
Politik und in den Medien. Sogar in weltanschaulich<br />
konservativen Institutionen gehört es mittlerweile<br />
zum guten Ton, ein Mindestmaß an Vielfalt zur<br />
Schau zu stellen. Nach anfänglichem Heulen und<br />
Zetern stellt sich beinahe überall heraus: Die Quote<br />
ist überraschend effizient. Sie wirkt rasch, wo<br />
Überzeugen und Verhandeln jahrzehntelang<br />
nichts bewegt haben. Und man<br />
gewöhnt sich daran.<br />
Zweites Beispiel: die Familien-politik.<br />
Hier herrscht Verwirrung und<br />
Angst, abzulesen an stetig sinkenden<br />
Kinderzahlen. Das traditionelle<br />
Familienbild vom „Haupternährer“<br />
und der „Zuverdienerin“ hat endgültig<br />
ausgedient, es kracht an allen Ecken und<br />
Enden. Die einen arbeiten zu viel, verausgaben sich<br />
in Dauerüberstunden und schlittern ins Burn-out. Die<br />
anderen arbeiten zu wenig und finden aus Arbeitslosigkeit<br />
oder Dauerprekariat nicht mehr heraus.<br />
Dazwischen bleibt für Familien kaum Luft und<br />
eit zum Verschnaufen.<br />
Wie könnte man das menschenwürdiger organisieren?<br />
Hier zeigt uns der Feminismus skandinavischer<br />
Prägung die Richtung an. Gleichberechtigte Elternschaft<br />
ist die sinnvollste Art, bezahlte und unbezahlte<br />
Arbeit unter einen Hut zu bringen, privat ebenso<br />
wie gesamtgesellschaftlich. Männer müssen sich für<br />
Familie, Reproduktion und Vereinbarkeitsfragen gleichermaßen<br />
verantwortlich fühlen – und gleichermaßen<br />
verantwortlich gemacht werden. Funktionieren<br />
kann das nur, wenn sich Männer an der Frauenbewegung<br />
ein Beispiel nehmen und Rollenzwänge,<br />
Erwartungshaltungen und Geschlechterklischees<br />
hinterfragen. Die Konflikte, mit denen diese Neuverteilung<br />
der Rollen einhergeht, kann man derzeit<br />
spüren, vor allem in Obsorgefragen. Doch wir ahnen<br />
bereits: Es wird sich am Ende auszahlen. Für beide<br />
Geschlechter.<br />
Drittes Beispiel ist der Kulturkampf. Die westlichen<br />
Demokratien werden akut bedroht, bedrängt von<br />
fundamentalistischen Kräften, die von Hass und revolutionären<br />
Heilsversprechen angetrieben werden.<br />
Was kann man dem entgegensetzen? Was genau<br />
wollen wir verteidigen? Was macht, im Vergleich zu<br />
anderen, das Besondere, Verteidigenswerte<br />
unserer Art zu leben aus? Auch hier hat<br />
sich der Feminismus als großartiger<br />
Kompass erwiesen.<br />
Es ist kein Zufall, dass es in der<br />
Auseinandersetzung mit dem Islamismus<br />
immer sehr rasch um Frauenrechte<br />
geht. Ob alle Menschen<br />
denselben Anspruch auf Würde,<br />
Respekt und Platz in der Öffentlichkeit<br />
haben; ob sie dieselben Chancen<br />
haben, sich zu entfalten – diese Fragen hat<br />
die Frauenbewegung zu stellen gelernt. Und sie sind<br />
ebenso tauglich, um festzustellen, wie ernst es eine<br />
Gesellschaft generell mit ihren Grundwerten meint –<br />
mit den Menschenrechten, mit der Demokratie, mit<br />
dem selbstbestimmten Leben.<br />
Man muss diese Fragen ja nicht immer nur den Fundamentalisten,<br />
den „anderen“ stellen. Zum Erkenntnisgewinn<br />
helfen sie auch in der unmittelbaren Nähe<br />
ganz gut. p<br />
> Text: Sibylle Hamann / Foto: Godany
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
18<br />
was kostet<br />
die welt?<br />
Ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben bedeutet<br />
auch ein ökonomisch unabhängiges Leben. Frauen arbeiten<br />
jedoch besonders oft in prekären Arbeitsverhältnissen, d.h.<br />
in Teilzeit, oder sie sind geringfügig beschäftigt. Und: Die<br />
Einkommensschere zwischen Frauen und Männern<br />
schließt sich nicht. Warum eigentlich?<br />
„Viele Leute fragen mich, wie ich das alles unter einen Hut bekomme … aber irgendwie geht es sich immer<br />
aus.“ Alexandra Simonic ist das, was man gemeinhin als Workaholic bezeichnen könnte: Sie studiert<br />
Musikmanagement und BWL, arbeitet 20 Stunden in der Woche bei einer Rechtsschutzversicherung,<br />
ist DJane aus Leidenschaft und nebenbei auch noch ehrenamtlich tätig. Man könnte aber auch sagen:<br />
Alexandra ist eine von vielen jungen Frauen, die zwischen Lebensplanung und Lebensfinanzierung einfach<br />
eines wollen: leben.<br />
Dabei hat sie schon relativ früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen: „Ich habe mit 19 die HAK-Matura<br />
gemacht, ein Jahr zuvor bin ich von zuhause ausgezogen. Ab dem Zeitpunkt der Matura habe ich mir mein<br />
Leben selber finanzieren müssen. Im Nachhinein gesehen bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich recht<br />
schnell selbstständig sein musste. Das bringt einen in der persönlichen Entwicklung schnell weiter.“<br />
Arbeit ist für Alexandra identitätsstiftend. „Mein Selbstwert hängt schon stark an dem, was und wofür<br />
ich arbeite“, sagt die 29-Jährige. Gerade der Job als DJane verlangt ihr dabei aber oft einiges ab. „Das<br />
Auflegen ist ein purer Nacht-Job. Wenn ich beispielsweise um 1 oder 2 Uhr anfange, arbeite ich bis 5<br />
oder halb 6 in der Früh. Das schlägt sich natürlich auf den Körper nieder.“ Von ihren Jobs als DJane kann<br />
Alexandra aber allein nicht leben. „Dazu brauchst du in Österreich viele Connections und Glück – und<br />
es hilft, wenn man ein Mann ist“, meint sie. Zwar wird über die Höhe der Gagen in der Branche nicht viel<br />
gesprochen, Alexandra ist aber der Meinung, dass männliche DJs zumindest ernster genommen werden,<br />
wenn sie mehr fordern.<br />
Alexandra macht sich viele Gedanken über die Zukunft. Seit einigen Jahren zahlt sie in eine private<br />
Pensionsvorsorge ein. Gibt das Sicherheit? „Es gibt mir zumindest das Gefühl, das, was mir möglich ist,<br />
getan zu haben“, sagt sie. Als sie vor zwei Wochen nach einem DJ-Gig ein Taxi nach Hause genommen hat,<br />
ist ihr aufgefallen, dass der Taxi-Fahrer schon weit über 70 Jahre alt gewesen sein muss. „In dem Moment<br />
hab ich mich gefragt: Wie lange werde ich eigentlich einmal arbeiten müssen? Wir werden immer älter,<br />
die Gesundheitsversorgung wird immer besser. Aber werde ich mir dieses Gesundheitssystem auch noch<br />
leisten können, wenn ich alt bin?“ Bei so großen Fragen vergisst man oft, dass zwischen Lebensplanung<br />
und Lebensfinanzierung ja vor allem eines möglich sein: leben. Mit 29 genau so wie mit 79. p
19 frauen und geld<br />
Alexandra<br />
Simonic, 29<br />
Teilzeit-Angestellte, Studentin, DJane<br />
und ehrenamtliche Mitarbeiterin<br />
in der Rosa Lila Villa
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
20<br />
Ich arbeite –<br />
also bin ich arm?<br />
Gleichstellungspolitik ist noch immer nicht in der Job-<br />
Realität österreichischer Frauen angekommen. Reden wir<br />
über Einkommensgerechtigkeit, gesetzlichen Mindestlohn,<br />
ein Pensionsmodell für Frauen, das vor Armut schützt, und<br />
ein Steuermodell das echte Chancengleichheit schafft.<br />
Vollzeit beschäftigte Frauen verdienen in der Europäischen<br />
Union im Durchschnitt um 16,4 % weniger<br />
als Vollzeit beschäftigte Männer. In Österreich ist<br />
dieser Wert noch weitaus schlechter. Mit 23,4 %<br />
weniger Verdienst für Frauen, liegt Österreich EUweit<br />
am vorletzten Platz und wird nur von Estland<br />
unterboten.<br />
Trotz guter Ausbildung werden Frauen oft unter<br />
ihrem Qualifikationsniveau eingesetzt und bezahlt.<br />
Unselbständig Erwerbstätige nach Einkommensgruppen und Geschlecht 2013<br />
Höchstes Viertel<br />
Drittes Viertel<br />
Zweites Viertel<br />
Niedrigstes<br />
Viertel<br />
Frauenanteil insgesamt<br />
in Prozent<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Quelle: Statistik Austria, 2014. Lohnsteuer- und HV-Daten. Ohne Lehrlinge.<br />
Mittleres Bruttojahreseinkommen der unselbständig Erwerbstätigen 2013<br />
50.000<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
in Euro<br />
Arbeiter &<br />
Arbeiterinnen<br />
Angestellte<br />
Vertragsbedienstete<br />
Beamte &<br />
Beamtinnen<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Insgesamt<br />
Quelle: Statistik Austria, 22.12.2014. Lohnsteuerdaten – Sozialstatistische Auswertungen.
21 frauen und geld<br />
Entwicklung der mittleren Jahreseinkommen (vor Steuern) der ausschließlich selbständig Erwerbstätigen<br />
in Euro<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010* 2012** 2013**<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Insgesamt<br />
Quelle: Statistik Austria, 2014. Einkommenssteuerdaten. *) Zeitreihenbruch durch die Einführung des Gewinnfreibetrags.<br />
**) Die Werte für 2012 und 2013 wurden mit einem zeitreihenanalytischen Prognoseprogramm geschätzt.<br />
Die Einkommensschere zwischen Männern und<br />
Frauen schließt sich nicht.<br />
Der Einkommensnachteil von Frauen fällt je nach<br />
sozialer Stellung unterschiedlich stark aus, im öffentlichen<br />
Bereich schwächer als in der Privatwirtschaft.<br />
Unter den BeamtInnen verdienen Frauen 95 % des<br />
mittleren Männereinkommens, unter Vertragsbediensteten<br />
77 %. Dagegen kommen weibliche<br />
Angestellte auf 51 % der mittleren Männerverdienste,<br />
Arbeiterinnen nur auf 43 %. Diese Einkommensunterschiede<br />
werden auch in der Pension fortgeschrieben.<br />
Mit einer Jahrespension von 13.162 € erhielten Pensionistinnen<br />
um 58 % weniger Pension als Männer<br />
(22.860 €).<br />
Drittel der geringfügig Beschäftigten und etwas<br />
mehr als die Hälfte der freien DienstnehmerInnen<br />
sind Frauen.<br />
Gerade bei Teilzeitjobs in sogenannten traditionellen<br />
Frauenberufen, die schlechter bezahlt werden besteht<br />
die Gefahr einer schlechten Absicherung und<br />
Bezahlung, was Auswirkungen bis hin zur Pension<br />
hat. Dass unbezahlte Arbeiten nach wie vor zumeist<br />
von Frauen erledigt, ist keine Neuigkeit.<br />
Frauen tragen dadurch ein ungleich höheres<br />
Armutsrisiko. Lohnschere, Working Poor, ungleiche<br />
Verteilung von Fürsorge,-und betreuungspflichten<br />
und weibliche Gratisarbeit sind kein Mythos, sondern<br />
prägen die wirtschaftlichen, sozialen, ökonomischen<br />
und politischen Strukturen.<br />
atypische<br />
beschäftigungsverhältnisse<br />
Ein Teil dieser Einkommensunterschiede ist auf die<br />
höhere Zahl von Teilzeitbeschäftigungen bei den<br />
Frauen zurückzuführen. Frauen sind, unabhängig<br />
von ihrem Qualifikationsniveau, durchwegs stärker<br />
von atypischer Beschäftigung betroffen als Männer.<br />
Zirka vier Fünftel der Beschäftigten in Teilzeit, zwei<br />
einkommenstransparenz<br />
und angabe von mindestentgelt<br />
Einkommensgerechtigkeit befindet sich noch immer<br />
im Stillstand. Im Regierungsübereinkommen wird als<br />
Ziel „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Gleichstellung<br />
von Frauen am Arbeitsmarkt“ gefordert. Als
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
22<br />
Herausforderung wird dabei genannt: Einkommensunterschiede<br />
verringern, Frauen am Arbeitsmarkt<br />
entsprechend ihrer Qualifikationen fördern und<br />
Diskriminierungen beseitigen. Das ist bekanntlich<br />
nichts Neues.<br />
Eine der sechs angeführten Maßnahmen heißt:<br />
Einkommenstransparenz. Am 1. März 2011 trat eine<br />
Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes in Kraft. Die<br />
wohl bekannteste Neuerung ist die Verpflichtung für<br />
Unternehmen, betriebsinterne Einkommensberichte<br />
zu erstellen. Das Problem dabei: Selbst im Vollausbau,<br />
der seit 2014 geltend ist, muss nur etwa 1 % der<br />
Betriebe Einkommensberichte erstellen (2.800 von<br />
insgesamt 300.000 Betrieben in ganz Österreich).<br />
Der Einkommensbericht ist dem Betriebsrat im<br />
ersten Quartal des Folgejahres zu übermitteln. Wenn<br />
es keinen Betriebsrat gibt, ist der Einkommensbericht<br />
in einem für alle MitarbeiterInnen zugänglichen<br />
Raum aufzulegen. Das bedeutet: Verpflichtung ohne<br />
Konsequenzen.<br />
Der Anspruch auf Erstellung und Übermittlung bzw.<br />
Information kann seitens des Betriebsrates oder<br />
seitens einzelner ArbeitnehmerInnen gerichtlich<br />
geltend gemacht werden. Allerdings gibt es keine<br />
Strafen für die Unternehmen, wenn sie der Erstellung<br />
des Einkommensberichtes nicht nachkommen. Die<br />
Betriebe sind auch nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen<br />
zur Verringerung der Einkommensunterschiede<br />
wie die Erstellung von Frauenförderplänen zu ergreifen.<br />
MitarbeiterInnen hingegen drohen sehr wohl<br />
Verwaltungsstrafen – und zwar bis zu 360 € –, wenn<br />
sie über die anonymisierten Durchschnittsgehälter in<br />
ihrem Unternehmen sprechen. Unklarheiten gibt es<br />
auch darüber, welche Gehaltsbestandteile in diesen<br />
Berichten bei den Einkommen ausgewiesen werden<br />
müssen. Denn das Gesetz definiert nicht, welche<br />
Einkommensbestandteile (Zulagen, Überstunden,<br />
Sachleistungsbezüge, Jubiläumsgelder etc.) in den<br />
Einkommensberichten anzuführen sind. Ohne Unterstützung<br />
und Kontrolle durch eine unabhängige<br />
Stelle ist damit zu rechnen, dass die Einkommensberichte<br />
wenig aussagekräftig sind oder gar geschönt<br />
werden.<br />
Ebenfalls beschlossen wurde, dass Stellenanzeigen<br />
das Mindestgehalt und einen Hinweis auf eine mögliche<br />
Überzahlung beinhalten müssen.<br />
Seit März 2011 muss in jeder Stellenanzeige stehen,<br />
wie viel man im inserierten Job mindestens verdienen<br />
kann – selbst dann, wenn nur nach einer geringfügig<br />
beschäftigten Aushilfe gesucht wird. Das<br />
Mindestentgelt kann unterschiedlich geregelt sein,<br />
zum Beispiel durch Kollektivvertrag, Gesetz, Satzung<br />
oder Mindestlohntarif. In Bereichen, in denen es<br />
keinen Kollektivvertrag gibt, muss das Entgelt angegeben<br />
werden, das als Mindestgrundlage für die<br />
Vertragsverhandlung dienen soll. Wissen ArbeitgeberIn<br />
(oder die Arbeitsvermittlungsfirma) bereits<br />
zum Zeitpunkt der Stellenausschreibung, dass für<br />
die ausgeschriebene Position z. B. auch Zulagen<br />
zustehen, muss auch das in den Inseratentext aufgenommen<br />
werden.<br />
Von der Bezahlungsinfo nicht erfasst sind arbeitnehmerähnliche<br />
Personen (z. B. freie DienstnehmerInnen)<br />
sowie ArbeitnehmerInnen in hohen Führungspositionen<br />
(z. B. GeschäftsführerInnen). Die Novelle<br />
soll vor allem Diskriminierungen in der Arbeitswelt<br />
abbauen und durch die Verbesserung der Einkommenstransparenz<br />
die wirtschaftliche und soziale<br />
Teilhabe fördern sowie einer sozialen Ausgrenzung<br />
entgegenwirken. Gerade für Frauen ist das eine<br />
wichtige Maßnahme.<br />
Die Regierung nimmt sich vor, die Gehaltsangaben in<br />
Stelleninseraten und Einkommensberichte zu evaluieren<br />
und gegebenenfalls unter Einbindung der Sozialpartner<br />
weiterzuentwickeln (z. B. Maßnahmenplan,<br />
Antragsrecht). Nur: Alle im Regierungsprogramm<br />
genannten Maßnahmen sind 1. nicht budgetiert und<br />
2. sind es alte Forderungen und Ankündigungen<br />
der Frauenministerin, zu denen es keine konkreten<br />
Vorschläge auf Umsetzung gibt.
23 frauen und geld<br />
sind. Sie leisten den Großteil der unbezahlten Arbeit<br />
im Haushalt, tragen die Verantwortung sowohl für<br />
die Erziehung und Betreuung der Kinder aber auch<br />
pflegebedürftiger Angehöriger. Im Gegensatz dazu<br />
mussten und müssen sie die fehlenden Rahmenbedingungen<br />
bei der Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Privatleben mit guter Organisation ausgleichen. Im<br />
Berufsleben waren und sind sie deshalb noch immer<br />
mit schlechterer Bezahlung und fehlenden Chancen<br />
beim Aufstieg und dem Zugang zur Aus- und Weidas<br />
grüne steuermodell<br />
Geschlechter- und sozialgerechte Steuerreformen<br />
können einen zentralen Beitrag zur Bekämpfung von<br />
Frauenarmut in Österreich leisten. Die im März <strong>2015</strong><br />
von der Regierung präsentierte Einigung ist keine<br />
Reform des Steuersystems, sondern eine Tarifanpassung.<br />
BezieherInnen niedriger Einkommen und<br />
vor allem Frauen gehören zu den VerliererInnen,<br />
weil die ohnehin schon weit geöffnete Einkommensschere<br />
noch weiter aufgeht. Von der rot-schwarzen<br />
Tarif-Anpassung profitieren Männer wesentlich<br />
stärker als Frauen, auf die nur ein gutes Drittel der<br />
Entlastung fällt. Die Erhöhung des Kinderfreibetrags<br />
von 220 auf 400 Euro (100 Mio Euro) kommt<br />
geringverdienenden Familien und vielen Alleinerzieherinnen<br />
nicht zugute. Während beim grünen Modell<br />
die Entlastung mit 50 % bei Frauen und 50 Prozent<br />
bei Männern gerecht aufgeteilt ist, sieht das Steuermodell<br />
der Regierung bei Frauen ein Entlastungsvolumen<br />
von gerade einmal 36 % vor, bei Männern<br />
dagegen stolze 64 %.<br />
Wir Grünen haben im Jänner ein von Experten<br />
durchgerechnetes Modell zur umfassenden Reform<br />
des Steuersystems und der Entlastung unterer Einkommen<br />
vorgelegt. Damit wären 90 % der Arbeitsund<br />
Erwerbseinkommen entlastet, 10 % belastet<br />
worden. Wir wollen eome Entlastung niedriger und<br />
mittlerer Einkommen und die Hälfte des Entlastungsvolumens<br />
für Frauen. p<br />
Die Diskussion<br />
um die Frauenpension<br />
Die Angleichung des Frauenpensionsalters mit dem<br />
Pensionsalter der Männer beginnt mit 2024. Berechnung<br />
zeigen aber: Ein späterer Pensionsantritt von Frauen<br />
entlastet das Pensionssystem so gut wie nicht.<br />
Mit 1. Jänner 1993 ist das „Bundesverfassungsgesetz<br />
über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen<br />
und weiblichen Sozialversicherten“ in Kraft<br />
getreten. Dieses Gesetz wird mit 31. Dezember 2033,<br />
also dem Datum, an dem beide Geschlechter das<br />
gleiche Regelpensionsalter erreicht haben werden,<br />
außer Kraft treten. Dass Frauen fünf Jahre vor den<br />
Männern Anspruch auf das reguläre Regelpensionsalter<br />
haben, ist damit zu begründen, dass Frauen in<br />
Gesellschaft und der Arbeitswelt nicht gleichgestellt
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
24<br />
terbildung konfrontiert. Das sind nur einige Gründe<br />
dafür, dass Frauen aufgrund der Doppel- und Dreifachbelastung<br />
mit einem früheren Regelpensionsalter<br />
rechnen konnten.<br />
Im Vorfeld des oben angeführten Bundesverfassungsgesetzes<br />
wurde von den Frauenpolitikerinnen<br />
im Jahr 1992 ein begleitendes Gleichstellungspaket<br />
beschlossen. Darin enthalten sind die notwendigen<br />
Bedingungen zur Erreichung der Gleichstellung,<br />
unter denen sich die Frauen vorstellen konnten, das<br />
Frauenpensionsalters ab 2024 schrittweise anzuheben.<br />
Die Grünen sprechen sich wie alle Frauenorganisationen<br />
deshalb für die stufenweise Anpassung<br />
und nicht eine vorzeitige Anpassung aus.<br />
Die meisten Frauen können derzeit um fünf Jahre<br />
früher in Pension gehen als Männer. In der öffentlichen<br />
Debatte wird dies als ungerecht dargestellt<br />
und die Anhebung des Pensionsantrittsalters von<br />
Frauen als Einsparungsmöglichkeit im Pensionssystem<br />
dargestellt. Die Ungerechtigkeit bestünde,<br />
so Kritiker, darin, dass Frauen zumindest fünf Jahre<br />
länger eine Pension erhielten als Männer und somit<br />
dem System wesentlich höhere Kosten entstünden<br />
als durch Männer.<br />
Beide Argumente sind sachlich falsch, denn<br />
> Frauenpensionen sind deutlich niedriger als<br />
Männerpensionen.<br />
> Sie kommen daher dem Bundesbudget trotz<br />
früheren Pensionsantritts und höherer Lebenserwartung<br />
deutlich billiger als Männer.<br />
> Das tatsächliche Antrittsalter von Frauen in der<br />
Alterspension liegt mit 59,3 Jahren wesentlich<br />
näher beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter<br />
von 60 Jahren als bei Männern (62,8/65).<br />
und beginnt mit Halbjahresschritten im Jahr 2024.<br />
Im Jahr 2033 werden Frauen und Männer ein gleiches<br />
Pensionsantrittsalter haben. Diese Anhebung<br />
ist formal an eine Verbesserung beim Erwerbszugang<br />
und der Einkommenshöhe gebunden (vor<br />
allem bei der Einkommenshöhe hat sich allerdings<br />
seit dem Beschluss dieser Regelung 1992 fast nichts<br />
getan – Stichwort Gender Gap).<br />
Eine Vorziehung dieser Anhebung ist aus verfassungsrechtlichen<br />
Gründen allerfrühestens mit dem<br />
Jahr 2018 möglich. Eine frühere Anhebung ist aber<br />
auch ökonomisch kontraproduktiv. Zum Beispiel<br />
geht knapp ein Drittel aller Frauen (32,3%) nicht<br />
aus der Erwerbstätigkeit in Pension, sondern aus<br />
der Arbeitslosigkeit oder dem Krankengeldbezug.<br />
Ein späterer Pensionsantritt verwandelt also nur<br />
Einsparungen im Pensionssystem in Mehrausgaben<br />
in der Arbeitslosenversicherung oder der Krankenversicherung.<br />
Die Grünen sind für die Beibehaltung des bereits<br />
im Jahr 1992 beschlossenen „Bundesverfassungsgesetzes<br />
über unterschiedliche Altersgrenzen von<br />
männlichen und weiblichen Sozialversicherten“<br />
(BGBl. 1992/832), in dem die Anhebung des Frauenpensionsalters<br />
ab 2024 um ein 1/2 Jahr pro Jahr<br />
festgeschrieben ist. Es bedarf aber noch erheblicher<br />
Schritte, um Fraueneinkommen, aber auch die Beschäftigungszeiten<br />
(Beitragszeiten) deutlich zu erhöhen,<br />
weil andernfalls auch die Anhebung ab 2024<br />
zu ungewünschten Effekten führt. Darüber hinaus<br />
müssen jene noch existierenden Bestimmungen in<br />
Gesetzen, Dienstordnungen, Kollektivverträgen und<br />
Betriebsvereinbarungen, die Frauen dazu zwingen,<br />
mit Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters in<br />
Pension zu gehen, gesetzlich als sittenwidrig deklariert<br />
werden.<br />
Die Anhebung des gesetzlichen Frauenpensionsalters<br />
auf 65 Jahre ist bereits gesetzlich vorgesehen
25 frauen und geld<br />
Eine Frau hätte mit Pensionsantritt mit 60 Jahren die<br />
Frauenmedianpension des Jahres 2014 von 838 €<br />
im Monat. Über 23,78 Jahre Bezugszeit „kostet“ ihre<br />
Pension dem Pensionssystem 278.978 €. Arbeitet<br />
sie ein Jahr länger, so erhöht sich ihre Monatspension<br />
auf 869 € im Monat, die sie aber nur 22,78<br />
Jahre erhält. In diesen 22,78 Jahren kostet sie dem<br />
Pensionssystem als 277.003 €. Das Pensionssystem<br />
erspart sich also über einen Zeitraum von fast 23<br />
Jahren betrachtet nicht einmal 2.000 € (oder 0,7 %<br />
der Gesamtsumme). Dem gegenüber stehen aber<br />
erhebliche Mehrkosten, da angesichts der Situation<br />
am Arbeitsmarkt entweder diese Frauen arbeitslos<br />
werden, oder an ihrer Stelle andere Personen keine<br />
Arbeit finden.<br />
Anm.: Bei der Berechnung dieses Beispiels wurde<br />
nicht die durchschnittliche Bezugsdauer einer<br />
Pension (23,9 Jahre), sondern die fernere Lebenserwartung<br />
im Alter von 60 Jahren herangezogen<br />
(23,78 Jahre). p<br />
–0,7 % –1,7 % –3,1 % –4,7 % –6,6 %<br />
838<br />
2.789,87<br />
869<br />
2.770,03<br />
899<br />
2.741,63<br />
930<br />
2.704,67<br />
960<br />
2.659,16<br />
991<br />
2.605,08<br />
Pension<br />
mit 60<br />
ein<br />
Jahr<br />
zwei<br />
Jahre<br />
drei<br />
Jahre<br />
vier<br />
Jahre<br />
fünf<br />
Jahre<br />
Pension neu in € Kosten über 23,78 Jahre in 100 €<br />
300.000,00<br />
290.000,00<br />
280.000,00<br />
270.000,00<br />
+10,4% +14,1%<br />
+18,2%<br />
260.000,00<br />
250.000,00<br />
+3,3%<br />
+6,8%<br />
240.000,00<br />
230.000,00<br />
Pension<br />
mit 60<br />
ein<br />
Jahr<br />
zwei<br />
Jahre<br />
drei<br />
Jahre<br />
vier<br />
Jahre<br />
fünf<br />
Jahre<br />
Gesamtkosten Pension<br />
Gesamtkosten Notstandshilfe
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
26<br />
Wie weiblich<br />
ist das Budget?<br />
Die Idee von Gender Budgeting ist die Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern als zentraler Bestandteil der Wirtschaftsund<br />
Finanzpolitik. Geld hat ja bekanntlich kein Mascherl –<br />
aber ein Geschlecht?<br />
Gender Mainstreaming ist eine Strategie zur Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern, die die klassische<br />
Frauenpolitik ergänzen soll. Dabei werden politische<br />
Maßnahmen auf eine mögliche benachteiligende<br />
Auswirkung auf Frauen und Männer analysiert, damit<br />
Benachteiligungen entgegengewirkt werden kann.<br />
Da Männer und Frauen unterschiedliche Verhaltensweisen,<br />
Ressourcen und Bedürfnisse haben<br />
können, können „neutral“ gemeinte Maßnahmen<br />
unterschiedlich stark auf sie wirken. Zumeist werden<br />
die Interessen von Frauen nicht ausreichend wahrgenommen,<br />
wodurch Benachteiligungen entstehen.<br />
Gender Mainstreaming soll klassische Frauen- und<br />
Gleichstellungspolitik ergänzen, jedoch keineswegs<br />
ersetzen.<br />
Das Prinzip des Gender Mainstreaming wurde<br />
erstmals auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995<br />
beschlossen. Die Staaten wurden aufgefordert, „geschlechterspezifische<br />
Belange in die Konzeption aller<br />
Politiken und Programme einzubeziehen, so dass<br />
vor dem Fällen von Entscheidungen die Folgen für<br />
Männer bzw. Frauen analysiert werden“. Die EU hat<br />
das Prinzip aufgegriffen und sich zur Durchführung<br />
von Gender Mainstreaming verpflichtet, ebenso wie<br />
die österreichische Regierung.<br />
Ein zentraler Bereich für Gender Mainstreaming ist<br />
die Steuer- und Budgetpolitik, also Gender Budgeting.<br />
Bisher ist die Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />
und Gender Budgeting in Österreich<br />
noch mangelhaft.<br />
gender budgeting in<br />
der verfassung – und dann?<br />
Gender Budgeting bedeutet, dass das Budget auf<br />
seine Auswirkungen auf Männer und Frauen hin<br />
analysiert und entsprechend der Gleichstellungsziele<br />
verändert wird. Denn auch „geschlechtsneutral“<br />
erscheinende Änderungen in Bereichen wie z.B.<br />
Gesundheit, Bildung, Verkehr, Arbeitsmarkt, etc. können<br />
sich aufgrund der Lebensrealitäten von Frauen<br />
und Männern unterschiedlich auswirken.<br />
Im Rahmen der Haushaltsrechtsreform 2007 ist es<br />
nicht zuletzt aufgrund des Engagements der Grünen<br />
zu einer Verankerung von Gender Budgeting in der<br />
Verfassung gekommen. Mit 1. Jänner 2009 wurde<br />
die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern im öffentlichen Haushaltswesen als Staatszielbestimmung<br />
in der Verfassung verankert. Die<br />
Budgetpolitik des Bundes, der Länder und Gemeinden<br />
muss sich seit 2013 verpflichtend am Grundsatz<br />
der Gleichstellung der Geschlechter ausrichten. Doch<br />
die Umsetzung des Gender Budgetings größtenteils<br />
noch lässt auf sich warten.<br />
haushaltsführung:<br />
gleichgestellt<br />
Der Budgetdienst, der regierungsunabhängige<br />
Analysen und Fachexpertisen zu budgetrelevanten<br />
Dokumenten erstellt, hält in der Budgetanalyse<br />
2014/<strong>2015</strong> fest: „Der Budgetdienst hat im Vorjahr
27 frauen und geld<br />
bei den Budgetunterlagen eine aussagekräftige<br />
Gesamtdarstellung zum Thema Gender Budgeting<br />
vermisst, aus der die angestrebten Wirkungen insgesamt<br />
abgelesen werden können. Im Budgetbericht<br />
2014/<strong>2015</strong> wurden nunmehr zwar für alle Untergliederungen<br />
die Genderziele in einer Aufstellung<br />
zusammengefasst, diese beinhaltet jedoch keinerlei<br />
Analyse oder Gesamtaussage zur Ausrichtung der<br />
Zielsetzungen und Maßnahmen oder zur angestrebten<br />
Gesamtwirkung.“<br />
Zwar wurden von Bund, Ländern und Gemeinden<br />
Gleichstellungsziele, Gleichstellungsmaßnahmen und<br />
entsprechende Messindikatoren definiert, es gab<br />
jedoch wenige Veränderungen bei den Maßnahmen<br />
und den Wirkungszielen.<br />
Gleichstellungsziele sind meist sehr breit ausgerichtet<br />
(„Verbesserter Schutz vor Gewalt, insbesondere<br />
gegen Frauen, Minderjährige und SeniorInnen/<br />
Wirksamkeit des Betretungsverbots“, „Sicherstellung<br />
der Gendergerechtigkeit in der Mobilität sowie eines<br />
gleichen Zugangs zu allen Verkehrsdienstleistungen/<br />
Anzahl durchgeführter Genderanalysen“), wesentliche<br />
Schwerpunkte liegen auf der Bewusstseinsbildung<br />
zu Gleichstellungsfragen, Verbesserung der<br />
Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, einer besseren<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der<br />
Erhöhung des Frauenanteils in Führungsfunktionen.<br />
Die Erhöhung des Anteils von Frauen an Einzelpersonenförderungen<br />
wurde als Zielsetzung im Budget<br />
2014/<strong>2015</strong> beispielsweise aber wieder weggelassen.<br />
So heißt es weiter in der Budgetanalyse: „Zusammenfassend<br />
kann daher festgehalten werden, dass<br />
die Voranschlagsentwürfe 2014 und <strong>2015</strong> Impulse<br />
zur Gleichstellung von Frauen und Männern schaffen,<br />
die weiterentwickelt werden müssen. Gender-Budgeting-Ansätze<br />
als Analyse- und Steuerungsinstrument<br />
kommen in den Zielsetzungen und Maßnahmen<br />
der Ressorts und Obersten Organe insgesamt<br />
noch wenig zum Einsatz.“<br />
Im Jahr 2014 erhielt das Bundesministerium für Bildung<br />
und Frauen (BMBF) laut Budgetentwurf 8,08<br />
Mrd. €, auf die Frauen- und Gleichstellungsagenden<br />
entfielen davon rund 8,5 Mio. €. <strong>2015</strong> schreibt der<br />
Budgetentwurf für das BMBF eine Obergrenze von<br />
7,99 Mrd. € bei den Auszahlungen vor. Das Frauenbudget<br />
erhöht sich auf rund 10,15 Mio. €.<br />
Eine Veränderung der Budgetpolitik im Sinne des<br />
Gender Mainstreaming ist essenziell. Dabei muss der<br />
Prozess der Budgeterstellung demokratisiert werden<br />
– etwa durch öffentliche Hearings jedes Ministeriums<br />
sowie die Einbeziehung von NGOs in diesen<br />
Prozess. Alle an der Entwicklung und Entscheidung<br />
<strong>grüner</strong> politischer Konzepte Beteiligten sollten über<br />
Gender-Kompetenz verfügen und die Methodik des<br />
Gender Mainstreaming kennen. p
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
28<br />
Europa-Panorama<br />
Teilzeit, prekäre Beschäftigungssituationen, Armut<br />
trotz Arbeit, im Niedriglohnsektor überdurchschnittlich<br />
und in Führungspositionen unterdurchschnittlich<br />
repräsentiert – das ist die Realität für Frauen am<br />
Arbeitsmarkt in Europa. Die brutale Sparpolitik der<br />
EU-Troika der letzten Jahre hat die Situation noch<br />
verschlimmert. Der Grundsatz, wonach Männer<br />
und Frauen für gleichwertige Arbeit Anspruch auf<br />
gleiches Entgelt haben, ist in den EU-Verträgen<br />
verankert. Doch Papier ist geduldig: Mit 23 % ist der<br />
Gender Pay Gap in Österreich über dem EU-Schnitt<br />
von 16 %. Auch die Teilzeitrate von Frauen ist weit<br />
überdurchschnittlich: 46 % im Vergleich zu EUweiten<br />
30 %.<br />
her mit dem<br />
mindestlohn<br />
Wir Grüne fordern europaweit verbindliche soziale<br />
Mindeststandards, gleichen Lohn für gleichwertige<br />
Arbeit, eine Mutterschutz-Richtlinie und den Ausbau<br />
europaweiter ArbeitnehmerInnenrechte, u. a. Mindeststandards<br />
bei Löhnen und Arbeitslosenversicherung.<br />
Derzeit gibt es in 22 EU-Staaten Mindestlöhne,<br />
in Österreich branchenabhängige Kollektivverträge<br />
(von denen allerdings nicht alle Berufe erfasst sind).<br />
Die Mindestlöhne rangieren von 11,12 Euro in Luxemburg<br />
bis 1,06 Euro in Bulgarien. Laut einer Eurofound-Studie<br />
würden bei einem EU-weiten Mindestlohn,<br />
der mindestens 60 % des länderspezifischen<br />
mittleren Lohns beträgt, ein Fünftel der Frauen und<br />
ein Zehntel der Männer profitieren. Besonders hohe<br />
Effekte gäbe es bei Teilzeit, wo EU-weit jede/r Dritte<br />
betroffen wäre. Es ist klar zu sehen: Frauen profitieren<br />
in doppelter Hinsicht von einem europäischen<br />
Mindestlohn! Die nachhaltige Einkommensdiskriminierung<br />
von Frauen ist eine Schande für das<br />
21. Jahrhundert.<br />
gender budgeting<br />
In einem Punkt hat Österreich gegenüber der EU zumindest<br />
in der Theorie die Nase vorn: beim Gender<br />
Budgeting. Die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive<br />
bei der Erstellung öffentlicher Haushalte<br />
ist in Österreich in der Verfassung verankert (von<br />
der Umsetzung fehlt allerdings jede Spur). Für das<br />
EU-Budget fehlt eine entsprechende Regelung<br />
bislang. Nichtsdestotrotz gibt es auf europäischer<br />
Ebene Bestrebungen, das Budget als Werkzeug für<br />
die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. So<br />
haben das Europäische Parlament, der Rat sowie die<br />
Kommission schon im Jahr 2013 in einer gemeinsamen<br />
Erklärung verkündet, dass bei der Erstellung<br />
des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) in Zukunft<br />
Gleichstellungsaspekte einbezogen werden sollen.<br />
Dies ist allerdings erst ein Anfang. Wir Grüne fordern<br />
die sofortige Einführung von Gender Budgeting<br />
in allen Stadien der Erstellung des EU-Budgets,<br />
insbesonders auch bei Investitionsentscheidungen.<br />
Zahlreiche Best-Practice-Beispiele auf lokaler Ebene<br />
in der ganzen EU zeigen, wie es gehen kann. p<br />
> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete
29 frauen und geld<br />
wir grüne<br />
wollen:<br />
> Eine Lohnpolitik, die sich vor allem für Lohnerhöhungen<br />
in den niedrig bezahlten „Frauenbranchen“ einsetzt<br />
> Einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.500 € brutto<br />
> Maßnahmen auf allen Ebenen des Arbeitsmarktes (bei Ausbildung,<br />
Wiedereinstieg, Entlohnung etc.), um die Situation von Frauen<br />
gravierend zu verbessern<br />
> Die Förderung qualifizierter (Teilzeit-)Arbeitsplätze für Frauen<br />
> Verpflichtung zu Frauenförderplänen in der Wirtschaft<br />
> Gesetzliche Verankerung des Rückkehrrechts in eine<br />
Vollzeitanstellung nach Inanspruchnahme von Teilzeitregelungen<br />
(Elternteilzeit, Karenz etc.)<br />
> Gender Budgeting auf allen Ebenen der<br />
Budgeterstellung und Budgetpolitik<br />
> Die Einbeziehung von Frauen-NGOs<br />
in den Prozess der Budgeterstellung<br />
> Die Förderung der Forschung auf dem Gebiet<br />
des Gender Budgetings<br />
> Ausreichende Ressourcenausstattung<br />
für Gender Budgeting in den Ressorts<br />
> Gender Budgeting auf allen Ebenen<br />
der Budgeterstellung und Budgetpolitik<br />
> Beibehaltung des Gender-Checks<br />
bei allen Gesetzen und Verordnungen<br />
> Permanentes Erwerbs-Screening und Einstiegsgehälter-Check<br />
> Förderung für Betriebe nur bei Nachweis<br />
von Gleichbehandlung von Frauen und Männern
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
30<br />
Melanie<br />
Schiller, 27<br />
Leiterin der On-air-Promotion bei OKTO
31 frauen und sichtbarkeit<br />
wo sind die<br />
4,34 millionen<br />
frauen?<br />
Wenn die Frage nach<br />
der Sichtbarkeit von<br />
Frauen in der Gesellschaft<br />
gestellt wird, ist es gleichzeitig<br />
auch immer eine Frage nach Machtverhältnissen,<br />
Hierarchien und der Ökonomie der<br />
Aufmerksamkeit. Wo sind Quoten sinnvoll, und was bewirken<br />
sie (bzw. haben sie schon bewirkt)? Und: Wie werden Frauen<br />
durch sprachliche Gleichstellung sichtbar gemacht?<br />
Warum ist es für dich wichtig, dass in der österreichischen Bundeshymne auch die Töchter vorkommen?<br />
„Ja, weil wir da sind“, antwortet Melanie Schiller auf diese Frage. Es ist ein pragmatisches Argument<br />
– und eines, das sitzt. „Ich finde, man sollte überhaupt einfach ,Menschen‘ schreiben“, fügt Melanie<br />
schmunzelnd hinzu.<br />
Die studierte Kultur- und Sozialanthropologin arbeitet als Leiterin der On-air-Promotion bei OKTO,<br />
einem partizipativen Fernsehsender in Wien. In ihrer Arbeit ist Sichtbarkeit per se ein wichtiges Thema.<br />
Minderheiten und gesellschaftlichen Teilgruppen, Frauen, Männern, LGBTIQ-Personen – allen soll und<br />
wird hier die Möglichkeit gegeben, Fernsehen zu machen. Frauen sind unter den SendungsmacherInnen<br />
auch stark vertreten.<br />
Melanie hat eine klare Botschaft an Mädchen und Frauen: „Take the chance! Du hast viele Möglichkeiten,<br />
nutze die Chancen, die dir das Leben bietet.“ Für die 27-Jährige ist es bedeutend, keine Angst vor der<br />
eigenen Sichtbarkeit zu haben, sich selbst etwas zuzutrauen. „Ganz wichtig ist da das kleine Fünkchen ,Du<br />
schaffst das schon‘, das zum Beispiel Eltern einem Kind mitgeben können“, sagt Melanie. „Meine Kinder<br />
werden auf jeden Fall so aufwachsen.“<br />
Dabei hat es in Melanies Leben auch eine Zeit gegeben, in der sie dachte, dass ein Teil von ihr unsichtbar<br />
sein müsse. Eine junge lesbische Frau, die am Land aufwächst – ihr Coming-out-Prozess war nicht einfach,<br />
aber Melanie hat sich ihren Weg gesucht. Die Kultur- und Sozialanthropologie, die Arbeit und Forschung in<br />
den Bereichen Anti-Rassismus, Migration, Asyl und Queer Studies wurden ihr Zuhause.<br />
An der Universität war Gender-Theorie in ihrer Studienrichtung ein zentrales Thema. „Wo aber Räume mit<br />
Macht gefüllt sind, wie es an der Uni der Fall ist, geht es für Frauen noch immer darum, dass sie sich ihren<br />
Platz hart erkämpfen müssen“, meint Melanie. Strukturelle Gegebenheiten halten alte Machtgefüge hoch –<br />
nicht nur auf der Uni, sondern auch was die Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von<br />
Frauen generell in Gesellschaften betrifft. Darüber hinaus sind Benachteiligungen, die aufgrund Ethnizität,<br />
Religion etc. existieren, ja auch nicht einfach wegzudenken, Diskriminierung wird gemacht.<br />
Die vielfältigen Rollen einer Frau in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten wahrzunehmen, zu<br />
akzeptieren und zu unterstützen ist für Melanie ein wesentlicher Schritt, um die Sichtbarkeit von Frauen<br />
in Gesellschaften zu fördern. „Ich bin ja nicht nur Frau, ich bin in manchen Situationen dann auch große<br />
Schwester, Tochter, gute Freundin, Arbeitskollegin oder eine lesbische Frau, die einfordert, dass sie heiraten<br />
oder mit ihrer Partnerin ein Kind bekommen darf, wenn sie das möchte.“ Das kleine Fünkchen Hoffnung<br />
auf eine gleichberechtigte Welt und der Wille, die Gesellschaft positiv mitzugestalten, sind da in<br />
jedem Fall sinnvolle und wichtige Instrumente. p
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
32<br />
Gleich, gleicher,<br />
Gender<br />
Österreich ist im Bereich Gender Equality eindeutig kein<br />
Vorreiter. Doch wenn es um die Sichtbarmachung von Frauen<br />
in Politik und Wirtschaft geht, hat sich die Quote noch keine<br />
FreundInnen gemacht.<br />
Der „Global Gender Gap Report“, den das Schweizer<br />
Weltwirtschaftsforum alljährlich veröffentlicht, liefert<br />
klare Zahlen: 2014 lag Österreich in der weltweiten<br />
Gleichstellungsrangliste auf Platz 36 (von 142<br />
Ländern), ein Jahr zuvor immerhin noch auf Platz<br />
19 (von 136 Ländern). Die Top-Plätze im Ranking<br />
nehmen skandinavische Länder wie Island (Platz 1),<br />
Finnland (Platz 2) und Norwegen (Platz 3) ein. Nach<br />
Malawi (34) und den Bahamas (36), jedoch noch vor<br />
Kenia (37) und Lesotho (38) ist also Österreich zu<br />
finden. Syrien, Tschad, Pakistan und Jemen bilden<br />
übrigens die Schlusslichter im „Global Gender Gap<br />
Report“. Nachholbedarf gibt es in Österreich in<br />
vielen Bereichen.<br />
frauen im parlament<br />
Der bisher höchste Frauenanteil im österreichischen<br />
Parlament (33,9 %) wurde 2002 erreicht. Nach der<br />
Nationalratswahl 2006 sank der Frauenanteil im<br />
Nationalrat zunächst auf 31,2 %, nach der Wahl im<br />
Oktober 2008 sogar auf 27,3 %. Von den 183 Abgeordneten<br />
des Nationalrats sind derzeit 56 Frauen<br />
(30,6 %). Von den 61 Mitgliedern des Bundesrats sind<br />
derzeit 18 Frauen (29,51 %).<br />
Angesichts des beschämend niedrigen Frauenanteils<br />
im österreichischen Parlament fordern die Grünen<br />
neben einem eigenständigen Frauenministerium<br />
auch klare finanzielle Anreize für mehr Frauen in der<br />
Politik. Konkret soll z. B. ein Teil der Parteienbzw.<br />
der Klubfinanzierung an Frauenquoten in den<br />
Parlamentsklubs gebunden werden.<br />
Die Grünen sind die einzige Partei, die ihre eigene<br />
Frauenquote von 50 % einhält (die Grünen haben<br />
einen aktuellen Frauenanteil von 54,17 % bei den<br />
MandatarInnen im Parlament) und glaubwürdig für<br />
eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen<br />
gesellschaftlichen Bereichen eintritt.<br />
frauen in<br />
führungspositionen<br />
Durch mehr Frauen in Führungspositionen würden<br />
sich auch die großen Einkommensunterschiede zwischen<br />
den Geschlechtern verringern. Die obersten<br />
Führungsebenen, Geschäftsführung und Aufsichtsräte<br />
sind jedoch weitgehend von Männern dominiert.<br />
2014 betrug der Frauenanteil in den Geschäftsführungen<br />
der 200 größten bzw. umsatzstärksten<br />
heimischen Unternehmen laut „Frauen.Management.<br />
Report.2014“ der AK Wien 5,6 % (gleich wie 2013), in<br />
den Aufsichtsgremien konnte der Frauenanteil von<br />
13,4 % (2013) marginal auf 13,9 % erhöht werden.<br />
Weiters heißt es in der AK-Studie: „Die besonders im<br />
Fokus der Öffentlichkeit stehenden börsennotierten<br />
Unternehmen, die sich per „Corporate Governance<br />
Kodex“ zu guter Unternehmensführung bekennen,<br />
schneiden mit lediglich sechs Frauen (2013: sieben<br />
Frauen) in den Vorstandsetagen noch schlechter ab.
33 frauen und sichtbarkeit<br />
Im Aufsichtsrat liegt der Anteil bei 12,0 % weiblich<br />
besetzten Mandaten und damit ein weiteres Mal<br />
unter dem Ergebnis der Top-200-Unternehmen.<br />
Die staatsnahen Unternehmen machen hingegen<br />
spürbare Fortschritte: Zahlen aus dem Jahr 2013<br />
zeigen, dass unter den 285 vom Bund entsandten<br />
Aufsichtsratsmitgliedern 94 Frauen vertreten<br />
sind. Durchschnittlich liegt die Bundesfrauenquote<br />
damit in jenen 55 Unternehmen, an denen der Staat<br />
mit mehr als 50 % beteiligt ist, bei 33 % (2011: 26<br />
Prozent). Öffentliche Unternehmen nehmen so eine<br />
Vorreiterrolle ein, die Privatwirtschaft und dabei<br />
besonders die Kapitalmarktunternehmen hinken bei<br />
der geschlechtergerechten Besetzung von Spitzenpositionen<br />
deutlich nach.“<br />
Quotenregelungen sind die effektivste Methode zur<br />
Erhöhung des Frauenanteils in zentralen Positionen.<br />
Deshalb setzen sich die Grünen für gesetzlich verpflichtende<br />
Frauenquoten ein. Obwohl es heute so<br />
viele Maturantinnen und Akademikerinnen wie noch<br />
nie gibt, sind Frauen in allen wichtigen Bereichen<br />
(z. B. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Medien<br />
oder Gewerkschaft) weiterhin unterrepräsentiert.<br />
Gesetzlich verpflichtende Quotenregelungen<br />
würden dafür sorgen, dass die Top-Jobs seltener an<br />
mittelmäßig qualifizierte Männer und öfter an die<br />
bestqualifizierten Frauen gehen würden.<br />
Mittels Frauenquoten soll eine Erhöhung des Frauenanteils<br />
in diversen Bereichen erreicht werden,<br />
wobei diese Erhöhung auf verschiedenen Wegen angestrebt<br />
werden kann: von unmittelbar verpflichtenden<br />
Quotenvorgaben über Zielquoten, die innerhalb<br />
einer bestimmten Zeit erreicht werden müssen, bis<br />
zu Anreizmechanismen, die über finanzielle oder<br />
andere Anreize zur Erhöhung von Frauenquoten motivieren<br />
sollen. Begründet werden können Frauenquoten<br />
mit der verfassungsrechtlichen Verankerung<br />
der Gleichstellung der Geschlechter sowie mit dem<br />
Anspruch des Staates, in seinem Tätigkeitsbereich<br />
bzw. auch dort, wo er finanziert, das politische Ziel<br />
der Geschlechtergleichstellung zu verfolgen. <br />
In Österreich gibt es derzeit zwei Quotenregelungen:<br />
> Eine gesetzliche Quotenregelung im Bundesgleichbehandlungsgesetz,<br />
die eine Bevorzugung<br />
von Frauen bei gleicher Qualifikation vorsieht,<br />
solange der Frauenanteil unter 45 % liegt.<br />
> Für staatsnahe Unternehmen gibt es eine<br />
Ministerratsvereinbarung, die vorsieht, dass der<br />
Frauenanteil unter den von der Regierung entsandten<br />
Aufsichtsratsmitgliedern bis 2018 35 %<br />
erreichen soll. Eine gesetzliche Regelung für<br />
private Unternehmen ist nicht geplant, hier setzt<br />
die Regierung auf die „freiwillige Selbstverpflichtung“<br />
der Unternehmen.<br />
Den Grünen ist das zu wenig: Wir fordern eine<br />
50 %-Quote in allen Aufsichtsräten börsennotierter<br />
Unternehmen und Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung.<br />
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Wirtschaftsminister<br />
Reinhold Mitterlehner haben sich am<br />
15. Februar 2011 im Ministerrat darauf verständigt,<br />
dass staatsnahe börsennotierte Unternehmen, an<br />
denen der Bund mindestens 50 % hält, bis 2013 im<br />
Aufsichtsrat 25 % Frauen haben sollen und dieser<br />
Anteil bis 2018 auf 35 % steigen soll. Eine gesetzliche<br />
Regelung soll es selbst bei Nichterreichung<br />
des Ziels nicht vor 2018 geben. Für alle anderen<br />
börsennotierten Unternehmen soll einstweilen keine<br />
Quote, sondern nur eine Selbstverpflichtung in Form<br />
einer „Explain or Comply“-Regelung des „Corporate<br />
Governance Kodex“ gelten – statt des derzeitigen<br />
ausschließlichen Empfehlungscharakters (R 42) „zur<br />
Berücksichtigung der Aspekte der Diversität des<br />
Aufsichtsrats auch im Hinblick auf die Vertretung<br />
beider Geschlechter“. p
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
34<br />
Mama<br />
geht arbeiten<br />
Familiäre Pflichten werden noch immer primär Frauen zugeordnet.<br />
Daher sind sie es, die allzu oft vor die Wahl zwischen Familie und<br />
Karriere gestellt werden. Mehr Väterbeteiligung kann Frauen<br />
einen rascheren Wiedereinstieg garantieren.<br />
Die Geburt eines Kindes bedeutet für Frauen noch<br />
immer einen massiven Einschnitt in ihre Erwerbskarriere.<br />
Frauen unterbrechen aufgrund einer Elternschaft<br />
nicht nur die Erwerbsarbeit, sondern nehmen<br />
eine Arbeit danach auch nur in reduziertem Ausmaß<br />
wieder auf. Auf Männer hat Elternschaft eine völlig<br />
andere Auswirkung. Männliche Biografien werden<br />
durch die Geburt eines Kindes nur unwesentlich<br />
beeinflusst. Das Arbeitspensum von Vätern steigt<br />
durch Familiengründung sogar an.<br />
Die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit durch<br />
den Ausbau der Kinderbetreuung sowie eine gleichmäßigere<br />
Verteilung der Betreuungsarbeit auf die<br />
Elternteile – das müssen Ziele moderner Familienpolitik<br />
sein, und dazu gehören beispielsweise der<br />
Rechtsanspruch auf einen qualitätsvollen Kinderbetreuungsplatz<br />
ab dem vollendeten 1. Lebensjahr des<br />
Kindesund die Anerkennung sozialer Elternschaft<br />
beim Kinderbetreuungsgeldbezug.<br />
Wir Grüne fordern das Recht auf (Eltern-)Teilzeit für<br />
alle mit Recht auf Rückkehr zur Vollzeitarbeit sowie<br />
eine Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz<br />
nach der Karenzzeit auf 26 Wochen. Denn: Nur eine<br />
bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch<br />
eine gute soziale Infrastruktur (ganztägige qualitativ<br />
hochwertige Kinderbetreuung, mehr ambulante und<br />
teilstationäre Dienste in der Altenbetreuung etc.)<br />
hilft Frauen, einem ihrer Qualifikation entsprechenden<br />
Beruf nachzugehen.<br />
Nach wie vor gibt es – bedingt durch Mehrfachzuständigkeiten<br />
(Bund, Länder, Gemeinden) sowie<br />
jahrzehntelange Versäumnisse im Ausbau – viel zu<br />
wenige Kinderbetreuungsplätze in Österreich. Krippe<br />
und Kindergarten sind die ersten und wichtigsten<br />
Stationen auf einem lebenslangen Bildungsweg. D.h.<br />
Bildung beginnt nicht erst mit dem Schuleintritt.<br />
Eine umfassende öffentliche, qualitativ hochwertige<br />
und leistbare Kinderbetreuungsstruktur ist auch eine<br />
zentrale Voraussetzung dafür, dass Eltern tatsächlich<br />
entscheiden können, wann sie nach der Kinderpause<br />
wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Die Kinderbetreuungsquote<br />
bei den Drei- bis Fünfjährigen<br />
liegt im Kindergartenjahr 2013/2014 bei 90,8%, bei<br />
den Null- bis Zweijährigen allerdings nur bei 23%.<br />
und die väter?<br />
Derzeit haben lediglich Bundesbedienstete einen<br />
Rechtsanspruch auf einen unbezahlten Papa-Monat.<br />
Erstens sollten davon alle Väter – also auch jene in<br />
der Privatwirtschaft – profitieren können. Zweitens<br />
braucht es natürlich einen vollen Einkommensersatz.<br />
Ein Papa-Monat darf nicht nur gut verdienenden<br />
Vätern vorbehalten sein. Aus Sicht der Grünen muss<br />
das Ziel sein, dass es für beide Elternteile selbstverständlich<br />
ist, sich an der Kinderbetreuung zu<br />
beteiligen. Es liegt bestimmt nicht daran, dass Väter<br />
nicht wollen, sondern viele Familien können es sich<br />
nach wie vor aufgrund der Einkommensunterschiede<br />
zwischen Männern und Frauen nicht leisten, dass der<br />
Mann in Karenz geht. Genau hier muss angesetzt<br />
werden, aber nicht mit einem Bonus, sondern mit<br />
einem einkommensabhängigen Karenzgeld.
35 frauen und sichtbarkeit<br />
Aus einer von der APA veröffentlichten Aufstellung<br />
des Beamtenressorts geht hervor, dass ungefähr jeder<br />
achte Vater den Papa-Monat in Anspruch nimmt.<br />
Seit Jahresbeginn 2011 haben Männer im Öffentlichen<br />
Dienst diesen Anspruch auf einen Karenzurlaub<br />
ohne Bezahlung im Ausmaß von bis zu vier Wochen.<br />
Seit 1. Jänner 2011 gingen demnach 1.083 Männer in<br />
den Papa-Monat.<br />
wenn, dann gehen väter<br />
kurz in karenz<br />
beim KBG. Dabei werden alle abgeschlossenen Fälle<br />
herangezogen. Die Väterbeteiligung ist bei dieser<br />
Betrachtungsweise vergleichsweise hoch, da bei der<br />
Auswertung der abgeschlossenen Fälle nicht berücksichtigt<br />
wird, wie lange die Väter jeweils KBG in<br />
Anspruch genommen haben. Bei der „Momentaufnahme“<br />
der monatlichen Statistik ist die Väterbeteiligung<br />
deutlich geringer, weil Väter in der Regel nur<br />
für wenige Monate KBG beanspruchen. Bei genauerem<br />
Hinsehen heißt das also: Väter beteiligen sich<br />
zwar in steigendem Ausmaß, aber der Zeitraum der<br />
Inanspruchnahme ist nach wie vor deutlich kürzer als<br />
der von Frauen. p<br />
In der Öffentlichkeit kursieren regelmäßig verschiedene<br />
Statistiken zur Väterbeteiligung beim Kinderbetreuungsgeld<br />
(KBG). Das Ministerium beruft sich<br />
dabei auf Sonderauswertungen zur Väterbeteiligung<br />
Nicht bezahlte Arbeit Frauen/Männer/insgesamt<br />
06:00<br />
04:48<br />
04:52<br />
Stunden pro Tag ab 19 Jahren<br />
(Montag–Sonntag)<br />
03:36<br />
02:24<br />
01:12<br />
03:59<br />
03:08<br />
02:10<br />
03:52<br />
02:42<br />
00:35 00:45 00:22<br />
00:00<br />
Haushaltsführung<br />
00:09 00:08 00:10<br />
Kinderbetreuung Freiwilligenarbeit insgesamt<br />
Gesamt Frauen Männer<br />
Quelle: Statistik Austria, Zeitverwendungserhebung; erstellt am 1. 10. 2012
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
36<br />
Wie wir –<br />
und wie weiblich?<br />
Unter Österreichs JournalistInnen herrscht annährend<br />
Geschlechterparität. Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf:<br />
Es gibt noch viel zu tun. Auch beim ORF.<br />
Im Journalismus sind immer mehr Frauen tätig.<br />
Netzwerke stärken Autorinnen, Redakteurinnen und<br />
Chefredakteurinnen. Laut „Journalisten-Report“<br />
(2007) liegt Österreich mit einem Frauenanteil von<br />
42 % im Journalismus weit vor der Schweiz (33 %)<br />
und vor Deutschland (37 %).<br />
Im Detail zeichnet sich jedoch ein bereits bekanntes<br />
Bild ab: Fast ein Drittel der Frauen (32 %) in<br />
Medienberufen arbeitet in Teilzeit; von den Männern<br />
tun dies lediglich 18 %. Ein großer Unterschied<br />
zwischen Journalistinnen und Journalisten zeigt sich<br />
auch noch immer beim Einkommen: Bei den 30- bis<br />
39-Jährigen verdienen 85 % der Frauen unter 3.500<br />
Euro, aber nur 67 % der Männer. Und: Je höher man<br />
in die Führungsetagen kommt, desto weniger werden<br />
die Frauen. Während also fast jeder fünfte Mann<br />
(18,5 %) eine leitende Funktion ausübt, tut dies bei<br />
den Frauen nur knapp eine von zehn (9 %) 1 .<br />
gleichstellung im ORF<br />
Der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender ist per<br />
ORF-Gesetz dazu verpflichtet, „nach Maßgabe der<br />
Vorgaben des Gleichstellungsplanes (§ 30b) auf eine<br />
Beseitigung einer bestehenden Unterrepräsentation<br />
von Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten<br />
und der Funktionen sowie von bestehenden<br />
Benachteiligungen von Frauen im Zusammenhang<br />
mit dem Arbeitsverhältnis hinzuwirken“. Weiters<br />
heißt es in § 30a (2): „Frauen sind unterrepräsentiert,<br />
wenn der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl<br />
der dauernd Beschäftigten, einschließlich überlassener<br />
Arbeitskräfte, 1. in der betreffenden Verwendungs-,<br />
Entlohnungs- oder Funktionsgruppe oder<br />
2. in sonstigen hervorgehobenen Verwendungen<br />
oder Funktionen, welche keine Unterteilung in<br />
Gruppen aufweisen, der Stiftung weniger als 45 vH<br />
beträgt.“<br />
Wie es um die Gleichstellung bei Österreichs größtem<br />
Medienanbieter bestellt ist, zeigen die Ergebnisse<br />
des von der ORF-Gleichbehandlungskommission<br />
und der internen AG für Gleichstellungsfragen<br />
vorgelegten Berichts:<br />
Zum Stichtag 31. 10. 2014 standen im ORF 1.434<br />
Frauen und 1.933 Männer in einem dauernden<br />
Beschäftigungsverhältnis, das entspricht einem<br />
Frauenanteil von 42,6 % (plus 0,4 Prozentpunkte<br />
gegenüber 2013).<br />
Davon betrug der Frauenanteil<br />
> im Bereich Programm 53,3 %<br />
(plus 0,1 Prozentpunkte)<br />
> im Bereich Administration und Technik 29,9 %<br />
(plus 0,2 Prozentpunkte)<br />
> im Bereich Landesstudios 45,7 %<br />
(plus 1,2 Prozentpunkte)<br />
Betrachtet man den Frauenanteil nach Altersgruppen,<br />
wird der ORF zunehmend weiblicher – allerdings<br />
zeigt sich bei der Analyse des Frauenanteils in<br />
den einzelnen Verwendungsgruppen, dass durchaus<br />
Handlungsbedarf besteht. Auch wenn die im Zuge<br />
der Umsetzung des Gleichstellungsplans im vergangenen<br />
Jahr getroffenen Maßnahmen, insbesondere<br />
die „Gleichstellungsmillion“, zu einer weiteren<br />
Verbesserung des Frauenanteils in den höheren
37 frauen und geld<br />
Verwendungsgruppen führten – einen Frauenüberhang<br />
gibt es nur in den Verwendungsgruppen bis<br />
10 (Sekretariate); in den Redaktionen (bis VG13)<br />
sind 38 % der MitarbeiterInnen weiblich, im mittleren<br />
Management nur 27 %, auf Ebene der AbteilungsleiterInnen<br />
und HauptabteilungsleiterInnen 23 %.<br />
Die ORF-Geschäftsführung ist zudem klar männlich<br />
dominiert: Unter den DirektorInnen findet sich mit<br />
Kathrin Zechner als Fernsehdirektorin die einzige<br />
Frau, unter den LandesdirektorInnen sind mit Karin<br />
Bernhard (Kärnten) und Brigitte Wolf (Wien) zwei<br />
von neun Posten mit Frauen besetzt.<br />
Ein Blick auf die Beschäftigungsarten lässt ebenfalls<br />
Verbesserungspotenzial erkennen, denn die<br />
befristeten Verträge entfielen auf 46 Männer und<br />
83 Frauen, daraus ergibt sich ein Frauenanteil von<br />
64,3 %. Von den unbefristeten Verträgen entfielen<br />
1.731 auf Männer und 1.296 auf Frauen, woraus<br />
sich ein Frauenanteil von 42,8 % ergibt (plus 0,3<br />
Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr).Bei der<br />
Mehrzahl der befristeten Verträge handelt es sich<br />
um Karenzvertretungen, die wiederum überwiegend<br />
auf Frauen entfallen. Der Frauenanteil im Bereich der<br />
Teilzeitbeschäftigung beträgt 71,3 %, der Frauenanteil<br />
im Bereich der Vollzeitbeschäftigung 31,5 %.<br />
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wurde<br />
währenddessen in New York mit dem „Women’s<br />
Empowerment Principles CEO Leadership Award“<br />
ausgezeichnet, einem internationalen UNO-Preis, der<br />
an ManagerInnen verliehen wird, die sich speziell für<br />
die Gleichstellung von Frauen einsetzen. Dass der<br />
Gleichstellungsplan des ORF bereits international<br />
Beachtung findet, ist natürlich gut. Noch besser<br />
wäre es aber, wenn die angestrebte Quote auch<br />
auf allen Ebenen erfüllt wird. p<br />
1)<br />
Andy Kaltenbrunner, Matthias Karmasin, Daniela<br />
Kraus, Astrid Zimmermann: Österreichs Medien<br />
und ihre Macher. Eine empirische Erhebung. In: Der<br />
Journalisten-Report. Teil I, Facultas Verlags- und<br />
Buchhandels AG. Wien 2007<br />
ORF-Mitarbeiter-Statistik 2013/2014<br />
Verwendungsgruppe männer frauen gesamt<br />
frauenanteil<br />
2014 2013<br />
VG 2–10 466 641 1.107 57,9 % 57,1 %<br />
VG 11–14 1.067 624 1.691 36,9 % 36,4 %<br />
VG 15–18 341 145 486 29,8 % 28,7 %<br />
Quelle: Bericht „Gleichstellung im ORF“, November 2014
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
38<br />
Europa-Panorama<br />
Von der Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
in der EU sind wir auch im Jahr <strong>2015</strong> weit entfernt.<br />
Werfen wir einen Blick in die Berufswelt: In der EU<br />
sind Frauen in allen Bereichen in Führungspositionen<br />
unterrepräsentiert, durchschnittlich sind nur 17 %<br />
Frauen in Spitzengremien. Die „gläserne Decke“<br />
erweist sich im Karriereverlauf oft aus Beton. Eine<br />
Quote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen<br />
wäre ein wichtiger Schritt in Richtung gerechtere<br />
Repräsentation von Frauen – so fordert es die<br />
von den Grünen unterstützte „Women on Board“-<br />
Richtlinie.<br />
die politik als vorbild?<br />
Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der<br />
Politik sollte Gleichstellung gelebt werden. Derzeit<br />
sieht es allerdings düster aus: Die EU-Kommission<br />
hat nach wie vor eine Frauenquote von nur knapp<br />
einem Drittel, das Europäische Parlament von 37 %.<br />
Die Europäische Grüne Partei (EGP) geht mit gutem<br />
Beispiel voran und hat – ähnlich den Österreichischen<br />
Grünen – eine Mindestfrauenquote von 50 %<br />
in allen Gremien verankert.<br />
viele männer wollen nicht<br />
nur ernährer, sondern auch<br />
väter sein<br />
Zahlreiche Studien zeigen, dass ein Großteil der<br />
berufstätigen Väter gerne weniger arbeiten würde.<br />
Dagegen möchten 20 % der erwerbstätigen Frauen<br />
ihre Wochenstundenzahl erhöhen. Und hier beißt<br />
sich die Katze in den eigenen Schwanz: Männer<br />
möchten gerne weniger arbeiten und auch ihre Rolle<br />
als Vater ausfüllen, doch im Regelfall verdienen<br />
sie besser als Frauen. Frauen möchten gerne mehr<br />
arbeiten, aber verdienen deutlich weniger und/oder<br />
sind in Teilzeitanstellungen gefangen. Um endlich<br />
einen Schritt vorwärts zu machen, muss mit der<br />
Mutterschutzrichtlinie auch eine EU-weite Regelung<br />
für eine Freistellung der Väter unmittelbar nach der<br />
Geburt eines Kindes eingeführt werden. Doch die<br />
Diskussionen dazu sind zermürbend, der Rat der EU<br />
blockiert das Vorhaben, den meisten Mitgliedstaaten<br />
ist das zu teuer. Europäischer Fortschritt sieht<br />
anders aus. Derzeit wird lieber in Atomenergie und<br />
Autobahnen investiert statt in Europas Zukunft. p<br />
> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete<br />
Der europäische Vergleich zeigt ganz klar: Fortschritte<br />
beim Frauenanteil gibt es nur in Ländern, die<br />
verbindliche Regelungen geschaffen haben – selbstverpflichtende<br />
und damit unverbindliche Quoten<br />
sind nicht genug. Deshalb braucht es Anreizsysteme:<br />
In Irland beispielsweise verlieren Parteien, die nicht<br />
mindestens 30 % Frauen auf ihren Listen stehen<br />
haben, die Hälfte der staatlichen Parteienförderung.
39 frauen und sichtbarkeit<br />
wir grüne<br />
wollen:<br />
> Eine gesetzlich verpflichtende Geschlechterquote von<br />
mind. 50 % für Aufsichtsratsgremien<br />
> Die Förderung von Arbeitszeitmodellen, die Führungspositionen<br />
in Teilzeit ermöglichen<br />
> Verpflichtende Frauenquoten bei der Erstellung von KandidatInnenlisten<br />
für Wahlen und die Bindung der Parteienförderung an die Erfüllung dieser<br />
Quoten über ein System einer Basisparteienförderung mit Zusatzprämien<br />
und Zuschlägen je nach erzielter Frauenquote<br />
> 50 %-Frauenquoten bei der Besetzung von Gremien im öffentlichen<br />
Bereich, z. B. bei den von Regierungsstellen zu entsendenden VertreterInnen<br />
in Beiräten (Menschenrechtsbeirat, Gentechnik-Kommission,<br />
ORF-Stiftungsrat etc.)<br />
> Halbe-halbe in der Bundesregierung: Die Besetzung der Ministerien<br />
mindestens zur Hälfte mit Frauen und der Regierung insgesamt zur Hälfte<br />
mit Frauen ist für die Grünen (Selbst-)Verpflichtung<br />
> Ja zu kostenlosen Kindergärten, denn es handelt sich um<br />
Bildungseinrichtungen<br />
> Bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung<br />
(Bundesrahmengesetz): Öffnungszeiten, Kosten, Raumgröße und<br />
Gruppengröße dürfen nicht von der Postleitzahl abhängen; jedes Kind<br />
in Österreich soll die gleichen Bildungschancen haben.<br />
> Aufwertung des Berufs der KindergartenpädagogIn; adäquate Bezahlung<br />
auch infolge einer reformierten Ausbildung (auf Hochschulniveau)<br />
> Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige und kostenlose Kinderbetreuung<br />
für Kinder ab einem Jahr bei gleichzeitiger Verlängerung und<br />
Flexibilisierung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen.<br />
Langfristig soll dieser Rechtsanspruch ab Ende der Mutterschaftsschutzfrist<br />
bestehen.
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
40<br />
geschlechtersind<br />
nicht<br />
klischees<br />
g’scheit<br />
Es gibt sie nach wie vor: die klassischen Frauen- und<br />
Männerdomänen im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt.<br />
Frauen in Führungspositionen? Erfolgreich, aber rar. Frauen in<br />
Technikberufen? Qualifiziert, aber selten. Nur durch ein geschlechtersensibles<br />
Bildungssystem kann es echte Chancengleichheit im<br />
Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt geben.<br />
Raspberry, also Himbeere. Raspberry Pi, um genauer zu sein – so heißt das kleine blaue Kästchen auf Nele<br />
Schnabls Schreibtisch. Es ist kaum größer als ein Seifenstück, aber ein voll funktionsfähiger Computer, und<br />
es kann alles, was man als angehende EDV-Technikerin zum Programmieren und Experimentieren braucht.<br />
„Hast du schon mal von Linux gehört? Shell Command?“, fragt Nele. „Obwohl … das ist vielleicht schon ein<br />
bisschen nerdig.“ Raspberry Pi wurde vor ein paar Jahren mit dem Ziel entwickelt, jungen Menschen den<br />
Erwerb von Programmier- und Hardwarekenntnissen zu erleichtern. Und Nele ist jetzt eine davon.<br />
Die gebürtige Waldviertlerin hat in der siebten Klasse Gymnasium die Schule abgebrochen. Die angefangene<br />
AugenoptikerInnen-Lehre stellte sich als mäßig interessant heraus, also fragte Nele ihre AMS-Betreuerin, ob<br />
sie beim Programm „Frauen in Handwerk und Technik“, kurz FiT, mitmachen könnte. Sie konnte. Mit dem<br />
Programm wird die Qualifizierung von Frauen in handwerklich-technischen Berufen gefördert. „Ich hab mir<br />
eine Holzwerkstatt angeschaut, den Bereich Elektronik, ich hab überall ein bissl reingeschnuppert.“ In ihrem<br />
jetzigen Lehrbetrieb wurde sie aufgenommen, nachdem sie ein EDV-Praktikum absolviert hatte. „Nele hat<br />
sich im Praktikum sehr bewährt“, meint ihr Lehrlingsbetreuer Oliver. „Auf sie kann man sich verlassen. Sie ist<br />
sehr genau, und das ist in diesem Job das Um und Auf.“ „Ich lern das schnell“, meint Nele. „Ich schau’s mir<br />
an, mach’s einmal, und dann hab ich es mir gemerkt.“<br />
Die EDV-Abteilung, in der Nele arbeitet, ist klein. Neben Oliver hat Nele noch eine Kollegin. „Mädchensein<br />
in dem Beruf war deshalb für mich bisher das Normalste auf der Welt, auch weil meine Schwester EDV-<br />
Technikerin ist. Erst in der Berufsschule hab ich mitbekommen, dass der Technikbereich noch immer<br />
männerdominiert ist“, sagt Nele. In ihrer Klasse ist sie das einzige Mädchen. „Es gibt nur männliche Lehrer,<br />
aber wir haben eine Direktorin!“<br />
Nele will auf jeden Fall die Matura nachmachen und hat sich auf Anraten des Klassenvorstands für die<br />
Berufsmatura angemeldet. Die Lehre mit Reifeprüfung machen laut einer Statistik des Bildungsministeriums<br />
übrigens 8,7% aller Lehrlinge, Tendenz: steigend.<br />
„Nach der Lehre will ich ein paar Jahre arbeiten, dann aber vielleicht noch studieren – Kultur- und<br />
Sozialanthropologie würde mich interessieren.“ Die Ausbildung, so Nele, ist für sie die Sicherheit, jederzeit<br />
wieder in den Job zurückkehren zu können. „EDV-TechnikerInnen werden ja immer und überall gesucht.“ Ein<br />
Job mit Zukunft also – und eine Frau, die noch viel vorhat. p
41 frauen und bildung<br />
Nele<br />
Schnabl, 19<br />
EDV-Technikerin in Lehre
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
42<br />
Wissen ist<br />
weiblich<br />
Beim Thema Bildung haben Frauen in den letzten Jahren<br />
„aufholen“ können. Frauen sind top ausgebildet, ab Maturaniveau<br />
überholen sie sogar die Männer. Aber nach wie vor gilt: je höher<br />
der Abschluss, umso geringer der Frauenanteil.<br />
Die gute Nachricht zuerst: Geschlechterspezifische<br />
Unterschiede im Bildungsniveau haben abgenommen.<br />
Bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 25<br />
bis 64 Jahren haben Frauen zwar immer noch ein<br />
niedrigeres Bildungsniveau als Männer – im Jahr<br />
2012 hatten 23,2 % der Frauen dieses Alters höchstens<br />
einen Pflichtschulabschluss, bei den Männern<br />
lag der Anteil bei 14,9 %. Bezüglich der Reifeprüfungsquote<br />
haben Frauen ihre männlichen Schulkollegen<br />
dagegen bereits Mitte der 1980er-Jahre<br />
überholt. 2012/13 haben 49,7 % der jungen Frauen<br />
(bezogen auf den Durchschnitt der 18- bis 19-Jährigen)<br />
die Matura erfolgreich abgelegt. Bei den<br />
Männern waren es hingegen nur 35,5 %. 58,3 % der<br />
Maturaabschlüsse werden von Frauen abgelegt,<br />
bei den Lehrabschlüssen liegt der Frauenanteil bei<br />
44,3 %. An Universitäten haben die Frauen die Männer<br />
bereits überholt. Im Studienjahr 2012/13 wurden<br />
58,7 % der Studienabschlüsse von Frauen erworben.<br />
Bei den Doktoraten sind Männer allerdings noch in<br />
der Überzahl. 56,3 % der postgradualen Doktoratsabschlüsse<br />
entfielen auf Männer. Bei den Studienabschlüssen<br />
an Fachhochschulen ist der Frauenanteil<br />
mit 48,9 % insgesamt noch deutlich niedriger als an<br />
den Universitäten.<br />
gleichstellung im<br />
schul- und bildungswesen<br />
Große geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen<br />
nach wie vor in der Fächerwahl, und zwar<br />
sowohl was den Schul- als auch den Hochschulbereich<br />
betrifft.<br />
Schon im Kindergarten und in der Volksschule sollte<br />
bei Mädchen das Interesse an Technik und Naturwissenschaften<br />
geweckt werden, und Burschen muss<br />
mehr geboten werden als Bauecken. Jedes Kind<br />
braucht Platz zur Entfaltung seiner Persönlichkeit<br />
und zur Erweiterung eigener Handlungskompetenzen.<br />
Denn im Bildungssystem wird der Grundstein<br />
für die weitere Berufs- und Bildungswahl gelegt.<br />
Bei der Genderkompetenz der PädagogInnen gibt<br />
es noch großen Verbesserungsbedarf. LehrerInnen<br />
müssen die Kompetenzen für einen geschlechtersensiblen<br />
Unterricht im Rahmen der Aus- und<br />
Weiterbildungen erwerben.<br />
Bedauerlich ist, dass es kaum mehr Förderungen<br />
für Projekte zur geschlechtersensiblen Berufs- und<br />
Ausbildungswahl gibt. Ohne diese Projekte fehlen<br />
ExpertInnen, die ihr Wissen über eine geschlechtersensible<br />
Berufs- und Ausbildungswahl in die Schulen<br />
tragen. Investitionen in die Verbesserung der<br />
Berufschancen von Mädchen lohnen sich immer und<br />
dürfen daher nicht als Einsparungsposten gesehen<br />
werden.<br />
ich mach eine lehre!<br />
Von den insgesamt 115.068 Lehrlingen in Österreich<br />
im Jahr 2014 waren 39.249 Mädchen. Die am<br />
häufigsten von Mädchen gewählten Lehrberufe sind<br />
Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau und Friseurin.<br />
Verglichen mit den Zahlen der Lehrlingsabschlüsse<br />
lässt sich daraus also schlussfolgern, dass mehr<br />
Mädchen die Lehre abschließen als Burschen.
43 frauen und bildung<br />
Die vor allem von Mädchen gewählten Lehrberufe<br />
sind wesentlich schlechter bezahlt als die männerdominierten<br />
Bereiche (Beispiel Friseurin und KFZ-Mechaniker).<br />
Unser Bildungssystem fördert Mädchen<br />
und junge Frauen kaum, Technik und Handwerk als<br />
Berufsbild zu wählen. All dies führt dazu, dass Mädchen<br />
und junge Frauen in tradierte Rollenklischees<br />
gedrängt werden. Maßnahmen zu Chancengleichheit<br />
und Selbstbestimmung für alle Mädchen und junge<br />
Frauen in Österreich müssen als ein hohes gesellschaftliches<br />
Ziel erarbeitet und umgesetzt werden.<br />
ich geh studieren!<br />
An den öffentlichen Universitäten belegen Frauen<br />
in erster Linie verstärkt geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche<br />
sowie pädagogische Studien,<br />
während die Männer in der Mehrzahl technische Studienfächer<br />
wählen. Betrachtet man die Frauenquote<br />
auf Ebene der einzelnen Studienrichtungen, so sind<br />
Sprachstudien, veterinärmedizinische Studien und<br />
Pädagogik typische „Frauenstudien“. Hier werden<br />
Frauenanteile von über 80 % erreicht. Männliche<br />
Domänen sind die Studienrichtungen Maschinenbau,<br />
Elektrotechnik und Informatik mit Frauenanteilen<br />
von bis zu unter 10 %.<br />
Bezogen auf die Studienabschlüsse zeigen sich<br />
im Zeitvergleich jedoch merkbare Veränderungen.<br />
Während 2002/03 nur 16,4 % der Abschlüsse im<br />
Bereich Montanistik von Frauen abgelegt wurden,<br />
waren es 2012/13 schon 25,8 %. In den Rechtswissenschaften<br />
stieg der Frauenanteil von 50,2 % auf 53,5 %.<br />
In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften lag der<br />
Anteil der Frauen 2002/03 bei 49,0 % und 2012/13<br />
bei 52,4 %. Bei den Abschlüssen in Veterinärmedizin<br />
ist der Frauenanteil von 71,6% weiter auf 84,7 % angestiegen.<br />
Aber auch in den Naturwissenschaften konnte<br />
der Frauenanteil weiter zulegen (2002/03: 57,0 %,<br />
2012/13: 62,4 %). In der Medizin, der bildenden und<br />
angewandten Kunst sowie in der darstellenden Kunst<br />
ist der Frauenanteil allerdings zurückgegangen.<br />
mit wissen zur<br />
führungsposition?<br />
Auch eine gute bzw. höhere Ausbildung garantiert<br />
Frauen allerdings kein existenzsicherndes Einkommen,<br />
und Bildung allein führt nicht zwangsläufig zu<br />
mehr Chancengleichheit.<br />
Selbst bei gleichen Bildungsabschlüssen sind Frauen<br />
stärker in mittleren Positionen vertreten, während<br />
Männer häufiger in Führungspositionen aufsteigen.<br />
Die zehn häufigsten Lehrabschlüsse nach Lehrberufen<br />
Einzelhandel ingesamt<br />
Bürokauffrau/-mann<br />
Landwirtschaft<br />
Kraftfahrzeugtechnik<br />
Köchin/Koch<br />
Installateur und Gebäudetechniker<br />
Metalltechnik insgesamt<br />
Friseur und Perückenmacher<br />
Maschinenbautechnik<br />
Maurerin/Maurer<br />
Männer<br />
0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000<br />
Frauen<br />
6.000<br />
Quelle: Statistik Austria, Schulstatistik 2012/2013; erstellt am 12.1.<strong>2015</strong>
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
44<br />
Nach dem Abschluss einer BHS üben beispielsweise<br />
bedeutend mehr Frauen (53,8 %) als Männer (28,6 %)<br />
nur mittlere Tätigkeiten aus, während umgekehrt<br />
mehr Männer (42,3 %) als Frauen (27,6 %) mit<br />
BHS-Abschluss höher und hoch qualifizierte Tätigkeiten<br />
verrichten. Deutlich ist auch der Unterschied<br />
bei Beschäftigten mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss,<br />
hier üben 22,3 % der Männer, aber nur<br />
7,0 % der Frauen eine führende Tätigkeit aus. p<br />
Die gläserne Decke<br />
hat einen Sprung<br />
Die universitäre Forschung wird noch immer klar von Männern<br />
dominiert. Je höher die Karrierestufe, desto weniger Frauen. Das<br />
Potenzial und die Notwendigkeit frauenfördernder Maßnahmen<br />
wurden erkannt – aber sie greifen langsam.<br />
Frauen sind in Österreich in der Forschung stark<br />
unterrepräsentiert. Innerhalb der EU ist Österreich,<br />
was den Anteil von Wissenschafterinnen und<br />
Ingenieurinnen an den Erwerbstätigen betrifft, weit<br />
abgeschlagen. Speziell in der Hochschulforschung<br />
nimmt der Frauenanteil mit jeder Karrierestufe ab<br />
(„leaky pipeline“).<br />
Österreich braucht jedoch dringend NachwuchswissenschafterInnen,<br />
um den Anschluss an die<br />
führenden Forschungsnationen nicht zu verlieren.<br />
Die Abwanderung von „High Potentials“ ins Ausland<br />
aufgrund fehlender Karrieremöglichkeiten, starrer<br />
hierarchischer Strukturen und fehlender Commitments<br />
zu echter Gleichstellung muss gestoppt<br />
werden.<br />
Zwar sind durch gezielte Maßnahmen der letzten<br />
Jahre gewisse Erfolge sichtbar, doch der Frauenanteil<br />
bewegt sich im Vergleich zum vorhandenen<br />
Potenzial weiterhin auf einem niedrigen Niveau.<br />
Während bereits 61,4 % der Erstabschlüsse (an öffentlichen<br />
Universitäten und Fachhochschulen nach<br />
Hauptstudienrichtung 2012/13) auf Frauen entfielen,<br />
liegt der Frauenanteil bei den Doktoraten bereits bei<br />
nur mehr 43,7 %, bei den AssistentInnen bei 39% und<br />
bei den ProfessorInnen gar nur bei kümmerlichen<br />
22,2 %. Eine besondere Hürde für Frauen auf dem<br />
Weg zur Professur stellt die Habilitation dar. Dieser<br />
Qualifizierungsschritt ist für Frauen häufig schwer<br />
zu bewältigen, weil er mit der Phase des Elternwerdens<br />
zusammenfällt. Die Habilitation ist international<br />
völlig unüblich und nur mehr bei einem Teil der<br />
Berufungen überhaupt relevant. Daher sollte sie<br />
gänzlich abgeschafft werden.<br />
Frauenförderung muss ein integraler Bestandteil<br />
der Leistungsvereinbarungen bleiben. Die Unis<br />
müssen zur Umsetzung konkreter frauenfördernder<br />
Maßnahmen verpflichtet werden. Auch müssen<br />
etwa Laufbahnstellen ausgebaut und ein echtes<br />
Tenure-Track-System (ein aus den USA kommendes<br />
Laufbahnmodell für Hochschullehrende mit<br />
hohem Kündigungsschutz) eingeführt werden. Das<br />
Stipendienwesen auf Doktoratsebene ist auszubauen.<br />
Dabei ist auch die grundlegende Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Privatleben herzustellen. Es müssen<br />
nicht nur Betriebskindergärten eingerichtet, sondern<br />
auch familienfreundliche Beschäftigungsverhältnisse<br />
geschaffen werden. An den chronisch unterfinanzierten<br />
Hochschulen wird ein Großteil der Lehre und<br />
Forschung von Personal in befristeten und teilweise<br />
sehr schlecht bezahlten Stellen bestritten. In den<br />
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist die<br />
Situation besonders schwierig. Diese Fächer haben
45 frauen und bildung<br />
einen hohen Frauenanteil und sind im Vergleich mit<br />
anderen Disziplinen finanziell deutlich schlechter<br />
ausgestattet. Die meisten Forschungsförderungsprogramme<br />
sind auf Naturwissenschaft und Technik<br />
ausgerichtet. Aus diesem Grund sind Frauen wesentlich<br />
häufiger vom akademischen Prekariat betroffen<br />
als Männer.<br />
Im Studienjahr 2013/14 waren an den öffentlichen<br />
Universitäten 36.173 Personen als wissenschaftliches<br />
und künstlerisches Personal tätig. Davon waren<br />
2.356 ProfessorInnen; 33.919 entfielen auf das sonstige<br />
wissenschaftliche und künstlerische Personal.<br />
Insgesamt betrug der Frauenanteil 39,5 %.<br />
zahlen und fakten<br />
Der sogenannte „Glass Ceiling Index“ im Gender<br />
Monitoring des Wissenschaftsministeriums zeigt,<br />
dass Aufstiegschancen von Frauen v. a. an den<br />
Kunstunis und der Uni Klagenfurt gegeben sind;<br />
am schlechtesten schneiden die Montanuni und die<br />
Veterinärmedizinische Universität ab. Zwar zeigt die<br />
Analyse eine signifikante Verbesserung, andererseits<br />
beweist sie aber auch, dass Männer nach wie vor<br />
bessere Aufstiegschancen haben.<br />
Der Frauenanteil am gesamten wissenschaftlichen<br />
bzw. künstlerischen Personal liegt österreichweit bei<br />
35 %. Den Höchstwert weist die Vetmed auf (57 %),<br />
den niedrigsten wieder die Montanuni (16 %), gefolgt<br />
von der TU Graz (17 %).<br />
In den universitären Führungsgremien sieht es bezüglich<br />
Frauenanteil im Regelfall wesentlich besser<br />
aus: In den Universitätsräten gibt es bereits fifty-fifty,<br />
in den Rektoraten (inklusive der Vizerektorate) liegt<br />
der Frauenanteil bei 43 %, in den Berufungskommissionen<br />
bei 42 %, in den Habilitationskommissionen<br />
bei 38 % und in den Senaten bei 42 %. Die absoluten<br />
Führungspositionen sind aber weiter eher in Männerhand:<br />
Von den derzeit 22 RektorInnen sind nur<br />
sieben Frauen.<br />
feministische<br />
forschung<br />
Um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen, darf<br />
sich feministische Politik nicht nur mit Personalpolitik<br />
begnügen. Die Auseinandersetzung mit<br />
den Faktoren der Ungleichheit ist zentral für ihre<br />
Überwindung. Wissenschaft und Forschung waren<br />
jahrhundertelang von Männern geprägt, erst in den<br />
letzten hundert Jahren waren Frauen zum Studium<br />
zugelassen. Die Auswirkungen dieses Ausschlusses<br />
liegen nicht nur in der nach wie vor niedrigen Zahl<br />
an Professorinnen, sondern auch in den Wissenschaften<br />
selbst: So beschäftigte sich die Medizin z. B.<br />
lange vornehmlich mit dem männlichen Körper, die<br />
Literaturwissenschaft nur mit männlichen Autoren<br />
etc. In den letzten Jahrzehnten haben sich daher<br />
einerseits interdisziplinäre Gender Studies etabliert,<br />
andererseits gibt es fachspezifische feministische<br />
Forschungsschwerpunkte. Diese feministische Wissenschaft<br />
gerät jedoch in Zeiten der Budgetknappheit<br />
und eines antifeministischen Backlashs (also Angriffe<br />
auf Frauenrechte) zunehmend in Bedrängnis.<br />
Die feministischen Wissenschaften müssen weiterhin<br />
eingefordert und ausgebaut werden, um ihren Beitrag<br />
zur Gleichstellung leisten zu können. p<br />
Lehrpersonal-Verteilung an den öffentlichen Universitäten in Österreich<br />
PersonaltyP Personen Vollzeitäquivalente<br />
Zusammen Männer Frauen Zusammen Männer Frauen<br />
Öffentliche Universitäten<br />
Lehrpersonal gesamt 36.173 21.898 14.279 20.453 13.105 7.348<br />
Professorinnen und Professoren 2.356 1.834 522 2.270 1.766 503<br />
Sonstiges wissensch. u. künstl. Personal 33.919 20.150 13.773 18.183 11.339 6.845<br />
Quelle: Statistik Austria, 2014. Lohnsteuer- und HV-Daten. Ohne Lehrlinge.
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
46<br />
5 Fragen an …<br />
Edeltraud Hanappi-Egger,<br />
Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien<br />
Sie sind studierte Informatikerin und forschen<br />
seit Anfang der 90er-Jahre u.a. zur Situation von<br />
Frauen in der IT-Branche. Was ist das Spannende<br />
am Forschungsfeld Frauen und Technik?<br />
Edeltraud Hanappi-Egger: Das Spannende im<br />
wahrsten Sinne des Wortes ist, dass gerade der<br />
Technikbereich stark mit Männern und Maskulinitätskonstruktionen<br />
in Verbindung gebracht wird<br />
und daher Frauen noch immer als eher exotisch<br />
wahrgenommen werden. Gerade diese Sonderstellung<br />
macht es Frauen dann schwer, mit dem<br />
Spannungsverhältnis umzugehen, dass sie einerseits<br />
als Expertinnen anerkannt werden wollen,<br />
andererseits das aber immer wieder im<br />
Widerspruch zum Frausein zu stehen<br />
scheint. Wenn sie also versuchen,<br />
„wie Männer“ zu sein, gelten sie<br />
als unweiblich, wenn sie etwas<br />
anders machen, gelten sie als<br />
unprofessionell. Dieses Dilemma<br />
wird in der Literatur als „double<br />
binding“ bezeichnet.<br />
Bei der Anzahl der StudienanfängerInnen<br />
und Uni-AbsolventInnen liegen Frauen<br />
inzwischen vorne. Doch im Zuge einer universitären<br />
Laufbahn kommen der Wissenschaft die<br />
Frauen abhanden. So liegt der Frauenanteil bei<br />
den AssistentInnenstellen nur noch bei 40 %,<br />
unter den DozentInnen und ProfessorInnen bei<br />
20 %. Wo sind die Frauen?<br />
Das Problem, dass Frauen im Laufe der wissenschaftlichen<br />
Karrieren immer weniger werden,<br />
ist ein europaweites. Das liegt wohl daran, dass<br />
die Vorstellung einer wissenschaftlichen Normalbiografie<br />
hohe zeitliche und örtliche Flexibilität<br />
inkludiert, die gerade in bestimmten Lebensabschnittsphasen<br />
schwer lebbar ist. Das führt<br />
tendenziell zu einem stärkeren Ausschluss und<br />
Selbstausschluss von Frauen. Das bedeutet, dass<br />
wir Frauen dann oft im Drittmittelbereich und/<br />
oder in der Lehre finden. Das Problem kriegen<br />
wir wohl erst in den Griff, wenn sich die Wissenschaftskultur<br />
in Summe in Richtung mehr Inklusion<br />
verändert. Dazu gehört z. B. auch, dass sich eine<br />
karriererelevante Leistungsbeurteilung auf<br />
ein breites Leistungsportfolio bezieht.<br />
Werden Ihrer Einschätzung nach Frauen in<br />
Forschung und Lehre benachteiligt? Wenn ja,<br />
wie äußert sich diese Benachteiligung?<br />
Ich meine, es sind nicht die Frauen per se, sondern<br />
es werden bestimmte Lebenskontexte<br />
benachteiligt, nämlich solche, die es<br />
einfach nicht erlauben, den extrem<br />
hohen Ansprüchen in wissenschaftlichen<br />
Karrieren zu genügen.<br />
Internationale Erfahrungen,<br />
generell Mobilität, eine stark auf<br />
Publikationsoutput in angesehenen<br />
Fachjournalen ausgerichtete<br />
Evaluierung, Drittmitteleinwerbungen<br />
usw. – das impliziert eine ziemliche<br />
soziale Unabhängigkeit. Alle, die das nicht<br />
leben können oder wollen, haben es in der Wissenschaft<br />
schwer – und es sind statistisch gesehen<br />
weitaus mehr Frauen als Männer, die Vereinbarkeitsprobleme<br />
haben.<br />
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die<br />
geringe Zahl von Frauen in leitenden Positionen<br />
in der Wissenschaft, insbesondere in Ihrem Fach?<br />
Führungspositionen werden traditionell noch<br />
immer stark mit sehr spezifischen Männerbildern<br />
in Verbindung gebracht. Ähnlich wie bei Frauen<br />
in der Technik stellt sich auch hier das Problem,<br />
dass Frauen sich an diese Vorstellungen anpassen<br />
oder andere Wege gehen können. Dabei laufen sie
47 frauen und bildung<br />
Gefahr, entweder als unweiblich oder als unprofessionell<br />
zu gelten. Dies erzeugt ambivalente<br />
Haltungen Führungsaufgaben gegenüber. Es fehlt<br />
an Rollenvorbildern, aber auch an sogenannten<br />
Talentemanagement-Projekten, also Karriereprogrammen.<br />
Oft liegt es aber auch an der fehlenden<br />
Ermutigung: In der Annahme, dass Frauen „eh<br />
nicht an Führungsaufgaben interessiert sind“, werden<br />
sie schlicht nicht gefragt – oder „übersehen“.<br />
Manche FeministInnen halten bisherige Förderinstrumente<br />
für unzureichend und plädieren für<br />
eine Frauenquote. Sind Sie persönlich für oder<br />
gegen die Einführung einer Frauenquote in Forschung<br />
und Lehre?<br />
Quoten sind ohne Frage ein Beschleunigungsinstrument,<br />
sie bringen also schneller einen entsprechenden<br />
Effekt. Allerdings gebe ich zu bedenken,<br />
dass Quoten immer gleiche Qualifikationen<br />
voraussetzen. Damit wird aber das System, am<br />
Beispiel Wissenschaft mit den sehr spezifischen<br />
karriererelevanten Leistungsbewertungen, nicht infrage<br />
gestellt. Es wäre aber meines Erachtens auch<br />
an der Zeit, zum Beispiel die Rolle der Lehre an<br />
den Universitäten wieder aufzuwerten und stärker<br />
bei der Evaluierung und Mittelvergabe einfließen<br />
zu lassen. Daher: Ja, Quoten, wo sie Sinn haben.<br />
Aber auch eine Hinterfragung der Wissenschaftskultur<br />
steht an. p > Foto: Gloria Warmuth<br />
Frauen<br />
helfen Frauen<br />
Frauenberatungsstellen kämpfen mit einer schwierigen<br />
finanziellen Struktur. Die Politik muss Rahmenbedingungen<br />
schaffen, damit die Mitarbeiterinnen in den Frauenberatungen<br />
noch besser helfen können.<br />
Die Erfahrungen und das Wissen der Expertinnen<br />
über die Situation von Frauen in der Region sind<br />
enorm wichtig. Sie wissen am besten, was Frauen,<br />
die sich in schwierigen Situationen befinden,<br />
brauchen.<br />
Österreichweit werden aus dem Budget für Frauen<br />
im Bundesministerium für Bildung und Frauen derzeit<br />
56 Frauenservicestellen mit 13 Außenstellen, die<br />
aufgrund ihres ganzheitlichen Beratungsangebots<br />
jedenfalls geschlechtssensible Berufsorientierung<br />
anbieten, gefördert.<br />
Laut Auskunft der Bundesministerin wurden<br />
2013 aus den Mitteln der Frauenprojektförderung<br />
5.890.961 Euro und 5.874.240 Euro an Förderungen<br />
im Jahr 2014 vergeben. Für das Förderjahr <strong>2015</strong> lagen<br />
mit Stand 12. Jänner <strong>2015</strong> 207 Anträge vor. Fünf<br />
davon sind abschließend behandelt, alle übrigen in<br />
Bearbeitung.<br />
Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser leisten einen<br />
wertvollen Dienst. Dieser Dienst muss honoriert<br />
und weiter entsprechend gefördert werden.<br />
Zu diesem Zweck soll ein eigenes Frauenberatungsförderungsgesetz<br />
– analog zum Familienberatungsförderungsgesetz<br />
– erlassen werden, das objektive<br />
Kriterien für die Fördervergabe und bei deren Erfüllung<br />
einen Rechtsanspruch auf Förderung festlegt.<br />
Rahmenförderverträge mit Fraueneinrichtungen sind<br />
grundsätzlich mindestens auf drei Jahre abzuschließen,<br />
und jede Frauenberatungsstelle sowie die Frauenservicestellen<br />
sollen eine Basisfinanzierung in der<br />
Höhe von bis zu 100.000 Euro vom Bund erhalten.<br />
Es ist zu prüfen, inwieweit die Leistungs- und<br />
Finanzierungsbedingungen des AMS bei arbeitsmarktpolitischen<br />
Maßnahmen für Frauen und<br />
Mädchen Direktvergaben an Frauenberatungsstellen<br />
zulassen, da Frauenberatungsstellen meist nicht
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
48<br />
die Overheadkosten zur Beteiligung an öffentlichen<br />
Ausschreibungsverfahren tragen können. Nach<br />
Prüfung einer Optimierung der Förderungen von<br />
Ländern, Städten, AMS und Bund für die Frauenund<br />
Mädchenberatungsstellen werden die Mittel des<br />
Bundes für die Förderung von Frauenberatungseinrichtungen<br />
jährlich um bis zu 10 Mio. Euro höher<br />
angesetzt als derzeit.<br />
Ein konkreter Entwurf für ein Frauenberatungsförderungsgesetz<br />
müsste im ExpertInnenkreis ausgearbeitet<br />
werden. p<br />
Europa-Panorama<br />
In den letzten 150 Jahren hat sich in der Entwicklung<br />
des Bildungsgrads von Frauen und Männern einiges<br />
getan: 39,9 % aller Frauen (31,5 % der Männer)<br />
zwischen 30 und 34 Jahren in der EU haben einen<br />
akademischen Abschluss. Spitzenreiter sind Irland<br />
(57,9 %) und die skandinavischen Länder. In der Realität<br />
stehen wir vor folgender Situation: Frauen sind<br />
im Schnitt höher qualifiziert, die Spitzenpositionen<br />
besetzen jedoch Männer, Frauen sind öfter in Teilzeitjobs<br />
und prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />
zu finden.<br />
warum gibt es so wenige<br />
frauen an der spitze?<br />
Ergebnisse aus der „Eliteforschung“ zeigen, dass<br />
begabte Mädchen und junge Frauen bereits in Familie,<br />
Schule und Freundeskreis kaum dazu motiviert<br />
werden, ihre vorhandenen Fähigkeiten systematisch<br />
auszubauen und in ihre berufliche Zukunft zu<br />
investieren: Häufig bremsen Eltern Mädchen eher<br />
und unterstützen sie darin, bescheiden, artig und<br />
angepasst zu sein. Intelligente, mutige und unangepasste<br />
Mädchen, die einen starken Willen und eigene<br />
Ideen für ihre Zukunft haben, gelten als „schwierig“<br />
und „wild“.<br />
Die EU startete 2012 die Kampagne „Wissenschaft<br />
ist Mädchensache“ (Laufzeit: drei Jahre; http://science-girl-thing.eu),<br />
um mehr Frauen für die Forschung<br />
zu begeistern und sie zu einer wissenschaftlichen<br />
Laufbahn zu motivieren. Solche Kampagnen sind ein<br />
Schritt in die richtige Richtung, doch reichen sie bei<br />
Weitem nicht aus. Bildung, Forschung und Wissen<br />
sind für die Entwicklung einer Gesellschaft unverzichtbar.<br />
Wir Grüne fordern europaweit Investitionen in die<br />
Förderung von Mädchen und jungen Frauen in nicht<br />
traditionellen Berufen (zum Beispiel nach Vorbild<br />
des Wiener Töchtertags). Geschlechtergerechte<br />
Kindergartenpädagogik und geschlechtergerechte<br />
Schulbücher bis hin zur Unterstützung von Nachwuchswissenschafterinnen<br />
an den Hochschulen<br />
bilden die Grundlage dafür. Nur wenn wir schon im<br />
Kleinkindalter beginnen, können wir eine tatsächliche<br />
Gleichstellung von Frauen im gesamten<br />
Bildungssektor erreichen. p<br />
> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete
49 frauen und bildung<br />
wir grüne<br />
wollen:<br />
> Frauenförderung als integralen Bestandteil<br />
der Leistungsvereinbarungen<br />
> Intensivierung von Förderprogrammen und Stipendien für<br />
Nachwuchswissenschafterinnen, insbesondere auf Doktoratsebene<br />
> Veröffentlichung der Evaluierungen<br />
von Frauenförderung an den Hochschulen<br />
> Flexiblere und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle,<br />
Betriebskindergärten an allen Hochschulen<br />
> Etablierung von Mentoringprogrammen<br />
> Wiedereinstiegshilfen nach Auszeiten<br />
> Ein politisches Bekenntnis zur Gleichbehandlung<br />
in F&E bzw. an Hochschulen<br />
> Erhöhung der Gender-Sensibilität der Führungskräfte und Forschenden<br />
> Ausbau der Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen<br />
> Ein eigenes Frauenberatungsförderungsgesetz –<br />
analog zum Familienberatungsförderungsgesetz
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
50<br />
Veronika<br />
Kritzer, 62<br />
Pensionistin
51 frauen und körper<br />
hat gesundheit<br />
ein geschlecht?<br />
Der „kleine Unterschied“ ist vielleicht gar nicht so klein:<br />
Frauen erleben ihren Körper anders als Männer, Frauen werden<br />
anders krank und werden oft anders behandelt. Dabei sind weibliche<br />
Selbstbestimmung in allen gesundheitlichen Belangen sowie<br />
genderspezifische Aspekte der Vorsorge und Versorgung<br />
wichtige Anliegen <strong>grüner</strong> Gesundheitspolitik.<br />
„Meinem Body geht’s sehr gut!“ – Veronika Kritzer füllt den Raum mit einer Energie, die keinen Zweifel<br />
an dieser Aussage lässt. Es liegen gerade vier Probentage mit der Age Company, einer zeitgenössischen<br />
Tanzperformance-Gruppe für Frauen um und über 50, hinter ihr. „Abgesehen von ein bisschen Muskelkater<br />
funktioniert alles super. Ich kümmere mich halt um das Apparatl, und deswegen versagt es mir den Dienst<br />
auch nicht“, sagt sie.<br />
Über Veronikas Bett hängt eine Aktzeichnung, darauf sind sie und ihr Freund zu sehen. Das Kunstwerk<br />
entstand 2012 im Rahmen eines Projekts anlässlich des „Europäischen Jahres für aktives Altern und<br />
Solidarität zwischen den Generationen“. Es zeigt ein Paar, für das Alter, Körperlichkeit und Sinnlichkeit<br />
Dimensionen sind, die auf jeden Fall zusammengehen. Ihren Freund hat Veronika übrigens vor einigen<br />
Jahren bei einem Nackttanzkurs getroffen. „Das mag schon eine sehr spezielle Art und Weise sein, sich<br />
kennenzulernen. Aber so kam auch die Sexualität wieder in mein Leben. Der körperliche Genuss und das<br />
vielfältige Erleben haben sich im Alter wesentlich verbessert.“ Man merkt schnell: Diese Frau weiß über sich,<br />
über ihren Körper und ihre Bedürfnisse bescheid. Durch ihren früheren Job ist sie natürlich sensibilisiert.<br />
Veronika arbeitete als Physiotherapeutin und merkte schnell: Ich bin selbst dafür verantwortlich, wie ich alt<br />
werde! „Wenn etwas nicht funktioniert, tragen manche Leute ihren Körper einfach irgendwohin und sagen:<br />
,Mach was damit.‘ Sie selber aber kümmern sich nicht darum und fühlen sich einfach nicht zuständig“, erzählt<br />
Veronika von ihren Erfahrungen.<br />
Die Kunst des Zuhörens, das hat sie in ihrer Arbeit gelernt, ist auf dem Weg zur körperlichen<br />
Selbstbestimmtheit eine große Hilfe. Auf den eigenen Körper zu hören – das müssen die meisten aber<br />
erst lernen. Dennoch: „Die Menschen wissen eigentlich selbst am besten, was gut für sie ist und warum<br />
sie etwas tun oder nicht tun.“ Manchmal stünde aber die eigene Angst im Weg – vor allem, wenn es um<br />
gesundheitliche Vorsorge geht. „Meine Erfahrung ist, dass viele Leute keine Untersuchungen machen, weil<br />
sie Angst vor einem negativen Ergebnis haben oder – etwa bei einem psychotherapeutischen Prozess – weil<br />
sie Angst haben, sich selbst zu begegnen.“<br />
Zahnarzt, Tanzen, Gesundenuntersuchung, Mammografie – für Veronika gehört das alles zu einer<br />
ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge dazu. Es muss ja nicht für alle gleich Nackttanzen sein … p
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
52<br />
Gesundheit aus<br />
Genderperspektive<br />
Die Diskriminierung von Frauen im Gesundheitsbereich zeigt<br />
sich auf unterschiedlichen Ebenen. Weibliche Lebenszusammenhänge<br />
werden vielfach ausgeblendet.<br />
In der Medizin sind Krankheitsbild, Untersuchungsmethoden,<br />
Symptombeschreibung und Behandlung<br />
immer noch auf die männliche Norm abgestellt,<br />
obwohl es gravierende geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede geben kann. Medikamente werden<br />
fast ausschließlich an Männern erprobt. Ein Beispiel:<br />
Die häufigste Todesursache von Frauen sind<br />
Herzerkrankungen; Studien weisen jedoch darauf<br />
hin, dass Frauen in der Kardiologie nachweislich<br />
schlechter behandelt werden als Männer. Ein anderer<br />
Problembereich ist die medikamentöse Versorgung<br />
von Frauen. Frauen bekommen nicht nur doppelt so<br />
oft wie Männer Tranquilizer und Psychopharmaka<br />
verschrieben (man nimmt ihre Symptome weniger<br />
ernst), auch die Wirkungen und Nebenwirkungen<br />
von Medikamenten sind bei Frauen angesichts<br />
mangelnder klinischer Studien oft unzureichend<br />
untersucht.<br />
Der „Gender Medicine“ ist innerhalb des Gesundheitswesens<br />
verstärkt Augenmerk zu schenken.<br />
Denn nur wenn Frauen Zugang zu Gesundheitsangeboten<br />
und Information haben, kann eine qualitativ<br />
hochwertige medizinische Versorgung garantiert<br />
werden. Grundlegende Bestrebung <strong>grüner</strong> Gesundheitspolitik<br />
ist es, diese Strukturen aufzuzeigen und<br />
zu überwinden. Wie in allen Politikfeldern müssen<br />
auch in der Gesundheitspolitik geschlechtsspezifische<br />
Auswirkungen mitgedacht und zur Grundlage<br />
von Entscheidungen werden.<br />
frauen und gesundheitspolitik<br />
Männer dominieren in Führungspositionen des<br />
Gesundheitswesens. Karriereschienen für Frauen<br />
sind nur mangelhaft entwickelt, und frauenspezifische<br />
Lebenssituationen werden in Diagnostik und<br />
Therapie zu wenig berücksichtigt (z.B. Möglichkeiten<br />
eines Kur- oder Spitalsaufenthalts für Frauen mit<br />
Kleinkindern etc.).<br />
Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Arbeiten<br />
einen deutlichen Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit<br />
von BehandlerInnen und PatientInnen auf<br />
den Therapieerfolg. Die Wahlmöglichkeit zwischen<br />
weiblichen und männlichen TherapeutInnen ist daher<br />
zu verbessern.<br />
Eine geschlechterdifferenzierte Sichtweise ist also<br />
ein wesentliches Qualitätskriterium, welches im<br />
Gesundheitswesen von der Datenerhebung über<br />
die medizinische Behandlung bis hin zur stärkeren<br />
Verankerung von Frauen und ihren Interessen in<br />
Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und in<br />
Führungsebenen Berücksichtigung finden muss.<br />
Die Repräsentanz von Frauen ist daher in allen<br />
Verwendungs- und Führungspositionen zu erhöhen.<br />
Eine geschlechtsdifferenzierte Sichtweise trägt<br />
zur geschlechtsadäquaten Gesundheitsförderung<br />
und Prävention bei, ermöglicht eine differenzierte<br />
Diagnostik, erhöht die Qualität der Behandlung für<br />
Frauen sowie Männer und trägt zur Identifikation<br />
spezifischer Ressourcen bei.<br />
gesundes körpergefühl<br />
kann man lernen<br />
Gerade in der Pubertät finden gravierende Veränderungen<br />
statt, die dazu führen, dass Jugendliche ihren<br />
Körper mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten.<br />
Vor allem bei Mädchen sind diese pubertären<br />
Veränderungen häufig mit einer erhöhten Unzufriedenheit<br />
mit ihrem Körper und ihrem Erscheinungs-
53 frauen und körper<br />
bild verbunden, während sich Burschen meist eine<br />
eher positive Einstellung zu ihrem Körper bewahren<br />
können.<br />
Ein positives Selbstbild, eine wertschätzende<br />
Umwelt, gesunde Ernährung und ausreichend<br />
Bewegung sind die Schlüssel zu einem gesunden<br />
Körpergewicht und Essverhalten. Die Schule hat die<br />
Aufgabe, ein Ort zu sein, an dem alle Kinder und<br />
Jugendliche geschätzt und in ihrem Selbstbild gestärkt<br />
werden. Darüber hinaus kann die Schule auch<br />
zur gesunden Ernährung beitragen. Die Einführung<br />
eines Unterrichtsfachs „Gesunde Ernährung“ ist nicht<br />
sinnvoll. Wichtig ist das täglich gelebte gesunde Essen.<br />
Dazu gehören ein gemeinsames abwechslungsreiches<br />
Frühstück, eine gesunde Zwischenmahlzeit<br />
und eine warme Mahlzeit, bei deren Zubereitung<br />
die SchülerInnen regelmäßig eingebunden werden.<br />
Zudem müssen LehrerInnen und SchulärztInnen<br />
geschult werden, problematisches Essverhalten<br />
frühzeitig zu erkennen. Der Kontakt zu den Eltern<br />
der betroffenen SchülerInnen muss gesucht werden,<br />
um die Ursachen und mögliche Auswege rasch<br />
zu finden. Vielleicht benötigen die Eltern nur eine<br />
Ernährungsberatung, damit zu Hause gesunde<br />
Nahrung angeboten wird. Möglicherweise muss<br />
eine Psychotherapie ins Auge gefasst werden. p<br />
5 Fragen an …<br />
Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin und Lebensund<br />
Sozialberaterin mit Schwerpunkt Sexualität<br />
Frau Löffler, wie definieren Sie für sich den<br />
Begriff „Frauengesundheit“?<br />
Elisabeth Löffler: Ich denke dabei an Aufklärung<br />
in Schulen und Kindergärten – auch für Mädchen<br />
mit Behinderung. Die Zugänglichkeit zu Ärzten<br />
muss gegeben sein, und in Gesundheitseinrichtungen<br />
sollte es zur Normalität gehören, dass auch<br />
Frauen mit Behinderung als Patientinnen<br />
kommen können. Ich denke dabei<br />
aber auch an Schutz für Frauen<br />
mit Behinderung von Gewalt und<br />
die Rahmenbedingungen, die<br />
es braucht, damit dieser Schutz<br />
gegeben ist. Frauengesundheit<br />
bedeutet für mich auch, dass<br />
ich mich nicht fürchten muss vor<br />
Übergriffen und vor struktureller<br />
Gewalt, die Frauen mit Behinderung ja<br />
sehr stark erleben.<br />
Menschen mit Behinderung beobachten oft, dass<br />
die Behinderung als entscheidendes Merkmal<br />
von außen wahrgenommen wird, während die<br />
Geschlechtsidentität in den Hintergrund rückt.<br />
Was bedeutet das für den Lebensalltag einer<br />
behinderten Frau?<br />
Die Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen sind<br />
so unterschiedlich wie die Frauen selbst. Aber allgemein<br />
bedeutet es, dass man sehr lange als Kind<br />
wahrgenommen und behandelt wird – und man<br />
sich selbst auch so sieht. All die Erfahrungen, die<br />
man als Jugendliche/r macht, erleben<br />
Frauen mit Behinderung oft erst 10<br />
bis 15 Jahre später.<br />
In welchen Bereichen brauchen<br />
Frauen mit Behinderung mehr<br />
Unterstützung?<br />
Das Thema Körpergefühl ist wichtig.<br />
Frauen mit Behinderung kennen<br />
Berührung oft als etwas, das sie<br />
über sich ergehen lassen müssen, etwa<br />
im Spital oder von Therapeuten. Wann und<br />
wie lernt man dann, dass eine Berührung gut und<br />
eine andere Berührung nicht gut ist? Auch beim<br />
Thema Schwangerschaft fehlt noch vieles. Wenn<br />
eine Frau mit Behinderung ein Kind bekommt,<br />
wird sie oft psychologisiert. Willst du wirklich ein
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
54<br />
Kind? Wofür ist das ein Ersatz in deinem Leben?<br />
Was willst du sublimieren? Es wird total genau<br />
analysiert, und ich glaube nicht, dass das so einer<br />
nicht behinderten Frau passiert.<br />
Studien besagen, dass Frauen mit Behinderung<br />
nur äußerst selten zum Frauenarzt gehen. Wo<br />
muss angesetzt werden, damit sich das ändert?<br />
Ist die Praxis barrierefrei? Wie groß ist die Kabine?<br />
Darf mein Assistent mitkommen? Das sind alles<br />
Fragen, die ich mir als Frau mit Behinderung stelle.<br />
Es wäre wichtig, dass ÄrztInnen von vornherein<br />
kommunizieren, was sie anbieten oder eben nicht<br />
anbieten bzw. wo sie bereit sind zu unterstützen.<br />
Wenn auf der Website einer Praxis steht „Wir sind<br />
barrierefrei zugänglich“ oder wenn ein Folder in<br />
leicht verständlicher Sprache angeboten wird,<br />
dann merken die Frauen, dass sie mitgedacht,<br />
gemeint und eingeladen sind zu kommen – und<br />
es spricht sich sicher ganz schnell herum.<br />
Frausein und Behindertsein – das sind gleich zwei<br />
Dimensionen, die mit gesellschaftlicher Ungleichheit<br />
verbunden sind. Wo muss die Politik konkret<br />
ansetzen, um das zu ändern?<br />
Ein wichtiger Schritt wäre das Recht auf Persönliche<br />
Assistenz. Weiters sollten in Entscheidungsgremien<br />
zur Frauengesundheit auch Frauen mit<br />
Behinderung vertreten sein. Es braucht barrierefreie<br />
Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen<br />
– und dafür muss es ein Extrabudget geben, denn<br />
für die Kosten sollen nicht die Frauenhäuser aufkommen<br />
müssen. Es muss ein politisches<br />
Anliegen sein, dass Frauen mit Behinderung<br />
sichtbar werden. Frauen mit Behinderung sind<br />
da – es ist nicht ein großes Leid, es ist eine Form<br />
zu leben. p > Foto: Ernst Spiessberger<br />
Straffen, spritzen –<br />
gesetzlich regeln<br />
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des/der BetrachterIn.<br />
Schönheitsoperationen sind jedoch hochkomplexe medizinische Eingriffe.<br />
Dieser Tatsache muss auch die Gesetzgebung Rechnung tragen.<br />
Schönheitsoperationen scheinen immer beliebter,<br />
„normaler“, aber auch ausgefallener zu werden. Diesen<br />
Eindruck erwecken jedenfalls Werbung und Medien.<br />
Neben den häufigsten Eingriffen wie Lidkorrekturen,<br />
Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und<br />
Botox-Behandlungen sind in den letzten Jahren auch<br />
Eingriffe in die weibliche Intimzone wie „Schamlippenkorrekturen“<br />
oder „vaginale Verjüngungen“ auf<br />
dem OP-Tisch in Mode gekommen. Schätzungen<br />
gehen von 30.000 bis 50.000 Operationen jährlich<br />
aus, die ohne medizinische Notwendigkeit erfolgen.<br />
Etwa 80 bis 90 % dieser medizinisch nicht indizierten<br />
Eingriffe werden an Frauen durchgeführt.<br />
Medizinische Eingriffe müssen besser heute als morgen<br />
strengeren Qualitätsanforderungen unterliegen,<br />
denn jede Schönheitsoperation ist für die PatientInnen<br />
auch mit Risiken verbunden. Eine qualitätsgesicherte<br />
Ausbildung der SchönheitschirurgInnen<br />
ist daher ebenso unerlässlich wie eine umfassende<br />
Aufklärung und Dokumentation über die Operationen<br />
selbst.<br />
ein <strong>grüner</strong> erfolg<br />
Nach einer Reihe von Anfragen an Gesundheitsminister<br />
Stöger und einem Antrag der Grünen für eine<br />
bessere gesetzliche Regelung zum Thema Schönheitsoperationen<br />
wurde im Juli 2012 das Bundesgesetz<br />
über die Durchführung von ästhetischen
55 frauen und körper<br />
Behandlungen und Operationen (ÄsthOPG), das mit<br />
1. 1. 2013 in Kraft getreten ist, im Parlament beschlossen.<br />
Als „SchönheitschirurgIn“ dürfen sich in Österreich<br />
seither nicht mehr alle ÄrztInnen bezeichnen.<br />
Das Gesundheitsministerium hat gemeinsam mit der<br />
Ärztekammer Mindestausbildungsstandards festgelegt,<br />
welche ÄrztInnen neben den FachärztInnen<br />
für plastische Chirurgie berechtigt sind, ästhetische<br />
Operationen durchzuführen (z. B. Nasenkorrekturen<br />
durch HNO-ÄrztInnen oder AllgemeinmedizinerInnen<br />
mit entsprechender Fortbildung und langjähriger<br />
Erfahrung).<br />
Außerdem sind die MedizinerInnen verpflichtet,<br />
PatientInnen vor einem Eingriff umfassend aufzuklären,<br />
einen schriftlichen Kostenplan vorzulegen, eine<br />
Fotodokumentation zu erstellen und einen Operationspass<br />
mit allen relevanten Daten auszustellen.<br />
Zwischen nachweislicher Aufklärung und Einwilligung<br />
zur Operation muss in der Regel überdies ein<br />
Zeitraum von 14 Tagen verstreichen. Das Gesetz<br />
enthält außerdem verschärfte Werbebeschränkungen<br />
sowie ein Provisionsverbot.<br />
Unzulässig sind ästhetische Behandlungen und Operationen<br />
an Personen, die das 16. Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet haben. Bis zum 18. Lebensjahr ist die<br />
Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich.<br />
Bei Gesetzesverstößen drohen Geldstrafen von<br />
bis zu 25.000 Euro. Das Verbot von Schönheitsoperationen<br />
sollte jedoch für alle Jugendlichen unter 18<br />
Jahren gelten. p<br />
Schwanger,<br />
was nun?<br />
Wenn sich Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch<br />
entscheiden, müssen sie in ihrem Selbstbestimmungsrecht<br />
gestärkt werden, damit sie eine solche Entscheidung so einfach<br />
und so risikofrei wie möglich umsetzen können.<br />
Die gesetzlichen Regelungen bezüglich Schwangerschaftsabbruch<br />
unterscheiden sich in Europa erheblich.<br />
Vom Totalverbot bis zur relativ autonomen<br />
Entscheidungsfreiheit der Frau gibt es zahlreiche<br />
Varianten, den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch<br />
zu reglementieren. In Österreich ist er seit<br />
dem 1. Jänner 1975 mit der „Fristenlösung“ geregelt.<br />
Dies bedeutet, der Abbruch ist straffrei, wenn er bis<br />
zum dritten Schwangerschaftsmonat von einer/m<br />
Ärztin/Arzt nach vorheriger Beratung durchgeführt<br />
wird. Wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung<br />
einer nicht anders abwendbaren ernsten<br />
Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens<br />
für die körperliche oder seelische Gesundheit der<br />
Schwangeren erforderlich ist oder die Schwangere<br />
zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist,<br />
kann die dreimonatige Frist überschritten werden.<br />
Es gibt keine näheren Durchführungsbestimmungen<br />
und keine Regelungen für eine Kostenübernahme. In<br />
Österreich sind ÄrztInnen nicht verpflichtet, Abtreibungen<br />
vorzunehmen. Außerhalb Wiens gibt es nur<br />
wenige ÄrztInnen oder Krankenhäuser, die auch öffentlich<br />
die Durchführung von Abbrüchen anbieten.<br />
Dies bedeutet, dass Frauen außerhalb der Großstadt<br />
oft nicht die Möglichkeit haben, den Eingriff in der<br />
Nähe ihres Wohnorts vornehmen zu lassen.<br />
Die Grünen fordern die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch<br />
in allen öffentlichen Spitälern und<br />
auf Krankenschein. Darüber hinaus sollen – nach<br />
französischem Vorbild – Kliniken durch Demonstrationsbannmeilen<br />
vor Belästigung und Agitation<br />
geschützt werden. Gleichzeitig ist jedoch auch eine<br />
verstärkte Verhütungsinformation erforderlich. Die<br />
Übernahme der Kosten für die Verhütungsmittel
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
56<br />
durch die Kassen, wie es in einigen europäischen<br />
Ländern der Fall ist, würde viele unerwünschte<br />
Schwangerschaften und damit viel Not verhindern.<br />
Ein Grüner Erfolg: Mit der Rezeptfreistellung der<br />
„Pille danach“ wurde 2009 eine unserer langjährigen<br />
Forderungen umgesetzt, die Niederschlag in der<br />
parlamentarischen Arbeit fand. Das war eine wichtige<br />
Maßnahme, mit der Frauen einen barrierefreien<br />
Zugang zu einem Notfallsverhütungsmittel erhalten<br />
haben.<br />
meine entscheidung,<br />
meine kosten<br />
Europaweit verglichene Zahlen über vorgenommene<br />
Schwangerschaftsabbrüche lassen laut ExpertInnen<br />
einen Schluss auf die Versorgung mit schwangerschaftsverhütenden<br />
Mitteln zu. Soll heißen: In den<br />
Ländern, in denen weniger Abtreibungen vorgenommen<br />
werden, ist der Zugang zur Verhütung besser,<br />
leistbar und gesellschaftlich akzeptiert. Ein Schwangerschaftsabbruch<br />
wird in Österreich nicht wie in<br />
fast allen anderen westeuropäischen Ländern von<br />
der Krankenkasse bezahlt, d.h. in Österreich müssen<br />
Frauen den Abbruch selbst bezahlen, außer es<br />
gibt einen medizinischen Grund für einen Abbruch<br />
(Indikation).<br />
Europa-Panorama<br />
schwangerschaftsabbruch<br />
und strafrecht<br />
Der Schwangerschaftsabbruch war, ist und bleibt<br />
ein heiß umkämpftes Thema: In den USA, in Europa,<br />
derzeit aktuell in Spanien – überall herrscht der<br />
Glaubenskrieg zwischen BefürworterInnen – Pro-<br />
Choice – und GegnerInnen – Pro-Life. In Österreich<br />
gibt es nach wie vor den vor 40 Jahren erzielten<br />
Kompromiss der Fristenlösung, also das strafrechtliche<br />
Verbot des Abbruchs, in Verbindung mit<br />
der Straffreiheit innerhalb der ersten drei Monate.<br />
Frauen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind nicht zu<br />
bekommen, machen sich also, wie oben erwähnt,<br />
nicht strafbar, wenn „der Schwangerschaftsabbruch<br />
innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der<br />
Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher<br />
Beratung von einem Arzt vorgenommen wird“ (§ 97<br />
StGB). Die Rahmenbedingungen im Vorfeld eines<br />
Schwangerschaftsabbruchs sowie bei der Durchführung<br />
sind jedoch kaum bis gar nicht an den Bedürfnissen<br />
der betroffenen Frauen ausgerichtet, dabei<br />
belegen viele Studien, dass die Kostenübernahme<br />
von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch ein<br />
Kennzeichen und eine Basis für den hohen Stellenwert<br />
der sexuellen und reproduktiven Gesundheit<br />
in der Gesellschaft ist. p<br />
Das EU-Parlament stimmte Mitte März <strong>2015</strong> über<br />
den sogenannten Tarabella-Bericht ab. In dem<br />
Papier zur Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
geht es u.a. darum, dass Frauen insbesondere durch<br />
den einfachen Zugang zu Empfängnisverhütung und<br />
Abtreibung die Kontrolle über ihre sexuellen und<br />
reproduktiven Rechte haben müssen. Unterstützt<br />
werden daher Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung<br />
des Zugangs von Frauen zu Dienstleistungen<br />
der sexuellen und reproduktiven Gesundheit<br />
und zu besserer Information über ihre Rechte und<br />
über die verfügbaren Dienstleistungen.<br />
Die gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch<br />
in Europa divergieren derzeit erheblich<br />
und reichen vom Totalverbot (z. B. in Malta)<br />
bis zur relativ autonomen Entscheidungsfreiheit.<br />
Auch die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch<br />
variieren innerhalb Europas und bewegen sich<br />
zwischen 0 und 517 Euro, wobei die meisten Länder<br />
in Westeuropa die teilweise oder vollständige Kostenübernahme<br />
unterstützen.<br />
Die Grüne Fraktion im Europaparlament spricht sich<br />
mit Nachdruck für das Selbstbestimmungsrecht<br />
von Frauen und ihre sexuellen sowie reproduktiven<br />
Rechte aus und hat sich dafür eingesetzt, diese auch<br />
im Tarabella-Bericht zu verankern. Die Unterstützung<br />
sexueller und reproduktiver Gesundheit und
57 frauen und körper<br />
die damit verbundenen Rechte (SRHR, Sexual and<br />
Reproductive Health and Rights) sind in zahlreichen<br />
internationalen Verträgen und Konferenzen<br />
festgeschrieben (u.a. CEDAW, UNO-Bevölkerungskonferenz<br />
1994 und UNO-Frauenkonferenz 1995)<br />
und von zentraler gesellschaftlicher wie individueller<br />
Bedeutung.<br />
Das Thema darf allerdings nicht auf den zweifellos<br />
wichtigen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen<br />
reduziert werden, sondern hier geht es um das<br />
körperliche und seelische Wohlbefinden in Bezug<br />
auf alle Bereiche der Sexualität und Fortpflanzung;<br />
und dazu kann und soll das Europaparlament klar<br />
Stellung beziehen. Die EU kann den höchstmöglichen<br />
Gesundheitsstandard nur dann erreichen, wenn<br />
die reproduktive und sexuelle Gesundheit sowie die<br />
damit verbundenen Rechte uneingeschränkt geachtet<br />
und gefördert werden. p<br />
> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete<br />
wir grüne<br />
wollen:<br />
> Verpflichtende und regelmäßige Dokumentation<br />
in Form eines Frauengesundheitsberichts<br />
> Umsetzung der Gleichbehandlung von Frauen in sämtlichen<br />
Wirkungsbereichen – sowohl als Partnerinnen und als Verantwortliche –<br />
des Gesundheitssystems<br />
> Ganzheitliche Gesundheitsförderung durch z. B. Untersuchungen zur<br />
Prävalenz und Versorgungsstruktur frauenspezifischer Erkrankungsbilder<br />
> Kostenlose bzw. leistbare Verhütungsmittel<br />
> Die Entwicklung von risikoarmen Verhütungsmethoden für Männer<br />
und Frauen als Gegenstand innovativer Forschung<br />
> Einen offenen Sexualkundeunterricht an Schulen<br />
> Eine bessere Aufklärung von Frauen über die mit einem Kaiserschnitt<br />
verbundenen Risiken und eine Aufwertung der Hebammentätigkeit<br />
sowie deren bessere Finanzierung durch die Krankenkassen<br />
> Keine Schönheitsoperationen für unter 18-Jährige sowie strengere<br />
Werbebeschränkungen und höhere Strafen bei Verstößen
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
58<br />
es tut<br />
weh<br />
Es kann überall passieren. Es kann Frauen aller Altersstufen, jeder<br />
Herkunft und Sozialisation passieren. Gewalt an Frauen ist kein<br />
individuelles, sondern ein politisches und gesellschaftliches Problem.<br />
Wie finden betroffene Frauen – und Kinder – einen Weg aus der<br />
Gewalt? Und welche Gesetze und Institutionen schützen Frauen vor<br />
physischen und psychischen Übergriffen?<br />
„Manchmal sieht man es erst auf den zweiten Blick“ – dieser Satz steht auf einem Plakat in Maria<br />
Rösslhumers Büro, und es stimmt: Erst der zweite Blick offenbart die geballten Fäuste, die sich schemenhaft<br />
in das Tapetenmuster der auf den ersten Blick gediegenen Wohnzimmeridylle einordnen. „Jede fünfte Frau<br />
ist zumindest einmal in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen, und dabei ist die Dunkelziffer noch gar<br />
nicht erfasst“, sagt Maria Rösslhumer.<br />
1985 gründet sie, unterstützt von der Caritas, die erste Wohngemeinschaft für Frauen mit Behinderung in<br />
Wien. Ihre Vision: den Frauen die Möglichkeit geben, sich in kleinstrukturierten Betreuungseinrichtungen zu<br />
entfalten, einen Weg in die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu finden.<br />
Maria holt die Matura nach, beginnt mit Anfang 30 ein Studium und setzt sich intensiv mit dem Thema<br />
Frauenpolitik auseinander. In dieser Zeit lernt sie auch den Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser<br />
kennen, wird Mitarbeiterin, später Geschäftsführerin und etabliert die Frauenhelpline gegen Gewalt<br />
0800/222 555.<br />
Das erste Frauenhaus wurde 1978 in Wien gegründet. Insgesamt gibt es derzeit 30 Frauenhäuser in<br />
Österreich, die meisten von ihnen sind im 1988 gegründeten Verein organisiert. „Frauenhäuser sind in<br />
erster Linie Schutzeinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen. Wir bieten aber auch umfassende<br />
Unterstützung, psychologische und juristische Beratung, Begleitung zum Gericht, zur Polizei oder zu<br />
medizinischer Versorgung. Wir vermitteln Jobs und helfen bei der Suche nach leistbaren Wohnungen. Und<br />
ganz wichtig: Frauenhäuser sind auch Kinderschutzeinrichtungen“, sagt Maria. Darüber hinaus definieren<br />
sich die Frauenhäuser auch als frauenpolitische Einrichtung mit feministischen Prinzipien, gehen hinaus,<br />
führen Seminare mit PolizistInnen, Schulungen mit Berufsgruppen wie LehrerInnen oder RichterInnen durch.<br />
„In Österreich ist vergleichsweise schon viel passiert“, sagt Maria. „Die Gesetze werden laufend verbessert,<br />
das Betretungsverbot wurde verlängert und es gibt die kostenlose Prozessbegleitung von der Anzeige bis<br />
zum Ende des Gerichtsverfahrens – das haben andere Länder nicht.“ Auch auf europäischer Ebene wurde<br />
nicht zuletzt aufgrund der Zusammenarbeit der Frauenhäuser im europäischen Netzwerk WAVE (Women<br />
Against Violence Europe) viel erreicht. Und trotzdem: Die Gewalt gegen Frauen ist nicht weniger geworden.<br />
„Wenn man sich die Zahlen anschaut, weiß man: Wir müssen noch viel tun!“, sagt Maria. Dabei ist vor allem<br />
auch wichtig, über die Anliegen und Angebote der Frauenhäuser zu berichten. Und das ist hiermit wieder<br />
einmal geschehen. p
59 frauen gegen gewalt<br />
Maria<br />
Rösslhumer, 54<br />
Geschäftsführerin des Vereins Autonome<br />
Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und von<br />
WAVE (Women Against Violence Europe),<br />
www.aoef.at
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
60<br />
Der Weg<br />
aus der Gewaltspirale<br />
Die Auswirkungen von Gewalt betreffen nicht nur die Frauen,<br />
die Opfer von Gewalt werden, sondern auch ihre Familien,<br />
FreundInnen und die Gesellschaft insgesamt. Nur wenn sich<br />
Frauen sicher fühlen, können sie selbstbestimmt leben.<br />
Die 2011 veröffentlichte „Österreichische Prävalenzstudie<br />
zur Gewalt an Frauen und Männern“ des<br />
Österreichischen Instituts für Familienforschung<br />
(ÖIF) liefert folgende Zahlen: Drei Viertel aller<br />
Frauen haben sexuelle Belästigung erlebt (74,2 %),<br />
nahezu ein Drittel aller Frauen hat sexuelle Gewalt<br />
erfahren (29,5 %). 90,3 % der von sexueller Gewalt<br />
betroffenen Frauen erlebten diese ausschließlich von<br />
Männern, weitere 8,6 % überwiegend von Männern.<br />
In ihrer Kindheit – also bis zum Alter von 16 Jahren<br />
– haben etwa drei Viertel der befragten Personen<br />
psychische und/oder körperliche Gewalterfahrungen<br />
gemacht. Dabei zeigen sich kaum Unterschiede<br />
zwischen Frauen und Männern. Frauen waren in ihrer<br />
Kindheit zu 74,8 % von psychischer und zu 72,6 %<br />
von körperlicher Gewalt betroffen. Bei der sexuellen<br />
Gewalt existieren klare geschlechterspezifische<br />
Unterschiede: Mit 27,7 % Nennungen waren mehr als<br />
doppelt so viele Frauen in ihrer Kindheit sexuellen<br />
Übergriffen ausgesetzt wie Männer (12 %).<br />
Die altersspezifische Betrachtung zeigt, dass die<br />
ältere Generation in ihrer Kindheit signifikant<br />
häufiger Gewalt erlebt hat als die Jüngeren. Ein<br />
ebenso signifikanter Rückgang an in der Kindheit<br />
erlebten Gewalthandlungen ist bei der sexuellen<br />
Gewalt zu beobachten – und zwar sowohl bei Frauen<br />
als auch bei Männern. So geben 40,8 % der 51- bis<br />
60-jährigen Frauen und 19,9 % der Männer in dieser<br />
Altersgruppe an, in ihrer Kindheit sexuellen Übergriffen<br />
ausgesetzt gewesen zu sein, wohingegen die<br />
Nennungen in der Altersgruppe der heutigen 16- bis<br />
20-jährigen Frauen bei 19,6% und die der Männer in<br />
dieser Altersgruppe bei 6,4 % liegen, was eine Halbierung<br />
der Übergriffe bzw. sogar einen Rückgang<br />
um zwei Drittel bedeutet.<br />
Die sexuelle Belästigung ist jene Gewaltform, die<br />
am häufigsten an öffentlichen Orten erfahren wird<br />
(Frauen: 51,3 %, Männer: 12,5 %).<br />
Gewalt gegen Frauen – darunter fallen sexuelle<br />
Übergriffe, Vergewaltigung und „häusliche Gewalt“ –<br />
ist ein Verstoß gegen die Grundrechte von Frauen in<br />
Bezug auf Würde, Gleichheit und Zugang zur Justiz.<br />
78 Millionen Euro betragen die Kosten, die pro Jahr<br />
in Österreich durch familiäre Gewalt entstehen –<br />
sowohl durch Gewalt von Männern gegen Frauen<br />
als auch durch häusliche Gewalt gegen Kinder und<br />
Jugendliche.<br />
prävention<br />
und täterarbeit<br />
Da personale und strukturelle Gewalt eng miteinander<br />
verschränkt sind und einander oft ergänzen,<br />
setzt eine wirksame Bekämpfung von Gewalt<br />
Maßnahmen voraus, die sowohl bei den TäterInnen<br />
ansetzen und das Opfer unterstützen, als auch die<br />
Veränderungen der gesellschaftlichen Ungleichheiten<br />
zwischen den Geschlechtern zum Ziel haben.<br />
Es muss auf allen Ebenen angesetzt werden: Justiz,<br />
Medizin, Kinder, familiäres Umfeld und Männer- bzw.<br />
TäterInnenarbeit. Viele Erhebungen weisen darauf<br />
hin, dass Gewalt gegen Frauen eines der weltweit<br />
größten Gesundheitsrisiken darstellt. Interessante
61 frauen gegen gewalt<br />
Ergebnisse zeigt auch eine Studie im Gesundheitsbereich:<br />
82 % der Frauen in Österreich wünschen<br />
sich, dass ÄrztInnen einen Verdacht auf Gewaltbetroffenheit<br />
adäquat ansprechen.<br />
Auch Männerarbeit ist in der Gewaltprävention ein<br />
zentraler Schlüsselfaktor: eine gesetzlich verankerte<br />
verpflichtende Teilnahme an Täterarbeitsprogrammen<br />
für Männer, gegen die eine Wegweisung/einstweilige<br />
Verfügung ausgesprochen wurde, und eine<br />
Finanzierung zum Auf- und Ausbau der Täterarbeit<br />
in ganz Österreich. Es sollte eine enge Kooperation<br />
bei der Täterarbeit mit den Interventionsstellen,<br />
Gewaltschutzzentren und Frauenhäusern gegeben<br />
sein, damit alle Maßnahmen einen maximalen Opferschutz<br />
gewährleisten können.<br />
ökonomische gewalt<br />
Gewalt wird nicht nur körperlich ausgeübt, sondern<br />
auch psychisch und ökonomisch. Von ökonomischer<br />
oder finanzieller Gewalt sind in erster Linie Frauen,<br />
aber auch alte und pflegebedürftige Menschen<br />
betroffen. Wenn Frauen über kein eigenes Einkommen<br />
verfügen oder das Einkommen vom Partner<br />
kontrolliert wird, kann diese Situation vom Partner<br />
ausgenützt werden.<br />
Diese finanzielle Abhängigkeit gefährdet Frauen, in<br />
einer Beziehung Gewalt zu erleiden. Ökonomische<br />
Abhängigkeit vom Gewalttäter aufgrund geringen<br />
Einkommens trifft berufstätige ebenso wie nicht<br />
berufstätige Frauen. Vor allem für Alleinerzieherinnen<br />
und Migrantinnen ist die Situation am Arbeitsund<br />
Wohnungsmarkt denkbar schlecht. Sie zählen<br />
zu den besonders armutsgefährdeten Gruppen.<br />
Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind, und vor<br />
allem Nicht-EU-Bürgerinnen sehen sich mit besonderen<br />
Hürden konfrontiert. Sie haben in manchen<br />
Bundesländern wie in Niederösterreich nur verminderten<br />
Anspruch auf Mindestsicherung. In anderen<br />
Bundesländern ist der Bezug der Mindestsicherung<br />
zwar möglich, kann aber ebenso wie ein Einkommen<br />
unter dem ASVG-Richtsatz zum Verlust der Niederlassungsbewilligung<br />
führen.<br />
Ökonomische Gewalt wird bisweilen auch gesetzlich<br />
verstärkt: Bei der Berechnung der Notstandshilfe<br />
etwa wird das PartnerInneneinkommen mitberücksichtigt,<br />
die Notstandshilfe infolgedessen häufig<br />
gekürzt. Solche Kürzungen betreffen zu 54 %<br />
Frauen, die seit dem 15. Lebensjahr und in den 12 Monaten vor der Befragung<br />
körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben, EU-28 (%)<br />
67% 33%<br />
25%<br />
Keine körperliche<br />
und/oder sexuelle<br />
Gewalt seit dem<br />
Alter von 15 Jahren<br />
Ja, Gewalterfahrung<br />
vor mehr als<br />
12 Monaten<br />
Ja, Gewalterfahrung<br />
in den letzten<br />
12 Monaten<br />
8%<br />
Anmerkung: Auf der Grundlage aller Befragten (N=42.002) / Quelle: FRA-Erhebnung zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, 2012
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
62<br />
Frauen, obwohl nur 42 % aller Arbeitslosen Frauen<br />
sind. Besonders dramatisch zeigt sich die strukturelle<br />
Benachteiligung von Frauen in den Fällen, in<br />
denen aufgrund eines PartnerInneneinkommens die<br />
gesamte Notstandshilfe gestrichen wird: 82% aller<br />
Streichungen betreffen Frauen.<br />
frauen als ware<br />
Frauenhandel ist jede Art von Geschäftemacherei,<br />
mit der in der Regel die Migrationsbestrebungen<br />
von Frauen ausgenutzt und missbraucht werden.<br />
Gemeinsam mit Drogen- und Waffenhandel gehört<br />
Menschen- bzw. Frauenhandel zu den drei „ertragreichsten<br />
Geschäften“ des organisierten Verbrechens.<br />
Herkunftsländer sind vor allem lateinamerikanische,<br />
asiatische und afrikanische Staaten, aber<br />
auch osteuropäische Länder. Betroffen sind neben<br />
Sexarbeiterinnen vor allem Hausangestellte und<br />
Frauen, die „per Katalog“ verheiratet werden.<br />
Österreich ist zwar auch Transitland für gehandelte<br />
Frauen, in erster Linie aber Zielland. In Österreich,<br />
wie in den anderen Industrieländern, werden Frauen<br />
für reproduktive Tätigkeiten wie Hausarbeit, für Heirat<br />
und Sexarbeit nachgefragt. Damit ist Österreich<br />
am Handel mit Menschen mitbeteiligt. Die restriktiven<br />
Fremdengesetze in Österreich begünstigen<br />
diese Menschenrechtsverletzung von Frauen, wie<br />
auch UNO-Menschenhandelsberichte hervorheben.<br />
Strafen haben nämlich anstatt der Täter die Opfer zu<br />
befürchten: Verwaltungsstrafen wegen illegaler Prostitution,<br />
vor allem aber die Abschiebung. Damit wird<br />
wiederum die Verfolgung der Frauenhändler verunmöglicht,<br />
da die gehandelten Frauen zum Zeitpunkt<br />
eines Prozesses häufig bereits abgeschoben wurden<br />
und daher nicht mehr aussagen können. Generell<br />
fehlt es in Österreich an ausreichenden Opferschutzmaßnahmen.<br />
Auch gibt es hierzulande derzeit nur<br />
eine einzige Opferschutzeinrichtung, die ausdrücklich<br />
für Opfer von Frauenhandel zuständig ist – die<br />
Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels<br />
(IBF) in Wien; notwendig wäre eine verbesserte<br />
Zusammenarbeit von NGOs und Behörden in Fragen<br />
der Opferidentifizierung.<br />
Die Grünen treten – neben einer verstärkten internationalen<br />
Zusammenarbeit zur Bekämpfung von<br />
Frauenhandel bereits im Vorfeld – insbesondere<br />
für eine Verbesserung des Schutzes für Opfer von<br />
Frauenhandel ein. p<br />
Selbstbestimmt<br />
und selbstbewusst<br />
Frauen mit Behinderung sind in weit höherem Ausmaß<br />
von sexualisierter Gewalt betroffen als nicht behinderte Frauen.<br />
Der Schutz vor Gewalt weist allerdings große Lücken auf.<br />
Frauen mit Behinderungen sind in Belangen der<br />
Ausbildung, am Arbeitsmarkt sowie im Privatbereich,<br />
wie zum Beispiel bei der Führung eines<br />
selbstbestimmten Sexual- und Familienlebens oder<br />
der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, besonders<br />
benachteiligt. Ein Leben mit Behinderung bedeutet<br />
auch heutzutage größtenteils ein Leben in institutionellen<br />
Abläufen. Je isolierter, größer und je stärker<br />
eine Einrichtung von institutionellen Abläufen abhängig<br />
ist, desto gewaltanfälliger ist sie.<br />
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind besonders<br />
gefährdet, Opfer von Gewalt und sexuellem
63 frauen gegen gewalt<br />
Missbrauch zu werden. Frauen, deren Behinderung<br />
mit einer Kommunikationsbeeinträchtigung einhergeht,<br />
wie z.B. bei einer Lernbehinderung oder bei<br />
Gehörlosigkeit, bilden eine besonders gefährdete<br />
Risikogruppe.<br />
Es gibt eine Vielzahl an Hindernissen für Frauen mit<br />
Behinderungen. Neben baulichen Barrieren ist oft<br />
der Zugang zu Informationen nicht möglich. Dazu<br />
kommt, dass die meisten Unterstützungsangebote<br />
nicht an die Lebensbedürfnisse der Frauen mit Behinderungen<br />
angepasst sind. Dies widerspricht dem<br />
Artikel 6 der Behindertenrechtskonvention, der die<br />
Mehrfachdiskriminierung von Frauen mit Behinderungen<br />
anspricht und Maßnahmen zur Stärkung von<br />
Autonomie und Selbstbestimmung fordert. Denn:<br />
Der wirksamste Schutz gegen sexuelle Gewalt und<br />
Missbrauch sind Aufklärung und Selbstbestimmung<br />
durch Persönliche Assistenz und unterstützte Entscheidungsfindung.<br />
Die AutorInnen der Studie formulieren sechs konkrete<br />
Empfehlungen, die Frauen mit Behinderung<br />
unterstützen sollen:<br />
1. Barrierefreier Zugang zu Information<br />
sowie zu Unterstützungsangeboten<br />
und verbesserter Zugang zu Recht und<br />
Strafverfolgung<br />
2. Schulungen für MitarbeiterInnen in den<br />
Bereichen Gewalt und Lebenssituation<br />
von Frauen mit Behinderungen<br />
3. Stärkere Vernetzung zwischen<br />
Opferschutz- und Unterstützungseinrichtungen<br />
und Organisationen für<br />
Menschen mit Behinderungen sowie<br />
Selbstvertretungsorganisationen<br />
4. Öffentliche Sensibilisierung für Gewalt<br />
gegen Frauen mit Behinderungen<br />
das wissen um die<br />
eigenen rechte<br />
Zwischen 2013 und <strong>2015</strong> wurde ein EU-Projekt mit<br />
dem Thema „Zugang von Frauen mit Behinderung<br />
zu Opferschutz- und Unterstützungseinrichtungen<br />
bei Gewalterfahrungen“ (Daphne III) durchgeführt.<br />
Im Mittelpunkt des Projekts stand die Verbesserung<br />
der Zugänglichkeit von Opferschutzeinrichtungen,<br />
die mithilfe und aus der Sicht der betroffenen Frauen<br />
analysiert wurde.<br />
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass in den an der<br />
Studie beteiligten Ländern (Deutschland, Großbritannien,<br />
Island und Österreich) zwar eine Vielzahl<br />
nationaler Gesetze existiert, die darauf abzielen,<br />
Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt und Personen<br />
mit Behinderungen vor Rechtsverletzungen<br />
und Diskriminierung zu schützen. Allerdings zeigen<br />
sich Lücken im System, wenn es darum geht, Frauen<br />
mit Behinderung entsprechende Unterstützungsleistungen<br />
zu gewähren, die den Zugang zu Behörden<br />
und das Einfordern von Rechten ermöglichen.<br />
5. Gesellschaftliche Inklusion von Frauen<br />
mit Behinderungen<br />
6. Einen politischen Willen und mehr<br />
finanzielle Mittel zur Umsetzung von<br />
Barrierefreiheit und Inklusion auf allen<br />
Ebenen
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
64<br />
Vom Selfie<br />
zum Sexting<br />
Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft, und sie<br />
verändert auch die Formen von Gewalt, denen Frauen heute<br />
ausgesetzt sind. Digitale Gewalt überschreitet in vielen<br />
Fällen deutlich die Grenzen zur Straftat.<br />
11% der Frauen haben bereits unangemessene<br />
Annäherungsversuche in sozialen Medien erlebt<br />
oder erhielten E-Mails oder SMS-Nachrichten mit<br />
eindeutig sexuellem Inhalt. Unter den jungen Frauen<br />
(18–29 Jahre) waren es 20 %, die bereits Opfer von<br />
solchen Formen der Online-Belästigung wurden –<br />
diese Zahlen liefert der 2014 veröffentlichte Bericht<br />
der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte<br />
(FRA).<br />
virtuelle gewalt<br />
ist auch echt<br />
Cyber-Mobbing und Cyber-Bullying meinen das<br />
bewusste Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder<br />
Belästigen mit elektronischen Kommunikationsmitteln<br />
wie dem Handy oder im Internet. Im Internet<br />
werden vor allem Foto- und Videoplattformen<br />
(z. B. Flickr oder YouTube) und soziale Netzwerke<br />
(z. B. Facebook) für diese Angriffe missbraucht, die<br />
Hemmschwelle sinkt durch die Anonymität und die<br />
räumliche Distanz.<br />
Beim Cyber-Stalking werden das Internet oder<br />
andere Kommunikationstechnologien wie z. B. das<br />
Handy benutzt, um andere Personen beharrlich zu<br />
verfolgen. Beharrliche Verfolgung, das sogenannte<br />
Stalking, ist seit 1. Juli 2006 strafbar.<br />
Justizminister Brandstetter will aktuell einen neuen<br />
Tatbestand bei Cyber-Mobbing schaffen. Der vorgeschlagene<br />
Gesetzestext lautet: „Wer eine Person im<br />
Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung<br />
eines Computersystems längere Zeit in ihrer<br />
Privatsphäre verletzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu<br />
einem Jahr zu bestrafen.“<br />
Brandstetter will bis Mitte <strong>2015</strong> im Strafrecht die<br />
gesetzliche Lücke schließen, weil virtuelles Mobbing<br />
bisher kaum verfolgbar ist. Die Frage des Stalkingzeitraums<br />
wird seiner Meinung nach letztlich die<br />
Judikatur auslegen, und das wird auch von Fall zu<br />
Fall individuell sein, unter Umständen könnten für<br />
eine Verurteilung aber schon wenige Vorfälle etwa<br />
über zwei bis drei Wochen hinweg ausreichen. Bei<br />
den Ermittlungsmöglichkeiten gegen sogenannte<br />
Hassposter und ihre verhetzenden Äußerungen wird<br />
sich nicht viel ändern. Schon jetzt kann man bei entsprechendem<br />
RichterInnen-Beschluss ja die Daten<br />
der betreffenden Personen ausheben lassen.<br />
sexting und<br />
revenge porn<br />
Sexting, der Begriff setzt sich aus „Sex“ und „Texting“<br />
(engl. für das Senden von SMS) zusammen,<br />
meint das Verschicken und Tauschen von eigenen<br />
Nacktaufnahmen über Internet und Handy. Revenge<br />
Porn, also Racheporno, bezeichnet das Hochladen<br />
von Nacktbildern auf öffentlich zugänglichen Websites<br />
ohne die Zustimmung und das Wissen der<br />
darauf abgebildeten Person, meist in Verbindung mit<br />
deren Kontaktdaten.<br />
Eine Studie aus England (National Society for the<br />
Prevention of Cruelty to Children, 2012) zeigt, dass<br />
der Großteil der weiblichen Jugendlichen von den<br />
männlichen Jugendlichen unter Druck gesetzt wird,
65 frauen gegen gewalt<br />
eigene Bilder zur Verfügung zu stellen. Eine Erhebung<br />
unter Schweizer Jugendlichen (JAMES-Studie,<br />
2012) ergab, dass nur 6 % der Befragten Daten mit<br />
erotischem Inhalt von sich selbst versenden. 2012<br />
lancierte die Schweizer Stiftung Pro Juventute eine<br />
Aufklärungskampagne gegen Sexting. In Deutschland<br />
kann Sexting bei Minderjährigen einen Verstoß<br />
gegen § 184b oder § 184c StGB begründen.<br />
Erstmals in Österreich hat die Initiative Saferinternet.<br />
at im Februar <strong>2015</strong> eine Studie zum Thema Sexting<br />
präsentiert. Bei einer repräsentativen Online-Umfrage<br />
wurden 500 Jugendliche zwischen 14 und 18<br />
Jahren zu Erfahrungen und Motiven rund um das<br />
Thema Sexting befragt.<br />
Die Studienergebnisse zeigen sehr deutlich, dass<br />
Sexting eine häufige Facette des Beziehungs- und<br />
Sexuallebens von Jugendlichen geworden ist: 51%<br />
der Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kennen<br />
jemanden, der oder die schon einmal Nacktaufnahmen<br />
von sich selbst an andere geschickt hat. Ein<br />
Drittel (33 %) hat selbst schon Fotos oder Videos<br />
erhalten, auf denen die oder der Abgebildete fast<br />
nackt oder nackt zu sehen ist. 16% der Jugendlichen<br />
gaben an, schon einmal Nacktaufnahmen von<br />
sich selbst erstellt und diese dann meistens auch<br />
verschickt zu haben.<br />
Die weite Verbreitung von Sexting im Alltag zeigt<br />
sich auch daran, dass es 31 % als „normal“ empfinden,<br />
ihren PartnerInnen Nacktaufnahmen zu<br />
schicken. Jede/r Zehnte (9 %) sagt auch, dass es<br />
„normal“ sei, Nacktaufnahmen von der besten<br />
Freundin oder vom besten Freund zu kennen.<br />
Mit der Zunahme von Sexting im Leben von Jugendlichen<br />
steigt auch die Anzahl der Probleme. Knapp<br />
die Hälfte aller Jugendlichen (46 %) kennt jemanden,<br />
die oder der schon einmal Probleme mit Sexting<br />
hatte. Sexting geht zwar in den meisten Fällen gut,<br />
wenn aber etwas passiert, dann ist das oft mit sehr<br />
unangenehmen Erfahrungen für die Betroffenen<br />
verbunden. Die häufigsten Folgen im Bekanntenkreis<br />
der Befragten: Die Aufnahmen wurden im Freundeskreis<br />
verbreitet (81 %), die Abgebildeten wurden<br />
verspottet (55%), die Aufnahmen wurden öffentlich<br />
gemacht (49 %), sie wurden Eltern oder Lehrenden<br />
gezeigt (21 %) oder man wurde damit erpresst (14 %).<br />
Die aktuelle Rechtslage in Österreich führt dazu,<br />
dass Sexting von Jugendlichen in vielen Fällen<br />
strafbar ist (zum Beispiel dann, wenn pornografische<br />
Aufnahmen weitergegeben werden). Es gelangen<br />
Bestimmungen zum Kampf gegen Kinderpornografie<br />
(§ 207a StGB) zur Anwendung. p<br />
Formen von sexueller Online-Belästigung seit dem 15. Lebensjahr und in den 12 Monaten vor der<br />
Befragung – einschließlich ungewollter E-Mails oder SMS-Nachrichten mit eindeutig sexuellem und<br />
beleidigendem Inhalt, nach Altersgruppen, EU-28 (%)<br />
25 %<br />
20 %<br />
20<br />
15 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
11<br />
13<br />
6<br />
11<br />
5<br />
6<br />
3<br />
3<br />
2<br />
11<br />
5<br />
0 %<br />
18–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre 50–59 Jahre 60 Jahre und<br />
darüber<br />
Seit dem 15. Lebensjahr In den letzten 12 Monaten<br />
Gesamt<br />
Hinweise: Auf Grundlage aller Frauen mit gültigen Antworten auf beide Fragen zu Online-Belästigung (n=35.820).<br />
6.084 Befragte gaben bei beiden Fragen die Kategorie „nicht zutreffend“ an; in 98 Fällen fehlte die Information zum Alter.<br />
Quelle: FRA-Erhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, 2012
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
66<br />
Europa-Panorama<br />
Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte<br />
(FRA) führte in den vergangenen Jahren<br />
eine großangelegte Studie zu Gewalt gegen Frauen<br />
durch. Es handelt sich dabei um die größte repräsentative<br />
Studie, die jemals international zu diesem<br />
Thema erstellt wurde. Die Ergebnisse basieren auf<br />
Interviews mit 42.000 Frauen in den Mitgliedsstaaten<br />
der EU. Laut dieser Studie sind 62 Millionen<br />
Frauen in der EU – also jede dritte Frau – bereits<br />
Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Auch<br />
andere Studien zeigen, dass in der EU 20 bis 25 %<br />
aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer<br />
physischer Gewalt werden.<br />
Bei der Erhebung wurden Frauen zu ihren Erfahrungen<br />
mit körperlicher, sexueller und psychischer<br />
Gewalt einschließlich häuslicher Gewalt befragt.<br />
Thema der Befragung waren auch Stalking, sexuelle<br />
Belästigung und die Rolle, die neue Technologien<br />
bei Missbrauchserfahrungen spielen. Die Erhebung<br />
enthielt auch Fragen zu Gewalterfahrungen in der<br />
Kindheit.<br />
> 33 % der Frauen haben seit dem 15. Lebensjahr<br />
körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren;<br />
eine von 20 Frauen (5 %) ist seit ihrem<br />
15. Lebensjahr vergewaltigt worden.<br />
> Von den Frauen, die derzeit mit einem Partner/<br />
einer Partnerin zusammenleben (oder früher mit<br />
einem Partner/einer Partnerin zusammengelebt<br />
haben), waren seit dem 15. Lebensjahr 22 % körperlicher<br />
und/oder sexueller Gewalt durch den/<br />
die PartnerIn ausgesetzt.<br />
> 20 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr<br />
körperliche Gewalt außerhalb der Partnerschaft<br />
erfahren.<br />
> Lediglich 33 % der Opfer von Gewalt in einer<br />
Partnerschaft und 26 % der Opfer von Gewalt<br />
außerhalb einer Partnerschaft wandten sich<br />
nach dem schwerwiegendsten Vorfall an die<br />
Polizei oder eine andere Organisation (z. B.<br />
eine Opferhilfe-Einrichtung).<br />
Die Istanbul-Konvention des Europarats, die 2011<br />
angenommen wurde und am 1. August 2014 in Kraft<br />
getreten ist, wurde bisher von 16 Ländern – darunter<br />
Österreich – ratifiziert. Das Übereinkommen sieht<br />
Maßnahmen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt<br />
gegen Frauen sowie zum Schutz aller anderen<br />
Opfer häuslicher Gewalt vor. Die EU-Kommission<br />
muss, so wie vom Europaparlament in einer Resolution<br />
im Februar dieses Jahres gefordert, endlich<br />
eine umfassende Strategie für die Bekämpfung von<br />
Gewalt gegen Frauen erarbeiten.<br />
Gewalt gegen Frauen verursacht in der EU jährlich<br />
schätzungsweise 226 Milliarden Euro an direkten<br />
und indirekten Kosten, wie eine Studie der britischen<br />
Soziologinnen Sylvia Walby und Philippa Olive zeigt.<br />
Präventionsmaßnahmen kosten bedeutend weniger.<br />
Da die gesetzlichen Regelungen zu Verhinderung<br />
von Gewalt und Unterstützung von Opfern in den<br />
EU-Ländern unterschiedlich sind, ist ein umfassender<br />
gesetzlicher Rahmen notwendig. p<br />
> Monika Vana, Grüne EU-Abgeordnete
67 frauen gegen gewalt<br />
wir grüne<br />
wollen:<br />
> Ausbau der Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen<br />
(z. B. Gewaltschutzzentren, Notwohnungen sowie Frauen- und<br />
Mädchenberatungsstellen)<br />
> Verstärkten Gewaltschutz für Frauen, Kinder und Jugendliche sowie<br />
einen Ausbau der Interventionsstellen durch Regionalisierung und<br />
Spezialisierung bei gleichzeitiger Sensibilisierung von Polizei, Justiz<br />
sowie PädagogInnen und im Gesundheitsbereich<br />
> Ausbau von Schulungen, Schulungsmaßnahmen und Seminaren<br />
bzw. Informations- und Sensibilisierungsarbeit besonders im Gesundheitsbereich,<br />
in der pflegerischen und medizinischen Ausbildung<br />
und im Justizbereich sowie die Implementierung von Opferschutzgruppen<br />
in den Spitälern<br />
> Fixe Verankerung des Themas „Gewalt in der Familie“ in der Ausbildung<br />
aller Berufsgruppen, die täglich mit Gewalt in der Familie konfrontiert sind,<br />
sowie verpflichtende Fortbildungen<br />
> Verbesserungen zum Schutz des Kindes: Alle Einrichtungen und<br />
Institutionen, die mit Betroffenen arbeiten, müssen über die Auswirkungen<br />
von Gewalt an Kindern Bescheid wissen und anerkennen, dass Kinder<br />
in jedem Fall von der Gewalt mitbetroffen sind<br />
> Keine gemeinsame Obsorge für Gewalt ausübende Väter im Falle einer<br />
Scheidung/Trennung der Eltern; Kontaktverbot für einen Gewalttäter bei<br />
der Schule, beim Kindergarten, beim Hort und bei der Arbeitsstelle<br />
> Gewaltpräventionsangebote im Bildungsbereich: flächendeckender<br />
Ausbau an Gewaltpräventionsarbeit in Schulen, um Kinder und<br />
Jugendliche vor Gewalt in der Familie zu schützen, sie zu informieren,<br />
zu stärken und zu unterstützen<br />
> Anonymität der Opfer von Frauenhandel im Strafverfahren<br />
> Rechtsanspruch auf Aufenthalt für alle Opfer von Frauenhandel<br />
> Ausreichender Versicherungsschutz und Zugang zu Gesundheitseinrichtungen<br />
in Österreich für Opfer von Frauenhandel
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
68<br />
parlamentarische<br />
arbeit<br />
Frauenpolitische Anfragen (Auszug)<br />
Förderung der Gleichstellung im Schul- und Bildungswesen:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03400/imfname_380127.pdf<br />
Förderung von Frauenorganisationen:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03399/imfname_380124.pdf<br />
Ausschluss von Frauen beim Techniker-Cercle:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03635/imfname_383606.pdf<br />
Gewalt an Frauen:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03618/imfname_383125.pdf<br />
Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung bei Kreditvergaben:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03402/imfname_380133.pdf<br />
Maßnahmen zum Abbau der Einkommensschere:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03403/imfname_380136.pdf<br />
Mädchenförderung (Mädchen und Frauen in nicht traditionellen Berufen):<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03401/imfname_380130.pdf<br />
Auslegung einer Vergewaltigungsdrohung als Unmutsäußerung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04210/imfname_390615.pdf<br />
Frauenpolitische Anträge (Auszug)<br />
Frauenquoten in Aufsichtsräten:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00998/imfname_393654.pdf<br />
Cybermobbing, Sexting:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01003/imfname_393676.pdf<br />
Gendermedizin:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01004/imfname_393687.pdf<br />
Genderspezifische Gesundheitsförderung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01005/imfname_393691.pdf<br />
Gendergesundheit und Gesundheitsbericht:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01006/imfname_393695.pdf<br />
Stärkere Beachtung von Genderunterschieden in der medizinischen Praxis:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01001/imfname_393668.pdf<br />
Grüne Anträge im Pflegebereich (Auszug)<br />
Studie zur Situation pflegender Angehöriger:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00775/index.shtml#tab-Uebersicht<br />
Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00536/index.shtml<br />
Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit<br />
(durch Novellierung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes):<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00392/index.shtml#tab-Uebersicht
69 parlamentarische arbeit<br />
Bundespflegegeldgesetz (BPGG):<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00243/index.shtml#tab-Uebersicht<br />
Gewerberechtliche Trennung von Vermittlungsagenturen<br />
und PersonenbetreuerInnen in der 24-Stunden-Betreuung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00867/index.shtml<br />
Grüne Anfragen im Pflegebereich (Auszug)<br />
Finanzielle Unterstützung von pflegenden Angehörigen für Ersatzpflege:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_00430/index.shtml<br />
Rückstufungen Pflegegeld:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_00431/index.shtml<br />
Selbstversicherung für pflegende Angehörige:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_01264/index.shtml<br />
Selbstversicherung zur Pflege eines behinderten Kindes:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_01693/index.shtml<br />
Inanspruchnahme von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02070/index.shtml<br />
Pflegefonds:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02251/index.shtml<br />
24-Stunden-Betreuung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02735/index.shtml<br />
Steigende Inanspruchnahme der 24-Stunden-Betreuung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03705/index.shtml<br />
Selbstversicherung für pflegende Angehörige:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04518/index.shtml<br />
Grüne Anträge und Anfragen im Bereich<br />
Soziales/Familie/Gesundheit (Auszug)<br />
Keine Verluste für ehemalige KinderbetreuungsgeldbezieherInnen<br />
im Arbeitslosenversicherungsrecht:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00610/index.shtml<br />
Bundes-Verfassungsgesetz, Arbeitslosenversicherungsgesetz, Änderung:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00022/index.shtml<br />
Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes:<br />
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00536/index.shtml<br />
Stärkere Beachtung von Genderunterschieden in der medizinischen Praxis:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01001/index.shtml<br />
Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen mit Behinderungen:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00094/index.shtml<br />
Elternteilzeit parallel zur Karenz:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00684/fnameorig_369177.html<br />
Kinderbetreuungsgeld für Pflegeeltern:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01002/fnameorig_393704.html<br />
Väterbeteiligung beim Kinderbetreuungsgeld:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04148/fnameorig_389482.html<br />
Verlängerung des kostenlosen verpflichtenden Kindergartenjahrs:<br />
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_04099/fnameorig_388341.html
<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
70<br />
kontaktE<br />
Der Grüne Klub im Parlament<br />
Löwelstraße 12<br />
1017 Wien<br />
T +43 1 40 110 6342<br />
F +43 1 40 110 6760<br />
Berîvan Aslan<br />
Abgeordnete zum Nationalrat, Frauen- und<br />
KonsumentInnenschutzsprecherin der Grünen<br />
E berivan.aslan@gruene.at<br />
I www.gruene.at/ayguel-berivan-aslan<br />
Sekretariat:<br />
Angelika Nussbaum<br />
T +43 1 40 110 6532<br />
F +43 1 40 110 6885<br />
E angelika.nussbaum@gruene.at<br />
Die grünen frauen niederösterreich<br />
Daniel-Gran-Straße 48<br />
3100 St. Pölten<br />
T +43 2742 310 660<br />
F +43 2742 310 660 11<br />
E amrita.enzinger@gruene.at<br />
I www.noe.gruene.at/themen/frauen<br />
Die grünen frauen oberösterreich<br />
Landgutstraße 17<br />
4040 Linz<br />
T +43 732 739 400 430<br />
F +43 732 739 400 99<br />
E frauen.ooe@gruene.at<br />
I www.frauen.ooe.gruene.at<br />
Die grünen frauen burgenland<br />
Hauptstraße 16<br />
7000 Eisenstadt<br />
T +43 664 83 17 510<br />
F +43 2682 66 178<br />
E bgld@gruene.at<br />
I www.burgenland.gruene.at/themen/<br />
frauen-gleichbehandlung<br />
Die grünen frauen salzburg<br />
Haydnstraße 2/1<br />
5027 Salzburg<br />
T +43 662 87 63 37<br />
F +43 662 87 63 37 22<br />
E frauen.salzburg@gruene.at<br />
I www.salzburg.gruene.at/themen/frauen<br />
Die grünen frauen kärnten<br />
Sterneckstraße 19<br />
9020 Klagenfurt/Celovec<br />
T +43 463 515 326 11<br />
F +43 463 515 326 27<br />
Barbara Lesjak<br />
Frauensprecherin<br />
Die grünen frauen steiermark<br />
Kaiser-Franz-Josef-Kai 70/1<br />
8010 Graz<br />
Regionalservicebüro<br />
T +43 664 831 74 88<br />
E steiermark@gruene.at<br />
I www.stmk.gruene.at<br />
E barbara.lesjak@gruene.at<br />
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71 grüne frauenorganisationen, impressum<br />
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6020 Innsbruck<br />
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F +43 512 577 109 10<br />
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Gabriele Stauffer (Gesundheit)<br />
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Redaktion:<br />
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Karenzvertretung