grüner frauenbericht 2015
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31 frauen und sichtbarkeit<br />
wo sind die<br />
4,34 millionen<br />
frauen?<br />
Wenn die Frage nach<br />
der Sichtbarkeit von<br />
Frauen in der Gesellschaft<br />
gestellt wird, ist es gleichzeitig<br />
auch immer eine Frage nach Machtverhältnissen,<br />
Hierarchien und der Ökonomie der<br />
Aufmerksamkeit. Wo sind Quoten sinnvoll, und was bewirken<br />
sie (bzw. haben sie schon bewirkt)? Und: Wie werden Frauen<br />
durch sprachliche Gleichstellung sichtbar gemacht?<br />
Warum ist es für dich wichtig, dass in der österreichischen Bundeshymne auch die Töchter vorkommen?<br />
„Ja, weil wir da sind“, antwortet Melanie Schiller auf diese Frage. Es ist ein pragmatisches Argument<br />
– und eines, das sitzt. „Ich finde, man sollte überhaupt einfach ,Menschen‘ schreiben“, fügt Melanie<br />
schmunzelnd hinzu.<br />
Die studierte Kultur- und Sozialanthropologin arbeitet als Leiterin der On-air-Promotion bei OKTO,<br />
einem partizipativen Fernsehsender in Wien. In ihrer Arbeit ist Sichtbarkeit per se ein wichtiges Thema.<br />
Minderheiten und gesellschaftlichen Teilgruppen, Frauen, Männern, LGBTIQ-Personen – allen soll und<br />
wird hier die Möglichkeit gegeben, Fernsehen zu machen. Frauen sind unter den SendungsmacherInnen<br />
auch stark vertreten.<br />
Melanie hat eine klare Botschaft an Mädchen und Frauen: „Take the chance! Du hast viele Möglichkeiten,<br />
nutze die Chancen, die dir das Leben bietet.“ Für die 27-Jährige ist es bedeutend, keine Angst vor der<br />
eigenen Sichtbarkeit zu haben, sich selbst etwas zuzutrauen. „Ganz wichtig ist da das kleine Fünkchen ,Du<br />
schaffst das schon‘, das zum Beispiel Eltern einem Kind mitgeben können“, sagt Melanie. „Meine Kinder<br />
werden auf jeden Fall so aufwachsen.“<br />
Dabei hat es in Melanies Leben auch eine Zeit gegeben, in der sie dachte, dass ein Teil von ihr unsichtbar<br />
sein müsse. Eine junge lesbische Frau, die am Land aufwächst – ihr Coming-out-Prozess war nicht einfach,<br />
aber Melanie hat sich ihren Weg gesucht. Die Kultur- und Sozialanthropologie, die Arbeit und Forschung in<br />
den Bereichen Anti-Rassismus, Migration, Asyl und Queer Studies wurden ihr Zuhause.<br />
An der Universität war Gender-Theorie in ihrer Studienrichtung ein zentrales Thema. „Wo aber Räume mit<br />
Macht gefüllt sind, wie es an der Uni der Fall ist, geht es für Frauen noch immer darum, dass sie sich ihren<br />
Platz hart erkämpfen müssen“, meint Melanie. Strukturelle Gegebenheiten halten alte Machtgefüge hoch –<br />
nicht nur auf der Uni, sondern auch was die Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von<br />
Frauen generell in Gesellschaften betrifft. Darüber hinaus sind Benachteiligungen, die aufgrund Ethnizität,<br />
Religion etc. existieren, ja auch nicht einfach wegzudenken, Diskriminierung wird gemacht.<br />
Die vielfältigen Rollen einer Frau in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten wahrzunehmen, zu<br />
akzeptieren und zu unterstützen ist für Melanie ein wesentlicher Schritt, um die Sichtbarkeit von Frauen<br />
in Gesellschaften zu fördern. „Ich bin ja nicht nur Frau, ich bin in manchen Situationen dann auch große<br />
Schwester, Tochter, gute Freundin, Arbeitskollegin oder eine lesbische Frau, die einfordert, dass sie heiraten<br />
oder mit ihrer Partnerin ein Kind bekommen darf, wenn sie das möchte.“ Das kleine Fünkchen Hoffnung<br />
auf eine gleichberechtigte Welt und der Wille, die Gesellschaft positiv mitzugestalten, sind da in<br />
jedem Fall sinnvolle und wichtige Instrumente. p