grüner frauenbericht 2015
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<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
18<br />
was kostet<br />
die welt?<br />
Ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben bedeutet<br />
auch ein ökonomisch unabhängiges Leben. Frauen arbeiten<br />
jedoch besonders oft in prekären Arbeitsverhältnissen, d.h.<br />
in Teilzeit, oder sie sind geringfügig beschäftigt. Und: Die<br />
Einkommensschere zwischen Frauen und Männern<br />
schließt sich nicht. Warum eigentlich?<br />
„Viele Leute fragen mich, wie ich das alles unter einen Hut bekomme … aber irgendwie geht es sich immer<br />
aus.“ Alexandra Simonic ist das, was man gemeinhin als Workaholic bezeichnen könnte: Sie studiert<br />
Musikmanagement und BWL, arbeitet 20 Stunden in der Woche bei einer Rechtsschutzversicherung,<br />
ist DJane aus Leidenschaft und nebenbei auch noch ehrenamtlich tätig. Man könnte aber auch sagen:<br />
Alexandra ist eine von vielen jungen Frauen, die zwischen Lebensplanung und Lebensfinanzierung einfach<br />
eines wollen: leben.<br />
Dabei hat sie schon relativ früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen: „Ich habe mit 19 die HAK-Matura<br />
gemacht, ein Jahr zuvor bin ich von zuhause ausgezogen. Ab dem Zeitpunkt der Matura habe ich mir mein<br />
Leben selber finanzieren müssen. Im Nachhinein gesehen bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich recht<br />
schnell selbstständig sein musste. Das bringt einen in der persönlichen Entwicklung schnell weiter.“<br />
Arbeit ist für Alexandra identitätsstiftend. „Mein Selbstwert hängt schon stark an dem, was und wofür<br />
ich arbeite“, sagt die 29-Jährige. Gerade der Job als DJane verlangt ihr dabei aber oft einiges ab. „Das<br />
Auflegen ist ein purer Nacht-Job. Wenn ich beispielsweise um 1 oder 2 Uhr anfange, arbeite ich bis 5<br />
oder halb 6 in der Früh. Das schlägt sich natürlich auf den Körper nieder.“ Von ihren Jobs als DJane kann<br />
Alexandra aber allein nicht leben. „Dazu brauchst du in Österreich viele Connections und Glück – und<br />
es hilft, wenn man ein Mann ist“, meint sie. Zwar wird über die Höhe der Gagen in der Branche nicht viel<br />
gesprochen, Alexandra ist aber der Meinung, dass männliche DJs zumindest ernster genommen werden,<br />
wenn sie mehr fordern.<br />
Alexandra macht sich viele Gedanken über die Zukunft. Seit einigen Jahren zahlt sie in eine private<br />
Pensionsvorsorge ein. Gibt das Sicherheit? „Es gibt mir zumindest das Gefühl, das, was mir möglich ist,<br />
getan zu haben“, sagt sie. Als sie vor zwei Wochen nach einem DJ-Gig ein Taxi nach Hause genommen hat,<br />
ist ihr aufgefallen, dass der Taxi-Fahrer schon weit über 70 Jahre alt gewesen sein muss. „In dem Moment<br />
hab ich mich gefragt: Wie lange werde ich eigentlich einmal arbeiten müssen? Wir werden immer älter,<br />
die Gesundheitsversorgung wird immer besser. Aber werde ich mir dieses Gesundheitssystem auch noch<br />
leisten können, wenn ich alt bin?“ Bei so großen Fragen vergisst man oft, dass zwischen Lebensplanung<br />
und Lebensfinanzierung ja vor allem eines möglich sein: leben. Mit 29 genau so wie mit 79. p