grüner frauenbericht 2015
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<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
12<br />
„natürlich betrifft<br />
frauenpolitik<br />
auch männer“<br />
Hat ein Mädchen <strong>2015</strong> in Österreich die gleichen<br />
Zukunftschancen wie ein Bub? Und wie schaut Gleichberechtigung<br />
in zehn Jahren aus? Eva Glawischnig,<br />
die Chefin der Grünen, im Interview.<br />
Wenn wir von Feminismus oder Frauenpolitik<br />
sprechen, wird generell davon ausgegangen, dass<br />
das Thema „nur“ Frauen betrifft. Warum ist diese<br />
Annahme falsch?<br />
Eva Glawischnig: Natürlich betrifft Frauenpolitik<br />
auch Männer. Bis 1975 durften Frauen ohne Zustimmung<br />
des Mannes nicht arbeiten, über den Wohnsitz<br />
mitentscheiden und den Familiennamen wählen. Da<br />
haben Frauen viel an Selbstständigkeit erkämpft,<br />
und Männer mussten entsprechend Macht abgeben.<br />
Andererseits verändert der Feminismus traditionelle<br />
Rollenerwartungen an Männer.<br />
„Ganze Männer machen halbe-halbe“ – diese<br />
Forderung wurde erstmals 1996 von der damaligen<br />
SPÖ-Frauenministerin Helga Konrad gestellt. Und<br />
sie findet sich u.a. auch in diesem Frauenbericht<br />
wieder. Was hat sich in fast 20 Jahren getan?<br />
Männer gehen immer öfter in Karenz. Im Öffentlichen<br />
Dienst gibt es endlich einen Rechtsanspruch<br />
auf einen Papa-Monat. Immerhin 353 Männer haben<br />
von diesem Gebrauch gemacht. Allerdings gehen<br />
Männer deutlich kürzer in Karenz. Mehr Väterbeteiligung<br />
wäre notwendig. Die meiste Zeit mit den<br />
Kindern verbringen immer noch die Mütter.<br />
Eine zentrale Forderung der Grünen lautet: gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit. Oft hört man das Argument,<br />
Frauen könnten gar nicht weniger verdienen,<br />
weil es ja Kollektivverträge gibt. Verhandeln Frauen<br />
einfach schlechter?<br />
Erstens gibt es nicht überall Kollektivverträge, und<br />
zweitens sind die „traditionellen Frauenberufe“ viel<br />
schlechter bezahlt. Regina Petrik, unsere burgenländische<br />
Spitzenkandidatin, hat ein Jahr lang in<br />
unterschiedlichen Berufen, etwa als Näherin, als<br />
Verkäuferin usw. gearbeitet. Am besten verdient hat<br />
sie als Bauarbeiterin, also in einem „traditionellen<br />
Männerberuf“. Und dann gibt es noch die gläserne<br />
Decke: In europäischen Topunternehmen ist nur eines<br />
von sieben (13,7 %) Aufsichtsratsmitgliedern und<br />
nur eine von 30 VorstandschefInnen (3,2 %) weiblich.<br />
Warum käme ein gesetzlicher Mindestlohn von<br />
1.550 Euro vor allem Frauen zugute?<br />
Frauen verdienen in Österreich im Schnitt um 23%<br />
weniger als Männer. Eine Sekretärin bei einem Notar<br />
oder einem Rechtsanwalt, aber auch eine Friseurin<br />
würde daher von einem gesetzlichen Mindestlohn<br />
deutlich profitieren.