grüner frauenbericht 2015
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<strong>frauenbericht</strong> <strong>2015</strong><br />
40<br />
geschlechtersind<br />
nicht<br />
klischees<br />
g’scheit<br />
Es gibt sie nach wie vor: die klassischen Frauen- und<br />
Männerdomänen im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt.<br />
Frauen in Führungspositionen? Erfolgreich, aber rar. Frauen in<br />
Technikberufen? Qualifiziert, aber selten. Nur durch ein geschlechtersensibles<br />
Bildungssystem kann es echte Chancengleichheit im<br />
Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt geben.<br />
Raspberry, also Himbeere. Raspberry Pi, um genauer zu sein – so heißt das kleine blaue Kästchen auf Nele<br />
Schnabls Schreibtisch. Es ist kaum größer als ein Seifenstück, aber ein voll funktionsfähiger Computer, und<br />
es kann alles, was man als angehende EDV-Technikerin zum Programmieren und Experimentieren braucht.<br />
„Hast du schon mal von Linux gehört? Shell Command?“, fragt Nele. „Obwohl … das ist vielleicht schon ein<br />
bisschen nerdig.“ Raspberry Pi wurde vor ein paar Jahren mit dem Ziel entwickelt, jungen Menschen den<br />
Erwerb von Programmier- und Hardwarekenntnissen zu erleichtern. Und Nele ist jetzt eine davon.<br />
Die gebürtige Waldviertlerin hat in der siebten Klasse Gymnasium die Schule abgebrochen. Die angefangene<br />
AugenoptikerInnen-Lehre stellte sich als mäßig interessant heraus, also fragte Nele ihre AMS-Betreuerin, ob<br />
sie beim Programm „Frauen in Handwerk und Technik“, kurz FiT, mitmachen könnte. Sie konnte. Mit dem<br />
Programm wird die Qualifizierung von Frauen in handwerklich-technischen Berufen gefördert. „Ich hab mir<br />
eine Holzwerkstatt angeschaut, den Bereich Elektronik, ich hab überall ein bissl reingeschnuppert.“ In ihrem<br />
jetzigen Lehrbetrieb wurde sie aufgenommen, nachdem sie ein EDV-Praktikum absolviert hatte. „Nele hat<br />
sich im Praktikum sehr bewährt“, meint ihr Lehrlingsbetreuer Oliver. „Auf sie kann man sich verlassen. Sie ist<br />
sehr genau, und das ist in diesem Job das Um und Auf.“ „Ich lern das schnell“, meint Nele. „Ich schau’s mir<br />
an, mach’s einmal, und dann hab ich es mir gemerkt.“<br />
Die EDV-Abteilung, in der Nele arbeitet, ist klein. Neben Oliver hat Nele noch eine Kollegin. „Mädchensein<br />
in dem Beruf war deshalb für mich bisher das Normalste auf der Welt, auch weil meine Schwester EDV-<br />
Technikerin ist. Erst in der Berufsschule hab ich mitbekommen, dass der Technikbereich noch immer<br />
männerdominiert ist“, sagt Nele. In ihrer Klasse ist sie das einzige Mädchen. „Es gibt nur männliche Lehrer,<br />
aber wir haben eine Direktorin!“<br />
Nele will auf jeden Fall die Matura nachmachen und hat sich auf Anraten des Klassenvorstands für die<br />
Berufsmatura angemeldet. Die Lehre mit Reifeprüfung machen laut einer Statistik des Bildungsministeriums<br />
übrigens 8,7% aller Lehrlinge, Tendenz: steigend.<br />
„Nach der Lehre will ich ein paar Jahre arbeiten, dann aber vielleicht noch studieren – Kultur- und<br />
Sozialanthropologie würde mich interessieren.“ Die Ausbildung, so Nele, ist für sie die Sicherheit, jederzeit<br />
wieder in den Job zurückkehren zu können. „EDV-TechnikerInnen werden ja immer und überall gesucht.“ Ein<br />
Job mit Zukunft also – und eine Frau, die noch viel vorhat. p