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{scrmn | interview | dominik eulberg}<br />
DOMINIK EULBERG üBER DIORAMA<br />
DoMiNiK<br />
EulBeRg<br />
Hallo <strong>Dominik</strong>, der Winter ist vorbei, der Frühling vor der Tür und draußen beginnt alles zu<br />
blühen. Eigentlich doch genau deine Jahreszeit, oder?<br />
Ich liebe eigentlich jede Jahreszeit. Das ständige Kommen und Gehen gibt einem ein schönes Bewusstsein,<br />
was ein Jahr und was Zeit ist. Ein Glück, dass wir nicht am Äquator leben. Der Frühling<br />
lässt natürlich das Herz eines Naturfreundes immer höher schlagen. Gerade heute habe ich mich<br />
an den imposanten Lärchensporn-Teppichen in den noch lichten Wäldern erfreut. Mein Lieblingsjahreszeit<br />
ist aber dennoch der Herbst, wenn die Natur sich nochmal mit Pauken und Trompeten<br />
in schmuckem Bunt-Laub verabschiedet und ein Hauch der Melancholie und der Vergänglichkeit<br />
in der Luft liegt, da spürt man immer sehr deutlich worauf es im Leben ankommt...<br />
Auch auf „Diorama“ zeigt sich wieder deine Naturverbundenheit. Welche Geschichten stecken<br />
hinter Tracktiteln wie „Teddy Tausendtod“ und „Die drei Millionen Musketiere“?<br />
Für mein viertes Album „Diorma“ habe ich in Kooperation mit dem NABU die elf größten Natur-<br />
Wunder unserer heimischen Gefilde gesucht. Denn nicht nur an den exotischen Orten der Erde<br />
gibt es fantastische Errungenschaften der Natur: auch vor unserer eigenen Haustür existieren<br />
verblüffende Wunder, deren Existenz jedoch meist verborgen bleibt. Nur bei genauem Hinschauen<br />
und dem Bewusstsein ihrer Geheimnisse, erblicken wir eine mirakulöse Welt.<br />
Wie etwa „Teddy Tausendtod“. Die winzig kleinen Bärtierchen sehen aus wie tapsige Mini-Teddys,<br />
daher ihr Name. Trocknen sie aus, verbleibt nur noch eine medizinisch tote Hülle übrig. Auch nach<br />
mehreren Jahren ohne Nahrung erweckt ein einfacher Tropfen Wasser sie wieder zum Leben!<br />
Oder „Die drei Millionen Musketiere“: Einer für alle, alle für einen! Eine Ameise alleine ist ziemlich<br />
doof und zu keinen großen Meistertaten fähig. Durch den genialen, selbstorganisierten Staat<br />
aus Millionen von Ameisen, entsteht jedoch eine verblüffende, kollektive Intelligenz, woraus zum<br />
Beispiel perfekt konstruierte Bauten hervorgehen.<br />
Wie setzt du denn solche Ideen in deinen Tracks um?<br />
Zu jedem Wunder habe ich mich hingesetzt und ein eigenes Stück komponiert, seine Eigenschaften<br />
und meine Gefühle dazu musikalisch umgesetzt. Wie etwa bei dem Stück „Das Neunauge“.<br />
Hier wird ein sehr eigentümlicher Fisch beschrieben, welcher als lebendes Fossil gilt. Auch<br />
seine Lebensgeschichte ist sehr außergewöhnlich, da dieses urtümlichen Wesen seine ersten fünf<br />
Lebensjahre in einem wurmartigen Larvenzustand verbringt, um sich dann schlagartig innerhalb<br />
von drei Wochen zu einem vollständigen Fisch zu verwandeln. Deshalb ist das Musikstück dazu bis<br />
zur Mitte fast archaisch dubbig. Melodiefetzen setzen sich im Kopf zu neuen Gebilden zusammen,<br />
so wie die sieben Kiemenöffnungen, Nasenloch und Auge zusammen wie die neun Augen des<br />
Fisches erscheinen. Plötzlich schlägt das Stück eine andere Richtung ein, bekommt eine lebendige,<br />
ravige Note, ganz im Sinne des Neuenauges, dass sich schlagartig zu einem vollständigen<br />
Fisch verwandelt.<br />
Wie unterscheidet sich „Diorama“ denn zu deinen letzten Alben?<br />
„Diorama“ wurde mit klarem Ziel vor Augen geschrieben, bei dem ich alle Facetten elektronischer<br />
Musik ins Visier genommen habe. Dabei habe ich mir den Technomantel etwas aufgenüpft mit der<br />
Intention zeitlose Elektronik schrieben, fern ab von irgendwelchen Trends oder Hypes. Ich habe<br />
hier versucht noch mehr die Schönheit der Melodien in den Vordergrund zu rücken und viel Wert<br />
NExT DATES:<br />
09.04.2011 – LOFT CLUB LUDWIGSHAFEN<br />
30.04.2011 – MAyDAy DORTMUND<br />
{scrmn | interview | dominik eulberg}<br />
auf organische Soundlandschaft gelegt, um den<br />
Hörer mit auf einen akustischen Spaziergang<br />
durch die wunderhafte Welt des Dioramas zu<br />
nehmen.<br />
Diese Verbindung zwischen elektronischer<br />
Musik und Natur ist wirklich einzigartig. Was<br />
würdest du jungen Produzenten raten, um ihren<br />
individuellen Stil und Richtung zu finden?<br />
Ich selber habe musikalisch einfach immer<br />
das getan worauf ich gerade Lust hatte. Da ich<br />
Biologie studiert habe und Natur meine große<br />
Passion ist, war es einfach das naheliegenste<br />
diese Leidenschaft mit der musikalischen zu<br />
verknüpfen und kein ausgeklügeltes Konzept. Ich<br />
stelle immer wieder fest, dass nur die Menschen<br />
und Musiker eine wirkliche Aufmerksamkeit<br />
bekommen, die authentisch sind und die Musik<br />
der Musik wegen machen, weil sie einfach das<br />
machen müssen und nicht aus kapitalistischen<br />
oder profilneurotischen Beweggründen. Jeder<br />
junge Produzent sollte einfach die Musik machen,<br />
die ihm seine inner Stimme zuflüsstert, egal ob<br />
Rave, Schlager oder Dub-Step. Erst wenn man<br />
nicht versucht andere Größen oder Hypes zu<br />
imitieren, wird man automatisch einen eigenen<br />
Stil entwickeln und sich von dem Einheitsbrei<br />
abheben.<br />
Du hast letztes Jahr beim Jetztmusikfestival<br />
in deiner Show „Vom Big Bang zu Bambi“ gezeigt,<br />
dass dir auch ruhigere, sphärische Ambientsounds<br />
liegen. Können wir in Zukunft auch<br />
mehr aus dieser Richtung von Dir erwarten?<br />
Ambient und elektronische Musik mit gemäßigtem<br />
Tempo sind schon lange Musikrichtungen,<br />
die mich sehr interessieren und die ich auch<br />
gerne während der Woche höre. Dies ist auch die<br />
Musik, mit der ich Anfang der 90er bewusst angefangen<br />
habe zu produzieren. Schon seit 3 Jahren<br />
arbeite ich jetzt parallel zum Technowahnsinn an<br />
einem Ambient-Album, welches ich aber völligst<br />
losgelöst von irgenwelche Deadlines je nach Muße<br />
produziere. Wann es also erscheinen wird bleibt<br />
weiter spannend.<br />
Was machst du eigentlich in deiner Freizeit,<br />
wenn du mal nicht in der Natur unterwegs bist?<br />
Das ist in der Tat eine sehr schwierige Frage, da<br />
ich meine Freizeit tatsächlich am liebsten damit<br />
verbringe zu wandern, Vögel zu beobachten oder<br />
sonst irgendwie im Grünen zu sein. Ansonsten<br />
lese ich gerne, philosophiere gerne nächtelang<br />
mit Freunden oder gehe in die Sauna. Ich habe<br />
es auch mal mit Golf probiert, aber diese biedere<br />
Klientel hat mir schnell die nicht abzustreitende<br />
Freude an diesem Sport genommen.<br />
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