Schana Tova - Abraham Geiger Kolleg
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Keschet<br />
9. Jahrgang Ausgabe 1 September–Dezember 2003 Tischri–Kislew 5764<br />
Informationen über<br />
Rosch Haschana 5764<br />
liberales Judentum<br />
in Deutschland, Österreich<br />
Umkehr führt die Versöhnung herbei<br />
und der Schweiz<br />
von Rabbiner Leo Baeck<br />
„Das Jüdische Jahr“ ist ein zehnseitiger<br />
Aufsatz überschrieben, den Leo Baeck<br />
(1873–1956) für den Almanach des Berliner<br />
Schocken-Verlags auf das Jahr 5695 (1934/35)<br />
geschrieben hatte und aus dem wir an dieser<br />
Stelle einen kurzen Auszug bringen, der den<br />
Yamim Nora’im gewidmet ist.<br />
Ein Sabbathaftes ist auch der Feiertag, und vor<br />
allem sind es das Neujahr, Rosch Haschana,<br />
und der Versöhnungstag, Jom hakkkippurim.<br />
Durch eine Woche voneinander geschieden,<br />
gehören sie doch als ein Ganzes zusammen<br />
und fügen durch diese Einheit zugleich die<br />
trennende Woche in sich ein. Sie wollen beide<br />
demselben seinen Ausdruck geben, dem gebietenden<br />
Gedanken, dass die Zeit des Menschen<br />
zur Geschichte des Menschen wird, zum<br />
Geschick einer Geschichte oder zur Freiheit<br />
einer Geschichte. Oder wie ein Satz des Buches<br />
Hiob, wie Raschi ihn erklärt hat, und wie er<br />
dann zum Gebete an den beiden Feiertagen<br />
geworden ist, dies zum wundersamen Bilde<br />
macht: „Durch die schreibende Hand eines<br />
jeden Menschen beschließt Gott, damit er alle<br />
Menschen erkenne, die er gemacht hat.“ Die<br />
Zeit ist hier das Buch des Menschen geworden,<br />
das er verfasst, dessen Seiten er schreibt. Neujahr<br />
und Versöhnungstag legen es vor ihn hin,<br />
fragen ihn, ob es Buch des Schicksals werde<br />
oder Buch der Freiheit.<br />
Der Rosch Haschana fragt ihn zuerst. Dieser<br />
Tag wird hier nicht, wie sonst, und das ist sein<br />
Eigentümliches, an Himmel und Erde abgelesen.<br />
Am jüdischen Neujahr beginnt nichts und endet<br />
nichts in der Welt, nichts auf Erden und am Himmel<br />
– es sei denn, dass ein Monat schließt und<br />
anhebt so wie die anderen Monate des Jahres.<br />
Es ist nicht ein Tag von dem, was ist, sondern<br />
ein Tag dessen, was sein soll. Im Menschen soll<br />
etwas aufhören und anfangen. Der Sterbliche<br />
soll neu werden, er, der Vergehende, wird wieder<br />
geboren; um ihn handelt es sich hier, nicht<br />
um Erde und Himmel. Ein Tag der Entscheidung<br />
wird hier gefeiert, der sittliche Wille wird aufgerufen,<br />
dass er in die Zeit eintrete, in das Buch<br />
der Schöpfung die Freiheit eines Menschenlebens<br />
einschreibe und damit Zeitenschicksal<br />
überwinde. Das ist hier Neujahr.<br />
Damit ist dem anderen Teil des Ganzen, dem<br />
Versöhnungstag, sein Platz gegenüber der<br />
Zeit gewiesen. Zeit geht immer weiter, die Zeit<br />
des Menschen immer wieder vom Gestern<br />
durchs Heute zum Morgen hin. Zeit kann nicht<br />
umkehren, Daseinsschicksal nicht umgewandt<br />
werden. Gestern und was es bedeutet, kann<br />
nicht fortgenommen werden. Aber es ist die<br />
große Paradoxie dieser Religion, dass sie den<br />
Menschen dem Zeitenlaufe entgegenstellt.<br />
Sie kann es ihm durch den Jomkippur gebieten<br />
und dadurch, dass sie gebietet, es ihm als den<br />
letzten Sinn seines Lebens zusprechen, dass<br />
er inmitten der Zeit und trotz der Zeit umkehre,<br />
dass er den Gang seines Lebens wende. Er soll<br />
und kann aus der Zeit heraustreten. Er erhebt<br />
sich zu Gott und damit über den Schicksalswandel<br />
der Zeit; er steht in dem Weg des Ewigen<br />
und lässt das Gestern und dessen Zeichen<br />
vorbeiziehen. Wie durch den Rosch Haschana<br />
an die Stelle des Verhängnisses das sittliche<br />
Gebot, die Entscheidung des Menschen gesetzt<br />
wird, so durch den Jomkippur an die Stätte der<br />
Unabwendbarkeit die Umkehr des Menschen.<br />
Die Zeit, die unabänderlich dahingehende, sie<br />
ist das Unversöhnliche; Umkehr, diese immer<br />
wieder mögliche, führt die Versöhnung herbei.<br />
Der Mensch wird versöhnt, er hat durch den<br />
großen Sabbat die Zeit besiegt.<br />
Liebe Freunde,<br />
das zu Ende gehende jüdische Jahr war stark<br />
von der Politik geprägt. Mit tatkräftiger<br />
Unterstützung der World Union for Progressive<br />
Judaism (WUPJ) haben wir gegenüber<br />
der Bundesregierung und dem Deutschen<br />
Bundestag deutlich gemacht, dass auch die<br />
Union progressiver Juden und ihre dreizehn<br />
Mitgliedsgemeinden bei der nun durch einen<br />
Staatsvertrag abgesicherten finanziellen<br />
Förderung berücksichtigt werden müssen.<br />
Die Ansprache von Bundesinnenminister<br />
Otto Schily bei der Festveranstaltung zum 75.<br />
Jahrestag der ersten WUPJ-Konferenz in Berlin<br />
sowie das Grußwort des Zentralratspräsidenten<br />
Paul Spiegel zeigen, dass dieser Anspruch<br />
unbestritten ist. Wir erwarten, dass bald auch<br />
praktische Lösungen folgen werden.<br />
Die politische Auseinandersetzung hat<br />
manchmal den Blick dafür verstellt, dass<br />
die liberalen jüdischen Gemeinden aus dem<br />
jüdischen religiösen Spektrum in Deutschland<br />
nicht mehr wegzudenken sind. Die Erfolge, zu<br />
denen auch die beeindruckende Kinder- und<br />
Jugendbetreuung wie das Sommermachane<br />
mit 71 Teilnehmern zählen, sind der Verdienst<br />
der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
in den Gemeinden sowie der dort tätigen<br />
Rabbinerinnen und Rabbinern, wofür ich allen<br />
herzlich danken will.<br />
Wir haben allen Grund, optimistisch in das<br />
neue Jahr zu blicken; mit einer Zuversicht,<br />
die Pläne zum Bau neuer liberaler Synagogen<br />
einschließt, etwa in Hameln, Hannover und<br />
Bad Segeberg. Die liberale jüdische Gemeinde<br />
Or Chadasch in Wien, die uns eng verbunden<br />
ist, wird schon in den nächsten Monaten ihre<br />
neuen Räume in der Robertgasse beziehen.<br />
Möge es für jeden persönlich ein gutes und<br />
„süßes“ Jahr werden!<br />
<strong>Schana</strong> Towa 5764<br />
Dr. Jan Mühlstein, Vorsitzender der Union<br />
progressiver Juden in Deutschland
Foto: Marco Leipold, City-Press<br />
„Der Staat und namentlich die Bundesregierung<br />
respektiert selbstverständlich die geistige und<br />
religiöse Autonomie der jüdischen Gemeinschaft<br />
in Deutschland. Gleichwohl haben wir unsere<br />
besondere Verantwortung durch einen Staatsvertrag<br />
zum Ausdruck gebracht.(...) So wie Bundesregierung,<br />
Bundestag und Bundesrat dabei die<br />
gesamte deutsche Gesellschaft repräsentieren,<br />
so erwarten wir umgekehrt, dass der Zentralrat<br />
der Juden in Deutschland die gesamte jüdische<br />
Gemeinschaft in Deutschland in die Praxis dieses<br />
Vertrages mit einbezieht.<br />
Bundesinnenminister Otto Schily<br />
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Jahrestagung der Union<br />
„Beginnt, die Zukunft zu bauen!“<br />
Aufbruchstimmung zum Jubiläum der World Union<br />
von Chajm Guski<br />
Ehrengäste: Prof. Ernst Cramer und Prof. Dr. Ernst<br />
Ludwig Ehrlich im Jüdischen Gemeindehaus<br />
Rund zweihundert Teilnehmer kamen im Juli<br />
zur Jahrestagung der Union progressiver Juden<br />
in Deutschland nach Berlin. Eröffnet wurde<br />
sie mit einer Festveranstaltung anlässlich des<br />
75. Jahrestages der ersten internationalen<br />
Konferenz der WUPJ, die 1928 unter der Ägide<br />
von Leo Baeck in Berlin stattgefunden hatte.<br />
Baecks Appell damals: „Beginnt, die Zukunft<br />
zu bauen!“<br />
Höhepunkte einer Veranstaltung werden stets<br />
individuell wahrgenommen, für einige kann es<br />
die festliche Abendveranstaltung am 10. Juli<br />
im Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde<br />
zu Berlin gewesen sein, für andere der Gottesdienst<br />
mit fast zweihundert Teilnehmern,<br />
die auf überwältigende Weise „Ejn Kamocha“<br />
gemeinsam singen, oder die Möglichkeit, mit<br />
anderen engagierten Jüdinnen und Juden ein<br />
jüdisches Thema zu diskutieren.<br />
Vor aller Sacharbeit stand die Festveranstaltung<br />
der World Union for Progressive<br />
Judaism, zu der Bundesminister Otto Schily<br />
als Gastredner geladen war. Die Erwartungen<br />
an die Bundesregierung und ihn war im voll<br />
besetzten Hermann-Stahl-Saal der Jüdischen<br />
Gemeinde zu Berlin praktisch spürbar: nach<br />
dem historischen Exkurs seiner Rede wollte<br />
man Tacheles hören. Schily spricht vom Respekt<br />
der Bundesregierung den jüdischen Gemeinden<br />
gegenüber, zieht aber dann die Augenlider<br />
zusammen und sagt mit Blick auf den Staatsvertrag,<br />
er erwarte„ dass der Zentralrat der Juden<br />
in Deutschland die gesamte jüdische Gemeinschaft<br />
in Deutschland in die Praxis dieses Vertrags<br />
mit einbezieht.“ Klarer konnten die Worte<br />
nicht sein. Phillip Gessler von der „taz“ spottet<br />
jedoch später: „Die Bundesregierung dagegen,<br />
allen voran der für Religion zuständige Minister<br />
Schily, fördert die „Union“ - nicht zuletzt, weil<br />
das liberale Judentum in den USA recht einflussreich<br />
sei und viele liberale jüdische Gemeinden<br />
im Kanzler-Heimatland Niedersachsen lägen, so<br />
Kenner der Szene“. Wenn Gessler so unbedarft<br />
kommentiert, zeigt er, woran es noch immer<br />
mangelt: An der Anerkennung nicht-orthodoxen<br />
jüdisch-religiösen Lebens in Deutschland. Ist es<br />
da nicht erfreulich, wenn Paul Spiegel in seinem<br />
2<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Grußwort schreibt: „Das neuerliche Wachstum<br />
der Strömung des progressiven Judentums ist<br />
für mich ein positives Zeichen“? Und weiter:<br />
„Ich bin zuversichtlich, dass wir hinsichtlich<br />
der institutionellen Umsetzung dieses pluralistischen<br />
Anspruchs in der gemeinsamen Vertretung<br />
der Juden in Deutschland nach Aufklärung<br />
sachlicher Missverständnisse einen gemeinsamen<br />
Konsens finden werden.“ Der Vorsitzende<br />
des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in<br />
Hessen, Moritz Neumann, sieht das anders. Er<br />
forderte im vergangenen Jahr eine andere Haltung<br />
des Zentralrates: „Jetzt sehen die häufig<br />
selbsternannten Vertreter des ‚progressiven Judentums’<br />
eine neue Zielgruppe vor Augen - und<br />
zudem den süßen Nektar staatlicher Förderung.<br />
Wenn der Zentralrat nicht beharrlich, klug und<br />
verantwortungsvoll Position bezieht und den<br />
unverzichtbaren Wert des Festhaltens an den<br />
jüdischen Traditionen zu vermitteln versteht,<br />
könnte die wahrlich unvernünftige Spaltung<br />
des Judentums in Deutschland vorprogrammiert<br />
sein.“.<br />
Realitätsbezogener war das Grußwort des<br />
Vorsitzenden der Union Progressiver Juden<br />
in Deutschland. Dr. Jan Mühlstein (München)<br />
fasste zusammen, was die progressiven<br />
Gemeinden Deutschlands, Österreichs und der<br />
Schweiz charakterisiert: „Die liberalen Gemeinden<br />
entfalten ein reiches jüdisches Leben, trotz<br />
oft beengter räumlicher Bedingungen und trotz<br />
knapper Finanzmittel“, sie sind „egalitär, jung<br />
und familienorientiert“ und „stark in der gesellschaftlichen<br />
Bildungsarbeit und im interreligiösen<br />
Dialog vertreten“, und auch der Vorsitzende<br />
der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander<br />
Brenner, fand in seiner Ansprache positive<br />
Worte: „Ich möchte betonen, dass die WUPJ zu<br />
den ersten jüdischen Auslandsorganisationen<br />
gehörte, die nach dem Krieg Verbindungen<br />
mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland<br />
aufnahm.“<br />
Bei der anschließenden 9. Jahrestagung der<br />
Union in Berlin-Spandau wurde das große<br />
Engagement der Liberalen offensichtlich. Es ist<br />
erstaunlich, mit wie wenig Mitteln und allein<br />
durch ehrenamtlichen Einsatz Infrastrukturen<br />
geschaffen worden sind und über Gottesdienste<br />
und Simches auch auch beachtliche Sozial-<br />
und Integrationsarbeit geleistet wird. Eine<br />
Ausstellung mit Präsentationsständen der Unionsgemeinden<br />
zeigte, dass die Arbeit der vielen<br />
helfenden Hände Früchte trägt. Mancherorts<br />
wurde eine Gemeinde geradezu aus dem Nichts<br />
aufgebaut, und schon die Tatsache, dass man<br />
nicht allein steht, ermuntert zur Weiterarbeit.<br />
Die praxisbezogenen Workshops und Vorträge<br />
beschäftigten sich auf Russisch, Englisch und<br />
Deutsch mit einer breiten Vielfalt von Themen,<br />
etwa mit der Gestaltung von Gottesdiensten an<br />
den Hohen Feiertagen, der Rolle des Rabbiners<br />
Foto: Margrit Schmidt
Foto: Margrit Schmidt<br />
im Gottesdienst, dem Umgang mit christlichen<br />
Gästen, der Wissenschaft des Judentums, aber<br />
auch mit Trauerritualen, der Wiederbelebung jüdischen<br />
Lebens in der ehemaligen Sowjetunion<br />
oder den Chancen und Grenzen interreligiöser<br />
und interkultureller Partnerbeziehungen. Wichtig<br />
und beachtenswert war auch der Workshop<br />
„Jüdischen Partnerschaftszeremonien für<br />
lesbische und schwule Paare“. Zu diesem<br />
Anlass wurde ein Büchlein herausgegeben, das<br />
eine Reihe deutschsprachiger Beiträge enthält,<br />
die weit über die rein akademische Betrachtung<br />
von Homosexualität im Judentum hinausgehen<br />
und schon die Möglichkeit der Entwicklung<br />
einer entsprechenden Partnerschaftszeremonie<br />
diskutieren und für die Inklusivität der liberalen<br />
Gemeinden sprechen. Es ist die erste deutschsprachige<br />
Publikation zu diesem Thema.<br />
Am Schabbat standen natürlich Schiurim und<br />
der Wochenabschnitt im Mitelpunkt.. Zentral<br />
und von großer Emotionalität geprägt waren<br />
die Gottesdienst. So leitete die Gemeinde Emet<br />
weSchalom aus dem hessischen Gudensberg<br />
ein stimmungsvolles Gebet, das feierlich auf<br />
den Schabbat vorbereitete. Am Ende der Draschah<br />
erinnerte Rabbinerin Irith Schillor daran,<br />
dass der Rabbinerstudent Andreas Hinz kurz<br />
nach der letzten Jahrestagung umgekommen<br />
war. Deborah Tal-Rüttger intonierte für ihn ein<br />
ergreifendes „El malej Rachamim“. Schacharit<br />
Schabbat stand im Zeichen des Wachstums<br />
jüdisch-liberalen Lebens in Europa, der Gottesdienst<br />
wurde von den Studenten des <strong>Abraham</strong>-<br />
<strong>Geiger</strong>-<strong>Kolleg</strong>s durchgeführt und geleitet. Die<br />
Torahlesung wurde begleitet von Erklärungen<br />
zum gerade geleinten Passuk Zum Ende dieses<br />
Gottesdienstes erhielt die Münchner Gemeinde<br />
Beth Schalom einen Parochet, der kurz vor der<br />
Schoah seinen Weg aus Deutschland in die USA<br />
gefunden hatte und jetzt nach Deutschland<br />
zurückgekehrt ist. Hier noch von einer Kette von<br />
„Zufällen“ zu sprechen, wäre geradezu Hohn.<br />
Die Reise des Parochets veranschaulicht auf geradezu<br />
verblüffende Weise die Wiedererstehung<br />
liberalen jüdischen Lebens in Deutschland! In<br />
Deutschland entstanden, in den USA vor der<br />
Vernichtung bewahrt und zurückgekehrt nach<br />
Deutschland, um weiterzuwirken um Moderne<br />
und Tradition, Vergangenheit, Gegenwart<br />
und Zukunft miteinander zu verbinden. Eine<br />
ähnlichen Zusammenhang hatte man schon<br />
am ersten Abend im Jüdischen Gemeindehaus<br />
geschaffen: Es wurden sechs Kerzen gezündet,<br />
einerseits zum Gedenken unserer sechs Millionen<br />
Opfer der Schoah, andererseits, um die<br />
Säulen liberalen jüdischen Lebens im heutigen<br />
Deutschland darzustellen. Die erste Kerze entzündete<br />
Otto Schily, um die Bemühungen des<br />
deutschen Volkes um Frieden und Versöhnung<br />
zu symbolisieren, die zweite wurde von zwei<br />
ehemaligen und der aktuellen Vorsitzenden<br />
der WUPJ, Austin Beutel, Gerry Daniel und<br />
Ruth Cohen entzündet, um zu zeigen, dass die<br />
progressiven Gemeinden Teil einer weltweiten<br />
Gemeinschaft sind. Die dritte Kerze war Dr. Leo<br />
Hepner und Rabbiner Awraham Soetendorp für<br />
die europäische Sektion der WUPJ anvertraut.<br />
Die vierte Kerze wurde von Aktivisten deutscher<br />
liberaler Gemeinden, Maria Drach, Deborah<br />
Tal-Rüttger und Adi Weichselbaum, entzündet,<br />
die fünfte von Zuwanderern aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion, Polina Pets und Anatoli Tiktiner.<br />
Für die zukünftigen religiösen Mentoren der<br />
europäischen Bewegung traten mit Alina<br />
Treyher (Russland), Daniel Alter (Deutschland)<br />
und Tom Kucera (Tschechien) drei Studenten<br />
des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s auf das Podium<br />
und schlossen so abermals den Bogen zwischen<br />
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. ---„Fast<br />
hätte man mich von der Erde ausgetilgt, dennoch<br />
halte ich fest an Deinen Verordnungen…“<br />
(Tehillim 119:87): für wen gilt mehr das Wort<br />
des Psalmisten als für unsere jüdische Gemeinschaft<br />
in Deutschland?<br />
Zu Rosch Haschana 5764 wünschen wir allen Mitgliedern<br />
und Freunden ein glückliches und friedvolles neues Jahr.<br />
Jüdische Liberale Gemeinde Köln – Gescher LaMassoret<br />
3<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
„It was here in Germany, that the Genesis of<br />
Liberal Judaism occured; it was here in Germany,<br />
that tha Destruction of this form of Judaism,<br />
which had taken upon itself the leadership of<br />
German Jewry as a whole, occured; and it is<br />
here in Germany, that we are now witnessing an<br />
era of Renewal. New and promising seeds have<br />
now been sown and they have already begun to<br />
bear fruit within the growing Jewish community.<br />
Rabbi Leo Baeck’s words of 75 years ago have a<br />
redoubled force and echo in our ears: “Begin to<br />
create the future!”<br />
Ruth Cohen, President, WUPJ<br />
„Wie Jung und Jüdisch, nur noch besser!“,<br />
so wurde mir die Jahrestagung verheißen,<br />
als das letzte JuJ-Seminar im April in<br />
Berlin zu Ende ging und ich mich schweren<br />
Herzens verabschiedete. Und es hat sich<br />
bewahrheitet: Wie meine erste Teilnahme<br />
an einem JuJ-Seminar war „meine erste<br />
Jahrestagung“ ein voller Erfolg.<br />
Schon der Einstieg mit heftiger Diskussion<br />
im Workshop von Chajm Guski bewies,<br />
dass die Teilnehmer ihr „Judentum als<br />
Aufgabe“ ernst nehmen. Eine große Freude<br />
war für mich, Adina und Tovia Ben-Chorin<br />
zu Fragestellungen aus der jüdischen Lebensgestaltung<br />
jeweils live zu erleben. Ans<br />
Eingemachte ging auch Ewa Alfred als Spezialistin<br />
für gemischte Partnerschaften. Neben<br />
den vielen Begegnungen habe ich mit<br />
den intensiven Workshops viele Impulse für<br />
mein Leben als Jüdin erfahren. Interessant<br />
waren für mich zudem die Tischgespräche<br />
mit Vertretern der European Region über<br />
die Situation des liberalen Judentums im<br />
europäischen Zusammenhang. Nicht zuletzt<br />
war es für mich ein angenehmer Kurzurlaub<br />
in der eigenen Stadt. Dafür möchte ich mich<br />
an dieser Stelle bei Annette Böckler für die<br />
Organisation bedanken. Bin nächstes Mal<br />
wieder dabei…“<br />
Hannah Schubert<br />
Foto: Margrit Schmidt
Grußwort<br />
des Regierenden Bürgermeisters von Berlin,<br />
Klaus Wowereit, für die Zeitschrift „Keschet“<br />
anlässlich des Jüdischen Neujahrsfestes<br />
Zum Neuen Jahr 5764 möchte ich allen Leserinnen<br />
und Lesern meine guten Wünsche übermitteln.<br />
Möge das kommende Jahr allen Mitgliedern<br />
der jüdischen Gemeinden in Deutschland<br />
Gesundheit, Glück und Erfolg bringen.<br />
An Rosch Haschanah ist es üblich, Rückschau<br />
und Ausblick zu halten. In diesem Sommer<br />
wurde in Berlin an die erste Konferenz der<br />
World Union for Progressive Judaism erinnert,<br />
die vor genau 75 Jahren im Herrenhaus, dem<br />
heutigen Bundesrat, stattfand. Vor allem der<br />
Name Leo Baecks wird immer auf die lange<br />
und große Tradition des liberalen Judentums in<br />
Berlin verweisen. Von hier ging der jüdische Reformgedanke<br />
um die Welt. Die Stadt war lange<br />
Jahre das wichtigste Zentrum jüdischer Kultur<br />
in Deutschland.<br />
Freilich steht Berlin auch für die Entrechtung,<br />
für die Ausgrenzung und Vernichtung von<br />
Millionen von Juden. Steinerne Zeugen – die<br />
Kellerruinen der Gestapo, die Wannsee-Villa,<br />
das Jüdische Museum und bald auch das zentrale<br />
Mahnmal – erinnern an die dunkelste Zeit<br />
der Geschichte. Berlin steht für die Blüte wie für<br />
das Ende jüdischen Lebens in Deutschland und<br />
bemüht sich, verantwortungsvoll mit diesem<br />
Erbe umzugehen.<br />
Umso glücklicher sind wir über die Renaissance,<br />
die wir in den Jahren nach der Vereinigung<br />
unserer Stadt erfahren durften. So feiert<br />
gerade in diesen Tagen die Jüdische Oberschule<br />
in der Großen Hamburger Straße ihr zehnjähriges<br />
Wiederbestehen und den 225. Jahrestag<br />
ihrer erstmaligen Gründung. Das religiöse<br />
Leben ist bereicht worden durch zahlreiche<br />
Synagogen, der Zentralrat der Juden hat 1999<br />
seinen Sitz im Leo-Baeck-Haus genommen,<br />
die Zahl der Mitglieder der Berliner Jüdischen<br />
Gemeinde hat sich mehr als verdoppelt.<br />
Das alles sind positive Zeichen und machen<br />
uns zu Zeugen der Zuversicht. Ich möchte<br />
Ihnen noch einmal alles Gute zum Neuen Jahr<br />
wünschen.<br />
Liberales Erbe<br />
Pluralismus als Weg und Ziel<br />
Professor Michael Meyer über die religiösen Strömungen im modernen Judentum<br />
Professor Michael<br />
A. Meyer ist der<br />
Experte, wenn es<br />
um die Geschichte<br />
des Reformjudentums<br />
und jüdische<br />
Geistesgeschichte<br />
geht. Der gebürtige<br />
Berliner gelangte<br />
1941 als kleines Kind<br />
in die USA; seit 1967<br />
unterrichtet Meyer<br />
am Hebrew Union<br />
College, inzwischen als der Adolph S. Ochs<br />
Professor für Jüdische Geschichte in Cincinnati.<br />
Meyer, der auch Internationaler Präsident des<br />
Leo Baeck Instituts ist, war mit seiner Frau,<br />
Rabbinerin Margaret Meyer, nach Berlin gekommen,<br />
um am 10. Juli bei der Jubiläumsveranstaltung<br />
der WUPJ den Festvortrag zu halten, aus<br />
dem wir hier Auszüge zitieren.<br />
„…Die Konfrontation von Moderne und traditionellem<br />
Judentum, die rasch zur Entstehung<br />
unterschiedlicher religiöser Strömungen<br />
des modernen Judentums führte, begann in<br />
Mitteleuropa, vor allem hier in Deutschland. (…)<br />
Als die Juden selbst in die universale Vision der<br />
Aufklärung einbezogen wurden, stellte sich für<br />
sie die Frage, wie das überkommene mittelalterliche<br />
Judentum mit dem neuen Universalismus<br />
in Übereinstimmung gebracht werden könnte.<br />
Wie musste sich das Judentum ändern, damit es<br />
in eine Umwelt passte, die die Juden, zumindest<br />
potentiell, einschloss, anstatt sie auszustoßen?<br />
Bald wurde deutlich, dass ein lebensfähiges<br />
Judentum einen Wandel der Institutionen, vor<br />
allem der Synagoge und des Rabbinats, verlangte.<br />
Im napoleonischen Westfalen, in Berlin<br />
und in Hamburg entstehen neue Synagogen<br />
oder „Tempel“, die sich von ihren traditionellen<br />
Entsprechungen in mehrerlei Hinsicht unterscheiden:<br />
Die Gottesdienste sind würdiger;<br />
es wird eine moralische Predigt in deutscher<br />
Sprache gehalten; einige Gebete werden eher<br />
auf deutsch als auf hebräisch gesprochen; eine<br />
Orgel begleitet die Feier, und gewisse Gebete,<br />
besonders diejenigen, die von der Hoffnung<br />
auf die Rückkehr nach Palästina, vom Wiederaufbau<br />
des alten Tempels in Jerusalem und der<br />
Wiederherstellung des Opferdienstes handeln,<br />
werden abgewandelt oder ganz weggelassen.<br />
Der Anstoß zu diesen Reformen ging nicht vom<br />
Rabbinat aus, das sich ihnen vielmehr beharrlich<br />
widersetzte, sondern von Laien, besonders<br />
solchen, die einen stärkeren Austausch mit der<br />
Außenwelt durch ihre berufliche Tätigkeit oder<br />
durch kulturelle Kontakte hatten. Die dreißiger<br />
Jahren des 19. Jahrhunderts indessen erleben<br />
das Entstehen eines neuen Rabbinats, das eine<br />
Universitätsausbildung hinter sich hat und in<br />
unterschiedlichem Maße für kulturelle und<br />
4<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
religiöse Anpassung offen ist. Diese Rabbiner<br />
verfassen dann im zweiten Drittel des 19.<br />
Jahrhunderts die philosophischen und ideologischen<br />
Schriften zur Begründung von Formen<br />
des Judentums, die eine Vielfalt von Anpassungen<br />
an die Moderne aus sich hervorbringen. Sie<br />
alle sind Reformer, aber sie unterscheiden sich<br />
zutiefst in ihren Erneuerungsplänen. (...)<br />
Die am schnellsten wachsende und in den<br />
letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts größte<br />
Richtung innerhalb des deutschen Judentums<br />
nannte sich liberales Judentum. Der wichtigste<br />
Denker des liberalen Judentums im Deutschland<br />
des 19. Jahrhunderts war der gelehrte Rabbiner<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>, dessen Wahlspruch schon<br />
anzeigt, wie eng für ihn die Verbindung von<br />
Wissenschaft und Judentum war: „Durch Erforschung<br />
des Einzelnen zur Erkenntnis des Allgemeinen,<br />
durch Kenntnis der Vergangenheit zum<br />
Verständnis der Gegenwart, durch Wissen zum<br />
Glauben.“ In den Augen <strong>Geiger</strong>s war die religiöse<br />
und moralische Botschaft der biblischen Propheten<br />
für das Judentum grundsätzlich bedeutender<br />
als die Halacha. Im Gegensatz zu den Mitgliedern<br />
der Reformgemeinde hielten es die liberalen<br />
Juden für richtig, in den Einheitsgemeinden<br />
zu bleiben und wöchentliche Gottesdienste nicht<br />
am Sonntag, sondern am Sonnabend zu halten.<br />
Von der Gemeindeorthodoxie unterschieden<br />
sie ihre Gebetbücher, die Änderungen in<br />
bestimmten Gebeten aufwiesen, besonders in<br />
solchen, die die Rückkehr nach Jerusalem und<br />
die Wiedereinsetzung von Tieropfern betrafen,<br />
und die Verwendung der 0rgel im Gottesdienst.<br />
Gegen Ende der Weimarer Republik erlaubten<br />
einige ihrer Synagogen den Frauen, neben den<br />
Männern Platz zu nehmen. (...)<br />
Vor 75 Jahren, bei der ersten Versammlung der<br />
World Union for Progressive Judaism hier in Berlin,<br />
vertrat Rabbiner Leo Baeck den Standpunkt,<br />
dass wenn auch nicht in seinem System doch<br />
in seiner Methode der neoorthodoxe Rabbiner<br />
Samson Raphael Hirsch ein Liberaler war, dass<br />
er nicht weit enfernt von dem liberalen Rabbiner<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> stand. Auch Hirsch, so sprach<br />
Baeck, „war entschlossen , das Judentum und<br />
das jüdische Individuum in die Welt hineinzustellen.<br />
Aber als deutliche Aufgabe ist das dem<br />
Liberalismus geblieben. Denn das ist eben<br />
jüdischer Liberalismus: dieses Neue, das nicht<br />
einige Menschen im Judentum mit ihrem Suchen<br />
und Streben hergestellt haben, sondern das die<br />
Geschichte des Judentums geschaffen hat, in<br />
seiner Geltung und Bestimmung zu begreifen und<br />
zu begründen.“ Zu seiner Zeit, glaubte Baeck an<br />
gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen<br />
den religiösen Strömungen im Judentum,<br />
deren jede sich mit den großen religiösen und<br />
moralischen Fragen auseinandersetzte. Noch<br />
heute, 75 Jahre später, scheint ein solcher Pluralismus<br />
innerhalb des Judentums als angebracht<br />
und als ein erstrebenswertes Ziel.“<br />
Foto: Margrit Schmidt
Lieberales Erbe<br />
Lily Montagu:<br />
Die erste Frau auf einer deutschen Bima<br />
von Hartmut G. Bomhoff<br />
Als am 19. August 1928 mit Hon. Lily H. Montagu<br />
(1873–1963) erstmals in Deutschland eine<br />
Frau im öffentlichen Gottesdienst auftrat, so<br />
war das eine Sensation. „Halb Äbtissin, halb<br />
Heilsarmee, denkt Dein rebellisches Herz“,<br />
resümierte Dr. Bertha Badt-Strauss, die als<br />
promovierte Germanistin seinerzeit selbst eine<br />
Pionierin war, nach der Drascha, die Montagu<br />
von der Kanzel der Jüdischen Reform-Gemeinde<br />
in der Johannisstraße hielt. „Und doch<br />
fühlst du, diese Frau ist ganz einsam, ganz in<br />
sich versunken, ganz allein mit ihrem Gott.“<br />
Die Bankierstochter und Sozialarbeiterin zählte<br />
damals längst zu den tatkräftigen Vordenkern<br />
des liberalen Judentums und war 1926<br />
Wegbereiterin bei der Gründung der World<br />
Union for Progressive Judaism gewesen, der<br />
sie von 1954-1959 als Präsidentin vorstehen<br />
sollte. In Berlin sprach sie auf Deutsch über<br />
die Beziehungen der persönlichen Religion zur<br />
Gemeinschaftsreligion. Hier einige Auszüge:<br />
„Die Beziehungen zwischen dem Menschen und<br />
seinem Gott sind so heiliger Natur, dass wir es<br />
nicht oft unternehmen, sie zum Gegenstand<br />
einer Kanzelrede zu machen. (…) Die religiöse<br />
Gemeinschaft, der wir angehören, beeinflusst<br />
unsere Ansichten und gibt unsere Religion das<br />
Charakteristische: sie macht sie in der Tat zu<br />
dem, was sie ist. (…) Unsere Väter lehrten, das<br />
ein rechtschaffenes Leben zu Gott führt. Wenn<br />
unsere Leben ein jüdisches Leben sein soll, so<br />
genügt es nicht zu sagen, dass wir theoretisch<br />
an Rechtschaffenheit, Wahrheit, Liebe und<br />
Schönheit glauben. Wir müssen dieses Glaubensbekenntnis<br />
auch in unserem Lebenswandel<br />
zum Ausdruck bringen. (…) Weil uns die Lehre<br />
der Einheit Gottes überliefert worden ist, fühlen<br />
wir heute, dass das ganze Leben: Körper, Seele<br />
und Gemüt, geheiligt werden soll; denn der<br />
Ausdruck Seines Selbst ist die Schöpfung. (…)<br />
Gemeinschaftsreligion hat teil an der Entwicklung<br />
der persönlichen Religion. Sie ist die<br />
Substanz, welche, welche der persönlichen<br />
Religion eingeimpft ist, doch der Vorgang dieser<br />
Impfung muss ein individueller sein. Jede<br />
menschliche Seele muss durch Denken, Gebete<br />
und Studium ihre eigene Religion kultivieren.<br />
Wir Juden erschaffen – jeder für sich – aus den<br />
Überlieferungen des Judentums eine lebendige<br />
Tradition. Wir müssen jedoch die Lehren, die<br />
uns überliefert wurden, durchdenken und<br />
anwenden. Im Gebet finden wir die Hilfe, die wir<br />
suchen, im Gebet, das uns mit Gott verbindet.<br />
Wir müssen studieren, lesen und mit der Zeit,<br />
die dieses Studium verlangt, nicht geizen. Wir<br />
müssen versuchen, eine religiöse Lebensanschauung<br />
zu gewinnen, zu denken als sowohl<br />
als zu beten. (…) Wir müssen uns die Frage<br />
stellen: Leben wir so, dass wir uns der Gegenwart<br />
Gottes bewusst sind, und dass wir täglich<br />
etwas von seiner liebe zum Ausdruck bringen?<br />
(…) Es folgt daraus, dass, wenn wir ganz<br />
leben wollen, wir dafür Sorge tragen müssen,<br />
unser Leben mit dem Göttlichen in Fühlung zu<br />
bringen. (…) In der Tat ist durch die Beziehung<br />
zu Gott die Idee der Ewigkeit im menschlichen<br />
Herzen zuerst erwacht, und jeder von uns<br />
kann durch Gebet und Andacht den Höhepunkt<br />
des persönlichen Glaubens erreichen. Dann<br />
werden wir fühlen, dass wir ewig leben, wenn<br />
wir lieben; dann werden wir wissen, dass das<br />
Suchen nach Wahrheit uns zu einem Dienst ruft,<br />
der immer währen muss. Danken wir Gott, dass<br />
wir Männer und Frauen erfahren dürfen, was<br />
Liebe ist, und was das Suchen nach Wahrheit<br />
bedeutet. Danken wir Gott, dass unser Ende in<br />
Ihm allein ruht.“<br />
5<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Grußwort<br />
von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse<br />
zum Jüdischen Neujahrsfest 5764<br />
Am Ende eines Jahres<br />
zieht man Bilanz: Was war<br />
gut? Was war schlecht?<br />
Zu den Enttäuschungen<br />
des Jahres gehört, dass<br />
der Friedensprozess<br />
im Nahen Osten keine<br />
Fortschritte gebracht hat.<br />
Wiederholt sah es zwar<br />
danach aus, dass – endlich – die Spirale von<br />
Hass und Gewalt durchbrochen werden könnte.<br />
Doch die Hoffnung, dass eine politische<br />
Lösung zustande kommt, die den Menschen<br />
Sicherheit und Frieden bringt, nehmen wir<br />
unerfüllt mit ins neue Jahr.<br />
Genauso bitter: Antisemitismus und rechtsextreme<br />
Gewalt sind hierzulande nicht gebrochen.<br />
Auch im abgelaufenen Jahr wurden wieder jüdische<br />
Friedhöfe geschändet, waren Juden Ziel<br />
antisemitischer Schmähungen und Opfer von<br />
Gewalt. Die Tatsache, dass jüdische Einrichtungen<br />
in Deutschland unter Polizeischutz stehen<br />
müssen, sagt alles: Juden in Deutschland können<br />
sich nicht – noch immer nicht! – wirklich<br />
sicher und respektiert fühlen. Das wird erst<br />
dann der fall sein, wenn in dieser Gesellschaft<br />
ein Klima herrscht, in dem Hass und Intoleranz<br />
keinerlei Platz mehr haben. Dass mehr, noch<br />
viel mehr Menschen gemeinsam für dieses Ziel<br />
arbeiten, ist mein Wunsch für das neue Jahr.<br />
Im abgelaufenen Jahr können wir aber auch<br />
Positives registrieren: Ein Ereignis von historischer<br />
Bedeutung war die Unterzeichnung des<br />
Staatsvertrages zwischen dem Zentralrat der<br />
Juden in Deutschland und der Bundesregierung<br />
am 27. Januar, dem Tag der Erinnerung an die<br />
Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Vertrag,<br />
dem der Deutsche Bundestag einstimmig<br />
zugestimmt hat, ist Zeichen des Vertrauens der<br />
jüdischen Gemeinschaft in die deutsche Gesellschaft<br />
und Demokratie. Gerade in Deutschland,<br />
wo der Völkermord an den europäischen<br />
Juden mit verbrecherischer Systematik geplant<br />
und ausgeführt worden ist, wird aktives<br />
jüdisches Leben damit nicht nur anerkannt,<br />
sondern gefördert. Nach dem Holocaust war<br />
nicht daran zu denken, dass jemals wieder<br />
jüdisches Leben in Deutschland möglich sein<br />
könnte. Heute erlebt das jüdische Leben eine<br />
erfreuliche, ja wunderbare Renaissance bei<br />
uns. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland<br />
bilden inzwischen die drittgrößte Gemeinschaft<br />
in Europa. Das ist eine hoffnungsvolle<br />
Entwicklung, die jede Unterstützung verdient.<br />
In diesem Sinne: Möge auch im neuen Jahr<br />
religiöses und kulturelles jüdisches Leben in<br />
Deutschland viel Ermutigung finden.<br />
Ich wünsche Ihnen allen ein friedliches,<br />
gesundes, gutes neues Jahr 5764.
Arzenu<br />
Dies ist unser Land<br />
„Reform Judaism: Myth and Reality, Challenge<br />
and Opportunity“ war der Vortrag überschrieben,<br />
den Mark A. Anshan (Toronto) bei der Jahrestagung<br />
der UPJ in Berlin-Spandau hielt. Anshan<br />
ist Vorsitzender von ARZENU, dem 1980<br />
gegründeten internationalen Dachverband liberalreligiöser<br />
Zionisten, der auch die Interessen<br />
der Reformbewegung bei der World Zionist<br />
Organization und der Jewish Agency vertritt.<br />
Anshans Resüme: „…As Progressive Jews we<br />
hold universalist values that, when blended with<br />
the national aspirations of Zionism, place us in<br />
a rather unique position to be a creative spark<br />
(…). In building our own Progressive presence<br />
in Israel, in linking that lifelong project with<br />
creating Progressive Jewish communities here<br />
in the diaspora that accepts Israel as central<br />
to defining ourselves as Jews, and being part<br />
of the larger enterprise of Jewish peoplehood,<br />
we will be integrating our values and beliefs.<br />
We will create and sustain a creative, dynamic,<br />
pluralistic society in Israel in which we will have<br />
Israelischer Neujahrsgruß von 1948<br />
a place and we will provide for Israel a strong<br />
and committed partner here in Germany. Israel<br />
is facing tremendous challenges. It is by no<br />
means a perfect state. It is not the ideal society.<br />
But it continues to be a beacon for the nations<br />
of the world in spite of the conflicts it must<br />
absorb. It will become better with time – and<br />
with our support and love. Progressive Judaism<br />
as a viable alternative to Orthodox Judaism. But<br />
the story is only partially written and we are<br />
optimistic that with the support of our diaspora<br />
Reform and Progressive communities, working<br />
in concert with our Israel Movement for Progressive<br />
Judaism and the World Union, we will<br />
continue to grow and one day soon emerge as<br />
a central, identified movement that Israelis will<br />
embrace. We, as Progressive Jews have a role<br />
to play in that development not only because<br />
we should and must care about the existence<br />
of Israel but also because our connection, our<br />
relationship, our identity as Jews with Israel<br />
must be forged and strengthened.“ Der Funken<br />
ist übergesprungen: Anshans Vortrag hat auch<br />
in den Mitgliedgemeinden der Union erstes<br />
Interesse an der Gründung einer deutschen<br />
ARZENU-Gruppe geweckt. Anfragen dazu bitte<br />
an die Redaktion: leo.baeck@berlin.de<br />
ISRAEL JACOBSON PREIS 2003<br />
Ausgezeichnet: Uri Regevs Einsatz für Pluralismus<br />
und Gleichberechtigung<br />
Vor zwei Jahren hat<br />
die Union progressiver<br />
Juden erstmals ihren<br />
undotierten Israel Jacobson<br />
Preis verliehen,<br />
mit dem sie praktische<br />
Erfolge für das liberale<br />
Judentum würdigt.<br />
Jacobson (1768-1828)<br />
gilt als Pionier der<br />
jüdischen Reformbewegung. Am 11. Juli wurde<br />
der Generalsekretär der WUPJ und langjährige<br />
Direktor des israelischen Religious Action Center,<br />
Rabbiner Uri Regev, für sein Engagement<br />
geehrt. Die Laudatio hielt Rabbiner Dr. Walter<br />
Homolka, Preisträger des Jahres 2001. Wir<br />
bringen einige Auszüge:<br />
„Dear Uri, Friends, Ladies and Gentlemen!<br />
For me as the preceding recipient of the<br />
Israel Jacobson Award it is a real pleasure to<br />
congratulate you most cordially to this highest<br />
honour which the Union of Progressive Jews in<br />
Germany can bestow upon a person who has<br />
strived for Liberal Judaism to grow and to blossom<br />
(…). A lawyer and rabbi by training, you,<br />
Uri, have so fantastically combined religious<br />
dedication with your legal mind to strive for<br />
equality of all Jews wherever they live. Foremost<br />
of all I want to mention your work at the<br />
Israel Religious Action Centre. It is the public<br />
and legal advocacy arm of the Israel Movement<br />
for Progressive Judaism. The Center’s mission<br />
is to advance religious freedom and pluralism,<br />
tolerance, social justice and civil liberties in<br />
Israel, based on the belief that these values<br />
are intrinsic to and stem from a liberal understanding<br />
of Judaism. Since its establishment<br />
in 1987, the Center has been a leader in the<br />
struggle for freedom of religion and conscience<br />
in Israel. (…). The Center is a source of inspiration<br />
for a serious systematic and determined<br />
battle for religious pluralism in Israel. It is<br />
also a source of pride for any individual who<br />
believes that Judaism is much more than ritual<br />
and ceremonies in the synagogue.<br />
With your gifted work in Israel you, Uri, have<br />
proved that our communities are in need of a<br />
Jewish progressive world organisation that is<br />
built on three virtues: religious sincerity and<br />
spiritual growth, the ability to argue legally<br />
against all injustice and inequality, and the<br />
diplomatic talent to embrace and relate to the<br />
political adversary.<br />
These three gifts, tested so well in Israel, have<br />
finally brought you to the executive leadership<br />
6<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
of the World Union for Progressive Judaism.<br />
And they have brought you to Germany where<br />
all three of your gifts: diplomacy, advocacy,<br />
and religious inspiration, have recently<br />
brought our struggle for equality to fruition.<br />
Over the last year you have helped us to formulate<br />
and to communicate well our demand<br />
to be treated as a valid and authoritative arm<br />
of the Jewish world population. (…). When the<br />
German government, in January 2003, signed<br />
the contract for financial support of the Jewish<br />
community via the Central Council of Jews in<br />
Germany you didn’t stop but helped lobbying<br />
the members of our federal parliament to<br />
influence the ratification process of this<br />
document. As a consequence, each and every<br />
party faction in parliament has meanwhile<br />
acknowledged that the contract includes also<br />
funding for the progressive Jewish congregations<br />
and institutions in Germany and that<br />
the realization of this eligibility is reviewed<br />
Zuversichtlich: Rabbiner Uri Regev mit Shmuel<br />
Bahagon (links) und Dr. Jan Mühlstein (recht)<br />
by government within twelve months. The impressive<br />
list of guests being with us last night,<br />
among them representatives from all important<br />
walks of life, shows that we have returned to<br />
Germany as a legitimate denominational arm<br />
of Judaism, at last. (…) We know and you know<br />
that we have a long path still to go. We know<br />
and you know that having a right is different<br />
from getting what is right. We know that you<br />
know: Germany is only one part of a global<br />
family of Progressive Judaism. Acknowledging<br />
your manifold good works and deeds for and<br />
on behalf of the World Union for Progressive<br />
Judaism is our way to thank you that Germany,<br />
the cradle of progressive Judaism, is so high on<br />
your agenda to advance the values of human<br />
equality, social justice and religious tolerance<br />
in the world. Thank you!”<br />
Dem scheidenden Generalsekretär der Union progressiver Juden, Shmuel Bahagon, ist das Bundesverdienstkreuz der<br />
Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Die Auszeichnung fand am 17. September in der Residenz des deutschen<br />
Botschafters Rudolf Dressler in Herzliya statt. Wir gratulieren!<br />
Foto: Evelyn Adunka
Bücher<br />
Ein Blick zurück – Neuerscheinungen zur deutsch-jüdischen Geschichte<br />
Meike Berg: Jüdische Schulen in Niedersachsen.<br />
Tradition-Emanzipation-Assimilation. Böhlau<br />
Verlag, Wien-Köln-Weimar 2003, 287 S.<br />
Aufklärerische Schulreform meint in der<br />
Erziehungs- wie in der Geschichtswissenschaft<br />
vor allem die schulischen Reformen, die in den<br />
deutschen Kleinstaaten seit den 1760er und<br />
1770er Jahren von christlichen Pädagogen,<br />
Beamten und Kirchenmännern durchgeführt<br />
wurden. Kaum bekannt ist dagegen, dass es<br />
in der deutsch-jüdischen Bildungsgeschichte<br />
vergleichbare Ansätze zur Erziehungsreform<br />
gegeben hat, die parallel zur christlichen<br />
Entwicklung verliefen und von der jüdischen<br />
Aufklärung, der Haskala, ausgingen. Meike<br />
Berg verfolgt in ihrer Studie die Geschichte der<br />
Jacobson-Schule in Seesen (1801-1922) und der<br />
Samsonschule in Wolfenbüttel (1807-19289<br />
– zwei Freischulen, in der jüdische Kinder aus<br />
armen Verhältnissen unentgeltlich aufgenommen<br />
wurden. Die Jacobson-Schule wurde Vorbild<br />
für soziale und religiöse Neuerungen in der<br />
jüdischen Lebenswelt weit über Niedersachsen<br />
hinaus und war die erste Simultanschule, die<br />
auch christliche Schüler aufnahm. (H. B.)<br />
<strong>Schana</strong> <strong>Tova</strong>!<br />
Dipl. Pol. Matthias Cohn<br />
Human Resources Management<br />
Personal- und<br />
Organisationsentwicklung<br />
Beratung – Training – Coaching<br />
www.cohnsulting.de<br />
info@cohnsulting.de<br />
Andreas Brämer: Judentum und religiöse Reform.<br />
Der Hamburger Israelitische Tempel 1817–1938,<br />
Dölling und Gallitz Verlag. Hamburg 2000, 304 S.<br />
„Die ersten Erneuerer des Judentums hatten<br />
nicht die Absicht, eine eigene „reformierte“<br />
jüdische Glaubensgemeinschaft zu gründen“,<br />
sagte Michael A. Meyer bei seinem Berliner<br />
Festvorrag im Juli. „Sie glaubten an die Möglichkeit<br />
der Entstehung eines einzigen modernen<br />
Judentums, das potentiell alle im Westen<br />
lebenden Juden einschlösse. Sehr bald jedoch<br />
wurde deutlich, dass selbst unter Juden, die<br />
der europäischen und deutschen Gesellschaft<br />
und Kultur angehören wollten, tiefgreifende<br />
Meinungsverschiedenheiten über Wesen und<br />
Umfang der verbleibenden jüdischen Sphäre<br />
bestanden. Der Hamburger Tempelverein, der<br />
im Jahre 1817 gegründet worden war, zog mit<br />
seinem reformierten Gottesdienst nur einen<br />
vergleichsweise kleinen Teil der Juden der<br />
Stadt an, während die traditionsverhaftete Gemeinde<br />
ihre eigenen, wenn auch eingeschränkten<br />
Anpassungen an die Moderne vollzog..<br />
So haben wir in Hamburg zum ersten Mal auf<br />
Dauer eine Spaltung in zwei Richtungen, deren<br />
jede von der Moderne beeinflußt ist: die von<br />
Issak Bernays geleitete Synagogengemeinde<br />
auf der einen Seite und den Tempelverein auf<br />
der anderen.“ Das Beispiel des Hamburger<br />
Tempels, der sich als Verein getrennt von der<br />
übrigen Gemeinde konstituierte, machte, so<br />
Meyer, aber keine Schule; der Tempelverein<br />
trat schließlich wieder mit der übrigen jüdischen<br />
Gemeinschaft in Verbindung, indem er<br />
unter dem Dach der Deutsch-Israelitischen Gemeinde<br />
die Stellung eines anerkannten Kultusverbandes<br />
errang. Andreas Brämer, Mitarbeiter<br />
des Hamburger Instituts für die Geschichte<br />
der deutschen Juden, dokumentiert in seiner<br />
Studie die Geschichte des Hamburger Tempels<br />
von den Ursprüngen bis zu seinem Untergang<br />
anhand einer Vielzahl schwer zugänglicher gedruckter<br />
oder unveröffentlichter Quellen nach.<br />
Heutzutage erinnert in Hamburg nur noch der<br />
Sendesaal des Norddeutschen Rundfunks in<br />
der Oberstraße an den Tempel: das Gebäude,<br />
das als der bedeutendste erhaltene jüdische<br />
Saalbau der Moderne in Deutschland gilt,<br />
wurde 1930/31 nach Plänen von Felix Ascher<br />
und Robert Friedmann für den Israelitischen<br />
Tempelverband errichtet. (H. B.)<br />
7<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Ludwig Feuchtwanger: Gesammelte<br />
Aufsätze zur jüdischen Geschichte.<br />
Herausgegeben von Rolf Rieß. Duncker<br />
& Humblot Verlag, Berlin 2003, 249 S.<br />
Ludwig Feuchtwanger, der jüngere Bruder des<br />
Schriftstellers Lion Feuchtwanger, war in München<br />
vor der Shoah ein jüdischer Historiker und<br />
Publizist von Rang. Er stammte, wie Michael<br />
Brenner im Vorwort schreibt, „aus einer der<br />
angesehensten Münchner jüdischen Familien,<br />
einer Familie, in der bayerische Traditionen und<br />
orthodoxes Judentum sich nie widersprochen<br />
haben.“ – einer Familie, von der nach Verfolgung<br />
und Emigration nur sechs Mitglieder nach<br />
München zurückkehrten, darunter der Bankier<br />
Walter Feuchtwanger s.A., Mitglied der liberalen<br />
Münchner Gemeinde Beth Shalom.<br />
Ludwig Feuchtwanger arbeitete von 1914 bis<br />
1933 als Verlagsleiter bei Duncker & Humblot<br />
und von 1930 bis 1938 als Herausgeber der<br />
Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung.<br />
Es ist das Verdienst des vorliegenden Bandes,<br />
seine Aufsätze zur jüdischen Geschichte in<br />
Erinnerung zu rufen und eine repräsentative,<br />
sorgfältig annotierte Auswahl daraus sowie<br />
eine 376 Positionen umfassende Bibliographie<br />
aller Arbeiten Feuchtwangers und der<br />
Sekundärliteratur zu veröffentlichen. Die<br />
Themen der publizierten Aufsätze umfassen<br />
Moses Mendelsohn, jüdische Geschichte und<br />
Rechtsgeschichte in Bayern und in Österreich<br />
im Mittelalter und in der Neuzeit sowie die Situation<br />
des deutschen Judentums in der Zeit des<br />
Nationalsozialismus. Gerade weil die Ernsthaftigkeit<br />
und das Pathos von Feuchtwangers<br />
Sprache uns eher fremd geworden sind, sind<br />
seine Arbeiten auch heute noch lesenswert.<br />
Das Nachwort des Herausgebers ist in vielen<br />
Punkten sehr informativ. Er beschreibt Feuchtwangers<br />
Arbeiten für Duncker & Humblot, in<br />
dem er unter anderen Carl Schmitt zu betreuen<br />
hatte, und schildert die Tragik des Exils in Großbritannien,<br />
wo Feuchtwanger nie wieder eine<br />
adäquate Stellung erhielt und unter großen<br />
Entbehrungen zu leiden hatte. Sehr interessant<br />
sind auch seine Briefe, die er als Berater und<br />
Übersetzer der amerikanischen Beatzung<br />
1945 aus Deutschland schrieb. Leider erfährt<br />
der Leser jedoch nichts über Feuchtwangers<br />
Lehrtätigkeit im Münchner Jüdischen Lehrhaus.<br />
Auch sind einige Formulierungen von Rieß eher<br />
ungenau, etwa wenn er pro-nationalsozialistische<br />
Äußerungen von Elie Munk erwähnt, ohne<br />
diese zu erklären. Darüber hinaus erläutert er<br />
an keiner Stelle die Kriterien für seine Auswahl.<br />
Bei dem im Zusammenhang mit dem Raub<br />
von Feuchtwangers Bibliothek durch die SS-<br />
Stiftung Ahnenerbe und deren anschließenden<br />
Transport erwähnten „Professor Dr. Viktor“<br />
handelte es sich übrigens um den Wiener Orientalisten<br />
Viktor Christian. Genauer nachzulesen<br />
ist diese Geschichte in dem Buch der Verfasserin:<br />
„Der Raub der Bücher“, Wien 2002, S.157ff.<br />
Evelyn Adunka
Gemeinden<br />
Toravorhang kehrt nach<br />
München zurück<br />
Ein Parochet der 1939 von Münchner Juden<br />
gegründeten Gemeinde Beth Hillel in New York<br />
wird in der Beth Shalom-Synagoge in München<br />
einen neuen Ehrenplatz bekommen. Gerettet<br />
wurde diese kostbare Textilie auf einem Berliner<br />
Flohmarkt von Rabbiner Rothschild und seiner<br />
Frau Jacqueline, die sie gekauft, gereinigt,<br />
repariert und der liberalen jüdischen Gemeinde<br />
München Beth Shalom als „Dauerleihgabe“<br />
überlassen haben. Der Thoravorhang wurde<br />
zur Ehren der „Rebbetzin“ Jenny Baerwald, der<br />
Ehefrau des früheren Münchner Oberrabbiners<br />
Leo Baerwald (1883-1970) gestiftet. Die<br />
Gemeinde Beth Hillel wurde in Washington<br />
Heights im Norden Manhattans von jüdischen<br />
Flüchtlingen aus München gegründet, die dem<br />
NS-Terror in die USA entkommen konnten;<br />
Rabbiner Baerwald selbst hatte im September<br />
1938 noch eine Scheinexekution durchstehen<br />
müsse.Unter seiner Leitung – er amtierte bis<br />
1955 als Rabbiner - wurde bei Beth Hillel die<br />
liberale süddeutsche jüdische Tradition weiter<br />
gepflegt. 1941 schloss sich eine große Gruppe<br />
Nürnberger Emigranten zusammen mit ihrem<br />
Rabbiner Isaak Heilbronn (1880-1943) der jungen<br />
Gemeinde an, die auf 750 Familien anwuchs<br />
und 1950 eigene Gebäude für die Synagoge und<br />
ein Gemeindezentrum erwarb. Seit den 60er<br />
Jahren wanderten aber mehr und mehr Familien<br />
in New Yorks Vorstädte ab, und am 1. April 2000<br />
wurde bei Beth Hillel der letzte Gottesdienst<br />
gefeiert, Ende 2000 wurde die Gemeinde aufgelöst.<br />
Der nun wiederentdeckte Toravorhang<br />
ist für die 1995 gegründete Münchner liberale<br />
jüdische Gemeinde Beth Shalom ein Symbol<br />
der Kontinuität und der Erneuerung.<br />
<strong>Schana</strong> <strong>Tova</strong>!<br />
Zu Rosch Ha<strong>Schana</strong> 5764<br />
wünschen wir allen FreundInnen<br />
und Förderern ein glückliches<br />
und friedvolles Neues Jahr.<br />
Egalitäre Jüdische<br />
Chawurah Gescher<br />
Freiburg<br />
Chk.fr@t-online.de<br />
Raus aus den Kinderschuhen<br />
Die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover investiert in die Zukunft<br />
von Hartmut G. Bomhoff<br />
„Die Gemeinde, Trägerin der Kontinuität<br />
jüdischen Lebens“, lautete der Festvortrag,<br />
den Landesrabbiner Dr. Henry G. Brandt am<br />
09. September anlässlich der Gründung der<br />
Stiftung Liberales Judentum Hannover hielt.<br />
In Hannover braucht die Gemeinde zunächst<br />
einmal ein neues Dach: die bisherigen Räume<br />
bieten den inzwischen 400 Mitgliedern der liberalen<br />
jüdischen Gemeinde nicht mehr genug<br />
Platz. Eine Alternative ist bereits gefunden:<br />
ein Gebäude in der Stadtmitte, das der Region<br />
Hannover gehört und Ende 2005 zur Synagoge<br />
mit Gemeindezentrum umgebaut werden kann.<br />
Die neue Adresse hat ihren Preis: 2 Millionen<br />
Euro kosten Haus und Grundstück, weitere 2<br />
Millionen Euro werden für den Umbau nach<br />
Plänen des Architekten Heiko Reinders veranschlagt.<br />
Die Stiftung Liberales Judentum will<br />
dazu beitragen, die Finanzierung zu sichern.<br />
Im Beirat sind namhafte Personen des öffentlichen<br />
Lebens vertreten: Oberbürgermeister<br />
Herbert Schmalstieg, der frühere Klosterkammerpräsident<br />
Axel Freiherr von Campenhausen,<br />
der katholische Probst Klaus Funke sowie<br />
Landessuperintendentin Ingrid Spickermann.<br />
Darüber hinaus wird sich ein Förderverein<br />
unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen<br />
Wirtschaftsministers Walter Hirche (FDP)<br />
für das ehrgeizige Projekt engagieren. Zur<br />
Stiftungsgründung war auch Dr. Leo Hepner als<br />
Vertreter der World Union for Progressive Judaism<br />
aus London nach Hannover gekommen,<br />
um seine Verbundenheit mit der Gemeinde zum<br />
Ausdruck zu bringen. Die alte hannoversche<br />
Synagoge, die Edwin Oppler 1862-1870 baute,<br />
wurde bald zum Modell für weitere Bauten bis<br />
8<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Shana <strong>Tova</strong><br />
Allen unseren Freunden wünschen wir<br />
ein gesundes, friedvolles glückliches Jahr 5764.<br />
Der Vorstand der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover<br />
Alisa Bach, Gabor Lengyel, Artur Michalowitz, Ida Peterburgska,<br />
Katarina Seidler, Ingrid Wettberg<br />
hin nach Milwaukee – bleibt zu hoffen, dass<br />
auch das aktuelle Projekt Schule macht. Die<br />
Initiatoren haben offenbar Opplers berühmtes<br />
Diktum im Ohr: „Kann und soll (der Jude) sich<br />
denn selber durch sein Gotteshaus isolieren,<br />
ohne dass dies auch nur im geringsten durch<br />
den Ritus begründet wäre?“ Die Vorsitzende<br />
der liberalen Jüdischen Gemeinde, Ingrid Wettberg,<br />
wünscht sich in jedem Fall ein offenes<br />
Haus, das als Kulturzentrum ein Gewinn für die<br />
ganze Stadt sein wird.<br />
Spenden für die Stiftung Liberales Judentum<br />
Hannover sind möglich unter Kontonr.<br />
101400745 bei der Nord/LB (BLZ 250 500 00).<br />
Kontakt zum Förderverein:<br />
Dr. Ing.Dipl. H.-Joachim Schneider:<br />
sSchneider-Isernhagen@t-online.de
Sommermachane<br />
Shalom Bereschit<br />
Frieden im Anfang(en) beim Sommermachane 2003<br />
von Darja Bartsch<br />
Im August fand das diesjährige Sommermachane<br />
für Kinder und Jugendliche im Alter von<br />
8 bis 18 Jahren in Staufen/Allgäu statt: mit<br />
TeilnehmerInnen aus 20 deutschen Städten<br />
sowie aus Wien, finanziell unterstützt von<br />
Netzer Olam und der Jewish Agency.<br />
Na endlich!!! – dachten sich 71 Chanichim und<br />
12 Madrichim, als sie am Morgen des 31.07.03<br />
erwachten – endlich wieder Sommermachane.<br />
Veranstalter auch diesmal die „Union der<br />
progressiven Juden in Deutschland“. Einige<br />
Stunden später und viele Kilometer weit von<br />
zu Hause entfernt, erfuhren unsere Chanichim<br />
dann von Adi Weichselbaum, dass es die<br />
Bezeichnung „Sommermachane“ so nicht mehr<br />
geben wird: Im Gedenken an Andreas Jonathan<br />
Hinz (sel. A.) wurde unser Machane mit Beginn<br />
zum „Machane Yehonathan“ umbenannt.<br />
Ganz in seinem Sinne und gemäß eines der<br />
wichtigsten jüdischen Werte, Leben, füllten<br />
wir dieses „Machane Yehonathan `03“ dann<br />
mit dem prallen Leben und mit einem unserer<br />
Machanesongs: „Adon Olam“.<br />
Unser Thema war diesmal „Bereschit,“ und die<br />
Chanichim erlebten eine eindrucksvolle Eröffnungszeremonie:<br />
Wir standen alle in einem<br />
vollkommen dunklen Saal und Adi fing an die<br />
Schöpfungsgeschichte“ auf Hebräisch vorzulesen.<br />
Parallel dazu zündete der erste Madrich<br />
die Kerze an, die er in der Hand hielt. Danach erfolgte<br />
eine Übersetzung auf Deutsch. In diesem<br />
Wechsel und mit immer einer Kerze mehr ging<br />
es alle Schöpfungstage durch bis zum siebten<br />
Tag. Danach wurden die Chanichim mit einer<br />
Neufassung von „Shalom Chaverim“, nämlich<br />
„Shalom Chanichim“ von allen 12 Betreuern<br />
begrüßt, namentlich: Adi Weichselbaum, Darja<br />
Bartsch, Roey Kahlon, Sebastian Walbe, Irina<br />
Lessina, Johanna Köthing, Andy Souslowitsch,<br />
Viktor Tuller, Inna Golbereg und David Jerman<br />
sowie und zwei Vertreter von „Netzer Olami“:<br />
Anna Gomberg (ULPSNYC-Netzer, GB) und<br />
Rebecca Goedman (Australien).<br />
Die nächsten neun Tage waren gefüllt mit<br />
Pe’ulot, die in den jeweiligen vier Untergruppen:<br />
Or - Licht, Chaim - Leben, Ruach - Wind<br />
und Ahava - Liebe, stattfanden. Alle Madrichim<br />
hatten für ihre Altersgruppe spannende Pe’ulot<br />
vorbereitet, die die einzelnen Themen - Schöpfung,<br />
Noah, <strong>Abraham</strong> und Isaak sowie Jakob<br />
- ansprechend und altersgerecht aufarbeiteten:<br />
mit Spielen, Collagen, Diskussionen und vielem<br />
mehr. Nachmittags gab es Chugim, in denen<br />
die Chanichim die Möglichkeit hatten: eine<br />
Zeitung zu gestalten, unser Machane auf Video<br />
festzuhalten, Nahkampf zu lernen, Theater zu<br />
machen und vieles mehr. Die Tage zwischen den<br />
Peulot nutzten wir um die wunderbaren Dinge<br />
der Schöpfung zu genießen. Eine Abkühlung<br />
im kalten Nass, ob im Schwimmbad oder im<br />
großen Alpsee, verbunden mit einer Wanderung<br />
im Morgengrauen durch die schöne Landschaft<br />
des Allgäu. Mit aufgehender Sonne begannen<br />
wir mit dem Schacharit Gottesdienst, der für<br />
alle ein bewegendes Ereignis war.<br />
Desweiteren zeigte sich das Wunderwerk<br />
Mensch beim Paddeln auf der Iller und beim<br />
Aktiv-Stadl, mit klettern und Bogenschießen,<br />
als besonders gelungen.<br />
Am letzten Freitag vor der Heimfahrt, bekamen<br />
wir Besuch von Dr. Jan Mühlstein - Vorsitzender<br />
der Union progressiver Juden in Deutschland<br />
und der liberalen Gemeinde zu München. Mit<br />
ihm und seiner Frau feierten wir Schabbat.<br />
Der Gottesdienst wurde instrumental auf der<br />
Gitarre begleitet. Es war eine sehr schöne und<br />
andächtige Stimmung, die sowohl bei unseren<br />
Gästen wie auch bei allen Chanichim und<br />
Madrichim nachhaltig in Erinnerung bleiben<br />
wird. Aber auch unsere alltäglichen Brachot<br />
und unser melodisch neu ausgearbeitetes<br />
Birkat Hamazon sind so gut angekommen und<br />
sind so sing- und erinnerungsfest, dass wir<br />
unser nächstes Machane in aller Ruhe in Angriff<br />
nehmen können.<br />
Als nächstes stehen ein Madrichim-Seminar<br />
und zwei Wintermachanot auf dem Programm.<br />
Informationen bei Adi Weichselbaum, Liberale<br />
Jüdische Gemeinde Hannover.<br />
9<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Termine<br />
30.10.–2. November 2003<br />
in Gudensberg:<br />
Jung und Jüdisch Deutschland<br />
trifft sich wieder zu anregenden Workshops,<br />
zu gemeinsame Gottesdienste und Kontakten<br />
mit jungen Juden aus ganz Deutschland und<br />
Referenten aus England und Israel.<br />
Aktuelle Informationen gibt es unter<br />
www.jungundjuedisch.de<br />
5.–9. November 2003<br />
in Minneapolis:<br />
Lech L’cha: Go Forth & Discover<br />
This November some 5.000 Reform Jews will<br />
leave their homes for a journey to Minneapolis,<br />
Minnesota. We will answer the call and will<br />
take part in shaping the future of the Jewish<br />
people during the 67th General Assembly of<br />
the Union of American Hebrew Congregations.<br />
Come join us on a journey of spiritual<br />
discovery!<br />
www.uahc.org<br />
21.–23. November 2003<br />
in Zürich:<br />
Zweites Liturgieseminar<br />
Liturgie für liberale Gemeinden in<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz<br />
Anmeldung an:<br />
benchorin@bluewin.ch<br />
18.–21. März 2003<br />
in Den Haag:<br />
WUPJ European Region Biennial<br />
Conference<br />
www.europeanregion.org<br />
<strong>Schana</strong> <strong>Tova</strong><br />
Zu Rosch Haschana 5764<br />
wünsche ich allen<br />
Freunden und Bekannten<br />
ein erfolgreiches und<br />
glückliches neues Jahr.<br />
Dr.med. Millan H. Rubinger<br />
INTERNIST<br />
München
JUNGv.MATT/Donau<br />
Ein Mitglied der HVB Group<br />
Freuen Sie sich aufs Älterwerden.<br />
Mit VorsorgePlus und 9,5% staatlicher Prämie.<br />
Mehr unter http://vorsorgeplus.ba-ca.com oder 05 05 05-24.
Foto: Margrit Schmidt<br />
News<br />
2. Jahrgang Ausgabe 1 September–Dezember 2003 Tischri–Kislew 5764<br />
“Asse Torat’cha keva” - Gib’ Deinem Torastudium Dauerhaftigkeit!<br />
Schammais Aufforderung wird jetzt auch in<br />
Potsdam Genüge getan: Dass die neue Professur<br />
für Religionswissenschaft mit Schwerpunkt<br />
Rabbinische Studien, Halacha und Liturgie<br />
mit Professor Admiel Kosman besetzt werden<br />
konnte, ist ein Glücksfall. Kosman, der vom<br />
Naftal-Yaffe-Institut für Talmud der Bar Ilan-<br />
Universität nach Potsdam überwechselte, ist<br />
nicht nur ein außerordentlicher Kenner des<br />
Erfolgsbilanz<br />
Das AGK hat seinen Jahresbericht für 2002 vorgelegt.<br />
Die umfangreiche Broschüre vermittelt<br />
nicht nur einen genauen Überblick über die Tätigkeiten<br />
des <strong>Kolleg</strong>s, über sein Curriculum, die<br />
Kooperationspartner, Dozenten und Studenten,<br />
sondern dokumentiert auch die Verleihung des<br />
<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preises 2002 an Prof. Emil<br />
Urania-Reihe „Einführung in das Judentum“ in Zusammenarbeit mit<br />
dem <strong>Kolleg</strong>ium Jüdische Studien an der Universität Potsdam<br />
Prof. Dr. Admiel Kosman<br />
Power and Spirituality in Tamudic Culture<br />
Mittwoch, 22.10. 2003, 19.30 Uhr<br />
An der Urania 17, 10787 Berlin<br />
Talmud und der jüdischen Religionsgeschichte,<br />
sondern auch ein Lyriker und Essayist von internationalem<br />
Rang, der in seinem Kolumnen in<br />
„Ha’aretz“ Midrasch und Postmoderne zu verbinden<br />
weiß; zuletzt erschien von ihm „Men’s<br />
Tractate: Rav and the Butcher and other Stories<br />
– On Manhood, Love, and Authentic Life in Aggadic<br />
and Hassidic Stories“ (Keter, Jerusalem<br />
2002). Als Akademischer Direktor des <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s wird er im kommenden Wintersemester<br />
vier Lehrveranstaltungen anbieten:<br />
„Idolatry in Talmudic and Rabbinic Halakhic<br />
Literature“, „The Status of Women in Halakhic<br />
Literature“, „Ethics and Moral Values in the<br />
Talmudic Culture“ und „Regarding the Bible in<br />
the Eyes of the Sages.“ Inzwischen haben sich<br />
Admiel Kosman und seine Frau Hanna Caspi<br />
Kosman, die als Therapeutin tätig ist, in Klein-<br />
Glienicke eingerichtet, und wir freuen uns auf<br />
viele fruchtbare Begegnungen und Gespräche<br />
mit den beiden. Willkommen!<br />
L. Fackenheim. Neben Fackenheims Vortrag<br />
„Kann es nach Hitler in Deutschland liberales<br />
Judentum geben?“ wird die anschließende<br />
Diskussion mit Dr. Gregor Gysi und Rabbiner<br />
Dr. Walter Homolka wiedergegeben: „Glaube,<br />
Vernunft und Utopie“. Interessenten können<br />
beim AGK ein Exemplar anfordern.<br />
In talmudischer Zeit gab es ein Idealbild des Rabbinen. Viele Erzählungen ranken darum.<br />
In welchem Verhältnis stehen Spiritualität und religiöse Praxis? Welches Ideal wird hier<br />
eigentlich vorgestellt? Prof. Kosman wird die Grundsätze des spirituellen Selbstverständnisses<br />
in einer männlich dominierten Gesellschaft talmudischer Zeit vorstellen, aber auch<br />
aktuelle Betrachtungsweisen dieses Verhältnisses diskutieren.<br />
Rosch Haschana 5764<br />
Liebe Freunde,<br />
der Jahreswechsel bietet<br />
Gelegenheit zum Rückblick,<br />
und dieser fällt erfreulich<br />
aus: Wir haben viel erreicht.<br />
Als 1999 das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong> gegründet wurde,<br />
konnte sich keiner der<br />
Beteiligten vorstellen, dass<br />
sich diese Institution so schnell als einzigartige<br />
Ausbildungsstätte für Rabbinerinnen und Rabbiner<br />
in Kontinentaleuropa etablieren würde.<br />
Heute kommen unsere Studenten aus vielen<br />
Ländern und dienen während ihres Studiums<br />
jüdischen Gemeinden nicht nur im deutschen<br />
Sprachraum. Unser Lehrkörper hat sich<br />
ebenfalls erfreulich entwickelt und bietet eine<br />
wertvolle Ergänzung zum Studienangebot<br />
der Universität Potsdam Besonders herzlich<br />
heiße ich Prof. Dr. Admiel Kosman und seine<br />
Frau Hanna Caspi Kosman willkommen. Prof.<br />
Kosman hat seit dem Sommersemester den<br />
Lehrstuhl für Rabbinische Studien, Halacha<br />
und Liturgie inne. Es ist der hervorragenden<br />
Kooperation mit der Universität Potsdam und<br />
ihrem Rektor zu danken, dass das <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> schon heute ein stabiler Bestandteil<br />
der jüdischen Forschung und Lehre<br />
ist und so zum Wiederaufblühen jüdischen<br />
Lebens in Deutschland und Europa beigetragen<br />
kann. Ohne breite finanzielle Förderung wären<br />
wir nicht so erfolgreich gewesen. Wir danken<br />
Bundesinnenminister Dr. Otto Schily, dem<br />
Stiftungsfonds Deutsche Bank beim Stifterverband<br />
für die deutsche Wissenschaft, den American<br />
Friends der Union of Progressive Jews in<br />
Germany, Austria and Switzerland sowie dem<br />
Rabbinic Training Fund der European Region<br />
der World Union for Progressive Judaism. Ohne<br />
die Solidarität der jüdischen Gemeinschaft in<br />
Nordamerika hätten wir es ebenfalls nicht geschafft.<br />
In diesem Sommer konnten wir wieder<br />
drei neue Studenten begrüßen - immer noch<br />
zu wenige für die vielfältigen Aufgaben in den<br />
Gemeinden Europas. Weitere Informationen<br />
finden Sie gegebenenfalls in unserem ausführlichen<br />
Tätigkeitsbericht.<br />
Bleiben Sie uns auch im neuen Jahr gewogen<br />
– schana towa u’mevorechet!<br />
Rabbiner Dr. Walter Homolka, Direktor
Das Judentum hat viele<br />
Gesichter – auch auf Russisch!<br />
Er begrüße Engagement<br />
aus verschiedenen<br />
religiösen Strömungen,<br />
sagte Nikolaj Eptcheine<br />
beim Festakt zur Eröffnung<br />
des <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />
vor gut drei Jahren als<br />
offizieller Vertreter der<br />
Jüdischen Gemeinde<br />
Potsdam. Das Interesse an dieser eigentlich<br />
doch selbstverständlichen religiösen Vielfalt<br />
ist seitdem gerade unter den russischsprachigen<br />
Zuwandern noch gewachsen – zumal dann,<br />
wenn sie es wie im Land Brandenburg bislang<br />
mit einer einzigen religiösen Richtung zu tun<br />
haben, mit Chabad Lubavitch. Epchteine hat<br />
inwischen aus eigener Initiative heraus dazu<br />
beigetragen, dieses wachsende Interesse<br />
zu stillen, und eine russischsprachige Übersetzung<br />
des Buches „Das Judentum hat viele<br />
Gesichter“ von Homolka und Rosenthal vorgelegt.<br />
Nicht nur, dass seine Übersetzung vom<br />
russischen „Machon“ für rundum gelungen befunden<br />
und mit einem Vorwort vom Moskauer<br />
Rabbiner Gregorij Kotylar versehen worden<br />
ist: mit Hilfe der World Union for Progressive<br />
Judaism hat das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> einige<br />
tausend Exemplare drucken lassen können, die<br />
russischsprachigen Interessenten in Deutschland,<br />
aber auch den liberalen Gemeinden<br />
in Russland, Weißrussland und der Ukraine<br />
kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die<br />
Resonanz ist groß: ob bei der Jahrestagung der<br />
Union oder der „Jüdischen Buch- und Bildungsmesse“<br />
in Berlin: die schön illustrierte und mit<br />
Glossar und Literaturverzeichnis versehene gut<br />
200 Seiten starke Softcover-Ausgabe findet<br />
reißenden Absatz. Auf besondere Zustimmung<br />
stößt dabei die Tatsache, dass das Buch nicht<br />
Selbstdarstellung einer einzigen Richtung<br />
ist, sondern gleichberechtigt fünf religiöse<br />
Strömungen porträtiert und dabei auch<br />
wissenschaftlichen Ansprüchen genügt – vorgestellt<br />
werden die Reform-Bewegung, das<br />
konservative Judentum, der Rekonstruktionismus<br />
als jüdische Erneuerungsbewegung, das<br />
orthodoxe Judentum sowie die jüdische Mystik<br />
und der Chassidismus. Noch sind beim AGK<br />
kostenlose Exemplare erhältlich!<br />
Mazal tov!<br />
Wir gratulieren<br />
Dr. Anne-Margarete Brenker und<br />
Ulrich Volz zur Geburt ihres<br />
Sohnes<br />
Pinkas Kasimir<br />
und wünschen Paul viel Freude<br />
mit dem kleinen Bruder!<br />
Jahrestagung<br />
„Wie macht man eine Drascha?“ - eine Frage,<br />
die Laien wie Rabbiner umtreibt und auf die<br />
Rabbiner Drs Edward van Voolen anlässlich der<br />
Berliner Jahrestagung der Union gleich eine<br />
ganze Reihe von Antworten gab. Van Voolen<br />
ist für die praktische Ausbildung am <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> verantwortlich, und dass auch<br />
seine Studenten und <strong>Kolleg</strong>en einen Großteil<br />
des Tagungsprogrammes bestritten, machte<br />
einmal mehr deutlich, welch großen Anteil<br />
unser Rabbinerseminar bei der Erneuerung jüdischen<br />
Lebens in Deutschland hat und nimmt.<br />
Über welches geistige Erbe wir dabei verfügen,<br />
stellte Dr. Esther Seidel vom Londoner Leo<br />
Baeck College dar, als sie über „Das liberale<br />
Judentum – ein deutsch-jüdisches Vermächtnis“<br />
sprach. Besonders bemerkenswert: der<br />
vom <strong>Geiger</strong>-<strong>Kolleg</strong> gestaltete Schabatmor-<br />
Tradition<br />
Was ist: Taschlich?<br />
von Rabbiner Dr. Walter Homolka<br />
In der Taschlich-Zeremonie (hebr.: taschlich<br />
= „du sollst werfen“) werden die eigenen<br />
Sünden symbolisch fortgeworfen, indem man<br />
dreimal seine Taschen ausschüttelt und Staub<br />
oder auch Brotkrumen in ein fließendes Gewässer<br />
streut (Micha 7,19; Schabbat 153a).<br />
Nach einer zusätzlichen<br />
Interpretation<br />
dieser Symbolhandlung<br />
erinnere dies daran,<br />
dass das Schicksal der<br />
Menschen so unsicher ist<br />
wie das der Fische, die<br />
sich im Netz verfangen<br />
(R. Jeschajahu Horowitz,<br />
Schnei Luchot Habrit), oder dass Gottes<br />
achtsame Fürsorge, die Haschgacha, stets<br />
gegenwärtig sei, so wie auch Fische nie ihre<br />
Augen schließen... Das Ritual wird traditionell<br />
am 2. Tag von Rosch ha-<strong>Schana</strong> nach Mincha<br />
durchgeführt, in denjenigen liberalen Gemeinden,<br />
die nur einen Tag Rosch ha-<strong>Schana</strong><br />
halten, am Nachmittag. Auch wenn dies bei uns<br />
keine weit verbreitete Sitte ist, lohnt es sich,<br />
12<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
gengottesdienst, bei dem es Rabbiner Dr.<br />
Walter Homolka gelang, in seiner auf Englisch<br />
gehaltenen Predigt zu Chukkat-Balak den Bogen<br />
vom heidnischen Propheten Bala’am und<br />
dessen „Ma towu“ hin zum Wesen des Judentums<br />
und seiner Beziehung zur nichtjüdischen<br />
Umgebungskultur zu schlagen – sei es nun in<br />
Form der talmudischen Rede über „Chochma<br />
Javanit“, als das Miteinander von „Moreschet<br />
Sepharad“ oder in Gestalt der intellektuelle<br />
Blüte des deutschen Judentums vor der<br />
Schoah, in dessen Tradition auch das <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> steht. Dass unser Präsident, Rabbiner<br />
Prof. Walter Jacob, nicht an dieser Tagung<br />
teilnehmen konnte, wurde sehr bedauert – er<br />
wird aber im Wintersemester an der Universität<br />
Potsdam unterrichten und eine Einführung in<br />
die rabbinische Literatur geben.<br />
darauf einzugehen. Der Maharil, R. Jakow Mölln<br />
(1365-1427), ist der Erste, der diesen Brauch<br />
der aschkenasischen Juden beschreibt und in<br />
eine biblische Tradition stellt. Allerdings ist<br />
wahrscheinlich, dass dieser orthodoxe Minhag<br />
von der nichtjüdischen Umgebung übernommen<br />
worden ist. So beschreibt der italienische<br />
Humanist Francesco Petrarca (1304-1374)<br />
anlässlich eines Besuches in Köln, dass die<br />
christlichen Mädchen an den Rhein gehen und<br />
Blumen und Brot ins Wasser werfen, um damit<br />
Krankheit und Übel zu bannen. Für uns heute<br />
drückt das Taschlich-Machen, z.B. unter Lesen<br />
des 130. Psalms, aber den Gedanken der Teschuwa<br />
aus, der die Yamim Nora’im bestimmt.<br />
Zu den Feiertagen schafft es darüber hinaus<br />
eine zusätzliche Verbundenheit mit der Natur.<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />
Postfach 12 08 52, D-10598 Berlin<br />
Tel: (030) 31 80 05 87<br />
Fax: (030) 31 80 05 86<br />
<strong>Abraham</strong>.<strong>Geiger</strong>.<strong>Kolleg</strong>@t-online.de<br />
www.<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<strong>Kolleg</strong>.de<br />
Foto: Margrit Schmidt
Foto: Burkhard Peter<br />
Die jüdische Stimme<br />
Avitall Gerstetter präsentiert synagogale<br />
Gesänge und jiddische Lieder<br />
von Bernd Lamain<br />
Durch ihre Engagements<br />
in den Synagogen<br />
Oranienburger<br />
Straße und Hüttenweg<br />
in Berlin und anlässlich<br />
der „Langen Nacht der<br />
Synagogen“ sowie<br />
jüngst bei der „Langen<br />
Nacht der Museen“,<br />
aber auch bei der<br />
Festveranstaltung<br />
der WUPJ im Juli ist Kantorin Avitall Gerstetter<br />
inzwischen einem breiten Publikum bekannt<br />
geworden. Auch in der „Langen Nacht der Wissenschaften“<br />
am Seminar für Semitistik und<br />
Arabistik der FU Berlin trat sie gemeinsam mit<br />
Vertretern der syrisch-orthodoxen Kirche und<br />
der Muslime in Deutschland auf und förderte<br />
somit den interkulturellen Dialog zwischen den<br />
monotheistischen Religionen.<br />
Wie schon auf ihrer bemerkenswerten ersten<br />
CD stehen auch jetzt wieder liturgische und<br />
jiddische (Kunst-) Lieder gleichberechtigt<br />
nebeneinander. Ihre Sopranstimme ist im<br />
Vergleich dazu vom Timbre her nachgedunkelt<br />
und hat dadurch an Ausdrucksmöglichkeiten<br />
und Facettenreichtum gewonnen. Louis<br />
Lewandowskis Meriten als Reformer der Synagogalmusik<br />
im 19. Jahrhundert sind gerade in<br />
liberalen Gemeinden hinlänglich bekannt. Er,<br />
der wie jetzt Avitall Gerstetter in der Neuen Synagoge<br />
wirkte, schulte seinen Kompositionsstil<br />
an Mendelssohns Oratorien und schuf damit<br />
eine gelungene Synthese von Tradition und<br />
Zeitgenössischem. Avitall Gerstetter interpretiert<br />
drei seiner Kompositionen: Hashkiwenu,<br />
Psalm 93 und W’shamru. Ihr prononcierter<br />
Vortrag hebt die Gewichtigkeit der Gebetstexte<br />
deutlich hervor.<br />
Jules Massenets berühmte Elegie zeigt den<br />
Komponisten als den typischen Vertreter des<br />
Sentimental-Lyrischen am Ende des 19. Jahrhunderts<br />
in Frankreich. Der Reiz seiner Musik<br />
beruht vor allem auf der nuancierten, zuweilen<br />
eindringlichen Melodik; so ist die Elegie ein<br />
schönes Beispiel für Gerstetters legato- und<br />
Pianokultur. Wie viele andere nichtjüdische<br />
Komponisten empfand auch Maurice Ravel die<br />
jüdische liturgische Musik und deren traditionelle<br />
Melodien als Bereicherung seines kompositorischen<br />
Schaffens. So entstanden 1914 die<br />
Bearbeitungen zweier hebräischer Lieder für<br />
die Sängerin Alvina Alvi: das ironisch gehaltene<br />
Énigme éternelle und das vortrefflich gelungene<br />
Kaddish, der wohl größte Erfolg des Komponisten<br />
auf diesem Gebiet. Das Kaddish aus den<br />
Mélodies Hébraiques ist in der Interpretation<br />
von Avitall Gerstetter wohl der Höhepunkt der<br />
neuen CD. Die an Melismen reiche Komposition<br />
verleitet die Sängerin nicht zur bloßen Virtuosität,<br />
sondern sie wird zum Ausdruckmittel und<br />
verinnerlicht die Ernsthaftigkeit im Gebet.<br />
In den jiddischen Liedern zeigt Avitall Gerstetter<br />
eine ganze Skala von Stimmungen: von<br />
volksliedhaft Schlichtem bis zu Melancholischem,<br />
von Lraurigem bis hin zu reiner Lebensfreude<br />
Ausstrahlendem, Tango – Rhythmen<br />
wie in Mayn Jiddishe Meidele oder Chansons<br />
wie Bai Mir Bistu Sheyn von Shlomo Secunda,<br />
von dem wir auch ein Adon Olam kennen. Der<br />
Pianist Waldemar Wirsing ist ihr auch dabei<br />
ein kongenialer Partner. Alles in allem ist diese<br />
Einspielung für Liebhaber der synagogalen wie<br />
auch der jiddischen Musik äußerst empfehlenswert!<br />
Kontakt: gerstetter@t-online.de<br />
Shana <strong>Tova</strong> 5764<br />
Wir wünschen allen Mitgliedern,<br />
Freunden und Förderern<br />
ein gesegnetes und erfolgreiches<br />
neues Jahr!<br />
Der Vorstand der Jüdischen<br />
Gemeinde Hameln<br />
Rachel Dohme, Feana Engler,<br />
Valerij Friedman,<br />
Aron Kaplan, Polina Pelts<br />
13<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Statistik<br />
Reformjudentum führt<br />
Der Dachverband der „Federations of North<br />
America“, die „United Jewish Communities“,<br />
hat Anfang September seinen ‚National Jewish<br />
Population Survey für 2000/01‘ veröffentlicht.<br />
Darin wird die US-amerikanische jüdische<br />
Bevölkerung mit 5.2 Mio Menschen angegeben.<br />
79 % Progressiver Judentum (1,9 Mio.)<br />
39 % Reform<br />
33 % Conservative<br />
3 % Reconstructionist<br />
4 % Jewish Renewal, Humanist Judaism u. a.<br />
21% Orthodoxes Judentum<br />
in allen Scahttierungen<br />
46 % (also ca. 2.4 Mio) davon gehören einer<br />
jüdischen religiösen Gemeinde aktiv an. 2,8<br />
Mio Menschen identifizieren sich zwar mit<br />
dem Judentum, sind aber nicht affiliiert. Damit<br />
macht das orthodoxe Judentum einen Anteil von<br />
9,2 % an der jüdischen Gesamtbevölkerung der<br />
USA aus.<br />
Die genauen Daten und Charts können Sie<br />
abrufen unter: www.ujc.org/NJPS<br />
www.steiman.de Grafik Web<br />
Charles Steiman
Religion<br />
Ehre, wem Ehre gebührt<br />
Eine Annäherung an die Gemara<br />
von Dr. Gabriel Miller<br />
Ist der Talmud männlich chauvinistisch? Diese<br />
Frage wird, nicht ganz zu Unrecht, oft von<br />
Frauen gestellt. Belege hierfür könnte man<br />
zur Genüge finden. Andererseits könnte man<br />
auch fragen, ob der Talmud feministisch sei,<br />
denn man findet in ihm zahlreiche Belege für<br />
äußerst zuvorkommende Verpflichtungen des<br />
Mannes der Frau gegenüber. Es verhält sich<br />
mit dem Talmud wie mit der Bibel, und es heißt<br />
richtig: Drehe und wende die Lehre immer wieder,<br />
denn alles ist in ihr enthalten. In der Bibel<br />
heißt es zum Beispiel dass die Frau bitterer<br />
als der Tod sei (Prediger 7, 26) und der nach<br />
jüdischer Tradition selbe Autor (König Salomo)<br />
sagt aber auch: „Wer eine Frau gefunden, hat<br />
Gutes gefunden“ (Sprüche 18, 22). Mit einer<br />
direkten Aussage, mit einem gezielten Zitat<br />
kann man der Sache nicht näher kommen. Wie<br />
auch sonst im Leben, verraten meistens die<br />
scheinbar nebenher und rein zufällig gemachten<br />
Äußerungen die Einstellung, die sich sonst<br />
nicht klar zu erkennen gibt.<br />
In der Gemara (b San. 11a) wird das Interkalar-<br />
Jahr behandelt. Es wird also erörtert, wie das<br />
Schaltjahr bestimmt wird. Bis zum dritten<br />
Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde das<br />
Schaltjahr jährlich von den Gelehrten beraten<br />
und festgelegt. Bei der Beratung und Abstimmung<br />
durften nicht mehr als sieben Personen<br />
anwesend sein. Diese wurden vom Präsidenten<br />
des Synhedrions ausgewählt und zur Sitzung<br />
eingeladen. Während der Erörterung der<br />
Regeln des Schaltjahres wird von einem Vorfall<br />
berichtet, der sich im 1. Jhd. ereignet haben<br />
soll (aufgezeichnet wurde der ganze Sachverhalt<br />
im 5. Jhd.): Einst verordnete R. Schimon b.<br />
Gamliel, dass man ihm am nächsten Morgen<br />
sieben Richter zum Speicher hinaufschickte,<br />
um das Schaltjahr zu berechnen und festzulegen.<br />
Am nächsten Morgen waren aber acht Personen<br />
gekommen. Das Quorum war überschritten<br />
und man konnte keinen Beschluss fassen.<br />
R. Schimon b. Gamliel war überrascht und<br />
sprach: „Wer unbefugt heraufgekommen ist, er<br />
gehe hinunter.“ Es meldete sich R. Schmu’el<br />
der Kleine mit folgender Entschuldigung: „Ich<br />
bin nicht gekommen, um an der Interkalation des<br />
Jahres teilzunehmen, sondern um zu lernen, wie<br />
das in der Praxis durchgeführt wird“. Daraufhin<br />
sagte R, Schimon b. Gamliel: „Setz dich, mein<br />
Sohn. Du bist würdig, dass jede Interkalation des<br />
Jahres durch dich erfolge.“ Damit beendet die<br />
Gemara den Bericht über diese Anekdote und<br />
man erfährt nicht, ob an diesem Tag über das<br />
Schaltjahr abgestimmt wurde. Es wird lediglich<br />
weiter mitgeteilt, dass in Wirklichkeit nicht<br />
Schmu’el der Kleine der ungebetene Gast war,<br />
„sondern ein anderer, und nur um diesen der<br />
Beschämung nicht auszusetzen, sagte er es“.<br />
Es ist offensichtlich, dass diese Anekdote<br />
nicht erwähnt wurde, um zur Klärung der<br />
Schaltjahrproblematik beizutragen. Der Grund<br />
ihrer Erwähnung ist nicht geheimnisvoll, wenn<br />
man Folgendes bedenkt: Die literarische<br />
Form der Gemara ist die einer fortgesetzten<br />
Diskussion und Unterhaltung. Die während der<br />
Jahrhunderte geführten Gespräche zwischen<br />
den Gelehrten wurden gesammelt und in einer<br />
gewissen Ordnung zusammengefasst. Bei<br />
den Diskussionen ging es nicht immer nur um<br />
Argumentationen, man erinnerte sich auch<br />
der verschiedenen Ereignisse, die einen Sachverhalt<br />
klären oder eine bestimmte Meinung<br />
unterstützen konnten, man erwähnte aber auch<br />
oft Vorkommnisse, die zur Klärung des Tatbestands<br />
keinen Beitrag leisteten, lediglich einem<br />
der Anwesenden gerade in den Sinn kamen<br />
und die er für erwähnenswürdig hielt. So findet<br />
man auch Texte, die ohne einen sachlichen<br />
Zusammenhang rein assoziativ sich in einer<br />
Kette von Anekdoten verlieren. Auch in diesem<br />
Fall verhält es sich so, dass einem der Gelehrten<br />
der Zwischenfall, den er vom Hören-Sagen<br />
kannte, einfiel und er ihn erwähnenswert fand.<br />
Entweder wollte er Schmu’el den Kleinen wegen<br />
seiner Großmut preisen, oder er wollte an dem<br />
Beispiel belehren, wie man sich als anständiger<br />
Mensch zu verhalten hat. Diese Anekdote zog<br />
weitere ähnliche hinter sich her, an die man sich<br />
bei der Gelegenheit nun erinnerte. Eine dieser<br />
Anekdoten kommt auf den Ausgangspunkt der<br />
vorliegenden Abhandlung zurück und soll hier<br />
eingehend besprochen werden.<br />
„Einst kam eine Frau in das Lehrhaus des R.<br />
Me’ir und sprach: Einer aus eurer Mitte hat<br />
mich durch Beiwohnung geehelicht. Da stand<br />
R. Me’ir auf, schrieb ihr einen Scheidebrief und<br />
überreichte ihn ihr. Hierauf standen auch alle<br />
anderen auf, schrieben ihr Scheidebriefe und<br />
überreichten sie ihr.“ Diese Kurzgeschichte, die<br />
im hebräischen Originaltext lediglich dreißig<br />
Worte enthält, birgt mehr Information als es<br />
scheint. Die Absicht des Berichts ist eindeutig.<br />
Die Gemara belobigt das Verhalten von R. Me’ir<br />
und präsentiert es als beispielhaft. Nochmals<br />
zur Geschichte: Es kommt eine Frau in das<br />
Lehrhaus und behauptet, einer der Anwesenden<br />
sei mit ihr eine Ehe eingegangen. Was soll<br />
14<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
nun geschehen? Das übliche Verfahren nach<br />
dieser Behauptung wäre: zu ermitteln, wer der<br />
betreffende Mann, der Beschuldigte, ist und<br />
ihn zu veranlassen, entweder sich zur Ehe mit<br />
der Frau zu bekennen, oder sich von ihr scheiden<br />
zu lassen. R. Me’ir nimmt an, dass der<br />
Betreffende sich auf eine Ehe nicht einlassen<br />
wollte (da sonst die Frau nicht hätte kommen<br />
und sich beklagen müssen), um aber die<br />
öffentliche Erörterung zu vermeiden und den<br />
Unbekannten der Peinlichkeit oder „Schande“<br />
nicht auszusetzen, schreibt er der Frau einen<br />
Scheidebrief. Die anderen Anwesenden im<br />
Lehrhaus, die natürlich wussten, dass es nicht<br />
R. Me’ir war, der der Frau beigewohnt hatte,<br />
folgten seinem Beispiel und stellten ebenfalls<br />
Scheidebriefe aus. Einer dieser Scheidebriefe<br />
stammte vom Beschuldigten; die Frau war<br />
geschieden und der „Ehemann“ unerkannt<br />
geblieben. Eine wahrhaftig noble Geste des<br />
R. Me’ir! Nun sollte man aber der Geschichte<br />
etwas mehr auf den Grund gehen. Wie kann<br />
oder muss sich alles zugetragen haben?<br />
Ein Gelehrter oder Jünger eines Gelehrten (Talmid<br />
Chacham) geht zu einer Frau und verspricht<br />
ihr die Ehe, um mit ihr zu schlafen; er meint es<br />
nicht ernst, so etwas soll ja gelegentlich vorkommen.<br />
Sie scheint eine keusche Frau zu sein,<br />
da sie ohne das Eheversprechen mit ihm nicht<br />
geschlafen hätte. Sie kennt das Gesetz und<br />
weiß, dass sie nun mit diesem Mann verheiratet<br />
ist. Der Mann kümmert sich nicht darum und<br />
will davon nichts wissen. Es gibt keine Zeugen<br />
für den Beischlaf (das ist in der Regel der Fall)<br />
und wahrscheinlich auch nicht für das Eheversprechen<br />
(sonst hätte es diese Komplikation<br />
gar nicht erst gegeben). Nun könnte die Frau<br />
alles auf sich beruhen lassen. Sie ist zwar enttäuscht,<br />
da aber kein Außenstehender von dem<br />
Vorfall Kenntnis hat, könnte sie weiterleben<br />
wie bisher. Sie will es aber nicht. Zwei Gründe<br />
könnten ihr Verhalten erklären: Laut Gesetz ist<br />
sie verheiratet, und ob es bekannt ist oder auch<br />
nicht, muss sie geschieden werden, wenn sie<br />
wieder heiraten will; der zweite Grund könnte<br />
darin bestehen, dass sie in Erklärungsnot käme,<br />
wenn sie bei einer Wiederverheiratung keine<br />
Jungfräulichkeit nachweisen könnte. Eines ist<br />
sicher: Ihre Beweggründe sind nicht materieller<br />
Art. Die Scheidung als solche bringt ihr keine<br />
finanziellen Vorteile. Das wäre nur dann der Fall,<br />
wenn sie eine Ketuba, eine Eheschließungsurkunde<br />
gehabt hätte.<br />
Damit ist die Angelegenheit noch nicht ausreichend<br />
transparent. Man sollte das Augenmerk<br />
vielleicht weniger auf das Verhalten von R.<br />
Me’ir und vielmehr auf das der Frau lenken.<br />
Es ist nämlich keine Kleinigkeit für eine Frau,<br />
zumal eine anständige, sich in einem solch<br />
aufsehenerregenden Spektakel zu exponieren.<br />
Warum tut sie das? Da sie die Sache, wie<br />
eben erörtert, nicht auf sich beruhen lassen<br />
will, hätte man ihr nahegelegt, den Mann zur<br />
Rede zu stellen. Sie hätte ihn warnen können:<br />
Entweder wir vollziehen eine öffentliche Eheschließung,<br />
oder du lässt dich von mir scheiden,<br />
sonst gehe ich den äußersten Weg (den<br />
sie auch zum Schluss gegangen ist). Gehen
wir davon aus, dass es sich mehr oder weniger<br />
so zugetragen hat. Wie reagierte der Mann? Er<br />
machte sich hierüber keine Sorgen und wollte<br />
nichts davon wissen. Da dieser Versuch der<br />
Frau erfolglos war, würde man ihr raten, ehe<br />
sie ihre Klage öffentlich bekannt machte, zu R.<br />
Me’ir zu gehen und ihm den Fall vorzutragen.<br />
Das Argument scheint überzeugend und<br />
angenommen sie geht diesen Weg und erzählt<br />
R. Me’ir ihre traurige Geschichte. Um ihr aber<br />
zu helfen, wozu er ja offenbar bereit ist, muss<br />
er den Namen des Mannes erfahren. Erst dann<br />
kann er ihm ins Gewissen reden und ihn zur<br />
Heirat oder zur Scheidung bewegen. Sie gibt<br />
den Namen des Mannes jedoch nicht preis. Sie<br />
will ihn nicht bloßstellen. Das ist wohl erwiesen,<br />
denn wäre dem nicht so, hätte sie seinen<br />
Namen auch im Lehrhaus bekannt gegeben.<br />
Der neuzeitliche Talmudkommentator Steinsalz<br />
meint, dass die Frau den Namen des Mannes gar<br />
nicht kannte. Er legt die Worte der Frau „Einer<br />
aus eurer Mitte hat mich durch Beiwohnung<br />
geehelicht“ folgendermaßen aus: „Das bedeutet:<br />
einer schlief mit mir und sagte mir, dass er<br />
dies zum Zwecke der Eheschließung tut, und<br />
ich weiß nicht, wer es war, und sie will dass er<br />
sie entweder heiratet oder sich scheiden lässt.“<br />
Diese Auslegung ist etwas weit hergeholt. Man<br />
wird bei einer üblichen Beweisführung kaum<br />
jemanden davon überzeugen können, dass<br />
eine Frau, die mit einem Mann geschlafen hat,<br />
nachdem er sie von seinen ehrlichen Absichten<br />
überzeugt hatte und sie in den Bund mittels<br />
eines Beischlafs einwilligte, nicht wissen soll,<br />
wer der Mann ist; darüber hinaus weiß sie, wo<br />
er zu finden ist, nämlich im Lehrhaus des R.<br />
Me’ir. Man kann also davon ausgehen, dass die<br />
Frau sehr wohl über die Identität des Mannes<br />
Bescheid wusste, sie diese aber weder R. Me’ir<br />
(sofern es ein privates Vorgespräch mit ihm gab)<br />
noch den Anwesenden im Lehrhaus gegenüber<br />
preiszugeben bereit war. Warum wohl?<br />
Die naheliegende Erklärung, um nicht zu sagen<br />
die sichere, da man bei der Auslegung solcher<br />
Sachverhalte immer nur nach der Wahrscheinlichkeit<br />
verfahren kann, ist die folgende: Die<br />
Frau hat sich dem Mann in ehrlicher Absicht<br />
hingegeben, um von ihm geehelicht zu werden.<br />
Sie ist bereit und willig, mit ihm eine Ehe zu<br />
führen, aber wenn er nicht dazu bereit ist, so<br />
will sie von ihm geschieden werden. Sie ist<br />
jedoch nicht bereit, seinen Namen bekannt<br />
zu geben. Sie respektiert trotz allem seine<br />
Privatsphäre, will ihm keine Schande bereiten<br />
und ihn nicht in der Öffentlichkeit unmöglich<br />
Vorschau auf Veranstaltungen des Orpheus Trust<br />
27. Oktober, 19.00 Uhr<br />
Festsaal der Österreichischen Nationalbank,<br />
Otto Wagner-Platz 3, 1090 Wien: Festakt 40<br />
Jahre Österreichisch-IsraelischeGesellschaft.<br />
Musikpro-gramm: Orpheus Trust in Kooperation<br />
mit dem Herbert von Karajan-Centrum<br />
machen. Offensichtlich hegt sie keinen<br />
Groll gegen ihn und hasst ihn auch nicht für<br />
das, was er ihr angetan hat, jedenfalls nicht<br />
dermaßen, dass sie ihn bloßstellen will. Wir<br />
haben es wahrscheinlich mit einer feinfühligen<br />
und altruistischen Frau zu tun, die großherzig<br />
genug ist, feindselige Gefühle (die eigentlich in<br />
diesem Zusammenhang zu erwarten wären) zu<br />
unterdrückten und einfach menschlich zu sein.<br />
Die Berichterstatter oder Autoren der Gemara<br />
gehen selbstverständlich davon aus, dass<br />
diese Geschichte ein nachahmenswertes altruistisches<br />
Verhalten des R. Me’ir dokumentiert<br />
und ordnen sie in eine Reihe von anderen Ereignissen<br />
ein, in denen es darum geht, seinen<br />
Nächsten vor der Beschämung, Beleidigung,<br />
Peinlichkeit und Erniedrigung zu bewahren, ihn<br />
möglichst vor solchen Situationen zu schützen.<br />
In der Tat ist dies eine Tugend, die in der<br />
Gemara an mehreren Stellen hervorgehoben<br />
wird. In diesem besonderen Fall scheint es<br />
doch eher so zu sein, dass die betrogene Frau<br />
diejenige war, die beispielhaft gehandelt hat.<br />
Von R. Me’ir kann man allenfalls sagen, dass er<br />
nicht anders handeln konnte. Mit dem Erscheinen<br />
der Frau im Lehrhaus und ihrer Aussage<br />
zufolge musste R. Me’ir klar geworden sein,<br />
dass die Frau den Namen des betreffenden<br />
Mannes nicht preisgeben würde (sonst hätte<br />
sie ihn gleich genannt). Also handelte R. Me’ir<br />
sehr klug und erreichte für die Frau, worauf sie<br />
Anspruch hatte. Als ein besonderes Verdienst<br />
kann sein Handeln nicht gelten. Oder aber<br />
– und diese Frage ist die entscheidende für die<br />
Einstellung der Gelehrten zur Frau – übersieht<br />
die Gemara absichtlich die Verdienste der<br />
Frauen und übergeht ihrer Belobigung? Auch<br />
wenn diese krasse Formulierung etwas zu<br />
weit zu gehen scheint und die Verteidiger der<br />
Gelehrten mit Leichtigkeit viele Zitate vorlegen<br />
könnten, in denen die Rolle der Frau und ihre<br />
Tugenden herausgestrichen werden, so lässt<br />
sich doch mindestens das eine feststellen:<br />
Die Gemara wurde von Männern geschrieben,<br />
und es war nicht ihre Sache, sich in die Frauen<br />
hineinzudenken und nach ihren Motiven zu forschen.<br />
Und wenn dadurch die Frau an Ansehen<br />
verliert und der Mann stattdessen an Ansehen<br />
gewinnt, so hätten sich die Männer deshalb<br />
auch keine grauen Haare wachsen lassen.<br />
Dr. Gabriel Miller ist als Notar in Frankfurt<br />
und Tel Aviv tätig. Er lehrt Jüdisches Recht<br />
an der Frankfurter Johann Wolfgang-Goethe-<br />
Universität. Mehr Talmudisches:<br />
www.juedisches-recht.de<br />
21.–22. November<br />
VHS Hietzing, Hofwiesengasse 48, 1140<br />
Wien: ‚Adorno hören - Symposion zum 100.<br />
Geburtstag‘, Koordination: Robert Streibel,<br />
Markus Vorzellner. Referenten: Konrad Paul<br />
Liessmann, Wendelin Schmid-Dengler, Gerhard<br />
Scheit, Hermann Schlösser, Michael Ley,<br />
Richard Steurer u.a.<br />
15<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Ein Abend mit Edith Kraus<br />
Die Pianistin erzählt aus ihrem Leben<br />
Moderation: Evelyn Adunka<br />
Freitag, 24.Oktober 2003,<br />
nach dem Erew Schabbat-<br />
Gottesdienst (ca. 20.15<br />
Uhr), Haidgasse 1, 1020<br />
Wien. Eine Veranstaltung<br />
von Or Chadasch in<br />
Kooperation mit dem<br />
Orpheus Trust.<br />
Edith Kraus wurde 1913 in Wien geboren und<br />
übersiedelte 1919 nach Karlsbad. Sie war ein<br />
„Wunderkind“ und absolvierte mit elf Jahren<br />
ihr Konzertdebüt mit Mozarts c-moll-Konzert.<br />
Auf Empfehlung Alma Mahler-Werfels begann<br />
sie mit dreizehn Jahren das Studium an der<br />
Berliner Hochschule für Musik, ein Jahr später<br />
war sie jüngste Studentin in Arthur Schnabels<br />
Meisterklasse. Nach dem Studium übersiedelte<br />
sie nach Prag, wo sie eine rege Konzert- und<br />
Rundfunktätigkeit entfaltete . 1933 heiratete<br />
sie Karl Steiner.<br />
1942 wurde sie mit ihren Mann nach Theresienstadt<br />
deportiert. Dort arbeitete sie im Rahmen<br />
der jüdischen Selbstverwaltung als Pianistin<br />
eng mit dem Komponisten Viktor Ullmann zusammen.<br />
Ihre Familie überlebte nicht. Nach der<br />
Befreiung kehrte sie nach Prag zurück, 1946<br />
heiratete sie Arpad Bloedy (siehe dazu Torberg:<br />
Tante Jolesch).<br />
1949 emigrierte sie nach Israel. Sie unterrichtete<br />
an der Rubin Music Academy in Tel Aviv und<br />
beschäftigte sich intensiv mit den Werken der<br />
Theresienstädter Komponisten. Edith Kraus lebt<br />
heute in Jerusalem. Gefragt, ob die Künstlerin<br />
sich selbst als eine der letzten Vertreterinnen<br />
der sogenannten deutschen Schule des Klavierspiels<br />
einschätzt, widerspricht sie vehement.<br />
Denn sie glaubt, Vertreter dieser Schule seien<br />
Pianisten gewesen, die mehr Wert auf echte<br />
Musikalität und Werktreue und weniger auf<br />
Virtuosität legten: „Ich glaube nicht, dass das<br />
ausstirbt. Denken Sie an den Briten Solomon oder<br />
an Murry Perahia.“ Nach einem Schlaganfall<br />
musste Kraus 1994 mit dem aktiven Klavierspiel<br />
aufhören, unterrichtet aber weiterhin.<br />
Edith Kraus kehrt auf Einladung des Orpheus<br />
Trust zum ersten Mal in ihre Geburtsstadt<br />
Wien zurück und wird im Rahmen der Ullmann-<br />
Masterclass an der Universität für Musik und<br />
Darstellende Kunst die Klaviersonaten von<br />
Victor Ullmann mit Studenten erarbeiten.<br />
Der von Primavera Gruber geleitete Verein<br />
Orpheus Trust wurde im Mai 1996 gegründet<br />
und ist die einzige Institution Österreichs, die<br />
sich zum Ziel setzt, durch Veranstaltungen,<br />
durch Erforschung und Dokumentation sowie<br />
durch Beratung und Informationsvermittlung<br />
an die aus Österreich vertriebenen oder im<br />
KZ ermordeten Musiker, Komponisten, Musikverleger,<br />
-wissenschaftler und -publizisten<br />
zu erinnern. Sie hat dabei seit Beginn ihrer<br />
Tätigkeit mit schweren finanziellen Problemen<br />
zu kämpfen.
Religion<br />
Der Lulaw steht für menschliche Tugenden<br />
von Rabbiner Dr. Henry G. Brandt<br />
Mitte Oktober, am 11.<br />
Tischri, beginnt Sukkot.<br />
Rabbiner Brandt, der zu den<br />
Gründervätern der liberalen<br />
jüdischen Gemeinde Or Chadasch<br />
in Wien gehört, beschreibt<br />
im Folgenden Charakter<br />
und Bedeutung des<br />
Laubhüttenfestes. Wir haben diesen Beitrag<br />
seinem Buch „Freude an der Tora – Freunde am<br />
Dialog entnommen“, das 2002 als Festgabe<br />
zum 75. Geburtstag des Landesrabbiners von<br />
Westfalen-Lippe erschien.<br />
Sind die Hohen Feiertage hauptsächlich Feste<br />
der Seele, deren Thematik sich mit Selbsterkenntnis,<br />
Reue, Rückkehr, Vergebung und Versöhnung<br />
befasst, schlägt das darauffolgende<br />
Laubhüttenfest einen völlig unterschiedlichen<br />
Ton. Hier stehen wieder die Aktualitäten des<br />
Lebens im Mittelpunkt, und die Gedanken<br />
werden auf Geschichte und natur hingelenkt.<br />
Gleich den anderen zwei großen Wallfahrtsfesten<br />
des jüdischen Kalenders, Pessach und<br />
Schawuot, schöpft Sukkot, das Laubhüttenfest,<br />
aus der Entstehungsgeschichte Israels<br />
und aus dem Jahreszyklus der Landwirtschaft<br />
eine doppelte Bedeutung. Einerseits erinnert<br />
es an den Schutz der göttlichen Vorsehung<br />
während der vierzigjährigen Wanderung durch<br />
die Wüste in der Zeit nach dem Auszug der Kinder<br />
Israels aus Ägypten und andererseits ist<br />
es allgemeines Erntedankfest am Ende eines<br />
landwirtschaftlichen Jahres, wenn die Felder<br />
kahl geerntet und die Früchte von den Bäumen<br />
und Sträuchern gepflückt sind. Nicht unerwartet<br />
ist dieses Fest demnach reich an religiösem<br />
Brauchtum und Symbolen.<br />
Hoschanot: Gott, hilf!<br />
Da ist zum einen die Laubhütte, welche dem<br />
Fest den Namen gibt. Diese Hütte soll aus einfachen<br />
Balken erbaut und mit Zweigen und Ästen<br />
bedeckt werden. Sie ist in ihrer Baufälligkeit<br />
Hinweis auf die bescheidenen Behausungen,<br />
in denen die Israeliten bei ihrem Wüstenzug<br />
wohnten. Trotz ihrer baulichen Einfachheit ermöglichte<br />
die Sukka den Menschen Unterkunft<br />
und damit das Überleben in den extremen klimatischen<br />
Bedingungen des Sinai. Das Leben in<br />
der Sukka, in der Laubhütte, lehrt uns: Besser<br />
in einer bescheidenen Hütte unter dem Schutze<br />
Gottes leben als in einer festgemauerten Burg,<br />
in der man sich auf Menschen verlassen muss.<br />
So ist die Sukka gleichzeitig Ausdruck in den<br />
Schutz und die Vorsehung Gottes.<br />
Das zweite bedeutende Symbol dieses Festes<br />
ist der Feststrauß, Lulaw. Genauer gesagt<br />
handelt es sich um die Arba Minim – die vier<br />
Arten. Im dritten Buch Moses (23,40) lesen wir.<br />
„Und ihr sollt Euch am ersten tag Früchte von<br />
schönen Bäumen, Palmzweige und äste von<br />
dichtbelaubten Bäumen und von Bachweiden<br />
holen und sieben Tage fröhlich sein vor dem<br />
Herrn, eurem Gott.“ Zwei dieser Dinge, die<br />
Frucht der schönen Bäume und die Äste von<br />
dichtbelaubten Bäumen, sind in der Bibel nicht<br />
näher definiert. Im laufe der Generationen und<br />
nach vielen Diskussionen der weisen wurden<br />
sie als Etrog, eine zitronenartige Frucht, und<br />
die äste als Zweige der Myrte bestimmt. Die<br />
Zweige der drei Baumarten werden zu einem<br />
Strauß zusammengebunden.<br />
Etrog, Lulaw, Hadass, Arava<br />
„Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“<br />
Zum Leben und Werk von Theodor Lessing (1872-1933)<br />
An bestimmten Stellen der Festtagsliturgie<br />
wird dieser Strauß zusammen mit dem Etrog<br />
nach einschlägigen Segenssprüchen in die vier<br />
Himmelsrichtungen sowie nach oben und nach<br />
unten geschüttelt. Warum aber dieser Brauch<br />
und die Abfolge der Handlung? Es existieren<br />
Interpretationen, die darin den Ausdruck<br />
sehen, die Allgegenwart Gottes in der Welt anzuzeigen,<br />
im Himmel ebenso wie unten auf der<br />
Erde. Eine weitere Erklärung für diese Tradition<br />
weist auf unseren Wunsch hin, für den Segen<br />
über die ganze Welt zu beten. Natürlich hat<br />
dieser Brauch auch die Phantasie der Prediger<br />
und Ausleger geweckt. So weisen Positionen<br />
darauf, dass sich die im Feststrauß zusammengebundenen<br />
Baumarten in bestimmter Weise<br />
voneinander unterscheiden und man daraus<br />
eine bedeutungsvolle Lehre ziehen kann. Der<br />
Etrog ist eine Frucht, die sowohl essbar als<br />
auch wohlriechend ist. Die Dattelpalme bietet<br />
zwar essbare Früchte, aber erfreut sich keines<br />
Aromas. Die Myrte hat zwar wohlriechende<br />
Blätter, aber sie hat keine essbare Frucht.<br />
16<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Und von der Bachweide kann man nur sagen,<br />
dass sie weder Aroma besitzt noch Früchte<br />
trägt. Diese Eigenschaften des Feststraußes<br />
werden als Gleichnis verstanden, das auf alle<br />
Menschen bezogen werden kann.<br />
Die Tradition versteht dies so: Es gibt Menschen,<br />
die die Weisheit der Tora besitzen,<br />
die Weisen und Gelehrten, und gleichzeitig<br />
gute taten vollbringen. Sie tragen sozusagen<br />
Aroma und Frucht. Andere wiederum sind zwar<br />
Toragelehrte, aber sie setzen das Gelernte<br />
nicht in die Praxis der guten Taten um. Dann<br />
gibt es solche, die nur Gutes tun, aber sich<br />
nicht dem Studium der Tora widmen, sowie<br />
– und das wissen wir ja gut genug – Menschen,<br />
die weder lernen noch Gutes tun. Damit Israel<br />
nicht zerstört werde, lasse man alle Zweige<br />
zusammenbinden, damit die Rechtschaffenen<br />
Versöhnung für die anderen bringen. Andere<br />
sagen: Lasst sie alle zusammenbinden, damit<br />
die Solidarität sie gegenseitig trägt und stützt.<br />
Und was hier für Israel gilt, das gilt auch für die<br />
gesamte Menschheit.<br />
Aus den Formen der Blätter und des Etrogs<br />
kann man auch Gleichnisse erarbeiten. So<br />
ähnelt der lange Palmenzweig dem menschlichen<br />
Rückgrat, die zitronenartige Frucht des<br />
Etrog erinnert an das Herz und das Weidenblatt<br />
an den Mund. Gleichermaßen kann man im<br />
Myrtenblatt die Form des menschlichen Auges<br />
wiedererkennen. So soll der Mensch mit allen<br />
seinen Gliedern, mit all seinen Empfindungen<br />
und Gefühlen, mit all seinen Einsichten und<br />
Erfahrungen Gott und seinen Mitmenschen<br />
mutig und aufrecht dienen. So verstanden ist<br />
der Feststrauß ein aufrechtes Zeichen eines<br />
mit der Ernte abgeschlossenen landwirtschaftlichen<br />
Jahreszyklus.<br />
Internationale Tagung des Moses Mendelssohn Zentrums<br />
16.-18.10. 2003, im Alten Rathaus Potsdam<br />
www.mmz-potsdam.de<br />
Foto (Sukka): Or Chadasch Wien
Essay<br />
Wir sind alle Reformer<br />
Im Judentum hat Erneuerung Tradition<br />
von Primar Dr. Theodor Much<br />
Der Bruderzwist unter Juden um die Notwendigkeit<br />
von religiösen Reformen im Judentum,<br />
erhitzt die Gemüter seit jeher. Besonders<br />
intensiv wird diese Frage seit rund 200 Jahren<br />
(als Folge des Aufkommens der Reformbewegung<br />
in Deutschland) diskutiert und je nach<br />
Standpunkt der Diskutierenden äußerst unterschiedlich,<br />
ja teilweise konträr bewertet.<br />
Während (ultra)orthodoxe Juden (und in ihrem<br />
Sog auch viele in religiösen Fragen indifferente,<br />
säkulare Juden), die Notwendigkeit von<br />
religiösen Reformen völlig negieren, sie als<br />
„unnötig, schädlich und gefährlich” ansehen<br />
und sich dabei auf das Dogma von der „Torah<br />
min haschamaim” berufen („Moses erhielt alle<br />
Gebote – selbst die mündliche Überlieferung<br />
– direkt von Gott am Sinai”: „für Änderungen<br />
ist daher kein Platz”), sind religiöse Juden,<br />
die sich nicht als orthodox verstehen (sondern<br />
als konservativ oder progressiv), naturgemäß<br />
anderer Meinung.<br />
Für Gegner jeder Reform existiert im Allgemeinen<br />
nur „ein einziges authentisches<br />
Judentum”, ein Judentum, das „von <strong>Abraham</strong><br />
über Moses bis zum heutigen Tag unverfälscht,<br />
von Generation zu Generation weitergereicht<br />
wurde”: nämlich die „Orthodoxie.”<br />
Wer so denkt, argumentiert, „dass religiöse<br />
Reformen im Judentum überflüssig und gefährlich<br />
seien, weil nach Entfernung einzelner<br />
Bausteine, das Gesamtgebäude früher oder<br />
später zum Einsturz gebracht wird und die Assimilation<br />
dann nicht mehr zu verhindern sei.”<br />
In den Augen nichtorthodox-religiöser Juden ist<br />
diese Argumentationslinie falsch, auch weil sie<br />
geschichtliche Entwicklungen und Realitäten<br />
der jüdischen Welt nicht zu Kenntnis nimmt.<br />
Denn keiner, der sich mit der Geschichte des<br />
Judentums ernsthaft auseinandersetzt, wird<br />
bestreiten, dass das gesamte heutige Judentum<br />
in all seinen Aspekten sich sehr wesentlich<br />
vom Judentum des Mittelalters unterscheidet,<br />
und letzteres wiederum ist ein völlig anders<br />
Judentum als das weiter zurückliegender<br />
Epochen.<br />
Gäbe es so etwas wie Zeitreisen, dann würde<br />
ein Zeitgenosse von Moses, der eine solche<br />
Reise antritt, sich weder im mittelalterlichen,<br />
geschweige denn im heutigen Judentum,<br />
zurechtfinden. Unser Zeitreisender würde alle<br />
heutigen Juden als „Reformer und Dissidenten”<br />
sehen und (wahrscheinlich) verdammen. Das<br />
Wort „Reform” bedeutet laut allgemeiner<br />
Übereinkunft eine Umgestaltung bestehender<br />
Verhältnisse, eine Verbesserung ohne Gewalteinwirkung<br />
(im Gegensatz zur Revolution). Reformen<br />
im Sinne dieser Definition gab es – wie<br />
im Folgenden gezeigt werden soll – zu allen<br />
Zeiten im Judentum, auch wenn eine jüdische<br />
Reformbewegung im engeren Sinne erst seit<br />
rund 200 Jahren existiert.<br />
Beispiele für solche Neuerungen und Verbesserungen<br />
im Judentum gibt es viele, und es<br />
erstaunt mich immer wieder, wie vielen Menschen<br />
diese einfache Tatsache nicht bewußt<br />
ist.<br />
Schon im 5. Buch Moses kann der Bericht von<br />
den Töchtern des Zelofchads gelesen werden.<br />
Dort wird erzählt, dass Frauen, deren Vater<br />
ohne männliche Erben verstorben war, von Moses<br />
das Recht auf Erbschaft forderten. Moses,<br />
der keine sofortige Antwort auf das Problem<br />
wusste, zog sich zurück um mit Gott darüber zu<br />
beraten, um erst danach die Entscheidung zu<br />
treffen, dass auch Frauen erben dürfen. Diese<br />
Episode zeigt deutlich, daß Moses nicht alle<br />
Gesetze am Sinai von Gott erhielt und selbst er,<br />
um bestehende Ungerechtigkeiten auszumerzen,<br />
es für legal hielt, Reformen einzuführen.<br />
Doch auch viele andere biblisch fixierte Gesetze<br />
wurden von unseren Vorfahren im Sinne<br />
von Tikkun Olam, Verbesserung der Welt,<br />
außer Kraft gesetzt. Denken wir an die biblischen<br />
Kapitalstrafen für bestimmte Vergehen,<br />
Verbot der Bitterwasserprobe bei Verdacht<br />
auf Ehebruch, den Schuldenerlaß im 7. Jahr<br />
(durch Hillel), die Schwagerehe, Gesetze im<br />
Zusammenhang mit Sklaverei, die Abschaffung<br />
der Polygamie, dem Aussetzen der Opfergesetze<br />
und Reinheitsgebote und sehr vieles<br />
mehr. Selbst die Frommsten der Frommen im<br />
Judentum (Selbstbezeichnung: „Thoratreue”)<br />
sind daher heute nicht mehr in der Lage diesen<br />
Gesetzen zu folgen! Auch die Gebetsliturgie<br />
wurde immer wieder weiter entwickelt und<br />
teilweise erneuert.<br />
So wurden unter anderem Piutim (die synagogale<br />
Poesie) eingeführt, und es entstanden<br />
auch – stets gegen den Widerstand der Traditionalisten<br />
– manche neuen Gebete (wie das Kol<br />
Nidre und selbst von manchen orthodoxen Synagogen<br />
wurde ein Brauch der Reformer – die<br />
Predigt des Rabbiners – übernommen. Auch<br />
die Bat Mizwa-Feier und der Talmud-Tora-Unterricht<br />
für Mädchen in einzelnen orthodoxen<br />
Synagogen, sind Neuerungen im Sinne der<br />
Reformbewegung. Vielen Menschen ist auch<br />
nicht bewußt, dass alte, heute selbstverständliche<br />
Sitten wie das Tragen der Kippa und die<br />
Tradition der materilinearen Abstammungslinie<br />
im Judentum in biblischer Zeit noch unbekannt<br />
waren, also ebenfalls Neuerungen sind.<br />
Reformen im Judentum sind daher nicht eine<br />
„Erfindung” der Reformjuden, sondern notwendige<br />
Selbstverständlichkeiten, die aber<br />
heute von manchen jüdischen Gruppierungen<br />
hartnäckig geleugnet und abgelehnt werden.<br />
Man darf daher mit Gewissheit behaupten,<br />
dass ein Judentum ohne Neuerungen nicht bis<br />
heute überlebt hätte, dass also Reformen für<br />
17<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
das Weiterbestehen des Judentums eine Notwendigkeit<br />
waren und immer noch sind. Und<br />
wer sich heute Gedanken über das Wunder des<br />
Überlebens des Judentums macht, sollte die<br />
Flexibilität unserer Vorfahren, die Bereitschaft<br />
zu Neuerungen im Sinne von Tikkun Olam als<br />
ein wesentliches Element der Überlebensstrategie<br />
des Judentums nicht geringschätzen.<br />
Solche Reformen dürfen aber nie nach Lust und<br />
Laune (oder aus Bequemlichkeit) durchgeführt<br />
werden, sondern nur von hochqualifizierten<br />
Gelehrten – und soweit wie möglich im Rahmen<br />
der Halacha – ausdiskutiert und eingeleitet<br />
werden. Ein solches Institut, das sich auf<br />
allerhöchstem Niveau mit all diesen Fragen<br />
beschäftigt und Responsen zu allen relevanten<br />
Themen veröffentlicht, ist das Freehof-Institut<br />
für progressive Halacha (Direktor: Rabbiner<br />
Moshe Zemer) in Tel Aviv. Eine logische Folge<br />
all dieser beschriebenen Entwicklungen im<br />
Judentum ist daher die, daß sämtliche heute<br />
lebenden Juden ein Judentum der Reformen<br />
leben, selbst wenn diese Tatsache nicht<br />
allen gefällt. Eine Stagnation durch völlige<br />
Reformverweigerung führt daher das Judentum<br />
unweigerlich in eine gefährliche Sackgasse,<br />
wo die Kluft zwischen der modernen jüdischen<br />
Realität und einem Wunschdenken fundamentalistischer<br />
Gruppierungen immer größer wird<br />
und sich in heftigen Bruderkämpfen entlädt.<br />
Progressive und konservative Juden in aller<br />
Welt sehen daher die Auseinandersetzung mit<br />
dieser gefährlichen Stagnation als eine ihrer<br />
Hauptaufgaben an, um ein Judentum leben<br />
zu können, das bei aller Liebe zur Tradition<br />
auch gesellschaftliche Entwicklungen wie die<br />
Gleichstellung der Frauen berücksichtigt und<br />
das Ungerechtigkeiten (besonders im traditionellen<br />
Ehe- und Scheidungsgesetz) beseitigt<br />
beziehungsweise imstande ist, auf brennende<br />
innerjüdischer Probleme (dazu zählen auch die<br />
Konversion zum Judentum und die vielen interreligiösen<br />
Ehen) vernünftige und praktikable<br />
Antworten zu geben vermag.<br />
Pavel Feinstein: „Sukkot“, 1997 Öl auf Leinwand
Grussworte<br />
Anlässlich des<br />
Neujahrsfestes<br />
Rosh HaShanah<br />
übermittle ich<br />
allen Mitgliedern<br />
von Or<br />
Chadasch sowie<br />
den Leserinnen<br />
und Lesern<br />
der Zeitschrift<br />
„Keschet“ meine<br />
herzlichen Grüße.<br />
In dankbarer<br />
Anerkennung des erfolgeichen Engagements<br />
Ihrer Gemeinde begleite ich den Jahresbeginn<br />
5764 mit den besten Wünschen und dem Friedensgruß<br />
„Schalom!“<br />
Österreich braucht Vereinigungen wie die Ihre,<br />
die religiöse Überzeugungen mit sensibler<br />
Offenheit gegenüber den Herausforderungen,<br />
Problemen und Ideen unserer Zeit bewusst zu<br />
verbinden suchen. So wird es auch in Zukunft<br />
besonders wichtig sein, sich im interkonfessionellen<br />
Dialog zu engagieren und Vorurteile<br />
abzubauen.<br />
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes und<br />
friedvolles Jahr sowie alles Gute für Ihr lebendiges<br />
und engagiertes Wirken!<br />
Dr. Thomas Klestil<br />
Bundespräsident der Republik Österreich<br />
Gerne folge ich der Einladung,<br />
den Leserinnen<br />
und Lesern von „Keschet“<br />
die besten Grüße<br />
und Wünsche des Landes<br />
Salzburg zum Neuen Jahr<br />
5764 zu entbieten.<br />
Neben der Bundeshauptstadt<br />
Wien hat<br />
insbesondere Salzburg den Vertreterinnen und<br />
Vertretern einer zahlenmäßig relativ kleinen<br />
jüdischen Gemeinschaft eine großartige Bühne<br />
geboten, die noch heute eine ungebrochene<br />
Ausstrahlung besitzt und alljährlich zahlreiche<br />
Gäste aus aller Welt fasziniert. „Keschet“ ist<br />
die Zeitschrift der jüdisch-liberalen Gemeinde<br />
Wien, Mitglied der Weltunion für progressives<br />
Judentum, der weltweit größten religiösen<br />
jüdischen Organisation. Mehrmals im Jahr<br />
bietet sie 4.000 Adressaten im In- und Ausland<br />
Information, Bildung und Unterhaltung aus<br />
Politik, Wissenschaft, Kunst und Kultur. Ich<br />
gratuliere dem Redaktionsteam von „Keschet“<br />
ganz herzlich dazu und wünsche den Leserinnen<br />
und Lesern für das Neue Jahr 5764 namens<br />
des Landes Salzburg, seiner Bevölkerung wie<br />
seiner Regierung, alles Gute.<br />
Dr. Franz Schausberger<br />
Landeshauptmann von Salzburg<br />
Die Yeminis<br />
Drei Generationen Design<br />
im Dienste des Judentums<br />
Ausstellungseröffnung am Montag, 22. September 2003, um 19.00 Uhr<br />
im Palais Porcia, Wien I., Herrengasse 23<br />
Eröffnung: Staatssekretär Franz Morak<br />
Einführung: Rabbiner Dr. Walter Homolka<br />
Die Ausstellung wird vom 23.9. bis zum 10.10. 2003 gezeigt<br />
und ist von Montag bis Freitag von jeweils 10 bis 15 Uhr zu besichtigen.<br />
Korrektur zur Sommer-Ausgabe von „Keschet“, S. 11:<br />
Beim Vorsitzenden des Vereins für fortschrittliches Judentums in Wien handelte es sich um<br />
Obermedizinalrat Heinrich Haase. Haase stand auch der Union österreichischer Juden nahe,<br />
was damals für beträchtliche Turbulenzen sorgte. (E.A.)<br />
Herzliche Glückwünsche<br />
zum Neuen Jahr!<br />
Zu Ihrem Neujahrsfest<br />
wünsche ich allen Mitgliedern<br />
der Or Chadasch-<br />
Bewegung und allen<br />
Leserinnen und Lesern der<br />
Zeitschrift „Keschet“ ein<br />
gutes und erfolgreiches<br />
Jahr 5764. Die Or Chadasch-Bewegung ist<br />
bekannt dafür, traditionelles Judentum mit den<br />
Anforderungen der modernen Zeit zu verbinden.<br />
Darüber hinaus leistet sie einen wertvollen<br />
Beitrag in der Verständigung zwischen den<br />
Religionen untereinander. Sie sind bemüht,<br />
die Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen,<br />
damit aus dem Nebeneinander der Religionen<br />
ein Miteinander werden kann. Vielleicht ist der<br />
Beginn des neuen Jahres auch ein Ansporn,<br />
diese Verständigung noch weiter zu vertiefen<br />
und zu festigen.<br />
Mit dem Wechsel vom alten in das neue Jahr<br />
verbinden viele Menschen einen Neuanfang<br />
und neue Hoffnung. Ich wünsche Ihnen allen<br />
viel Glück, Gesundheit und Erfolg im kommenden<br />
Jahr!<br />
Ihr Dr. Josef Pühringer<br />
Landeshauptmann von Oberösterreich<br />
18<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Allen Mitgliedern<br />
der jüdisch-liberalen<br />
Gemeinde Wien, Or<br />
Chadasch, entbiete ich<br />
anlässlich des neuen<br />
Jahres 5764 meine besten<br />
Glückwünsche. Möge<br />
es der Herrgott fügen,<br />
dass dieses Jahr zu<br />
einem Jahr des Friedens auch im Nahen Osten<br />
wird, dass die neuen Friedensbemühungen<br />
erfolgreich sind und Juden und Palästinenser<br />
endlich miteinander zu leben lernen.<br />
Ich beglückwünsche die Gemeinde aber auch<br />
zu ihren vielfältigen kulturellen und sozialen<br />
Aktivitäten und hoffe, dass die Arbeiten zur<br />
Ausgestaltung der neuen Synagoge in der<br />
Wiener Robertgasse zügig weitergehen und<br />
abgeschlossen werden können.<br />
Ihnen allen wünsche ich im Neuen Jahr viel<br />
Glück und Erfolg.<br />
Ihr Dr. Erwin Pröll<br />
Landeshauptmann von Niederösterreich
<strong>Schana</strong> Towa 5764<br />
Es ist mir eine<br />
besondere Freude,<br />
auf Einladung der<br />
Zeitschrift „Keschet“<br />
ihren Lesern<br />
meine persönlichen<br />
Glückwünsche für<br />
das Neue Jahr 5764<br />
aussprechen zu dürfen<br />
– um so mehr,<br />
als ich mit Überzeugung<br />
einen der wichtigsten Grundsätze der<br />
Or Chadasch Bewegung für ein progressives<br />
Judentum teile: das Miteinander.<br />
Die Bewegung für ein progressives Judentum<br />
ist unter anderem gekennzeichnet durch Aufgeschlossenheit<br />
gegenüber modernen Ideen<br />
und durch das gleichberechtigte Miteinander<br />
der Geschlechter. Diese Haltung – eben Gleichberechtigung<br />
und Aufgeschlossenheit – ist es,<br />
die in meinen Augen in allen Lebensbereichen<br />
eine integrative, fruchtbare Gemeinschaft der<br />
Menschen erst möglich macht. Ich meine damit<br />
Menschen jeder Herkunft und jeder Religion.<br />
Auf politischer und derzeit besonders auf<br />
europapolitischer Ebene ist dieses Miteinander<br />
die prägende Qualität der Zukunft, ja mehr<br />
noch: jene Qualität, die unsere Zukunft, eine<br />
friedliche Zukunft, erst ermöglicht.<br />
Europa befindet sich gerade jetzt in einer historisch<br />
bedeutenden Phase. Die Erweiterung der<br />
EU auf die mittel- und osteuropäischen Staaten<br />
rückt mit Riesenschritten näher, in etwas mehr<br />
als einem halben Jahr wird der Beitritt von vorerst<br />
zehn Ländern vollzogen. Wien, das durch<br />
seine Geschichte und seine kulturellen Wurzeln<br />
ein traditionelles Nahverhältnis zu diesen<br />
Staaten pflegt, tritt konsequent für diesen so<br />
wichtigen Erweiterungsprozess ein.<br />
Die Finalisierung des gemeinsamen europäischen<br />
Hauses eröffnet Wien hervorragende<br />
Chancen, sich als integrativer Mittelpunkt<br />
Europas zu positionieren: Welche andere<br />
Hauptstadt eines heutigen Mitgliedslandes<br />
der Union befindet sich in so enger räumlicher<br />
Nachbarschaft zu den wirtschaftlichen<br />
Kernräumen der künftigen Unionsmitglieder?<br />
Welche andere Hauptstadt eines EU-Landes<br />
kann auf so enge kulturelle, aber auch wirtschaftliche<br />
Verbindungen aufbauen?<br />
Besonders erfreulich für Wien ist an der<br />
Erweiterung der Europäischen Union auch der<br />
Umstand, dass – auf Gutwienerisch – „zusammenwächst,<br />
was zusammengehört“. Gerade<br />
im zentraleuropäischen Raum, zu dem ja auch<br />
Wien zählt, hat es immer schon eine besondere<br />
Verbindung gegeben: die jüdische Kulturgeschichte.<br />
Der Beitrag europäischer Juden zu<br />
unserer Wissens- und Kulturgeschichte war<br />
immer schon ein besonders hervorstechender<br />
– um so schöner ist es, wenn dieser kulturelle<br />
Großraum, wie ich ihn nennen möchte, nun<br />
bald auch offiziell wieder in unserem gemeinsamen<br />
Haus Europa vereint ist.<br />
Unser aller Ziel muss es daher sein, Grenzen –<br />
religiöse, soziale, kulturelle und ökonomische<br />
Grenzen – in den Köpfen der Bürger zugunsten<br />
einer echten Gemeinschaft verschwinden zu<br />
lassen. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei,<br />
sondern um Chancengleichheit und um das<br />
echte Respektieren von Unterschieden, aus<br />
denen wir alle lernen und profitieren können.<br />
Nur so ist ein friedliches, für alle Nachbarn<br />
vorteilhaftes Miteinander der Nationen, der<br />
Religionen und der Menschen möglich.<br />
In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern, dem<br />
Team der Zeitschrift „Keschet“ und meinen<br />
jüdischen Mitbürgern aus ganzem Herzen ein<br />
friedliches, erfolgreiches und spirituell erfülltes<br />
Jahr 5764.<br />
Dr. Michael Häupl<br />
Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien<br />
Der Vorstand von Or Chadasch<br />
wünscht allen Mitgliedern, Freunden und Förderern<br />
ein glückliches Neues Jahr!<br />
Maga. Terezija Stoisits<br />
Abgeordnete zum Nationalrat<br />
– Die Grünen –<br />
wünscht allen Jüdinnen und<br />
Juden<br />
ein gesundes, glückliches und<br />
friedvolles Neues Jahr.<br />
19<br />
9. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Dialog<br />
Die an vielen Orten der Welt intensiv – bisweilen<br />
auch heftig – betriebenen Diskussionen<br />
und Klärungen zum Statement „Dabru Emet<br />
– eine jüdische Stellungnahme zu Christen<br />
und Christentum“, haben eine neue Phase der<br />
christlich-jüdischen Beziehungen eingeleitet:<br />
In der christlichen Welt sind die Thesen von<br />
Dabru Emet willkommen geheißen worden.<br />
Nun wird auch innerhalb des Judentums<br />
darum gerungen, wie theologische Positionen<br />
der Zusammenarbeit und Verständigung<br />
angesichts eines gewandelten christlichen<br />
Selbstverständnisses, in dem das Judentum<br />
positiv gewürdigt wird, gefunden werden<br />
können. Die gemeinsame christlich-jüdische<br />
„Gebetsstunde zum einen Vater“, die bereits<br />
einige Male im Umfeld des christlichen „Tags<br />
des Judentums“ in Wien-Pötzleinsdorf auch mit<br />
der Gemeinde Or Chadasch stattgefunden hat,<br />
ist praktischer Ausdruck dieser Gewissheit des<br />
gemeinsamen Wegs hin zur Vollendung in Gott.<br />
Wir danken der Gemeinde Or Chadasch für<br />
ihre Gastfreundschaft, die sie christlichen<br />
Gruppen immer wieder bei ihren Gottesdiensten<br />
gewährt. So trägt sie bei, ein lebendiges<br />
Bild des Judentums zu vermitteln und durch<br />
persönliche Begegnung Unkenntnis und Vorurteile<br />
abzubauen. Wir wünschen den jüdischen<br />
Gemeinden in unserem Land ein gesegnetes<br />
und friedvolles Neues Jahr 5764, besonders der<br />
Gemeinde Or Chadasch reiche Impulse durch<br />
Studium, Gebet und gute Werke auf ihrem Weg<br />
mit Gott. Wir freuen uns mit Ihnen über die<br />
Fertigstellung ihrer neuen Synagoge.<br />
Für den Koordinierungsausschuss für christlichjüdische<br />
Zusammenarbeit in Österreich:<br />
Pastor Prof. Helmut Nausner (Präsident)<br />
Dr. Markus Himmelbauer (Geschäftsführer)<br />
Der Bezirksvorsteher des 2.<br />
Bezirks<br />
der Stadt Wien (Leopoldstadt)<br />
Gerhard Kubik<br />
wünscht allen Lesern und<br />
Leserinnen der „Keschet“-Zeitung<br />
ein friedliches 5764.
Bewegung für progressives Judentum<br />
Sekretariat: Dr. Rose Proszowski, Rosenthalgasse 5–7/4/3, 1140 Wien<br />
Kabbalat Schabbat-Gottesdienste finden jeden Freitag um 19.00 Uhr in der<br />
Haidgasse 1 statt. Wenn nicht anders angegeben, leiten Gemeindemitglieder<br />
den Gottesdienst. Im Anschluß feiern wir einen Oneg Schabbat.<br />
Am 19.7., um 17.00 Uhr, Mincha und Lernstunde mit Rabbinerin Shillor.<br />
Freitag, 3.Oktober 2003, 19.00 Uhr<br />
Kabbalat Schabbat-Gottesdienst mit Rabbinerin Irit Shillor, zusätzlich um<br />
17.00 Uhr: Familiengottesdienst!<br />
Samstag, 4.Oktober 2003, 10.00 Uhr Gottesdienst mit Rabbinerin Irit Shillor<br />
Hohe Feiertage 2003/5764<br />
Gottesdienste mit Rabbinerin Irit Shillor in der Haidgasse 1, 1020 Wien<br />
Erew Rosch Haschana Freitag, 26.September 19.00 Uhr<br />
Rosch Haschana 1.Tag Samstag, 27.September 10.00 Uhr<br />
Zusätzlich um 10.00 Uhr Familiengottesdienst<br />
Kol Nidre Sonntag, 5.Oktober 19.00 Uhr<br />
Jom Kippur Montag, 6.Oktober 10.30 Uhr<br />
Jiskor ca. 17.00 Uhr<br />
Zusätzlich um 15.30 Uhr Familiengottesdienst (Mincha).<br />
Zu Jom Kippur amtiert Prof. Dr. Mitchell Ash als Kantor.<br />
Preise<br />
Mitglieder 40 €<br />
Gäste 60 €<br />
Schüler und Studenten zahlen jeweils die Hälfte<br />
Kinder bis Bar/Bat Mitzwa frei<br />
Auskünfte unter Tel.: 967 13 29<br />
Schiurim mit Irit Shillor<br />
Montag, 29.September um 19.00 Uhr / Mittwoch, 1.Oktober um 19.00 Uhr<br />
in der Haidgasse 1, 1020 Wien. Gäste sind herzlich willkommen!<br />
Informationen unter:<br />
Tel.: (+43/1) 967 1329 oder Fax: (+43/1) 913 2166<br />
E-Mail: orchadasch@hotmail.com<br />
www.orchadasch.go.to<br />
impressum<br />
Keschet (hebr.: „Bogen; Regenbogen; Spektrum“) erscheint vier Mal Jährlich.<br />
9. Jahrgang, Ausgabe 1, September–Dezember 2003, Tischri–Kislew 5764<br />
Zweck: Information über progressives Judentum.<br />
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Or Chadasch Bewegung für<br />
Progressives Judentum, Breyerstraße 9, A- 2500 Baden bei Wien<br />
Für den Inhalt verantwortlich: Primar Dr. Theodor Much<br />
Redaktion Hartmut G. Bomhoff, PF 310273, D-10632 Berlin, Fax: (030) 8872 6752,<br />
E-Mail: leo.baeck@berlin.de<br />
Erscheinungsort: Wien und Berlin<br />
Gestaltung: Charles Steiman, München<br />
Druck: Oktoberdruck AG, Rudolfstr. 1–8, D-10245 Berlin<br />
Bankverbindung Or Chadasch: Bank Austria, BLZ 20151, Konto-Nr. 684 090 301<br />
AGK News: Konto-Nr. 109 83 34 bei der Deutschen Bank AG (BLZ 100 700 24)<br />
Wir wünschen allen Freunden<br />
und Bekannten ein glückliches<br />
Neues Jahr 5764<br />
verlängert bis zum 23. Oktober 2003:<br />
„Quasi una Fantasia“<br />
Juden und die Musikstadt Wien<br />
Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Wien<br />
in Zusammenarbeit mit den Wiener Festwochen<br />
Dorotheergasse 11, 1010 Wien, So–Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr<br />
AN:<br />
Dr.M.Mag. Elisabeth Campagner<br />
Familie Clark-Selerowicz<br />
Inge Dalma mit Kindern und Enkelkindern<br />
Familie Michael Fleck-Platko<br />
Direktor Prof.Dr. Arthur Hirsh (Webster<br />
University Vienna)<br />
und Frau Gila Perach Hirsh,<br />
Musikdirektorin Or Chadasch<br />
Mag. Pia Kalinka<br />
Bezirksrätin i.R. Ruth-Christine Lewerenz-<br />
Weghuber<br />
Primarius Dr. Theodor Much<br />
Leonard Bernstein und Marcel Prawy<br />
nach der Aufführung von Bernsteins<br />
„Mass“ an der Wiener Staatsoper 1981<br />
Zul.Nr. 03Z035265M<br />
Pbb. Verlagspostamt 1150 Wien<br />
DVR 0958832<br />
Abs.: Or Chadasch, Breyerstr.9, 2500 Baden. Pbb, Verlagspostamt 1150 Wien<br />
DVR 0958832, Zul. Nr. 03Z035265M