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Kescher Edition Chanukka 2009 - Abraham Geiger Kolleg

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<strong>Kescher</strong><br />

<strong>Kescher</strong><br />

7. Jahrgang, Nr. 1 | <strong>Chanukka</strong> <strong>2009</strong> | Kislew 5770<br />

Dieses Jahr konnten wir bereits zum zweiten Mal<br />

zu einer Rabbinerordination einladen. Dass dies<br />

in Deutschland noch immer ein ganz besonderer<br />

Anlass ist, zeigte die große Zahl von Ehrengästen<br />

und Gemeindemitgliedern, Freunden und Ver -<br />

wan dten, die am 18. Juni in die Synagoge Ryke -<br />

straße gekommen waren, um die Smicha von<br />

Gábor Lengyel, Richard Newman und Roly Zylber -<br />

sztein zu feiern. Eine wirkliche Premiere war der<br />

Studienabschluss von Juval Porat, des ersten<br />

jüdischen Kantors, der nach der Schoa in<br />

Deutsch land ausgebildet worden ist. Ein weiterer<br />

Höhepunkt war die Vergabe des <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<br />

Preises an Hans Küng, die am selben Tag in der<br />

Bayerischen Vertretung in Berlin stattfand. Die<br />

Laudatio von Bundestagspräsident Lammert auf<br />

Küng, dem vor genau 30 Jahren seine Lehrbefug -<br />

nis entzogen wurde, war eine Sternstunde. Küngs<br />

Beharrlichkeit ist uns Ermutigung, Inspiration<br />

und Ansporn zugleich. Das Jahr 2010 bringt uns<br />

nun gleich zwei Jubiläen. Am 24. Mai feiern wir<br />

den 200. Geburtstag von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>; am<br />

17. Juli jährt sich die Eröffnung des Seesener<br />

Tempels durch Israel Jacobson zum 200. Mal.<br />

Der erste<br />

Kantor aus<br />

Deutschland<br />

1


Präsident<br />

Rabbiner Prof. Dr. Walter Jacob<br />

Direktorium<br />

Rabbiner Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Homolka, Rektor<br />

Prof. Dr. Admiel Kosman, Akad. Studienleiter<br />

Rabbiner Drs Edward van Voolen,<br />

Studienleiter für die praktischen Ausbildung<br />

Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin,<br />

Studienleiter für das Israel-Programm<br />

Senat<br />

Rabbiner Dr. W. Gunther Plaut, Toronto<br />

Prof. Dr. Paul Mendes-Flohr, Jerusalem<br />

Prof. Dr. Ernst Ludwig Ehrlich*<br />

Rabbiner Dr. John D. Rayner CBE*<br />

Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, Potsdam<br />

Rabbiner Dr. Andrew Goldstein, London<br />

Kuratorium<br />

Dr. Josef Joffe, Vorsitzender, Hamburg<br />

Adina Ben-Chorin, Zürich<br />

Leslie F. Bergman, London<br />

Rabbiner Dr. Albert H. Friedlander OBE*<br />

Rabbiner Dr. David J. Goldberg OBE<br />

Rabbiner Prof. Dr. Arthur Hertzberg*<br />

Lord Joffe CBE, Swindon<br />

Rabbiner Dr. Peter S. Knobel, Chicago<br />

György Konrád, Budapest<br />

Stuart Matlins, Woodstock<br />

Felix Mosbacher, Paris<br />

Baroness Neuberger DBE, London<br />

Wolfgang M. Nossen, Erfurt<br />

Prof. Dr. Elizabeth Petuchowski, Cincinnati<br />

Harold Sandak-Lewin, Cape Town<br />

Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Potsdam<br />

Max Warburg, Hamburg<br />

Rabbiner Dr. Mark L. Winer DD, London<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Durch<br />

Erforschung des<br />

Einzelnen zur<br />

Erkenntnis des<br />

Allgemeinen,<br />

durch Kenntnis<br />

der Vergangen -<br />

heit zum<br />

Verständ nis der<br />

Gegenwart,<br />

durch Wissen<br />

zum Glauben.<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

(1810 – 1874)<br />

I M P R E S S U M<br />

<strong>Kescher</strong>: Informationen über liberales Judentum<br />

im deutschsprachigen Raum<br />

Newsletter des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />

<strong>Kescher</strong>: hebräisch: Verbindung, Kontakt<br />

Titelbild: Festgottesdienst am 18. Juni <strong>2009</strong> in<br />

der Synagoge Rykestraße, Berlin. Fotos: Beatrice<br />

Schubert (www.beatrice-schubert.de). Wir danken<br />

für die freundliche Überlassung der Fotos.<br />

Herausgeber<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> gGmbH<br />

Postfach 120852, 10598 Berlin<br />

Tel: (030) 31805910, Fax: (030) 318059110<br />

bomhoff@geiger-edu.de<br />

www.abraham-geiger-kolleg.de<br />

Redaktion / V.i.S.P.<br />

Hartmut Bomhoff<br />

Gestaltung: Thomas Regensburger<br />

Druck: Oktoberdruck AG,<br />

Rudolfstraße 1-8, 10245 Berlin<br />

Auflage: 1.000 Exemplare<br />

ISSN-Nr.: 1861-4469<br />

Inhalt<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Rabbinerordination <strong>2009</strong> 4<br />

<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis für Hans Küng 7<br />

Jewish Institute of Cantorial Arts 15<br />

Jahresrückblick 20<br />

Fackenheim Lecture <strong>2009</strong> 21<br />

Jüdische Begabtenförderung 22<br />

Personalia 25<br />

<strong>Chanukka</strong> 26<br />

Jesus aus jüdischer Sicht 28<br />

Women of Reform Judaism 32<br />

Hebrew Union College Chronical 33<br />

Israel Jacobson Preis 2010 34


Liebe Freunde,<br />

1810 wurde durch Israel Jacobson in Seesen der<br />

erste Reformtempel eingeweiht. Der 200. Wie -<br />

der kehr dieses Ereignisses wird kommendes Jahr<br />

durch eine Vielzahl von Aktivitäten gedacht. Am<br />

Anfang jedoch standen ein Mann und ein Buch.<br />

1804 setzte sich der I. Konsul der Republik<br />

Frankreich, Napoleon Bonaparte, die Kaiserkrone<br />

aufs Haupt. Im gleichen Jahr war der Code Civil<br />

in Kraft getreten. Als Code Napoleon wurde er<br />

das erste Gesetzbuch Europas, das keine eigene<br />

Judengesetzgebung mehr aufwies. Alle Bürger<br />

waren vereint unter dem gleichen Gesetz. Dies<br />

hatte Auswirkungen im gesamten Rheinbund und<br />

so auch im Königreich Westphalen. Dort war<br />

Napoleons Bruder Jerome König geworden - von<br />

1807 bis 1813. Mit dem Königreich Westphalen<br />

sollte ein Modellstaat geschaffen werden, der die<br />

französischen Errungenschaften der (Nach)Revo -<br />

lu tionszeit - Freiheit, Gleichheit und Brüder -<br />

lichkeit - auf deutschen Boden führte. Es war<br />

Israel Jacobson (1768 – 1828), der die Chance<br />

erkannte, dass dies auch die Grundlage für ein<br />

Zusammenleben von Juden und Christen mit<br />

gleichen Bürgerrechten bedeuten konnte.<br />

Editorial<br />

In seinem politischen und religiösen Denken war<br />

Jacobson durch die Ideale der Aufklärung<br />

geprägt, worin ihn schon früh die Lektüre der<br />

Werke Gotthold Ephraim Lessings und Moses<br />

Mendelssohns bestärkt hatte. Mit Napoleon kam<br />

der Umbruch. 1807, als Finanzrat in der neuen<br />

Hauptstadt Kassel wurde Israel Jacobson zum<br />

Präsidenten des »Konsistoriums der Israeliten«<br />

im Königreich Westphalen ernannt. In dieser<br />

Funktion wandte er sich der Reform jüdischer<br />

Bildung und jüdischen Gottesdienstes zu. Die<br />

beleidigenden Äußerungen Goethes, der<br />

Jacobson als „braunschweigischen Judenhei -<br />

land“ bezeichnete, beirrten ihn nicht. Er konnte<br />

den König für ein weitgehendes Emanzipations -<br />

dekret gewinnen (Dekret vom 27. Januar 1808),<br />

mit dem den Juden die Rechte christlicher Bürger<br />

verliehen wurden. An der Formulierung und<br />

Durchsetzung des preußischen Emanzipations -<br />

gesetzes von 1812 war Jacobson als Ratgeber des<br />

Staatskanzlers Karl August von Hardenberg<br />

ebenfalls beteiligt. Das weithin sichtbarste<br />

Zeichen des Umschwungs war aber der Seesener<br />

Tempel von 1810.<br />

Nach der Niederlage Napoleons und dem Unter -<br />

gang Westphalens 1813 siedelte Jacobson 1815<br />

nach Berlin über. Auch hier hielt er daran fest,<br />

Gottesdienste in moderner Gestalt abzuhalten,<br />

wobei er nicht selten selbst als Prediger in<br />

Erscheinung trat. Wegen der geringer werdenden<br />

Hebräischkenntnisse wurde Deutsch als Gottes -<br />

dienstsprache verwendet. Der Zulauf, der sich<br />

sehr bald aus der Berliner Judenschaft einstellte<br />

– gut ein Drittel der Gemeinde besuchte zu den<br />

Hohen Feiertagen den Privatgottesdienst! –<br />

machten die Einrichtung einer Reformsynagoge<br />

im Hause des Vaters von Giacomo Meyerbeer<br />

erforderlich.<br />

Nachdem auch in Hamburg und Leipzig ähnliche<br />

Tempel gegründet worden waren, nahm die<br />

Reformbewegung in ganz Deutschland ihren Lauf.<br />

Besonders von dem Neuen Israelitischen Tempel,<br />

der 1818 in Hamburg errichtet wurde, gingen<br />

starke Reformimpulse aus. Der sogenannte<br />

„Jacobson'sche Tempel“ in Berlin musste aller -<br />

dings 1823 auf Drängen der Orthodoxie<br />

schließen: Friedrich Wilhelms III. ordnete an,<br />

dass „der Gottesdienst der Juden nur in der<br />

hiesigen Synagoge und nur nach dem hergebrachten<br />

Ritus ohne die geringste Neuerung in<br />

der Sprache und in der Ceremonie, Gebeten und<br />

Gesängen, ganz nach dem alten Herkommen<br />

gehalten werden solle.“ Der politischen<br />

Restauration erschien offensichtlich jede Art von<br />

Wandel verdächtig. Auch an der der Gründung<br />

des „Vereins für Cultur und Wissenschaft der<br />

Juden“ war Jacobson beteiligt. Die Wissenschaft<br />

des Judentums sollte zum Träger unseres geistigen<br />

Aufbruchs werden und steht am Anfang der<br />

Hochschule für die Wissenschaft des Judentums<br />

in Berlin wie auch des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s in<br />

Potsdam. Jacobson ging es um eine Reform der<br />

jüdischen Religion. Die fortschreitende<br />

Aufklärung sollte Juden den Weg zu geistiger<br />

Reife Bildung ebnen und sie zu echter<br />

Religiosität führen. <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> hätte<br />

gesagt: Durch Wissen zum Glauben.<br />

Mit herzlichen Grüssen<br />

Ihr<br />

Rabbiner Walter Homolka<br />

3


4<br />

<strong>Kescher</strong><br />

„Ein glücklicher Tag<br />

für die jüdische<br />

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu<br />

Berlin, Lala Süsskind, und Rabbiner Professor<br />

Walter Homolka kamen aus dem Händeschütteln<br />

kaum heraus, als sie in der Vorhalle der Synagoge<br />

die zahlreichen Gäste begrüßten, die am 18. Juni<br />

an der Rabbinerordination des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong>s teilnahmen. „Juden aus aller Welt haben<br />

sich versammelt, um nach über 60 Jahren wieder<br />

Rabbiner in Deutschland zu ordinieren“, sagte<br />

der Rektor unseres <strong>Kolleg</strong>s zu Beginn des Fest -<br />

gottesdienstes. Neben der Ordination von Gábor<br />

Lengyel, Roly Zylbersztein und Richard Newman<br />

wurde auch der Studienabschluss von Juval Porat<br />

gefeiert, des ersten jüdischen Kantors, der nach<br />

dem Holocaust in Deutschland ausgebildet worden<br />

ist. Die drei Rabbiner betreuen nun Synago -<br />

gengemeinden in Hannover, Barcelona und Kap -<br />

stadt, während Kantor Porat nach Los Angeles<br />

gewechselt ist.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Gemeinschaft“ Ordinationsgottesdienst<br />

in der Synagoge<br />

Rykestraße in Berlin<br />

„Das Rabbinerkolleg ist<br />

Ausdruck nicht nur der<br />

Präsenz, sondern der<br />

Zukunftsorientierung<br />

jüdischer Gemeinden in<br />

Deutschland und der<br />

Notwendigkeit, Ausbil -<br />

dung zu organisieren,<br />

auch und gerade in<br />

Deutschland und über<br />

Deutschland hinaus.“<br />

Prof. Dr. Norbert Lammert,<br />

Präsident des Deutschen<br />

Bundestags<br />

Am musikalisch durchgestalteten Gottesdienst<br />

nahmen über 600 Gäste teil, darunter gut 50<br />

Rabbiner und Rabbinerinnen. Unter den Ehren -<br />

gästen waren auch die Präsidentin des Zentral -<br />

rats der Juden in Deutschland, Charlotte Knob -<br />

loch, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau<br />

und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse,<br />

die damalige brandenburgische Wissenschafts -<br />

ministerin Professorin Johanna Wanka, Georg<br />

Kardinal Sterzinsky, Bischöfin Maria Jepsen und<br />

Bischof Joachim Vobbe. Das Hebrew Union<br />

College wurde durch Rabbinerin Naamah Kelman,<br />

der Dekanin des Jerusalemer Campus, sowie<br />

durch Professor Leonard Kravitz aus New York<br />

vertreten, während Rabbiner Michael Shire das<br />

Londoner Leo Baeck College repräsentierte. Mit<br />

Michael Grabiner, Ruth Cohen und Leslie Berg -<br />

man waren auch führende Repräsentanten der<br />

World Union for Progressive Judaism (WUPJ)


anwesend. Die Präsidentin der Central Confe -<br />

rence of American Rabbis, Rabbinerin Ellen<br />

Weinberg Dreyfus, war eigens nach Berlin gekommen,<br />

um die drei neuen Rabbiner als <strong>Kolleg</strong>en im<br />

weltweit größten Rabbinerverband willkommen<br />

zu heißen.<br />

Kantorin Mimi Sheffer und der Chor des Jewish<br />

Institute for Cantorial Arts, bestehend aus<br />

Rabbiner- und Kantorenstudenten, begleiteten<br />

den Gottesdienst, unterstützt von der Harfenis -<br />

tin Florence Sitruk, dem Organisten Mirlan<br />

Kasymaliev und einem vierköpfigen Bläser -<br />

ensemble. Der Toraabschnitt, der gelesen wurde,<br />

war 4. Mose 14, 11-25. Die eigentliche Ordination<br />

der Absolventen erfolgte durch den Präsidenten<br />

des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, Rabbiner Professor<br />

Walter Jacob. In seiner Ansprache äußerte Jacob<br />

die Hoffnung, das der deutsche Rabbinernach -<br />

<strong>Kescher</strong><br />

wuchs in Europa eine dritte Säule des Judentums<br />

neben Israel und den USA entstehen zu lassen.<br />

Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonfe -<br />

renz Deutschland, Rabbiner Henry G. Brandt,<br />

ergänzte diesen Wunsch mit den folgenden<br />

Worten: „Mögen sie erst die Vorhut einer wachsenden<br />

Zahl junger Juden und Jüdinnen sein, die<br />

ausgerüstet mit Liebe und Kenntnis unserer Tora,<br />

aber auch integriert in der sozialen und kulturellen<br />

Umweltunserer Gemeinden, dieses verantwortungsvolle<br />

und schöne Amt anstreben und so<br />

unsere Zukunft sichern.“<br />

Glückwünsche zum 10-jährigen Bestehen<br />

Bei der Festveranstaltung wurde auch das zehnjährige<br />

Bestehen des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />

feierlich begangen, das 1999 an der Universität<br />

Potsdam gegründet worden war. In seiner An -<br />

Links: Die Rabbiner Gábor Lengyel, Richard<br />

Newman, Roly Zylbersztein mit ihren Diploma,<br />

Mitte: Rabbinerin Ederberg, rechts: Rabbiner<br />

Michael Leipziger, Kantor Olejan Ingster<br />

Fotos: Beatrice Schubert<br />

5


6<br />

sprache sagte Michael Grabiner im Namen der<br />

WUPJ: “Over the past decade the Jewish population<br />

of Germany has grown faster than in any<br />

other European country. There are now close to<br />

200.000 Jews living in Gemany - mostly from the<br />

Former Soviet Union. The <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College<br />

has worked closely with the World Union, and our<br />

FSU operation, to coordinate rabbinic studies for<br />

students from the FSU ... The fact that <strong>Geiger</strong><br />

College does not charge any tuition fees for its<br />

rabbinic students is a major advantage and has<br />

assisted us in the training of a new generation of<br />

rabbis for service to the Jewish community in<br />

Germany and in the FSU... It is responding to the<br />

shortage of rabbis worldwide in our movement<br />

and is helping to train a new generation of rabbis<br />

who will serve a variety of Jewish communities...<br />

While we are celebrating today the 10th anniversary<br />

of the <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College, this coming<br />

May 24, 2010 will mark the 200th birthday of<br />

Rabbi <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>. We are reclaiming our<br />

Jewish roots, not only in post war Europe but in<br />

the very country which gave birth to the dynamism<br />

of Progressive Judaism.”<br />

„Ein Wunder, gemeinsam vollbracht“<br />

Stephan J. Kramer überbrachte als Generalsekre -<br />

tär die Glückwünsche des schwer erkrankten<br />

Kultusdezernenten und Präsidiumsmitglieds<br />

Kantor Juval Porat. Foto: Beatrice Schubert<br />

<strong>Kescher</strong><br />

des Zentralrats der Juden in Deutschland, des<br />

inzwischen verstorbenen Nathan Kalmanowicz<br />

s.A.: „Drei neue Rabbiner werden ordiniert und<br />

erstmals ein in Deutschland ausgebildeter jüdischer<br />

Kantor in sein Amt eingeführt. Das ist ein<br />

glücklicher Tag, für die jüdische Gemeinschaft in<br />

Deutschland und darüber hinaus. Denn die<br />

Absol venten des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s und des<br />

Jewish Institute of Cantorial Arts an der Univer -<br />

sität Potsdam werden Gemeinden in Hannover,<br />

Los Angeles, Barcelona und Kapstadt dienen. Wer<br />

hätte jemals gedacht, dass aus Deutschland einmal<br />

wieder Rabbiner und Kantoren in alle Welt<br />

gehen, um das hier Gelernte der jüdischen<br />

Weltgemeinschaft zukommen zu lassen? Dies ist<br />

nur möglich, weil die Bundesrepublik Deutsch -<br />

land, das Land Brandenburg und die ganze<br />

Kultusministerkonferenz zusammen mit dem<br />

Zentralrat der Juden Träger des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong>s an der Universität Potsdam sind. Ich<br />

möchte allen heute Morgen dafür danken, dieses<br />

Wunder gemeinsam vollbracht zu haben. Den<br />

neuen Rabbinern und dem ersten in Deutschland<br />

ausgebildeten Kantor wünsche ich schon jetzt für<br />

Ihr Amt von Herzen viel Erfolg und alles Gute.“<br />

Hartmut Bomhoff<br />

Für das Jahr 2010 ist wieder eine Ordination von<br />

Rabbinern und Rabbinerinnen durch das Abra -<br />

ham <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> vorgesehen.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

30 Jahre ohne<br />

Lehrbefugnis<br />

„Seine Beharrlichkeit ist uns Ermutigung,<br />

Inspiration und Ansporn zugleich.“<br />

Zum 30. Mal jährt sich am 18. Dezember <strong>2009</strong> der<br />

Tag, an dem Prof. Dr. Hans Küng unter Papst<br />

Johannes Paul II. aufgrund seiner Vorschläge zur<br />

Reform der katholischen Kirche die kirchliche<br />

Lehrbefugnis missio canonica entzogen wurde. In<br />

seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine<br />

Anfrage“ hatte Küng nach dem Zweiten Vatikani -<br />

schen Konzil (1962-1965) und aus Anlass der<br />

Enzyklika „Humanae Vitae“ vom 25. Juli 1968 zur<br />

Geburtenregelung die Frage nach der Unfehlbar -<br />

keit des päpstlichen Lehramtes gestellt. Damit<br />

hat Hans Küng wie kein anderer in unserer Zeit<br />

die Menschen auf der Suche nach Wahrheit wachgerüttelt<br />

und seither wach gehalten.<br />

Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen<br />

Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />

ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat<br />

entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen<br />

Theologie geleistet. Seine 1957 fertig gestellte<br />

Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den<br />

Schweizer reformierten Theologen Karl Barth<br />

wurde damals von Joseph Ratzinger, mit dem<br />

Küng bis 1968 gemeinsam in Tübingen lehrte,<br />

gelobt. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“<br />

1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“<br />

1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle<br />

Reformgedanken in die Öffentlichkeit lanciert,<br />

sondern diese intensiv in grundlegenden Werken<br />

biblisch und systematisch begründet. 1968 hatte<br />

er mit anderen Theologen die Erklärung „Für die<br />

Freiheit der Theologie“ entworfen, die schließlich<br />

von 1360 katholischen Theologinnen und Theo -<br />

logen aus aller Welt unterschrieben wurde.<br />

1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner<br />

Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität<br />

und gegen die Überdehnung päpstlicher Autori -<br />

tät ausgesprochen hat. Küng hat maßgeblich<br />

dazu beigetragen, dass 1999 eine katholischlutherische<br />

Einigung in der Rechtfertigungslehre<br />

zustande kam. Sein 1990 gestartetes „Projekt<br />

Weltethos“ (www.weltethos.org) hat den angesichts<br />

der gegenwärtigen Weltlage immer notwendiger<br />

werdenden interreligiösen Dialog entscheidend<br />

befruchtet. Am 6. Oktober <strong>2009</strong> verkündete<br />

er seine „Erklärung zu einem Globalen<br />

Wirtschaftsethos” vor den Vereinten Nationen.


Foto: Tobias Barniske<br />

Der katholische Theologe Hans Küng (81) hat<br />

den <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis <strong>2009</strong> erhalten. Er<br />

nahm die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung<br />

am 18. Juni in Berlin entgegen. Die Festveran -<br />

stal tung fand wie in den letzten Jahren dank der<br />

großzügigen Gastfreundschaft des Freistaates<br />

Bayern in der Bayerischen Vertretung statt. Das<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> ehrte damit Küngs<br />

Lebenswerk, vor allem sein Buch „Das Judentum“<br />

und sein religionsübergreifendes „Projekt<br />

Weltethos“. Das Preisgeld hatte der Unternehmer<br />

Karl-Hermann Blicke gespendet. Küng bezeichnete<br />

die Aus zeichnung als wichtige Ermutigung<br />

seiner Arbeit. Er stiftete das Preisgeld für einen<br />

Studienfonds, der Studierenden des <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s interreligiöse Begegnungen<br />

ermöglichen soll.<br />

Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte<br />

in seiner Laudatio Küng als weltweit anerkannte<br />

Persönlichkeit und Vordenker. Mit seinem vielseitigen<br />

Lebenswerk habe er die moderne Zivilisa -<br />

<strong>Kescher</strong><br />

<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis<br />

für Hans Küng<br />

Lebenswerk des Theologen in Berlin geehrt<br />

tion mitgeprägt. Lammert hob auch Küngs<br />

Konflikte mit der katholischen Kirche hervor. Er<br />

habe alle einschlägigen heißen Themen seiner<br />

Kirche zum Gegenstand öffentlicher Debatten<br />

gemacht, bevor er andere Religionen kritisiert<br />

habe.<br />

Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte<br />

in seiner Laudatio Küng als weltweit anerkannte<br />

Persönlichkeit und Vordenker. Mit seinem vielseitigen<br />

Lebenswerk habe er die moderne Zivili sa -<br />

tion mitgeprägt. Lammert hob auch Küngs<br />

Konflikte mit der katholischen Kirche hervor. Er<br />

habe alle einschlägigen heißen Themen seiner<br />

Kirche zum Gegenstand öffentlicher Debatten<br />

gemacht, bevor er andere Religionen kritisiert<br />

habe. Den 1979 erfolgten Entzug der kirchlichen<br />

Lehrerlaubnis durch den Vatikan bezeichnete der<br />

Bundestagspräsident als List der Geschichte.<br />

Dies habe Küng ermöglicht, „zu neuen Ufern aufzubrechen“.<br />

Danach habe er seine großen Werke<br />

über die Weltreligionen geschrieben.<br />

Grußwort der Präsidentin der CCAR<br />

Die Präsidentin der Central Conference of<br />

American Rabbis (CCAR), Rabbinerin Ellen<br />

Weinberg Dreyfus, sagte in ihrem Grußwort: “It<br />

is particularly meaningful to me to be here for<br />

the occasion of this award and of the ordination<br />

ceremonies earlier today. I am the daughter of a<br />

German Jewish refugee - my mother left<br />

Stuttgart at the age of nine in 1936. Nearly 32<br />

years ago, I had the good fortune to marry Dr.<br />

James Dreyfus, the great-grandson of Rabbi Leo<br />

Baeck. So, although I myself am not a descendant<br />

of Rabbi Baeck, I have given birth to three<br />

of his great-great-grandchildren. You know that<br />

Leo Baeck was and is respected by Christian theologians<br />

as well as being revered by the Jewish<br />

7


8<br />

community, and so it is a great honor to continue<br />

that tradition of dialogue … We applaud Hans<br />

Küng's involvement in interfaith dialogue, especially<br />

his conviction that humanity should develop<br />

a Global Ethic, a set of basic principles upon<br />

which all, regardless of their particular religious<br />

heritage, can agree, and by agreeing, improve<br />

the quality of life for all on this planet. This<br />

nation, within the memory of the living, tried to<br />

destroy Jews along with Jewish ideas. But the<br />

remnant has survived, and even here, we witness<br />

the rebirth of Jewish culture and religion."<br />

Glückwünsche vom Zentralrat<br />

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in<br />

Deutschland, Dieter Graumann, lobte Küng in<br />

seinem Grußwort als „authentisch, glaubwürdig<br />

und überzeugend“. Er sei auch in schwieriger<br />

Zeit vehement für den interreligiösen Dialog eingetreten.<br />

Die Präsidentin des Zentralrats der<br />

Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, gratulierte<br />

Hans Küng mit den folgenden Worten zum<br />

<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis <strong>2009</strong>: „Es gibt nur wenige<br />

Menschen, die über eine so lange Zeit hinweg so<br />

überzeugend und engagiert wie Sie für einen<br />

wirklichen interreligiösen Dialog eingetreten<br />

sind. Sie haben durch Offenheit und genaueste<br />

Quellenkenntnis stets sinnvolle Kritik ermöglicht,<br />

getragen von der Vision, dass wir alle auf<br />

einen gemeinsamen ethischen Nenner<br />

zusammenfinden mögen. Ihr Mut, auch<br />

‚Unbequemlichkeiten’ auszusprechen, ohne vor<br />

den Konsequenzen zu scheuen, beeindruckt und<br />

berührt mich sehr.“<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Hans Küng wird heute Abend ausgezeichnet<br />

für seinen besonderen<br />

Beitrag, den er für den Dialog der<br />

Religionen und insbesondere für<br />

die Vermittlung des Judentums als<br />

eine der großen Weltreligionen geleistet hat. Für<br />

den Beitrag zum Verständnis dieser Religion und<br />

der Verbindun gen, die es zwischen dieser und<br />

den anderen großen Religionen unserer Zeit gibt.<br />

Aber ich glaube, dass man sowohl biografisch wie<br />

konzeptionell diesen Beitrag nur schwer verstehen<br />

kann, wenn man ihn nicht in den Kontext<br />

seiner intensiven, kritischen und selbstkritischen<br />

Auseinan der setzung mit der eigenen Reli -<br />

gion und der eigenen Kirche setzt. Es gibt nur<br />

wenige Theolo gen und noch weniger bedeutende<br />

Theologen, die mit ähnlicher – jetzt hätte ich fast<br />

gesagt – Rücksichtslosigkeit alle einschlägigen<br />

heißen Themen in der eigenen Kirche zum Ge -<br />

gen stand einer öffentlichen Debatte gemacht<br />

haben, wie er. Von der Geburtenregelung bis zur<br />

Sterbehilfe, von der Mischehe bis zur Eheschei -<br />

dung, vom Zölibat und von Frauenordinariaten<br />

bis zum Priestermangel und den Kausalitäten,<br />

die tatsächlich oder vermeintlich zwischen der<br />

einen und der anderen Neigung zur Dogmatisie -<br />

rung historisch gewachsener Regelungen<br />

besteht.<br />

Das hat wiederum nach meiner Beobachtung […]<br />

seinen Freundeskreis nicht kontinuierlich erwei -<br />

tert, sondern ihm neben einem hartnäckigen<br />

Fanclub auch einen zunehmend hartnäckigen<br />

Kreis von Gegnern eingetragen. Da er über diesen<br />

Wirkungszusammenhang offenkundig zu jedem<br />

Zeitpunkt seiner Biografie nie Illusionen hatte,<br />

verdient diese Auseinander setzung mit diesen<br />

absehbaren Wirkungen umso höheren Respekt.<br />

Und das gilt im Übrigen völlig unabhängig von<br />

der Frage, ob man jeweils jede der von ihm streitig<br />

bezogenen Positionen ganz, teilweise oder<br />

gar nicht teilt.<br />

Aber die Notwendigkeit, sich mit diesen Fragen<br />

Foto: Beatrice Schubert<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

auseinanderzusetzen und zwar auch und gerade<br />

wider die herrschende Lehrmeinung, im wörtlichen<br />

wie im übertragenen Sinne dieses Wortes,<br />

die gehört nun allerdings auch nach meiner<br />

Überzeugung zu den Voraussetzungen für die<br />

Aussicht eines Dialogs der Religionen. Wie<br />

anders soll er denn mit Erfolg stattfinden, wenn<br />

er nicht die Bereitschaft einschließt, über eigene<br />

Bestandteile eigener tradierter Glaubensüber -<br />

lieferungen und dem, was daraus im Laufe der<br />

Zeit geworden ist, selbstkritisch nachzudenken.<br />

Und nicht, was die weiter verbreitete Attitüde<br />

ist, zur Voraussetzung des Dialogs zwar nicht<br />

ausdrücklich, aber heimlich, die Veränderungen<br />

regelmäßig in den Nachbarreligionen zu erwarten.<br />

Ich weise deswegen auf diesen Zusammen -<br />

hang hin, weil sich im Werk von Hans Küng genau<br />

die umgekehrte Reihenfolge nachweisen lässt.<br />

Erst kritische Beschäftigung mit der eigenen<br />

Religion und anschließend der Aufbruch zur<br />

Expedition in den Rest der Welt, soweit wir über<br />

Weltreligionen reden. […]<br />

Nun könnten Sie sagen, was hat das alles mit<br />

dem <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis zu tun. Zunächst mal<br />

natürlich gar nichts, aber ich wage mal die kühne<br />

These, dass hier die List der Geschichte aus<br />

einem zunächst höchst ärgerlichen Vorgang erst<br />

die Option geschaffen hat, mit der Hans Küng die<br />

Möglichkeit und gleichzeitig auch ein Stückchen<br />

die Notwendigkeit hatte, zu neuen Ufern aufzubrechen.<br />

Denn der Entzug dieser Lehrbefähigung<br />

hatte, wie Sie alle wissen, zur Folge, dass er seine<br />

theologische Lehrtätigkeit unter den bisherigen<br />

Bedingungen aufgeben musste, aber dank der<br />

auch in diesem Zusammenhang wieder prächtig<br />

bewährten Trennung von Kirche und Staat, die<br />

gar nicht so unmodern ist, wie das gelegentlich<br />

vermutet wird, seinen Status als Professor und<br />

Beamter auf Lebenszeit beibehalten konnte, mit<br />

der klugen Lösung, dass er zwar aus der theologischen<br />

Fakultät ausschied, aber Professor für Ökumenische<br />

Theologie und Direktor des Instituts für


<strong>Kescher</strong><br />

Dialog: Eine der Schlüsselfragen<br />

unserer Zeit Aus der Laudatio des Bundestagspräsidenten Prof.<br />

Dr. Norbert Lammert zur Verleihung des <strong>Abraham</strong>-<br />

Ökumenische Forschung werden konnte. Damals<br />

gab es erstmals in der deutschen Universitäts -<br />

geschichte einen Lehrstuhl für christliche Theo -<br />

logie der rechtlich keiner Kirche zugeordnet war.<br />

So hat das angefangen.<br />

Und rein von den zeitlichen Abfolgen her, ist der<br />

Nachweis leicht zu führen, dass seine großen<br />

Werke über die Weltreligionen danach entstanden<br />

sind. Manchmal erzeugt selbst der Vatikan<br />

Wirkungen, mit denen er nicht hat rechnen können.<br />

Jedenfalls steht das große Projekt Welt -<br />

ethos in einem nachvollziehbaren Zusammen -<br />

hang zu dieser Biografie und den sich daraus<br />

herleitenden Stationen seines Wirkens. […]<br />

Der Punkt, der mich an seinem Anliegen beson -<br />

ders interessiert und fasziniert, ist der folgende:<br />

Mich beschäftigt aus vielerlei Gründen, die<br />

natür lich auch etwas mit der eigenen Biografie<br />

und dem zu tun hat, was man irgendwann mal<br />

gelernt hat, die Frage, was eigentlich Gesell -<br />

schaften, auch und gerade moderne Gesellschaf -<br />

ten, im Inneren zusammenhält. Und je länger ich<br />

mich mit dieser Frage beschäftige, umso mehr<br />

komme ich zu der für mich schlüssigen vorläufigen<br />

Antwort: Das, was eine Gesellschaft im<br />

Inneren zusammenhält, ist sicher nicht Politik,<br />

ist ganz sicher nicht Wirtschaft, ist schon gar<br />

nicht Geld. Das, was eine Gesellschaft im Inneren<br />

zusammenhält, wenn es überhaupt irgendwo<br />

zusammenhält, ist Kultur: Ein Mindestmaß an<br />

Orientierungen und Überzeugungen, die die Mit -<br />

glieder einer Gesellschaft miteinander teilen und<br />

die ihnen das Mindestmaß an Verhaltens sicher -<br />

heit vermittelt, ohne das man in modernen wie in<br />

archaischen Zeiten ein Leben nicht erfolgreich<br />

bewältigen kann.<br />

Und wenn das richtig ist, dass der eigentliche<br />

Kern der inneren Konsistenz von Gesellschaften –<br />

und zwar beliebiger Gesellschaften, auch und<br />

gerade moderner Gesellschaften – Kultur ist,<br />

dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wo kom-<br />

<strong>Geiger</strong>-Preises an Prof. Dr. Hans Küng in Berlin<br />

men denn eigentlich diese Orientierungen her.<br />

Fallen die möglicherweise vom Himmel? Ich glaube,<br />

sie fallen nicht vom Himmel. Aber die mit<br />

Abstand wichtigsten einzelnen Agenturen der<br />

Vermittlung solcher Orientierungen sind in der<br />

Geschichte der Menschheit die Religionen. Zu<br />

dieser Bemerkung braucht man übrigens kein<br />

religiöses Bekenntnis, sondern nur ein gewisses<br />

Maß an Beobachtungsvermögen. Auch jeder<br />

Agnostiker muss eigentlich genau diesen Zusam -<br />

menhang sozusagen aufgrund seines Beob ach -<br />

tungsvermögens bestätigen. […]<br />

Religionen haben an Bedeutung nicht verloren,<br />

vorsichtig formuliert. Manches spricht dafür,<br />

dass sie in Zeiten der Globalisierung an Bedeu -<br />

tung eher gewinnen, weil in Verhältnissen, die<br />

immer unübersichtlicher werden, das Bedürfnis<br />

an Orientierung immer stärker wird. Dass wir<br />

heute Formen der Wiederentdeckung von Reli -<br />

gion erleben in der globalen Welt, in der wir<br />

leben, die uns nicht nur zu Begeisterungs stür -<br />

men, sondern auch zu großer Besorgnis veranlassen,<br />

muss wohl nicht im Einzelnen erläutert werden.<br />

Es bestätigt aber von einer anderen Seite<br />

die überragende Relevanz von Religionen, die<br />

Hans Küng seit Jahrzehnten in seinem Werk be -<br />

schreibt. Und wenn die Prognose richtig ist, dass<br />

für das Verhältnis von Ländern und Völkern und<br />

Kontinenten zueinander oder eben auch und<br />

gerade für das Verhältnis von Kulturen zueinander<br />

der wichtigste einzelne, maßgebend einflussreiche<br />

Faktor die Religionen und ihre Orien -<br />

tierungen sind, dann ist die Frage nach deren<br />

Dialog und den Voraussetzungen des Dialogs und<br />

dem, was sie miteinander verbindet, eine der<br />

Schlüsselfragen unserer Zeit.<br />

Mit genau dieser Schlüsselfrage hat sich niemand<br />

intensiver auseinandergesetzt als Hans Küng.<br />

Ihm verdanken wir viele Hinweise auf genau die<br />

Gemeinsamkeiten beiden von ihm wiederum<br />

sorgfältig beschriebenen Unterschieden der<br />

Religionen, die gleichzeitig die Voraussetzungen<br />

für ein Weltethos sein könnten. Die Weltreli -<br />

gionen sind für Hans Küng, wie ich finde, völlig<br />

richtig beobachtet, herausragende Agenturen für<br />

globale ethische Standards. Wer anderes als sie<br />

könnte solche Prinzipien vermitteln wie Gewalt -<br />

losigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Gleich -<br />

berechtigung. Das sind eben ganz sicher nicht<br />

Orientierungen, die vom Himmel fallen, sondern<br />

die auf Erden wachsen müssen. Wenn sie nicht<br />

von Religionen vermittelt werden, ist die Wahr -<br />

scheinlichkeit überschaubar gering, dass sie<br />

überhaupt vermittelt werden. Und da sich die<br />

Welt nach allem, was wir heute wissen können,<br />

auch und gerade wegen der Globalisierung nicht<br />

auf eine einheitliche Standard-Zivil-Religion<br />

zubewegt, wo jetzt wieder der eine „leider“ und<br />

der andere „Gott sei Dank“ denken mag, ist die<br />

Organisation des Dialogs umso wichtiger.<br />

Jedenfalls brauchen wir für das 21. Jahrhundert,<br />

das wir zu mit Abstand größerem Teil noch vor<br />

uns haben, sicher nicht nur ein Mindestmaß an<br />

Regeln für internationale Finanzmärkte. Das wissen<br />

wir inzwischen auch etwas genauer als noch<br />

vor einem halben Jahr. Sondern wir brauchen<br />

jenseits der Regelungen für Märkte Orientierun -<br />

gen für Verhalten, ethische Prinzipien für ein<br />

Miteinander. Und je eher und je überzeugender<br />

und je nachhaltiger es gelingt solche ethischen<br />

Orientierungen zu globalen Prinzipien zu<br />

machen, desto günstiger sind die Überlebensaussichten<br />

unserer Zivilisation.<br />

Verehrter, lieber Herr Professor Küng, ich gratuliere<br />

Ihnen von Herzen zu dem Beitrag, den Sie<br />

über viele Jahr hinweg zu diesem Verständnis der<br />

Bedeutung von Religionen, ihres Verhältnisses<br />

untereinander und den Beitrag, den sie alle miteinander<br />

und nur miteinander, für die Zukunft<br />

unserer Welt leisten können, erbracht haben, und<br />

ich freue mich über die Auszeichnung, die Sie<br />

dafür heute Abend erhalten“<br />

9


10<br />

Rabbinerin Dreyfus mit<br />

Bischöfin Jepsen, Mitte:<br />

Bischöfin Jepsen mit<br />

Bischof Vobbe und<br />

Archimandrit Emmanuel<br />

Sfiatkos, unten: Karl-<br />

Hermann Blickle mit<br />

dem Preisträger. Fotos:<br />

Beatrice Schubert<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Menschlichkeit<br />

ist unteilbar<br />

Dankesrede anlässlich der Verleihung des<br />

<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preises am 18. Juni <strong>2009</strong><br />

in Berlin / von Prof. Dr. Hans Küng<br />

Sehr verehrter Herr Bundestagspräsident<br />

Dr. Lammert,<br />

lieber Herr Rabbiner Dr. Homolka,<br />

meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />

Ein Preis sozusagen »honoris causa« ist für mich<br />

nie ein reines „honorificum“, sondern eher ein<br />

„politicum“.<br />

Nach meinen beiden Büchern „Das Judentum“<br />

und „Das Christentum“ in den 1990er Jahren<br />

habe ich 2004 als dritten Band „Der Islam“ veröffentlicht<br />

und schon deshalb viele Gespräche<br />

mit Muslimen geführt. Noch vor wenigen Mona -<br />

ten hat man mir an der Georgetown University/<br />

Washington den „Prince Alwaleed Award for<br />

Lifetime Achievement for Muslim-Christian<br />

Understanding“ verliehen.<br />

Und da ist nun der <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis eine<br />

mir höchst willkommene Anerkennung dafür,<br />

dass ich mich nach wie vor ebenso energisch für<br />

die Verbesserung der christlich-jüdischen Bezie -<br />

hungen einsetze. Gerade von katholischer Seite<br />

hat ja in letzter Zeit Papst Benedikt XVI. für verständliche<br />

Irritationen unter Juden gesorgt, die<br />

möglicherweise zum Teil durch seine Israelreise<br />

wieder behoben werden konnten. Doch vor allem<br />

die durch Präsident Obama vertretene und von<br />

Saudi-Arabien unterstützte neue Nahost-Politik<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1


<strong>Kescher</strong><br />

Der Vorsitzende des Kuratoriums des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, Dr. Josef Joffe, mit dem Presiträger. Foto: B. Schubert.<br />

könnte sich positiv auch auf die christlich-jüdischen<br />

Beziehungen auswirken.<br />

Und so danke ich denn von ganzem Herzen für<br />

diese hohe Auszeichnung und sehr wirksame<br />

Ermutigung dem <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, seinem<br />

Präsidenten Professor Dr. Walter Jacob, und seinem<br />

Rektor, Professor Dr. Walter Homolka, sowie<br />

dem Spender des Preisgeldes, Diplom-Volkswirt<br />

Karl-Hermann Blickle und allen anderen, die<br />

direkt oder indirekt in diese Entscheidung involviert<br />

waren.<br />

Ein Preis im Zeichen <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>s: Keine<br />

Gestalt im Judentum des 19. Jahrhunderts dürfte<br />

mir, dem christlichen Reformtheologen, näher<br />

stehen als dieser bedeutendste Vertreter des<br />

deutschen Reformjudentums und vielseitige<br />

Begründer der Wissenschaft des Judentums. Ich<br />

kann mir leicht vorstellen, was diesen Mann alles<br />

bewegt hat, der 1810 in Frankfurt am Main geboren,<br />

seine Jugend in der Zeit der Metternichschen<br />

Restauration verbracht hat, der die Revolution<br />

von 1848 ebenso miterlebt hat wie 1870 das Erste<br />

Vatikanische Konzil mit seiner Definition des<br />

päpstlichen Jurisdiktionsprimats und der Unfehl -<br />

barkeit. Mit <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> bin ich der Überzeugung,<br />

dass nur durch Wissenschaft und historische<br />

Kritik eine religiöse Reform, eine Erneuer -<br />

ung der Theologie und der Glaubensge mein schaft<br />

als ganzer erreicht werden kann. Mit ihm bin ich<br />

der Meinung, dass die Religion der Propheten<br />

nicht in erster Linie die genaue Beobachtung<br />

eines Rituals verlangt, sondern den Glauben an<br />

den einen Gott, der sich praktisch zu bewähren<br />

hat durch Gerechtigkeit, Barmherzig keit und eine<br />

Menschenliebe, die von keinen nationalen oder<br />

religiösen Schranken eingegrenzt werden darf.<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> stand also damals zwischen jüdischer<br />

Orthodoxie und jüdischem Säkularismus,<br />

und er würde sich auch heute ähnlich einordnen.<br />

Angesichts dringend notwendiger Reformen<br />

unserer drei prophetischen Religionen stehen wir<br />

damals wie heute vor der Frage: Was soll in einer<br />

solchen Reform erhalten bleiben und was darf<br />

aufgegeben werden? In allen drei Religionen gibt<br />

es scharf akzentuierte positive wie negative<br />

Antworten. Die einen sagen: „Nichts soll bewahrt<br />

werden“, die anderen aber: „Alles soll bewahrt<br />

werden“: „Nichts“ soll bewahrt werden, sagen<br />

völlig säkularisierte Christen: Sie glauben oft<br />

weder an Gott noch an einen Sohn Gottes, sie<br />

ignorieren die Kirche und verzichten auf Predigt<br />

und Sakra mente … Bestenfalls schätzen sie das<br />

kulturelle Erbe das Christentums: die<br />

Kathedralen der Gotik oder die Musik Johann<br />

Sebastian Bachs, den Wohlklang orthodoxer<br />

Liturgie oder auch – paradoxerweise – die<br />

Institution des Papsttums als Garant der eta-<br />

11<br />

blierten Ordnung. Sie glauben an den Papst als<br />

Ordnungsfaktor, denken aber nicht daran, dessen<br />

Sexualmoral und Dogmatik zu folgen.<br />

„Nichts“ soll bewahrt werden, sagen aber auch<br />

völlig säkularisierte Juden: Sie halten nichts vom<br />

Gott <strong>Abraham</strong>s und der Väter, sie glauben nicht<br />

an dessen Verheißungen, und an den Bund mit<br />

dem Volk Israel, ignorieren synogale Gebete und<br />

Riten und mokieren sich über die Ultraortho -<br />

doxen. Für ihr religiös entleertes Judentum<br />

haben sie vielfach eine moderne Ersatzreligion<br />

gefunden: den Staat Israel und die Berufung auf<br />

den Holocaust. Das kann auch säkularisierten<br />

Juden eine jüdische Identität und Solidarität<br />

verschaffen, scheint aber nicht selten auch die<br />

brutalen Maßnahmen der israelischen Armee<br />

gegen die Palästinenser in den besetzten<br />

Gebieten zu rechtfertigen.<br />

„Nichts“ soll bewahrt werden, sagen aber auch<br />

völlig säkularisierte Muslime: An einen Gott<br />

glauben sie nicht, den Koran lesen sie nicht,<br />

Muhammad ist für sie kein Prophet, die fünf<br />

Pfeiler des Islam spielen für sie keine Rolle und<br />

die Scharia lehnen sie rundweg ab.<br />

Bestenfalls ist der Islam, freilich religiös entleert,<br />

zu gebrauchen als Instrument für einen<br />

politischen Islamismus oder Arabismus oder<br />

Nationalismus.


12<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Es ist verständlich, dass als Gegenreaktion auf<br />

dieses „Nichts bewahren“ der umgekehrte Ruf<br />

laut wird: „Alles bewahren“. Alles soll so bleiben,<br />

wie es ist und angeblich auch immer war: „Kein<br />

Stein des großartigen katholischen Dogmenge -<br />

bäu des darf herausgebrochen werden, das Ganze<br />

würde wanken“, proklamieren römische Integra -<br />

listen und disqualifizieren Reforma tion wie<br />

Aufklärung als „Verrat an der Tradition“.<br />

„Kein Wort der Halacha darf vernachlässigt werden;<br />

hinter jedem Wort steht der Wille des Herrn<br />

(Adonaj)“, protestieren ultraorthodoxe Juden.<br />

„Kein Vers des Koran darf ignoriert werden, jeder<br />

ist in gleicher Weise unmittelbar Gottes Wort“,<br />

insistieren viele islamistische Muslime.<br />

Hier überall sind Konflikte vorprogrammiert,<br />

nicht nur zwischen den drei, sondern vor allem in<br />

jeder der drei Religionen, wo immer diese Posi -<br />

tionen kämpferisch oder aggressiv vertreten werden.<br />

Oft schaukeln sich die extremen Positionen<br />

gegenseitig hoch. „Les extrêmes se touchent“<br />

Und wo steht nun <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>? Weder bei<br />

den einen noch bei den andern. Er ist weder ein<br />

orthodoxer Alles-Bewahrer noch ein säkularistischer<br />

Alles-Relativierer. Und glücklicherweise<br />

bilden diese Extrempositionen ja auch in den<br />

meisten Ländern nicht die Mehrheit, wenn sie<br />

nicht gerade durch politische, wirtschaftliche,<br />

soziale Faktoren aufgeladen werden. Noch immer<br />

gibt es, je nach Land und Zeit verschieden groß,<br />

eine erhebliche Zahl von Juden, Christen und<br />

Muslimen, die – wiewohl sie in ihrer Religion oft<br />

gleichgültig, träge oder ignorant sind – doch keinesfalls<br />

alles in ihrem jüdischen, christlichen<br />

oder muslimischen Glauben und Leben aufgeben<br />

möchten. Die andererseits aber auch nicht bereit<br />

sind alles zu bewahren: sie sind nicht bereit, als<br />

Katholiken sämtliche hellenistische Dogmen und<br />

römische Morallehren zu schlucken, oder als<br />

Protestanten jeden Satz der Bibel wortwörtlich<br />

zu nehmen, oder als Juden sich in allem an die<br />

Halacha zu halten, oder als Muslime sämtliche<br />

Gebote der Scharia streng einzuhalten.<br />

Und was ist der historische Hintergrund dieser<br />

verschiedenen Positionen? Das kann leicht<br />

beantwortet werden. Jede der drei abrahamischen<br />

Religionen hat fünf oder sechs epochale<br />

Umwälzungen, Paradigmenwechsel, Wechsel der<br />

Gesamtkonstellation durchgemacht. Und so<br />

leben bis heute Menschen derselben Religion<br />

mental in verschiedenen Paradigmen, in verschiedenen<br />

zeitgeschichtlichen Konstellationen,<br />

von deren fortbestehenden Grundbedingungen<br />

sie geprägt bleiben: So gibt es zum Beispiel im<br />

Christentum noch heute Katholiken, die geistig<br />

im 13. Jahrhundert leben: Gleichzeitig mit<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Thomas von Aquin, den mittelalterlichen Päpsten<br />

und der absolutistischen Kirchenordnung. Man<br />

wird Papst Benedikt, Joseph Ratzinger nie verstehen,<br />

wenn man nicht sieht, dass er im Grunde<br />

in diesem mittelalterlichen römisch-katholischen<br />

Paradigma lebt und daher konsequenterweise die<br />

Reformation wie die Aufklärung vornehm als<br />

„Enthellenisierung“, um nicht zu sagen als<br />

„Abfall“ vom wahren Christentum abqualifiziert<br />

hat. Es gibt aber auch manche Vertreter östlicher<br />

Orthodoxie, die geistig im 4./5. Jahrhundert<br />

geblieben sind und gleichzeitig mit den griechischen<br />

Kirchenvätern und den hellenistischen<br />

Konzilien leben und jede Weiterentwicklung in<br />

Liturgie, Theologie und Kirchendisziplin ablehnen.<br />

Und es gibt evangelikale Protestanten,<br />

beson ders in den USA, die nach wie vor in der<br />

vormodernen Konstellation des 16. Jahrhunderts<br />

steckengeblieben sind. Deshalb sind sie grimmige<br />

Gegner vor allem der Evolutionstheorie und<br />

der modernen Exegese und versuchen die buchstäbliche<br />

biblische Auslegung der Schöpfungsge -<br />

schichte selbst im Biologieunterricht der Schulen<br />

durchzusetzen.<br />

Ganz ähnlich aber gibt es auch manche ortho -<br />

doxe Juden, die im mittelalterlichen Judentum<br />

ihr Ideal sehen und sogar den modernen Staat<br />

Israel ablehnen. Umgekehrt sehen viele<br />

Zionisten den Staat Israel rein modern-säkular.<br />

Doch zugleich streben sie mit Gewalt ein<br />

Großisrael in den Gren zen des davidisch-salomonischen<br />

Reiches an – mit verheerenden Folgen<br />

für ein friedliches Zusammenleben mit<br />

Palästinensern, von denen dann einige aus<br />

Verzweiflung zu Selbstmord atten taten greifen.<br />

In ähnlicher Weise träumen manche Muslime<br />

noch dem großen arabischen Reich nach und<br />

wünschen sich die Vereinigung der arabischen<br />

Völker zu einer einzigen arabischen Nation<br />

(„Panarabismus“). Andere aber, etwa in Iran,<br />

sehen nicht im Arabertum, sondern im Islam das<br />

Völkerverbindende und geben einem „Panisla -<br />

mismus“ den Vorzug – mit dem schiitischen<br />

Islam als Vormacht. Es ist offenkundig: Gerade in<br />

diesem Andauern, dieser Persis tenz und<br />

Konkurrenz früherer religiöser Paradig men im<br />

Heute liegt eine der Haupt ursachen der Konflikte<br />

innerhalb der Religionen und zwischen den<br />

Religionen, Hauptursache der verschiedenen<br />

Richtungen und Parteiungen, der Spannungen,<br />

Streitigkeiten und Kriege.<br />

Ich frage deshalb: Was war zur Zeit von <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> und was ist auch heute noch für eine Re -<br />

form der Religion die zentrale Streitfrage? Ich<br />

antworte: Wie verhält sich die jeweilige Religion<br />

zu ihrem eigenen Mittelalter (das zumindest in


Christentum und Islam als die „große Zeit“ gilt)<br />

und wie verhält sie sich folglich zur Moderne, wo<br />

man sich in allen drei Religionen in die Defensive<br />

gedrängt sieht.<br />

Das Christentum hat nach der Reformation<br />

zumindest im Protestantismus einen weiteren<br />

Paradigmenwechsel, den der Aufklärung, zur<br />

Moderne durchmachen können. Das Judentum<br />

aber machte zuerst die Aufklä rung durch (mit<br />

Moses Mendelsohn als großem Initiator) und<br />

erlebte im Anschluss daran zumindest im<br />

Reformjudentum in Deutschland und den USA<br />

eine religiöse Reformation. Der Islam aber, der<br />

im 12. Jahrhundert die Philosophie und jedes<br />

neue Denken zu Gunsten der Orthodoxie verabschiedet<br />

hat, machte keine nachhaltige religiöse<br />

Reformation durch. Er hat von daher auch mit der<br />

Moderne bis auf den heutigen Tag besonders<br />

schwerwiegende Probleme, wie etwa der mittelalterlich<br />

orientierte römische Katholizismus,<br />

dem es aber mit Hilfe des Zweiten Vatikanischen<br />

Konzils gelungen ist, gewichtige Anliegen der<br />

Reformation und der Moderne aufzunehmen.<br />

Sie, meine Damen und Herren, werden gewiss<br />

ebenfalls oft diese Erfahrung gemacht haben:<br />

Viele Juden, Christen und Muslime, die das<br />

moderne Paradigma bejahen, verstehen sich<br />

untereinander besser als mit den je eigenen<br />

Glaubensgenossen, die in anderen Paradigmen<br />

leben. Umgekehrt können dem Mittelalter verhaftete<br />

Römisch-Katholische sich zum Beispiel in<br />

Fragen der Sexualmoral mit den „Mittelalter -<br />

lichen“ im Islam verbünden. (So geschehen auf<br />

der UN-Bevölkerungskonferenz Kairo 1994).<br />

Wer Versöhnung und Frieden will, wird um eine<br />

kritisch-selbstkritische Paradigmenanalyse nicht<br />

<strong>Kescher</strong><br />

herumkommen. Nur so lassen sich Fragen beantworten<br />

wie diese: Wo sind in der Geschichte des<br />

Christentums, wo sind im Judentum und im Islam<br />

die Konstanten und wo die Variablen? Wo<br />

besteht Kontinuität und wo Diskontinuität, wo<br />

ist Übereinstimmung gegeben und wo Wider -<br />

stand geboten? Zu bewahren ist vor allem das<br />

Wesen, das Fundament, der Kern einer Religion<br />

und von daher die vom Ursprung her gegebenen<br />

Konstanten. Nicht unbedingt zu bewahren ist<br />

alles das, was vom Ursprung her nicht wesentlich<br />

ist, was Schale und nicht Kern, was Ausbau und<br />

nicht Fundament ist. Aufgegeben (oder im<br />

Gegen teil auch weiter entwickelt) werden können,<br />

wenn es sich als notwendig erweist, alle die<br />

verschiedenartigen Variablen.<br />

So verhilft denn eine Paradigmenanalyse angesichts<br />

all des religiösen Wirrwarrs gerade im<br />

Zeitalter der Globalisierung zu einer globalen<br />

Orientierung, wichtig vor allem für diese heikle<br />

Schlüsselphase für die Neugestaltung der internationalen<br />

Beziehungen, des Verhältnisses<br />

Westen – Islam und auch der Beziehungen zwischen<br />

den drei abrahamischen Religionen Juden -<br />

tum, Christentum und Islam.<br />

Die Optionen sind klar: Entweder Rivalität der<br />

Religionen, Zusammenprall der Kulturen, Krieg<br />

der Nationen – oder Dialog der Kulturen und<br />

Frieden zwischen den Religionen als eine Voraus -<br />

setzung für den Frieden zwischen den Nationen!<br />

Sollten wir angesichts der tödlichen Bedrohung<br />

der Gesamtmenschheit nicht anstatt neue<br />

Dämme des Hasses, der Rache und Feindschaft<br />

aufzurichten, lieber die Mauern des Vorurteils<br />

Stein um Stein abtragen und damit Brücken des<br />

Dialogs bauen, Brücken gerade auch zum Islam?<br />

Für diesen Brückenschlag ist von entscheidender<br />

Bedeutung: So verschieden auch die drei Religio -<br />

nen sind und so unterschiedlich die verschiedenen<br />

Paradigmen, die da im Lauf der Jahrhunderte<br />

und Jahrtausende wechseln – es gibt gerade auf<br />

der ethischen Ebene Konstanten, die einen solchen<br />

Brückenschlag ermöglichen.<br />

Seit der Mensch sich aus dem Tierreich entwickelt<br />

hat und zum Menschen wurde, hat er auch<br />

gelernt, sich menschlich und nicht unmenschlich<br />

zu verhalten. Aber die Bestie ist mit der Trieb -<br />

natur des Menschen trotz des nun entwickelten<br />

Vernunftgebrauchs eine Realität im Menschen<br />

geblieben. Dies betrifft nicht nur die gemeinen<br />

Triebtäter wie Verbrecher an Kindern und<br />

Jugend lichen, sondern auch Wirtschafts- und<br />

Finanzbosse, welche Bilanzen gefälscht und<br />

andere um Millionen, ja Milliarden betrogen<br />

haben. Es betrifft auch Staatsmänner, die große<br />

Nationen mit Lügen von orwellschem Ausmaß in<br />

13<br />

Rabbiner Leo Trepp und Ruth Recknagel, Mitte:<br />

Karl-Hermann Blicke, Rabbinerin Ellen Weinberg<br />

Dreyfus, Lala Süsskind, Friede Springer, unten:<br />

Rabbiner Henry G. Brandt und Sheila Brandt.<br />

Fotos: Beatrice Schubert


14<br />

ausweglose Kriege getrieben haben und für den<br />

Tod von Zehntausenden und die Folter von<br />

Tausenden verantwortlich sind. Dies sind freilich<br />

Extremfälle, doch auch im Alltag ist ethisches<br />

Verhalten nicht selbstverständlich.<br />

So muss denn das Rad des Ethos nicht neu erfunden<br />

werden. In allen religiösen, philosophischen<br />

und weltanschaulichen Traditionen finden sich<br />

einige einfache ethische Imperative der Mensch -<br />

lichkeit, bei Patanjali, dem Gründer des Yoga,<br />

ebenso wie im buddhistischen Kanon, in der<br />

Hebräischen Bibel ebenso wie im Neuen Testa -<br />

ment und im Koran. Sie sind bis heute von größter<br />

Bedeutung geblieben. Vom Parlament der<br />

Weltreligionen wurden sie 1993 in Chicago in<br />

einer „Erklärung zum Weltethos“ in unsere<br />

Gegenwart hinein übersetzt. 1997 wurden sie<br />

vom InterActionCouncil früherer Staats- und<br />

Regierungschefs in dem Vorschlag einer nun im<br />

UNO-Stil redigierten „Allgemeinen Erklärung der<br />

Menschenpflichten“ („responsibilities“) ausgearbeitet:<br />

Wir brauchen in dieser neuen Zeit eine Kultur der<br />

Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem<br />

Leben, gründend in der uralten Weisung: „Nicht<br />

morden“ – was heißt: auch nicht foltern, quälen,<br />

verletzen. Vielmehr „Ehrfurcht haben vor dem<br />

Leben!“ Wir brauchen eine Kultur der Solidarität<br />

und eine gerechte Wirtschaftsordnung, gründend<br />

in der uralten Weisung: „Nicht stehlen“ – was<br />

einschließt: auch nicht ausbeuten, bestechen,<br />

korrumpieren. Vielmehr: „Ehrlich handeln und<br />

fair!“ Wir brauchen eine Kultur der Toleranz und<br />

ein Leben in Wahrhaftigkeit, gründend in der<br />

uralten Weisung: „Nicht lügen“ – was aber heißt:<br />

auch nicht täuschen, fälschen, manipulieren.<br />

Vielmehr: „Wahrhaftig reden und handeln!“<br />

Und schließlich brauchen wir eine Kultur der<br />

Gleichberechtigung und der Partnerschaft von<br />

Mann und Frau, gründend in der uralten Weisung:<br />

„Nicht Unzucht treiben, nicht Sexualität missbrauchen“<br />

– was einschließt: den Partner nicht<br />

missbrauchen, erniedrigen, entwürdigen.<br />

Vielmehr: „Einander respektieren und lieben!“<br />

Wir brauchen wieder Staatsmänner, Wirtschaftsund<br />

Gewerkschaftsführer, Medienleute und<br />

Kulturschaffende, Männer und Frauen, die sich<br />

an diese Imperative der Menschlichkeit halten<br />

und Vorbilder sind. Was soll eine Jugend ohne<br />

Vorbilder? Diesen vier konkreten ethischen<br />

Imperativen liegen zwei allgemeine ethische<br />

Grundprinzipien zugrunde: Erstens: Ganz und<br />

gar grundlegend für alle Menschen, religiöse und<br />

nicht religiöse, und alles andere als tautologisch<br />

<strong>Kescher</strong><br />

die Humanitätsregel: Jeder Mensch – ob weiß<br />

oder farbig, jung oder alt, Mann oder Frau,<br />

Christ, Jude oder Muslim – soll menschlich und<br />

nicht unmenschlich behandelt werden. Mensch -<br />

lich keit, das Humanum, ist unteilbar! Das zweite<br />

Grundprinzip ist jene schon von Konfuzius fünfhundert<br />

Jahre vor Christus geprägte und in allen<br />

großen religiösen und philosophischen Traditio -<br />

nen bekannte, aber keineswegs selbstverständliche<br />

Reziprozitätsregel oder Goldene Regel: „Was<br />

du selber nicht wünschest, das tue auch nicht<br />

anderen“. So elementar diese Regel ist, so hilfreich<br />

ist sie bei der Entscheidung in manchen<br />

schwierigen Situationen.<br />

Der InterActionCouncil betont, dass zur Orien -<br />

tierung menschlichen Handelns kein komplexes<br />

Ethiksystem notwendig ist, sondern allein schon<br />

die alte Goldene Regel als Grundorientierung<br />

dienen könnte. In ihrem Artikel 4 sagt die Allge -<br />

meine Erklärung der Menschenpflichten: „Alle<br />

Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen,<br />

müssen im Geist der Solidarität Verantwortung<br />

übernehmen gegenüber jedem und allen, Fami -<br />

lien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und<br />

Religionen: Was du nicht willst, dass man dir tut,<br />

das füg’ auch keinem anderen zu.“<br />

Es war ermutigend, in Präsident Obamas programmatischer<br />

Rede in Kairo gerade zum Schluss<br />

ein Echo dieser Erklärung zu hören: „Es ist einfacher,<br />

Kriege zu beginnen, als sie zu beenden. Es<br />

ist einfacher, die Schuld auf andere zu schieben,<br />

als sich selbst zu betrachten. Es ist einfacher zu<br />

sehen, was uns von jemand anderem unterscheidet,<br />

als die Dinge zu finden, die wir gemeinsam<br />

haben. Aber wir sollten uns für den richtigen<br />

Weg entscheiden, nicht nur für den einfachen. Es<br />

gibt auch eine Regel, die jeder Religion zugrunde<br />

liegt – dass man andere behandelt, wie man<br />

selbst behandelt werden möchte.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Diese Wahrheit überwindet Nationen und Völker<br />

- ein Glaube, der nicht neu ist, der nicht schwarz<br />

oder weiß oder braun ist, der nicht Christen,<br />

Muslimen oder Juden gehört. Es ist ein Glaube,<br />

der in der Wiege der Zivilisation pulsierte, und<br />

der noch immer in den Herzen von Milliarden<br />

Menschen auf der Welt schlägt. Es ist der Glaube<br />

an andere Menschen, und er hat mich heute hierher<br />

gebracht.“ Dieses Ethos ist natürlich immer<br />

kontrafaktisch und wird nirgendwo und von niemandem<br />

perfekt gelebt. Die Goldene Regel und<br />

die vier Impera tive der Menschlichkeit werden<br />

nicht von vornherein erfüllt, sie müssen immer<br />

wieder neu in Erinnerung gerufen und realisiert<br />

werden. Der <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis ist dafür ein<br />

beeindruckendes Zeichen. Ich möchte Ihnen,<br />

meine Damen und Herren, nochmals meinen sehr<br />

herzlichen Dank dafür ausdrücken.<br />

Nur knapp zu den Konstanten: Das zu bewahrende<br />

Eigentümliche der drei monotheistischen<br />

Religionen ist zugleich etwas Gemeinsames und<br />

etwas Unterscheidendes. Das Gemeinsame von<br />

Judentum, Christentum und Islam: der Glaube an<br />

den einen und einzigen Gott <strong>Abraham</strong>s, den gnädigen<br />

und barmherzigen Schöpfer, Bewahrer und<br />

Richter aller Menschen. Das Unterscheidende:<br />

Für das Judentum: Israel als Gottes Volk und<br />

Land. Für das Christentum: Jesus Christus als<br />

Gottes Messias und Sohn. Für den Islam: Der<br />

Koran als Gottes Wort und Buch.<br />

Zur Bestätigung ein Wort von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>:<br />

„Die Menschheit insgesamt aber ist geschaffen<br />

im Ebenbilde Gottes, nicht bloß der Stammvater<br />

dieses oder jenes Volkes, sondern der Stamm va -<br />

ter aller, der auch die ganze Menschheit aus sich<br />

hervorgehen lässt als eine gleichberechtigte“.<br />

Zur Bestätigung ein Zitat aus dem Babylonischen<br />

Talmud Schabbat 31a: „Abermals ereignete es<br />

sich, dass ein Nichtjude vor den Rabbiner<br />

Schammai trat und zu ihm sprach: Mache mich<br />

zum Proselyten unter der Bedingung, dass du<br />

mich die ganze Tora lehrst, während ich auf<br />

einem Fuße stehe. Da stieß er ihn fort mit der<br />

Elle, die er in der Hand hatte. Darauf kam er zum<br />

Rabbiner Hillel und dieser machte ihn zum<br />

Proselyten und sprach zu ihm: Was dir nicht lieb<br />

ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist<br />

die ganze Tora und alles andere ist nur die<br />

Erläuterung; geh und lerne sie.“<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>, Das Judentum und seine Ge -<br />

schichte, Bd. 1, 2. Auflage, Breslau 1865, S. 42


Eine Reise<br />

durch die<br />

europäische<br />

Synagogal -<br />

musik<br />

Großes Foto: Ausgezeichnet:<br />

Kantorin Mimi Sheffer,<br />

Professorin Sabine Kunst,<br />

Professorin Birgit Jank mit<br />

Marion Hanisch (v.l.n.r.).<br />

Foto: Tobias Barniske<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Preiskonzert zur Auszeichnung als „Ausgewählter<br />

Ort <strong>2009</strong>“ im Land der Ideen<br />

Am 18. Oktober stand das Jewish Institute of<br />

Cantorial Arts (JICA) in Potsdam im Rampenlicht.<br />

Unser Ausbildungsprogramm für jüdische Kanto -<br />

ren ist einer der Preisträger des bundesweit ausgetragenen<br />

Innovationswettbewerbs „365 Orte<br />

im Land der Ideen“. JICA wurde in diesem Jahr<br />

aus mehr als 2.000 eingereichten Bewerbungen<br />

als Botschafter für das Land der Ideen ausgewählt.<br />

Die Deutsche Bank und die Standortinitia -<br />

tive „Deutschland – Land der Ideen“ führen diese<br />

Veranstaltungsreihe bereits im vierten Jahr ge -<br />

meinsam unter der Schirmherrschaft von Bun -<br />

des präsident Horst Köhler durch. „Mit Kreativi -<br />

tät, Know-how und Leidenschaft bilden die ‚Aus -<br />

gewählten Orte‘ <strong>2009</strong> das ideenreiche Rückgrat,<br />

das Deutschland zum Land der Ideen macht.<br />

Jeden Tag sehen wir, wie durch das enorme<br />

Poten tial, das hier in der Region steckt, das bun -<br />

desweite Netzwerk an Ideen wächst“, be grün dete<br />

Marion Hanisch, die Leiterin des Pots damer In -<br />

ves tment & FinanzCenters, das Engage ment der<br />

Deutschen Bank: „Die Nach wuchs ausbildung für<br />

jüdische Gemeinden zu fördern, ist ein vorbildliches<br />

Projekt. Die Arbeit des Jewish Institute of<br />

Cantorial Arts ist deshalb zukunftsweisend für<br />

Deutschland.“<br />

Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka freut sich über<br />

die Auszeichnung, die in Anwesenheit des brandenburgischen<br />

Wissenschaftsstaatssekretär Dr.<br />

Johann Komusiewicz (kleines Bild) und der<br />

Präsiden tin der Universität Potsdam, Frau Prof.<br />

Dr. Sabine Kunst, übergeben wurde. „Wir sind<br />

sehr stolz, ein ausgewählter Ort im Land der<br />

Ideen zu sein. Unsere jüdischen Gemeinden brauchen<br />

Kantoren mit pädagogischer Bildung. Unser<br />

Institut ist an das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> ange-<br />

15<br />

schlossen und das erste Ausbildungsprogramm<br />

für jüdische Kanto ren und Religionslehrer in<br />

Europa nach dem Holocaust. Damit ist eine entscheidende<br />

Weiche auf dem Weg für die Zukunft<br />

der jüdischen Gemeinschaft gestellt. Vor zwei<br />

Jahren, 2007, ist bereits unser Rabbinerseminar,<br />

das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität<br />

Pots dam, von der Standortinitiative der deutschen<br />

Wirtschaft ausgezeichnet worden“, sagte<br />

Homolka.<br />

Mit dem Festkonzert in der Nikolaikirche gab die<br />

Programmdirektorin, Kantorin Mimi Sheffer,<br />

zusammen mit dem akademischen Direktor, Dr.<br />

Jascha Nemtsov, einen Einblick in die Geschichte<br />

und Gegenwart der europäischen Synagogalmu -<br />

sik. Mit beteiligt war auch Prof. Dr. Birgit Jank,<br />

die den Lehrstuhl für Musikpädago gik und Musik -<br />

didaktik an der Universität Pots dam innehat und<br />

mit der JICA auf vielfache Weise kooperiert.<br />

Auf dem Programm, das Sheffer und Nemtsow<br />

präsentierten, standen unter anderem Komposi -<br />

tionen von Salomon Sulzer, Louis Lewandowski,<br />

Jacques Fromental Halévy, Juliusz Wolfsohn,<br />

Samuel Naumbourg, Max Janowski und David<br />

Ajzen sztadt. Matthias Jacob und der Vocalkreis<br />

an der Potsdamer Friedenskirche übernahmen in<br />

dem 90-minütigen Konzert die großen chorischen<br />

Teile. Begleitet wurden die Sänger von<br />

Florence Sitruk an der Harfe und Mirlan Kasyma -<br />

liev an der Orgel, tönte. Im „Ja Schimcha“, einem<br />

Gebet aus der Jom-Kippur-Liturgie, übernahm<br />

schließlich der gastgebende Nikolaikantor, Björn<br />

Wiede, den Orgelpart. Jascha Nemtsow brachte<br />

u.a. Konzertparaphrasen über altjüdische Volks -<br />

weisen für Klavier von Juliusz Wolf sohn zu Gehör.


16<br />

Zum Redaktionsschluss von „<strong>Kescher</strong>“<br />

stand mit dem zweiten Konzert aus<br />

der Reihe „Das Kanto renKonzert“<br />

noch ein Höhepunkt im Winterse -<br />

mester des Jewish Institute of<br />

Cantorial Arts auf dem Programm. Am Sonntag,<br />

den 13. Dezember, stellten vier Studierende von<br />

JICA erst in einem Workshop und dann bei einem<br />

Konzert im Jüdischen Gemeindehaus <strong>Chanukka</strong> -<br />

lieder und -geschichten aus aller Welt vor.<br />

Moderiert wurde das Konzert von Sofia Falkovich,<br />

einer zukünftigen Studentin des JICA; an Orgel<br />

und Klavier begleitet wurden die Sänger von<br />

Mirlan Kasyma liev. Aus der Mischung von be -<br />

kannten und eher exotischen Melodien, alten<br />

und neuen Titeln, Chasanut und Pop ergab sich so<br />

ein buntes und erfrischendes Lieder mosaik.<br />

Solos wechselten sich dabei mit Duetten und<br />

Ensemblestücken ab. Die Programmdirek torin<br />

Mimi Sheffer hatte schon bei den Proben anerkennend<br />

festgestellt: „Ich wäre nie auf die Idee<br />

gekommen, dass das Programm so an spruchs voll<br />

wird.“ Die erste Reaktion aus dem Publikum lautete<br />

am Sonntag abend denn auch einhellig: „Das<br />

Konzert und die Stimmen waren wirklich phantastisch!“<br />

Aviv Weinberg revanchierte sich stellvertretend<br />

für alle Beteiligten prompt mit einem<br />

Dank an die warmherzigen Zuhörer.<br />

Bei dem Konzert, das die Studierenden selbst<br />

konzipiert und einstudiert hatten und in Zusam -<br />

menarbeit mit der Jüdischen Volkshochschule<br />

präsentierten, wurden auch <strong>Chanukka</strong>kerzen<br />

<strong>Kescher</strong><br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

JICA-Studentenkonzert<br />

zu <strong>Chanukka</strong> im<br />

Jüdischen Gemeindehaus<br />

Phantastische Stimmen,<br />

buntes Programm<br />

gezündet. Zuvor bestand für das Publikum die<br />

Gelegenheit, in einen vorbereitenden Workshop<br />

neue <strong>Chanukka</strong>lieder interaktiv zu lernen. Ein<br />

Ziel von JICA ist es auch, die Beter und Beterin -<br />

nen in den Synagogen auf die reiche jüdische Mu -<br />

siktradition aufmerksam zu machen und praktische<br />

Angebote für die Gottesdienste zu schaffen.<br />

„Das Programm dieses ganz besonderen Chanuk -<br />

ka-Konzerts umfasste zum größten Teil Stücke<br />

aus der Liturgie, nämlich die Einfügungen, die für<br />

<strong>Chanukka</strong> charakteristisch sind“, erklärte Isidoro<br />

Abramowicz, einer der vier Sänger. So wurden<br />

erst die Segenssprüche zur Hadlakat Nerot ge -<br />

sun gen, also die Bracha zum Anzünden der<br />

Chanuk kakerzen (Alexander Zakharenko sang die<br />

Fassung von Salomon Sulzer), dann der Segen -<br />

spruch über die Wunder, die Gott zu der Zeit<br />

unseren Vorfahren tat und auch zu unseren Tagen<br />

tut und schließlich das Schehechejanu, mit dem<br />

wir Gott dafür danken, dass er uns am Leben hält,<br />

uns stützt und uns bis zu dieser Zeit gebracht<br />

hat. Hanerot Halal wird im Gebet nach dem<br />

Kerzenzünden gesungen: dabei werden die<br />

Gründe genannt, deretwegen wir diese Lichter<br />

anzünden. Die Studierenden trugen es in zwei<br />

Besetzungen vor; Isidoro Abramowicz sang die<br />

Brachot in der Fassung von Zavel Zilberts (1881-<br />

1949), einem Komponisten aus Weißrussland,<br />

und dann zusammen mit Nikola David in der<br />

Version von Israel Goldfarb (1879-1967), der aus<br />

Russland stammte und Kantor in Brooklyn war.<br />

„Uns war wichtig, dass wir kein reines Unterhal -<br />

Alexander Zakharenko bei der Probe,<br />

dahinter Isidoro Abramowicz, Aviv<br />

Weinberg u. Nikola David (v.l.n.r.).<br />

Foto: Tobias Barniske.<br />

tungsprogramm bieten, sondern einen Quer -<br />

schnitt von dem, was zu <strong>Chanukka</strong> zur musikalischen<br />

Gestaltung der Gottesdienste möglich ist“,<br />

fasste Nikola David das Konzept zusammen.<br />

Beim Maoz Tzur, das anschließend auf dem Pro -<br />

gramm stand, handelt es sich um ein im Mittel -<br />

alter von Mordechai geschriebener Pijut, ein litugisches<br />

Gedicht, der aus sechs Strophen besteht<br />

und die Hoffnung auf messianische Erlösung zum<br />

Ausdruck bringt. Die Melodie soll auf ein altes<br />

Volkslied zurück gehen und wurde von Benedetto<br />

Marcello (1686-1739) in seinen Parafrasi Sopra li<br />

Salmi (Venedig 1724) in Noten gesetzt und für<br />

seine Vertonung des 15. Psalms weiter verwendet.<br />

Der Psalm 100 ist ein Psalm der Danksagung. Ihn<br />

sangen die Studierenden in der Komposition von<br />

Eliezer Gerovitch für Kantor und gemischten<br />

Chor. Ein weiteres Stück, das dem Konzert pub -<br />

likum von Channuka und seiner Bedeutung er -<br />

zählte, aber nicht zur Liturgie gehört, war das<br />

Duett Haerew Babajit („der Abend zu Hause“)<br />

von Emanuel Amiran und Awraham Broides, das<br />

Aviv Weinberg zusammen mit Isidoro Abramo -<br />

wicz vortrug; darauf folgte Todros Greenbergs<br />

Mizmor Shir <strong>Chanukka</strong>t Habait als Solo von Niko la<br />

David. Den Schluss machte der Choral Hawa<br />

Narima aus Händels Oratorium „Joshua“. Die originale<br />

deutsche Version ist unter dem Titel<br />

„Tochter Zion“ bekannt. Der hebräische Text handelt<br />

vom Channuka-Wunder und vom Sieg der<br />

Makkabäer über die Griechen.


Die Mitwirkenden<br />

Aviv Weinberg, Sopran. Geboren 1976 in Israel.<br />

Seit 1997 Rimon-Jazz and Contemporary Music<br />

School, Abschluss B.MUS an der Academy of<br />

Music and Dance, Jerusalem. Solistin für das IDF<br />

Orchestra, Mitglied des A-Cappella-Ensembles<br />

„New Israeli Vocal Ensem ble”. Mitwirkung am<br />

Ancient Music Program in Jerusalem, Winter IVAI<br />

Program unter der Lei tung von Joan Dornemann,<br />

Rita Dams und Ami Shamir's Opernprogramm.<br />

Schauspiel, Tanz und Gesang im Musical „Guys &<br />

Dolls“ in Tel Aviv. Zusammenarbeit mit dem<br />

„Meitar“-Ensemble. Tournee mit dem Jerusalem<br />

Camerata Orchestra. Aufführung der Solo-Oper<br />

„Das Telefon“ in Deutsch und Englisch. Seit<br />

Herbst <strong>2009</strong> Studium am Jewish Institute of<br />

Cantorial Arts des Abra ham <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s in<br />

Berlin sowie weiterhin Stimmbildung mit Janet<br />

William.<br />

Nikola David, Tenor. Geboren 1969 in Serbien.<br />

Abschluss der Musik akademie in Jugoslawien als<br />

Musikpädagoge und Opernsänger. 15 Jahre tätig<br />

als Solist in Serbien, Kroatien und seit 8 Jahren<br />

in Deutschland, unter anderem in Eisenach, Mün -<br />

chen, Augsburg und Dessau. Gastauftritte in<br />

Norwegen, Israel, Bulga rien und der Schweiz.<br />

Kulturleiter der Israeliti schen Kultusgemeinde<br />

Schwaben-Augsburg. Seit 2008 Kantorenstudent<br />

am Jewish Institute of Cantorial Arts.<br />

Isidoro Abramowicz, Bariton. Geboren 1972 in<br />

Buenos Aires. Absolvierte ein Studium für Klavier<br />

am Argentinischen National konservatorium.<br />

Gleichzeitig hat er sich in Chorleitung und Ge -<br />

sang ausgebildet. Ab Novem ber 2000 Gesangs -<br />

ausbildung bei Arthur Janzen, Köln. Mehrere<br />

Auftritte mit „Junge Kammer Oper Köln“. Seit<br />

2005 Chorleiter mehrerer Chöre in Oldenburg, u.<br />

a. des Synagogenchores der Jüdischen Gemeinde,<br />

außerdem Gesangs- und Klavierlehrer in der<br />

Musikschule Bad Zwischen ahn. Seit Herbst <strong>2009</strong><br />

Kantorenstudent am Jewish Institute of Canto -<br />

rial Arts.<br />

Alexander Zakharenko, Bass-Bariton. Geboren<br />

1969 in Russland. Seit der Kindheit Geigenunter -<br />

richt. Abschluss MA cum laude in Geschichte an<br />

der Staatsuniversität Tyumen. Einwanderung<br />

nach Israel mit 28 Jahren. Gesangsstudium an<br />

der Akademie für Musik in Jerusalem. Einige<br />

Jahre Sänger an der New Israeli Opera in Tel Aviv.<br />

Seit 2008 Student am JICA.<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Samuel Adler zu<br />

Gast am JICA<br />

„Lebe lang und glücklich“, ist die Suite überschrieben,<br />

die der amerikanische Komponist<br />

Samuel Adler anlässlich des 400-jährigen<br />

Stadtjubiläums von Mannheim 2007 komponiert<br />

hat und für von seiner andauernden Verbunden -<br />

heit mit Deutschland spricht. Der gebürtige<br />

Mannheimer und Kantorensohn, der sich 1939 als<br />

17-jähriger in die USA retten konnte, zählt seit<br />

Langem zu den wichtigen zeitgenössischen Kom -<br />

ponisten in den USA und begreift sich selbst als<br />

Jewish American composer; er hat sich nicht<br />

allein durch seine über 400 Werke, sondern auch<br />

als Dirigent, Hochschullehrer und Autor einen<br />

Namen gemacht. Adler ist über die School of<br />

Sacred Music am Hebrew Union College eng mit<br />

der jüdischen Reformbewegung verbunden;<br />

Chasanut macht aber nur einen Teil seines um -<br />

fangreichen Schaffens aus (darunter fünf Opern<br />

und sechs Symphonien), das merklich von Paul<br />

Hindemith geprägt ist; zu seinen weiteren<br />

Lehrern gehörten Aaron Copland und Serge<br />

Koussevitzky.<br />

Von 1950-1952 war Sam Adler mit der US Army in<br />

Deutschland; im Juli 1952 gründete er das<br />

Seventh Army Orchestra. Nach dem Militärdienst<br />

17<br />

wurde er Music Director der größten Synagoge<br />

von Dallas und widmete sich mehr und mehr dem<br />

Komponieren. Als Aaron Copland 1959 nach<br />

Dallas kam, wo Adler an der North Texas Univer -<br />

sity unterrichtete, befand er über seinen früheren<br />

Schüler: „You’ve become a real composer.“<br />

Seine Leidenschaft für anspruchsvolle Synago -<br />

gal musik ist ansteckend: Als Adler im August<br />

2006 zur feierlichen Wiedereröffnung der<br />

Synagoge Rykestraße in Berlin zusammen mit<br />

dem Rundfunkchor Berlin ein Programm mit vergessenen<br />

deutsch-jüdischen liturgischen und<br />

weltlichen Gesängen des 19. Jahrhunderts<br />

gestaltete, da sprang der Funken auch auf Mimi<br />

Sheffer über, die Programmdirektorin des<br />

Institute of Cantorial Arts am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong> (JICA). „Sam hat mir Mut gemacht“, sagt<br />

sie, und so trägt Samuel Adler dazu bei, das<br />

Chasanut in Deutschland wieder eine Zukunft<br />

hat. Diesen Sommer unterrichtete er einen<br />

Kompositionskurs an der Freien Universität<br />

Berlin - für Mimi Sheffer eine wunderbare Gele -<br />

gen heit, Samuel Adler auch zu zwei Vorträgen<br />

Samuel Adler 1937 in Mannheim und <strong>2009</strong> im<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>. Fotos: Milken Archive /<br />

Tobias Barniske<br />

einzuladen. Am 30. Juni und am 7. Juli sprach der<br />

Jewish American composer in den Räumen des<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s über die „Die Konti -<br />

nuität der Synagogalmusik in Deutschland“.<br />

Hartmut Bomhoff


Das Wintersemester begann für die JICA-Studen -<br />

ten bereits einen Monat vor dem offiziellen<br />

Semesteranfang. So bestand für sie noch die<br />

Gelegenheit, sich zusammen mit ihren Dozenten<br />

gründlich auf die Hohen Feiertage vorzubereiten.<br />

Beim neuen Studienschwerpunkt „Jewish Life“<br />

geht es für Programmdirektorin Mimi Sheffer<br />

neben der akademischen und technischen Aus -<br />

bildung auch darum, jüdisches Leben greifbar zu<br />

machen - so stand im Herbst der Bau einer Laub -<br />

hütte auf dem Programm. Schiurim, Teilnahme an<br />

den Gottesdiensten der Berliner Synagogen,<br />

Besuche in liberalen Gemeinden außerhalb<br />

Berlins sollen ebenso lebendige Eindrücke vermitteln<br />

wie die Auseinandersetzung mit dem<br />

jüdischen Religionsunterricht an Berliner Schu -<br />

len oder die Begleitung von Kantoren der<br />

Jüdischen Gemeinde zu Berlin bei deren vielfältigen<br />

Aufgaben. Gruppenarbeit steht dabei hoch<br />

im Kurs. Dazu gehören auch Projekte wie das<br />

<strong>Chanukka</strong>-Konzert der Studierenden.<br />

Dr. Jascha Nemtsov stellt als Akademischer<br />

Direktor die Verbindung zur Universität Potsdam<br />

her. Der Pianist, der 1963 in Magadan (Russ -<br />

land) geboren wurde, absolvierte ein Klavier stu -<br />

dium am Leningrader Konservatorium (Konzert -<br />

diplom mit Auszeichnung) und lebt seit 1992 in<br />

Deutschland. Nemtsow ist auch musikwissenschaftlich<br />

tätig: Er ist seit 2002 Mitglied des<br />

Instituts für Jüdische Studien an der Universität<br />

Potsdam, promovierte 2004 über „Die Neue<br />

Jüdische Schule in der Musik“ und wurde 2007<br />

habilitiert.<br />

<strong>Kescher</strong><br />

„Jewish Life“ als Unterrichtseinheit<br />

Foto: Marko Prieske<br />

Neue Dozenten für die<br />

Kantorenausbildung<br />

Mit den Kantoren László Pásztor und Simon<br />

Zkorenblut stehen nun auch zwei weitere<br />

Berufspraktiker für die Kantorenausbildung zur<br />

Verfügung. Kantor László Pásztor wurde 1934 in<br />

Budapest geboren, wuchs in einer liberalen jüdischen<br />

Familie auf und überlebte dank der<br />

Rettungsaktion von Wallenberg die Schoa. Er studierte<br />

bei Emila Possert und steht in der Tradi -<br />

tion seines Lehrers Szigmond Tordai (vormals<br />

Berlin und Danzig) und war in Ungarn, Österreich,<br />

Schweden und den Niederlanden tätig,<br />

bevor er 1987 Kantor in der Synagoge Pestalozzi -<br />

straße in Berlin wurde, wo er mit Estrongo<br />

Nachama und Harry Foss zusammen arbeitete.<br />

Kantor Simon Zkorenblut ist in Buenos Aires,<br />

Argentinien, geboren. Er ist seit 1996 Kantor der<br />

Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Seinen Dienst als<br />

Kantor übt er überwiegend in den Synagogen<br />

Fraenkelufer und Pestalozzistrasse aus.<br />

Das Wintersemester begann bereits mit einem<br />

Höhepunkt. Kantor Prof. Dr. Eliyahu Schleifer<br />

verbrachte zwei intensive Unterrichtswochen mit<br />

den JICA-Studenten und vermittelte ihnen die<br />

Traditionen von mitteleuropäischer und osteuropäischer<br />

Chasanut, deren Besonderheiten und<br />

Wechselbeziehungen. Darüber hinaus bot er an<br />

der Universität Potsdam einen öffentlichen<br />

Workshop zum Thema „Layers of Traditional<br />

Synagogue Music: From Psalmody to Cantorial<br />

Improvisation“ an. Schleifer wurde 1939 in Jeru -<br />

salem geboren, begann seine musikalische Aus -<br />

bildung mit 5 Jahren als Meshorer im Synago gen -<br />

chor des Shirat Israel Institute, wo er später bei<br />

Kantor Shlomo Zalman Rivlin Chasanut studierte.<br />

19<br />

Kantor László<br />

Pásztor. Foto:<br />

B. Schubert,<br />

darunter:<br />

Kantor Simon<br />

Zkorenblut.<br />

Foto: privat<br />

Unten: Professor<br />

Eliyahu<br />

Schleifer mit<br />

Kantorin Mimi<br />

Sheffer und<br />

Rabbiner Daniel<br />

Katz. Foto:<br />

T. Barniske<br />

Er schloß 1964 sein Studium an der Rubin<br />

Academy of Music in Jerusalem ab und arbeitete<br />

als Forschungssassistent mit Dr. Edith Gerson-<br />

Kiwi zusammen, für die er die Musik unterschiedlicher<br />

jüdischer Gemeinschaften aufnahm und<br />

analysierte. Er setzte seine Studien an der Uni -<br />

ver sity of Chicago fort, machte 1976 seinen<br />

Doktor in Musikwissenschaft und war nach seiner<br />

Rückkehr nach Israel Dozent für Musikgeschichte<br />

und Musikwissenschaft. Eliyahu Schleifer ist<br />

Associate Professor of Sacred Music und Direktor<br />

für die Kantorenausbildung am Hebrew Union<br />

College in Jerualem und Mitglied des Jewish<br />

Music Research Centre der Hebräischen Univer -<br />

sität.


20<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Jahresrückblick<br />

Neben der Ordinationsfeier und der Verleihung<br />

des <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preises gab es im vergangenen<br />

Jahr eine Reihe von Veranstaltungen, die das<br />

reguläre Semesterangebot bereicherten. Hier<br />

einige Höhepunkte:<br />

Februar<br />

Hanna Caspi leitete einen dreiwöchigen Ulpan für<br />

Studierende des AGKs mit Ganztags unterricht in<br />

Hebräisch einschließlich Zeitungs lektüre,<br />

Landeskunde und Talmudstudien.<br />

März<br />

Medienseminar mit der Katholischen Medien -<br />

akademie Österreichs in Wien. Wir danken der<br />

KMA sehr herzlich für Ihre Unterstützung!<br />

3. - 5. April<br />

Lay Leadership Seminar mit Prof. Dr. Samuel K.<br />

Joseph (Hebrew Union College Cincin nati) in<br />

Bamberg. Wir danken der United Jewish Appeal<br />

Federation New York und der Israeli tischen<br />

Kultusgemeinde Bamberg sehr herzlich für die<br />

Unterstützung!<br />

Mai / Juni<br />

Blockseminare mit Rabbiner Prof. Dr. Leonard S.<br />

Kravitz (Hebrew Union College New York), dem<br />

Hebrew Union College Fellow <strong>2009</strong> am AGK, zu<br />

Maimonides.<br />

6. Mai<br />

Vortrag von Prof. Dr. Paul Fenton (Univer sité de<br />

Paris IV-Sorbonne) : “The Contribution to Jewish<br />

and Oriental Studies of the Discovery of the Cairo<br />

Genizah“ in Zusammenarbeit mit dem Zentrum<br />

Moderner Orient, dem Büro der Französischen<br />

Botschaft für akademische Beziehungen und dem<br />

Institut für Jüdische Studien der Universität<br />

Potsdam<br />

26. - 28. Mai<br />

Beteiligung an der internationalem Gülen-<br />

Konferenz „ Muslime zwischen Tradition und<br />

Moderne“ an der Universität Potsdam.<br />

Das Jahr <strong>2009</strong> am AGK<br />

22. Juni<br />

Vortrag von Rabbiner Dr. David Goldberg<br />

(London) über zionistische Ideologie und progressives<br />

Judentum.<br />

1. August - 15. Oktober<br />

Studienprogramm für Rabbinerstudenten des<br />

AGKs am Steinsaltz-Institut in Jerusalem.<br />

3.-7. September<br />

Homiletikseminar mit Prof. Dr. G. Schöttler in<br />

Bamberg. Wir danken der Ephraim Veitel<br />

Stiftung, der Israelitischen Kultusgemein de<br />

Bamberg und Professor Schöttler sehr herzlich<br />

für die vielfältige Unterstützung.<br />

20. Oktober<br />

Workshop mit Kantor Prof. Dr. Eliyahu Schleifer<br />

(Hebrew Union College Jerusa lem), “Layers of<br />

Traditional Synagogue Music: From Psalmody to<br />

Cantorial Improvisation”, an der Universität<br />

Potsdam.<br />

20. Oktober<br />

6. Emil Fackenheim Lecture mit Prof. Dr. Seth D.<br />

Kunin (Durham University), “The Myth of Jewish<br />

Essentialism”, an der Universität Potsdam.<br />

30. Oktober<br />

Gedenkfeier zur Yahrzeit von Rabbiner <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> auf dem Jüdischen Friedhof in der<br />

Schönhauser Allee mit Rabbiner Dr. Tovia Ben-<br />

Chorin und anschließendes Studium hebräischer<br />

Texte <strong>Geiger</strong>s.<br />

8., 15., 22. November<br />

Blockseminare mit Professor Rabbiner Walter<br />

Jacob zum Thema „Krieg und Terrorismus in der<br />

Halacha und im jüdischen Denken“<br />

4. – 6. Dezember<br />

Liturgieseminar der Union progressiver Juden in<br />

Deutschland mit Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin<br />

und Adina Ben-Chorin in den Räumen des AGKs.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Oben: Walter Jacob mit Sara Nachama im Touro<br />

College Berlin. Foto: H. Bomhoff, unten: Leonard<br />

Kravitz (Hebrew Union College New York). Foto:<br />

B. Schubert


Der jüdische Religionsphilosoph Emil Facken -<br />

heim (1916-2003) wurde im Juli 2002 im<br />

Jüdischen Museum Berlin dafür, dass er mit seinem<br />

philosophischen Lebenswerk Wege für die<br />

Möglichkeit eines religiösen Judentums nach der<br />

Schoa gewiesen hatte, mit dem <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<br />

Preis ausgezeichnet. Der Preisträger errichtete<br />

daraufhin die jährliche Emil Fackenheim Lecture<br />

am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität<br />

Potsdam. Mit der Vorlesung wird jeweils ein<br />

bedeutender Gelehrter auf dem Gebiet des<br />

Judentums geehrt, dessen Werk für die Verbin -<br />

dung von Tradition und Moderne in Forschung<br />

und religiöser Praxis steht. Seth Kunin ist<br />

Professor am Department of Theology and<br />

Religion an der University of Durham.<br />

Anzeige<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Er erhielt seinen B.A. von der Columbia<br />

University in New York, seinen M.A. vom Jewish<br />

Theological Seminary of America in New York,<br />

wurde vom Leo Baeck College in London zum<br />

Rabbiner ordiniert und promovierte an der<br />

University of Cambridge im Fach Anthropologie.<br />

Er hat eine Reihe von Büchern zur biblischen und<br />

jüdischen Kultur aus anthropologischer und<br />

strukturalistischer Per spektive veröffentlicht und<br />

über die Entwicklung von Theorien zur Religion<br />

geschrieben. Kunin befasst sich auch seit 13<br />

Jahren mit ethnographischen Forschungen unter<br />

den Krypto-Juden in New Mexic. Im Juli <strong>2009</strong> ist<br />

sein Buch Juggling Identities: Identity and<br />

Authenticity Among the Crypto-Jews erschienen.<br />

Fackenheim<br />

Lecture<br />

<strong>2009</strong><br />

21<br />

Prof. Dr. Seth D. Kunin hielt am 20. Oktober die<br />

6. Emil Fackenheim Lecture an der Universität<br />

Potsdam über „The Myth of Jewish Essentialism“.<br />

Foto: Tobias Barniske


22<br />

Das Ernst Ludwig Ehrlich<br />

Studienwerk fördert engagierte<br />

jüdische Studenten<br />

<strong>Kescher</strong><br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

„Eine Verantwortungselite für<br />

die jüdische Gemeinschaft“<br />

Hochbegabte jüdische Studierende und Dokto -<br />

randen können künftig mit einem neuen Stipen -<br />

dienprogramm gefördert werden. Das Ernst<br />

Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) wurde dafür<br />

als 12. Begabtenförderungswerk am 11. Novem -<br />

ber mit einer Festveranstaltung in der Jüdischen<br />

Oberschule in Berlin eröffnet. Das Studienwerk<br />

steht unter der Schirmherrschaft der Präsidentin<br />

des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr.<br />

Charlotte Knobloch. „In der jüdischen Tradition<br />

sind Bildung und Wissenschaft von herausragender<br />

Bedeutung für die jüdische Identität“, sagte<br />

Bundesbildungsministerin Annette Schavan.<br />

„Das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk wird in<br />

Zukunft junge Menschen unterstützen, die sich<br />

außer durch herausragende Studienleistungen<br />

durch Verantwortungsbewusstsein und persönlichen<br />

Einsatz auszeichnen.“<br />

Der Namensgeber des Studienwerks, Ernst Lud -<br />

wig Ehrlich (1921-2007) war dem <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> auf Engste verbunden und wurde<br />

2001 mit der Ehrensenatorwürde unseres Rabbi -<br />

nerseminars ausgezeichnet. Charlotte Knobloch<br />

stellte bei der Festveranstaltung zur Eröffnung<br />

von ELES mit Bezug auf Ehrlich fest, dass er für<br />

sie „das repräsentiert, was wir eigentlich hatten<br />

und was wir jetzt nur noch in Einzelpersonen zur<br />

Verfügung haben.“ Vorsitzender des Studien -<br />

werks ist Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka,<br />

Vorsitzender des Beirats Prof. Dr. Micha Brumlik.<br />

Die Förderung besonders begabter Studierender<br />

und Promovierender ist ein Schwerpunkt der<br />

Bildungs- und Forschungspolitik der Bundes -<br />

regierung. Mit der Gründung des ELES gibt es<br />

nunmehr zwölf staatlich geförderte Begabten -<br />

förderungswerke. Sie spiegeln mit ihren politischen,<br />

konfessionellen, arbeitnehmer- oder wirtschaftorientierten<br />

Ausrichtungen das gesellschaftliche<br />

Spektrum Deutschlands wider. Ihre<br />

Aufgabe besteht darin, junge Menschen zu fördern,<br />

die nicht nur über eine herausragende<br />

Befähigung verfügen, sondern auch Potenzial für<br />

einen bedeutsamen Beitrag zum Gemeinwesen<br />

erkennen lassen.<br />

Foto: Tobias Barniske


Laut Zentralrat der Juden gibt es zurzeit 8.000<br />

jüdische Studierende deutscher Staatsbürger -<br />

schaft, die an einer deutschen Hochschule eingeschrieben<br />

sind. Die Zielgruppe von ELES be -<br />

schreibt Homolka so: „Das Studienwerk wäre vor<br />

20 Jahren so nicht denkbar gewesen, weil gar<br />

nicht genügend Bewerber zur Verfügung gestanden<br />

hätten. Insofern ist die Zuwanderung eine<br />

wichtige Voraussetzung. Ich glaube, es ist ganz<br />

wichtig, dass es nun einen Baustein gibt für die<br />

zweite Generation der Zuwanderer, die hier zur<br />

Schule gegangen sind und die hier auch ihren<br />

Weg gehen möchten, in der jüdischen Gemein -<br />

schaft Verantwortung zu übernehmen. Eine<br />

Verantwortungselite zu schaffen für die jüdische<br />

Gemeinschaft in Deutschland, das ist die Aufgabe<br />

des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks.“ Ganz<br />

ähnlich formulierte es auch Schavan: „Sich seiner<br />

religiösen und kulturellen Überzeugungen zu<br />

vergewissern, hilft dabei, den Glauben und die<br />

Überzeugungen der anderen zu respektieren.<br />

Junge Menschen darin zu unterstützen, eine<br />

eigene weltanschauliche Position herauszubilden<br />

und sie zu festigen ist eine der wichtigsten Auf -<br />

gaben eines konfessionellen Begabtenförde -<br />

rungs werks.“<br />

Das Bundesministerium für Bildung und For -<br />

schung (BMBF) wird von 2010 an jährlich insgesamt<br />

rund 500.000 Euro für bis zu 70 Stipendien<br />

des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks bereitstellen.<br />

Bewerben können sich jüdische Studie -<br />

rende und Promovierende, die die deutsche<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Staatsbürgerschaft haben oder aus dem EU-Raum<br />

kommen und an einer deutschen Hochschule studieren<br />

oder forschen. Sie erhalten - ebenso wie<br />

die Stipendiatinnen und Stipendiaten der übrigen<br />

Begabtenförderungswerke - einkommensabhängig<br />

bis zu 585 Euro im Monat und können<br />

einem zusätzlichen Büchergeld gefördert werden.<br />

Die Koalitionsvereinbarung sieht eine<br />

Erhöhung des Büchergeldes von derzeit 80 auf<br />

300 Euro vor. Promovierende erhalten pro Monat<br />

1.050 Euro. Neben überdurchschnittlichen Leis -<br />

tungen zählt bei der Bewerbung auch gesellschaftliches<br />

Engagement.<br />

Es geht dem Studienwerk, jedoch nicht nur um<br />

finanzielle Unterstützung. Vielmehr sollen sich<br />

die Stipendiaten auch untereinander austauschen<br />

und vernetzen. „Das bedeutet“, erklärte<br />

Micha Brumlik, „dass es für die Stipendiaten<br />

Angebote geben wird, zum Teil verpflichtende,<br />

zum Teil freiwillige Angebote, Ferienkurse,<br />

Akademien, Seminare in denen sie sich mit allen<br />

Aspekten der jüdischen Kultur, aber tatsächlich<br />

auf einem intellektuell anspruchsvollen akademischen<br />

Niveau, auseinandersetzen können.“<br />

Für die Entscheidung über die Stipendiaten sind<br />

die Auswahlausschüsse des Beirats zuständig.<br />

Dieser Beirat setzt sich neben Repräsentanten<br />

der jüdischen Gemeinschaft aus führenden jüdischen<br />

Akademikern der unterschiedlichsten<br />

Fachrichtungen zusammen. Benno Bleiberg zu<br />

den Strukturen des Studienwerks: „Es gibt einen<br />

23<br />

Trägerverein sowie einen Beirat. Dem Beirat, in<br />

dem auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz und<br />

die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands<br />

vertreten sind, gehören jüdische Akademiker der<br />

unterschiedlichen religiösen Richtungen an, die<br />

eine Vielzahl von Fachrichtungen repräsentieren.<br />

Diese Beiratsmitglieder sind zugleich die Gut -<br />

achter, die die Empfehlungen für unsere Stipen -<br />

diaten aussprechen. Ich hoffe, dass unser Beirat<br />

auch als Forum jüdischer Akademiker auf die<br />

Gesellschaft ausstrahlt. Dass das Studienwerk so<br />

schnell Gestalt angenommen hat, ist vor allem<br />

Rabbiner Walter Homolka zu verdanken.“<br />

Man wolle eine „Lücke der Geschichte schließen<br />

und Begabungen in der jüdischen Gemeinschaft<br />

fördern“, heißt es auf der Website von ELES. Ein<br />

erster Schritt ist mit der offiziellen Eröffnung<br />

des Stipendienprogramms nun getan. Das Ernst<br />

Ludwig Ehrlich Studienwerk hat es sich zum Ziel<br />

gesetzt, seinen Stipendiatinnen und Stipendia -<br />

ten dazu zu verhelfen, auf der Grundlage ihres<br />

jüdischen Glaubens eigene Positionen zu finden<br />

und zu festigen. Weitere Informationen zum<br />

Studienwerk unter www.eles-studienwerk.de .<br />

Hartmut Bomhoff<br />

Oben links: Lala Süsskind, Mitte: Staatssekretär<br />

Thomas Rachel (BMBF), Staatssekretät Michael<br />

Mertes (NRW), Schulleiterin Barbara Witting,<br />

rechts: Bei der ersten Beiratssitzung von ELES<br />

Links: Gruppenbild mit Mitgliedern des ELES-<br />

Beirats. Fotos: Tobias Barniske


24<br />

Ernst Ludwig Ehrlich<br />

Lernen und lehren, das war für den Historiker<br />

und Religionswissenschaftler Ernst Ludwig<br />

Ehrlich (1921-2007) die Essenz des Judentums.<br />

Die Lebensgeschichte des gebürtigen Berliners<br />

umfasst die Erfahrung von Verfolgung und<br />

Wiederaufbau des europäischen Judentums im<br />

20. Jahrhundert. Ehrlich war bis 1942 einer der<br />

letzten vier Schüler Rabbiner Leo Baecks an der<br />

Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums.<br />

1943 gelang ihm die Flucht in die Schweiz, wo er<br />

während seines Studiums immer wieder auf<br />

finanzielle Hilfe angewiesen war. 1950 promovierte<br />

Ehrlich in Bern; ab 1955 nahm der nunmehr<br />

Schweizer Bürger Lehraufträge für Judais -<br />

tik an den Universitäten Bern, Frankfurt am<br />

Main, Basel und Zürich sowie an der Freien Uni -<br />

versität Berlin wahr. 1956 erschien seine<br />

„Geschichte der Juden in Deutschland“, 1958 die<br />

„Geschichte Israels. Von den Anfängen bis zur<br />

Zerstörung des Tempels“, beides wichtige Orien -<br />

tierungshilfen im Nachkriegsdeutschland. 1958<br />

wurde der 37jährige in Berlin mit dem Leo-<br />

Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in<br />

Deutsch land ausgezeichnet. 1972 wurde Ehrlich<br />

Honorarprofessor für Neuere Jüdische Geschichte<br />

an der Universität Bern.<br />

Ernst Ludwig Ehrlich engagierte sich 1961 bis<br />

1994 als Direktor des Europäischen Distriktes von<br />

B’nai B’rith und anschließend als dessen Ehren -<br />

vizepräsident stets für die jüdische Gemein -<br />

schaft. Als Prediger vertrat er in den 1980er und<br />

Foto: M. Schmidt<br />

<strong>Kescher</strong><br />

1990er Jahren in der Jüdischen Gemeinde zu<br />

Berlin ein aufgeklärtes Judentum. Daneben<br />

hat er die Positionen des Judentums dem<br />

Christentum gegenüber herauszustreichen vermocht<br />

und war eine kritische Stimme im<br />

jüdisch-christlichen Dialog, als Berater von<br />

Kardinal Bea bei der Vorbereitung der Konzils -<br />

erklärung Nostra Aetate ebenso wie als<br />

Generalsekretär der Christlich-Jüdischen<br />

Arbeitsgemeinschaft der Schweiz und im<br />

Gesprächskreis ‚Christen und Juden’ beim<br />

Zentralkomitee der deutschen Katholiken.<br />

Nach 1989 widmete sich Ehrlich insbesondere<br />

der Erneuerung jüdischen Lebens in Mittelund<br />

Osteuropa und dem Aufbau des <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s an der Universität Potsdam, mit<br />

dessen Senatorenwürde er 2001 ausgezeichnet<br />

wurde. Eines lag ihm dabei besonders am<br />

Herzen: dass „es gelingt, den Tausenden von<br />

Juden, die in den letzten Jahrzehnten nach<br />

Deutschland gekommen sind, eine geistige<br />

jüdische Identität zu vermitteln, die ihnen bisher<br />

verwehrt war.“ Die Universitäten Basel und<br />

Luzern und die Freie Universität Berlin verliehen<br />

Ehrlich die Ehrendoktorwürde. Sein<br />

Lebenswerk im Dienst der jüdischen Gemein -<br />

schaft wurde im Juli 2007 mit der Verleihung<br />

des Israel-Jacobson-Preises der Union progressiver<br />

Juden in der Neuen Synagoge zu Berlin<br />

gewürdigt. Ernst Ludwig Ehrlich verstarb am<br />

21. Oktober 2007 in Riehen bei Basel.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

B U C H H I N W E I S<br />

Von Hiob zu Horkheimer<br />

„Ich liebe nicht die Deutschen, ich liebe nicht die<br />

Schweizer … Ich liebe meine Freunde“, zitierte<br />

Ernst Ludwig Ehrlich vor über 20 Jahren Anette<br />

Kolb, um diesen Satz dann auf sich und sein Ver -<br />

hältnis zu Deutschland zu beziehen. Und: „Wenn<br />

man älter wird, kehrt man an seine geistigen Ur -<br />

sprünge zurück“. Ein großer Kreis von Freun den<br />

fühlte den enormen Verlust, als Ernst Ludwig<br />

Ehrlich, der 1921 in Berlin geboren worden war<br />

und der sich 1943 in die Schweiz retten konnte,<br />

am 21. Oktober 2007 in Riehen bei Basel verstarb.<br />

„Wir haben die Krone von unserem Haupt verloren“:<br />

So beschrieb Rabbiner Henry G. Brandt den<br />

großen Verlust; die deutsche Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel hatte in ihrem Kondolenzschrei -<br />

ben Ehrlichs Gabe betont, Brücken zwischen<br />

Religionen und Kulturen zu bauen. Was es mit<br />

diesem unbeirrten Engagement auf sich hatte,<br />

soll der vorliegende Band zeigen. Mit dieser<br />

Sammlung herausragender Aufsätze von Ernst<br />

Ludwig Ehrlich erinnern wir an einen talmid chacham,<br />

der mit seiner religiösen Libera lität die<br />

Brücke zum deutschen Judentum der Vorkriegs -<br />

zeit geschlagen hatte und dabei die Tradition in<br />

moderne Formen hineinzuholen verstand. Er hat<br />

dazu beigetragen, dass es mit dem <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität Pots dam wieder


einen Ort für Rabbinerausbildung in Deutschland<br />

gibt, und über 30 Jahre lang hat er dem jüdischchristlichen<br />

Dialog im deutschsprachigen Raum<br />

seinen eigenen theologischen Stempel aufgedrückt.<br />

Er war einer derjenigen, die Leo Baeck<br />

nicht nur kannten und bei ihm lernten, sondern<br />

das ganze Leben lang in seinem Sinne wirkten.<br />

Ende der achtziger und Anfang der neunziger<br />

Jahre wirkte Ehrlich zu den Hohen Feiertagen<br />

regelmäßig als Prediger in Berlins Synagogen<br />

und vertrat so mit seiner Persönlich keit den<br />

rationalen Geist der Aufklärung im deutschsprachigen<br />

Judentum. Ehrlich wirkte aber auch im<br />

politischen Raum, etwa als geschätzter Berater<br />

von Bundeskanzler Willy Brandt und Bundes -<br />

präsident Roman Herzog. Über Parteigrenzen<br />

hinweg förderte er Initiativen für die Erneuerung<br />

jüdischen Lebens und half, die Beziehungen zu<br />

Israel und der jüdischen Gemeinschaft in den<br />

USA zu festigen.<br />

Ehrlichs rationaler Geist wird durch diesen Band<br />

auch weiterhin Impulse vermitteln. Damit dies<br />

möglich wurde, haben sich viele engagiert. Vor<br />

allem bedanken möchten sich die Herausgeber<br />

bei Ernst Ludwig Ehrlichs Ehefrau Sylvia Ehrlich,<br />

die den Zugang zu seinem Werk ermöglicht hat.<br />

Eine Reihe großherziger Spender haben die editorische<br />

Arbeit unterstützt, um das Gedächtnis<br />

an diesen großen deutsch-jüdischen Religions -<br />

philosophen wach zu halten: Berthold Beitz und<br />

die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stif -<br />

tung, Monika Schoeller und der S. Fischer Verlag,<br />

Ernst Cramer und die Axel- Springer-Stiftung, die<br />

Hermann Maas Stiftung, Dr. Elisabeth Sprüngli-<br />

Halter sowie Staatssekretär Michael Mertes.<br />

Dafür ein ganz besonderer Dank. Auch Ehrlichs<br />

Mitherausgeber seiner bereits 1961 begonnenen<br />

Reihe „Studia Judaica“ beim Verlag Walter de<br />

Gruyter Berlin, Prof. Dr. Günter Stemberger, hat<br />

sich dafür besonders engagiert, ebenso wie der<br />

Lektor Dr. Albrecht Döhnert. Ohne die Hilfe von<br />

Hartmut Bomhoff und Johannes CS Frank wäre<br />

das nun vorliegende Ergebnis nicht denkbar.<br />

Walter Homolka und Tobias Barniske<br />

Ehrlich, Ernst Ludwig: Von Hiob zu Horkheimer.<br />

Gesammelte Schriften zum Judentum und seiner<br />

Umwelt. Hrsg. v. Homolka, Walter / Barniske,<br />

Tobias; <strong>2009</strong> | Leinen | Euro [D] 68,- / für USA,<br />

Kanada, Mexiko US$ 105,-. *<br />

ISBN 978-3-11-020257-1 | Reihe: Studia Judaica<br />

Forschungen zur Wissenschaft des Judentums 47<br />

eBook: ISBN 978-3-11-021270-9 | Unverb.<br />

Ladenpreis € 76,- [D] / *US$ 105,-<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Personalia<br />

Foto: privat<br />

Kantor Teron Shalom Cohen, der für ein Jahr als<br />

Interimskantor der Jüdischen Gemeinde zu Ber -<br />

lin an der Synagoge Oranienburger Straße tätig<br />

ist, unterstützt das <strong>Kolleg</strong>ium des Abra ham<br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> als Dozent für unsere Rab binerstu -<br />

denten. Sein Unterrichtsschwer punkt ist dabei<br />

die Liturgie für die Hohen Feiertage mit ihren<br />

bestimmten Motiven, ihrem Nussach und besonderen<br />

Melodien für Erew Rosch Haschana, den<br />

Seder HaTora, Mussaf L'Rosch Haschana, Erew<br />

Jom Kippur, Mussaf L'Jom Kippur und Neilah.<br />

Bevor er im Herbst nach Berlin kann, amtierte<br />

Cohen am Shelter Rock Jewish Center in Roslyn,<br />

New York. Von 2005 bis 2006 war er Kantor an<br />

der Gemeinde Beth Shalom in Pittsburgh, Penn -<br />

sylvania, und Nachfolger des großartigen Moshe<br />

Taube. Cohen absolvierte seinen Magis ter-<br />

Abschluss in „Sacred Music“ und erhielt sein<br />

„Diploma of Hazzan” am Jewish Theological<br />

Seminary of America in New York sowie seinen<br />

Musikhochschulabschluss mit dem Schwerpunkt<br />

vokale Darbietung an der University of Redlands,<br />

California. Folgende Auszeichnungen hat er er -<br />

halten: Richard H. Briskin Cantor-in-Residence<br />

Award, Broome and Allen Scholarship, Sephardic<br />

Scholarship, Leon Prize and Music Merit Scholar -<br />

ship.<br />

Kantor Cohen hat bereits viele Konzerte im<br />

Großraum New York gegeben und hat u. a. mit<br />

dem Chamber Vocal Ensemble der Jerusalem<br />

Academy of Music and Dance, dem Chor der<br />

Sutton Place Synagogue, dem Chor der Park<br />

Avenue Synagogue und dem Chor der Great<br />

Synagogue of Jerusalem gesungen. Derzeit studiert<br />

er Gesang bei der renommierten Berliner<br />

Sopranistin Abbie Furmansky. Er war auch langjähriger<br />

Schüler bei Kantor Noah Schall, einem<br />

international bekannten Lehrer für Chasanut.<br />

25<br />

Prof. Dr. Rüdiger Liwak ist vom <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong> zum Gastprofessor ernannt worden. Der<br />

Emeritus für Altes Testament und frühere Dekan<br />

der Theologischen Fakultät der Humboldt-Uni -<br />

versität Berlin hat für die Zeit vom 1. April <strong>2009</strong><br />

bis zum 31. März 2012 die Benno-Jacob-Professur<br />

für Hebräische Bibel inne. Benannt ist die Profes -<br />

sur nach dem Großvater von Walter Jacob, dem<br />

Präsidenten des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s.<br />

Rabbiner Benno Jacob (1862-1945) gilt als einer<br />

der bedeutendsten jüdischen Bibel kommenta -<br />

toren der Neuzeit.<br />

In diesem Winter semester bietet Professor Liwak<br />

am Potsdamer Institut für Religionswissenschaft<br />

eine Lehrver anstaltung zu „Israel in der Perser -<br />

zeit“ an. Die Perserzeit war nach dem Zusammen -<br />

bruch der vorexlischen Institutionen und nach<br />

der exilischen Zäsur eine entscheidende formative<br />

Epoche, in der das biblische Geschichtsbild ge -<br />

prägt, die Tora als Grundlage der Schrift entwickelt<br />

und damit die Religions- und Sozialstruk -<br />

turen des nachexilischen Judentums gestaltet<br />

wurden.<br />

Foto: B. Schubert


26<br />

Schalom Ben-Chorin (1973), Foto: Archiv<br />

Rechts oben: Die Familie von Schalom Ben-<br />

Chorin bei der Eröffnung seines rekonstruierten<br />

Jerusalemer Arbeitszimmers in München, Okt.<br />

<strong>2009</strong>. Foto: Stadtarchiv München<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Auf dem Weg zu<br />

<strong>Chanukka</strong><br />

Die Weihnachtsnacht des Jahres<br />

1928 bleibt mir unvergesslich,<br />

denn sie wurde zu einem Wende -<br />

punkt in meinem Leben. Der<br />

Fünfzehnjährige erfuhr schmerzlich<br />

die Weisung, die einst an seinen Stammvater<br />

<strong>Abraham</strong> ergangen war: Geh aus deinem<br />

Vaterland und von deiner Verwandtschaft und<br />

aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir<br />

zeigen will.<br />

Noch war die Stunde nicht gekommen für den<br />

Auszug aus dem Lande, wohl aber aus der Ver -<br />

wandtschaft und dem Vaterhause – und dies in<br />

wörtlichem Sinne. In meinem Elternhause<br />

pflegte man Weihnachten ähnlich zu begehen<br />

wie die Nachbarn, freilich wurde dabei der<br />

eigentliche, der religiöse Sinn dieses Festes ausgeklammert.<br />

Viele deutsche Juden hatten diese<br />

Gewohnheit angenommen, und schon im Hause<br />

von Adolf Schlüsselblum aus Landau in der<br />

Pfalz, meines Großvaters mütterlicherseits, der<br />

nun ebenso wie meine Eltern in München lebte,<br />

strahlte ein Weihnachtsbaum.<br />

Man fand verschiedene Vorwände für diese<br />

christliche Sitte im jüdischen Hause. Manche<br />

Familien behaupteten, diese schöne Sitte nur mit<br />

Rücksicht auf das christliche Dienstmädchen zu<br />

pflegen, andere wiederum, wie mein sehr deutschnationaler<br />

Onkel, der Arzt Dr. Kastan, betonten<br />

nicht zu Unrecht, dass der Christbaum mit<br />

dem Christentum ja eigentlich nichts zu tun<br />

habe, sondern ein Relikt des germanischen<br />

Julfestes darstelle und somit ein Symbol der<br />

Wintersonnenwende sei. Dabei wurde die Frage<br />

allerdings gar nicht gestellt, ob die Nachkommen<br />

der Kinder Israels unbedingt das germanische<br />

Brauchtum pflegen sollten.<br />

Bei uns, den Rosenthals, wurde das Weihnachts -<br />

fest überhaupt nicht debattiert. Man soll die<br />

Feste feiern wie sie fallen – das war die Philoso -<br />

phie des bürgerlichen Milieus, das mich umgab.<br />

Es wäre wohl für meine Schwester Jeanny und<br />

mich, ihren sechs Jahre jüngeren Bruder, auch<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

von Schalom Ben-<br />

Chorin (1913-1999)<br />

schmerzlich gewesen, wenn die festliche Nacht<br />

bei uns ohne Licht und Wärme geblieben wäre.<br />

Es kam uns nicht in den Sinn, dass es etwa um<br />

dieselbe Zeit der Wintersonnenwende ein jüdisches<br />

Lichterfest gibt, <strong>Chanukka</strong> genannt, das an<br />

den Sieg der Makkabäer über den Diadochen -<br />

könig Antiochus Epiphanes (167 v. Chr.) und an<br />

ein Ölwunder im Tempel zu Jerusalem erinnert.<br />

Das Tempelweihfest wird merkwürdigerweise<br />

nicht in der hebräischen Bibel, wohl aber im<br />

Neuen Testament, im Johannesevangelium<br />

(10,22) erwähnt. Es ist wahrlich paradox, dass im<br />

Evangelium zwar das jüdische <strong>Chanukka</strong>fest<br />

erwähnt wird, dass aber vom Datum der Geburt<br />

Christi nichts zu lesen ist.<br />

Das alles war mir in der Weihnachtsnacht des<br />

Jahres 1928 noch nicht bewusst, wohl aber spürte<br />

ich zutiefst, dass wir kein Recht hatten, ein<br />

Fest der Christenheit zu begehen und gleichzeitig<br />

an unserem Judentum festzuhalten. Es war<br />

eine schmerzliche Erkenntnis, denn ich liebte<br />

dieses Fest mit allen Sinnen. Schon etwa zwei<br />

Wochen vor Weihnachten wurde der eiskalte<br />

Salon abgesperrt, denn hier wurden die<br />

Geschenke gehortet, die uns dann am Heilig -<br />

abend auf dem mit einem Damasttuch bedeckten<br />

und mit Tannenreisern geschmückten Gabentisch<br />

erwarteten. Der Höhepunkt blieb für mich aber<br />

immer der Weihnachtsbaum selbst, den meist<br />

Mutter und Schwester prächtig schmückten. […]<br />

Der Berliner jüdische Anwalt und Humorist<br />

Sammy Gronemann, der später in Tel Aviv lebte,<br />

erzählte einmal, dass ein kleines jüdisches<br />

Mädchen aus dem Fenster guckt, den Weih -<br />

nachts baum in der Nachbarwohnung wahrnimmt<br />

und erstaunt ausruft: „Mutti, die Christen haben<br />

auch einen Weihnachtsbaum!“ Ferner wusste er<br />

zu berichten, dass sich ein jüdischer Junge zu<br />

Weihnachten einen <strong>Chanukka</strong>leuchter wünschte,<br />

der dann auch bescheiden-sinnig unter dem<br />

Lichterbaum stand. So schmerzlos synthetisch<br />

ging es bei uns nicht zu.


Die Rebellion meiner Jugend setzte genau dort<br />

ein, wo sie für mich selbst am qualvollsten war.<br />

Oscar Wilde sagt in seiner Ballade vom Zuchthaus<br />

Reading: „Denn jeder tötet, was er liebt.“<br />

Genau das musste ich nun erfahren, musste<br />

töten, was ich liebte, musste es in mir abtöten.<br />

Der Weihnachtsbaum war nur ein Symbol, er<br />

leuchtete in der Nacht unserer Verwirrung, sein<br />

Licht war mild und schon, aber – für uns – ein<br />

Irrlicht. Im Schimmer seiner Kerzen fühlten wir<br />

uns geborgen, meinten wir, zugehörig zu sein,<br />

fraglos eingetan in unsere Umwelt. Noch ahnten<br />

wir nicht die tödliche Gefahr dieser Illusion, aber<br />

der junge Mensch, der ich damals war, nach<br />

Klarheit und Wahrheit suchend, fühlte den<br />

Widerspruch, die Unlogik, die Illusion, die mit<br />

diesem Baum und diesem Fest im jüdischen<br />

Hause verbunden waren.<br />

Die Kunst des Schweigens habe ich nie gelernt.<br />

In der Jugend ist man wohl im allgemeinen noch<br />

weniger zum Schweigen geneigt. Schweigen,<br />

wenn man doch eigentlich widersprechen mochte,<br />

ist die Haltung der Resignation, die der<br />

Mensch erst durch eine unendliche Reihe von<br />

Enttäuschungen lernt. Resignation war sicher<br />

nicht mein Teil, Rebellion stand Jugend und<br />

Situation besser an. In unverblümter und sicher<br />

nicht sehr liebevoller Weise formulierte ich<br />

meine Absage an die häusliche Feier: „Ich mache<br />

diesen Klimbim nicht mehr mit!“<br />

Die Formulierung blieb mir im Gedächtnis haften,<br />

denn ich habe sie oft bereut. Der Ton macht die<br />

Musik – und dies war ein Misston. Er kontrastierte<br />

in schriller Dissonanz zu den melodischen<br />

Liedern des Abends, den vertrauten Gesängen<br />

von der stillen und heiligen Nacht, vom immer<br />

grünenden Tannenbaum und von dem Ros, das<br />

aus einer Wurzel zart entsprungen ist, „von Jesse<br />

war die Art“. […] Die Lieder waren schön, der<br />

Baum war noch schöner, die Geschenke prächtig.<br />

Und alles roch so gut nach Wachs und Lebkuchen,<br />

nach gebratenen Äpfeln und Marzipan. An den<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Spielen, die ich bekam, liebte ich am meisten die<br />

rot, gelb und blau glänzenden Schachteln, konnte<br />

mich nie entschließen, sie wegzuwerfen; eine<br />

Krankheit, an der ich bis heute leide. Und nun<br />

sollte all diese Herrlichkeit mit dem scheußlichen<br />

Wort Klimbim abgetan werden. Es schnitt<br />

mir, wie auch meiner lieben Mutter, durchs Herz,<br />

und es entflammte den Zorn meiner Schwester.<br />

Bei Konflikten dieser Art ist das peinlichste, dass<br />

alle recht haben. Das sah ich damals nicht, aber<br />

das sehe ich heute, obwohl ich noch immer<br />

meine, dass ich objektiv recht hatte, während<br />

Mutter und Schwester mehr in einem subjektiven<br />

Recht verharrten: Sie blieben beim Altgewohn -<br />

ten. […] Mir genügte das Dreitagejudentum<br />

nicht mehr. Ich wollte 365 Tage im Jahr meines<br />

Judentums bewusst sein, an das die Umwelt uns<br />

schmerzhaft genug erinnert hatte …“<br />

Aus: Schalom Ben-Chorin: Werke 1, Güters -<br />

loher Verlagshaus 2001<br />

Diejenigen, die Thora stu-<br />

dieren, spenden Licht, wo<br />

immer sie sind. Midrasch<br />

Schemot Rabba<br />

Helfen auch Sie uns mit Ihrer Spende beim<br />

Ausbau unseres Studienprogramms!<br />

Leo Baeck Foundation<br />

Stichwort: <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

Kontonr. 90 37 284<br />

Deutsche Bank Berlin<br />

BLZ 100 700 00<br />

27


28<br />

<strong>Kescher</strong><br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

„Ich kenne einen guten Hamburger Christen, der sich nie darüber<br />

zufrieden geben konnte, daß unser Herr Heiland von Geburt ein Jude<br />

war. Ein tiefer Unmut ergriff ihn jedesmal, wenn er sich eingestehen<br />

mußte, daß der Mann, der, ein Muster der Vollkommenheit, die höchste<br />

Verehrung verdiente, dennoch zur Sippschaft jener ungeschneuzten<br />

Langnasen gehörte, die er auf der Straße als Trödler<br />

herumhausieren sieht, die er so gründlich verachtet, und die<br />

ihm noch fataler sind, wenn sie gar, wie er selber, sich dem<br />

Großhandel mit Gewürzen und Farbestoffen zuwenden, und<br />

seine eigenen Interessen beeinträchtigen.“<br />

Heinrich Heine, Shakespeares Mädchen und Frauen (1838)<br />

Auf der Suche nach<br />

dem verlorenen Jesus<br />

Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer<br />

Forschung / von Walter Homolka<br />

Auf den Blick könnte man meinen, Jesus aus<br />

jüdischer Sicht sei kein Thema, das Erfolg verspricht.<br />

Der britische Rabbiner Jonathan<br />

Magonet formulierte es so: „Tatsächlich ist die<br />

Frage, wer Jesus war oder gewesen sein mag, nur<br />

für sehr wenige Juden von Interesse. Oder, um<br />

noch genauer zu sein, für die meisten Juden hat<br />

Jesus so gut wie keine Bedeutung.“ Wo Juden<br />

mit Jesus und seiner Wirkungsgeschichte in<br />

Berührung kamen, waren die Erfahrungen auch<br />

eher negativ. Jahrhunderte der Verfolgung,<br />

Unterdrückung, erzwungenen Wanderschaft und<br />

Ausgrenzung im Namen Jesu prägen sich ein in<br />

die Erinnerung eines Volkes, das es im „christlichen<br />

Abendland“ alles andere als leicht hatte.<br />

Diese Erkenntnis macht aber auch neugierig auf<br />

die Frage, ob es eine substantielle<br />

Auseinandersetzung mit Jesus als Person gegeben<br />

hat, nicht bloß mit dem Christentum als konkurrierender<br />

Religion.<br />

William Horbury, Professor of Jewish and Early<br />

Christian Studies der Universität Cambridge und<br />

Fellow des Corpus Christi College, ist Verfasser<br />

des Eintrags „Jesus Christus in der Sicht des<br />

Judentums“ in der Lexikonreihe Religion in<br />

Geschichte und Gegenwart. Er beschreibt die<br />

jüdische Position markant: „Es gibt kein einheitliches<br />

Bild von Jesus Christus; man kann das<br />

Judentum darstellen, ohne ihn überhaupt zu<br />

erwähnen. Aus der Antike sind nur wenige talmudische<br />

und andere jüdische Berichte über Jesus<br />

erhalten. Später befassen sich mittelalterliche<br />

Verfasser, oft in apologetischem Kontext, intensiver<br />

mit ihm. Schließlich haben moderne jüdische<br />

Forscher wichtige Einsichten zur Leben-<br />

Jesu-Forschung beigetragen.“<br />

Beim Stichwort „Leben-Jesu-Forschung“ macht<br />

Horbury einem Verweispfeil zu Markus Schröders<br />

Artikel zum Thema. Dort wäre mehr über diejenigen<br />

Juden zu erfahren, die sich mit Jesus<br />

beschäftigt haben. Doch die Lektüre enttäuscht.<br />

Schröder entfaltet die ganze Leben-Jesu-<br />

Forschung von Reimarus bis Harnack, von<br />

Bultmann bis Theißen. Aber keiner der jüdischen<br />

Forscher der letzten zweihundert Jahre findet<br />

namentliche Erwähnung. Kann es sein, dass die


Auseinandersetzung des modernen Judentums<br />

mit Jesus so unbedeutend gewesen ist? Oder<br />

aber wird der jüdische Beitrag zur Leben-Jesu-<br />

Forschung so gering erachtet, dass er aus christlicher<br />

Sicht keine Erwähnung verdient?<br />

Es gibt sie nämlich, diese jüdischen Denker, die<br />

sich mit Jesus beschäftigt haben: <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong>, Joseph Klausner, Leo Baeck, Claude G.<br />

Montefiore, Robert Eisler, Joel Carmichael,<br />

Martin Buber, Schalom Ben-Chorin, Hans-<br />

Joachim Schoeps, Pinchas Lapide, David Flusser,<br />

Ben Zion Bokser, Robert Raphael Geis, Samuel<br />

Sandmel, Hyam Maccoby, Hans-Joachim Schoeps,<br />

Ernst Ludwig Ehrlich, Michael Wyschogrod, Jacob<br />

Neusner. Dies sind nicht einmal alle Namen derjenigen,<br />

die man hätte aufführen können, wenn<br />

man die neuzeitliche Beschäftigung des Juden -<br />

tums mit Jesus hätte darstellen wollen.<br />

Es ist die Geschichte einer seit dem 19. Jahrhun -<br />

dert zu beobachtenden „Heimholung Jesu“ in<br />

das Judentum: als exemplarischen Juden, als<br />

mahnenden Propheten, als Revolutionär und<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Freiheitskämpfer, als Großen Bruder und messianischen<br />

Zionisten. Den Anstoß dafür gaben<br />

Julius Wellhausen und die historisch-kritische<br />

Bibelwissenschaft. Wellhausen hat den Satz formuliert,<br />

an dem Christen wie Juden sich in der<br />

Folge abgearbeitet haben: Jesus war kein Christ,<br />

sondern Jude. Für jüdische Ohren des 19. Jahr -<br />

hun derts ein ganz erstaunlicher Satz. Er traf auf<br />

eine Gemeinschaft, die im Zuge der Aufklärung<br />

nach bürgerlicher Gleichstellung strebte und sich<br />

dabei durch die Idee vom „christlichen Staat“<br />

behindert sah. So wird schnell klar, dass diese<br />

jüdische Beschäftigung mit der zentralen Figur<br />

des Neuen Testaments nicht grundsätzlicher<br />

Natur gewesen ist. Sie erfolgte aus einem apologetischen<br />

Impuls: dem Wunsch nach Teilhabe an<br />

der allgemeinen Gesellschaft ohne Aufgabe der<br />

eigenen jüdischen Identität. Wie gut also, dass<br />

selbst Jesus Jude war.<br />

War Jesus aus jüdischer Sicht<br />

Pharisäer und Schriftge -<br />

lehrter? Vielleicht. War er<br />

Der Jesus-Skandal<br />

29<br />

Ein Liebermann-Bild im Kreuzfeuer der Kritik<br />

Das Geschrei war groß: Der Sohn Gottes ein<br />

schmutziger, „naseweiser Juden-Bengel“?<br />

Unerhört! Kaum ein Liebermann-Gemälde hat<br />

solch einen deutschlandweiten Skandal hervorgerufen<br />

wie Der zwölfjährige Jesus im Tempel<br />

von 1879. Grund hierfür war die ungewohnt naturalistische<br />

Darstellung des Jesusknaben. Man<br />

war entrüstet, wie er als jüdischer Maler es überhaupt<br />

wagen konnte, das christliche Thema zu<br />

malen. Die öffentliche, von antijüdischen<br />

Ressentiments genährte Empörung war so groß,<br />

dass sich sogar der Bayerische Landtag damit<br />

beschäftigte.<br />

Die Ausstellung in der Liebermann-Villa am<br />

Wannsee präsentiert das Skandalbild jetzt erstmals<br />

zusammen mit allen erhaltenen Vorarbei -<br />

ten, Ölstudien, Skizzen und Zeichnungen. Sie<br />

gibt Aufschluss über seine Entstehung und zeigt<br />

Liebermanns Vorbilder: Werke von Adolf Menzel,<br />

Rembrandt und anderen Künstlern. Dokumente<br />

und Texttafeln veranschaulichen die historische<br />

Kontroverse. Auf außergewöhnliche Art und<br />

Weise verbindet die Ausstellung damit Kunst-,<br />

Kultur- und Zeitgeschichte. Zur Ausstellung Der<br />

Jesus-Skandal erscheint ein gleichnamiger<br />

Katalog mit Aufsätzen und Abbildungen.<br />

22. November <strong>2009</strong> bis 1. März 2010<br />

Öffnungszeiten: Täglich außer dienstags 11 -<br />

17 Uhr. An Feiertagen geöffnet; am 24. und<br />

31. Dezember geschlossen. Eintritt: € 6 / € 4<br />

erm. Colomierstr. 3, 14109 Berlin<br />

www-liebermann-villa.de<br />

Abb.: Bereits überarbeitet: Liebermanns "Der<br />

zwölfjährige Jesus im Tempel" (1879). Foto:<br />

Kunsthalle Hamburg


30<br />

bedeutend? Ohne Zweifel. War<br />

der der Messias oder gar<br />

Gottes eigener Sohn? Nach<br />

jüdischem Verständnis nein.<br />

Im Jahr 1938, auf dem Höhepunkt des National -<br />

sozialismus, veröffentlichte Leo Baeck sein Buch<br />

Das Evangelium als Urkunde der jüdischen<br />

Glaubensgeschichte, in dem er nachzuweisen versuchte,<br />

dass Jesus sein ganzes Leben lang ein<br />

strenggläubiger Jude geblieben war, dem es niemals<br />

in den Sinn gekommen wäre, eine neue<br />

Religion zu begründen, geschweige denn sich als<br />

Gott verehren zu lassen: „Einen Mann sehen wir<br />

[…] vor uns, der in allen den Linien und Zeichen<br />

seines Wesens das jüdische Gepräge aufzeigt, in<br />

ihnen so eigen und so klar das Reine und Gute<br />

des Judentums offenbart, einen Mann, der als<br />

der, welcher er war, nur aus dem Boden des<br />

Judentums hervorwachsen konnte und nur aus<br />

diesem Boden hervor seine Schüler und Anhän -<br />

ger, so wie sie waren, erwerben konnte, einen<br />

Mann, der hier allein, in diesem jüdischen<br />

Bereiche […] durch sein Leben und in seinen Tod<br />

gehen konnte – ein Jude unter Juden.“<br />

Im Vorwort machte er seine Intention deutlich:<br />

„Auch die viel umstrittene Frage, wie aus der<br />

200 Years of Progressive<br />

Judaism in Europe and<br />

100 Years in Paris<br />

To be hosted by our Paris congregations<br />

Communaute Juive Franco-Anglophone de Paris<br />

(Kehilat Gesher)<br />

Communauté Juive Libérale - Ile de France<br />

Mouvement Juif Libéral de France (MJLF)<br />

Union Libérale Israélite de France (ULIF - Rue<br />

Copernic)<br />

You are invited to join us start the celebrations<br />

marking the 200th anniversary of Liberal and<br />

Reform Judaism in Europe.<br />

Opening Ceremony to be held in the Salle des<br />

Fetes of the Hotel de Ville hosted by the Mayor<br />

of Paris.<br />

This is an exact replica of the historic room<br />

where Napoleon's Sanhedrin was convened.<br />

<strong>Kescher</strong><br />

alten Botschaft von Jesus, dem Messias, die<br />

Evangelien […] geworden sind, kann – ganz wie<br />

die Frage nach dem anfänglichen Sinn dieser<br />

Verkündung – nur von einem aus beantwortet<br />

sein: von dem Bereiche her, in dem alles dieses<br />

Geschehen hervorgewachsen ist. […] Erst wenn<br />

die Weise der mündlichen Überlieferung, wie sie<br />

im Judentum Palästinas damals lebte, in ihrem<br />

Seelischen, in ihrem dichtenden Erzählen und<br />

Vernehmen, verstanden ist, kann auch Zusam -<br />

menklang wie Zwiespalt in unseren Evangelien<br />

begriffen sein. Nicht um Quellenschriften, aus<br />

denen sie zusammengefügt seien, handelt es<br />

sich, sondern um Tradition, in der sie entstanden<br />

sind.“ – „Ein Leben Jesu kann geschrieben werden,<br />

insoweit das vermocht wird, nur wenn das<br />

erschlossen ist, was einst das Geschlecht nach<br />

Jesus erzählt und weitergetragen hat.“ – „Es ist<br />

kein Herbeigerufenes, sondern ein Erschienenes,<br />

wenn damit das Evangelium als ein Stück jüdischer<br />

Geschichte, und kein geringes, als ein<br />

Zeugnis jüdischen Glaubens hervortritt.“<br />

Aus: Walter Homolka: Jesus von Nazareth im<br />

Spiegel jüdischer Forschung im Spiegel jüdischer<br />

Forschung. Jüdische Miniaturen, Bd. 85,<br />

Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin u. Teetz<br />

<strong>2009</strong>, ISBN 978-3-941450-03-5, € 87,-<br />

Keynote lectures by Rabbi Professor Marc<br />

Saperstein, Alexandre Adler, Diana Pinto, Rabbi<br />

Stephen Berkowitz and Rabbi Pauline Bebe.<br />

Experience Shabbat with our Paris communities<br />

and enjoy a century of Progressive Judaism in<br />

France in one weekend.<br />

Join with us to look at how our movement has<br />

developed over the past 200 years, the challenges<br />

we have faced and where we go from here<br />

Registration fee £275/290€/$470 for early bird<br />

registrations. As well as the opening ceremony,<br />

this includes all meals Friday and Saturday, lunch<br />

Sunday, conference refreshments and transport<br />

from MJLF to the various events.<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

„Heinrich Heine erzählte von einem Hamburger<br />

Christen, ‚der sich nie darüber zufrieden geben<br />

konnte, dass unser Herr Heiland von Geburt ein<br />

Jude war’. [...] Nicht nur vielen Christen, auch<br />

den meisten Juden war diese Wahrheit lange<br />

fatal, wie Walter Homolka in seinem lesenswerten<br />

Büchlein über ‚Jesus von Nazareth im Spiegel<br />

jüdischer Forschung’ darstellt. […] Im Zuge der<br />

Aufklärung wurde christlicherseits versucht,<br />

unter dem Schutt des Mythos den ‚historischen<br />

Jesus’ zu finden. Und dieser historische Jesus<br />

war Rabbiner in der jüdischen, speziell der pharisäischen<br />

Tradition. Für aufgeklärte Juden schien<br />

dieser Jesus ein Ende der Diskriminierung zu verheißen.<br />

Der Rabbiner Homolka, Rektor des <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s und Autor zahlreicher Bücher, verfolgt<br />

die Geschichte dieses christlich-jüdischen<br />

Dialogs über den historischen Jesus bis zum<br />

Jesus-Buch Joseph Ratzingers, mit dem das<br />

Gespräch abrupt abgebrochen worden ist. Denn<br />

Ratzinger erklärt die Suche nach dem historischen<br />

Jesus von vornherein für sinnlos. Jesus<br />

könne man nur ‚vom Glauben her’ - und das<br />

heißt: von den Lehren der Kirche her - verstehen.<br />

Wenn der historische - also jüdische - Jesus diesen<br />

Lehren widerspricht, umso schlimmer für<br />

ihn.“ Alan Posener in „Die Welt“, 25.10.<strong>2009</strong><br />

Celebrate with us<br />

4th - 7th March 2010<br />

Paris, France<br />

Travel costs to/from Paris and hotel costs are not<br />

included. Special rates have been negotiated at<br />

Novotel and other local hotels (see registration<br />

form).<br />

Our conference is preceded by the WUPJ Executive<br />

Board and International Assembly Meetings Our<br />

Rabbis also have a special Kallah for them to spend<br />

time studying together. Netzer Europe madrichim are<br />

also coming together for a parallel conference.<br />

For a registration form or more details contact<br />

Kathryn Michael, European Region of the World<br />

Union for Progressive Judaism, 80 East End Road,<br />

London N3 2SY, +44 (0)20 8349 5651 / +44 (0)7956<br />

815764, europeanregionwupj@googlemail.com


Traueranzeige<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Nathan Kalmanowicz sel. A., 1946 in München geboren, starb am 23. Oktober <strong>2009</strong> nach schwerer Krankheit in München und wurde in Jerusalem bestattet.<br />

31<br />

Auf Initiative der Rabbinerstudenten und<br />

unter Leitung von Rabbiner Tovia Ben-<br />

Chorin fand am 30. Oktober eine Gedenk -<br />

feier zur Yahrzeit von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> statt.<br />

<strong>Geiger</strong> starb 1874 in seiner Wohnung in der<br />

Rosenthaler Straße 40 an den Folgen eines<br />

Hirnschlags, kurz vor Beginn seines sechsten<br />

Semesters an der Hochschule, für die Wis -<br />

sen schaft des Judentums, für das er bereits<br />

eine Vorlesung über „Stellung, Lehr inhalt<br />

und Aufgabe des Judentums in der Gegen -<br />

wart“ angekündigt hatte. Was das Ziel aller<br />

seiner Bemühungen war, hatte <strong>Geiger</strong> ein<br />

gutes Jahr vor seinem Tod formuliert: „Die<br />

Gleichberechtigung des Judentums mit den<br />

anderen Konfessionen.“ Die Trauerfeier fand<br />

am 26.10.1874 in der Neuen Synagoge in<br />

der Oranienburger Straße statt, in „der<br />

Haupt stätte seiner bisherigen Wirksamkeit“,<br />

wie es in der Allgemeinen Zeitung des<br />

Juden tums hieß; man beerdigte ihn er in der<br />

Ehrenreihe auf dem Jüdischen Friedhof in<br />

der Schönhauser Allee. Am 24. Mai 1875<br />

wurde dort der Grabstein mit der Inschrift<br />

„Die jüdische Gemeinde Berlin ihrem unvergessenen<br />

Lehrer und Führer <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong>“ enthüllt. Seine Grabstätte wird heute<br />

als Ehrengrab des Landes Berlin gepflegt.<br />

Foto: Tobias Barniske


32<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Lynn Magid Lazar bei ihrer ersten Rede als WRJ-Präsidentin in Toronto. Foto: WRJ<br />

Dear Friends at <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College,<br />

As the newly installed President of Women of<br />

Reform Judaism, I am thrilled to bring you<br />

Chanukah greetings at this joyous holiday season.<br />

As we light the Chanukah candles in our<br />

homes around the world, I wish you health,<br />

peace, happiness and the blessings of freedom.<br />

Women of Reform Judaism is blessed to share<br />

the joys and accomplishments of all that we<br />

do together with <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College.<br />

WRJ, since its inception in 1913, has been<br />

working to ensure a future for Reform Judaism<br />

and to make our world a better place – tikkun<br />

olam. The power of women working in our<br />

world - the power of sisterhood - is no less<br />

important today than it was in 1913. I know<br />

that the lights of the Chanukiah will remind us<br />

of our shared commitment to ensuring a<br />

vibrant future for progressive Judaism. We<br />

look forward to enriching our partnership as<br />

we join together – stronger together.<br />

Lynn Magid Lazar<br />

Women of Reform Judaism President<br />

Anfang November fand in Toronto parallel zum<br />

Biennial der Union of Reform Judaism auch die<br />

47. Versammlung der Women of Reform Judaism<br />

statt. Die Women of Reform Judaism sind die<br />

Frauenvereinigung der Union for Reform Juda -<br />

ism, des Dachverbandes der jüdischen Reform -<br />

bewegung in Nordamerika. 1913 als „The Natio -<br />

nal Federation of Temple Sisterhoods“ (NFTS)<br />

gegründet, vertreten die WRJ heute mehr als<br />

65.000 Frauen in 500 Gruppen in Nordamerika<br />

und weltweit. Ein Höhepunkt dieser Tagung unter<br />

dem Motto „Sustaining Our World“ war die Ver -<br />

abschiedung der bisherigen Präsidentin Rosanne<br />

M. Selfon und die Amtseinführung ihrer Nach -<br />

folgerin Lynn Magid Lazar. Bei einem Luncheon<br />

zu Gunsten des YES Fund der WRJ sprach auch<br />

Rabbiner Walter Homolka, der den Sisterhoods<br />

für ihre Förderung der Rabbinerausbildung auch<br />

in Deutschland dankte.<br />

Die WRJ verstehen es als ihren Auftrag, die<br />

Zukunft des Reformjudentums zu sichern, und<br />

engagieren sich für die Erziehung und Ausbil -<br />

dung künftiger Führungskräfte für die Sister -<br />

hoods und Synagogengemeinden. Die Schwer -<br />

punkte liegen dabei bei der Mitgliederwerbung,<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

„Sustaining Our World“<br />

Frauenpower im Dienste<br />

der Reform<br />

Fundraising, Führungskräftetraining, Einsatz für<br />

soziale Gerechtigkeit sowie bei der Entwicklung<br />

innovativer und spirituellen Programmangebote.<br />

Mit ihrem YES Fund (Youth, Education, and<br />

Special Projects) leisten die WJR auch finanzielle<br />

Unterstützung für Rabbinerstudenten, für die<br />

Jugendarbeit der Reformbewegung sowie für<br />

Programme, die Frauen und Kindern in Israel und<br />

den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion<br />

zu Gute kommen.<br />

1935 gelang es den Sisterhoods, fünf deutsche<br />

Rabbinerstudenten in die USA zu holen und so<br />

vor der Verfolgung zu retten. Heute engagieren<br />

sie sich für die Rabbinerausbildung am <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, indem sie Stipendien gewährenn.<br />

Die WJR haben auch die Mittel für den Aufbau<br />

einer Music Library für unser Jewish Insitute of<br />

Cantorial Arts bereit gestellt. Vor zwei Jahren<br />

erhielt unser <strong>Kolleg</strong> zudem durch die Vermittlung<br />

der WRJ auch eine Torarolle, ein Geschenk von<br />

Rosanne Selfons Gemeinde Shaarai Shomayim in<br />

Lancaster, Pennsylvania. 2008 waren Lynn Magid<br />

Lazar und die WRJ-Executive Director Shelley<br />

Lindauer bei uns im Berlin zu Gast.


A Berlin Rabbinical<br />

Student in Jerusalem<br />

Paul M. Strasko, Rabbinical Student, <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

After preparing for the move to rabbinical school<br />

at <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> in Potsdam, Germany, I got the<br />

news in April of 2008 that <strong>Geiger</strong> had signed an<br />

agreement with Hebrew Union Collge - Jewish<br />

Institute of Religion. Would I be interested in<br />

going to Jerusalem instead?<br />

As an American, my first days at HUC-JIR/ Jeru -<br />

salem in July 2008 were continuously punc -<br />

tuated by double-takes when introduced as an<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> student. Despite my<br />

Montana birth and American passport, I nonetheless<br />

saw myself and was seen as a European<br />

student. Most poignantly, while visiting Yad<br />

Vashem as part of the weekly “Israel Seminar,” a<br />

fellow student asked me as we watched a film of<br />

the Nuremberg Nazi rally grounds, “How many<br />

people were there? What were they thinking?”<br />

How did I suddenly become the expert on<br />

<strong>Kescher</strong><br />

German Volk-Psychology? I answered as best as I<br />

could and accepted my surprise role.<br />

The four international students at HUC-JIR that<br />

year, two from Leo Baeck College in London, two<br />

from <strong>Geiger</strong>, spent the year soaking in as much as<br />

possible from the experience while trying to<br />

interject as much of the Old World as possible.<br />

We led a special “German” service for the Reform<br />

Liturgy Workshop with liberal doses of Lewan -<br />

dowski, Sulzer, and readings in the vernacular of<br />

“our” tradition. It was important to us to use the<br />

German language in worship – to reclaim the<br />

language of Buber and Heine from the National<br />

Socialists.<br />

Paul Strasko mit Prinzessin Irina zu Sayn-<br />

Wittgenstein am 18. Juni in Berlin. Foto: privat<br />

Choosing rabbinical school in Germany is a guaranteed<br />

lightening rod across the Jewish world.<br />

Reactions to my story have run the continuum<br />

from looks of confusion to outright hostility and<br />

anger. My answer: “We are going to serve the<br />

German community so that you do not have to.”<br />

When I started looking at rabbinical schools in<br />

2004, I discovered that a new progressive rabbinical<br />

seminary, the first since he Shoah, had opened<br />

in Germany in 1999. I felt drawn to the poignant<br />

act of tikkun olam that the Jewish Wieder -<br />

aufbau (rebuilding) in Germany represented. In<br />

reality, Progressive leadership in America and in<br />

Central Europe demands two different perspectives.<br />

The mere comparison of the nearly thousand<br />

Reform shuls in the States and the slightly more<br />

than 20 liberal communities in Germany makes<br />

the necessity of a different approach obvious. In<br />

Walter Homolka beim YES Fund Luncheon mit<br />

Shelley Lindauer (Mitte) und Rosanne Selfon<br />

(unten) Fotos: WRJ<br />

33<br />

Germany we are project managers as much as spiritual<br />

leaders, attempting to help realize a complete<br />

rebuilding.When we speak of minhag we<br />

count our tradition in years instead of decades or<br />

generations.<br />

“You are truly moving to Germany forever?”<br />

asked a friend a few hours after our last finals<br />

marked the conclusion of the Year-In-Israel. I<br />

reiterated the open invitation to host my colleagues<br />

should they ever visit Berlin. “I never wanted<br />

to visit Germany before,” commented another,<br />

“but now I think I want to –need to.”With<br />

that, the year was proved a success, a little bit of<br />

the universe was repaired, and we all went to our<br />

separate campuses.<br />

Germany Close Up<br />

Joshua Leighton, Rabbinical Student, HUC-JIR /<br />

Cincinnati<br />

… Two of the most powerful experiences of the<br />

trip, however, came while we were interacting<br />

with the <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, the progressive<br />

rabbinical (and now cantorial)school affiliated<br />

with the University of Potsdam. While the college<br />

‚campus’ only spans one office suite in a city<br />

building, the enthusiasm of the staff as they described<br />

their program made me very proud.<br />

What made me even more proud was what immediately<br />

followed that meeting.We met with the<br />

<strong>Geiger</strong> students for Shabbat services and a potluck<br />

dinner at the Jewish Museum of Berlin.<br />

While the museum and sharing Shabbat with our<br />

<strong>Geiger</strong> peers were powerful experiences, what<br />

made the night even more extraordinary was<br />

what happened when the museum closed and we<br />

had to leave. We hadn’t yet recited the Birkat<br />

HaMazon or sung Shabbat zemirot. So what did<br />

we do? We sat outside on the steps of the muse -<br />

um, in the streets of Berlin, and together – HUC-<br />

JIR students, <strong>Geiger</strong> students, and one of the<br />

<strong>Geiger</strong> faculty rabbis – we sang our hearts out,<br />

drawing the curiosity of passersby. We sang and<br />

we prayed. We ended the evening by singing<br />

Hatikvah.<br />

Aus: „The Chronicle”, Hebrew Union College -<br />

Jewish Institute of Religion, Issue 72 / <strong>2009</strong>


34<br />

Am 17. Juli 2010, dem 200. Jahrestag der Eröff -<br />

nung der weltweit ersten Reformsynagoge in<br />

Seesen, wird Ruth Cohen (Herzliya, Israel) in<br />

Berlin mit dem Israel Jacobson Preis der Union<br />

progressiver Juden in Deutschland ausgezeichnet.<br />

Der undotierte Preis wird von der Union progressiver<br />

Juden in Deutschland alle zwei Jahre<br />

verliehen, um Meilensteine des liberalen Juden -<br />

tums zu würdigen. Benannt ist er nach Israel<br />

Jacobson (1768-1828), dem Wegbereiter der jüdischen<br />

Reformbewegung in Deutschland. Ruth<br />

Cohen hat sich als Präsidentin der World Union<br />

for Progressive Judaism gegenüber der Bundes -<br />

regierung und dem Zentralrat der Juden in<br />

Deutschland über Jahre hinweg für die Anerken -<br />

nung und Gleichbehandlung des liberalen Juden -<br />

tums in Deutschland eingesetzt.<br />

Ruth Cohen wuchs in einer orthodox ausgerichteten<br />

Familie in London auf, die einer Gemeinde<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Ruth Cohen mit dem damaligen israelischen Botschafter Dr. Avi Primor 1997 in München. Foto: Peter Kneffel<br />

7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />

Israel Jacobson Preis<br />

2010 für Ruth Cohen Die Union progressiver Juden<br />

in Deutschland zeichnet frühere<br />

der Federation of Synagogues angehörte, die sie<br />

selbst als „right of centre“ bezeichnet und um<br />

die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert besonderes<br />

für osteuropäische Zuwanderer attraktiv<br />

war, die sich mit der durch und durch anglisierten<br />

United Synagogue schwer taten. „Meine<br />

Großeltern waren schon zu Beginn des 20. Jahr -<br />

hunderts begeisterte Zionisten, und mein Groß -<br />

vater besuchte in den 1930-er Jahren wiederholt<br />

Palästina und schuf so für die ganze Familie<br />

unsere lebenslange Verbundenheit mit Israel“,<br />

erinnert sich Cohen. Während des Zweiten Welt -<br />

kriegs war sie für Jahre von ihrer Familie und<br />

vom jüdischen Gemeindeleben getrennt - eine<br />

Erfahrung, die sie nachempfinden lässt, was es<br />

bedeutet, in Mitteleuropa ganz wieder ganz von<br />

vorne mit jüdischer Erziehung und Identitäts -<br />

findung beginnen zu müssen. Nach ihrer Heirat<br />

mit Harvey Cohen und der Geburt ihrer beiden<br />

WUPJ-Präsidentin aus<br />

Söhne schloss sich die Familie in den frühen<br />

1960-er Jahren einer Reformgemeinde an. Ruth<br />

engagierte sich zunächst in der Women’s Guild,<br />

stieg allmählich in die Gemeindeleitung auf und<br />

wurde erst Vorsitzende ihrer Synagogen gemei -<br />

nde, dann der Reform Synagogues of Great<br />

Britain (heute Movement for Reform Judaism).<br />

In dieser Funktion bekam sie mehr und mehr mit<br />

der World Union for Progressive Judaism zu tun<br />

und wurde schließlich für vier Jahre deren<br />

Präsidentin. 1999 machten Ruth und Harvey<br />

Alijah. Ihr Sohn Jonathan lebt mit seiner Familie<br />

ebenfalls in Israel, Sohn David in NewYork. Ruth<br />

Cohen ist derzeit Präsidentin der European<br />

Region der World Union for Progressive Judaism.<br />

Frühere Preisträger waren Walter Homolka, Uri<br />

Regev, Walter Jacob, Henry G. Brandt, Ernst<br />

Ludwig Ehrlich* und William Wolff.

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