Kescher Edition Chanukka 2009 - Abraham Geiger Kolleg
Kescher Edition Chanukka 2009 - Abraham Geiger Kolleg
Kescher Edition Chanukka 2009 - Abraham Geiger Kolleg
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<strong>Kescher</strong><br />
<strong>Kescher</strong><br />
7. Jahrgang, Nr. 1 | <strong>Chanukka</strong> <strong>2009</strong> | Kislew 5770<br />
Dieses Jahr konnten wir bereits zum zweiten Mal<br />
zu einer Rabbinerordination einladen. Dass dies<br />
in Deutschland noch immer ein ganz besonderer<br />
Anlass ist, zeigte die große Zahl von Ehrengästen<br />
und Gemeindemitgliedern, Freunden und Ver -<br />
wan dten, die am 18. Juni in die Synagoge Ryke -<br />
straße gekommen waren, um die Smicha von<br />
Gábor Lengyel, Richard Newman und Roly Zylber -<br />
sztein zu feiern. Eine wirkliche Premiere war der<br />
Studienabschluss von Juval Porat, des ersten<br />
jüdischen Kantors, der nach der Schoa in<br />
Deutsch land ausgebildet worden ist. Ein weiterer<br />
Höhepunkt war die Vergabe des <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<br />
Preises an Hans Küng, die am selben Tag in der<br />
Bayerischen Vertretung in Berlin stattfand. Die<br />
Laudatio von Bundestagspräsident Lammert auf<br />
Küng, dem vor genau 30 Jahren seine Lehrbefug -<br />
nis entzogen wurde, war eine Sternstunde. Küngs<br />
Beharrlichkeit ist uns Ermutigung, Inspiration<br />
und Ansporn zugleich. Das Jahr 2010 bringt uns<br />
nun gleich zwei Jubiläen. Am 24. Mai feiern wir<br />
den 200. Geburtstag von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>; am<br />
17. Juli jährt sich die Eröffnung des Seesener<br />
Tempels durch Israel Jacobson zum 200. Mal.<br />
Der erste<br />
Kantor aus<br />
Deutschland<br />
1
Präsident<br />
Rabbiner Prof. Dr. Walter Jacob<br />
Direktorium<br />
Rabbiner Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Homolka, Rektor<br />
Prof. Dr. Admiel Kosman, Akad. Studienleiter<br />
Rabbiner Drs Edward van Voolen,<br />
Studienleiter für die praktischen Ausbildung<br />
Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin,<br />
Studienleiter für das Israel-Programm<br />
Senat<br />
Rabbiner Dr. W. Gunther Plaut, Toronto<br />
Prof. Dr. Paul Mendes-Flohr, Jerusalem<br />
Prof. Dr. Ernst Ludwig Ehrlich*<br />
Rabbiner Dr. John D. Rayner CBE*<br />
Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, Potsdam<br />
Rabbiner Dr. Andrew Goldstein, London<br />
Kuratorium<br />
Dr. Josef Joffe, Vorsitzender, Hamburg<br />
Adina Ben-Chorin, Zürich<br />
Leslie F. Bergman, London<br />
Rabbiner Dr. Albert H. Friedlander OBE*<br />
Rabbiner Dr. David J. Goldberg OBE<br />
Rabbiner Prof. Dr. Arthur Hertzberg*<br />
Lord Joffe CBE, Swindon<br />
Rabbiner Dr. Peter S. Knobel, Chicago<br />
György Konrád, Budapest<br />
Stuart Matlins, Woodstock<br />
Felix Mosbacher, Paris<br />
Baroness Neuberger DBE, London<br />
Wolfgang M. Nossen, Erfurt<br />
Prof. Dr. Elizabeth Petuchowski, Cincinnati<br />
Harold Sandak-Lewin, Cape Town<br />
Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Potsdam<br />
Max Warburg, Hamburg<br />
Rabbiner Dr. Mark L. Winer DD, London<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Durch<br />
Erforschung des<br />
Einzelnen zur<br />
Erkenntnis des<br />
Allgemeinen,<br />
durch Kenntnis<br />
der Vergangen -<br />
heit zum<br />
Verständ nis der<br />
Gegenwart,<br />
durch Wissen<br />
zum Glauben.<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
(1810 – 1874)<br />
I M P R E S S U M<br />
<strong>Kescher</strong>: Informationen über liberales Judentum<br />
im deutschsprachigen Raum<br />
Newsletter des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />
<strong>Kescher</strong>: hebräisch: Verbindung, Kontakt<br />
Titelbild: Festgottesdienst am 18. Juni <strong>2009</strong> in<br />
der Synagoge Rykestraße, Berlin. Fotos: Beatrice<br />
Schubert (www.beatrice-schubert.de). Wir danken<br />
für die freundliche Überlassung der Fotos.<br />
Herausgeber<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> gGmbH<br />
Postfach 120852, 10598 Berlin<br />
Tel: (030) 31805910, Fax: (030) 318059110<br />
bomhoff@geiger-edu.de<br />
www.abraham-geiger-kolleg.de<br />
Redaktion / V.i.S.P.<br />
Hartmut Bomhoff<br />
Gestaltung: Thomas Regensburger<br />
Druck: Oktoberdruck AG,<br />
Rudolfstraße 1-8, 10245 Berlin<br />
Auflage: 1.000 Exemplare<br />
ISSN-Nr.: 1861-4469<br />
Inhalt<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Rabbinerordination <strong>2009</strong> 4<br />
<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis für Hans Küng 7<br />
Jewish Institute of Cantorial Arts 15<br />
Jahresrückblick 20<br />
Fackenheim Lecture <strong>2009</strong> 21<br />
Jüdische Begabtenförderung 22<br />
Personalia 25<br />
<strong>Chanukka</strong> 26<br />
Jesus aus jüdischer Sicht 28<br />
Women of Reform Judaism 32<br />
Hebrew Union College Chronical 33<br />
Israel Jacobson Preis 2010 34
Liebe Freunde,<br />
1810 wurde durch Israel Jacobson in Seesen der<br />
erste Reformtempel eingeweiht. Der 200. Wie -<br />
der kehr dieses Ereignisses wird kommendes Jahr<br />
durch eine Vielzahl von Aktivitäten gedacht. Am<br />
Anfang jedoch standen ein Mann und ein Buch.<br />
1804 setzte sich der I. Konsul der Republik<br />
Frankreich, Napoleon Bonaparte, die Kaiserkrone<br />
aufs Haupt. Im gleichen Jahr war der Code Civil<br />
in Kraft getreten. Als Code Napoleon wurde er<br />
das erste Gesetzbuch Europas, das keine eigene<br />
Judengesetzgebung mehr aufwies. Alle Bürger<br />
waren vereint unter dem gleichen Gesetz. Dies<br />
hatte Auswirkungen im gesamten Rheinbund und<br />
so auch im Königreich Westphalen. Dort war<br />
Napoleons Bruder Jerome König geworden - von<br />
1807 bis 1813. Mit dem Königreich Westphalen<br />
sollte ein Modellstaat geschaffen werden, der die<br />
französischen Errungenschaften der (Nach)Revo -<br />
lu tionszeit - Freiheit, Gleichheit und Brüder -<br />
lichkeit - auf deutschen Boden führte. Es war<br />
Israel Jacobson (1768 – 1828), der die Chance<br />
erkannte, dass dies auch die Grundlage für ein<br />
Zusammenleben von Juden und Christen mit<br />
gleichen Bürgerrechten bedeuten konnte.<br />
Editorial<br />
In seinem politischen und religiösen Denken war<br />
Jacobson durch die Ideale der Aufklärung<br />
geprägt, worin ihn schon früh die Lektüre der<br />
Werke Gotthold Ephraim Lessings und Moses<br />
Mendelssohns bestärkt hatte. Mit Napoleon kam<br />
der Umbruch. 1807, als Finanzrat in der neuen<br />
Hauptstadt Kassel wurde Israel Jacobson zum<br />
Präsidenten des »Konsistoriums der Israeliten«<br />
im Königreich Westphalen ernannt. In dieser<br />
Funktion wandte er sich der Reform jüdischer<br />
Bildung und jüdischen Gottesdienstes zu. Die<br />
beleidigenden Äußerungen Goethes, der<br />
Jacobson als „braunschweigischen Judenhei -<br />
land“ bezeichnete, beirrten ihn nicht. Er konnte<br />
den König für ein weitgehendes Emanzipations -<br />
dekret gewinnen (Dekret vom 27. Januar 1808),<br />
mit dem den Juden die Rechte christlicher Bürger<br />
verliehen wurden. An der Formulierung und<br />
Durchsetzung des preußischen Emanzipations -<br />
gesetzes von 1812 war Jacobson als Ratgeber des<br />
Staatskanzlers Karl August von Hardenberg<br />
ebenfalls beteiligt. Das weithin sichtbarste<br />
Zeichen des Umschwungs war aber der Seesener<br />
Tempel von 1810.<br />
Nach der Niederlage Napoleons und dem Unter -<br />
gang Westphalens 1813 siedelte Jacobson 1815<br />
nach Berlin über. Auch hier hielt er daran fest,<br />
Gottesdienste in moderner Gestalt abzuhalten,<br />
wobei er nicht selten selbst als Prediger in<br />
Erscheinung trat. Wegen der geringer werdenden<br />
Hebräischkenntnisse wurde Deutsch als Gottes -<br />
dienstsprache verwendet. Der Zulauf, der sich<br />
sehr bald aus der Berliner Judenschaft einstellte<br />
– gut ein Drittel der Gemeinde besuchte zu den<br />
Hohen Feiertagen den Privatgottesdienst! –<br />
machten die Einrichtung einer Reformsynagoge<br />
im Hause des Vaters von Giacomo Meyerbeer<br />
erforderlich.<br />
Nachdem auch in Hamburg und Leipzig ähnliche<br />
Tempel gegründet worden waren, nahm die<br />
Reformbewegung in ganz Deutschland ihren Lauf.<br />
Besonders von dem Neuen Israelitischen Tempel,<br />
der 1818 in Hamburg errichtet wurde, gingen<br />
starke Reformimpulse aus. Der sogenannte<br />
„Jacobson'sche Tempel“ in Berlin musste aller -<br />
dings 1823 auf Drängen der Orthodoxie<br />
schließen: Friedrich Wilhelms III. ordnete an,<br />
dass „der Gottesdienst der Juden nur in der<br />
hiesigen Synagoge und nur nach dem hergebrachten<br />
Ritus ohne die geringste Neuerung in<br />
der Sprache und in der Ceremonie, Gebeten und<br />
Gesängen, ganz nach dem alten Herkommen<br />
gehalten werden solle.“ Der politischen<br />
Restauration erschien offensichtlich jede Art von<br />
Wandel verdächtig. Auch an der der Gründung<br />
des „Vereins für Cultur und Wissenschaft der<br />
Juden“ war Jacobson beteiligt. Die Wissenschaft<br />
des Judentums sollte zum Träger unseres geistigen<br />
Aufbruchs werden und steht am Anfang der<br />
Hochschule für die Wissenschaft des Judentums<br />
in Berlin wie auch des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s in<br />
Potsdam. Jacobson ging es um eine Reform der<br />
jüdischen Religion. Die fortschreitende<br />
Aufklärung sollte Juden den Weg zu geistiger<br />
Reife Bildung ebnen und sie zu echter<br />
Religiosität führen. <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> hätte<br />
gesagt: Durch Wissen zum Glauben.<br />
Mit herzlichen Grüssen<br />
Ihr<br />
Rabbiner Walter Homolka<br />
3
4<br />
<strong>Kescher</strong><br />
„Ein glücklicher Tag<br />
für die jüdische<br />
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu<br />
Berlin, Lala Süsskind, und Rabbiner Professor<br />
Walter Homolka kamen aus dem Händeschütteln<br />
kaum heraus, als sie in der Vorhalle der Synagoge<br />
die zahlreichen Gäste begrüßten, die am 18. Juni<br />
an der Rabbinerordination des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong>s teilnahmen. „Juden aus aller Welt haben<br />
sich versammelt, um nach über 60 Jahren wieder<br />
Rabbiner in Deutschland zu ordinieren“, sagte<br />
der Rektor unseres <strong>Kolleg</strong>s zu Beginn des Fest -<br />
gottesdienstes. Neben der Ordination von Gábor<br />
Lengyel, Roly Zylbersztein und Richard Newman<br />
wurde auch der Studienabschluss von Juval Porat<br />
gefeiert, des ersten jüdischen Kantors, der nach<br />
dem Holocaust in Deutschland ausgebildet worden<br />
ist. Die drei Rabbiner betreuen nun Synago -<br />
gengemeinden in Hannover, Barcelona und Kap -<br />
stadt, während Kantor Porat nach Los Angeles<br />
gewechselt ist.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Gemeinschaft“ Ordinationsgottesdienst<br />
in der Synagoge<br />
Rykestraße in Berlin<br />
„Das Rabbinerkolleg ist<br />
Ausdruck nicht nur der<br />
Präsenz, sondern der<br />
Zukunftsorientierung<br />
jüdischer Gemeinden in<br />
Deutschland und der<br />
Notwendigkeit, Ausbil -<br />
dung zu organisieren,<br />
auch und gerade in<br />
Deutschland und über<br />
Deutschland hinaus.“<br />
Prof. Dr. Norbert Lammert,<br />
Präsident des Deutschen<br />
Bundestags<br />
Am musikalisch durchgestalteten Gottesdienst<br />
nahmen über 600 Gäste teil, darunter gut 50<br />
Rabbiner und Rabbinerinnen. Unter den Ehren -<br />
gästen waren auch die Präsidentin des Zentral -<br />
rats der Juden in Deutschland, Charlotte Knob -<br />
loch, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau<br />
und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse,<br />
die damalige brandenburgische Wissenschafts -<br />
ministerin Professorin Johanna Wanka, Georg<br />
Kardinal Sterzinsky, Bischöfin Maria Jepsen und<br />
Bischof Joachim Vobbe. Das Hebrew Union<br />
College wurde durch Rabbinerin Naamah Kelman,<br />
der Dekanin des Jerusalemer Campus, sowie<br />
durch Professor Leonard Kravitz aus New York<br />
vertreten, während Rabbiner Michael Shire das<br />
Londoner Leo Baeck College repräsentierte. Mit<br />
Michael Grabiner, Ruth Cohen und Leslie Berg -<br />
man waren auch führende Repräsentanten der<br />
World Union for Progressive Judaism (WUPJ)
anwesend. Die Präsidentin der Central Confe -<br />
rence of American Rabbis, Rabbinerin Ellen<br />
Weinberg Dreyfus, war eigens nach Berlin gekommen,<br />
um die drei neuen Rabbiner als <strong>Kolleg</strong>en im<br />
weltweit größten Rabbinerverband willkommen<br />
zu heißen.<br />
Kantorin Mimi Sheffer und der Chor des Jewish<br />
Institute for Cantorial Arts, bestehend aus<br />
Rabbiner- und Kantorenstudenten, begleiteten<br />
den Gottesdienst, unterstützt von der Harfenis -<br />
tin Florence Sitruk, dem Organisten Mirlan<br />
Kasymaliev und einem vierköpfigen Bläser -<br />
ensemble. Der Toraabschnitt, der gelesen wurde,<br />
war 4. Mose 14, 11-25. Die eigentliche Ordination<br />
der Absolventen erfolgte durch den Präsidenten<br />
des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, Rabbiner Professor<br />
Walter Jacob. In seiner Ansprache äußerte Jacob<br />
die Hoffnung, das der deutsche Rabbinernach -<br />
<strong>Kescher</strong><br />
wuchs in Europa eine dritte Säule des Judentums<br />
neben Israel und den USA entstehen zu lassen.<br />
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonfe -<br />
renz Deutschland, Rabbiner Henry G. Brandt,<br />
ergänzte diesen Wunsch mit den folgenden<br />
Worten: „Mögen sie erst die Vorhut einer wachsenden<br />
Zahl junger Juden und Jüdinnen sein, die<br />
ausgerüstet mit Liebe und Kenntnis unserer Tora,<br />
aber auch integriert in der sozialen und kulturellen<br />
Umweltunserer Gemeinden, dieses verantwortungsvolle<br />
und schöne Amt anstreben und so<br />
unsere Zukunft sichern.“<br />
Glückwünsche zum 10-jährigen Bestehen<br />
Bei der Festveranstaltung wurde auch das zehnjährige<br />
Bestehen des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />
feierlich begangen, das 1999 an der Universität<br />
Potsdam gegründet worden war. In seiner An -<br />
Links: Die Rabbiner Gábor Lengyel, Richard<br />
Newman, Roly Zylbersztein mit ihren Diploma,<br />
Mitte: Rabbinerin Ederberg, rechts: Rabbiner<br />
Michael Leipziger, Kantor Olejan Ingster<br />
Fotos: Beatrice Schubert<br />
5
6<br />
sprache sagte Michael Grabiner im Namen der<br />
WUPJ: “Over the past decade the Jewish population<br />
of Germany has grown faster than in any<br />
other European country. There are now close to<br />
200.000 Jews living in Gemany - mostly from the<br />
Former Soviet Union. The <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College<br />
has worked closely with the World Union, and our<br />
FSU operation, to coordinate rabbinic studies for<br />
students from the FSU ... The fact that <strong>Geiger</strong><br />
College does not charge any tuition fees for its<br />
rabbinic students is a major advantage and has<br />
assisted us in the training of a new generation of<br />
rabbis for service to the Jewish community in<br />
Germany and in the FSU... It is responding to the<br />
shortage of rabbis worldwide in our movement<br />
and is helping to train a new generation of rabbis<br />
who will serve a variety of Jewish communities...<br />
While we are celebrating today the 10th anniversary<br />
of the <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College, this coming<br />
May 24, 2010 will mark the 200th birthday of<br />
Rabbi <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>. We are reclaiming our<br />
Jewish roots, not only in post war Europe but in<br />
the very country which gave birth to the dynamism<br />
of Progressive Judaism.”<br />
„Ein Wunder, gemeinsam vollbracht“<br />
Stephan J. Kramer überbrachte als Generalsekre -<br />
tär die Glückwünsche des schwer erkrankten<br />
Kultusdezernenten und Präsidiumsmitglieds<br />
Kantor Juval Porat. Foto: Beatrice Schubert<br />
<strong>Kescher</strong><br />
des Zentralrats der Juden in Deutschland, des<br />
inzwischen verstorbenen Nathan Kalmanowicz<br />
s.A.: „Drei neue Rabbiner werden ordiniert und<br />
erstmals ein in Deutschland ausgebildeter jüdischer<br />
Kantor in sein Amt eingeführt. Das ist ein<br />
glücklicher Tag, für die jüdische Gemeinschaft in<br />
Deutschland und darüber hinaus. Denn die<br />
Absol venten des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s und des<br />
Jewish Institute of Cantorial Arts an der Univer -<br />
sität Potsdam werden Gemeinden in Hannover,<br />
Los Angeles, Barcelona und Kapstadt dienen. Wer<br />
hätte jemals gedacht, dass aus Deutschland einmal<br />
wieder Rabbiner und Kantoren in alle Welt<br />
gehen, um das hier Gelernte der jüdischen<br />
Weltgemeinschaft zukommen zu lassen? Dies ist<br />
nur möglich, weil die Bundesrepublik Deutsch -<br />
land, das Land Brandenburg und die ganze<br />
Kultusministerkonferenz zusammen mit dem<br />
Zentralrat der Juden Träger des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong>s an der Universität Potsdam sind. Ich<br />
möchte allen heute Morgen dafür danken, dieses<br />
Wunder gemeinsam vollbracht zu haben. Den<br />
neuen Rabbinern und dem ersten in Deutschland<br />
ausgebildeten Kantor wünsche ich schon jetzt für<br />
Ihr Amt von Herzen viel Erfolg und alles Gute.“<br />
Hartmut Bomhoff<br />
Für das Jahr 2010 ist wieder eine Ordination von<br />
Rabbinern und Rabbinerinnen durch das Abra -<br />
ham <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> vorgesehen.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
30 Jahre ohne<br />
Lehrbefugnis<br />
„Seine Beharrlichkeit ist uns Ermutigung,<br />
Inspiration und Ansporn zugleich.“<br />
Zum 30. Mal jährt sich am 18. Dezember <strong>2009</strong> der<br />
Tag, an dem Prof. Dr. Hans Küng unter Papst<br />
Johannes Paul II. aufgrund seiner Vorschläge zur<br />
Reform der katholischen Kirche die kirchliche<br />
Lehrbefugnis missio canonica entzogen wurde. In<br />
seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine<br />
Anfrage“ hatte Küng nach dem Zweiten Vatikani -<br />
schen Konzil (1962-1965) und aus Anlass der<br />
Enzyklika „Humanae Vitae“ vom 25. Juli 1968 zur<br />
Geburtenregelung die Frage nach der Unfehlbar -<br />
keit des päpstlichen Lehramtes gestellt. Damit<br />
hat Hans Küng wie kein anderer in unserer Zeit<br />
die Menschen auf der Suche nach Wahrheit wachgerüttelt<br />
und seither wach gehalten.<br />
Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen<br />
Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat<br />
entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen<br />
Theologie geleistet. Seine 1957 fertig gestellte<br />
Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den<br />
Schweizer reformierten Theologen Karl Barth<br />
wurde damals von Joseph Ratzinger, mit dem<br />
Küng bis 1968 gemeinsam in Tübingen lehrte,<br />
gelobt. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“<br />
1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“<br />
1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle<br />
Reformgedanken in die Öffentlichkeit lanciert,<br />
sondern diese intensiv in grundlegenden Werken<br />
biblisch und systematisch begründet. 1968 hatte<br />
er mit anderen Theologen die Erklärung „Für die<br />
Freiheit der Theologie“ entworfen, die schließlich<br />
von 1360 katholischen Theologinnen und Theo -<br />
logen aus aller Welt unterschrieben wurde.<br />
1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner<br />
Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität<br />
und gegen die Überdehnung päpstlicher Autori -<br />
tät ausgesprochen hat. Küng hat maßgeblich<br />
dazu beigetragen, dass 1999 eine katholischlutherische<br />
Einigung in der Rechtfertigungslehre<br />
zustande kam. Sein 1990 gestartetes „Projekt<br />
Weltethos“ (www.weltethos.org) hat den angesichts<br />
der gegenwärtigen Weltlage immer notwendiger<br />
werdenden interreligiösen Dialog entscheidend<br />
befruchtet. Am 6. Oktober <strong>2009</strong> verkündete<br />
er seine „Erklärung zu einem Globalen<br />
Wirtschaftsethos” vor den Vereinten Nationen.
Foto: Tobias Barniske<br />
Der katholische Theologe Hans Küng (81) hat<br />
den <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis <strong>2009</strong> erhalten. Er<br />
nahm die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung<br />
am 18. Juni in Berlin entgegen. Die Festveran -<br />
stal tung fand wie in den letzten Jahren dank der<br />
großzügigen Gastfreundschaft des Freistaates<br />
Bayern in der Bayerischen Vertretung statt. Das<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> ehrte damit Küngs<br />
Lebenswerk, vor allem sein Buch „Das Judentum“<br />
und sein religionsübergreifendes „Projekt<br />
Weltethos“. Das Preisgeld hatte der Unternehmer<br />
Karl-Hermann Blicke gespendet. Küng bezeichnete<br />
die Aus zeichnung als wichtige Ermutigung<br />
seiner Arbeit. Er stiftete das Preisgeld für einen<br />
Studienfonds, der Studierenden des <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s interreligiöse Begegnungen<br />
ermöglichen soll.<br />
Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte<br />
in seiner Laudatio Küng als weltweit anerkannte<br />
Persönlichkeit und Vordenker. Mit seinem vielseitigen<br />
Lebenswerk habe er die moderne Zivilisa -<br />
<strong>Kescher</strong><br />
<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis<br />
für Hans Küng<br />
Lebenswerk des Theologen in Berlin geehrt<br />
tion mitgeprägt. Lammert hob auch Küngs<br />
Konflikte mit der katholischen Kirche hervor. Er<br />
habe alle einschlägigen heißen Themen seiner<br />
Kirche zum Gegenstand öffentlicher Debatten<br />
gemacht, bevor er andere Religionen kritisiert<br />
habe.<br />
Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte<br />
in seiner Laudatio Küng als weltweit anerkannte<br />
Persönlichkeit und Vordenker. Mit seinem vielseitigen<br />
Lebenswerk habe er die moderne Zivili sa -<br />
tion mitgeprägt. Lammert hob auch Küngs<br />
Konflikte mit der katholischen Kirche hervor. Er<br />
habe alle einschlägigen heißen Themen seiner<br />
Kirche zum Gegenstand öffentlicher Debatten<br />
gemacht, bevor er andere Religionen kritisiert<br />
habe. Den 1979 erfolgten Entzug der kirchlichen<br />
Lehrerlaubnis durch den Vatikan bezeichnete der<br />
Bundestagspräsident als List der Geschichte.<br />
Dies habe Küng ermöglicht, „zu neuen Ufern aufzubrechen“.<br />
Danach habe er seine großen Werke<br />
über die Weltreligionen geschrieben.<br />
Grußwort der Präsidentin der CCAR<br />
Die Präsidentin der Central Conference of<br />
American Rabbis (CCAR), Rabbinerin Ellen<br />
Weinberg Dreyfus, sagte in ihrem Grußwort: “It<br />
is particularly meaningful to me to be here for<br />
the occasion of this award and of the ordination<br />
ceremonies earlier today. I am the daughter of a<br />
German Jewish refugee - my mother left<br />
Stuttgart at the age of nine in 1936. Nearly 32<br />
years ago, I had the good fortune to marry Dr.<br />
James Dreyfus, the great-grandson of Rabbi Leo<br />
Baeck. So, although I myself am not a descendant<br />
of Rabbi Baeck, I have given birth to three<br />
of his great-great-grandchildren. You know that<br />
Leo Baeck was and is respected by Christian theologians<br />
as well as being revered by the Jewish<br />
7
8<br />
community, and so it is a great honor to continue<br />
that tradition of dialogue … We applaud Hans<br />
Küng's involvement in interfaith dialogue, especially<br />
his conviction that humanity should develop<br />
a Global Ethic, a set of basic principles upon<br />
which all, regardless of their particular religious<br />
heritage, can agree, and by agreeing, improve<br />
the quality of life for all on this planet. This<br />
nation, within the memory of the living, tried to<br />
destroy Jews along with Jewish ideas. But the<br />
remnant has survived, and even here, we witness<br />
the rebirth of Jewish culture and religion."<br />
Glückwünsche vom Zentralrat<br />
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in<br />
Deutschland, Dieter Graumann, lobte Küng in<br />
seinem Grußwort als „authentisch, glaubwürdig<br />
und überzeugend“. Er sei auch in schwieriger<br />
Zeit vehement für den interreligiösen Dialog eingetreten.<br />
Die Präsidentin des Zentralrats der<br />
Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, gratulierte<br />
Hans Küng mit den folgenden Worten zum<br />
<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis <strong>2009</strong>: „Es gibt nur wenige<br />
Menschen, die über eine so lange Zeit hinweg so<br />
überzeugend und engagiert wie Sie für einen<br />
wirklichen interreligiösen Dialog eingetreten<br />
sind. Sie haben durch Offenheit und genaueste<br />
Quellenkenntnis stets sinnvolle Kritik ermöglicht,<br />
getragen von der Vision, dass wir alle auf<br />
einen gemeinsamen ethischen Nenner<br />
zusammenfinden mögen. Ihr Mut, auch<br />
‚Unbequemlichkeiten’ auszusprechen, ohne vor<br />
den Konsequenzen zu scheuen, beeindruckt und<br />
berührt mich sehr.“<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Hans Küng wird heute Abend ausgezeichnet<br />
für seinen besonderen<br />
Beitrag, den er für den Dialog der<br />
Religionen und insbesondere für<br />
die Vermittlung des Judentums als<br />
eine der großen Weltreligionen geleistet hat. Für<br />
den Beitrag zum Verständnis dieser Religion und<br />
der Verbindun gen, die es zwischen dieser und<br />
den anderen großen Religionen unserer Zeit gibt.<br />
Aber ich glaube, dass man sowohl biografisch wie<br />
konzeptionell diesen Beitrag nur schwer verstehen<br />
kann, wenn man ihn nicht in den Kontext<br />
seiner intensiven, kritischen und selbstkritischen<br />
Auseinan der setzung mit der eigenen Reli -<br />
gion und der eigenen Kirche setzt. Es gibt nur<br />
wenige Theolo gen und noch weniger bedeutende<br />
Theologen, die mit ähnlicher – jetzt hätte ich fast<br />
gesagt – Rücksichtslosigkeit alle einschlägigen<br />
heißen Themen in der eigenen Kirche zum Ge -<br />
gen stand einer öffentlichen Debatte gemacht<br />
haben, wie er. Von der Geburtenregelung bis zur<br />
Sterbehilfe, von der Mischehe bis zur Eheschei -<br />
dung, vom Zölibat und von Frauenordinariaten<br />
bis zum Priestermangel und den Kausalitäten,<br />
die tatsächlich oder vermeintlich zwischen der<br />
einen und der anderen Neigung zur Dogmatisie -<br />
rung historisch gewachsener Regelungen<br />
besteht.<br />
Das hat wiederum nach meiner Beobachtung […]<br />
seinen Freundeskreis nicht kontinuierlich erwei -<br />
tert, sondern ihm neben einem hartnäckigen<br />
Fanclub auch einen zunehmend hartnäckigen<br />
Kreis von Gegnern eingetragen. Da er über diesen<br />
Wirkungszusammenhang offenkundig zu jedem<br />
Zeitpunkt seiner Biografie nie Illusionen hatte,<br />
verdient diese Auseinander setzung mit diesen<br />
absehbaren Wirkungen umso höheren Respekt.<br />
Und das gilt im Übrigen völlig unabhängig von<br />
der Frage, ob man jeweils jede der von ihm streitig<br />
bezogenen Positionen ganz, teilweise oder<br />
gar nicht teilt.<br />
Aber die Notwendigkeit, sich mit diesen Fragen<br />
Foto: Beatrice Schubert<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
auseinanderzusetzen und zwar auch und gerade<br />
wider die herrschende Lehrmeinung, im wörtlichen<br />
wie im übertragenen Sinne dieses Wortes,<br />
die gehört nun allerdings auch nach meiner<br />
Überzeugung zu den Voraussetzungen für die<br />
Aussicht eines Dialogs der Religionen. Wie<br />
anders soll er denn mit Erfolg stattfinden, wenn<br />
er nicht die Bereitschaft einschließt, über eigene<br />
Bestandteile eigener tradierter Glaubensüber -<br />
lieferungen und dem, was daraus im Laufe der<br />
Zeit geworden ist, selbstkritisch nachzudenken.<br />
Und nicht, was die weiter verbreitete Attitüde<br />
ist, zur Voraussetzung des Dialogs zwar nicht<br />
ausdrücklich, aber heimlich, die Veränderungen<br />
regelmäßig in den Nachbarreligionen zu erwarten.<br />
Ich weise deswegen auf diesen Zusammen -<br />
hang hin, weil sich im Werk von Hans Küng genau<br />
die umgekehrte Reihenfolge nachweisen lässt.<br />
Erst kritische Beschäftigung mit der eigenen<br />
Religion und anschließend der Aufbruch zur<br />
Expedition in den Rest der Welt, soweit wir über<br />
Weltreligionen reden. […]<br />
Nun könnten Sie sagen, was hat das alles mit<br />
dem <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis zu tun. Zunächst mal<br />
natürlich gar nichts, aber ich wage mal die kühne<br />
These, dass hier die List der Geschichte aus<br />
einem zunächst höchst ärgerlichen Vorgang erst<br />
die Option geschaffen hat, mit der Hans Küng die<br />
Möglichkeit und gleichzeitig auch ein Stückchen<br />
die Notwendigkeit hatte, zu neuen Ufern aufzubrechen.<br />
Denn der Entzug dieser Lehrbefähigung<br />
hatte, wie Sie alle wissen, zur Folge, dass er seine<br />
theologische Lehrtätigkeit unter den bisherigen<br />
Bedingungen aufgeben musste, aber dank der<br />
auch in diesem Zusammenhang wieder prächtig<br />
bewährten Trennung von Kirche und Staat, die<br />
gar nicht so unmodern ist, wie das gelegentlich<br />
vermutet wird, seinen Status als Professor und<br />
Beamter auf Lebenszeit beibehalten konnte, mit<br />
der klugen Lösung, dass er zwar aus der theologischen<br />
Fakultät ausschied, aber Professor für Ökumenische<br />
Theologie und Direktor des Instituts für
<strong>Kescher</strong><br />
Dialog: Eine der Schlüsselfragen<br />
unserer Zeit Aus der Laudatio des Bundestagspräsidenten Prof.<br />
Dr. Norbert Lammert zur Verleihung des <strong>Abraham</strong>-<br />
Ökumenische Forschung werden konnte. Damals<br />
gab es erstmals in der deutschen Universitäts -<br />
geschichte einen Lehrstuhl für christliche Theo -<br />
logie der rechtlich keiner Kirche zugeordnet war.<br />
So hat das angefangen.<br />
Und rein von den zeitlichen Abfolgen her, ist der<br />
Nachweis leicht zu führen, dass seine großen<br />
Werke über die Weltreligionen danach entstanden<br />
sind. Manchmal erzeugt selbst der Vatikan<br />
Wirkungen, mit denen er nicht hat rechnen können.<br />
Jedenfalls steht das große Projekt Welt -<br />
ethos in einem nachvollziehbaren Zusammen -<br />
hang zu dieser Biografie und den sich daraus<br />
herleitenden Stationen seines Wirkens. […]<br />
Der Punkt, der mich an seinem Anliegen beson -<br />
ders interessiert und fasziniert, ist der folgende:<br />
Mich beschäftigt aus vielerlei Gründen, die<br />
natür lich auch etwas mit der eigenen Biografie<br />
und dem zu tun hat, was man irgendwann mal<br />
gelernt hat, die Frage, was eigentlich Gesell -<br />
schaften, auch und gerade moderne Gesellschaf -<br />
ten, im Inneren zusammenhält. Und je länger ich<br />
mich mit dieser Frage beschäftige, umso mehr<br />
komme ich zu der für mich schlüssigen vorläufigen<br />
Antwort: Das, was eine Gesellschaft im<br />
Inneren zusammenhält, ist sicher nicht Politik,<br />
ist ganz sicher nicht Wirtschaft, ist schon gar<br />
nicht Geld. Das, was eine Gesellschaft im Inneren<br />
zusammenhält, wenn es überhaupt irgendwo<br />
zusammenhält, ist Kultur: Ein Mindestmaß an<br />
Orientierungen und Überzeugungen, die die Mit -<br />
glieder einer Gesellschaft miteinander teilen und<br />
die ihnen das Mindestmaß an Verhaltens sicher -<br />
heit vermittelt, ohne das man in modernen wie in<br />
archaischen Zeiten ein Leben nicht erfolgreich<br />
bewältigen kann.<br />
Und wenn das richtig ist, dass der eigentliche<br />
Kern der inneren Konsistenz von Gesellschaften –<br />
und zwar beliebiger Gesellschaften, auch und<br />
gerade moderner Gesellschaften – Kultur ist,<br />
dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wo kom-<br />
<strong>Geiger</strong>-Preises an Prof. Dr. Hans Küng in Berlin<br />
men denn eigentlich diese Orientierungen her.<br />
Fallen die möglicherweise vom Himmel? Ich glaube,<br />
sie fallen nicht vom Himmel. Aber die mit<br />
Abstand wichtigsten einzelnen Agenturen der<br />
Vermittlung solcher Orientierungen sind in der<br />
Geschichte der Menschheit die Religionen. Zu<br />
dieser Bemerkung braucht man übrigens kein<br />
religiöses Bekenntnis, sondern nur ein gewisses<br />
Maß an Beobachtungsvermögen. Auch jeder<br />
Agnostiker muss eigentlich genau diesen Zusam -<br />
menhang sozusagen aufgrund seines Beob ach -<br />
tungsvermögens bestätigen. […]<br />
Religionen haben an Bedeutung nicht verloren,<br />
vorsichtig formuliert. Manches spricht dafür,<br />
dass sie in Zeiten der Globalisierung an Bedeu -<br />
tung eher gewinnen, weil in Verhältnissen, die<br />
immer unübersichtlicher werden, das Bedürfnis<br />
an Orientierung immer stärker wird. Dass wir<br />
heute Formen der Wiederentdeckung von Reli -<br />
gion erleben in der globalen Welt, in der wir<br />
leben, die uns nicht nur zu Begeisterungs stür -<br />
men, sondern auch zu großer Besorgnis veranlassen,<br />
muss wohl nicht im Einzelnen erläutert werden.<br />
Es bestätigt aber von einer anderen Seite<br />
die überragende Relevanz von Religionen, die<br />
Hans Küng seit Jahrzehnten in seinem Werk be -<br />
schreibt. Und wenn die Prognose richtig ist, dass<br />
für das Verhältnis von Ländern und Völkern und<br />
Kontinenten zueinander oder eben auch und<br />
gerade für das Verhältnis von Kulturen zueinander<br />
der wichtigste einzelne, maßgebend einflussreiche<br />
Faktor die Religionen und ihre Orien -<br />
tierungen sind, dann ist die Frage nach deren<br />
Dialog und den Voraussetzungen des Dialogs und<br />
dem, was sie miteinander verbindet, eine der<br />
Schlüsselfragen unserer Zeit.<br />
Mit genau dieser Schlüsselfrage hat sich niemand<br />
intensiver auseinandergesetzt als Hans Küng.<br />
Ihm verdanken wir viele Hinweise auf genau die<br />
Gemeinsamkeiten beiden von ihm wiederum<br />
sorgfältig beschriebenen Unterschieden der<br />
Religionen, die gleichzeitig die Voraussetzungen<br />
für ein Weltethos sein könnten. Die Weltreli -<br />
gionen sind für Hans Küng, wie ich finde, völlig<br />
richtig beobachtet, herausragende Agenturen für<br />
globale ethische Standards. Wer anderes als sie<br />
könnte solche Prinzipien vermitteln wie Gewalt -<br />
losigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Gleich -<br />
berechtigung. Das sind eben ganz sicher nicht<br />
Orientierungen, die vom Himmel fallen, sondern<br />
die auf Erden wachsen müssen. Wenn sie nicht<br />
von Religionen vermittelt werden, ist die Wahr -<br />
scheinlichkeit überschaubar gering, dass sie<br />
überhaupt vermittelt werden. Und da sich die<br />
Welt nach allem, was wir heute wissen können,<br />
auch und gerade wegen der Globalisierung nicht<br />
auf eine einheitliche Standard-Zivil-Religion<br />
zubewegt, wo jetzt wieder der eine „leider“ und<br />
der andere „Gott sei Dank“ denken mag, ist die<br />
Organisation des Dialogs umso wichtiger.<br />
Jedenfalls brauchen wir für das 21. Jahrhundert,<br />
das wir zu mit Abstand größerem Teil noch vor<br />
uns haben, sicher nicht nur ein Mindestmaß an<br />
Regeln für internationale Finanzmärkte. Das wissen<br />
wir inzwischen auch etwas genauer als noch<br />
vor einem halben Jahr. Sondern wir brauchen<br />
jenseits der Regelungen für Märkte Orientierun -<br />
gen für Verhalten, ethische Prinzipien für ein<br />
Miteinander. Und je eher und je überzeugender<br />
und je nachhaltiger es gelingt solche ethischen<br />
Orientierungen zu globalen Prinzipien zu<br />
machen, desto günstiger sind die Überlebensaussichten<br />
unserer Zivilisation.<br />
Verehrter, lieber Herr Professor Küng, ich gratuliere<br />
Ihnen von Herzen zu dem Beitrag, den Sie<br />
über viele Jahr hinweg zu diesem Verständnis der<br />
Bedeutung von Religionen, ihres Verhältnisses<br />
untereinander und den Beitrag, den sie alle miteinander<br />
und nur miteinander, für die Zukunft<br />
unserer Welt leisten können, erbracht haben, und<br />
ich freue mich über die Auszeichnung, die Sie<br />
dafür heute Abend erhalten“<br />
9
10<br />
Rabbinerin Dreyfus mit<br />
Bischöfin Jepsen, Mitte:<br />
Bischöfin Jepsen mit<br />
Bischof Vobbe und<br />
Archimandrit Emmanuel<br />
Sfiatkos, unten: Karl-<br />
Hermann Blickle mit<br />
dem Preisträger. Fotos:<br />
Beatrice Schubert<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Menschlichkeit<br />
ist unteilbar<br />
Dankesrede anlässlich der Verleihung des<br />
<strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preises am 18. Juni <strong>2009</strong><br />
in Berlin / von Prof. Dr. Hans Küng<br />
Sehr verehrter Herr Bundestagspräsident<br />
Dr. Lammert,<br />
lieber Herr Rabbiner Dr. Homolka,<br />
meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />
Ein Preis sozusagen »honoris causa« ist für mich<br />
nie ein reines „honorificum“, sondern eher ein<br />
„politicum“.<br />
Nach meinen beiden Büchern „Das Judentum“<br />
und „Das Christentum“ in den 1990er Jahren<br />
habe ich 2004 als dritten Band „Der Islam“ veröffentlicht<br />
und schon deshalb viele Gespräche<br />
mit Muslimen geführt. Noch vor wenigen Mona -<br />
ten hat man mir an der Georgetown University/<br />
Washington den „Prince Alwaleed Award for<br />
Lifetime Achievement for Muslim-Christian<br />
Understanding“ verliehen.<br />
Und da ist nun der <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis eine<br />
mir höchst willkommene Anerkennung dafür,<br />
dass ich mich nach wie vor ebenso energisch für<br />
die Verbesserung der christlich-jüdischen Bezie -<br />
hungen einsetze. Gerade von katholischer Seite<br />
hat ja in letzter Zeit Papst Benedikt XVI. für verständliche<br />
Irritationen unter Juden gesorgt, die<br />
möglicherweise zum Teil durch seine Israelreise<br />
wieder behoben werden konnten. Doch vor allem<br />
die durch Präsident Obama vertretene und von<br />
Saudi-Arabien unterstützte neue Nahost-Politik<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1
<strong>Kescher</strong><br />
Der Vorsitzende des Kuratoriums des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, Dr. Josef Joffe, mit dem Presiträger. Foto: B. Schubert.<br />
könnte sich positiv auch auf die christlich-jüdischen<br />
Beziehungen auswirken.<br />
Und so danke ich denn von ganzem Herzen für<br />
diese hohe Auszeichnung und sehr wirksame<br />
Ermutigung dem <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, seinem<br />
Präsidenten Professor Dr. Walter Jacob, und seinem<br />
Rektor, Professor Dr. Walter Homolka, sowie<br />
dem Spender des Preisgeldes, Diplom-Volkswirt<br />
Karl-Hermann Blickle und allen anderen, die<br />
direkt oder indirekt in diese Entscheidung involviert<br />
waren.<br />
Ein Preis im Zeichen <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>s: Keine<br />
Gestalt im Judentum des 19. Jahrhunderts dürfte<br />
mir, dem christlichen Reformtheologen, näher<br />
stehen als dieser bedeutendste Vertreter des<br />
deutschen Reformjudentums und vielseitige<br />
Begründer der Wissenschaft des Judentums. Ich<br />
kann mir leicht vorstellen, was diesen Mann alles<br />
bewegt hat, der 1810 in Frankfurt am Main geboren,<br />
seine Jugend in der Zeit der Metternichschen<br />
Restauration verbracht hat, der die Revolution<br />
von 1848 ebenso miterlebt hat wie 1870 das Erste<br />
Vatikanische Konzil mit seiner Definition des<br />
päpstlichen Jurisdiktionsprimats und der Unfehl -<br />
barkeit. Mit <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> bin ich der Überzeugung,<br />
dass nur durch Wissenschaft und historische<br />
Kritik eine religiöse Reform, eine Erneuer -<br />
ung der Theologie und der Glaubensge mein schaft<br />
als ganzer erreicht werden kann. Mit ihm bin ich<br />
der Meinung, dass die Religion der Propheten<br />
nicht in erster Linie die genaue Beobachtung<br />
eines Rituals verlangt, sondern den Glauben an<br />
den einen Gott, der sich praktisch zu bewähren<br />
hat durch Gerechtigkeit, Barmherzig keit und eine<br />
Menschenliebe, die von keinen nationalen oder<br />
religiösen Schranken eingegrenzt werden darf.<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> stand also damals zwischen jüdischer<br />
Orthodoxie und jüdischem Säkularismus,<br />
und er würde sich auch heute ähnlich einordnen.<br />
Angesichts dringend notwendiger Reformen<br />
unserer drei prophetischen Religionen stehen wir<br />
damals wie heute vor der Frage: Was soll in einer<br />
solchen Reform erhalten bleiben und was darf<br />
aufgegeben werden? In allen drei Religionen gibt<br />
es scharf akzentuierte positive wie negative<br />
Antworten. Die einen sagen: „Nichts soll bewahrt<br />
werden“, die anderen aber: „Alles soll bewahrt<br />
werden“: „Nichts“ soll bewahrt werden, sagen<br />
völlig säkularisierte Christen: Sie glauben oft<br />
weder an Gott noch an einen Sohn Gottes, sie<br />
ignorieren die Kirche und verzichten auf Predigt<br />
und Sakra mente … Bestenfalls schätzen sie das<br />
kulturelle Erbe das Christentums: die<br />
Kathedralen der Gotik oder die Musik Johann<br />
Sebastian Bachs, den Wohlklang orthodoxer<br />
Liturgie oder auch – paradoxerweise – die<br />
Institution des Papsttums als Garant der eta-<br />
11<br />
blierten Ordnung. Sie glauben an den Papst als<br />
Ordnungsfaktor, denken aber nicht daran, dessen<br />
Sexualmoral und Dogmatik zu folgen.<br />
„Nichts“ soll bewahrt werden, sagen aber auch<br />
völlig säkularisierte Juden: Sie halten nichts vom<br />
Gott <strong>Abraham</strong>s und der Väter, sie glauben nicht<br />
an dessen Verheißungen, und an den Bund mit<br />
dem Volk Israel, ignorieren synogale Gebete und<br />
Riten und mokieren sich über die Ultraortho -<br />
doxen. Für ihr religiös entleertes Judentum<br />
haben sie vielfach eine moderne Ersatzreligion<br />
gefunden: den Staat Israel und die Berufung auf<br />
den Holocaust. Das kann auch säkularisierten<br />
Juden eine jüdische Identität und Solidarität<br />
verschaffen, scheint aber nicht selten auch die<br />
brutalen Maßnahmen der israelischen Armee<br />
gegen die Palästinenser in den besetzten<br />
Gebieten zu rechtfertigen.<br />
„Nichts“ soll bewahrt werden, sagen aber auch<br />
völlig säkularisierte Muslime: An einen Gott<br />
glauben sie nicht, den Koran lesen sie nicht,<br />
Muhammad ist für sie kein Prophet, die fünf<br />
Pfeiler des Islam spielen für sie keine Rolle und<br />
die Scharia lehnen sie rundweg ab.<br />
Bestenfalls ist der Islam, freilich religiös entleert,<br />
zu gebrauchen als Instrument für einen<br />
politischen Islamismus oder Arabismus oder<br />
Nationalismus.
12<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Es ist verständlich, dass als Gegenreaktion auf<br />
dieses „Nichts bewahren“ der umgekehrte Ruf<br />
laut wird: „Alles bewahren“. Alles soll so bleiben,<br />
wie es ist und angeblich auch immer war: „Kein<br />
Stein des großartigen katholischen Dogmenge -<br />
bäu des darf herausgebrochen werden, das Ganze<br />
würde wanken“, proklamieren römische Integra -<br />
listen und disqualifizieren Reforma tion wie<br />
Aufklärung als „Verrat an der Tradition“.<br />
„Kein Wort der Halacha darf vernachlässigt werden;<br />
hinter jedem Wort steht der Wille des Herrn<br />
(Adonaj)“, protestieren ultraorthodoxe Juden.<br />
„Kein Vers des Koran darf ignoriert werden, jeder<br />
ist in gleicher Weise unmittelbar Gottes Wort“,<br />
insistieren viele islamistische Muslime.<br />
Hier überall sind Konflikte vorprogrammiert,<br />
nicht nur zwischen den drei, sondern vor allem in<br />
jeder der drei Religionen, wo immer diese Posi -<br />
tionen kämpferisch oder aggressiv vertreten werden.<br />
Oft schaukeln sich die extremen Positionen<br />
gegenseitig hoch. „Les extrêmes se touchent“<br />
Und wo steht nun <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>? Weder bei<br />
den einen noch bei den andern. Er ist weder ein<br />
orthodoxer Alles-Bewahrer noch ein säkularistischer<br />
Alles-Relativierer. Und glücklicherweise<br />
bilden diese Extrempositionen ja auch in den<br />
meisten Ländern nicht die Mehrheit, wenn sie<br />
nicht gerade durch politische, wirtschaftliche,<br />
soziale Faktoren aufgeladen werden. Noch immer<br />
gibt es, je nach Land und Zeit verschieden groß,<br />
eine erhebliche Zahl von Juden, Christen und<br />
Muslimen, die – wiewohl sie in ihrer Religion oft<br />
gleichgültig, träge oder ignorant sind – doch keinesfalls<br />
alles in ihrem jüdischen, christlichen<br />
oder muslimischen Glauben und Leben aufgeben<br />
möchten. Die andererseits aber auch nicht bereit<br />
sind alles zu bewahren: sie sind nicht bereit, als<br />
Katholiken sämtliche hellenistische Dogmen und<br />
römische Morallehren zu schlucken, oder als<br />
Protestanten jeden Satz der Bibel wortwörtlich<br />
zu nehmen, oder als Juden sich in allem an die<br />
Halacha zu halten, oder als Muslime sämtliche<br />
Gebote der Scharia streng einzuhalten.<br />
Und was ist der historische Hintergrund dieser<br />
verschiedenen Positionen? Das kann leicht<br />
beantwortet werden. Jede der drei abrahamischen<br />
Religionen hat fünf oder sechs epochale<br />
Umwälzungen, Paradigmenwechsel, Wechsel der<br />
Gesamtkonstellation durchgemacht. Und so<br />
leben bis heute Menschen derselben Religion<br />
mental in verschiedenen Paradigmen, in verschiedenen<br />
zeitgeschichtlichen Konstellationen,<br />
von deren fortbestehenden Grundbedingungen<br />
sie geprägt bleiben: So gibt es zum Beispiel im<br />
Christentum noch heute Katholiken, die geistig<br />
im 13. Jahrhundert leben: Gleichzeitig mit<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Thomas von Aquin, den mittelalterlichen Päpsten<br />
und der absolutistischen Kirchenordnung. Man<br />
wird Papst Benedikt, Joseph Ratzinger nie verstehen,<br />
wenn man nicht sieht, dass er im Grunde<br />
in diesem mittelalterlichen römisch-katholischen<br />
Paradigma lebt und daher konsequenterweise die<br />
Reformation wie die Aufklärung vornehm als<br />
„Enthellenisierung“, um nicht zu sagen als<br />
„Abfall“ vom wahren Christentum abqualifiziert<br />
hat. Es gibt aber auch manche Vertreter östlicher<br />
Orthodoxie, die geistig im 4./5. Jahrhundert<br />
geblieben sind und gleichzeitig mit den griechischen<br />
Kirchenvätern und den hellenistischen<br />
Konzilien leben und jede Weiterentwicklung in<br />
Liturgie, Theologie und Kirchendisziplin ablehnen.<br />
Und es gibt evangelikale Protestanten,<br />
beson ders in den USA, die nach wie vor in der<br />
vormodernen Konstellation des 16. Jahrhunderts<br />
steckengeblieben sind. Deshalb sind sie grimmige<br />
Gegner vor allem der Evolutionstheorie und<br />
der modernen Exegese und versuchen die buchstäbliche<br />
biblische Auslegung der Schöpfungsge -<br />
schichte selbst im Biologieunterricht der Schulen<br />
durchzusetzen.<br />
Ganz ähnlich aber gibt es auch manche ortho -<br />
doxe Juden, die im mittelalterlichen Judentum<br />
ihr Ideal sehen und sogar den modernen Staat<br />
Israel ablehnen. Umgekehrt sehen viele<br />
Zionisten den Staat Israel rein modern-säkular.<br />
Doch zugleich streben sie mit Gewalt ein<br />
Großisrael in den Gren zen des davidisch-salomonischen<br />
Reiches an – mit verheerenden Folgen<br />
für ein friedliches Zusammenleben mit<br />
Palästinensern, von denen dann einige aus<br />
Verzweiflung zu Selbstmord atten taten greifen.<br />
In ähnlicher Weise träumen manche Muslime<br />
noch dem großen arabischen Reich nach und<br />
wünschen sich die Vereinigung der arabischen<br />
Völker zu einer einzigen arabischen Nation<br />
(„Panarabismus“). Andere aber, etwa in Iran,<br />
sehen nicht im Arabertum, sondern im Islam das<br />
Völkerverbindende und geben einem „Panisla -<br />
mismus“ den Vorzug – mit dem schiitischen<br />
Islam als Vormacht. Es ist offenkundig: Gerade in<br />
diesem Andauern, dieser Persis tenz und<br />
Konkurrenz früherer religiöser Paradig men im<br />
Heute liegt eine der Haupt ursachen der Konflikte<br />
innerhalb der Religionen und zwischen den<br />
Religionen, Hauptursache der verschiedenen<br />
Richtungen und Parteiungen, der Spannungen,<br />
Streitigkeiten und Kriege.<br />
Ich frage deshalb: Was war zur Zeit von <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> und was ist auch heute noch für eine Re -<br />
form der Religion die zentrale Streitfrage? Ich<br />
antworte: Wie verhält sich die jeweilige Religion<br />
zu ihrem eigenen Mittelalter (das zumindest in
Christentum und Islam als die „große Zeit“ gilt)<br />
und wie verhält sie sich folglich zur Moderne, wo<br />
man sich in allen drei Religionen in die Defensive<br />
gedrängt sieht.<br />
Das Christentum hat nach der Reformation<br />
zumindest im Protestantismus einen weiteren<br />
Paradigmenwechsel, den der Aufklärung, zur<br />
Moderne durchmachen können. Das Judentum<br />
aber machte zuerst die Aufklä rung durch (mit<br />
Moses Mendelsohn als großem Initiator) und<br />
erlebte im Anschluss daran zumindest im<br />
Reformjudentum in Deutschland und den USA<br />
eine religiöse Reformation. Der Islam aber, der<br />
im 12. Jahrhundert die Philosophie und jedes<br />
neue Denken zu Gunsten der Orthodoxie verabschiedet<br />
hat, machte keine nachhaltige religiöse<br />
Reformation durch. Er hat von daher auch mit der<br />
Moderne bis auf den heutigen Tag besonders<br />
schwerwiegende Probleme, wie etwa der mittelalterlich<br />
orientierte römische Katholizismus,<br />
dem es aber mit Hilfe des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils gelungen ist, gewichtige Anliegen der<br />
Reformation und der Moderne aufzunehmen.<br />
Sie, meine Damen und Herren, werden gewiss<br />
ebenfalls oft diese Erfahrung gemacht haben:<br />
Viele Juden, Christen und Muslime, die das<br />
moderne Paradigma bejahen, verstehen sich<br />
untereinander besser als mit den je eigenen<br />
Glaubensgenossen, die in anderen Paradigmen<br />
leben. Umgekehrt können dem Mittelalter verhaftete<br />
Römisch-Katholische sich zum Beispiel in<br />
Fragen der Sexualmoral mit den „Mittelalter -<br />
lichen“ im Islam verbünden. (So geschehen auf<br />
der UN-Bevölkerungskonferenz Kairo 1994).<br />
Wer Versöhnung und Frieden will, wird um eine<br />
kritisch-selbstkritische Paradigmenanalyse nicht<br />
<strong>Kescher</strong><br />
herumkommen. Nur so lassen sich Fragen beantworten<br />
wie diese: Wo sind in der Geschichte des<br />
Christentums, wo sind im Judentum und im Islam<br />
die Konstanten und wo die Variablen? Wo<br />
besteht Kontinuität und wo Diskontinuität, wo<br />
ist Übereinstimmung gegeben und wo Wider -<br />
stand geboten? Zu bewahren ist vor allem das<br />
Wesen, das Fundament, der Kern einer Religion<br />
und von daher die vom Ursprung her gegebenen<br />
Konstanten. Nicht unbedingt zu bewahren ist<br />
alles das, was vom Ursprung her nicht wesentlich<br />
ist, was Schale und nicht Kern, was Ausbau und<br />
nicht Fundament ist. Aufgegeben (oder im<br />
Gegen teil auch weiter entwickelt) werden können,<br />
wenn es sich als notwendig erweist, alle die<br />
verschiedenartigen Variablen.<br />
So verhilft denn eine Paradigmenanalyse angesichts<br />
all des religiösen Wirrwarrs gerade im<br />
Zeitalter der Globalisierung zu einer globalen<br />
Orientierung, wichtig vor allem für diese heikle<br />
Schlüsselphase für die Neugestaltung der internationalen<br />
Beziehungen, des Verhältnisses<br />
Westen – Islam und auch der Beziehungen zwischen<br />
den drei abrahamischen Religionen Juden -<br />
tum, Christentum und Islam.<br />
Die Optionen sind klar: Entweder Rivalität der<br />
Religionen, Zusammenprall der Kulturen, Krieg<br />
der Nationen – oder Dialog der Kulturen und<br />
Frieden zwischen den Religionen als eine Voraus -<br />
setzung für den Frieden zwischen den Nationen!<br />
Sollten wir angesichts der tödlichen Bedrohung<br />
der Gesamtmenschheit nicht anstatt neue<br />
Dämme des Hasses, der Rache und Feindschaft<br />
aufzurichten, lieber die Mauern des Vorurteils<br />
Stein um Stein abtragen und damit Brücken des<br />
Dialogs bauen, Brücken gerade auch zum Islam?<br />
Für diesen Brückenschlag ist von entscheidender<br />
Bedeutung: So verschieden auch die drei Religio -<br />
nen sind und so unterschiedlich die verschiedenen<br />
Paradigmen, die da im Lauf der Jahrhunderte<br />
und Jahrtausende wechseln – es gibt gerade auf<br />
der ethischen Ebene Konstanten, die einen solchen<br />
Brückenschlag ermöglichen.<br />
Seit der Mensch sich aus dem Tierreich entwickelt<br />
hat und zum Menschen wurde, hat er auch<br />
gelernt, sich menschlich und nicht unmenschlich<br />
zu verhalten. Aber die Bestie ist mit der Trieb -<br />
natur des Menschen trotz des nun entwickelten<br />
Vernunftgebrauchs eine Realität im Menschen<br />
geblieben. Dies betrifft nicht nur die gemeinen<br />
Triebtäter wie Verbrecher an Kindern und<br />
Jugend lichen, sondern auch Wirtschafts- und<br />
Finanzbosse, welche Bilanzen gefälscht und<br />
andere um Millionen, ja Milliarden betrogen<br />
haben. Es betrifft auch Staatsmänner, die große<br />
Nationen mit Lügen von orwellschem Ausmaß in<br />
13<br />
Rabbiner Leo Trepp und Ruth Recknagel, Mitte:<br />
Karl-Hermann Blicke, Rabbinerin Ellen Weinberg<br />
Dreyfus, Lala Süsskind, Friede Springer, unten:<br />
Rabbiner Henry G. Brandt und Sheila Brandt.<br />
Fotos: Beatrice Schubert
14<br />
ausweglose Kriege getrieben haben und für den<br />
Tod von Zehntausenden und die Folter von<br />
Tausenden verantwortlich sind. Dies sind freilich<br />
Extremfälle, doch auch im Alltag ist ethisches<br />
Verhalten nicht selbstverständlich.<br />
So muss denn das Rad des Ethos nicht neu erfunden<br />
werden. In allen religiösen, philosophischen<br />
und weltanschaulichen Traditionen finden sich<br />
einige einfache ethische Imperative der Mensch -<br />
lichkeit, bei Patanjali, dem Gründer des Yoga,<br />
ebenso wie im buddhistischen Kanon, in der<br />
Hebräischen Bibel ebenso wie im Neuen Testa -<br />
ment und im Koran. Sie sind bis heute von größter<br />
Bedeutung geblieben. Vom Parlament der<br />
Weltreligionen wurden sie 1993 in Chicago in<br />
einer „Erklärung zum Weltethos“ in unsere<br />
Gegenwart hinein übersetzt. 1997 wurden sie<br />
vom InterActionCouncil früherer Staats- und<br />
Regierungschefs in dem Vorschlag einer nun im<br />
UNO-Stil redigierten „Allgemeinen Erklärung der<br />
Menschenpflichten“ („responsibilities“) ausgearbeitet:<br />
Wir brauchen in dieser neuen Zeit eine Kultur der<br />
Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem<br />
Leben, gründend in der uralten Weisung: „Nicht<br />
morden“ – was heißt: auch nicht foltern, quälen,<br />
verletzen. Vielmehr „Ehrfurcht haben vor dem<br />
Leben!“ Wir brauchen eine Kultur der Solidarität<br />
und eine gerechte Wirtschaftsordnung, gründend<br />
in der uralten Weisung: „Nicht stehlen“ – was<br />
einschließt: auch nicht ausbeuten, bestechen,<br />
korrumpieren. Vielmehr: „Ehrlich handeln und<br />
fair!“ Wir brauchen eine Kultur der Toleranz und<br />
ein Leben in Wahrhaftigkeit, gründend in der<br />
uralten Weisung: „Nicht lügen“ – was aber heißt:<br />
auch nicht täuschen, fälschen, manipulieren.<br />
Vielmehr: „Wahrhaftig reden und handeln!“<br />
Und schließlich brauchen wir eine Kultur der<br />
Gleichberechtigung und der Partnerschaft von<br />
Mann und Frau, gründend in der uralten Weisung:<br />
„Nicht Unzucht treiben, nicht Sexualität missbrauchen“<br />
– was einschließt: den Partner nicht<br />
missbrauchen, erniedrigen, entwürdigen.<br />
Vielmehr: „Einander respektieren und lieben!“<br />
Wir brauchen wieder Staatsmänner, Wirtschaftsund<br />
Gewerkschaftsführer, Medienleute und<br />
Kulturschaffende, Männer und Frauen, die sich<br />
an diese Imperative der Menschlichkeit halten<br />
und Vorbilder sind. Was soll eine Jugend ohne<br />
Vorbilder? Diesen vier konkreten ethischen<br />
Imperativen liegen zwei allgemeine ethische<br />
Grundprinzipien zugrunde: Erstens: Ganz und<br />
gar grundlegend für alle Menschen, religiöse und<br />
nicht religiöse, und alles andere als tautologisch<br />
<strong>Kescher</strong><br />
die Humanitätsregel: Jeder Mensch – ob weiß<br />
oder farbig, jung oder alt, Mann oder Frau,<br />
Christ, Jude oder Muslim – soll menschlich und<br />
nicht unmenschlich behandelt werden. Mensch -<br />
lich keit, das Humanum, ist unteilbar! Das zweite<br />
Grundprinzip ist jene schon von Konfuzius fünfhundert<br />
Jahre vor Christus geprägte und in allen<br />
großen religiösen und philosophischen Traditio -<br />
nen bekannte, aber keineswegs selbstverständliche<br />
Reziprozitätsregel oder Goldene Regel: „Was<br />
du selber nicht wünschest, das tue auch nicht<br />
anderen“. So elementar diese Regel ist, so hilfreich<br />
ist sie bei der Entscheidung in manchen<br />
schwierigen Situationen.<br />
Der InterActionCouncil betont, dass zur Orien -<br />
tierung menschlichen Handelns kein komplexes<br />
Ethiksystem notwendig ist, sondern allein schon<br />
die alte Goldene Regel als Grundorientierung<br />
dienen könnte. In ihrem Artikel 4 sagt die Allge -<br />
meine Erklärung der Menschenpflichten: „Alle<br />
Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen,<br />
müssen im Geist der Solidarität Verantwortung<br />
übernehmen gegenüber jedem und allen, Fami -<br />
lien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und<br />
Religionen: Was du nicht willst, dass man dir tut,<br />
das füg’ auch keinem anderen zu.“<br />
Es war ermutigend, in Präsident Obamas programmatischer<br />
Rede in Kairo gerade zum Schluss<br />
ein Echo dieser Erklärung zu hören: „Es ist einfacher,<br />
Kriege zu beginnen, als sie zu beenden. Es<br />
ist einfacher, die Schuld auf andere zu schieben,<br />
als sich selbst zu betrachten. Es ist einfacher zu<br />
sehen, was uns von jemand anderem unterscheidet,<br />
als die Dinge zu finden, die wir gemeinsam<br />
haben. Aber wir sollten uns für den richtigen<br />
Weg entscheiden, nicht nur für den einfachen. Es<br />
gibt auch eine Regel, die jeder Religion zugrunde<br />
liegt – dass man andere behandelt, wie man<br />
selbst behandelt werden möchte.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Diese Wahrheit überwindet Nationen und Völker<br />
- ein Glaube, der nicht neu ist, der nicht schwarz<br />
oder weiß oder braun ist, der nicht Christen,<br />
Muslimen oder Juden gehört. Es ist ein Glaube,<br />
der in der Wiege der Zivilisation pulsierte, und<br />
der noch immer in den Herzen von Milliarden<br />
Menschen auf der Welt schlägt. Es ist der Glaube<br />
an andere Menschen, und er hat mich heute hierher<br />
gebracht.“ Dieses Ethos ist natürlich immer<br />
kontrafaktisch und wird nirgendwo und von niemandem<br />
perfekt gelebt. Die Goldene Regel und<br />
die vier Impera tive der Menschlichkeit werden<br />
nicht von vornherein erfüllt, sie müssen immer<br />
wieder neu in Erinnerung gerufen und realisiert<br />
werden. Der <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preis ist dafür ein<br />
beeindruckendes Zeichen. Ich möchte Ihnen,<br />
meine Damen und Herren, nochmals meinen sehr<br />
herzlichen Dank dafür ausdrücken.<br />
Nur knapp zu den Konstanten: Das zu bewahrende<br />
Eigentümliche der drei monotheistischen<br />
Religionen ist zugleich etwas Gemeinsames und<br />
etwas Unterscheidendes. Das Gemeinsame von<br />
Judentum, Christentum und Islam: der Glaube an<br />
den einen und einzigen Gott <strong>Abraham</strong>s, den gnädigen<br />
und barmherzigen Schöpfer, Bewahrer und<br />
Richter aller Menschen. Das Unterscheidende:<br />
Für das Judentum: Israel als Gottes Volk und<br />
Land. Für das Christentum: Jesus Christus als<br />
Gottes Messias und Sohn. Für den Islam: Der<br />
Koran als Gottes Wort und Buch.<br />
Zur Bestätigung ein Wort von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>:<br />
„Die Menschheit insgesamt aber ist geschaffen<br />
im Ebenbilde Gottes, nicht bloß der Stammvater<br />
dieses oder jenes Volkes, sondern der Stamm va -<br />
ter aller, der auch die ganze Menschheit aus sich<br />
hervorgehen lässt als eine gleichberechtigte“.<br />
Zur Bestätigung ein Zitat aus dem Babylonischen<br />
Talmud Schabbat 31a: „Abermals ereignete es<br />
sich, dass ein Nichtjude vor den Rabbiner<br />
Schammai trat und zu ihm sprach: Mache mich<br />
zum Proselyten unter der Bedingung, dass du<br />
mich die ganze Tora lehrst, während ich auf<br />
einem Fuße stehe. Da stieß er ihn fort mit der<br />
Elle, die er in der Hand hatte. Darauf kam er zum<br />
Rabbiner Hillel und dieser machte ihn zum<br />
Proselyten und sprach zu ihm: Was dir nicht lieb<br />
ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist<br />
die ganze Tora und alles andere ist nur die<br />
Erläuterung; geh und lerne sie.“<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>, Das Judentum und seine Ge -<br />
schichte, Bd. 1, 2. Auflage, Breslau 1865, S. 42
Eine Reise<br />
durch die<br />
europäische<br />
Synagogal -<br />
musik<br />
Großes Foto: Ausgezeichnet:<br />
Kantorin Mimi Sheffer,<br />
Professorin Sabine Kunst,<br />
Professorin Birgit Jank mit<br />
Marion Hanisch (v.l.n.r.).<br />
Foto: Tobias Barniske<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Preiskonzert zur Auszeichnung als „Ausgewählter<br />
Ort <strong>2009</strong>“ im Land der Ideen<br />
Am 18. Oktober stand das Jewish Institute of<br />
Cantorial Arts (JICA) in Potsdam im Rampenlicht.<br />
Unser Ausbildungsprogramm für jüdische Kanto -<br />
ren ist einer der Preisträger des bundesweit ausgetragenen<br />
Innovationswettbewerbs „365 Orte<br />
im Land der Ideen“. JICA wurde in diesem Jahr<br />
aus mehr als 2.000 eingereichten Bewerbungen<br />
als Botschafter für das Land der Ideen ausgewählt.<br />
Die Deutsche Bank und die Standortinitia -<br />
tive „Deutschland – Land der Ideen“ führen diese<br />
Veranstaltungsreihe bereits im vierten Jahr ge -<br />
meinsam unter der Schirmherrschaft von Bun -<br />
des präsident Horst Köhler durch. „Mit Kreativi -<br />
tät, Know-how und Leidenschaft bilden die ‚Aus -<br />
gewählten Orte‘ <strong>2009</strong> das ideenreiche Rückgrat,<br />
das Deutschland zum Land der Ideen macht.<br />
Jeden Tag sehen wir, wie durch das enorme<br />
Poten tial, das hier in der Region steckt, das bun -<br />
desweite Netzwerk an Ideen wächst“, be grün dete<br />
Marion Hanisch, die Leiterin des Pots damer In -<br />
ves tment & FinanzCenters, das Engage ment der<br />
Deutschen Bank: „Die Nach wuchs ausbildung für<br />
jüdische Gemeinden zu fördern, ist ein vorbildliches<br />
Projekt. Die Arbeit des Jewish Institute of<br />
Cantorial Arts ist deshalb zukunftsweisend für<br />
Deutschland.“<br />
Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka freut sich über<br />
die Auszeichnung, die in Anwesenheit des brandenburgischen<br />
Wissenschaftsstaatssekretär Dr.<br />
Johann Komusiewicz (kleines Bild) und der<br />
Präsiden tin der Universität Potsdam, Frau Prof.<br />
Dr. Sabine Kunst, übergeben wurde. „Wir sind<br />
sehr stolz, ein ausgewählter Ort im Land der<br />
Ideen zu sein. Unsere jüdischen Gemeinden brauchen<br />
Kantoren mit pädagogischer Bildung. Unser<br />
Institut ist an das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> ange-<br />
15<br />
schlossen und das erste Ausbildungsprogramm<br />
für jüdische Kanto ren und Religionslehrer in<br />
Europa nach dem Holocaust. Damit ist eine entscheidende<br />
Weiche auf dem Weg für die Zukunft<br />
der jüdischen Gemeinschaft gestellt. Vor zwei<br />
Jahren, 2007, ist bereits unser Rabbinerseminar,<br />
das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität<br />
Pots dam, von der Standortinitiative der deutschen<br />
Wirtschaft ausgezeichnet worden“, sagte<br />
Homolka.<br />
Mit dem Festkonzert in der Nikolaikirche gab die<br />
Programmdirektorin, Kantorin Mimi Sheffer,<br />
zusammen mit dem akademischen Direktor, Dr.<br />
Jascha Nemtsov, einen Einblick in die Geschichte<br />
und Gegenwart der europäischen Synagogalmu -<br />
sik. Mit beteiligt war auch Prof. Dr. Birgit Jank,<br />
die den Lehrstuhl für Musikpädago gik und Musik -<br />
didaktik an der Universität Pots dam innehat und<br />
mit der JICA auf vielfache Weise kooperiert.<br />
Auf dem Programm, das Sheffer und Nemtsow<br />
präsentierten, standen unter anderem Komposi -<br />
tionen von Salomon Sulzer, Louis Lewandowski,<br />
Jacques Fromental Halévy, Juliusz Wolfsohn,<br />
Samuel Naumbourg, Max Janowski und David<br />
Ajzen sztadt. Matthias Jacob und der Vocalkreis<br />
an der Potsdamer Friedenskirche übernahmen in<br />
dem 90-minütigen Konzert die großen chorischen<br />
Teile. Begleitet wurden die Sänger von<br />
Florence Sitruk an der Harfe und Mirlan Kasyma -<br />
liev an der Orgel, tönte. Im „Ja Schimcha“, einem<br />
Gebet aus der Jom-Kippur-Liturgie, übernahm<br />
schließlich der gastgebende Nikolaikantor, Björn<br />
Wiede, den Orgelpart. Jascha Nemtsow brachte<br />
u.a. Konzertparaphrasen über altjüdische Volks -<br />
weisen für Klavier von Juliusz Wolf sohn zu Gehör.
16<br />
Zum Redaktionsschluss von „<strong>Kescher</strong>“<br />
stand mit dem zweiten Konzert aus<br />
der Reihe „Das Kanto renKonzert“<br />
noch ein Höhepunkt im Winterse -<br />
mester des Jewish Institute of<br />
Cantorial Arts auf dem Programm. Am Sonntag,<br />
den 13. Dezember, stellten vier Studierende von<br />
JICA erst in einem Workshop und dann bei einem<br />
Konzert im Jüdischen Gemeindehaus <strong>Chanukka</strong> -<br />
lieder und -geschichten aus aller Welt vor.<br />
Moderiert wurde das Konzert von Sofia Falkovich,<br />
einer zukünftigen Studentin des JICA; an Orgel<br />
und Klavier begleitet wurden die Sänger von<br />
Mirlan Kasyma liev. Aus der Mischung von be -<br />
kannten und eher exotischen Melodien, alten<br />
und neuen Titeln, Chasanut und Pop ergab sich so<br />
ein buntes und erfrischendes Lieder mosaik.<br />
Solos wechselten sich dabei mit Duetten und<br />
Ensemblestücken ab. Die Programmdirek torin<br />
Mimi Sheffer hatte schon bei den Proben anerkennend<br />
festgestellt: „Ich wäre nie auf die Idee<br />
gekommen, dass das Programm so an spruchs voll<br />
wird.“ Die erste Reaktion aus dem Publikum lautete<br />
am Sonntag abend denn auch einhellig: „Das<br />
Konzert und die Stimmen waren wirklich phantastisch!“<br />
Aviv Weinberg revanchierte sich stellvertretend<br />
für alle Beteiligten prompt mit einem<br />
Dank an die warmherzigen Zuhörer.<br />
Bei dem Konzert, das die Studierenden selbst<br />
konzipiert und einstudiert hatten und in Zusam -<br />
menarbeit mit der Jüdischen Volkshochschule<br />
präsentierten, wurden auch <strong>Chanukka</strong>kerzen<br />
<strong>Kescher</strong><br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
JICA-Studentenkonzert<br />
zu <strong>Chanukka</strong> im<br />
Jüdischen Gemeindehaus<br />
Phantastische Stimmen,<br />
buntes Programm<br />
gezündet. Zuvor bestand für das Publikum die<br />
Gelegenheit, in einen vorbereitenden Workshop<br />
neue <strong>Chanukka</strong>lieder interaktiv zu lernen. Ein<br />
Ziel von JICA ist es auch, die Beter und Beterin -<br />
nen in den Synagogen auf die reiche jüdische Mu -<br />
siktradition aufmerksam zu machen und praktische<br />
Angebote für die Gottesdienste zu schaffen.<br />
„Das Programm dieses ganz besonderen Chanuk -<br />
ka-Konzerts umfasste zum größten Teil Stücke<br />
aus der Liturgie, nämlich die Einfügungen, die für<br />
<strong>Chanukka</strong> charakteristisch sind“, erklärte Isidoro<br />
Abramowicz, einer der vier Sänger. So wurden<br />
erst die Segenssprüche zur Hadlakat Nerot ge -<br />
sun gen, also die Bracha zum Anzünden der<br />
Chanuk kakerzen (Alexander Zakharenko sang die<br />
Fassung von Salomon Sulzer), dann der Segen -<br />
spruch über die Wunder, die Gott zu der Zeit<br />
unseren Vorfahren tat und auch zu unseren Tagen<br />
tut und schließlich das Schehechejanu, mit dem<br />
wir Gott dafür danken, dass er uns am Leben hält,<br />
uns stützt und uns bis zu dieser Zeit gebracht<br />
hat. Hanerot Halal wird im Gebet nach dem<br />
Kerzenzünden gesungen: dabei werden die<br />
Gründe genannt, deretwegen wir diese Lichter<br />
anzünden. Die Studierenden trugen es in zwei<br />
Besetzungen vor; Isidoro Abramowicz sang die<br />
Brachot in der Fassung von Zavel Zilberts (1881-<br />
1949), einem Komponisten aus Weißrussland,<br />
und dann zusammen mit Nikola David in der<br />
Version von Israel Goldfarb (1879-1967), der aus<br />
Russland stammte und Kantor in Brooklyn war.<br />
„Uns war wichtig, dass wir kein reines Unterhal -<br />
Alexander Zakharenko bei der Probe,<br />
dahinter Isidoro Abramowicz, Aviv<br />
Weinberg u. Nikola David (v.l.n.r.).<br />
Foto: Tobias Barniske.<br />
tungsprogramm bieten, sondern einen Quer -<br />
schnitt von dem, was zu <strong>Chanukka</strong> zur musikalischen<br />
Gestaltung der Gottesdienste möglich ist“,<br />
fasste Nikola David das Konzept zusammen.<br />
Beim Maoz Tzur, das anschließend auf dem Pro -<br />
gramm stand, handelt es sich um ein im Mittel -<br />
alter von Mordechai geschriebener Pijut, ein litugisches<br />
Gedicht, der aus sechs Strophen besteht<br />
und die Hoffnung auf messianische Erlösung zum<br />
Ausdruck bringt. Die Melodie soll auf ein altes<br />
Volkslied zurück gehen und wurde von Benedetto<br />
Marcello (1686-1739) in seinen Parafrasi Sopra li<br />
Salmi (Venedig 1724) in Noten gesetzt und für<br />
seine Vertonung des 15. Psalms weiter verwendet.<br />
Der Psalm 100 ist ein Psalm der Danksagung. Ihn<br />
sangen die Studierenden in der Komposition von<br />
Eliezer Gerovitch für Kantor und gemischten<br />
Chor. Ein weiteres Stück, das dem Konzert pub -<br />
likum von Channuka und seiner Bedeutung er -<br />
zählte, aber nicht zur Liturgie gehört, war das<br />
Duett Haerew Babajit („der Abend zu Hause“)<br />
von Emanuel Amiran und Awraham Broides, das<br />
Aviv Weinberg zusammen mit Isidoro Abramo -<br />
wicz vortrug; darauf folgte Todros Greenbergs<br />
Mizmor Shir <strong>Chanukka</strong>t Habait als Solo von Niko la<br />
David. Den Schluss machte der Choral Hawa<br />
Narima aus Händels Oratorium „Joshua“. Die originale<br />
deutsche Version ist unter dem Titel<br />
„Tochter Zion“ bekannt. Der hebräische Text handelt<br />
vom Channuka-Wunder und vom Sieg der<br />
Makkabäer über die Griechen.
Die Mitwirkenden<br />
Aviv Weinberg, Sopran. Geboren 1976 in Israel.<br />
Seit 1997 Rimon-Jazz and Contemporary Music<br />
School, Abschluss B.MUS an der Academy of<br />
Music and Dance, Jerusalem. Solistin für das IDF<br />
Orchestra, Mitglied des A-Cappella-Ensembles<br />
„New Israeli Vocal Ensem ble”. Mitwirkung am<br />
Ancient Music Program in Jerusalem, Winter IVAI<br />
Program unter der Lei tung von Joan Dornemann,<br />
Rita Dams und Ami Shamir's Opernprogramm.<br />
Schauspiel, Tanz und Gesang im Musical „Guys &<br />
Dolls“ in Tel Aviv. Zusammenarbeit mit dem<br />
„Meitar“-Ensemble. Tournee mit dem Jerusalem<br />
Camerata Orchestra. Aufführung der Solo-Oper<br />
„Das Telefon“ in Deutsch und Englisch. Seit<br />
Herbst <strong>2009</strong> Studium am Jewish Institute of<br />
Cantorial Arts des Abra ham <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s in<br />
Berlin sowie weiterhin Stimmbildung mit Janet<br />
William.<br />
Nikola David, Tenor. Geboren 1969 in Serbien.<br />
Abschluss der Musik akademie in Jugoslawien als<br />
Musikpädagoge und Opernsänger. 15 Jahre tätig<br />
als Solist in Serbien, Kroatien und seit 8 Jahren<br />
in Deutschland, unter anderem in Eisenach, Mün -<br />
chen, Augsburg und Dessau. Gastauftritte in<br />
Norwegen, Israel, Bulga rien und der Schweiz.<br />
Kulturleiter der Israeliti schen Kultusgemeinde<br />
Schwaben-Augsburg. Seit 2008 Kantorenstudent<br />
am Jewish Institute of Cantorial Arts.<br />
Isidoro Abramowicz, Bariton. Geboren 1972 in<br />
Buenos Aires. Absolvierte ein Studium für Klavier<br />
am Argentinischen National konservatorium.<br />
Gleichzeitig hat er sich in Chorleitung und Ge -<br />
sang ausgebildet. Ab Novem ber 2000 Gesangs -<br />
ausbildung bei Arthur Janzen, Köln. Mehrere<br />
Auftritte mit „Junge Kammer Oper Köln“. Seit<br />
2005 Chorleiter mehrerer Chöre in Oldenburg, u.<br />
a. des Synagogenchores der Jüdischen Gemeinde,<br />
außerdem Gesangs- und Klavierlehrer in der<br />
Musikschule Bad Zwischen ahn. Seit Herbst <strong>2009</strong><br />
Kantorenstudent am Jewish Institute of Canto -<br />
rial Arts.<br />
Alexander Zakharenko, Bass-Bariton. Geboren<br />
1969 in Russland. Seit der Kindheit Geigenunter -<br />
richt. Abschluss MA cum laude in Geschichte an<br />
der Staatsuniversität Tyumen. Einwanderung<br />
nach Israel mit 28 Jahren. Gesangsstudium an<br />
der Akademie für Musik in Jerusalem. Einige<br />
Jahre Sänger an der New Israeli Opera in Tel Aviv.<br />
Seit 2008 Student am JICA.<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Samuel Adler zu<br />
Gast am JICA<br />
„Lebe lang und glücklich“, ist die Suite überschrieben,<br />
die der amerikanische Komponist<br />
Samuel Adler anlässlich des 400-jährigen<br />
Stadtjubiläums von Mannheim 2007 komponiert<br />
hat und für von seiner andauernden Verbunden -<br />
heit mit Deutschland spricht. Der gebürtige<br />
Mannheimer und Kantorensohn, der sich 1939 als<br />
17-jähriger in die USA retten konnte, zählt seit<br />
Langem zu den wichtigen zeitgenössischen Kom -<br />
ponisten in den USA und begreift sich selbst als<br />
Jewish American composer; er hat sich nicht<br />
allein durch seine über 400 Werke, sondern auch<br />
als Dirigent, Hochschullehrer und Autor einen<br />
Namen gemacht. Adler ist über die School of<br />
Sacred Music am Hebrew Union College eng mit<br />
der jüdischen Reformbewegung verbunden;<br />
Chasanut macht aber nur einen Teil seines um -<br />
fangreichen Schaffens aus (darunter fünf Opern<br />
und sechs Symphonien), das merklich von Paul<br />
Hindemith geprägt ist; zu seinen weiteren<br />
Lehrern gehörten Aaron Copland und Serge<br />
Koussevitzky.<br />
Von 1950-1952 war Sam Adler mit der US Army in<br />
Deutschland; im Juli 1952 gründete er das<br />
Seventh Army Orchestra. Nach dem Militärdienst<br />
17<br />
wurde er Music Director der größten Synagoge<br />
von Dallas und widmete sich mehr und mehr dem<br />
Komponieren. Als Aaron Copland 1959 nach<br />
Dallas kam, wo Adler an der North Texas Univer -<br />
sity unterrichtete, befand er über seinen früheren<br />
Schüler: „You’ve become a real composer.“<br />
Seine Leidenschaft für anspruchsvolle Synago -<br />
gal musik ist ansteckend: Als Adler im August<br />
2006 zur feierlichen Wiedereröffnung der<br />
Synagoge Rykestraße in Berlin zusammen mit<br />
dem Rundfunkchor Berlin ein Programm mit vergessenen<br />
deutsch-jüdischen liturgischen und<br />
weltlichen Gesängen des 19. Jahrhunderts<br />
gestaltete, da sprang der Funken auch auf Mimi<br />
Sheffer über, die Programmdirektorin des<br />
Institute of Cantorial Arts am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong> (JICA). „Sam hat mir Mut gemacht“, sagt<br />
sie, und so trägt Samuel Adler dazu bei, das<br />
Chasanut in Deutschland wieder eine Zukunft<br />
hat. Diesen Sommer unterrichtete er einen<br />
Kompositionskurs an der Freien Universität<br />
Berlin - für Mimi Sheffer eine wunderbare Gele -<br />
gen heit, Samuel Adler auch zu zwei Vorträgen<br />
Samuel Adler 1937 in Mannheim und <strong>2009</strong> im<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>. Fotos: Milken Archive /<br />
Tobias Barniske<br />
einzuladen. Am 30. Juni und am 7. Juli sprach der<br />
Jewish American composer in den Räumen des<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s über die „Die Konti -<br />
nuität der Synagogalmusik in Deutschland“.<br />
Hartmut Bomhoff
Das Wintersemester begann für die JICA-Studen -<br />
ten bereits einen Monat vor dem offiziellen<br />
Semesteranfang. So bestand für sie noch die<br />
Gelegenheit, sich zusammen mit ihren Dozenten<br />
gründlich auf die Hohen Feiertage vorzubereiten.<br />
Beim neuen Studienschwerpunkt „Jewish Life“<br />
geht es für Programmdirektorin Mimi Sheffer<br />
neben der akademischen und technischen Aus -<br />
bildung auch darum, jüdisches Leben greifbar zu<br />
machen - so stand im Herbst der Bau einer Laub -<br />
hütte auf dem Programm. Schiurim, Teilnahme an<br />
den Gottesdiensten der Berliner Synagogen,<br />
Besuche in liberalen Gemeinden außerhalb<br />
Berlins sollen ebenso lebendige Eindrücke vermitteln<br />
wie die Auseinandersetzung mit dem<br />
jüdischen Religionsunterricht an Berliner Schu -<br />
len oder die Begleitung von Kantoren der<br />
Jüdischen Gemeinde zu Berlin bei deren vielfältigen<br />
Aufgaben. Gruppenarbeit steht dabei hoch<br />
im Kurs. Dazu gehören auch Projekte wie das<br />
<strong>Chanukka</strong>-Konzert der Studierenden.<br />
Dr. Jascha Nemtsov stellt als Akademischer<br />
Direktor die Verbindung zur Universität Potsdam<br />
her. Der Pianist, der 1963 in Magadan (Russ -<br />
land) geboren wurde, absolvierte ein Klavier stu -<br />
dium am Leningrader Konservatorium (Konzert -<br />
diplom mit Auszeichnung) und lebt seit 1992 in<br />
Deutschland. Nemtsow ist auch musikwissenschaftlich<br />
tätig: Er ist seit 2002 Mitglied des<br />
Instituts für Jüdische Studien an der Universität<br />
Potsdam, promovierte 2004 über „Die Neue<br />
Jüdische Schule in der Musik“ und wurde 2007<br />
habilitiert.<br />
<strong>Kescher</strong><br />
„Jewish Life“ als Unterrichtseinheit<br />
Foto: Marko Prieske<br />
Neue Dozenten für die<br />
Kantorenausbildung<br />
Mit den Kantoren László Pásztor und Simon<br />
Zkorenblut stehen nun auch zwei weitere<br />
Berufspraktiker für die Kantorenausbildung zur<br />
Verfügung. Kantor László Pásztor wurde 1934 in<br />
Budapest geboren, wuchs in einer liberalen jüdischen<br />
Familie auf und überlebte dank der<br />
Rettungsaktion von Wallenberg die Schoa. Er studierte<br />
bei Emila Possert und steht in der Tradi -<br />
tion seines Lehrers Szigmond Tordai (vormals<br />
Berlin und Danzig) und war in Ungarn, Österreich,<br />
Schweden und den Niederlanden tätig,<br />
bevor er 1987 Kantor in der Synagoge Pestalozzi -<br />
straße in Berlin wurde, wo er mit Estrongo<br />
Nachama und Harry Foss zusammen arbeitete.<br />
Kantor Simon Zkorenblut ist in Buenos Aires,<br />
Argentinien, geboren. Er ist seit 1996 Kantor der<br />
Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Seinen Dienst als<br />
Kantor übt er überwiegend in den Synagogen<br />
Fraenkelufer und Pestalozzistrasse aus.<br />
Das Wintersemester begann bereits mit einem<br />
Höhepunkt. Kantor Prof. Dr. Eliyahu Schleifer<br />
verbrachte zwei intensive Unterrichtswochen mit<br />
den JICA-Studenten und vermittelte ihnen die<br />
Traditionen von mitteleuropäischer und osteuropäischer<br />
Chasanut, deren Besonderheiten und<br />
Wechselbeziehungen. Darüber hinaus bot er an<br />
der Universität Potsdam einen öffentlichen<br />
Workshop zum Thema „Layers of Traditional<br />
Synagogue Music: From Psalmody to Cantorial<br />
Improvisation“ an. Schleifer wurde 1939 in Jeru -<br />
salem geboren, begann seine musikalische Aus -<br />
bildung mit 5 Jahren als Meshorer im Synago gen -<br />
chor des Shirat Israel Institute, wo er später bei<br />
Kantor Shlomo Zalman Rivlin Chasanut studierte.<br />
19<br />
Kantor László<br />
Pásztor. Foto:<br />
B. Schubert,<br />
darunter:<br />
Kantor Simon<br />
Zkorenblut.<br />
Foto: privat<br />
Unten: Professor<br />
Eliyahu<br />
Schleifer mit<br />
Kantorin Mimi<br />
Sheffer und<br />
Rabbiner Daniel<br />
Katz. Foto:<br />
T. Barniske<br />
Er schloß 1964 sein Studium an der Rubin<br />
Academy of Music in Jerusalem ab und arbeitete<br />
als Forschungssassistent mit Dr. Edith Gerson-<br />
Kiwi zusammen, für die er die Musik unterschiedlicher<br />
jüdischer Gemeinschaften aufnahm und<br />
analysierte. Er setzte seine Studien an der Uni -<br />
ver sity of Chicago fort, machte 1976 seinen<br />
Doktor in Musikwissenschaft und war nach seiner<br />
Rückkehr nach Israel Dozent für Musikgeschichte<br />
und Musikwissenschaft. Eliyahu Schleifer ist<br />
Associate Professor of Sacred Music und Direktor<br />
für die Kantorenausbildung am Hebrew Union<br />
College in Jerualem und Mitglied des Jewish<br />
Music Research Centre der Hebräischen Univer -<br />
sität.
20<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Jahresrückblick<br />
Neben der Ordinationsfeier und der Verleihung<br />
des <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-Preises gab es im vergangenen<br />
Jahr eine Reihe von Veranstaltungen, die das<br />
reguläre Semesterangebot bereicherten. Hier<br />
einige Höhepunkte:<br />
Februar<br />
Hanna Caspi leitete einen dreiwöchigen Ulpan für<br />
Studierende des AGKs mit Ganztags unterricht in<br />
Hebräisch einschließlich Zeitungs lektüre,<br />
Landeskunde und Talmudstudien.<br />
März<br />
Medienseminar mit der Katholischen Medien -<br />
akademie Österreichs in Wien. Wir danken der<br />
KMA sehr herzlich für Ihre Unterstützung!<br />
3. - 5. April<br />
Lay Leadership Seminar mit Prof. Dr. Samuel K.<br />
Joseph (Hebrew Union College Cincin nati) in<br />
Bamberg. Wir danken der United Jewish Appeal<br />
Federation New York und der Israeli tischen<br />
Kultusgemeinde Bamberg sehr herzlich für die<br />
Unterstützung!<br />
Mai / Juni<br />
Blockseminare mit Rabbiner Prof. Dr. Leonard S.<br />
Kravitz (Hebrew Union College New York), dem<br />
Hebrew Union College Fellow <strong>2009</strong> am AGK, zu<br />
Maimonides.<br />
6. Mai<br />
Vortrag von Prof. Dr. Paul Fenton (Univer sité de<br />
Paris IV-Sorbonne) : “The Contribution to Jewish<br />
and Oriental Studies of the Discovery of the Cairo<br />
Genizah“ in Zusammenarbeit mit dem Zentrum<br />
Moderner Orient, dem Büro der Französischen<br />
Botschaft für akademische Beziehungen und dem<br />
Institut für Jüdische Studien der Universität<br />
Potsdam<br />
26. - 28. Mai<br />
Beteiligung an der internationalem Gülen-<br />
Konferenz „ Muslime zwischen Tradition und<br />
Moderne“ an der Universität Potsdam.<br />
Das Jahr <strong>2009</strong> am AGK<br />
22. Juni<br />
Vortrag von Rabbiner Dr. David Goldberg<br />
(London) über zionistische Ideologie und progressives<br />
Judentum.<br />
1. August - 15. Oktober<br />
Studienprogramm für Rabbinerstudenten des<br />
AGKs am Steinsaltz-Institut in Jerusalem.<br />
3.-7. September<br />
Homiletikseminar mit Prof. Dr. G. Schöttler in<br />
Bamberg. Wir danken der Ephraim Veitel<br />
Stiftung, der Israelitischen Kultusgemein de<br />
Bamberg und Professor Schöttler sehr herzlich<br />
für die vielfältige Unterstützung.<br />
20. Oktober<br />
Workshop mit Kantor Prof. Dr. Eliyahu Schleifer<br />
(Hebrew Union College Jerusa lem), “Layers of<br />
Traditional Synagogue Music: From Psalmody to<br />
Cantorial Improvisation”, an der Universität<br />
Potsdam.<br />
20. Oktober<br />
6. Emil Fackenheim Lecture mit Prof. Dr. Seth D.<br />
Kunin (Durham University), “The Myth of Jewish<br />
Essentialism”, an der Universität Potsdam.<br />
30. Oktober<br />
Gedenkfeier zur Yahrzeit von Rabbiner <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> auf dem Jüdischen Friedhof in der<br />
Schönhauser Allee mit Rabbiner Dr. Tovia Ben-<br />
Chorin und anschließendes Studium hebräischer<br />
Texte <strong>Geiger</strong>s.<br />
8., 15., 22. November<br />
Blockseminare mit Professor Rabbiner Walter<br />
Jacob zum Thema „Krieg und Terrorismus in der<br />
Halacha und im jüdischen Denken“<br />
4. – 6. Dezember<br />
Liturgieseminar der Union progressiver Juden in<br />
Deutschland mit Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin<br />
und Adina Ben-Chorin in den Räumen des AGKs.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Oben: Walter Jacob mit Sara Nachama im Touro<br />
College Berlin. Foto: H. Bomhoff, unten: Leonard<br />
Kravitz (Hebrew Union College New York). Foto:<br />
B. Schubert
Der jüdische Religionsphilosoph Emil Facken -<br />
heim (1916-2003) wurde im Juli 2002 im<br />
Jüdischen Museum Berlin dafür, dass er mit seinem<br />
philosophischen Lebenswerk Wege für die<br />
Möglichkeit eines religiösen Judentums nach der<br />
Schoa gewiesen hatte, mit dem <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<br />
Preis ausgezeichnet. Der Preisträger errichtete<br />
daraufhin die jährliche Emil Fackenheim Lecture<br />
am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität<br />
Potsdam. Mit der Vorlesung wird jeweils ein<br />
bedeutender Gelehrter auf dem Gebiet des<br />
Judentums geehrt, dessen Werk für die Verbin -<br />
dung von Tradition und Moderne in Forschung<br />
und religiöser Praxis steht. Seth Kunin ist<br />
Professor am Department of Theology and<br />
Religion an der University of Durham.<br />
Anzeige<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Er erhielt seinen B.A. von der Columbia<br />
University in New York, seinen M.A. vom Jewish<br />
Theological Seminary of America in New York,<br />
wurde vom Leo Baeck College in London zum<br />
Rabbiner ordiniert und promovierte an der<br />
University of Cambridge im Fach Anthropologie.<br />
Er hat eine Reihe von Büchern zur biblischen und<br />
jüdischen Kultur aus anthropologischer und<br />
strukturalistischer Per spektive veröffentlicht und<br />
über die Entwicklung von Theorien zur Religion<br />
geschrieben. Kunin befasst sich auch seit 13<br />
Jahren mit ethnographischen Forschungen unter<br />
den Krypto-Juden in New Mexic. Im Juli <strong>2009</strong> ist<br />
sein Buch Juggling Identities: Identity and<br />
Authenticity Among the Crypto-Jews erschienen.<br />
Fackenheim<br />
Lecture<br />
<strong>2009</strong><br />
21<br />
Prof. Dr. Seth D. Kunin hielt am 20. Oktober die<br />
6. Emil Fackenheim Lecture an der Universität<br />
Potsdam über „The Myth of Jewish Essentialism“.<br />
Foto: Tobias Barniske
22<br />
Das Ernst Ludwig Ehrlich<br />
Studienwerk fördert engagierte<br />
jüdische Studenten<br />
<strong>Kescher</strong><br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
„Eine Verantwortungselite für<br />
die jüdische Gemeinschaft“<br />
Hochbegabte jüdische Studierende und Dokto -<br />
randen können künftig mit einem neuen Stipen -<br />
dienprogramm gefördert werden. Das Ernst<br />
Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) wurde dafür<br />
als 12. Begabtenförderungswerk am 11. Novem -<br />
ber mit einer Festveranstaltung in der Jüdischen<br />
Oberschule in Berlin eröffnet. Das Studienwerk<br />
steht unter der Schirmherrschaft der Präsidentin<br />
des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr.<br />
Charlotte Knobloch. „In der jüdischen Tradition<br />
sind Bildung und Wissenschaft von herausragender<br />
Bedeutung für die jüdische Identität“, sagte<br />
Bundesbildungsministerin Annette Schavan.<br />
„Das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk wird in<br />
Zukunft junge Menschen unterstützen, die sich<br />
außer durch herausragende Studienleistungen<br />
durch Verantwortungsbewusstsein und persönlichen<br />
Einsatz auszeichnen.“<br />
Der Namensgeber des Studienwerks, Ernst Lud -<br />
wig Ehrlich (1921-2007) war dem <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> auf Engste verbunden und wurde<br />
2001 mit der Ehrensenatorwürde unseres Rabbi -<br />
nerseminars ausgezeichnet. Charlotte Knobloch<br />
stellte bei der Festveranstaltung zur Eröffnung<br />
von ELES mit Bezug auf Ehrlich fest, dass er für<br />
sie „das repräsentiert, was wir eigentlich hatten<br />
und was wir jetzt nur noch in Einzelpersonen zur<br />
Verfügung haben.“ Vorsitzender des Studien -<br />
werks ist Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka,<br />
Vorsitzender des Beirats Prof. Dr. Micha Brumlik.<br />
Die Förderung besonders begabter Studierender<br />
und Promovierender ist ein Schwerpunkt der<br />
Bildungs- und Forschungspolitik der Bundes -<br />
regierung. Mit der Gründung des ELES gibt es<br />
nunmehr zwölf staatlich geförderte Begabten -<br />
förderungswerke. Sie spiegeln mit ihren politischen,<br />
konfessionellen, arbeitnehmer- oder wirtschaftorientierten<br />
Ausrichtungen das gesellschaftliche<br />
Spektrum Deutschlands wider. Ihre<br />
Aufgabe besteht darin, junge Menschen zu fördern,<br />
die nicht nur über eine herausragende<br />
Befähigung verfügen, sondern auch Potenzial für<br />
einen bedeutsamen Beitrag zum Gemeinwesen<br />
erkennen lassen.<br />
Foto: Tobias Barniske
Laut Zentralrat der Juden gibt es zurzeit 8.000<br />
jüdische Studierende deutscher Staatsbürger -<br />
schaft, die an einer deutschen Hochschule eingeschrieben<br />
sind. Die Zielgruppe von ELES be -<br />
schreibt Homolka so: „Das Studienwerk wäre vor<br />
20 Jahren so nicht denkbar gewesen, weil gar<br />
nicht genügend Bewerber zur Verfügung gestanden<br />
hätten. Insofern ist die Zuwanderung eine<br />
wichtige Voraussetzung. Ich glaube, es ist ganz<br />
wichtig, dass es nun einen Baustein gibt für die<br />
zweite Generation der Zuwanderer, die hier zur<br />
Schule gegangen sind und die hier auch ihren<br />
Weg gehen möchten, in der jüdischen Gemein -<br />
schaft Verantwortung zu übernehmen. Eine<br />
Verantwortungselite zu schaffen für die jüdische<br />
Gemeinschaft in Deutschland, das ist die Aufgabe<br />
des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks.“ Ganz<br />
ähnlich formulierte es auch Schavan: „Sich seiner<br />
religiösen und kulturellen Überzeugungen zu<br />
vergewissern, hilft dabei, den Glauben und die<br />
Überzeugungen der anderen zu respektieren.<br />
Junge Menschen darin zu unterstützen, eine<br />
eigene weltanschauliche Position herauszubilden<br />
und sie zu festigen ist eine der wichtigsten Auf -<br />
gaben eines konfessionellen Begabtenförde -<br />
rungs werks.“<br />
Das Bundesministerium für Bildung und For -<br />
schung (BMBF) wird von 2010 an jährlich insgesamt<br />
rund 500.000 Euro für bis zu 70 Stipendien<br />
des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks bereitstellen.<br />
Bewerben können sich jüdische Studie -<br />
rende und Promovierende, die die deutsche<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Staatsbürgerschaft haben oder aus dem EU-Raum<br />
kommen und an einer deutschen Hochschule studieren<br />
oder forschen. Sie erhalten - ebenso wie<br />
die Stipendiatinnen und Stipendiaten der übrigen<br />
Begabtenförderungswerke - einkommensabhängig<br />
bis zu 585 Euro im Monat und können<br />
einem zusätzlichen Büchergeld gefördert werden.<br />
Die Koalitionsvereinbarung sieht eine<br />
Erhöhung des Büchergeldes von derzeit 80 auf<br />
300 Euro vor. Promovierende erhalten pro Monat<br />
1.050 Euro. Neben überdurchschnittlichen Leis -<br />
tungen zählt bei der Bewerbung auch gesellschaftliches<br />
Engagement.<br />
Es geht dem Studienwerk, jedoch nicht nur um<br />
finanzielle Unterstützung. Vielmehr sollen sich<br />
die Stipendiaten auch untereinander austauschen<br />
und vernetzen. „Das bedeutet“, erklärte<br />
Micha Brumlik, „dass es für die Stipendiaten<br />
Angebote geben wird, zum Teil verpflichtende,<br />
zum Teil freiwillige Angebote, Ferienkurse,<br />
Akademien, Seminare in denen sie sich mit allen<br />
Aspekten der jüdischen Kultur, aber tatsächlich<br />
auf einem intellektuell anspruchsvollen akademischen<br />
Niveau, auseinandersetzen können.“<br />
Für die Entscheidung über die Stipendiaten sind<br />
die Auswahlausschüsse des Beirats zuständig.<br />
Dieser Beirat setzt sich neben Repräsentanten<br />
der jüdischen Gemeinschaft aus führenden jüdischen<br />
Akademikern der unterschiedlichsten<br />
Fachrichtungen zusammen. Benno Bleiberg zu<br />
den Strukturen des Studienwerks: „Es gibt einen<br />
23<br />
Trägerverein sowie einen Beirat. Dem Beirat, in<br />
dem auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz und<br />
die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands<br />
vertreten sind, gehören jüdische Akademiker der<br />
unterschiedlichen religiösen Richtungen an, die<br />
eine Vielzahl von Fachrichtungen repräsentieren.<br />
Diese Beiratsmitglieder sind zugleich die Gut -<br />
achter, die die Empfehlungen für unsere Stipen -<br />
diaten aussprechen. Ich hoffe, dass unser Beirat<br />
auch als Forum jüdischer Akademiker auf die<br />
Gesellschaft ausstrahlt. Dass das Studienwerk so<br />
schnell Gestalt angenommen hat, ist vor allem<br />
Rabbiner Walter Homolka zu verdanken.“<br />
Man wolle eine „Lücke der Geschichte schließen<br />
und Begabungen in der jüdischen Gemeinschaft<br />
fördern“, heißt es auf der Website von ELES. Ein<br />
erster Schritt ist mit der offiziellen Eröffnung<br />
des Stipendienprogramms nun getan. Das Ernst<br />
Ludwig Ehrlich Studienwerk hat es sich zum Ziel<br />
gesetzt, seinen Stipendiatinnen und Stipendia -<br />
ten dazu zu verhelfen, auf der Grundlage ihres<br />
jüdischen Glaubens eigene Positionen zu finden<br />
und zu festigen. Weitere Informationen zum<br />
Studienwerk unter www.eles-studienwerk.de .<br />
Hartmut Bomhoff<br />
Oben links: Lala Süsskind, Mitte: Staatssekretär<br />
Thomas Rachel (BMBF), Staatssekretät Michael<br />
Mertes (NRW), Schulleiterin Barbara Witting,<br />
rechts: Bei der ersten Beiratssitzung von ELES<br />
Links: Gruppenbild mit Mitgliedern des ELES-<br />
Beirats. Fotos: Tobias Barniske
24<br />
Ernst Ludwig Ehrlich<br />
Lernen und lehren, das war für den Historiker<br />
und Religionswissenschaftler Ernst Ludwig<br />
Ehrlich (1921-2007) die Essenz des Judentums.<br />
Die Lebensgeschichte des gebürtigen Berliners<br />
umfasst die Erfahrung von Verfolgung und<br />
Wiederaufbau des europäischen Judentums im<br />
20. Jahrhundert. Ehrlich war bis 1942 einer der<br />
letzten vier Schüler Rabbiner Leo Baecks an der<br />
Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums.<br />
1943 gelang ihm die Flucht in die Schweiz, wo er<br />
während seines Studiums immer wieder auf<br />
finanzielle Hilfe angewiesen war. 1950 promovierte<br />
Ehrlich in Bern; ab 1955 nahm der nunmehr<br />
Schweizer Bürger Lehraufträge für Judais -<br />
tik an den Universitäten Bern, Frankfurt am<br />
Main, Basel und Zürich sowie an der Freien Uni -<br />
versität Berlin wahr. 1956 erschien seine<br />
„Geschichte der Juden in Deutschland“, 1958 die<br />
„Geschichte Israels. Von den Anfängen bis zur<br />
Zerstörung des Tempels“, beides wichtige Orien -<br />
tierungshilfen im Nachkriegsdeutschland. 1958<br />
wurde der 37jährige in Berlin mit dem Leo-<br />
Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in<br />
Deutsch land ausgezeichnet. 1972 wurde Ehrlich<br />
Honorarprofessor für Neuere Jüdische Geschichte<br />
an der Universität Bern.<br />
Ernst Ludwig Ehrlich engagierte sich 1961 bis<br />
1994 als Direktor des Europäischen Distriktes von<br />
B’nai B’rith und anschließend als dessen Ehren -<br />
vizepräsident stets für die jüdische Gemein -<br />
schaft. Als Prediger vertrat er in den 1980er und<br />
Foto: M. Schmidt<br />
<strong>Kescher</strong><br />
1990er Jahren in der Jüdischen Gemeinde zu<br />
Berlin ein aufgeklärtes Judentum. Daneben<br />
hat er die Positionen des Judentums dem<br />
Christentum gegenüber herauszustreichen vermocht<br />
und war eine kritische Stimme im<br />
jüdisch-christlichen Dialog, als Berater von<br />
Kardinal Bea bei der Vorbereitung der Konzils -<br />
erklärung Nostra Aetate ebenso wie als<br />
Generalsekretär der Christlich-Jüdischen<br />
Arbeitsgemeinschaft der Schweiz und im<br />
Gesprächskreis ‚Christen und Juden’ beim<br />
Zentralkomitee der deutschen Katholiken.<br />
Nach 1989 widmete sich Ehrlich insbesondere<br />
der Erneuerung jüdischen Lebens in Mittelund<br />
Osteuropa und dem Aufbau des <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s an der Universität Potsdam, mit<br />
dessen Senatorenwürde er 2001 ausgezeichnet<br />
wurde. Eines lag ihm dabei besonders am<br />
Herzen: dass „es gelingt, den Tausenden von<br />
Juden, die in den letzten Jahrzehnten nach<br />
Deutschland gekommen sind, eine geistige<br />
jüdische Identität zu vermitteln, die ihnen bisher<br />
verwehrt war.“ Die Universitäten Basel und<br />
Luzern und die Freie Universität Berlin verliehen<br />
Ehrlich die Ehrendoktorwürde. Sein<br />
Lebenswerk im Dienst der jüdischen Gemein -<br />
schaft wurde im Juli 2007 mit der Verleihung<br />
des Israel-Jacobson-Preises der Union progressiver<br />
Juden in der Neuen Synagoge zu Berlin<br />
gewürdigt. Ernst Ludwig Ehrlich verstarb am<br />
21. Oktober 2007 in Riehen bei Basel.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
B U C H H I N W E I S<br />
Von Hiob zu Horkheimer<br />
„Ich liebe nicht die Deutschen, ich liebe nicht die<br />
Schweizer … Ich liebe meine Freunde“, zitierte<br />
Ernst Ludwig Ehrlich vor über 20 Jahren Anette<br />
Kolb, um diesen Satz dann auf sich und sein Ver -<br />
hältnis zu Deutschland zu beziehen. Und: „Wenn<br />
man älter wird, kehrt man an seine geistigen Ur -<br />
sprünge zurück“. Ein großer Kreis von Freun den<br />
fühlte den enormen Verlust, als Ernst Ludwig<br />
Ehrlich, der 1921 in Berlin geboren worden war<br />
und der sich 1943 in die Schweiz retten konnte,<br />
am 21. Oktober 2007 in Riehen bei Basel verstarb.<br />
„Wir haben die Krone von unserem Haupt verloren“:<br />
So beschrieb Rabbiner Henry G. Brandt den<br />
großen Verlust; die deutsche Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel hatte in ihrem Kondolenzschrei -<br />
ben Ehrlichs Gabe betont, Brücken zwischen<br />
Religionen und Kulturen zu bauen. Was es mit<br />
diesem unbeirrten Engagement auf sich hatte,<br />
soll der vorliegende Band zeigen. Mit dieser<br />
Sammlung herausragender Aufsätze von Ernst<br />
Ludwig Ehrlich erinnern wir an einen talmid chacham,<br />
der mit seiner religiösen Libera lität die<br />
Brücke zum deutschen Judentum der Vorkriegs -<br />
zeit geschlagen hatte und dabei die Tradition in<br />
moderne Formen hineinzuholen verstand. Er hat<br />
dazu beigetragen, dass es mit dem <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> an der Universität Pots dam wieder
einen Ort für Rabbinerausbildung in Deutschland<br />
gibt, und über 30 Jahre lang hat er dem jüdischchristlichen<br />
Dialog im deutschsprachigen Raum<br />
seinen eigenen theologischen Stempel aufgedrückt.<br />
Er war einer derjenigen, die Leo Baeck<br />
nicht nur kannten und bei ihm lernten, sondern<br />
das ganze Leben lang in seinem Sinne wirkten.<br />
Ende der achtziger und Anfang der neunziger<br />
Jahre wirkte Ehrlich zu den Hohen Feiertagen<br />
regelmäßig als Prediger in Berlins Synagogen<br />
und vertrat so mit seiner Persönlich keit den<br />
rationalen Geist der Aufklärung im deutschsprachigen<br />
Judentum. Ehrlich wirkte aber auch im<br />
politischen Raum, etwa als geschätzter Berater<br />
von Bundeskanzler Willy Brandt und Bundes -<br />
präsident Roman Herzog. Über Parteigrenzen<br />
hinweg förderte er Initiativen für die Erneuerung<br />
jüdischen Lebens und half, die Beziehungen zu<br />
Israel und der jüdischen Gemeinschaft in den<br />
USA zu festigen.<br />
Ehrlichs rationaler Geist wird durch diesen Band<br />
auch weiterhin Impulse vermitteln. Damit dies<br />
möglich wurde, haben sich viele engagiert. Vor<br />
allem bedanken möchten sich die Herausgeber<br />
bei Ernst Ludwig Ehrlichs Ehefrau Sylvia Ehrlich,<br />
die den Zugang zu seinem Werk ermöglicht hat.<br />
Eine Reihe großherziger Spender haben die editorische<br />
Arbeit unterstützt, um das Gedächtnis<br />
an diesen großen deutsch-jüdischen Religions -<br />
philosophen wach zu halten: Berthold Beitz und<br />
die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stif -<br />
tung, Monika Schoeller und der S. Fischer Verlag,<br />
Ernst Cramer und die Axel- Springer-Stiftung, die<br />
Hermann Maas Stiftung, Dr. Elisabeth Sprüngli-<br />
Halter sowie Staatssekretär Michael Mertes.<br />
Dafür ein ganz besonderer Dank. Auch Ehrlichs<br />
Mitherausgeber seiner bereits 1961 begonnenen<br />
Reihe „Studia Judaica“ beim Verlag Walter de<br />
Gruyter Berlin, Prof. Dr. Günter Stemberger, hat<br />
sich dafür besonders engagiert, ebenso wie der<br />
Lektor Dr. Albrecht Döhnert. Ohne die Hilfe von<br />
Hartmut Bomhoff und Johannes CS Frank wäre<br />
das nun vorliegende Ergebnis nicht denkbar.<br />
Walter Homolka und Tobias Barniske<br />
Ehrlich, Ernst Ludwig: Von Hiob zu Horkheimer.<br />
Gesammelte Schriften zum Judentum und seiner<br />
Umwelt. Hrsg. v. Homolka, Walter / Barniske,<br />
Tobias; <strong>2009</strong> | Leinen | Euro [D] 68,- / für USA,<br />
Kanada, Mexiko US$ 105,-. *<br />
ISBN 978-3-11-020257-1 | Reihe: Studia Judaica<br />
Forschungen zur Wissenschaft des Judentums 47<br />
eBook: ISBN 978-3-11-021270-9 | Unverb.<br />
Ladenpreis € 76,- [D] / *US$ 105,-<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Personalia<br />
Foto: privat<br />
Kantor Teron Shalom Cohen, der für ein Jahr als<br />
Interimskantor der Jüdischen Gemeinde zu Ber -<br />
lin an der Synagoge Oranienburger Straße tätig<br />
ist, unterstützt das <strong>Kolleg</strong>ium des Abra ham<br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> als Dozent für unsere Rab binerstu -<br />
denten. Sein Unterrichtsschwer punkt ist dabei<br />
die Liturgie für die Hohen Feiertage mit ihren<br />
bestimmten Motiven, ihrem Nussach und besonderen<br />
Melodien für Erew Rosch Haschana, den<br />
Seder HaTora, Mussaf L'Rosch Haschana, Erew<br />
Jom Kippur, Mussaf L'Jom Kippur und Neilah.<br />
Bevor er im Herbst nach Berlin kann, amtierte<br />
Cohen am Shelter Rock Jewish Center in Roslyn,<br />
New York. Von 2005 bis 2006 war er Kantor an<br />
der Gemeinde Beth Shalom in Pittsburgh, Penn -<br />
sylvania, und Nachfolger des großartigen Moshe<br />
Taube. Cohen absolvierte seinen Magis ter-<br />
Abschluss in „Sacred Music“ und erhielt sein<br />
„Diploma of Hazzan” am Jewish Theological<br />
Seminary of America in New York sowie seinen<br />
Musikhochschulabschluss mit dem Schwerpunkt<br />
vokale Darbietung an der University of Redlands,<br />
California. Folgende Auszeichnungen hat er er -<br />
halten: Richard H. Briskin Cantor-in-Residence<br />
Award, Broome and Allen Scholarship, Sephardic<br />
Scholarship, Leon Prize and Music Merit Scholar -<br />
ship.<br />
Kantor Cohen hat bereits viele Konzerte im<br />
Großraum New York gegeben und hat u. a. mit<br />
dem Chamber Vocal Ensemble der Jerusalem<br />
Academy of Music and Dance, dem Chor der<br />
Sutton Place Synagogue, dem Chor der Park<br />
Avenue Synagogue und dem Chor der Great<br />
Synagogue of Jerusalem gesungen. Derzeit studiert<br />
er Gesang bei der renommierten Berliner<br />
Sopranistin Abbie Furmansky. Er war auch langjähriger<br />
Schüler bei Kantor Noah Schall, einem<br />
international bekannten Lehrer für Chasanut.<br />
25<br />
Prof. Dr. Rüdiger Liwak ist vom <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong> zum Gastprofessor ernannt worden. Der<br />
Emeritus für Altes Testament und frühere Dekan<br />
der Theologischen Fakultät der Humboldt-Uni -<br />
versität Berlin hat für die Zeit vom 1. April <strong>2009</strong><br />
bis zum 31. März 2012 die Benno-Jacob-Professur<br />
für Hebräische Bibel inne. Benannt ist die Profes -<br />
sur nach dem Großvater von Walter Jacob, dem<br />
Präsidenten des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s.<br />
Rabbiner Benno Jacob (1862-1945) gilt als einer<br />
der bedeutendsten jüdischen Bibel kommenta -<br />
toren der Neuzeit.<br />
In diesem Winter semester bietet Professor Liwak<br />
am Potsdamer Institut für Religionswissenschaft<br />
eine Lehrver anstaltung zu „Israel in der Perser -<br />
zeit“ an. Die Perserzeit war nach dem Zusammen -<br />
bruch der vorexlischen Institutionen und nach<br />
der exilischen Zäsur eine entscheidende formative<br />
Epoche, in der das biblische Geschichtsbild ge -<br />
prägt, die Tora als Grundlage der Schrift entwickelt<br />
und damit die Religions- und Sozialstruk -<br />
turen des nachexilischen Judentums gestaltet<br />
wurden.<br />
Foto: B. Schubert
26<br />
Schalom Ben-Chorin (1973), Foto: Archiv<br />
Rechts oben: Die Familie von Schalom Ben-<br />
Chorin bei der Eröffnung seines rekonstruierten<br />
Jerusalemer Arbeitszimmers in München, Okt.<br />
<strong>2009</strong>. Foto: Stadtarchiv München<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Auf dem Weg zu<br />
<strong>Chanukka</strong><br />
Die Weihnachtsnacht des Jahres<br />
1928 bleibt mir unvergesslich,<br />
denn sie wurde zu einem Wende -<br />
punkt in meinem Leben. Der<br />
Fünfzehnjährige erfuhr schmerzlich<br />
die Weisung, die einst an seinen Stammvater<br />
<strong>Abraham</strong> ergangen war: Geh aus deinem<br />
Vaterland und von deiner Verwandtschaft und<br />
aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir<br />
zeigen will.<br />
Noch war die Stunde nicht gekommen für den<br />
Auszug aus dem Lande, wohl aber aus der Ver -<br />
wandtschaft und dem Vaterhause – und dies in<br />
wörtlichem Sinne. In meinem Elternhause<br />
pflegte man Weihnachten ähnlich zu begehen<br />
wie die Nachbarn, freilich wurde dabei der<br />
eigentliche, der religiöse Sinn dieses Festes ausgeklammert.<br />
Viele deutsche Juden hatten diese<br />
Gewohnheit angenommen, und schon im Hause<br />
von Adolf Schlüsselblum aus Landau in der<br />
Pfalz, meines Großvaters mütterlicherseits, der<br />
nun ebenso wie meine Eltern in München lebte,<br />
strahlte ein Weihnachtsbaum.<br />
Man fand verschiedene Vorwände für diese<br />
christliche Sitte im jüdischen Hause. Manche<br />
Familien behaupteten, diese schöne Sitte nur mit<br />
Rücksicht auf das christliche Dienstmädchen zu<br />
pflegen, andere wiederum, wie mein sehr deutschnationaler<br />
Onkel, der Arzt Dr. Kastan, betonten<br />
nicht zu Unrecht, dass der Christbaum mit<br />
dem Christentum ja eigentlich nichts zu tun<br />
habe, sondern ein Relikt des germanischen<br />
Julfestes darstelle und somit ein Symbol der<br />
Wintersonnenwende sei. Dabei wurde die Frage<br />
allerdings gar nicht gestellt, ob die Nachkommen<br />
der Kinder Israels unbedingt das germanische<br />
Brauchtum pflegen sollten.<br />
Bei uns, den Rosenthals, wurde das Weihnachts -<br />
fest überhaupt nicht debattiert. Man soll die<br />
Feste feiern wie sie fallen – das war die Philoso -<br />
phie des bürgerlichen Milieus, das mich umgab.<br />
Es wäre wohl für meine Schwester Jeanny und<br />
mich, ihren sechs Jahre jüngeren Bruder, auch<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
von Schalom Ben-<br />
Chorin (1913-1999)<br />
schmerzlich gewesen, wenn die festliche Nacht<br />
bei uns ohne Licht und Wärme geblieben wäre.<br />
Es kam uns nicht in den Sinn, dass es etwa um<br />
dieselbe Zeit der Wintersonnenwende ein jüdisches<br />
Lichterfest gibt, <strong>Chanukka</strong> genannt, das an<br />
den Sieg der Makkabäer über den Diadochen -<br />
könig Antiochus Epiphanes (167 v. Chr.) und an<br />
ein Ölwunder im Tempel zu Jerusalem erinnert.<br />
Das Tempelweihfest wird merkwürdigerweise<br />
nicht in der hebräischen Bibel, wohl aber im<br />
Neuen Testament, im Johannesevangelium<br />
(10,22) erwähnt. Es ist wahrlich paradox, dass im<br />
Evangelium zwar das jüdische <strong>Chanukka</strong>fest<br />
erwähnt wird, dass aber vom Datum der Geburt<br />
Christi nichts zu lesen ist.<br />
Das alles war mir in der Weihnachtsnacht des<br />
Jahres 1928 noch nicht bewusst, wohl aber spürte<br />
ich zutiefst, dass wir kein Recht hatten, ein<br />
Fest der Christenheit zu begehen und gleichzeitig<br />
an unserem Judentum festzuhalten. Es war<br />
eine schmerzliche Erkenntnis, denn ich liebte<br />
dieses Fest mit allen Sinnen. Schon etwa zwei<br />
Wochen vor Weihnachten wurde der eiskalte<br />
Salon abgesperrt, denn hier wurden die<br />
Geschenke gehortet, die uns dann am Heilig -<br />
abend auf dem mit einem Damasttuch bedeckten<br />
und mit Tannenreisern geschmückten Gabentisch<br />
erwarteten. Der Höhepunkt blieb für mich aber<br />
immer der Weihnachtsbaum selbst, den meist<br />
Mutter und Schwester prächtig schmückten. […]<br />
Der Berliner jüdische Anwalt und Humorist<br />
Sammy Gronemann, der später in Tel Aviv lebte,<br />
erzählte einmal, dass ein kleines jüdisches<br />
Mädchen aus dem Fenster guckt, den Weih -<br />
nachts baum in der Nachbarwohnung wahrnimmt<br />
und erstaunt ausruft: „Mutti, die Christen haben<br />
auch einen Weihnachtsbaum!“ Ferner wusste er<br />
zu berichten, dass sich ein jüdischer Junge zu<br />
Weihnachten einen <strong>Chanukka</strong>leuchter wünschte,<br />
der dann auch bescheiden-sinnig unter dem<br />
Lichterbaum stand. So schmerzlos synthetisch<br />
ging es bei uns nicht zu.
Die Rebellion meiner Jugend setzte genau dort<br />
ein, wo sie für mich selbst am qualvollsten war.<br />
Oscar Wilde sagt in seiner Ballade vom Zuchthaus<br />
Reading: „Denn jeder tötet, was er liebt.“<br />
Genau das musste ich nun erfahren, musste<br />
töten, was ich liebte, musste es in mir abtöten.<br />
Der Weihnachtsbaum war nur ein Symbol, er<br />
leuchtete in der Nacht unserer Verwirrung, sein<br />
Licht war mild und schon, aber – für uns – ein<br />
Irrlicht. Im Schimmer seiner Kerzen fühlten wir<br />
uns geborgen, meinten wir, zugehörig zu sein,<br />
fraglos eingetan in unsere Umwelt. Noch ahnten<br />
wir nicht die tödliche Gefahr dieser Illusion, aber<br />
der junge Mensch, der ich damals war, nach<br />
Klarheit und Wahrheit suchend, fühlte den<br />
Widerspruch, die Unlogik, die Illusion, die mit<br />
diesem Baum und diesem Fest im jüdischen<br />
Hause verbunden waren.<br />
Die Kunst des Schweigens habe ich nie gelernt.<br />
In der Jugend ist man wohl im allgemeinen noch<br />
weniger zum Schweigen geneigt. Schweigen,<br />
wenn man doch eigentlich widersprechen mochte,<br />
ist die Haltung der Resignation, die der<br />
Mensch erst durch eine unendliche Reihe von<br />
Enttäuschungen lernt. Resignation war sicher<br />
nicht mein Teil, Rebellion stand Jugend und<br />
Situation besser an. In unverblümter und sicher<br />
nicht sehr liebevoller Weise formulierte ich<br />
meine Absage an die häusliche Feier: „Ich mache<br />
diesen Klimbim nicht mehr mit!“<br />
Die Formulierung blieb mir im Gedächtnis haften,<br />
denn ich habe sie oft bereut. Der Ton macht die<br />
Musik – und dies war ein Misston. Er kontrastierte<br />
in schriller Dissonanz zu den melodischen<br />
Liedern des Abends, den vertrauten Gesängen<br />
von der stillen und heiligen Nacht, vom immer<br />
grünenden Tannenbaum und von dem Ros, das<br />
aus einer Wurzel zart entsprungen ist, „von Jesse<br />
war die Art“. […] Die Lieder waren schön, der<br />
Baum war noch schöner, die Geschenke prächtig.<br />
Und alles roch so gut nach Wachs und Lebkuchen,<br />
nach gebratenen Äpfeln und Marzipan. An den<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Spielen, die ich bekam, liebte ich am meisten die<br />
rot, gelb und blau glänzenden Schachteln, konnte<br />
mich nie entschließen, sie wegzuwerfen; eine<br />
Krankheit, an der ich bis heute leide. Und nun<br />
sollte all diese Herrlichkeit mit dem scheußlichen<br />
Wort Klimbim abgetan werden. Es schnitt<br />
mir, wie auch meiner lieben Mutter, durchs Herz,<br />
und es entflammte den Zorn meiner Schwester.<br />
Bei Konflikten dieser Art ist das peinlichste, dass<br />
alle recht haben. Das sah ich damals nicht, aber<br />
das sehe ich heute, obwohl ich noch immer<br />
meine, dass ich objektiv recht hatte, während<br />
Mutter und Schwester mehr in einem subjektiven<br />
Recht verharrten: Sie blieben beim Altgewohn -<br />
ten. […] Mir genügte das Dreitagejudentum<br />
nicht mehr. Ich wollte 365 Tage im Jahr meines<br />
Judentums bewusst sein, an das die Umwelt uns<br />
schmerzhaft genug erinnert hatte …“<br />
Aus: Schalom Ben-Chorin: Werke 1, Güters -<br />
loher Verlagshaus 2001<br />
Diejenigen, die Thora stu-<br />
dieren, spenden Licht, wo<br />
immer sie sind. Midrasch<br />
Schemot Rabba<br />
Helfen auch Sie uns mit Ihrer Spende beim<br />
Ausbau unseres Studienprogramms!<br />
Leo Baeck Foundation<br />
Stichwort: <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />
Kontonr. 90 37 284<br />
Deutsche Bank Berlin<br />
BLZ 100 700 00<br />
27
28<br />
<strong>Kescher</strong><br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
„Ich kenne einen guten Hamburger Christen, der sich nie darüber<br />
zufrieden geben konnte, daß unser Herr Heiland von Geburt ein Jude<br />
war. Ein tiefer Unmut ergriff ihn jedesmal, wenn er sich eingestehen<br />
mußte, daß der Mann, der, ein Muster der Vollkommenheit, die höchste<br />
Verehrung verdiente, dennoch zur Sippschaft jener ungeschneuzten<br />
Langnasen gehörte, die er auf der Straße als Trödler<br />
herumhausieren sieht, die er so gründlich verachtet, und die<br />
ihm noch fataler sind, wenn sie gar, wie er selber, sich dem<br />
Großhandel mit Gewürzen und Farbestoffen zuwenden, und<br />
seine eigenen Interessen beeinträchtigen.“<br />
Heinrich Heine, Shakespeares Mädchen und Frauen (1838)<br />
Auf der Suche nach<br />
dem verlorenen Jesus<br />
Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer<br />
Forschung / von Walter Homolka<br />
Auf den Blick könnte man meinen, Jesus aus<br />
jüdischer Sicht sei kein Thema, das Erfolg verspricht.<br />
Der britische Rabbiner Jonathan<br />
Magonet formulierte es so: „Tatsächlich ist die<br />
Frage, wer Jesus war oder gewesen sein mag, nur<br />
für sehr wenige Juden von Interesse. Oder, um<br />
noch genauer zu sein, für die meisten Juden hat<br />
Jesus so gut wie keine Bedeutung.“ Wo Juden<br />
mit Jesus und seiner Wirkungsgeschichte in<br />
Berührung kamen, waren die Erfahrungen auch<br />
eher negativ. Jahrhunderte der Verfolgung,<br />
Unterdrückung, erzwungenen Wanderschaft und<br />
Ausgrenzung im Namen Jesu prägen sich ein in<br />
die Erinnerung eines Volkes, das es im „christlichen<br />
Abendland“ alles andere als leicht hatte.<br />
Diese Erkenntnis macht aber auch neugierig auf<br />
die Frage, ob es eine substantielle<br />
Auseinandersetzung mit Jesus als Person gegeben<br />
hat, nicht bloß mit dem Christentum als konkurrierender<br />
Religion.<br />
William Horbury, Professor of Jewish and Early<br />
Christian Studies der Universität Cambridge und<br />
Fellow des Corpus Christi College, ist Verfasser<br />
des Eintrags „Jesus Christus in der Sicht des<br />
Judentums“ in der Lexikonreihe Religion in<br />
Geschichte und Gegenwart. Er beschreibt die<br />
jüdische Position markant: „Es gibt kein einheitliches<br />
Bild von Jesus Christus; man kann das<br />
Judentum darstellen, ohne ihn überhaupt zu<br />
erwähnen. Aus der Antike sind nur wenige talmudische<br />
und andere jüdische Berichte über Jesus<br />
erhalten. Später befassen sich mittelalterliche<br />
Verfasser, oft in apologetischem Kontext, intensiver<br />
mit ihm. Schließlich haben moderne jüdische<br />
Forscher wichtige Einsichten zur Leben-<br />
Jesu-Forschung beigetragen.“<br />
Beim Stichwort „Leben-Jesu-Forschung“ macht<br />
Horbury einem Verweispfeil zu Markus Schröders<br />
Artikel zum Thema. Dort wäre mehr über diejenigen<br />
Juden zu erfahren, die sich mit Jesus<br />
beschäftigt haben. Doch die Lektüre enttäuscht.<br />
Schröder entfaltet die ganze Leben-Jesu-<br />
Forschung von Reimarus bis Harnack, von<br />
Bultmann bis Theißen. Aber keiner der jüdischen<br />
Forscher der letzten zweihundert Jahre findet<br />
namentliche Erwähnung. Kann es sein, dass die
Auseinandersetzung des modernen Judentums<br />
mit Jesus so unbedeutend gewesen ist? Oder<br />
aber wird der jüdische Beitrag zur Leben-Jesu-<br />
Forschung so gering erachtet, dass er aus christlicher<br />
Sicht keine Erwähnung verdient?<br />
Es gibt sie nämlich, diese jüdischen Denker, die<br />
sich mit Jesus beschäftigt haben: <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong>, Joseph Klausner, Leo Baeck, Claude G.<br />
Montefiore, Robert Eisler, Joel Carmichael,<br />
Martin Buber, Schalom Ben-Chorin, Hans-<br />
Joachim Schoeps, Pinchas Lapide, David Flusser,<br />
Ben Zion Bokser, Robert Raphael Geis, Samuel<br />
Sandmel, Hyam Maccoby, Hans-Joachim Schoeps,<br />
Ernst Ludwig Ehrlich, Michael Wyschogrod, Jacob<br />
Neusner. Dies sind nicht einmal alle Namen derjenigen,<br />
die man hätte aufführen können, wenn<br />
man die neuzeitliche Beschäftigung des Juden -<br />
tums mit Jesus hätte darstellen wollen.<br />
Es ist die Geschichte einer seit dem 19. Jahrhun -<br />
dert zu beobachtenden „Heimholung Jesu“ in<br />
das Judentum: als exemplarischen Juden, als<br />
mahnenden Propheten, als Revolutionär und<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Freiheitskämpfer, als Großen Bruder und messianischen<br />
Zionisten. Den Anstoß dafür gaben<br />
Julius Wellhausen und die historisch-kritische<br />
Bibelwissenschaft. Wellhausen hat den Satz formuliert,<br />
an dem Christen wie Juden sich in der<br />
Folge abgearbeitet haben: Jesus war kein Christ,<br />
sondern Jude. Für jüdische Ohren des 19. Jahr -<br />
hun derts ein ganz erstaunlicher Satz. Er traf auf<br />
eine Gemeinschaft, die im Zuge der Aufklärung<br />
nach bürgerlicher Gleichstellung strebte und sich<br />
dabei durch die Idee vom „christlichen Staat“<br />
behindert sah. So wird schnell klar, dass diese<br />
jüdische Beschäftigung mit der zentralen Figur<br />
des Neuen Testaments nicht grundsätzlicher<br />
Natur gewesen ist. Sie erfolgte aus einem apologetischen<br />
Impuls: dem Wunsch nach Teilhabe an<br />
der allgemeinen Gesellschaft ohne Aufgabe der<br />
eigenen jüdischen Identität. Wie gut also, dass<br />
selbst Jesus Jude war.<br />
War Jesus aus jüdischer Sicht<br />
Pharisäer und Schriftge -<br />
lehrter? Vielleicht. War er<br />
Der Jesus-Skandal<br />
29<br />
Ein Liebermann-Bild im Kreuzfeuer der Kritik<br />
Das Geschrei war groß: Der Sohn Gottes ein<br />
schmutziger, „naseweiser Juden-Bengel“?<br />
Unerhört! Kaum ein Liebermann-Gemälde hat<br />
solch einen deutschlandweiten Skandal hervorgerufen<br />
wie Der zwölfjährige Jesus im Tempel<br />
von 1879. Grund hierfür war die ungewohnt naturalistische<br />
Darstellung des Jesusknaben. Man<br />
war entrüstet, wie er als jüdischer Maler es überhaupt<br />
wagen konnte, das christliche Thema zu<br />
malen. Die öffentliche, von antijüdischen<br />
Ressentiments genährte Empörung war so groß,<br />
dass sich sogar der Bayerische Landtag damit<br />
beschäftigte.<br />
Die Ausstellung in der Liebermann-Villa am<br />
Wannsee präsentiert das Skandalbild jetzt erstmals<br />
zusammen mit allen erhaltenen Vorarbei -<br />
ten, Ölstudien, Skizzen und Zeichnungen. Sie<br />
gibt Aufschluss über seine Entstehung und zeigt<br />
Liebermanns Vorbilder: Werke von Adolf Menzel,<br />
Rembrandt und anderen Künstlern. Dokumente<br />
und Texttafeln veranschaulichen die historische<br />
Kontroverse. Auf außergewöhnliche Art und<br />
Weise verbindet die Ausstellung damit Kunst-,<br />
Kultur- und Zeitgeschichte. Zur Ausstellung Der<br />
Jesus-Skandal erscheint ein gleichnamiger<br />
Katalog mit Aufsätzen und Abbildungen.<br />
22. November <strong>2009</strong> bis 1. März 2010<br />
Öffnungszeiten: Täglich außer dienstags 11 -<br />
17 Uhr. An Feiertagen geöffnet; am 24. und<br />
31. Dezember geschlossen. Eintritt: € 6 / € 4<br />
erm. Colomierstr. 3, 14109 Berlin<br />
www-liebermann-villa.de<br />
Abb.: Bereits überarbeitet: Liebermanns "Der<br />
zwölfjährige Jesus im Tempel" (1879). Foto:<br />
Kunsthalle Hamburg
30<br />
bedeutend? Ohne Zweifel. War<br />
der der Messias oder gar<br />
Gottes eigener Sohn? Nach<br />
jüdischem Verständnis nein.<br />
Im Jahr 1938, auf dem Höhepunkt des National -<br />
sozialismus, veröffentlichte Leo Baeck sein Buch<br />
Das Evangelium als Urkunde der jüdischen<br />
Glaubensgeschichte, in dem er nachzuweisen versuchte,<br />
dass Jesus sein ganzes Leben lang ein<br />
strenggläubiger Jude geblieben war, dem es niemals<br />
in den Sinn gekommen wäre, eine neue<br />
Religion zu begründen, geschweige denn sich als<br />
Gott verehren zu lassen: „Einen Mann sehen wir<br />
[…] vor uns, der in allen den Linien und Zeichen<br />
seines Wesens das jüdische Gepräge aufzeigt, in<br />
ihnen so eigen und so klar das Reine und Gute<br />
des Judentums offenbart, einen Mann, der als<br />
der, welcher er war, nur aus dem Boden des<br />
Judentums hervorwachsen konnte und nur aus<br />
diesem Boden hervor seine Schüler und Anhän -<br />
ger, so wie sie waren, erwerben konnte, einen<br />
Mann, der hier allein, in diesem jüdischen<br />
Bereiche […] durch sein Leben und in seinen Tod<br />
gehen konnte – ein Jude unter Juden.“<br />
Im Vorwort machte er seine Intention deutlich:<br />
„Auch die viel umstrittene Frage, wie aus der<br />
200 Years of Progressive<br />
Judaism in Europe and<br />
100 Years in Paris<br />
To be hosted by our Paris congregations<br />
Communaute Juive Franco-Anglophone de Paris<br />
(Kehilat Gesher)<br />
Communauté Juive Libérale - Ile de France<br />
Mouvement Juif Libéral de France (MJLF)<br />
Union Libérale Israélite de France (ULIF - Rue<br />
Copernic)<br />
You are invited to join us start the celebrations<br />
marking the 200th anniversary of Liberal and<br />
Reform Judaism in Europe.<br />
Opening Ceremony to be held in the Salle des<br />
Fetes of the Hotel de Ville hosted by the Mayor<br />
of Paris.<br />
This is an exact replica of the historic room<br />
where Napoleon's Sanhedrin was convened.<br />
<strong>Kescher</strong><br />
alten Botschaft von Jesus, dem Messias, die<br />
Evangelien […] geworden sind, kann – ganz wie<br />
die Frage nach dem anfänglichen Sinn dieser<br />
Verkündung – nur von einem aus beantwortet<br />
sein: von dem Bereiche her, in dem alles dieses<br />
Geschehen hervorgewachsen ist. […] Erst wenn<br />
die Weise der mündlichen Überlieferung, wie sie<br />
im Judentum Palästinas damals lebte, in ihrem<br />
Seelischen, in ihrem dichtenden Erzählen und<br />
Vernehmen, verstanden ist, kann auch Zusam -<br />
menklang wie Zwiespalt in unseren Evangelien<br />
begriffen sein. Nicht um Quellenschriften, aus<br />
denen sie zusammengefügt seien, handelt es<br />
sich, sondern um Tradition, in der sie entstanden<br />
sind.“ – „Ein Leben Jesu kann geschrieben werden,<br />
insoweit das vermocht wird, nur wenn das<br />
erschlossen ist, was einst das Geschlecht nach<br />
Jesus erzählt und weitergetragen hat.“ – „Es ist<br />
kein Herbeigerufenes, sondern ein Erschienenes,<br />
wenn damit das Evangelium als ein Stück jüdischer<br />
Geschichte, und kein geringes, als ein<br />
Zeugnis jüdischen Glaubens hervortritt.“<br />
Aus: Walter Homolka: Jesus von Nazareth im<br />
Spiegel jüdischer Forschung im Spiegel jüdischer<br />
Forschung. Jüdische Miniaturen, Bd. 85,<br />
Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin u. Teetz<br />
<strong>2009</strong>, ISBN 978-3-941450-03-5, € 87,-<br />
Keynote lectures by Rabbi Professor Marc<br />
Saperstein, Alexandre Adler, Diana Pinto, Rabbi<br />
Stephen Berkowitz and Rabbi Pauline Bebe.<br />
Experience Shabbat with our Paris communities<br />
and enjoy a century of Progressive Judaism in<br />
France in one weekend.<br />
Join with us to look at how our movement has<br />
developed over the past 200 years, the challenges<br />
we have faced and where we go from here<br />
Registration fee £275/290€/$470 for early bird<br />
registrations. As well as the opening ceremony,<br />
this includes all meals Friday and Saturday, lunch<br />
Sunday, conference refreshments and transport<br />
from MJLF to the various events.<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
„Heinrich Heine erzählte von einem Hamburger<br />
Christen, ‚der sich nie darüber zufrieden geben<br />
konnte, dass unser Herr Heiland von Geburt ein<br />
Jude war’. [...] Nicht nur vielen Christen, auch<br />
den meisten Juden war diese Wahrheit lange<br />
fatal, wie Walter Homolka in seinem lesenswerten<br />
Büchlein über ‚Jesus von Nazareth im Spiegel<br />
jüdischer Forschung’ darstellt. […] Im Zuge der<br />
Aufklärung wurde christlicherseits versucht,<br />
unter dem Schutt des Mythos den ‚historischen<br />
Jesus’ zu finden. Und dieser historische Jesus<br />
war Rabbiner in der jüdischen, speziell der pharisäischen<br />
Tradition. Für aufgeklärte Juden schien<br />
dieser Jesus ein Ende der Diskriminierung zu verheißen.<br />
Der Rabbiner Homolka, Rektor des <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s und Autor zahlreicher Bücher, verfolgt<br />
die Geschichte dieses christlich-jüdischen<br />
Dialogs über den historischen Jesus bis zum<br />
Jesus-Buch Joseph Ratzingers, mit dem das<br />
Gespräch abrupt abgebrochen worden ist. Denn<br />
Ratzinger erklärt die Suche nach dem historischen<br />
Jesus von vornherein für sinnlos. Jesus<br />
könne man nur ‚vom Glauben her’ - und das<br />
heißt: von den Lehren der Kirche her - verstehen.<br />
Wenn der historische - also jüdische - Jesus diesen<br />
Lehren widerspricht, umso schlimmer für<br />
ihn.“ Alan Posener in „Die Welt“, 25.10.<strong>2009</strong><br />
Celebrate with us<br />
4th - 7th March 2010<br />
Paris, France<br />
Travel costs to/from Paris and hotel costs are not<br />
included. Special rates have been negotiated at<br />
Novotel and other local hotels (see registration<br />
form).<br />
Our conference is preceded by the WUPJ Executive<br />
Board and International Assembly Meetings Our<br />
Rabbis also have a special Kallah for them to spend<br />
time studying together. Netzer Europe madrichim are<br />
also coming together for a parallel conference.<br />
For a registration form or more details contact<br />
Kathryn Michael, European Region of the World<br />
Union for Progressive Judaism, 80 East End Road,<br />
London N3 2SY, +44 (0)20 8349 5651 / +44 (0)7956<br />
815764, europeanregionwupj@googlemail.com
Traueranzeige<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Nathan Kalmanowicz sel. A., 1946 in München geboren, starb am 23. Oktober <strong>2009</strong> nach schwerer Krankheit in München und wurde in Jerusalem bestattet.<br />
31<br />
Auf Initiative der Rabbinerstudenten und<br />
unter Leitung von Rabbiner Tovia Ben-<br />
Chorin fand am 30. Oktober eine Gedenk -<br />
feier zur Yahrzeit von <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> statt.<br />
<strong>Geiger</strong> starb 1874 in seiner Wohnung in der<br />
Rosenthaler Straße 40 an den Folgen eines<br />
Hirnschlags, kurz vor Beginn seines sechsten<br />
Semesters an der Hochschule, für die Wis -<br />
sen schaft des Judentums, für das er bereits<br />
eine Vorlesung über „Stellung, Lehr inhalt<br />
und Aufgabe des Judentums in der Gegen -<br />
wart“ angekündigt hatte. Was das Ziel aller<br />
seiner Bemühungen war, hatte <strong>Geiger</strong> ein<br />
gutes Jahr vor seinem Tod formuliert: „Die<br />
Gleichberechtigung des Judentums mit den<br />
anderen Konfessionen.“ Die Trauerfeier fand<br />
am 26.10.1874 in der Neuen Synagoge in<br />
der Oranienburger Straße statt, in „der<br />
Haupt stätte seiner bisherigen Wirksamkeit“,<br />
wie es in der Allgemeinen Zeitung des<br />
Juden tums hieß; man beerdigte ihn er in der<br />
Ehrenreihe auf dem Jüdischen Friedhof in<br />
der Schönhauser Allee. Am 24. Mai 1875<br />
wurde dort der Grabstein mit der Inschrift<br />
„Die jüdische Gemeinde Berlin ihrem unvergessenen<br />
Lehrer und Führer <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong>“ enthüllt. Seine Grabstätte wird heute<br />
als Ehrengrab des Landes Berlin gepflegt.<br />
Foto: Tobias Barniske
32<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Lynn Magid Lazar bei ihrer ersten Rede als WRJ-Präsidentin in Toronto. Foto: WRJ<br />
Dear Friends at <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College,<br />
As the newly installed President of Women of<br />
Reform Judaism, I am thrilled to bring you<br />
Chanukah greetings at this joyous holiday season.<br />
As we light the Chanukah candles in our<br />
homes around the world, I wish you health,<br />
peace, happiness and the blessings of freedom.<br />
Women of Reform Judaism is blessed to share<br />
the joys and accomplishments of all that we<br />
do together with <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> College.<br />
WRJ, since its inception in 1913, has been<br />
working to ensure a future for Reform Judaism<br />
and to make our world a better place – tikkun<br />
olam. The power of women working in our<br />
world - the power of sisterhood - is no less<br />
important today than it was in 1913. I know<br />
that the lights of the Chanukiah will remind us<br />
of our shared commitment to ensuring a<br />
vibrant future for progressive Judaism. We<br />
look forward to enriching our partnership as<br />
we join together – stronger together.<br />
Lynn Magid Lazar<br />
Women of Reform Judaism President<br />
Anfang November fand in Toronto parallel zum<br />
Biennial der Union of Reform Judaism auch die<br />
47. Versammlung der Women of Reform Judaism<br />
statt. Die Women of Reform Judaism sind die<br />
Frauenvereinigung der Union for Reform Juda -<br />
ism, des Dachverbandes der jüdischen Reform -<br />
bewegung in Nordamerika. 1913 als „The Natio -<br />
nal Federation of Temple Sisterhoods“ (NFTS)<br />
gegründet, vertreten die WRJ heute mehr als<br />
65.000 Frauen in 500 Gruppen in Nordamerika<br />
und weltweit. Ein Höhepunkt dieser Tagung unter<br />
dem Motto „Sustaining Our World“ war die Ver -<br />
abschiedung der bisherigen Präsidentin Rosanne<br />
M. Selfon und die Amtseinführung ihrer Nach -<br />
folgerin Lynn Magid Lazar. Bei einem Luncheon<br />
zu Gunsten des YES Fund der WRJ sprach auch<br />
Rabbiner Walter Homolka, der den Sisterhoods<br />
für ihre Förderung der Rabbinerausbildung auch<br />
in Deutschland dankte.<br />
Die WRJ verstehen es als ihren Auftrag, die<br />
Zukunft des Reformjudentums zu sichern, und<br />
engagieren sich für die Erziehung und Ausbil -<br />
dung künftiger Führungskräfte für die Sister -<br />
hoods und Synagogengemeinden. Die Schwer -<br />
punkte liegen dabei bei der Mitgliederwerbung,<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
„Sustaining Our World“<br />
Frauenpower im Dienste<br />
der Reform<br />
Fundraising, Führungskräftetraining, Einsatz für<br />
soziale Gerechtigkeit sowie bei der Entwicklung<br />
innovativer und spirituellen Programmangebote.<br />
Mit ihrem YES Fund (Youth, Education, and<br />
Special Projects) leisten die WJR auch finanzielle<br />
Unterstützung für Rabbinerstudenten, für die<br />
Jugendarbeit der Reformbewegung sowie für<br />
Programme, die Frauen und Kindern in Israel und<br />
den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion<br />
zu Gute kommen.<br />
1935 gelang es den Sisterhoods, fünf deutsche<br />
Rabbinerstudenten in die USA zu holen und so<br />
vor der Verfolgung zu retten. Heute engagieren<br />
sie sich für die Rabbinerausbildung am <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, indem sie Stipendien gewährenn.<br />
Die WJR haben auch die Mittel für den Aufbau<br />
einer Music Library für unser Jewish Insitute of<br />
Cantorial Arts bereit gestellt. Vor zwei Jahren<br />
erhielt unser <strong>Kolleg</strong> zudem durch die Vermittlung<br />
der WRJ auch eine Torarolle, ein Geschenk von<br />
Rosanne Selfons Gemeinde Shaarai Shomayim in<br />
Lancaster, Pennsylvania. 2008 waren Lynn Magid<br />
Lazar und die WRJ-Executive Director Shelley<br />
Lindauer bei uns im Berlin zu Gast.
A Berlin Rabbinical<br />
Student in Jerusalem<br />
Paul M. Strasko, Rabbinical Student, <strong>Abraham</strong><br />
<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />
After preparing for the move to rabbinical school<br />
at <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> in Potsdam, Germany, I got the<br />
news in April of 2008 that <strong>Geiger</strong> had signed an<br />
agreement with Hebrew Union Collge - Jewish<br />
Institute of Religion. Would I be interested in<br />
going to Jerusalem instead?<br />
As an American, my first days at HUC-JIR/ Jeru -<br />
salem in July 2008 were continuously punc -<br />
tuated by double-takes when introduced as an<br />
<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> student. Despite my<br />
Montana birth and American passport, I nonetheless<br />
saw myself and was seen as a European<br />
student. Most poignantly, while visiting Yad<br />
Vashem as part of the weekly “Israel Seminar,” a<br />
fellow student asked me as we watched a film of<br />
the Nuremberg Nazi rally grounds, “How many<br />
people were there? What were they thinking?”<br />
How did I suddenly become the expert on<br />
<strong>Kescher</strong><br />
German Volk-Psychology? I answered as best as I<br />
could and accepted my surprise role.<br />
The four international students at HUC-JIR that<br />
year, two from Leo Baeck College in London, two<br />
from <strong>Geiger</strong>, spent the year soaking in as much as<br />
possible from the experience while trying to<br />
interject as much of the Old World as possible.<br />
We led a special “German” service for the Reform<br />
Liturgy Workshop with liberal doses of Lewan -<br />
dowski, Sulzer, and readings in the vernacular of<br />
“our” tradition. It was important to us to use the<br />
German language in worship – to reclaim the<br />
language of Buber and Heine from the National<br />
Socialists.<br />
Paul Strasko mit Prinzessin Irina zu Sayn-<br />
Wittgenstein am 18. Juni in Berlin. Foto: privat<br />
Choosing rabbinical school in Germany is a guaranteed<br />
lightening rod across the Jewish world.<br />
Reactions to my story have run the continuum<br />
from looks of confusion to outright hostility and<br />
anger. My answer: “We are going to serve the<br />
German community so that you do not have to.”<br />
When I started looking at rabbinical schools in<br />
2004, I discovered that a new progressive rabbinical<br />
seminary, the first since he Shoah, had opened<br />
in Germany in 1999. I felt drawn to the poignant<br />
act of tikkun olam that the Jewish Wieder -<br />
aufbau (rebuilding) in Germany represented. In<br />
reality, Progressive leadership in America and in<br />
Central Europe demands two different perspectives.<br />
The mere comparison of the nearly thousand<br />
Reform shuls in the States and the slightly more<br />
than 20 liberal communities in Germany makes<br />
the necessity of a different approach obvious. In<br />
Walter Homolka beim YES Fund Luncheon mit<br />
Shelley Lindauer (Mitte) und Rosanne Selfon<br />
(unten) Fotos: WRJ<br />
33<br />
Germany we are project managers as much as spiritual<br />
leaders, attempting to help realize a complete<br />
rebuilding.When we speak of minhag we<br />
count our tradition in years instead of decades or<br />
generations.<br />
“You are truly moving to Germany forever?”<br />
asked a friend a few hours after our last finals<br />
marked the conclusion of the Year-In-Israel. I<br />
reiterated the open invitation to host my colleagues<br />
should they ever visit Berlin. “I never wanted<br />
to visit Germany before,” commented another,<br />
“but now I think I want to –need to.”With<br />
that, the year was proved a success, a little bit of<br />
the universe was repaired, and we all went to our<br />
separate campuses.<br />
Germany Close Up<br />
Joshua Leighton, Rabbinical Student, HUC-JIR /<br />
Cincinnati<br />
… Two of the most powerful experiences of the<br />
trip, however, came while we were interacting<br />
with the <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, the progressive<br />
rabbinical (and now cantorial)school affiliated<br />
with the University of Potsdam. While the college<br />
‚campus’ only spans one office suite in a city<br />
building, the enthusiasm of the staff as they described<br />
their program made me very proud.<br />
What made me even more proud was what immediately<br />
followed that meeting.We met with the<br />
<strong>Geiger</strong> students for Shabbat services and a potluck<br />
dinner at the Jewish Museum of Berlin.<br />
While the museum and sharing Shabbat with our<br />
<strong>Geiger</strong> peers were powerful experiences, what<br />
made the night even more extraordinary was<br />
what happened when the museum closed and we<br />
had to leave. We hadn’t yet recited the Birkat<br />
HaMazon or sung Shabbat zemirot. So what did<br />
we do? We sat outside on the steps of the muse -<br />
um, in the streets of Berlin, and together – HUC-<br />
JIR students, <strong>Geiger</strong> students, and one of the<br />
<strong>Geiger</strong> faculty rabbis – we sang our hearts out,<br />
drawing the curiosity of passersby. We sang and<br />
we prayed. We ended the evening by singing<br />
Hatikvah.<br />
Aus: „The Chronicle”, Hebrew Union College -<br />
Jewish Institute of Religion, Issue 72 / <strong>2009</strong>
34<br />
Am 17. Juli 2010, dem 200. Jahrestag der Eröff -<br />
nung der weltweit ersten Reformsynagoge in<br />
Seesen, wird Ruth Cohen (Herzliya, Israel) in<br />
Berlin mit dem Israel Jacobson Preis der Union<br />
progressiver Juden in Deutschland ausgezeichnet.<br />
Der undotierte Preis wird von der Union progressiver<br />
Juden in Deutschland alle zwei Jahre<br />
verliehen, um Meilensteine des liberalen Juden -<br />
tums zu würdigen. Benannt ist er nach Israel<br />
Jacobson (1768-1828), dem Wegbereiter der jüdischen<br />
Reformbewegung in Deutschland. Ruth<br />
Cohen hat sich als Präsidentin der World Union<br />
for Progressive Judaism gegenüber der Bundes -<br />
regierung und dem Zentralrat der Juden in<br />
Deutschland über Jahre hinweg für die Anerken -<br />
nung und Gleichbehandlung des liberalen Juden -<br />
tums in Deutschland eingesetzt.<br />
Ruth Cohen wuchs in einer orthodox ausgerichteten<br />
Familie in London auf, die einer Gemeinde<br />
<strong>Kescher</strong><br />
Ruth Cohen mit dem damaligen israelischen Botschafter Dr. Avi Primor 1997 in München. Foto: Peter Kneffel<br />
7. Jahrgang | Ausgabe 1<br />
Israel Jacobson Preis<br />
2010 für Ruth Cohen Die Union progressiver Juden<br />
in Deutschland zeichnet frühere<br />
der Federation of Synagogues angehörte, die sie<br />
selbst als „right of centre“ bezeichnet und um<br />
die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert besonderes<br />
für osteuropäische Zuwanderer attraktiv<br />
war, die sich mit der durch und durch anglisierten<br />
United Synagogue schwer taten. „Meine<br />
Großeltern waren schon zu Beginn des 20. Jahr -<br />
hunderts begeisterte Zionisten, und mein Groß -<br />
vater besuchte in den 1930-er Jahren wiederholt<br />
Palästina und schuf so für die ganze Familie<br />
unsere lebenslange Verbundenheit mit Israel“,<br />
erinnert sich Cohen. Während des Zweiten Welt -<br />
kriegs war sie für Jahre von ihrer Familie und<br />
vom jüdischen Gemeindeleben getrennt - eine<br />
Erfahrung, die sie nachempfinden lässt, was es<br />
bedeutet, in Mitteleuropa ganz wieder ganz von<br />
vorne mit jüdischer Erziehung und Identitäts -<br />
findung beginnen zu müssen. Nach ihrer Heirat<br />
mit Harvey Cohen und der Geburt ihrer beiden<br />
WUPJ-Präsidentin aus<br />
Söhne schloss sich die Familie in den frühen<br />
1960-er Jahren einer Reformgemeinde an. Ruth<br />
engagierte sich zunächst in der Women’s Guild,<br />
stieg allmählich in die Gemeindeleitung auf und<br />
wurde erst Vorsitzende ihrer Synagogen gemei -<br />
nde, dann der Reform Synagogues of Great<br />
Britain (heute Movement for Reform Judaism).<br />
In dieser Funktion bekam sie mehr und mehr mit<br />
der World Union for Progressive Judaism zu tun<br />
und wurde schließlich für vier Jahre deren<br />
Präsidentin. 1999 machten Ruth und Harvey<br />
Alijah. Ihr Sohn Jonathan lebt mit seiner Familie<br />
ebenfalls in Israel, Sohn David in NewYork. Ruth<br />
Cohen ist derzeit Präsidentin der European<br />
Region der World Union for Progressive Judaism.<br />
Frühere Preisträger waren Walter Homolka, Uri<br />
Regev, Walter Jacob, Henry G. Brandt, Ernst<br />
Ludwig Ehrlich* und William Wolff.