Au s g ab e 02/1 0 Sicherheit in der Infusionstherapie II
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lience – Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit gegenüber Fehlern – ist für Rall <strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> Stichwort. Er illustriert es mit e<strong>in</strong>em<br />
Bild: „Man impft die Organisation gegen Fehler, ähnlich wie bei<br />
<strong>der</strong> Grippe. Die Impfung hilft ihnen gar nichts gegen die Infektion,<br />
sie kriegen den Virus, <strong>ab</strong>er sie werden nicht sterbenskrank, die<br />
Erkrankung verläuft mil<strong>der</strong>.<br />
Letztendlich müsse sich die Kultur an e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik, ja, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>sgesamt än<strong>der</strong>n. „Sie können nicht sagen, <strong>ab</strong> 2011 h<strong>ab</strong>en wir<br />
e<strong>in</strong>e gute <strong>Sicherheit</strong>skultur, son<strong>der</strong>n das muss von allen mitgetragen<br />
werden, verstanden werden.“ Nur e<strong>in</strong>e Vielzahl von Maßnahmen<br />
br<strong>in</strong>ge im Zusammenspiel e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung hervor. „Wenn Sie<br />
e<strong>in</strong> IRS e<strong>in</strong>führen, dann <strong>ab</strong>er doch Fehler sanktionieren, funktioniert<br />
es nicht. Wenn Sie das IRS zwar gut <strong>in</strong>stallieren, <strong>ab</strong>er ke<strong>in</strong><br />
Teamtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Simulator h<strong>ab</strong>en, werden Sie ke<strong>in</strong>en <strong>ab</strong>soluten Erfolg<br />
erzielen.“ Dies alles e<strong>in</strong>zuführen, erfor<strong>der</strong>e zu Beg<strong>in</strong>n gewisse<br />
Ressourcen und ganz klar auch Geld. E<strong>in</strong> Haken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte,<br />
wie Rall weiß.<br />
Zum e<strong>in</strong>en zeigten sich Geschäftsleitungen <strong>in</strong> solchen Fällen gern<br />
sparsam. Zum an<strong>der</strong>en nennt er e<strong>in</strong>en weiteren Grund: „Erleidet<br />
e<strong>in</strong> Patient wegen e<strong>in</strong>er fehlerhaften Operation e<strong>in</strong>en Hirnschaden,<br />
und ist <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik juristisch ke<strong>in</strong> Vergehen nachzuweisen, erleidet<br />
die Kl<strong>in</strong>ik dadurch kaum e<strong>in</strong>en fi nanziellen Schaden.“ Rall verweist<br />
auf die volkswirtschaftlichen Folgen: Der Patient arbeite nicht<br />
mehr, Steuere<strong>in</strong>nahmen fi elen weg, <strong>der</strong> Betroffene werde zum<br />
Pfl egefall und verursache dadurch Kosten.<br />
Patient<strong>in</strong> zum Arzt und weiß jetzt, für ihn<br />
gibt es so etwas nicht verpfl ichtend.<br />
HCJ: Ganz viel wird bei Ihnen von Rout<strong>in</strong>e<strong>ab</strong>läufen<br />
geprägt, es gibt Checklisten<br />
für bestimmte Abläufe: Ärzte argumentieren<br />
oft, die Fälle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> seien<br />
zu komplex für Standardisierungen.<br />
Wie sehen Sie das?<br />
den Boer: Wenn man etwas sicherer machen<br />
kann, warum tut man es dann nicht?<br />
Ich will mich ke<strong>in</strong>esfalls über die Ärzte erheben<br />
und behaupten, ich wüsste es besser.<br />
Aber wenn die D<strong>in</strong>ge so komplex s<strong>in</strong>d,<br />
ist es dann nicht noch wichtiger, Standards<br />
zu h<strong>ab</strong>en?<br />
HCJ: Und was ist mit <strong>Au</strong>snahmefällen?<br />
den Boer: Die muss man tra<strong>in</strong>ieren! Für<br />
<strong>Sicherheit</strong><br />
Piloten ist es Pfl icht, zweimal im Jahr <strong>in</strong><br />
den Simulator zu gehen, dort zu tra<strong>in</strong>ieren<br />
und geprüft zu werden. Wir bekommen<br />
Noten für unsere technischen Fähigkeiten,<br />
<strong>ab</strong>er auch für unsere Entscheidungsfi ndung<br />
und Teamkommunikation. Wenn<br />
ich zweimal <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Prüfungse<strong>in</strong>heit<br />
durchfalle, kann ich im schlimmsten Fall<br />
me<strong>in</strong>en Job verlieren. E<strong>in</strong>mal im Jahr wird<br />
e<strong>in</strong> Notfalltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für die Evakuierung<br />
e<strong>in</strong>es Flugzeugs <strong>ab</strong>solviert. <strong>Au</strong>ßerdem gibt<br />
es e<strong>in</strong>mal im Jahr sogenannte L<strong>in</strong>echecks,<br />
bei denen e<strong>in</strong> Prüfer uns bei e<strong>in</strong>em normalen<br />
L<strong>in</strong>ienfl ug über die Schulter schaut und<br />
unsere Leistung bewertet.<br />
Klar, ke<strong>in</strong>er mag es, dauernd beobachtet<br />
zu werden, und für Mediz<strong>in</strong>er wäre es<br />
zunächst sehr ungewohnt. Aber für uns<br />
Krankenkassen, Pfl egeversicherungen o<strong>der</strong> Haftpfl ichtversicherungen<br />
für die F<strong>in</strong>anzierung solcher <strong>Sicherheit</strong>s-Simulationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
<strong>in</strong>s Boot zu holen, sei bisher nicht systematisch gelungen,<br />
berichtet Rall. Deswegen sieht er die Notwendigkeit, für Patientensicherheitssysteme<br />
zu werben, „auf ganz hoher politischer<br />
Ebene“. „Für Deutschland lohnt es sich Patientenschäden zu reduzieren,<br />
ethisch und wirtschaftlich.“ Rall schwebt e<strong>in</strong> Programm<br />
vor, das zunächst fünf Jahre <strong>in</strong> die verbesserte <strong>Au</strong>sbildung des<br />
Mediz<strong>in</strong>personals <strong>in</strong>vestiert und dann prüft, wie viel Geld gespart<br />
wurde. Er ist sich sicher, dies laufe auf e<strong>in</strong>e bessere Behandlung<br />
<strong>der</strong> Patienten h<strong>in</strong>aus, die Sozialversicherungen hätten weniger<br />
Pfl egefälle zu versorgen.<br />
Doch Rall bleibt Realist: „Falls das nicht funktioniert, muss es über<br />
öffentlichen Druck und Konkurrenz gehen.“ Wenn Patienten zunehmend<br />
wissen wollten, ob das Personal auch <strong>in</strong> Simulationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
geschult worden sei. Wenn <strong>der</strong> Bankdirektor auf dem<br />
Golfplatz den Chefarzt danach frage. Dann wolle wohl niemand<br />
sich e<strong>in</strong>e Blöße geben, solche Schulungen nicht anzubieten o<strong>der</strong><br />
riskieren, dass die Patienten e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Kl<strong>in</strong>ik wählen.<br />
Für Hobbys hat <strong>der</strong> dreimalige Vater und Ehemann nicht viel Zeit.<br />
„Ich muss wirklich sagen, ich gehe <strong>in</strong> diesem Thema auf, weil ich<br />
e<strong>in</strong>fach immer noch so viele Sachen bewegen will. Und meistens<br />
geht es mir zu langsam.“<br />
ist es Teil des Berufs und bereitet uns<br />
auf Notfälle, so gut wie es geht, vor.<br />
HCJ: H<strong>ab</strong>en Sie e<strong>in</strong> Beispiel dafür,<br />
dass es gut ist, sich im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit<br />
Notsituationen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen?<br />
den Boer: Ja, fast allen von uns ist die<br />
geglückte Notlandung im Januar 2009<br />
auf dem Hudson River <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung.<br />
Kapitän Chesley Burnett Sullenberger<br />
ist selbst Pilotentra<strong>in</strong>er und hatte sich<br />
mit Notwasserungen schon beschäftigt.<br />
Das kam ihm nun zugute. Übrigens wurde<br />
<strong>der</strong> Fall sofort <strong>in</strong>s Simulatortra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
übersetzt und wir h<strong>ab</strong>en dort <strong>in</strong>zwischen<br />
alle e<strong>in</strong>e Notwasserung tra<strong>in</strong>iert.<br />
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