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18 GESUNDHEIT<br />

Ulrich Straeter – ein Schriftsteller aus Berghofen Dr. Albin Lenhard<br />

Zwei bekannte Persönlichkeiten Berghofens führt der Wikipedia-Artikel<br />

über diesen Ort auf, den Fußballer Alfred Schmidt und den Ringer Fritz<br />

Weikart. Aller guten Dinge sind bekanntlich drei und deshalb sollte unbedingt<br />

Ulrich Straeter hinzugefügt werden, ein deutscher Autor, Herausgeber<br />

und Verleger, der zu den renommierten Schriftstellern Nordrhein-Westfalens<br />

gehört.<br />

Ulrich Straeter, der 1941 in Berghofen geboren wurde, auf dem Falterweg<br />

zwischen Wittbräucker- und Berghofer Straße mit den anderen<br />

Kindern spielte, den nahen Wald unsicher machte und im verbotenen<br />

Steinbruch in Schüren kletterte.<br />

Drei Generationen der Straeters lebten im Haus Falterweg 34. Großvater<br />

Karl Straeter war Anfang des 20. Jahrhunderts als Lehrer aus Minden<br />

nach Dortmund versetzt worden, heiratete dort seine Frau Hedwig,<br />

geb. Buse, aus Wellinghofen. Sein Sohn Kurt Straeter praktizierte in<br />

Berghofen als Zahnarzt. Zu seinen Kunden gehörten vornehmlich die<br />

Arbeiter der Dortmund-Hörder Hüttenunion (DHHU), des so genannten<br />

Phönix. Ulrich Straeter besuchte die im Oberdorf gelegene Jahnschule<br />

und wechselte – weil die Dortmunder Gymnasien weiter entfernt lagen<br />

– auf das Friedrich-Bährens-Gymnasium nach Schwerte. Das konnte<br />

man noch mit der Schmalspur-Straßenbahn erreichen, die bis 1954 von<br />

Hörde über den Freischütz ins Schwerter Tal fuhr. Später durchlief Straeter<br />

eine Bankausbildung in Dortmund und wechselte dann zur Zollverwaltung<br />

in Essen.<br />

Wer sich in diese Zeiten versetzen will, sollte unbedingt den im vergangenen<br />

Jahr erschienenen Band mit Kurzgeschichten Straeters kaufen<br />

und lesen: „Eickmeiers Traum und andere Geschichten“ ( Brockmeyer<br />

Verlag, Bochum).<br />

Hier ist von jenem Falterweg die Rede, der sich von einer Hauptstraße<br />

zur anderen zwischen den Häusern und Vorgärten hindurch schlängelte,<br />

der mit Lehm und Asche bedeckt war. Ein idealer Spielplatz für Kinder:<br />

„Abends kamen die Väter zu Fuß oder mit dem Fahrrad von der Arbeit die<br />

Straße herauf. Sie arbeiteten fast alle beim Phönix in Hörde, das waren<br />

der Hochofen und die Eisenhütte der Dortmund-Hörder-Hüttenunion, die<br />

später vom Konzern Hoesch aufgekauft wurde … war es Zufall, dass die<br />

Hütte im Tal lag, die Männer morgens ohne Anstrengung bergab laufen<br />

oder mit ihren Rädern fahren konnten, sich aber abends nach zehn oder<br />

zwölf Stunden Plackerei mühsam den Berg hochquälen mussten?“.<br />

Das „Oberdorf“ spielt in einer der Geschichten eine Rolle, weil sich ein<br />

gefürchteter Schläger aus dem „Unterdorf“ seine späte Rache nimmt.<br />

Ulrich Straeter ist ein Autor, der voller Mitgefühl und kluger Überlegung<br />

auf die Situation der von ihm geschilderten Menschen eingeht. Auch<br />

die abendliche Szenerie der Nachkriegszeit in Berghofen wird von ihm<br />

genau geschildert:<br />

„Wenn es dunkel wurde, konnte man den hellen, rötlichen Schein der<br />

Hochöfen zuckend am Himmel sehen. Nachtschicht! Wir wussten noch<br />

nicht, was das bedeutete, liefen den Vätern entgegen. Die Freude wich<br />

der Enttäuschung, wenn einige von uns gleich mit nach Hause genommen<br />

wurden. Die Väter wollten ihre Kinder auch mal um sich haben.<br />

Drei Mal am Tag rief die Sirene die Arbeiter zum Werk, um sechs Uhr<br />

morgens, mittags um zwei und am Abend um zehn. Im Nachbarort Hörde<br />

konnte man manchmal den `Feurigen Elias` beobachten, einen Zug, der<br />

das aus dem Hochofen gewonnene heiße, flüssige Eisen in großen, wie<br />

langgezogene Bonbons aussehenden Spezialbehältern zur Fabrik brachte.<br />

Es dampfte und zischte. Manchmal schlugen Flammen aus den Behältern,<br />

kleine brennende Brocken fielen auf den Schotter.“<br />

Von einem bedrückenden Tag im Februar 1945 ist ferner die Rede, als<br />

Menschen aus Angst vor drohenden Bombenangriffen in den Tunnel der<br />

Wasserleitung zwischen Dortmund und Schwerte flüchteten, dort, im<br />

Schein von Karbid- und Petroleumlampen, Schutz suchend:<br />

„Die Erwachsenen redeten wenig, flüsterten, die Kinder, auch ich, waren<br />

still, eine gedrückte Stimmung machte sich breit, die Luft war stickig.<br />

Die meisten Bomben fielen in einiger Entfernung in die Nähe der Ruhr,<br />

wo eine Flugabwehrstellung, die man Flak nannte, eingerichtet war.“<br />

Auch der Schwerter Bahnhof und das Ausbesserungswerk Geiseke waren<br />

begehrte Ziele der aliierten Bomber, wie man heute weiß. Doch auch<br />

erfreulichere Momente werden geschildert, so in der Erzählung „Der intelligente<br />

Sprung“, in der wir erfahren, wie „Aki Schmidt unseren Dorfverein<br />

innerhalb von zwei Jahren von der zweiten Kreisklasse in die Bezirksliga<br />

schoss. Als nächstes wäre die Westfalenliga drangekommen.<br />

Doch da meldete sich Borussia Dortmund und Aki war weg. Bei Borussia<br />

machte er Karriere, fuhr 1958 mit der Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft<br />

nach Schweden und wurde später Mannschaftskapitän.“<br />

Nicht nur die in der Region Dortmund spielenden Geschichten basieren<br />

auf Selbsterlebtem, sind also im besten Sinne autobiographisch, sondern<br />

auch die zweite Hälfte der Erzählungen dieses Bandes, die – um<br />

es mit einem alten Werbeslogan zu sagen – den Duft der großen weiten<br />

Welt atmen und teilweise stärker fiktional sind.<br />

Ulrich Straeter ist vielgereist. Das belegen Titel wie „Der Teddybär von<br />

Tonga“, „Die sizilianische Göttin“, „Madonna“, „Go West“ oder „Der<br />

„hamayolische Wolkenfresser‘“.<br />

In diesen Erzählungen verlässt der Erzähler Straeter auch gelegentlich<br />

die der schnörkellosen Sprache des Ruhrgebiets verhaftete realistische<br />

Darstellungsweise und wendet sich – humorvoll und selbstironisch –<br />

mehr surrealistischer Sprache zu.<br />

Prof. Dr. Walter Gödden, Vorsitzender der Literaturkommissiion des<br />

Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, hat Ulrich Straeter einen kulturgeschichtlich<br />

bewanderten Kosmopoliten genannt, der es nicht beim<br />

Blick auf Attraktionen und einzigartige Schönheiten belasse, sondern<br />

immer auch den Blick auf die unübersehbaren Folgen von Umweltzerstörung<br />

und politischer Misswirtschaft lenke.<br />

Dazu hat der Autor Erfahrungen als Bankkaufmann und diplomierter<br />

Finanzwirt, als Lehrer und Kulturschaffender sammeln können sowie<br />

als Mitglied der „Dortmunder Werkstatt des Werkkreises”. Seit 1999<br />

ist der u.a. durch den „Rheinland-Taler für Kunst, Kultur und Umwelt“<br />

ausgezeichnete Schriftsteller auch selbständiger Autor und Verleger des<br />

Essener ARKA Verlages.

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