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Natur l Eichengallwespe<br />
Über die Gallenprobleme der Eiche<br />
Nicht nur Menschen, auch sehr viele Pflanzen müssen mit Gallenleiden fertig werden! Gallen heißen nämlich die vielen<br />
winzig kleinen, oft aber auch auffällig großen Wucherungen an Blättern und Früchten, die von Pilzen, Läusen, Mücken oder<br />
Wespen verursacht werden. Die Eiche muss mit besonders vielen Gallenleiden fertig werden! Sie ist die Pflanze, die allein<br />
einigen hundert Insektenarten eine Heimat bietet, aber darunter sind auch etwa 30 Arten, die sich bei ihr mit chemischen<br />
Angriffen „bedanken“. Folglich kann man an ihr ebenso viele verschiedenartige Gallenformen entdecken. Am bekanntesten<br />
sind die kugelrunden, murmelgroßen, rötlich glänzenden „Galläpfel“ unter Eichenblättern. Lästige Mitesser für den Baum!<br />
Betrachten Sie einen Eichengallapfel jetzt im herbstlichen Falllaub: Ist er noch unbeschädigt, ohne erkennbares Ausschlupfloch?<br />
Dann sitzt die unscheinbare Bewohnerin noch in diesem Wohnapfel. Welche Geschichte könnte sie uns erzählen?<br />
„Nun, im Wonnemonat Mai<br />
lernten sich meine Eltern mit<br />
dem Nachnamen „Eichengallwespe“<br />
zufällig kennen.<br />
Zielstrebig legte meine Mutter<br />
ihre befruchteten Eier einzeln<br />
in die Hauptnerven eines frischen<br />
Eichenblattes. Schon<br />
als Ei in den Blattadern ahnte<br />
ich, dass ein Insektenleben<br />
schwer, aber auch besonders<br />
schön sei. Noch ungeboren<br />
kümmerte ich mich um meine<br />
künftige Nahrung: Als Ei<br />
sonderte ich chemische Stoffe<br />
ins Eichenblatt ab, die das Wuchern<br />
von eiweißhaltigem und<br />
fettreichem Gewebe auslöste.<br />
Diese Leckereien formten sich<br />
um mein Ei zu einer Kugel,<br />
ihr nennt sie „Galle“, die außen<br />
hart und glänzend wurde.<br />
So hatte ich mir das erhofft!<br />
Denn als ich schließlich als<br />
kleine Larve aus meinem Ei<br />
schlüpfte, begann für mich<br />
ein herrliches Leben wie im<br />
Schlaraffenland: Ringsum<br />
ein super Angebot an gesunder<br />
Nahrung, und die harte<br />
Außenschale schützte mich<br />
vor Fressfeinden! Wenn die<br />
Vorräte wegen meines Hungers<br />
knapp wurden, löste ich<br />
kurzerhand auf chemischem<br />
Wege neues Gewebewachstum<br />
bei meiner Ziehmutter<br />
aus! Mein schmuckes Kugelhaus<br />
wuchs auf mehr als 2<br />
cm Größe. Die mächtige Eiche<br />
allerdings war wohl mit<br />
meinem Appetit nicht einverstanden<br />
und versuchte, mir<br />
mit ihren chemischen Mitteln<br />
Holzbearbeitung<br />
Witthüser<br />
das Leben zu versauern. Listig<br />
produzierte sie bittere Gerbstoffe<br />
und konzentrierte sie<br />
in meinem Gallenhaus. Diese<br />
Stoffe attackierten mein Chemielabor<br />
und machten meine<br />
Mittel ziemlich unwirksam.<br />
Das hätte für mich schlimm<br />
enden können, doch zum<br />
Glück wusste ich meinerseits,<br />
wie ich diese grässlichen Gerbstoffe<br />
durch eilig produzierte<br />
und schnell ausgestoßene<br />
Zellstoffe wieder entschärfen<br />
konnte. Das war schon ein<br />
harter Kampf! Aber meine<br />
mächtige Eiche wurde mich<br />
nicht los. Bis zum Herbst war<br />
ich pappsatt und konnte mich<br />
verpuppen. Zurzeit warte ich<br />
auf meine neue Geburt als<br />
erwachsene Gallwespe. Dann<br />
steht mir noch ein schwieriger<br />
Weg bevor, nämlich der aus<br />
meinem Paradieshaus hinaus<br />
ins Freie! Meistens wird es<br />
Winter, bis wir geschlüpften<br />
unscheinbaren Kleinwespen<br />
uns endlich durch unser<br />
hartes Haus mühsam hindurchgebohrt<br />
haben. Ich weiß<br />
schon, dass ich auf jeden Fall<br />
eine Frau sein werde! Eichengallwespenmänner<br />
gibt es<br />
nämlich im Winter gar nicht.<br />
Ich werde auch nie in meinem<br />
Leben draußen Nahrung auf-<br />
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das was wir daraus machen.<br />
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nehmen, höchstens etwas<br />
Was ser! Meine Lebensaufgabe<br />
ist es, Eier in Eichenknospen<br />
abzulegen, danach endet mein<br />
Leben. Natürlich sind die Eier<br />
unbefruchtet, im Winter gibt<br />
es ja keine Männer! Die brauchen<br />
wir auch nicht, denn<br />
auch meine unbefruchteten<br />
Eier erzeugen – sehr kleine<br />
– Gallen, in denen eine neue<br />
Generation von männlichen<br />
und weiblichen Eichengallwespen<br />
heranwächst. Im<br />
nächsten Mai werden sie sich<br />
wie meine Eltern paaren, und<br />
meine Töchter werden wieder<br />
Eichenblattnerven anstechen<br />
und neue Eier hineinlegen,<br />
aber das sind dann schon<br />
meine Enkel! Tja, so ist das<br />
Leben!“<br />
Eichengallwespen gibt es also<br />
in zwei Generationen mit unterschiedlichen<br />
Lebensläufen.<br />
Die Wespen der Winter- und<br />
der Frühjahrsgeneration unterscheiden<br />
sich auch in der<br />
Größe. Das blieb uns lange<br />
verborgen, und bis in unsere<br />
Zeit hinein hielten wir sie für<br />
zwei verschiedene Wespenarten.<br />
Schon früh im Mittelalter<br />
entdeckten unsere Vorfahren<br />
dagegen die von der Eiche<br />
zur Verteidigung produzierten<br />
Gerbstoffe. Durch aufmerk-<br />
Bestattungshaus<br />
Witthüser GbR<br />
same Untersuchungen der<br />
Galläpfel fanden sie heraus:<br />
Wenn wir viele solcher bitteren<br />
Äpfelchen zerkleinern<br />
und sie in Wasser und Eisensalz<br />
einweichen, entsteht<br />
„Eichengallustinte“, eine Tinte<br />
von hoher Qualität. Alte<br />
Schriftstücke, die mit dieser<br />
Eichengallapfel-Tinte handgeschrieben<br />
wurden, blieben<br />
viele Jahrhunderte lang bis<br />
zum heutigen Tag lesbar!<br />
Wenn Sie auf einem Spaziergang<br />
mit offenen Augen die<br />
Blattunterseiten und auch die<br />
Triebspitzen von Bäumen und<br />
Sträuchern ansehen, werden<br />
Sie eine Vielfalt an Gallen<br />
entdecken: runde, spitze, linsenförmige,haarbüschelartige,<br />
an kleine Ananasfrüchte<br />
erinnernde und unzählige<br />
andere Formen, sie alle sind<br />
Gewebewucherungen, die auf<br />
Angriffe kleiner Lebewesen<br />
zurückzuführen sind. Trotzdem<br />
brauchen Sie keine Sorge<br />
zu haben, dass diese vielen<br />
„Geschwüre“ die Pflanze oder<br />
sogar den Baum gefährdeten.<br />
Das Zusammenleben hat sich<br />
seit Jahrtausenden einge spielt<br />
und hält sich im Gleichgewicht.<br />
Die kleinen Wespen<br />
lösen keine unkontrollierten<br />
Wucherungen aus. Deshalb<br />
sind diese Naturerscheinungen<br />
nicht mit Tumoren vergleichbar.<br />
Gallwespe und Co.<br />
bereichern mit ihrer ausgeklügelten<br />
Überlebensstrategie unsere<br />
natürliche Artenvielfalt!<br />
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