Das Urbane
978-3-86859-239-9
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Wir sagten: das <strong>Urbane</strong> zeigt sich heute durchdrungen vom Konflikt zwischen<br />
Tauschwert und Gebrauchswert. Dieser Konflikt geht mitten durch<br />
uns Subjekte hindurch, berührt uns in unserem Leben und unserer Arbeit,<br />
mehr noch – die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten erodieren zunehmend.<br />
Solcher Prozess ist im Tauschwert, in der Warenwertform angelegt.<br />
Die mediale Wertform tendiert dazu, die lebendigen Beziehungen in der<br />
Zirkulation des Geldes zu verschleiern, zu abstrahieren, sich vom menschlichen<br />
Willen abzulösen, kurz: sich zu objektivieren und so eine Realität<br />
der Ökonomie zu schaffen, die sich in den Beziehungen und der Abstraktion<br />
von Ware und Geld vergegenständlicht. Seltsamerweise aber folgen<br />
wir hier keinen fremden Mächten, sondern setzen diesen Prozess immer<br />
wieder selbst in Gang – das ist unser gelebter Fetischismus: <strong>Das</strong> Geheimnisvolle<br />
der Warenform lässt sich nur von der „Nebelregion der religiösen<br />
Welt“ her erklären: „Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes<br />
mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis<br />
stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte<br />
der menschlichen Hand.“ 473 Genau solches nennt Marx Fetischismus.<br />
Dieser haftet den Arbeitsprodukten an, „sobald sie als Waren produziert<br />
werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.“ 474<br />
Der Fetischcharakter der Warenwelt entspringt „dem eigentümlichen gesellschaftlichen<br />
Charakter der Arbeit, welche Waren produziert.“ 475 Im <strong>Urbane</strong>n<br />
erweist sich derlei Fetischismus nicht nur als Produktionsweise oder<br />
Handlungsform, sondern auch als <strong>Das</strong>einsweise gesellschaftlicher, urbaner<br />
Wirklichkeit oder auch eine wirkliche Weise des Bewusstseins gesellschaftlicher<br />
urbaner Praxis. Je mehr eine Konsumwelt sich über uns stülpt, je<br />
weniger erkennen wir im Markt unser eigenes Werk. Ob sich das Werk von<br />
uns entfremdet hat und sich gegen uns wendet, ist noch nicht entschieden,<br />
eben weil die ökonomische Erscheinungsform der Ware durch das<br />
Ganze praktischer Tätigkeit des Menschen bestimmt wird. Deshalb kann<br />
das Studium der Ökonomie mit Marx nicht als empirisch im eigentlichen<br />
Sinne gelten. Es impliziert vielmehr eine Metakritik der Ökonomie, die<br />
auf der Bestimmung der Kategorien und der darin enthaltenen Momente<br />
unseres Selbstverhältnisses beruht. Es war Nietzsche, der bereits früh<br />
auf die phantasmagorische Seite hochentwickelter Gesellschaften verwies<br />
und damit die Kehrseite von Arbeit in den Blick nahm: das Leben. Anhand<br />
Nietzsches Auslegung der Produktion lässt sich an Strukturen der<br />
Produktion aktueller urbaner Lebensform herankommen und damit auf<br />
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