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| grünerkreisKunst&Kreativität<br />
Kreatives Arbeiten<br />
als Therapieelement<br />
Kreatives Arbeiten fasziniert mich seit meiner<br />
frühen Jugend. Dekormalerei, Schmuckherstellung<br />
und Arbeiten mit Ton begleiteten mich<br />
während Schule, Ausbildung und meinem<br />
Beruf als Diplomkrankenschwester, den ich<br />
zehn Jahre lang ausübte. Berufl ich veränderten<br />
sich meine Aufgaben von der Pfl ege<br />
zur Betreuung, so konnte ich mehr Zeit in<br />
künstlerische Aktivitäten investieren.<br />
Beruf und Berufung. Vor eineinhalb Jahren<br />
bewarb ich mich beim „Grünen <strong>Kreis</strong>“ als<br />
Diplomkrankenschwester. Sei es Zufall oder<br />
Schicksal, es wurde mir nach einem Gespräch<br />
mit Geschäft sführer Alfred Rohrhofer die Leitung<br />
der Kreativwerkstatt Marienhof<br />
angeboten. Freudig sprang<br />
ich ins kalte Wasser – berufl ich<br />
ebenso wie privat. Mit der Übersiedlung<br />
auf einen Bauernhof<br />
in der Nähe meines neuen Arbeitsplatzes<br />
erfüllte ich mir den<br />
langgehegten Wunsch, naturverbundener<br />
zu leben. In einem<br />
ersten Arbeitsschritt erfolgte<br />
die Renovierung der Werkstätten<br />
am Marienhof. Es wurden<br />
neue Materialien angeschafft ,<br />
gemeinsam mit den PatientInnen neue Ideen<br />
entwickelt und zusätzliche attraktive Betätigungsfelder<br />
entstanden. Die Arbeitsschwerpunkte<br />
liegen heute für die PatientInnen in<br />
den Bereichen Keramik, Buchbinderei und<br />
kreatives Gestalten.<br />
Handgeformt, feuergebrannt. In der Keramikwerkstatt<br />
entstehen künstlerisch gestaltete<br />
Gebrauchsgegenstände wie Blumentöpfe,<br />
Vasen, Geschirr, Duft lampen, Dosen, Teekannen,<br />
Hausschilder und verschiedene model-<br />
22 sommer 2007<br />
Kreativwerkstätte Marienhof<br />
lierte Ziergegenstände. Vom<br />
feuchten Patzen Ton bis zum<br />
glänzenden Zierstück ist eine<br />
Vielzahl von Arbeitsschritten erforderlich,<br />
an denen die PatientInnen in jeder<br />
Phase beteiligt sind, um so das Entstehen<br />
ihres Produktes mit zu erleben: Ton klopfen,<br />
formen, trocknen, schleifen, roh brennen,<br />
glasieren, Glasur brennen.<br />
Viele Materialen, viele Möglichkeiten. In der<br />
Kreativwerkstatt umfassen die angebotenen<br />
Betätigungsmöglichkeiten unter anderem: Filzen<br />
von Schafwolle zu Taschen und Schmuckgegenständen,<br />
Malen mit Öl- und Acrylfarben,<br />
Goache, Schmuckerzeugung aus<br />
Fimo-Modelliermasse, Knüpfen,<br />
Häkeln, Sticken, Stricken, Nähen<br />
und Holzbrenn-Arbeiten.<br />
Bücher in handwerklicher Tradition.<br />
In der Buchbinderei am<br />
Marienhof entstehen Notizbücher,<br />
Tagebücher, Fotoalben und<br />
aufwändig gestaltete Schachteln<br />
in verschiedenen Größen<br />
und Formen. Beim Binden eines<br />
Buches erfolgt jeder einzelne<br />
Schritt in Handarbeit. Durch dieses aufwändige<br />
und arbeitsintensive Verfahren entstehen<br />
besonders hochwertige, individuelle Einzelstücke<br />
mit besonderer Ausstrahlung. Für den<br />
Umschlag eines Buches sind die Umschlagteile<br />
aus Karton zuzuschneiden und durch<br />
einen Leinenrücken zu verbinden. Ebenfalls<br />
mit Leinen werden die empfi ndlichen Ecken<br />
geschützt. Vorder- und Rückseite werden mit<br />
Materialien wie Leder, Leinen oder Folien mit<br />
individuellen Motiven gestaltet. Die Entstehung<br />
des Buchkernes erfolgt in mehreren<br />
Arbeitsschritten. Das<br />
Papier wird gefaltet,<br />
mit Buchbinderfaden<br />
von Hand genäht, anschließend<br />
verleimt,<br />
getrocknet und zugeschnitten.<br />
Rücken<br />
und Kern werden in<br />
einem letzten Arbeitsschrittmiteinander<br />
verleimt und<br />
kommen in die Bücherpresse.<br />
Das Ergebnis<br />
dieser An-<br />
strengungen ist ein langlebiges, qualitativ<br />
hochwertiges, individuelles Produkt traditioneller<br />
Handwerkskunst.<br />
Selbständigkeit bringt Selbstwert. Die<br />
Arbeit in den Kreativwerkstätten ist jedoch<br />
nicht nur Zeitvertreib und künstlerische<br />
Spielwiese für die PatientInnen. Mit dem Verkaufserlös<br />
der Produkte werden Arbeitsmaterialien<br />
bezahlt und Werkzeuge angeschafft .<br />
Die Werkstätten sind zur wirtschaft lichen<br />
Selbstständigkeit angehalten. Das Wissen, mit<br />
ihrer Arbeit zur Erhaltung und zum Ausbau<br />
der Werkstätten beizutragen, stärkt darüber<br />
hinaus das Selbstbewusstsein der dort arbeitenden<br />
PatientInnen.<br />
Kreatives Arbeiten als Therapie. Primäres<br />
und wichtigstes Ziel des kreativen Arbeitens<br />
sind die therapeutischen Fortschritte der PatientInnen.<br />
Kreatives Arbeiten leistet erwiesenermaßen<br />
wertvolle Beiträge zur persönlichen<br />
Entwicklung. Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit,<br />
Genauigkeit, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein,<br />
Selbstkritik, Erkennen der eigenen<br />
Möglichkeiten und Grenzen, verantwortungsvoller<br />
Umgang mit Ressourcen (Materialien<br />
und Werkzeug), Teamfähigkeit und soziale<br />
Kompetenz seien hier genannt.<br />
Unterstützung für die kreative Arbeit in den<br />
Werkstätten ist in vielfältiger Weise möglich<br />
und stets sehr willkommen. Sie erreichen uns<br />
unter (664) 811 16 64 oder spenden@gruenerkreis.at.<br />
Materialspenden wie Wolle und<br />
Stoff e (auch Reste), Schnittheft e oder Werkzeuge<br />
werden ebenso gerne angenommen, wie<br />
Angebote zur Teilnahme an Verkaufsausstellungen<br />
oder anderen Präsentationsmöglichkeiten<br />
aller Arbeiten der Kreativwerkstätte<br />
am Marienhof.<br />
TEXT UND FOTOS:<br />
CLAUDIA VIRAG, LEITERIN<br />
KREATIVWERKSTÄTTE<br />
MARIENHOF