01.07.2015 Aufrufe

Leseprobe - Beck-Shop.de

Leseprobe - Beck-Shop.de

Leseprobe - Beck-Shop.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

NomosFormulare<br />

Eiding | Hofmann-Hoeppel [Hrsg.]<br />

Verwaltungsrecht<br />

Schriftsatzmuster und Erläuterungen |<br />

Materielles Recht | Verfahrensrecht<br />

Nomos


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

NomosFormulare<br />

Prof. Dr. Lutz Eiding |<br />

Dr. iur. utr. Jochen Hofmann-Hoeppel [Hrsg.]<br />

Verwaltungsrecht<br />

Schriftsatzmuster und Erläuterungen |<br />

Materielles Recht | Verfahrensrecht<br />

RA Prof. Dr. Ralf B. Abel, Datenschutzbeauftragter, Hamburg | RA Dr. Eberhard Ba<strong>de</strong>n, FAVerwR,<br />

FABauArchR, Bonn | RA Dr. Jochen Bernhard, Stuttgart, Lehrbeauftragter an <strong>de</strong>r Universität<br />

Hei<strong>de</strong>lberg | RA Prof. Dr. Lutz Eiding, FAVerwR, Honorarprofessor für öffentliches Recht, Hanau |<br />

RA Dr. David Elshorst, FAVerwR, Frankfurt/Main | RAin Dr. Beatrice Fabry, Stuttgart | RA Dr. Till<br />

Fischer, Mannheim | RA Dr. Matthias H. Francois, Dipl.-Agr.-Ing. (FH), Bitburg/Kusel, Lehrbeauftragter<br />

an <strong>de</strong>r Fachhochschule Bingen | RA Dr. Andreas Geiger, München, Lehrbeauftragter an<br />

<strong>de</strong>r Universität München | RA Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Gutmann, FAVerwR, Stuttgart, Lehrbeauftragter<br />

an <strong>de</strong>r Universität Istanbul/Türkei | Matthias Heck, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), Ludwigsburg/Hanau<br />

| Prof. Dr. Christian Heitsch, Brunel Law School, London | RA Jürgen Herrlein, FAStR,<br />

FAMietWEGR, Frankfurt/Main | RA Dr. iur. utr. Jochen Hofmann-Hoeppel, FAVerwR, Höchberg |<br />

RA Hans Wolfram Kessler, FAVerwR, Leipzig/Malta | Dr. Michael Luber, LL.M.Eur, Oberregierungsrat,<br />

Bayerisches Staatsministerium <strong>de</strong>r Finanzen | Dr. Saskia Lukasch, Regierungsrätin, Bun<strong>de</strong>sministerium<br />

für Bildung und Forschung | RA Dr. Stefan Meßmer, Stuttgart | RA Dr. Martin Ott,<br />

Stuttgart | RAin Ursula Philipp-Gerlach, FAVerwR, Frankfurt/Main | Prof. Dr. Ralf Roßkopf,<br />

Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt | RAin Verena Rösner,<br />

Dipl.-Verwaltungswirtin (FH), Stuttgart | RA Karl-Heinz Ru<strong>de</strong>r, Stadtrechtsdirektor i.R., Emmendingen<br />

| RA Dr. Matthias Schrö<strong>de</strong>r, Stuttgart | RA Dr. Frank-Florian Seifert, FAVerwR, Berlin | RAin<br />

Anna Seulen, Bonn | RA Frank Wieland, FAVerwR, Bonn<br />

Nomos


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Die Formulierungsbeispiele in diesem Buch wur<strong>de</strong>n mit Sorgfalt und nach bestem Wissen<br />

erstellt. Sie stellen jedoch lediglich Anregungen für die Lösung typischer Fallgestaltungen dar.<br />

Autoren und Verlag übernehmen keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit <strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>m Buch und auf <strong>de</strong>r CD-ROM enthaltenen Ausführungen und Formulierungsmuster.<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Nationalbibliografie; <strong>de</strong>taillierte bibliografische<br />

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.<strong>de</strong> abrufbar.<br />

ISBN 978-3-8329-2229-0<br />

1. Auflage 2013<br />

© Nomos Verlagsgesellschaft, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 2013. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die<br />

<strong>de</strong>s Nachdrucks von Auszügen, <strong>de</strong>r fotomechanischen Wie<strong>de</strong>rgabe und <strong>de</strong>r Übersetzung,<br />

vorbehalten.


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Vorwort<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren musste je<strong>de</strong>r im Verwaltungsrecht tätige Praktiker die zunehmen<strong>de</strong> Ausdifferenzierung<br />

<strong>de</strong>r zahlreichen Teilgebiete <strong>de</strong>s Beson<strong>de</strong>ren Verwaltungsrechts und das damit<br />

einhergehen<strong>de</strong> anwaltliche Bedürfnis einer weiteren Spezialisierung feststellen. Niemand kann<br />

daher guten Gewissens behaupten, in allen Einzelbereichen <strong>de</strong>s Öffentlichen Rechts über tiefgehen<strong>de</strong><br />

Fachkenntnisse zu verfügen, wie sie oftmals vom Mandanten erwartet wer<strong>de</strong>n.<br />

Das veranlasst uns zur Herausgabe dieses neuen Formularbuchs. Anliegen <strong>de</strong>s Werkes ist es,<br />

<strong>de</strong>m im Verwaltungsrecht tätigen Anwalt eine zielorientierte Handreichung für die konkrete<br />

Mandatsbearbeitung zu geben. Das Formularbuch bietet dazu in 65 Spezialgebieten 900 praxiserprobte<br />

Muster für alle wichtigen Bereiche <strong>de</strong>s Verfahrens- und materiellen Verwaltungsrechts.<br />

Im Verfahrensrecht wer<strong>de</strong>n u.a. das Akteneinsichtsrecht in Verwaltungsverfahren, Informationsansprüche<br />

nach IFG, VIG und UIG, das Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren, außergerichtlicher wie gerichtlicher<br />

einstweiliger Rechtsschutz, Klage, Berufung, Revision, Anhörungsrüge, das Normenkontrollverfahren,<br />

die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> nach Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>srecht und <strong>de</strong>r<br />

Rechtsschutz vor <strong>de</strong>n Europäischen Gerichten behan<strong>de</strong>lt.<br />

Im materiellen Recht dominieren neben Öffentlichem Bau- und Fachplanungsrecht (nach AEG,<br />

LuftVG, FStrG, PBefG), Kommunal- und Kommunalabgabenrecht, Umweltrecht und <strong>de</strong>n klassischen<br />

Gebieten <strong>de</strong>s Wirtschaftsverwaltungsrechts die Kapitel zum nationalen Subventions-,<br />

Europäischen Beilhilfen- und Vergaberecht sowie im Bereich <strong>de</strong>s Öffentlichen Dienstrechts das<br />

Beamten-, Beamtenversorgungs- und Disziplinarrecht. Der zunehmen<strong>de</strong>n Relevanz <strong>de</strong>r Ressource<br />

„Bildung“ geschul<strong>de</strong>t sind die Kapitel zum Hochschulzulassungs- und Prüfungsrecht.<br />

Den Kanon <strong>de</strong>s Beson<strong>de</strong>ren Verwaltungsrechts beschließen die Abschnitte zum Auslän<strong>de</strong>r- und<br />

Statusrecht einerseits, zum Polizei-/Ordnungsrecht und Datenschutzrecht an<strong>de</strong>rerseits.<br />

Die ausführlichen und umfangreichen Musterinhalte wur<strong>de</strong>n danach ausgewählt, welche Fallkonstellationen<br />

in <strong>de</strong>r Praxis erfahrungsgemäß am häufigsten anzutreffen sind. Sie verknüpfen<br />

durchgängig materielles Recht mit Verfahrensrecht und sind damit ein Spiegelbild <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>r Rechtspraxis. Sämtliche Mustertexte basieren auf <strong>de</strong>r aktuellen Rechtsprechung<br />

und Gesetzgebung. So sind die mit <strong>de</strong>m Gesetz zur Neuregelung <strong>de</strong>s Wasserrechts verbun<strong>de</strong>ne<br />

Novellierung <strong>de</strong>s WHG, das zum 1.6.2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />

nebst einer Fülle weiterer Gesetzesän<strong>de</strong>rungen sowie die ab 1.9.2012 gelten<strong>de</strong> Neufassung<br />

<strong>de</strong>s VIG berücksichtigt.<br />

Die Mustertexte sind mit ergänzen<strong>de</strong>n Erläuterungen versehen. Sie beziehen sich im Wesentlichen<br />

auf <strong>de</strong>n im Muster zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt und informieren über die Einordnung<br />

und die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r dort aufgegriffenen und abgehan<strong>de</strong>lten Rechtsfragen. Auf diese<br />

Weise wird ein schnelles Erfassen <strong>de</strong>s näheren rechtlichen Umfelds <strong>de</strong>r praxisrelevanten Streitstän<strong>de</strong><br />

ermöglicht.<br />

Mit diesem konzeptionellen Ansatz ist das Werk nicht nur für <strong>de</strong>njenigen Anwalt interessant,<br />

<strong>de</strong>r nur gelegentlich verwaltungsrechtliche Mandate bearbeitet. Mit seiner hohen Detaildichte<br />

und <strong>de</strong>r Vielzahl an Rechtsthemen ist die Darstellung auch für <strong>de</strong>njenigen (Fach-)Anwalt von<br />

Nutzen, <strong>de</strong>r regelmäßig im Verwaltungsrecht agiert und <strong>de</strong>shalb weiß, dass er gelegentlich auch<br />

einen Fall zu bearbeiten hat, <strong>de</strong>r nicht in seinen Kernbereich fällt. Zahlreiche Praxishinweise –<br />

unter an<strong>de</strong>rem auch taktischer Natur – ergänzen zu<strong>de</strong>m die Rechtsausführungen und weisen<br />

explizit auf die <strong>de</strong>m jeweiligen Rechtsgebiet immanenten Beson<strong>de</strong>rheiten hin. Dadurch gewinnt<br />

auch <strong>de</strong>r „Profi“ neue Erkenntnisse.<br />

Unser Dank gilt allen Personen, die an <strong>de</strong>r Entstehung dieses Werkes beteiligt waren. Zuvor<strong>de</strong>rst<br />

danken wir allen Autoren für die hervorragen<strong>de</strong> Arbeit. Beson<strong>de</strong>rer Dank gilt Frau<br />

Rechtsanwältin Gertrud Vorbuchner für ihre ausgezeichnete lektoratsseitige Unterstützung.<br />

5


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Vorwort<br />

Dank gebührt schließlich – stellvertretend für die weiteren Mitwirken<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Kanzlei<br />

Nickel Eiding Rechtsanwälte, Hanau, langjährig tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiter Herrn<br />

Dipl.-Verwaltungswirt Matthias Heck für die akribische Zuarbeit zu etlichen von Herrn Eiding<br />

als Autor verfassten 14 Kapiteln, auf Seiten <strong>de</strong>s Mitherausgebers Dr. Hofmann-Hoeppel <strong>de</strong>ssen<br />

Sekretärin, Frau Öz<strong>de</strong>s Göger, die ihre ausgezeichneten Qualitäten bei je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r 16 Kapitel<br />

hingebungsvoll unter Beweis stellte.<br />

Herausgeber und Autoren freuen sich auf Resonanz aus <strong>de</strong>m Nutzerkreis <strong>de</strong>s Formularbuchs.<br />

Hanau, im Oktober 2012 Höchberg, im Oktober 2012<br />

Lutz Eiding<br />

Jochen Hofmann-Hoeppel<br />

6


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Inhaltsübersicht<br />

Vorwort .................................................................................................... 5<br />

Autorenverzeichnis ...................................................................................... 11<br />

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. 15<br />

Allgemeines Literaturverzeichnis ..................................................................... 27<br />

Abschnitt 1: Akteneinsicht und Informationszugang ......................................... 29<br />

§ 1 Akteneinsichtsrecht in Verwaltungsverfahren <strong>de</strong>s VwVfG (Hofmann-Hoeppel) .. 29<br />

§ 2 Informationszugang nach IFG (Hofmann-Hoeppel) .................................... 62<br />

§ 3 Informationszugang nach VIG (Hofmann-Hoeppel) .................................... 106<br />

§ 4 Informationszugang nach UIG (Hofmann-Hoeppel) ................................... 141<br />

Abschnitt 2: Verwaltungsverfahren ............................................................... 187<br />

§ 5 Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren (Hofmann-Hoeppel) ............................................. 187<br />

§ 6 Außergerichtlicher vorläufiger Rechtsschutz (Hofmann-Hoeppel) .................. 234<br />

§ 7 Kosten und Vergütung in Verwaltungssachen (Hofmann-Hoeppel) ................ 253<br />

Abschnitt 3: Verwaltungsprozess und Vollstreckung ......................................... 277<br />

§ 8 Klageverfahren (Heitsch) ...................................................................... 277<br />

§ 9 Berufung (Heitsch) .............................................................................. 345<br />

§ 10 Revision und Anhörungsrüge (Heitsch) .................................................... 372<br />

§ 11<br />

Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz gem. §§ 80 Abs. 5–8, 80 a VwGO<br />

(Hofmann-Hoeppel) ............................................................................<br />

406<br />

§ 12 Einstweilige Anordnungen gem. § 123 VwGO (Hofmann-Hoeppel) ................ 441<br />

§ 13 Normenkontrollverfahren (Heitsch) ........................................................ 480<br />

§ 14 Vollstreckung aus rechtlichen Titeln (Herrlein) .......................................... 495<br />

Abschnitt 4: Verfassungsprozessrechtliche Rechtsbehelfe .................................... 507<br />

§ 15 Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> nach Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>srecht (Hofmann-Hoeppel) .... 507<br />

§ 16 Rechtsschutz vor <strong>de</strong>n Europäischen Gerichten (Gutmann) ............................ 574<br />

7


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Inhaltsübersicht<br />

Abschnitt 5: Recht <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlichen Ersatzleistung ................................ 611<br />

§ 17 Amtshaftungsrecht (Luber) ................................................................... 611<br />

§ 18 Ansprüche aus Enteignung (Eiding) ........................................................ 630<br />

§ 19 Entschädigungsrecht (Eiding) ................................................................ 648<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht ................................................................ 667<br />

§ 20 Bauplanungsrecht (Eiding) .................................................................... 667<br />

§ 21 Städtebauliche Verträge (Eiding) ............................................................ 765<br />

§ 22 Umlegungsrecht (Eiding) ...................................................................... 801<br />

§ 23 Bauordnungsrecht (Eiding) ................................................................... 832<br />

§ 24 Baunachbarrecht (Elshorst/Heck) ........................................................... 920<br />

§ 25 Denkmalschutzrecht (Fischer) ................................................................ 976<br />

Abschnitt 7: Fachplanungsrecht ................................................................... 991<br />

§ 26 Raumordnungs- und Lan<strong>de</strong>splanungsrecht (Eiding) .................................... 991<br />

§ 27 Fernstraßenrecht und Straßenrecht (Geiger) .............................................. 1022<br />

§ 28 Eisenbahnrecht (Geiger) ....................................................................... 1048<br />

§ 29 Luftverkehrsrecht (Eiding) .................................................................... 1085<br />

§ 30 Flurbereinigungsrecht (Francois) ............................................................ 1116<br />

§ 31 Planfeststellungsrecht (Eiding) ............................................................... 1164<br />

§ 32 Personenbeför<strong>de</strong>rungsrecht (Geiger) ........................................................ 1198<br />

Abschnitt 8:<br />

Kommunal- und Kommunalabgabenrecht, wirtschaftliche Betätigung<br />

von Kommunen .......................................................................<br />

1231<br />

§ 33 Kommunalrecht (Eiding) ...................................................................... 1231<br />

§ 34 Erschließungsbeitragsrecht (Eiding) ........................................................ 1275<br />

§ 35 Straßenausbaubeitragsrecht (Eiding) ....................................................... 1324<br />

§ 36 Anschlussbeitragsrecht (Eiding) ............................................................. 1349<br />

§ 37 Kommunale wirtschaftliche Betätigung und Wettbewerbsrecht (Schrö<strong>de</strong>r) ....... 1366<br />

§ 38 Kommunale Unternehmen (Fabry) .......................................................... 1412<br />

8


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Inhaltsübersicht<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht ....................................................... 1431<br />

§ 39 Gewerberecht (Seifert) ......................................................................... 1431<br />

§ 40 Handwerksrecht (Seifert) ...................................................................... 1441<br />

§ 41 Gaststättenrecht (Seifert) ...................................................................... 1453<br />

§ 42 Nationales Subventionsrecht (Rösner/Bernhard) ........................................ 1465<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht (Meßmer/Bernhard) ........................................ 1488<br />

§ 44 Vergaberecht (Fabry/Ott) ..................................................................... 1526<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht ........................................................................... 1565<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht .......................................................................... 1565<br />

§ 46 Naturschutzrecht (Philipp-Gerlach) ........................................................ 1783<br />

§ 47 Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht (Hofmann-Hoeppel) ........................... 1812<br />

§ 48 Bo<strong>de</strong>nschutzrecht (Eiding) .................................................................... 1890<br />

§ 49 Gewässerschutzrecht (Seifert) ................................................................ 1927<br />

§ 50 Bergrecht (Kessler/Lukasch) .................................................................. 1987<br />

Abschnitt 11: Öffentliches Dienstrecht ............................................................ 2017<br />

§ 51 Beamtenrecht (Wieland/Seulen) .............................................................. 2017<br />

§ 52 Personalvertretungsrecht (Ba<strong>de</strong>n) ........................................................... 2071<br />

§ 53 Beamtenversorgungsrecht (Ba<strong>de</strong>n) .......................................................... 2103<br />

§ 54 Disziplinarrecht (Ba<strong>de</strong>n/Wieland) ........................................................... 2134<br />

Abschnitt 12: Schul-, Ausbildungs- und Prüfungsrecht ........................................ 2171<br />

§ 55 Schulrecht (Wieland) ........................................................................... 2171<br />

§ 56 Hochschulzulassungsrecht (Hofmann-Hoeppel) ......................................... 2216<br />

§ 57 Prüfungsrecht (Hofmann-Hoeppel) ......................................................... 2274<br />

Abschnitt 13: Auslän<strong>de</strong>r- und Statusrecht ......................................................... 2323<br />

§ 58 Aufenthaltsrecht (Roßkopf) .................................................................. 2323<br />

§ 59 Asylrecht (Roßkopf) ............................................................................ 2368<br />

9


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

Inhaltsübersicht<br />

§ 60 Staatsangehörigkeitsrecht (Roßkopf) ....................................................... 2395<br />

§ 61 Spätaussiedlerrecht (Roßkopf) ............................................................... 2414<br />

Abschnitt 14: Polizei- und Sicherheitsrecht, Datenschutzrecht ............................... 2429<br />

§ 62 Polizei- und Ordnungsrecht (Ru<strong>de</strong>r) ........................................................ 2429<br />

§ 63 Versammlungsrecht (Hofmann-Hoeppel) ................................................. 2469<br />

§ 64 Öffentliches Vereinsrecht (Hofmann-Hoeppel) .......................................... 2524<br />

§ 65 Datenschutzrecht (Abel) ....................................................................... 2552<br />

Stichwortverzeichnis .................................................................................... 2567<br />

10


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht<br />

Literatur: Boeddinghaus, Abstandsflächen im Bauordnungsrecht Bayern, Kommentierung, 2. Aufl. 2007;<br />

Boeddinghaus, Abstandsflächen im Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentierung, 3. Aufl.<br />

2007; Büchner/Schlotterbeck, Baurecht, Band 1: Städtebaurecht einschließlich örtlicher Bauvorschriften,<br />

2008; Büchner/Schlotterbeck, Baurecht, Band 2: Bauordnungsrecht einschließlich Baunachbarrecht,<br />

4. Aufl. 2010; Dirnberger, Abstandsflächenrecht in Bayern, Systematische Darstellung, 2. Aufl. 2011; Eiding/Ruf/Herrlein,<br />

Öffentliches Baurecht in Hessen, 2. Aufl. 2007; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht,<br />

4. Aufl. 2011; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Loseblatt, 98. Aufl.<br />

2011; Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, Handkommentar – VwVfG, VwGO, Nebengesetze, 2. Aufl.<br />

2010; Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar unter beson<strong>de</strong>rer Berücksichtigung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen und gemeinschaftlichen<br />

Umweltschutzes mit ergänzen<strong>de</strong>n Rechts- und Verwaltungsvorschriften, 11. Aufl. 2008;<br />

Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz,<br />

6. Aufl. 2010; Fischer, Zur Novelle 2010 <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sbauordnung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, VBlBW 2010, 213;<br />

Fricke/Krumstroh, Die neue Nie<strong>de</strong>rsächsische Bauordnung, NordÖR 2011, 108; Hoppe/Bönker/Grotefels,<br />

Öffentliches Baurecht – Raumordnungsrecht, Städtebaurecht, Bauordnungsrecht, 4. Aufl. 2010;<br />

Hornmann, Hessische Bauordnung 2011, NVwZ 2011, 212; Jä<strong>de</strong>, Bauaufsichtliche Maßnahmen – Beseitigungsanordnung<br />

– Nutzungsuntersagung – Einstellung von Arbeiten, 3. Aufl. 2009; Niere, Neuerlass <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>sbauordnung für das Land Schleswig-Holstein, NordÖR 2009, 273; Reichel/Schulte, Handbuch<br />

Bauordnungsrecht, 2004; Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, 20. Aufl. 2010; Stelkens/Bonk/Sachs,<br />

VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. II,<br />

7. Aufl. 2010.<br />

A. Vorgehen <strong>de</strong>s Bauherrn, <strong>de</strong>r eine Baugenehmigung,<br />

eine Teilbaugenehmigung o<strong>de</strong>r einen<br />

Vorbescheid begehrt .......................... 1<br />

I. Baugenehmigung, § 72 MBO .............. 1<br />

1. Bauantrag und Bauvorlagen, § 68<br />

MBO ................................... 1<br />

a) Form und Funktion <strong>de</strong>s Bauantrags 1<br />

b) Bauvorlagen ........................ 3<br />

2. Genehmigungsverfahren ............... 8<br />

a) Vereinfachtes Genehmigungsverfahren,<br />

§ 63 MBO ................. 9<br />

aa) Voraussetzungen für die<br />

Anwendbarkeit <strong>de</strong>s vereinfachten<br />

Verfahrens .......... 9<br />

bb) Prüfungsgegenstand im vereinfachten<br />

Verfahren ........ 13<br />

cc) Genehmigungsfiktion im vereinfachten<br />

Verfahren ........ 17<br />

b) „Großes“ Genehmigungsverfahren,<br />

§ 64 MBO – Umfassen<strong>de</strong><br />

öffentlich-rechtliche Unbe<strong>de</strong>nklichkeitsbescheinigung<br />

................. 20<br />

c) (Fehlen<strong>de</strong>) Wahlmöglichkeit <strong>de</strong>s<br />

Genehmigungsverfahrens .......... 21<br />

d) Abweichungen, § 67 MBO ........ 22<br />

3. Prozessuales ............................ 28<br />

a) Verpflichtungsrechtsbehelf ........ 28<br />

b) Maßgeblicher Zeitpunkt ........... 29<br />

c) Fortsetzungsfeststellungsklage ..... 31<br />

d) Kosten .............................. 35<br />

II. (Bau-)Vorbescheid, § 75 MBO ............ 38<br />

1. Gegenstand und Anwendungsbereich 38<br />

2. Konkrete Fragestellung ................ 40<br />

3. Der Klärung im Vorbescheidsverfahren<br />

zugängliche Fragen .................... 44<br />

4. Mangeln<strong>de</strong> Bescheidungsfähigkeit .... 47<br />

III. Teilbaugenehmigung, § 74 MBO .......... 48<br />

1. Gegenstand und Anwendungsbereich 48<br />

2. Voraussetzungen <strong>de</strong>r Genehmigungserteilung<br />

................................ 49<br />

IV. Versagung und Ersetzung <strong>de</strong>s gemeindlichen<br />

Einvernehmens, § 71 MBO .......... 52<br />

1. Einvernehmenserfor<strong>de</strong>rnis und Entscheidung<br />

<strong>de</strong>r Bau- o<strong>de</strong>r Kommunalaufsichtsbehör<strong>de</strong><br />

über die Ersetzung<br />

<strong>de</strong>s Einvernehmens .................... 52<br />

2. Amtshaftung bei rechtswidrig versagtem<br />

Einvernehmen ..................... 57<br />

B. Vorgehen <strong>de</strong>s Bauherrn gegen Nebenbestimmungen<br />

und Inhaltsbestimmungen einer Baugenehmigung<br />

................................. 58<br />

I. Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen 58<br />

II. Selbständig anfechtbare Nebenbestimmungen<br />

......................................... 61<br />

1. Auflage ................................. 61<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 61<br />

b) Richtiger Rechtsbehelf: Anfechtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 63<br />

2. Auflagenvorbehalt ..................... 67<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 67<br />

b) Richtiger Rechtsbehelf: Anfechtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 69<br />

III. Nicht selbständig anfechtbare „Nebenbestimmungen“<br />

............................ 70<br />

1. Genehmigungsinhaltsbestimmungen –<br />

modifizieren<strong>de</strong> Auflagen ............... 70<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 70<br />

b) Abgrenzung zu selbständig anfechtbaren<br />

Nebenbestimmungen ........ 72<br />

c) Richtiger Rechtsbehelf: Verpflichtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 73<br />

2. Befristung .............................. 76<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 76<br />

832 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

b) Richtiger Rechtsbehelf Verpflichtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 78<br />

3. Bedingung .............................. 79<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 79<br />

b) Richtiger Rechtsbehelf: Verpflichtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 81<br />

4. Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt .................... 84<br />

a) Inhalt und Gegenstand ............. 84<br />

b) Richtiger Rechtsbehelf: Verpflichtungswi<strong>de</strong>rspruch/-klage<br />

........... 86<br />

C. Vorgehen <strong>de</strong>s Bauherrn, wenn die Baugenehmigung<br />

im Rechtsmittelverfahren durch<br />

Drittanfechtung aufgehoben wird –<br />

Baunachbarstreit ............................. 87<br />

I. Wi<strong>de</strong>rspruchsbehör<strong>de</strong> gibt <strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

<strong>de</strong>s Nachbarn gegen die <strong>de</strong>m Bauherrn<br />

erteilte Baugenehmigung statt –<br />

isolierte Anfechtung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheids<br />

...................................... 87<br />

1. Klagegegenstand, Klagegegner, notwendige<br />

Beiladung <strong>de</strong>s Nachbarn ..... 87<br />

2. Abstandsflächenrelevanz von Nutzungsän<strong>de</strong>rungen<br />

...................... 94<br />

II. Antrag auf Zulassung <strong>de</strong>r Berufung nach<br />

erstinstanzlich erfolgreicher Nachbarklage<br />

gegen die Baugenehmigung ................ 96<br />

1. Berufungszulassungsantrag ............ 96<br />

2. Berufungszulassungsgrün<strong>de</strong>, § 124<br />

Abs. 2 VwGO .......................... 98<br />

3. Darlegungserfor<strong>de</strong>rnis ................. 99<br />

4. Baunachbar ............................ 102<br />

D. Vorgehen gegen bauaufsichtliche Verfügungen<br />

............................................ 104<br />

I. Ermächtigungsgrundlagen ................. 104<br />

II. Baueinstellung, § 79 MBO ................ 105<br />

1. Voraussetzungen/Formelle Illegalität .. 105<br />

2. Ermessen ............................... 110<br />

3. Bestandsschutz ......................... 111<br />

III. Abbruchanordnung/Baubeseitigungsverfügung,<br />

§ 80 S. 1 MBO ................. 116<br />

1. Voraussetzungen ....................... 116<br />

2. Ermessen bei einer Abbruchanordnung<br />

.................................... 121<br />

a) Grundsatz .......................... 121<br />

b) Gleichheitssatz ..................... 123<br />

c) Weitere Aspekte bei <strong>de</strong>r Ermessensausübung<br />

........................... 124<br />

3. Abstandsflächenvorschriften .......... 125<br />

4. Vollstreckung einer Abbruchanordnung<br />

.................................... 126<br />

a) Wahl <strong>de</strong>s Zwangsmittels und<br />

Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit<br />

................................. 126<br />

b) Im Rahmen <strong>de</strong>r Vollstreckung<br />

beachtliche Einwän<strong>de</strong> .............. 128<br />

IV. Nutzungsuntersagung, § 80 S. 2 MBO .... 132<br />

1. Voraussetzungen ....................... 132<br />

2. „Präventive“ Nutzungsuntersagungen 136<br />

3. Ermessen/Anfor<strong>de</strong>rungen an die<br />

Begründung ............................ 139<br />

V. Bauordnungsrechtliche Generalklausel,<br />

§ 58 Abs. 2 MBO .......................... 143<br />

1. Anwendungsbereich und Voraussetzungen<br />

................................. 143<br />

2. Adressatenregelung .................... 149<br />

VI. Nachträgliche Anordnung/Anfor<strong>de</strong>rung .. 152<br />

VII. Eilrechtsschutz <strong>de</strong>s Bauherrn gegen bauaufsichtliche<br />

Verfügungen ................. 157<br />

1. Anwendungsbereich und Voraussetzungen<br />

................................. 157<br />

2. Maßstab im verwaltungsgerichtlichen<br />

Eilverfahren im Streit um eine ordnungsrechtliche<br />

Verfügung ............ 163<br />

3. Abän<strong>de</strong>rungsverfahren gem. § 80<br />

Abs. 7 VwGO .......................... 166<br />

a) Voraussetzungen ................... 166<br />

b) Entscheidung im Abän<strong>de</strong>rungsverfahren<br />

.............................. 169<br />

c) Abän<strong>de</strong>rungsverfahren nach vorangegangener<br />

OVG-Entscheidung ... 170<br />

E. Genehmigungsfreie Vorhaben/Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis<br />

.............................. 172<br />

I. Antrag auf isolierte Abweichungsentscheidung<br />

........................................ 172<br />

1. Genehmigungsfreistellung und isolierte<br />

Abweichung ............................ 172<br />

2. Gesetzliche Ausnahmen vom<br />

Abstandsflächenerfor<strong>de</strong>rnis ........... 175<br />

3. Umfang einer ggf benötigten Abweichung<br />

.................................. 176<br />

II. Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis einer Nutzungsän<strong>de</strong>rung<br />

................................... 178<br />

1. Nutzung und Nutzungsän<strong>de</strong>rung ..... 178<br />

2. Abgrenzung zwischen Nutzungsunterbrechung<br />

und (endgültiger) Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Nutzung ........................... 180<br />

F. Vorgehen gegen Bescheid über Ablöse von<br />

Stellplätzen ................................... 185<br />

I. Stellplatzverpflichtung ..................... 185<br />

II. Stellplatzablösung .......................... 188<br />

III. Konkretisierung <strong>de</strong>r Stellplatzpflicht und<br />

<strong>de</strong>s Ablösebetrages ......................... 189<br />

Eiding 833


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

A.<br />

Vorgehen <strong>de</strong>s Bauherrn, <strong>de</strong>r eine Baugenehmigung, eine Teilbaugenehmigung o<strong>de</strong>r<br />

einen Vorbescheid begehrt<br />

I. Baugenehmigung, § 72 MBO 1<br />

1. Bauantrag und Bauvorlagen, § 68 MBO<br />

a) Form und Funktion <strong>de</strong>s Bauantrags<br />

Der Bauantrag ist idR schriftlich über die Gemein<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> einzureichen;<br />

das vormals zwingen<strong>de</strong> Schriftformerfor<strong>de</strong>rnis (§ 68 Abs. 1 MBO) ist durch die Möglichkeiten<br />

zur Verwendung elektronischer Signaturen erweitert wor<strong>de</strong>n.<br />

Dem Bauantrag sind die erfor<strong>de</strong>rlichen Bauvorlagen beizufügen. Dies sind alle Unterlagen, die<br />

benötigt wer<strong>de</strong>n, um das Vorhaben in <strong>de</strong>m dafür vorgesehenen Verfahren beurteilen zu können.<br />

Hinweis: Mit <strong>de</strong>n Antragsunterlagen wird u.a. das Vorhaben <strong>de</strong>finiert, das Gegenstand <strong>de</strong>s<br />

Verfahrens ist. Die Bauvorlagen bestimmen damit – im Sinne einer Obergrenze – Inhalt und<br />

Umfang <strong>de</strong>r Baugenehmigung. Was nicht beantragt ist, kann auch nicht genehmigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies folgt auch aus <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>r Baugenehmigung als einem mitwirkungsbedürftigen<br />

Verwaltungsakt.<br />

b) Bauvorlagen<br />

Die Anfor<strong>de</strong>rungen, die inhaltlich an die Bauvorlagen zu stellen sind, ergeben sich im Einzelnen<br />

aus <strong>de</strong>n jeweiligen Bauvorlagenverordnungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Zu <strong>de</strong>n Bauvorlagen gehören etwa<br />

technische Nachweise, Bauzeichnungen (Grundrisse, Schnitte, Ansichten) sowie Nachweise<br />

über die Bauvorlagenberechtigung bzw die Berechtigung zur Erstellung <strong>de</strong>r technischen Nachweise.<br />

Ergänzen<strong>de</strong> Regelungen können sich aus speziellen Rechtsvorschriften ergeben (zB Versammlungsstättenverordnung,<br />

2 Garagenverordnung).<br />

Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> kann zulassen, dass einzelne Bauvorlagen nachgereicht wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> ist berechtigt, ergänzen<strong>de</strong> Unterlagen zu for<strong>de</strong>rn, wenn sie diese zur Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r Genehmigungsfähigkeit benötigt (zB Gutachten über „Altlastenfreiheit“ nach abgeschlossener<br />

Sanierung o<strong>de</strong>r orientieren<strong>de</strong> Untersuchung bei <strong>de</strong>r Bebauung eines Grundstücks,<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>ssen ein Altlastenverdacht besteht). Wird ein mangelhafter Bauantrag nach entsprechen<strong>de</strong>r<br />

behördlicher For<strong>de</strong>rung nicht ergänzt, kann die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Bauantrag ablehnen,<br />

<strong>de</strong>nn es ist Sache <strong>de</strong>s Antragstellers, prüffähige Bauvorlagen einzureichen.<br />

Sind die Bauvorlagen und die Genehmigung nicht hinreichend <strong>de</strong>utlich, kann es im Nachhinein<br />

Streit über <strong>de</strong>n Inhalt einer Genehmigung geben. Antragsteller fassen <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>s Antrags<br />

gelegentlich unscharf, um sich Nutzungsoptionen offenzuhalten. Geht es um Nutzungen, die<br />

sich qualitativ unterschei<strong>de</strong>n, ergibt sich hieraus regelmäßig Konfliktpotenzial. Es bestehen<br />

nachbarliche Abwehrrechte, wenn die angefochtene Baugenehmigung im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante<br />

Merkmale unbestimmt o<strong>de</strong>r sonst diffus ist. Verbleiben – wegen <strong>de</strong>r mangeln<strong>de</strong>n<br />

Bestimmtheit <strong>de</strong>r Bauvorlagen bzw <strong>de</strong>r Baugenehmigung – Unklarheiten im Hinblick<br />

auf die Reichweite und die Art <strong>de</strong>r zugelassenen Nutzung, ist im Zweifel ein nachbarlicher<br />

Abwehranspruch gegeben. Dies ist vor allem unter <strong>de</strong>m Blickwinkel <strong>de</strong>s sog. „Etikettenschwin<strong>de</strong>ls“<br />

anzunehmen, bei <strong>de</strong>m das zur Genehmigung gestellte bzw. schon genehmigte Bauvorhaben<br />

nur vorgeschoben wird, um <strong>de</strong>r eigentlich beabsichtigten – unzulässigen – Nutzung einen<br />

genehmigungsfähigen Anschein zu verleihen. 3 Es ist Aufgabe <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>, im Rahmen <strong>de</strong>s Ge-<br />

1 Bauordnungsrecht ist Län<strong>de</strong>rrecht. Die Lan<strong>de</strong>sbauordnungen enthalten im Detail zT erheblich unterschiedliche<br />

Regelungen. Die Grundstruktur orientiert sich an <strong>de</strong>r Musterbauordnung (Musterbauordnung ARGE Bau Fassung<br />

November 2002 – MBO 2002), auf die die nachfolgen<strong>de</strong>n Ausführungen überwiegend abstellen. Soweit län<strong>de</strong>rspezifische<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten eine Rolle spielen, wer<strong>de</strong>n die Regelungen <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sbauordnung zitiert.<br />

2 Vgl Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV) 06/2005, <strong>de</strong>r die Län<strong>de</strong>rregelungen weitgehend nachgebil<strong>de</strong>t<br />

sind.<br />

3 OVG Münster, U. v. 19.7.2010 – 7 A 3199/08, BauR 2011, 248; U. v. 25.8.2011 – 2 A 38/10, juris.<br />

834 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

nehmigungsverfahrens durch die Nachfor<strong>de</strong>rung von Unterlagen, eine Auffor<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>n<br />

Bauherrn zur Konkretisierung o<strong>de</strong>r ggf durch entsprechen<strong>de</strong> Tenorierung in <strong>de</strong>r Baugenehmigung<br />

Klarheit zu schaffen. Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass ein zwar beabsichtigtes,<br />

aber nicht hinreichend <strong>de</strong>utlich gemachtes entsprechen<strong>de</strong>s Vorhaben nicht von <strong>de</strong>r Baugenehmigung<br />

umfasst wird. 4<br />

Typische Fallkonstellation: Der Antragsteller hat einen Bauantrag gestellt, <strong>de</strong>r – bewusst o<strong>de</strong>r<br />

unbewusst – „Unschärfen“ enthält. Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> beabsichtigt, die aus ihrer Sicht<br />

ungenehmigte, weil nicht von <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Genehmigung umfasste, Nutzung zu untersagen<br />

und gibt <strong>de</strong>m Bauherrn Gelegenheit zur Stellungnahme. Dieser vertritt die Auffassung, er sei im<br />

Besitz <strong>de</strong>r für die ausgeübte Nutzung erfor<strong>de</strong>rlichen Genehmigung.<br />

u Muster: Streit über <strong>de</strong>n Inhalt und Umfang einer Baugenehmigung – Stellungnahme gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> zu einer angekündigten Nutzungsuntersagung wegen (vermeintlich)<br />

genehmigungsabweichen<strong>de</strong>r Nutzung<br />

6<br />

7<br />

346<br />

An die Stadt •••<br />

– Untere Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> –<br />

Grundstück •••, Flst. Nr. ••• in •••<br />

Nutzung als Gaststätte, auch zu Veranstaltungen mit „Eventcharakter“<br />

Ihr Anhörungsschreiben gem. § 28 VwVfG vom •••<br />

Az •••<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir zeigen an, dass uns Herr ••• mit <strong>de</strong>r Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt hat.<br />

Eine Vollmacht ist in <strong>de</strong>r Anlage beigefügt.<br />

Mit Schreiben vom ••• haben Sie gegenüber unserem Mandanten <strong>de</strong>n Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung<br />

angekündigt und gem. § 28 VwVfG Gelegenheit zur Stellungnahme bis ••• gegeben.<br />

Zur Erläuterung haben Sie ausgeführt, Herr ••• betreibe ohne die hierfür erfor<strong>de</strong>rliche Baugenehmigung<br />

eine Vergnügungsstätte. Eine solche Nutzung sei von <strong>de</strong>r Baugenehmigung vom ••• nicht ge<strong>de</strong>ckt.<br />

A. Sachverhalt<br />

Unser Mandant ist Eigentümer <strong>de</strong>s Grundstücks Flst. Nr. ••• in •••. Er betreibt eine Gaststätte mit<br />

Nebenräumen und führt dort auch Veranstaltungen größeren Umfangs („Partys“ für unterschiedliche<br />

Personengruppen; sog. Mottoveranstaltungen), auch mit Live-Musik-Darbietungen, durch.<br />

Er hat das Grundstück im Jahre ••• erworben. Dort war bereits zuvor eine „Gaststätte mit Nebenräumen<br />

und Festsaal“ vorhan<strong>de</strong>n und baurechtlich genehmigt (vgl Genehmigungsurkun<strong>de</strong> vom •••, Az<br />

•••).<br />

Die Stadt ••• hat die für die nach <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>s Betriebes erfor<strong>de</strong>rlichen Umbau- und Mo<strong>de</strong>rnisierungsarbeiten<br />

eine Baugenehmigung erteilt. In <strong>de</strong>n Bauvorlagen war dargestellt („Baubeschreibung“),<br />

dass auch Festveranstaltungen größeren Umfangs und Live-Musik-Darbietungen stattfin<strong>de</strong>n<br />

sollten.<br />

Bauplanungsrechtlich ist das Vorhabengrundstück nach § 30 BauGB iVm § 6 BauNVO zu charakterisieren,<br />

<strong>de</strong>nn es liegt in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen Mischgebiet.<br />

4 ZB umfasst die Genehmigung einer gewerblichen Zimmervermietung nicht <strong>de</strong>n Betrieb eines Bor<strong>de</strong>lls, VGH Kassel, B.<br />

v. 7.2.2008 – 3 UZ 473/07, BRS 73 Nr. 153.<br />

Eiding 835


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

Mit Schreiben vom ••• haben Sie angekündigt, die Nutzung untersagen zu wollen, soweit Veranstaltungen<br />

mit diskothekenähnlichem Charakter und/o<strong>de</strong>r mehr als 200 Gästen durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

B. Rechtliche Würdigung<br />

Zwingen<strong>de</strong> Voraussetzung einer Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 MBO) ist, dass eine Anlage im Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Ein Vorhaben muss also zumin<strong>de</strong>st<br />

formell rechtswidrig sein, wenn seine Nutzung untersagt wer<strong>de</strong>n soll. Daran fehlt es hier. Denn mit<br />

Entscheidung vom ••• wur<strong>de</strong> das Vorhaben genehmigt.<br />

I. Aus § 68 MBO folgt, dass die Baugenehmigung auf Antrag erteilt wird. Bei <strong>de</strong>r Baugenehmigung<br />

han<strong>de</strong>lt es sich somit um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. Der Antragsteller bestimmt<br />

selbst, was Gegenstand <strong>de</strong>s Baugenehmigungsverfahrens ist, und es ist daher seine Sache, <strong>de</strong>n Verfahrensgegenstand<br />

durch Bauantrag festzulegen.<br />

II. Zur Genehmigung gestellt waren hier Umbauarbeiten und die künftige Nutzung als Gaststätte, in<br />

<strong>de</strong>r auch größere Veranstaltungen durchgeführt wer<strong>de</strong>n sollen. In <strong>de</strong>r Baubeschreibung ist dies genauer<br />

ausgeführt. Dort ist dargestellt, dass gelegentlich auch Veranstaltungen größeren Umfangs<br />

(„Mottoveranstaltungen“) 5 durchgeführt wer<strong>de</strong>n sollen, einschließlich Live-Musik-Darbietungen. Der<br />

Schwerpunkt <strong>de</strong>r Nutzung liegt aber – auch bei <strong>de</strong>n genannten „Events“ – auf <strong>de</strong>r Verabreichung von<br />

Speisen und Getränken.<br />

Nach hiesiger Einschätzung liegt keine Nutzungsän<strong>de</strong>rung vor. Denn eine solche ist (erst) dann anzunehmen,<br />

wenn sich die neue Nutzung von <strong>de</strong>r bisherigen (legalen) <strong>de</strong>rgestalt unterschei<strong>de</strong>t, dass<br />

sie an<strong>de</strong>ren o<strong>de</strong>r weitergehen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen bauordnungs- o<strong>de</strong>r bauplanungsrechtlicher Art unterworfen<br />

ist o<strong>de</strong>r unterworfen wer<strong>de</strong>n kann, dh wenn die Möglichkeit besteht, dass die Zulässigkeit<br />

<strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Vorhabens nach <strong>de</strong>n Bauvorschriften an<strong>de</strong>rs beurteilt wer<strong>de</strong>n muss. Insoweit macht<br />

<strong>de</strong>r Bauherr aber darauf aufmerksam, dass <strong>de</strong>r Festsaal schon seit vielen Jahren zur Gaststätte gehörte<br />

und dort regelmäßig Festveranstaltungen (Hochzeiten, Kommunionsfeiern usw) stattgefun<strong>de</strong>n haben,<br />

die ebenfalls mit Musikdarbietungen einhergingen. Dies spricht gegen das Vorliegen einer Nutzungsän<strong>de</strong>rung.<br />

III. Hilfsweise ist darauf hinzuweisen, dass das Vorhaben selbst dann materiell rechtmäßig ist, wenn<br />

von einer Nutzungsän<strong>de</strong>rung auszugehen wäre. Denn eine Gaststätte, auch „mit Eventcharakter“,<br />

wäre in einem Mischgebiet gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Schank- und Speisewirtschaft bauplanungsrechtlich<br />

zulässig. 6<br />

Die in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> Gaststätte stellt – entgegen <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> – keine<br />

Vergnügungsstätte dar, selbst wenn man berücksichtigt, dass sie sich von einer Schank- und Speisewirtschaft<br />

unterschei<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>r vorwiegend Speisen und Getränke verabreicht wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Geselligkeit dient.<br />

Sogar unter <strong>de</strong>r Annahme, das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte aufzufassen, was diesseits bestritten<br />

wird, läge allenfalls eine nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte vor. Denn <strong>de</strong>r Betrieb<br />

ist nicht auf einen größeren Einzugsbereich ausgerichtet. Eine solche Vergnügungsstätte ist gem.<br />

§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO in <strong>de</strong>m Teil eines Mischgebietes zulässig, <strong>de</strong>r gewerblich geprägt ist. So liegt<br />

<strong>de</strong>r Fall hier. •••<br />

5 Sind solche Betriebe auf einen größeren Einzugsbereich ausgerichtet, han<strong>de</strong>lt es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte,<br />

OVG Koblenz, B. v. 9.3.2007 – 8 A 10066/07, LKRZ 2007, 202.<br />

6 Zur Abgrenzung zwischen Schank- und Speisewirtschaft, Vergnügungsstätte und Anlagen für kulturelle Zwecke: Fickert/<br />

Fieseler, BauNVO, Rn 22.5 ff.<br />

836 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

IV. Unter <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>r materiellen Rechtmäßigkeit – wie gezeigt – wäre eine Nutzungsuntersagung<br />

unverhältnismäßig, weil mittels Durchführung <strong>de</strong>s (ggf erfor<strong>de</strong>rlichen) Genehmigungsverfahrens<br />

rechtmäßige Zustän<strong>de</strong> hergestellt wer<strong>de</strong>n können.<br />

V. Für eine Beschränkung <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r Gäste fehlt es offenkundig an einer Rechtsgrundlage. Es gibt<br />

keine „200-Personen-Grenze“, 7 wenn – wie hier – das Vorhaben <strong>de</strong>n baurechtlichen Bestimmungen<br />

genügt. We<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n Bauvorlagen noch aus <strong>de</strong>r Baugenehmigung ergibt sich eine Begrenzung <strong>de</strong>r<br />

Besucherzahl. 8<br />

Eine solche Begrenzung erscheint mithin willkürlich, was die Ermessensfehlerhaftigkeit und damit<br />

die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>r Entscheidung zur Folge hätte. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass<br />

die Gaststätte (mit Festsaal) schon seit vielen Jahren rechtmäßig bestand. Weitergehen<strong>de</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

können auch gegenüber unserem Mandanten nicht gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

2. Genehmigungsverfahren<br />

Die Bauordnungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r sehen eine Differenzierung vor, ob ein Vorhaben im sog. vereinfachten<br />

Verfahren o<strong>de</strong>r in einem umfassen<strong>de</strong>n („großen“) Verfahren zu genehmigen sind.<br />

Die Einführung <strong>de</strong>s vereinfachten Verfahrens entsprang <strong>de</strong>m Wunsch nach Deregulierung und<br />

Verfahrensbeschleunigung. Ist ein Vorhaben genehmigungsbedürftig, ist danach zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

ob es im<br />

• vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 MBO o<strong>de</strong>r<br />

• „herkömmlichen“ Genehmigungsverfahren nach § 64 MBO<br />

zu genehmigen ist.<br />

a) Vereinfachtes Genehmigungsverfahren, § 63 MBO 9<br />

aa) Voraussetzungen für die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s vereinfachten Verfahrens<br />

Das vereinfachte Verfahren gilt für die Mehrzahl <strong>de</strong>r Vorhaben. Gekennzeichnet ist es durch<br />

<strong>de</strong>n nur noch eingeschränkten Prüfungsumfang im Genehmigungsverfahren.<br />

Zunächst ist zu prüfen, ob ein Vorhaben tatsächlich in <strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>s vereinfachten Verfahrens<br />

kommen kann. Die Bauordnungen knüpfen diesbezüglich an bestimmte Vorhabenstypen an<br />

und greifen hierzu auf die allgemeinen Begriffs<strong>de</strong>finitionen über „Gebäu<strong>de</strong>klassen“ zurück, vgl<br />

§ 2 Abs. 3 MBO. „Son<strong>de</strong>rbauten“ (vgl § 2 Abs. 4 MBO) unterliegen nach wie vor <strong>de</strong>m „großen<br />

Verfahren“ mit umfassen<strong>de</strong>r öffentlich-rechtlicher Unbe<strong>de</strong>nklichkeitsbescheinigung. Demgegenüber<br />

unterfallen Wohngebäu<strong>de</strong> und gewerblich genutzte Gebäu<strong>de</strong> geringer Höhe regelmäßig<br />

<strong>de</strong>m vereinfachten Verfahren.<br />

Typische Fallkonstellation: Die untere Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> bestreitet <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

unter Hinweis darauf, dass das in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> Vorhaben nicht im vereinfachten<br />

Verfahren zu genehmigen sei und daher gar kein Fall vorliegt, in <strong>de</strong>m eine Genehmigungsfiktion<br />

eintreten kann.<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

7 Die „200-Personen-Grenze“ ergibt sich etwa aus <strong>de</strong>r Muster-Versammlungsstättenverordnung <strong>de</strong>r ARGEBAU (Fassung<br />

Juni 2005). Eine Einrichtung <strong>de</strong>r in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n Art gilt als „Son<strong>de</strong>rbau“, vgl § 2 Abs. 4 Nr. 7 a, 8 MBO. An eine solche<br />

können zur Gefahrenabwehr beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen gestellt wer<strong>de</strong>n, vgl § 51 MBO.<br />

8 Vgl hierzu OVG Münster, B. v. 12.1.2001 – 10 B 1827/00, NVwZ-RR 2001, 430.<br />

9 In Ba<strong>de</strong>n-Württemberg: „Kenntnisgabeverfahren“; Übersicht über die Ausgestaltung <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>rregelungen bei<br />

Finkelnburg/Ortloff, Öff. Baurecht II, S. 92–99; zum Prüfprogramm gem. Art. 59 BayBO 2008: Jä<strong>de</strong>/Famers, BayVBl.<br />

2008, 33, 34.<br />

Eiding 837


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

12<br />

347<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

u Muster: Formlose Auffor<strong>de</strong>rung an die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong>, nach Ablauf <strong>de</strong>r hierfür vorgesehenen<br />

Frist <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion zu bestätigen<br />

An das Landratsamt •••<br />

– Untere Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> –<br />

Bauvoranfrage <strong>de</strong>r Frau •••<br />

Bauvorhaben: Errichtung •••<br />

Baugrundstück: in •••, Flst. Nr. •••<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir zeigen an, dass uns Frau ••• mit <strong>de</strong>r Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt hat.<br />

Eine Vollmacht ist in <strong>de</strong>r Anlage beigefügt.<br />

Einer ersten Bitte unserer Mandantin mit Schreiben vom •••, <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

zu bestätigen, ist die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> mit Schreiben vom ••• unter Hinweis auf die vermeintliche<br />

Eigenschaft <strong>de</strong>s Vorhabens als Son<strong>de</strong>rbau iSd § 2 Abs. 8 Nr. ••• HBO entgegengetreten, die einer<br />

Behandlung <strong>de</strong>s Bauantrags im vereinfachten Verfahren nach § 57 HBO und damit auch <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion entgegenstün<strong>de</strong>.<br />

Diese Einschätzung <strong>de</strong>r Sach- und Rechtslage teilen wir nicht. Im Einzelnen legen wir dies nachfolgend<br />

dar:<br />

1. Der o.g. Bauantrag vom ••• ist ausweislich <strong>de</strong>r Eingangsbestätigung <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> am<br />

••• dort eingegangen. Das Vorhaben unterliegt <strong>de</strong>m vereinfachten Genehmigungsverfahren gem.<br />

§ 57 HBO. Diese Regelung ist gem. § 66 Abs. 2 HBO auch auf Bauvoranfragen anzuwen<strong>de</strong>n. Gemäß<br />

§ 57 Abs. 2 S. 3 HBO gilt das Vorhaben mit Ablauf <strong>de</strong>r Dreimonatsfrist, dh mit Ablauf <strong>de</strong>s •••, als<br />

genehmigt.<br />

2. Zu Unrecht unterstellt die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong>, das Vorhaben unterliege nicht <strong>de</strong>m vereinfachten<br />

Verfahren, weil es einen „Son<strong>de</strong>rbau“ darstelle.<br />

a) Das Vorhaben fällt unter § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 HBO. Demnach gehören zur Gebäu<strong>de</strong>klasse 3 „sonstige<br />

Gebäu<strong>de</strong> bis zu 7 m Höhe“. Dies ist unstreitig.<br />

Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> bemüht zur Begründung <strong>de</strong>r vermeintlichen Son<strong>de</strong>rbaueigenschaft <strong>de</strong>n in<br />

§ 2 Abs. 8 Nr. 18 HBO enthaltenen Auffangtatbestand, weil das Vorhaben wegen <strong>de</strong>r Unterschreitung<br />

<strong>de</strong>r dort genannten (Größen-)Schwellen <strong>de</strong>n Tatbestand einer spezielleren Regelung, insb. <strong>de</strong>s § 2<br />

Abs. 8 Nr. ••• HBO, nicht erfülle. Aber auch dieser „Umweg“ über <strong>de</strong>n Auffangtatbestand rechtfertigt<br />

nicht die Annahme, das Vorhaben sei <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbauten zuzurechnen.<br />

b) Angesichts <strong>de</strong>r Spezialregelung, die in § 2 Abs. 8 Nr. ••• HBO enthalten ist, besteht von vornherein<br />

kein Raum für die Anwendung <strong>de</strong>s Auffangtatbestan<strong>de</strong>s. § 2 Abs. 8 HBO ist – an<strong>de</strong>rs noch als die<br />

„insbeson<strong>de</strong>re-Aufzählung“ in <strong>de</strong>r Vorgängerregelung <strong>de</strong>s § 53 Abs. 5 HBO (1993) – als abschließen<strong>de</strong>r<br />

Katalog konzipiert. 10<br />

Die in § 2 Abs. 8 Nr. 18 HBO enthaltene Auffangregelung ist aufgrund <strong>de</strong>s Ausnahmecharakters <strong>de</strong>r<br />

Regelung eng auszulegen (Hornmann, HBO, § 2 Rn 131). Die Auffangregelung erlaubt es nicht, die<br />

Son<strong>de</strong>rbautatbestän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>n spezielleren Regelungen zu erweitern und Anlagen auch unterhalb<br />

<strong>de</strong>r dort genannten „Einstiegsschwellen“ als Son<strong>de</strong>rbauten einzustufen. Unter <strong>de</strong>m in § 2 Abs. 8<br />

Nr. ••• HBO genannten Maß liegen<strong>de</strong> Vorhaben gehören daher nicht zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbauten (LT-Drucks.<br />

15/3635, S. 90; ebenso: Nr. 2.8.1.4 <strong>de</strong>s Erlasses zur HBO 2002, StAnz. v. 9.2.2004, S. 746).<br />

10 So ausdr. LT-Drucks. 15/3635, S. 90.<br />

838 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

c) Es war gera<strong>de</strong> Sinn und Zweck <strong>de</strong>r nun in § 2 Abs. 8 Nr. ••• HBO enthaltenen Regelung, Vorhaben<br />

unterhalb <strong>de</strong>r dort genannten Größenschwelle nicht mehr zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbauten zu rechnen und damit<br />

strengeren Anfor<strong>de</strong>rungen zu unterwerfen. Dem liegt die Überlegung zugrun<strong>de</strong>, dass Vorhaben dieser<br />

Art (erst) ab einer Min<strong>de</strong>stgröße ein beson<strong>de</strong>res Gefahrenpotenzial aufweisen. •••. Hinzu kommt,<br />

dass die Einführung <strong>de</strong>r sog. Einstiegsschwellen auch <strong>de</strong>r Rechtssicherheit dient, um klarzustellen,<br />

welche Anlagen <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rbauten unterworfen wer<strong>de</strong>n sollen und welche diesen Son<strong>de</strong>rregelungen<br />

gera<strong>de</strong> nicht genügen müssen.<br />

Es gibt daher keinen sachlichen Grund, das Vorhaben – ausnahmsweise und abweichend vom gesetzlichen<br />

Regelfall – <strong>de</strong>n Vorschriften über Son<strong>de</strong>rbauten zu unterstellen.<br />

d) Den beson<strong>de</strong>ren Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 45 HBO 11 sollen nur solche Anlagen unterworfen sein, die<br />

ein beson<strong>de</strong>rs hohes Gefahrenpotenzial aufweisen.<br />

Angesichts <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Baufreiheit bedarf es einer speziellen Rechtfertigung, um an Son<strong>de</strong>rbauten<br />

verschärfte Anfor<strong>de</strong>rungen zu stellen. Ist es zur Gefahrenabwehr nicht erfor<strong>de</strong>rlich, höhere<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen zu stellen als diejenigen, die sich aus <strong>de</strong>n §§ 25 ff HBO ohnehin ergeben, ist es nicht<br />

gerechtfertigt, solche Anlagen einem strengeren Regime zu unterwerfen. Ein solches Vorgehen wäre<br />

unverhältnismäßig und mit <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Baufreiheit unvereinbar.<br />

e) Aus <strong>de</strong>m vorstehend Gesagten ergibt sich, dass die von <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> angeführten<br />

Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Brandschutzes eine Charakterisierung als Son<strong>de</strong>rbau nicht rechtfertigen. Sonstige Grün<strong>de</strong>,<br />

aus <strong>de</strong>nen sich ein beson<strong>de</strong>res Gefahrenpotenzial ableiten ließe, sind von <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong><br />

we<strong>de</strong>r genannt wor<strong>de</strong>n noch ersichtlich.<br />

Die beabsichtigte Einstufung als Son<strong>de</strong>rbau iSd § 2 Abs. 8 Nr. 18 HBO wird nicht von sachlich begrün<strong>de</strong>ten<br />

Erwägungen getragen und erscheint willkürlich. Sie steht im Wi<strong>de</strong>rspruch zur Regelungssystematik<br />

<strong>de</strong>s § 2 Abs. 8 HBO.<br />

Eine Auslegung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck <strong>de</strong>r Regelung lässt nur<br />

<strong>de</strong>n Schluss zu, dass das verfahrensgegenständliche Vorhaben nicht zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbauten iSd § 2<br />

Abs. 8 HBO zu rechnen ist.<br />

3. Da das Vorhaben nicht zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbauten gehört, unterliegt es somit <strong>de</strong>m vereinfachten Genehmigungsverfahren<br />

gem. § 57 HBO; eine solche Genehmigung im vereinfachten Verfahren war auch<br />

ausdrücklich beantragt.<br />

4. Wir for<strong>de</strong>rn Sie daher auf, eine Bestätigung auszustellen, dass <strong>de</strong>r o.g. Bauvorbescheid gem.<br />

§ 57 Abs. 2 S. 3 HBO als erteilt gilt. Diese wird zur Vorlage bei einem Kreditinstitut und zur Ausübung<br />

einer Kaufoption von unserer Mandantin dringend benötigt.<br />

Unsere Mandantin wird in Kürze einen Bauantrag vorlegen. Grundlage <strong>de</strong>r bauplanungsrechtlichen<br />

Zulässigkeit ist <strong>de</strong>r im Wege <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion erlangte Bauvorbescheid, <strong>de</strong>r im anstehen<strong>de</strong>n<br />

Baugenehmigungsverfahren Bindungswirkung entfaltet.<br />

Wir erinnern vorsorglich daran, dass wir bereits mehrfach die schleppen<strong>de</strong> Bearbeitung durch die<br />

Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> gerügt haben. Unsere Mandantin ist nicht bereit, im anstehen<strong>de</strong>n Verfahren<br />

weitere Verzögerungen hinzunehmen. Wir sind beauftragt, künftig alle Möglichkeiten zu nutzen,<br />

Ersatzansprüche gegenüber <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> ••• geltend zu machen. In<br />

diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass unsere Mandantin nach Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

bereits mit <strong>de</strong>n Planungen begonnen hat und Verhandlungen über Bauverträge laufen.<br />

11 Vgl § 51 MBO.<br />

Eiding 839


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

Soweit durch weiterhin amtspflichtwidriges Verhalten <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n Zeitverzug entsteht, wer<strong>de</strong>n wir<br />

Verzögerungsschä<strong>de</strong>n geltend machen.<br />

Dem Eingang <strong>de</strong>r Bestätigung über <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion sehen wir bis zum ••• entgegen.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

348<br />

Die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin begehrt eine Baugenehmigung für •••. Ihren Bauantrag, über <strong>de</strong>n im vereinfachten<br />

Baugenehmigungsverfahren zu entschei<strong>de</strong>n war, hat die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> mit Entbb)<br />

Prüfungsgegenstand im vereinfachten Verfahren<br />

Die bauaufsichtliche Prüfung beschränkt sich im vereinfachten Verfahren gem. § 63 S. 1 MBO<br />

auf die Zulässigkeit<br />

• nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s BauGB,<br />

• von Abweichungen nach § 67 MBO,<br />

• nach an<strong>de</strong>ren öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit wegen <strong>de</strong>r Baugenehmigung eine<br />

Entscheidung nach diesen Vorschriften entfällt o<strong>de</strong>r ersetzt wird.<br />

Folge <strong>de</strong>r eingeschränkten Prüfungskompetenz ist, dass ein Baugesuch nicht aus Grün<strong>de</strong>n abgelehnt<br />

wer<strong>de</strong>n darf, die im vereinfachten Verfahren nicht zu prüfen sind. Von wesentlicher<br />

Be<strong>de</strong>utung ist <strong>de</strong>r Gesichtspunkt <strong>de</strong>s eingeschränkten Prüfprogramms im vereinfachten Verfahren<br />

für die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Drittanfechtung einer Baugenehmigung durch <strong>de</strong>n Nachbarn.<br />

12<br />

Typische Fallkonstellation: Der Bauwerber stellt ein Vorhaben zur Genehmigung, das bauplanungsrechtlich<br />

nicht zu beanstan<strong>de</strong>n ist. Das Vorhaben kann aber nicht alle bauordnungsrechtlichen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen erfüllen. Unterlässt es <strong>de</strong>r Bauwerber, einen Abweichungsantrag zu<br />

stellen, darf die Baugenehmigungsbehör<strong>de</strong> idR das Baugesuch nicht wegen eines Verstoßes gegen<br />

Bauordnungsrecht ablehnen. 13<br />

u Muster: Verpflichtungswi<strong>de</strong>rspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, die im vereinfachten<br />

Baugenehmigungsverfahren zu behan<strong>de</strong>ln ist<br />

An das Regierungspräsidium •••<br />

Bauvorhaben <strong>de</strong>r Fa. •••, Vorhabengrundstück ••• in •••, Flst. Nr. •••<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch vom ••• gegen die Versagung <strong>de</strong>r Baugenehmigung<br />

Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren, Az •••<br />

Nachstehend begrün<strong>de</strong>n wir namens <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin <strong>de</strong>n mit Schriftsatz vom ••• eingelegten<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch und beantragen:<br />

1. Die Entscheidung <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> wird aufgehoben. Auf <strong>de</strong>n Antrag <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchführerin<br />

vom ••• wird die Baugenehmigung erteilt.<br />

2. Die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens trägt die Wi<strong>de</strong>rspruchsgegnerin.<br />

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.<br />

Begründung:<br />

A. Sachverhalt<br />

12 ZB OVG Mag<strong>de</strong>burg, B. v. 16.3.2006 – 2 M 83.06, juris; OVG Saarlouis, U. v. 3.4.2008 – 2 A 387/07, NVwZ-RR 2008,<br />

770; einschränkend allerdings für einen offenkundigen Verstoß gegen Brandschutzvorschriften: OVG Münster, U.<br />

v. 28.1.2009 – 10 A 1075/08, BauR 2009, 802; BVerwG, B. v. 16.1.1997 – 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58.<br />

13 OVG Koblenz, B. v. 22.10.2008 – 8 A 10942/08, BauR 2009, 799; VGH Kassel, B. v. 28.11.2005 – 3 TG 2774/05, HGZ<br />

2006, 22.<br />

840 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

scheidung vom ••• abgelehnt. Die ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin am<br />

••• zugestellt.<br />

Die Ablehnung wur<strong>de</strong> damit begrün<strong>de</strong>t, dass das Vorhaben <strong>de</strong>n bauordnungsrechtlichen Vorschriften<br />

nicht genüge. ••• Ein Abweichungsantrag sei nicht gestellt wor<strong>de</strong>n, eine Abweichung hätte auch<br />

nicht erteilt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Gegen die Versagung <strong>de</strong>r Baugenehmigung hat die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin mit Schreiben vom •••<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch erhoben.<br />

B. Rechtliche Würdigung<br />

I. Zulässigkeit •••<br />

II. Der Wi<strong>de</strong>rspruch ist begrün<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>nn die Versagung <strong>de</strong>r Baugenehmigung ist rechtswidrig und<br />

verletzt die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO analog. Sie hat einen<br />

Anspruch auf Erteilung <strong>de</strong>r begehrten Baugenehmigung, weil im Genehmigungsverfahren zu prüfen<strong>de</strong><br />

Vorschriften <strong>de</strong>m Vorhaben nicht entgegenstehen.<br />

1. Ob das Vorhaben <strong>de</strong>n bauordnungsrechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen entspricht, ist im vereinfachten<br />

Verfahren, das hier Anwendung fin<strong>de</strong>t, nicht zu prüfen, § 63 MBO.<br />

Mit <strong>de</strong>m vereinfachten Baugenehmigungsverfahren hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r präventiven<br />

bauaufsichtlichen Kontrolle zur Beschleunigung <strong>de</strong>r Baugenehmigungsverfahren sowie <strong>de</strong>s Abbaus<br />

präventiver staatlicher Kontrolltätigkeit unter gleichzeitiger Stärkung <strong>de</strong>r Verantwortlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Bauherrschaft und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren am Bau Beteiligten reduziert. Das Prüfprogramm ist auf diejenigen<br />

Prüfungspunkte beschränkt wor<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Gesetzgebers wegen <strong>de</strong>r gefahrenrechtlichen<br />

Komplexität einer baulichen Anlage unverzichtbar sind. Die Herausnahme <strong>de</strong>s Bauordnungsrechts<br />

aus <strong>de</strong>m Prüf- und Entscheidungsprogramm <strong>de</strong>s vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens<br />

ist somit eine bewusste und gewollte gesetzgeberische Entscheidung.<br />

Die von <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsgegnerin angeführte Regelung, mit <strong>de</strong>m das Vorhaben nicht vereinbar sei,<br />

ist <strong>de</strong>m Bauordnungsrecht zuzurechnen und gehört daher nicht zum Prüfprogramm im hier anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

vereinfachten Verfahren. Daher kann die Genehmigung nicht mit <strong>de</strong>r Begründung versagt<br />

wer<strong>de</strong>n, das Vorhaben verstoße gegen diese – nicht zu prüfen<strong>de</strong> – Norm.<br />

2. Der Anspruch <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin auf Erteilung <strong>de</strong>r bauaufsichtlichen Genehmigung scheitert<br />

auch nicht an <strong>de</strong>m etwa fehlen<strong>de</strong>n Sachbescheidungsinteresse. Es ist in <strong>de</strong>r Rspr zwar anerkannt,<br />

dass die Prüfung <strong>de</strong>s Sachbescheidungsinteresses allgemeine Antragsvoraussetzung ist und die Ablehnung<br />

eines Bauantrags aus diesem Grund auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht<br />

von vornherein ausgeschlossen ist. 14 Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> braucht dann nicht in die sachliche<br />

Prüfung eines Antrags einzutreten, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller die erstrebte Erlaubnis zwar (möglicherweise)<br />

formal beanspruchen kann, zugleich aber klar ist, dass er aus an<strong>de</strong>rweitigen Grün<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>ren<br />

Verwertung gehin<strong>de</strong>rt und die Erteilung daher ersichtlich nutzlos wäre. Dem Bauantrag <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin<br />

könnte aber nur dann das Fehlen <strong>de</strong>s grds. anzunehmen<strong>de</strong>n Sachbescheidungsinteresses<br />

entgegengehalten wer<strong>de</strong>n, wenn feststeht, dass sie an einer Verwertung <strong>de</strong>r begehrten Genehmigung<br />

gehin<strong>de</strong>rt und die Genehmigung daher für sie ersichtlich nutzlos wäre. Dies wäre nur<br />

dann <strong>de</strong>r Fall, wenn ein offensichtliches und nicht ausräumbares Hin<strong>de</strong>rnis gegen die Verwertung<br />

14 VGH München, U. v. 23.3.2006 – 26 ZB 05.555, BayVBl. 2006, 537; OVG Koblenz, U. v. 22.10.2008 – 8 A 10942/08,<br />

BauR 2009, 799; VGH München, U. v. 19.1.2009 – 2 BV 08.2567, BRS 74, Nr. 157; U. v. 1.7.2009 – 2 BV 08.2465,<br />

BRS 74 Nr. 158; instruktiv zum Sachbescheidungsinteresse auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r HBO 2011 Hornmann, NVwZ 2011,<br />

212.<br />

Eiding 841


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

<strong>de</strong>r Genehmigung bestün<strong>de</strong> (VGH München, U. v. 23.3.2006 – 26 B 05.555, BayVBl. 2006, 537). Davon<br />

kann hier keine Re<strong>de</strong> sein, auch die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> hat dies nicht behauptet.<br />

3. Bauplanungsrechtlich ist das Vorhaben nicht zu beanstan<strong>de</strong>n. Dies ist unstreitig.<br />

4. Stehen mithin <strong>de</strong>m Vorhaben im Genehmigungsverfahren zu prüfen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche Vorschriften<br />

nicht entgegen, ist die Baugenehmigung zu erteilen. Daraus folgt, dass die Ablehnung <strong>de</strong>s<br />

Baugesuchs rechtswidrig ist und die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin in ihren Rechten verletzt.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

17<br />

18<br />

19<br />

349<br />

cc) Genehmigungsfiktion im vereinfachten Verfahren<br />

Wesentliche Be<strong>de</strong>utung hat die Möglichkeit <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion, sofern nicht<br />

innerhalb einer bestimmten Frist 15 über <strong>de</strong>n (vollständigen) Antrag entschie<strong>de</strong>n ist. Die Län<strong>de</strong>rregelungen<br />

sind allerdings unterschiedlich ausgestaltet, so dass im Einzelfall – auf <strong>de</strong>r<br />

Grundlage <strong>de</strong>s jeweils gelten<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>srechts – zu prüfen ist, welche Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>s Fristlaufs zu stellen sind (zB Vollständigkeit <strong>de</strong>s Antrags, Bestätigung <strong>de</strong>r Vollständigkeit).<br />

16<br />

Typische Fallkonstellation: Die untere Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> bestreitet das Vorliegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen,<br />

unter <strong>de</strong>nen eine Genehmigungsfiktion eintreten kann. Streitpunkte können dabei<br />

die Art <strong>de</strong>s in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n Vorhabens o<strong>de</strong>r die Fristberechnung sein, insb. <strong>de</strong>r Zeitpunkt,<br />

zu <strong>de</strong>m die Entscheidungsfrist <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> zu laufen beginnt.<br />

u Muster: Wi<strong>de</strong>rspruchsbegründung unter Berufung auf <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

vor Erlass <strong>de</strong>s eine Baugenehmigung ablehnen<strong>de</strong>n Bescheids <strong>de</strong>r unteren Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong><br />

An das Regierungspräsidium •••<br />

Bauvoranfrage <strong>de</strong>r Fa. •••<br />

Bauvorhaben: Errichtung •••<br />

Baugrundstück: ••• in •••, Flst. Nr. •••<br />

Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren, Az •••<br />

Namens und in Vollmacht <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin begrün<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n mit Schreiben vom ••• eingelegten<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch gegen <strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>s Bauaufsichtsamtes ••• vom ••• und beantragen:<br />

1. Der Bescheid <strong>de</strong>s Bauaufsichtsamtes vom •••, Az •••, wird aufgehoben.<br />

2. Es wird festgestellt, dass das Vorhaben <strong>de</strong>m vereinfachten Verfahren nach § 57 HBO unterliegt<br />

und mit Ablauf <strong>de</strong>s ••• Genehmigungsfiktion eingetreten ist.<br />

Hilfsweise: Die beantragte Baugenehmigung wird erteilt.<br />

3. Die Kosten <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahrens trägt die Wi<strong>de</strong>rspruchsgegnerin.<br />

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.<br />

Begründung:<br />

A. Sachverhalt<br />

I. Die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin hat am ••• einen Antrag auf Erteilung <strong>de</strong>r Baugenehmigung gestellt. Die<br />

Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> hat mit Schreiben vom ••• gegenüber <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin <strong>de</strong>n Eingang<br />

<strong>de</strong>s Baugesuchs bestätigt.<br />

15 Vgl § 57 Abs. 2 S. 3 HBO: innerhalb von drei Monaten.<br />

16 So in Rheinland-Pfalz: OVG Koblenz, U. v. 10.7.2007 – 8 A 10160/07, NVwZ-RR 2007, 743; ebenso im Saarland: VG<br />

Saarlouis, U. v. 23.4.2008 – 5 K 360/07, LKRZ 2008, 379; zum Beginn <strong>de</strong>s Fristlaufs nach Bln-BauO: OVG Berlin-<br />

Bran<strong>de</strong>nburg, B. v. 28.3.2011 – OVG 2 S 79.10, NVwZ-RR 2011, 469.<br />

842 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Baugesuchs ist •••.<br />

II. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich <strong>de</strong>s seit ••• rechtsverbindlichen Bebauungsplans<br />

•••. Dieser enthält für das Baugrundstück Festsetzungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Art und <strong>de</strong>s Maßes <strong>de</strong>r<br />

baulichen Nutzung sowie <strong>de</strong>r Grundstücksfläche, die überbaut wer<strong>de</strong>n darf. Im Einzelnen: •••<br />

III. Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>n Eingang <strong>de</strong>s o.g. Antrags auf Erteilung <strong>de</strong>r Baugenehmigung<br />

mit Schreiben vom ••• bestätigt. Der Antrag war vollständig und bescheidungsfähig.<br />

Mit Bescheid vom •••, Az •••, hat die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Bauantrag abgelehnt. Ausschlaggebend<br />

waren ausweislich <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Bescheids die (vermeintlich) bauplanungsrechtliche<br />

Unzulässigkeit und das versagte Einvernehmen <strong>de</strong>r Stadt •••.<br />

B. Rechtliche Würdigung<br />

Die Ablehnung <strong>de</strong>s Bauantrags ist rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid verletzt die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin<br />

in ihren Rechten.<br />

Für die Ablehnung <strong>de</strong>r begehrten Baugenehmigung ist inzwischen kein Raum mehr. Die Genehmigung<br />

galt zu diesem Zeitpunkt gem. § 57 Abs. 2 S. 3 HBO bereits als erteilt, <strong>de</strong>nn es war Genehmigungsfiktion<br />

eingetreten.<br />

Die Ablehnung <strong>de</strong>r beantragten Baugenehmigung verletzt die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin selbst dann in<br />

ihren Rechten, wenn man mit <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> annähme, dass die Genehmigungsfiktion<br />

nicht eingetreten sei und im Zeitpunkt <strong>de</strong>r ablehnen<strong>de</strong>n Entscheidung die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> noch<br />

befugt war, <strong>de</strong>n Antrag sachlich zu beschei<strong>de</strong>n. Denn die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin hat einen Anspruch<br />

auf Erteilung <strong>de</strong>r begehrten Baugenehmigung, weil im Verfahren zu prüfen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche<br />

Vorschriften <strong>de</strong>m Vorhaben nicht entgegenstehen, § 64 Abs. 1 HBO.<br />

Zur Begründung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchs verweisen wir ergänzend auf die Stellungnahme vom •••, mit <strong>de</strong>r<br />

wir die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> zur Abgabe einer Erklärung über <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

aufgefor<strong>de</strong>rt hatten.<br />

I. Genehmigungsfiktion<br />

Eine Ablehnung <strong>de</strong>s Antrags auf Erteilung <strong>de</strong>r Baugenehmigung durfte nicht mehr ergehen, weil die<br />

Baugenehmigung zu diesem Zeitpunkt gem. § 57 Abs. 2 S. 3 HBO bereits als erteilt galt (Genehmigungsfiktion).<br />

Mit Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion hat die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin eine Rechtsposition<br />

erlangt, die <strong>de</strong>rjenigen im Falle <strong>de</strong>r Erteilung einer förmlichen Baugenehmigung entspricht.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re kann nach Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion <strong>de</strong>r Antrag nicht mehr ablehnend beschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

1. Das streitgegenständliche Vorhaben unterliegt <strong>de</strong>n Vorschriften über die Anwendung <strong>de</strong>s vereinfachten<br />

Verfahrens. ••• Dies ist unstreitig.<br />

2. Da über die Zulässigkeit <strong>de</strong>s Vorhabens im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren iSd § 57 HBO<br />

zu entschei<strong>de</strong>n ist, ergeben sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen aus § 57 Abs. 2 BauGB. Außer<strong>de</strong>m<br />

sind die weiteren Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s vereinfachten Verfahrens zu berücksichtigen.<br />

Bei Behandlung im vereinfachten Genehmigungsverfahren gilt gem. § 57 Abs. 2 S. 3 HBO die Genehmigung<br />

als erteilt, wenn nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang <strong>de</strong>s (vollständigen) Antrags<br />

über diesen entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n ist; aus wichtigem Grund kann die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> die Frist<br />

um (bis zu) zwei Monate verlängern. Mit Fristablauf tritt (automatisch) Genehmigungsfiktion ein,<br />

ohne dass es hierzu weiterer Handlungen <strong>de</strong>s Bauaufsichtsamtes, insb. einer entsprechen<strong>de</strong>n Erklärung<br />

o<strong>de</strong>r Bestätigung, erst recht keiner förmlichen Entscheidung, bedarf.<br />

Eiding 843


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

Fristbeginn ist <strong>de</strong>r Eingang <strong>de</strong>s vollständigen Antrags. Die Fristenberechnung erfolgt gem. § 31<br />

HessVwVfG iVm §§ 177 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB.<br />

Wie sich aus <strong>de</strong>r Eingangsbestätigung vom ••• ergibt, ist <strong>de</strong>r Antrag am ••• bei <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong><br />

eingegangen. Eine etwaige Unvollständigkeit <strong>de</strong>s Antrags hat die Wi<strong>de</strong>rspruchsgegnerin zu<br />

keinem Zeitpunkt behauptet. Mit Einreichung war <strong>de</strong>r Bauantrag vollständig und bescheidungsfähig.<br />

Damit en<strong>de</strong>te die Entscheidungsfrist mit Ablauf <strong>de</strong>s •••; eine Fristverlängerung erfolgte nicht. Mit<br />

diesem Zeitpunkt ist daher Genehmigungsfiktion eingetreten.<br />

3. Die Genehmigungsfiktion umfasst ebenfalls beantragte Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen.<br />

Die Baugenehmigung für das Vorhaben, wie es sich aus <strong>de</strong>m Antrag vom ••• ergibt, gilt somit als<br />

einschränkungslos erteilt. Das Fehlen <strong>de</strong>s Einvernehmens hin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion<br />

nicht. Die nachträgliche Verweigerung <strong>de</strong>s Einvernehmens <strong>de</strong>r Stadt ••• lässt <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>r<br />

im Wege <strong>de</strong>r Genehmigungsfiktion erlangten Baugenehmigung unberührt.<br />

II. Hilfsweise: Genehmigungsanspruch<br />

Unter <strong>de</strong>r Annahme, es sei – entgegen <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin vertretenen Auffassung –<br />

über <strong>de</strong>n Antrag noch sachlich zu beschei<strong>de</strong>n, weil keine Genehmigungsfiktion eingetreten sei, besteht<br />

ein Anspruch auf Erteilung <strong>de</strong>r begehrten Baugenehmigung.<br />

1. •••<br />

2. Die Versagung <strong>de</strong>s Einvernehmens kann <strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r Baugenehmigung nicht entgegengehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Denn das Einvernehmen <strong>de</strong>r Stadt ••• wur<strong>de</strong> rechtswidrig versagt.<br />

a) Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig. Die von <strong>de</strong>r Stadt geltend gemachten Grün<strong>de</strong> sind<br />

nicht bauplanungsrechtlicher Natur, dh sie können die Versagung <strong>de</strong>s Einvernehmens nicht rechtfertigen.<br />

b) Die Wi<strong>de</strong>rspruchsgegnerin hätte gem. § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB das Einvernehmen ersetzen müssen.<br />

Zwar steht nach <strong>de</strong>r genannten Vorschrift die Ersetzung <strong>de</strong>s gemeindlichen Einvernehmens im Ermessen<br />

<strong>de</strong>r unteren Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong>. Vorliegend ist dieses Ermessen auf Null reduziert, weil die<br />

Versagung offenkundig rechtswidrig ist. Denn die geltend gemachten Versagungsgrün<strong>de</strong> liegen jenseits<br />

planungsrechtlicher Erwägungen und können daher von vornherein die Versagung <strong>de</strong>s Einvernehmens<br />

nicht tragen. •••<br />

III. Kostenentscheidung<br />

1. Im Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheid ist gem. § 73 Abs. 3 S. 2 VwGO, § 80 Abs. 3 S. 2 HessVwVfG eine Kostenentscheidung<br />

zu treffen, die bei erfolgreichem Abschluss <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahrens zu einem<br />

Anspruch <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin auf Erstattung <strong>de</strong>r zur zweckentsprechen<strong>de</strong>n Rechtsverfolgung<br />

o<strong>de</strong>r -verteidigung notwendigen Aufwendungen führt, § 80 Abs. 1 S. 1 HessVwVfG. Dies gilt gem.<br />

§ 80 Abs. 1 S. 2 HessVwVfG selbst dann, wenn <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch nach Auffassung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsbehör<strong>de</strong><br />

nur <strong>de</strong>shalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- o<strong>de</strong>r Formvorschrift<br />

nach § 45 HessVwVfG unbeachtlich ist.<br />

2. Die Gebühren und Auslagen eines im Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren beauftragten Rechtsanwalts sind nach<br />

§ 80 Abs. 2 HessVwVfG notwendige Aufwendungen, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig<br />

war. „Notwendig“ ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts nach <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r Rspr zu<br />

§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO bzw § 80 Abs. 2 HessVwVfG dann, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen,<br />

nicht rechtskundigen Partei zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bestellung für erfor<strong>de</strong>rlich gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

durfte und es <strong>de</strong>m Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen<br />

844 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

Umstän<strong>de</strong>n nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Eine „notwendige Zuziehung“ ist<br />

nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, son<strong>de</strong>rn entspricht <strong>de</strong>r Regel, da<br />

<strong>de</strong>r Bürger nur in Ausnahmefällen in <strong>de</strong>r Lage ist, selbst seine Rechte gegenüber <strong>de</strong>r Verwaltung<br />

ausreichend zu wahren (vgl Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 162 Rn 18).<br />

3. Die Wi<strong>de</strong>rspruchsführerin war nach diesen Maßstäben nicht in <strong>de</strong>r Lage, das Vorverfahren entsprechend<br />

selbst zu führen, so dass eine Zuziehung eines Rechtsanwalts vom Standpunkt einer verständigen,<br />

nicht rechtskundigen Partei für erfor<strong>de</strong>rlich gehalten wer<strong>de</strong>n durfte.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

b)<br />

„Großes“ Genehmigungsverfahren, § 64 MBO – Umfassen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche Unbe<strong>de</strong>nklichkeitsbescheinigung<br />

Das „große“ Baugenehmigungsverfahren (vormals „herkömmliches“ Baugenehmigungsverfahren)<br />

ist in weiten Bereichen vom „vereinfachten Verfahren“ verdrängt wor<strong>de</strong>n. In Hessen<br />

etwa wer<strong>de</strong>n kraft Gesetzes nur noch Son<strong>de</strong>rbauten iSd § 2 Abs. 8 HBO im („großen“) Verfahren<br />

gem § 58 HBO geprüft; <strong>de</strong>r Bauherr hat gem § 54 Abs. 3 HBO allerdings die Möglichkeit,<br />

auch bei Vorhaben, die nicht <strong>de</strong>m Verfahren nach § 58 HBO unterliegen, die Durchführung<br />

eines solchen zu verlangen. Die „große“ Baugenehmigung hat <strong>de</strong>n Charakter einer umfassen<strong>de</strong>n<br />

öffentlich-rechtlichen Unbe<strong>de</strong>nklichkeitsbestätigung. Um größtmögliche Rechtssicherheit<br />

bei drohen<strong>de</strong>n Nachbarwi<strong>de</strong>rsprüchen zu erlangen, kann es daher im Interesse <strong>de</strong>s<br />

Bauherrn sein, trotz höheren Verfahrensaufwan<strong>de</strong>s eine „große“ Baugenehmigung zu erstreben.<br />

Im „großen“ Verfahren erfolgt neben <strong>de</strong>r Prüfung bauplanungsrechtlicher Vorschriften<br />

auch die Prüfung <strong>de</strong>s Vorhabens gemessen an <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s Bauordnungsrechts sowie<br />

sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften, sofern diese nicht Gegenstand eines geson<strong>de</strong>rten<br />

Genehmigungsverfahrens sind.<br />

c) (Fehlen<strong>de</strong>) Wahlmöglichkeit <strong>de</strong>s Genehmigungsverfahrens<br />

Grundsätzlich besteht keine Wahlmöglichkeit zwischen bei<strong>de</strong>n Verfahrensarten. Es ist vielmehr<br />

das für das konkrete Vorhaben vom Gesetz vorgesehene Verfahren durchzuführen, sofern eine<br />

solche Wahlmöglichkeit nicht ausdrücklich eingeräumt ist. § 53 Abs. 3 HBO enthält für Hessen<br />

zB eine entsprechen<strong>de</strong> Wahlmöglichkeit. Demnach kann <strong>de</strong>r Bauherr bei Vorhaben, die <strong>de</strong>r<br />

Genehmigungsfreistellung unterfallen, die Durchführung eines vereinfachten o<strong>de</strong>r eines „großen“<br />

Baugenehmigungsverfahrens o<strong>de</strong>r bei Vorhaben, die <strong>de</strong>m vereinfachten Verfahren unterliegen,<br />

die Durchführung eines „großen“ Baugenehmigungsverfahrens verlangen.<br />

d) Abweichungen, § 67 MBO<br />

Die Zulassung einer Abweichung nach § 67 MBO setzt voraus, dass sie<br />

• unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s Zwecks <strong>de</strong>r jeweiligen Anfor<strong>de</strong>rung und<br />

• unter Würdigung <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange<br />

• mit <strong>de</strong>n öffentlichen Belangen, insb. <strong>de</strong>n allgemeinen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 3 Abs. 1 MBO,<br />

vereinbar ist.<br />

Eine Abweichung darf nur zugelassen wer<strong>de</strong>n, wenn ausreichend gewichtige Grün<strong>de</strong> vorliegen,<br />

durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterschei<strong>de</strong>t. Es muss sich um eine atypische, von<br />

<strong>de</strong>r gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste o<strong>de</strong>r bedachte Fallgestaltung han<strong>de</strong>ln. 17 Dabei<br />

müssen die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Vorschrift, von <strong>de</strong>r eine Abweichung erteilt wer<strong>de</strong>n soll, (<strong>de</strong>nnoch)<br />

„sinngemäß“ erfüllt wer<strong>de</strong>n.<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

17 OVG Weimar, U. v. 26.2.2002 – 1 KO 305/99, BRS 65 Nr. 130; Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>r grundstücksbezogenen Atypik bei Abweichung<br />

von Abstandsvorschriften: OVG Münster, B. v. 17.7.2008 – 7 B 195/08, NVwZ-RR 2008, 760; B.<br />

v. 17.11.2009 – 7 B 1350/09, NVwZ-RR 2010, 749.<br />

Eiding 845


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

350<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

Mit <strong>de</strong>r Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz eine Abwägung<br />

zwischen <strong>de</strong>n für das Vorhaben sprechen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Belangen <strong>de</strong>s Nachbarn.<br />

Es ist zu prüfen, ob die Schmälerung <strong>de</strong>r nachbarlichen Interessen durch überwiegen<strong>de</strong> Interessen<br />

<strong>de</strong>s Bauherrn o<strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong> öffentliche Belange gerechtfertigt ist. 18<br />

Mit <strong>de</strong>r Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber die Abweichung<br />

unter das Gebot <strong>de</strong>r Rücksichtnahme gestellt, auf <strong>de</strong>ssen Grundsätze bei <strong>de</strong>r Anwendung<br />

<strong>de</strong>s § 67 MBO zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n kann. Soll von nachbarschützen<strong>de</strong>n Vorschriften<br />

<strong>de</strong>s Abstandsflächenrechts abgewichen wer<strong>de</strong>n, bedarf es <strong>de</strong>s Vorliegens von privaten<br />

o<strong>de</strong>r öffentlichen Belangen von herausgehobener Be<strong>de</strong>utung, um sich gegen die Nachbarinteressen<br />

durchzusetzen. 19<br />

Hinweis: Bei Abweichungen von nachbarschützen<strong>de</strong>n Normen – praktisch am be<strong>de</strong>utsamsten<br />

sind die Abstandsvorschriften – ist beson<strong>de</strong>re Sorgfalt <strong>de</strong>s Bauwerbers geboten. Denn solche<br />

sind häufig Gegenstand von Drittanfechtungsrechtsbehelfen. Es kann daher zweckmäßig sein,<br />

im Vorfeld die Nachbarn, <strong>de</strong>ren Belange betroffen sind, einzubeziehen und über das Vorhaben<br />

zu informieren, evtl sogar <strong>de</strong>ren Zustimmung (in Form <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>r Bauvorlagen)<br />

zu erreichen. Ziel <strong>de</strong>s aktiven Zugehens auf die Nachbarn ist, etwaige Hin<strong>de</strong>rnisse zu erkennen<br />

und Möglichkeiten zu suchen, diese im Konsens auszuräumen.<br />

Typische Fallkonstellation: Die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> lehnt einen Bauantrag ab, weil das Vorhaben<br />

gegen bauordnungsrechtliche Regelungen verstößt und (vermeintlich) die Voraussetzungen<br />

für die Erteilung einer Abweichung nicht vorliegen.<br />

u Muster: Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung mit Erfor<strong>de</strong>rnis einer Abweichungsentscheidung<br />

betr. Abstandsflächen<br />

An das Verwaltungsgericht •••<br />

In <strong>de</strong>m Verwaltungsstreitverfahren<br />

Fa. Hausbau ••• GmbH<br />

– Klägerin –<br />

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte •••<br />

gegen<br />

Landratsamt •••, vertreten durch •••<br />

wegen: Versagung einer Baugenehmigung<br />

Az noch nicht bekannt<br />

erheben wir namens und im Auftrag <strong>de</strong>r Klägerin<br />

und beantragen:<br />

Klage<br />

– Beklagter –<br />

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung <strong>de</strong>s ablehnen<strong>de</strong>n Bescheids vom ••• in Gestalt <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheids<br />

vom ••• verpflichtet, entsprechend <strong>de</strong>m Bauantrag <strong>de</strong>r Klägerin vom ••• eine<br />

Baugenehmigung zu erteilen.<br />

2. Die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens trägt <strong>de</strong>r Beklagte.<br />

18 VGH München, B. v. 16.7.2007 – 1 CS 07.1340, NVwZ-RR 2008, 84.<br />

19 VGH Kassel, B. v. 24.2.2003 – 4 UZ 195/03, BRS 66 Nr. 132; B. v. 5.2.2009 – 3 B 2218/08, BauR 2010, 751: Abweichung<br />

für Schutzzaun zugelassen im Fall <strong>de</strong>r Gefährdungslage für Konsulat; OVG Koblenz, U. v. 2.8.2007 – 1 A 10230/07,<br />

BauR 2007, 1936; zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: Schulte, BauR 2007, 1514.<br />

846 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

Begründung:<br />

A. Sachverhalt<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Baugesuchs ist ein Umbauvorhaben auf <strong>de</strong>m Grundstück ••• in •••. Dort besteht ein<br />

dreigeschossiges Wohnhaus mit vier Wohneinheiten. Das Dachgeschoss ist nicht ausgebaut und wird<br />

bisher nicht zu Wohnzwecken genutzt.<br />

Die <strong>de</strong>n Wohnungen zugeordneten vier Stellplätze sind im südlich angrenzen<strong>de</strong>n Hofbereich untergebracht.<br />

Die Zufahrt über das Nachbargrundstück ist durch Baulast gesichert.<br />

Das Grundstück befin<strong>de</strong>t sich im unbeplanten Innenbereich <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> ••• in einem überwiegend<br />

zu Wohnzwecken genutzten Quartier, § 34 Abs. 1 BauGB.<br />

Das Bauvorhaben umfasst die Aufstockung um ein Vollgeschoss, <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>s Dachgeschosses,<br />

die Errichtung eines zusätzlichen Stellplatzes sowie die Neuordnung <strong>de</strong>r Stellplätze. Ein weiterer<br />

Stellplatz soll abgelöst wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Vorhaben fügt sich nach Art und Maß <strong>de</strong>r baulichen Nutzung in die Eigenart <strong>de</strong>r näheren Umgebung<br />

iSv § 34 BauGB ein. Auch nach <strong>de</strong>r Aufstockung hält es sich nach seiner Höhe, Geschossigkeit<br />

und Kubatur sowie <strong>de</strong>r Fläche, die überbaut wer<strong>de</strong>n soll, im Rahmen <strong>de</strong>r Umgebungsbebauung.<br />

Die Bauherrin hat in Ausübung <strong>de</strong>r ihr zustehen<strong>de</strong>n Wahlmöglichkeit gem § 54 Abs. 3 HBO beantragt,<br />

das Vorhaben im „großen“ Baugenehmigungsverfahren gem. § 58 HBO zu prüfen, dh, das vereinfachte<br />

Baugenehmigungsverfahren iSd § 57 HBO soll nicht zur Anwendung kommen.<br />

Mit Entscheidung vom •••, Az •••, hat die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> die Baugenehmigung versagt. Zur<br />

Begründung hat sie vorgetragen, das Vorhaben halte die Abstandsflächen nicht ein, <strong>de</strong>nn es sei eine<br />

Grenzbebauung vorgesehen. Das Absehen von <strong>de</strong>r Einhaltung <strong>de</strong>r Abstandsflächen aus planungsrechtlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n schei<strong>de</strong> vorliegend aus. Auch die Erteilung einer Abweichung (iSd § 67 MBO)<br />

komme vorliegend nicht in Betracht, diese sei unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht<br />

mit öffentlich-rechtlichen Belangen vereinbar. Im Übrigen könnten Stellplätze nicht in <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Zahl nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Hinzu komme, dass die Bauherrin nicht <strong>de</strong>n Nachweis habe<br />

führen können, dass die Grenzwand zum grenzständigen Nachbargebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>n brandschutzrechtlichen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen genügt. Das vorgelegte Brandschutzkonzept sei nicht ausreichend.<br />

Den gegen <strong>de</strong>n versagen<strong>de</strong>n Bescheid eingelegten Wi<strong>de</strong>rspruch vom ••• hat die Wi<strong>de</strong>rspruchsbehör<strong>de</strong><br />

••• mit Entscheidung vom ••• zurückgewiesen. Der Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheid wur<strong>de</strong> am ••• zugestellt.<br />

B. Rechtliche Würdigung<br />

I. Die Klage ist zulässig. Sie richtet sich gegen die Versagung einer Baugenehmigung. Die Klägerin<br />

ist klagebefugt, die Klage ist form- und fristgerecht eingereicht wor<strong>de</strong>n. Zweifel an <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />

sind nicht ersichtlich.<br />

II. Die Klage ist auch begrün<strong>de</strong>t. Denn die Versagung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in<br />

ihren Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.<br />

1. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig, <strong>de</strong>nn es fügt sich nach Art und Maß seiner baulichen<br />

Nutzung in die Umgebungsbebauung ein.<br />

2. Das vermeintliche Fehlen eines Grenzabstan<strong>de</strong>s kann <strong>de</strong>m Vorhaben nicht entgegengehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Erstens begegnet bereits die Einschätzung <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>nken, es liege keine planungsrechtliche<br />

Ausnahme vor. Zum einen sind in <strong>de</strong>r näheren Umgebung mehrfach Grenzbauten<br />

vorhan<strong>de</strong>n (beidseitige Grenzbebauung unter Wahrung <strong>de</strong>r Obergrenze von 50 m, vgl § 22 Abs. 2<br />

Eiding 847


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

23<br />

Abschnitt 6: Öffentliches Baurecht<br />

BauNVO). Zum an<strong>de</strong>ren bestand auf <strong>de</strong>m Baugrundstück bereits bisher Grenzbebauung, dh, auch das<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Gebäu<strong>de</strong> ist ohne Einhaltung eines Grenzabstands auf <strong>de</strong>r Grenze unmittelbar an das auf<br />

<strong>de</strong>m Nachbargebäu<strong>de</strong> bestehen<strong>de</strong> Wohnhaus angebaut. Lediglich höhenmäßig wird künftige das Vorhaben<br />

geringfügig (0,5 m) höher sein als das Nachbargebäu<strong>de</strong>. Wegen <strong>de</strong>r Aufstockung wird die<br />

gemeinsame Wandfläche größer sein als zuvor. Eine Abstandsfläche ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, weil nach<br />

planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut wer<strong>de</strong>n muss bzw darf, § 6 Abs. 1 S. 3 MBO.<br />

Diese Voraussetzungen liegen hier mit <strong>de</strong>n o.g. Überlegungen vor. •••<br />

Zweitens – dies macht die Klägerin hilfsweise geltend – liegen die Voraussetzungen für die Erteilung<br />

einer Abweichung (iSd § 67 MBO) vor. Demnach kann die Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> Abweichungen von<br />

<strong>de</strong>n bauordnungsrechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen zulassen, wenn sie<br />

– unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s Zwecks <strong>de</strong>r jeweiligen Anfor<strong>de</strong>rung,<br />

– unter Würdigung <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange<br />

– mit <strong>de</strong>n öffentlichen Belangen, insb. <strong>de</strong>n allgemeinen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 3 Abs. 1 MBO, vereinbar<br />

sind.<br />

Dies ist hier <strong>de</strong>r Fall. ••• Insbeson<strong>de</strong>re weist das Grundstück einen atypischen Zuschnitt auf, in<strong>de</strong>m<br />

es – im Vergleich zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Grundstücken <strong>de</strong>s Quartiers – straßenseitig außergewöhnlich schmal<br />

und tief ist. Dies war auch <strong>de</strong>r Grund dafür, dass auf <strong>de</strong>m Baugrundstück bereits bisher eine Grenzbebauung<br />

zugelassen wur<strong>de</strong>.<br />

3. Der vermeintlich „fehlen<strong>de</strong>“ Stellplatz kann <strong>de</strong>m Vorhaben nicht entgegengehalten wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Klägerin ist bereit, <strong>de</strong>n Stellplatz entsprechend <strong>de</strong>r Stellplatz- und Ablösesatzung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> •••<br />

abzulösen.<br />

4. Entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>s Beklagten wer<strong>de</strong>n auch die Brandschutzanfor<strong>de</strong>rungen eingehalten,<br />

§§ 14, 30 MBO. Die Klägerin hat hierzu im Wi<strong>de</strong>rspruchsverfahren das Gutachten eines Brandschutzsachverständigen<br />

vorgelegt, wonach die grenzständige Gebäu<strong>de</strong>abschlusswand <strong>de</strong>n brandschutzrechtlichen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen genügt. Die Behör<strong>de</strong>n würdigen Inhalt und Ergebnis dieses Gutachtens<br />

unzutreffend •••.<br />

5. Da <strong>de</strong>m Vorhaben we<strong>de</strong>r bauplanungs- noch bauordnungsrechtliche Vorschriften und auch sonst<br />

keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, ist die Baugenehmigung zu erteilen. Die<br />

Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Genehmigung, <strong>de</strong>nn das Vorhaben verstößt nicht gegen<br />

im Genehmigungsverfahren zu prüfen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche Vorschriften, § 72 Abs. 1 MBO.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

28<br />

29<br />

3. Prozessuales<br />

a) Verpflichtungsrechtsbehelf<br />

Will <strong>de</strong>r Bauwerber auf die Ablehnung seines Baugesuchs Wi<strong>de</strong>rspruch und erfor<strong>de</strong>rlichenfalls<br />

Klage erheben, ist ein Verpflichtungsrechtsbehelf die „richtige“ Klageart. Es geht nicht primär<br />

um die Aufhebung <strong>de</strong>r ablehnen<strong>de</strong>n Entscheidung, son<strong>de</strong>rn um die Verpflichtung <strong>de</strong>r Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong>,<br />

die Baugenehmigung zu erteilen wie beantragt. Wird auf <strong>de</strong>n Rechtsbehelf die<br />

Baugenehmigung erteilt, ist die zunächst ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung (konklu<strong>de</strong>nt) „vom Tisch“.<br />

b) Maßgeblicher Zeitpunkt<br />

Für eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung kommt es grds. darauf an,<br />

ob im Zeitpunkt <strong>de</strong>r (letzten) gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsanspruch auf die begehrte<br />

848 Eiding


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 23 Bauordnungsrecht 23<br />

Baugenehmigung besteht. 20 Än<strong>de</strong>rt sich nach Klageerhebung die Sach- o<strong>de</strong>r Rechtslage, ist dies<br />

im Berufungsverfahren – auch zu Ungunsten <strong>de</strong>s Bauwerbers – zu berücksichtigen. Er hat dann<br />

nur die Möglichkeit, seine Klage umzustellen und sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren<br />

als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterzuführen.<br />

Auch im Revisionsverfahren ist entschei<strong>de</strong>nd, ob im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entscheidung ein Rechtsanspruch<br />

auf die Genehmigung besteht. Das gilt jedoch nur für Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Rechtslage.<br />

Neue Tatsachen, die erst während <strong>de</strong>s Revisionsverfahrens entstan<strong>de</strong>n sind, können dagegen<br />

keine Berücksichtigung mehr fin<strong>de</strong>n. 21<br />

c) Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage liegt nur vor, wenn mit <strong>de</strong>r beantragten Feststellung <strong>de</strong>r<br />

Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird. 22 Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag wechselt <strong>de</strong>n<br />

ursprünglichen Streitgegenstand (Baugenehmigung) nicht aus, son<strong>de</strong>rn stellt lediglich von <strong>de</strong>m<br />

Verpflichtungsbegehren auf ein Feststellungsbegehren um.<br />

Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO<br />

setzt voraus, 23 dass<br />

• die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig war,<br />

• nach Rechtshängigkeit ein erledigen<strong>de</strong>s Ereignis eingetreten ist,<br />

• ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und<br />

• ein Feststellungsinteresse gegeben ist.<br />

Typische Fallkonstellation: Nach Erhebung <strong>de</strong>r Klage erlässt die Gemein<strong>de</strong> einen Bebauungsplan.<br />

Die ursprünglich begrün<strong>de</strong>te Verpflichtungsklage hat nach Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtslage<br />

durch Erlass <strong>de</strong>s Bebauungsplans keine Aussicht auf Erfolg mehr.<br />

u Muster: Begründung einer Verpflichtungsklage mit hilfsweiser Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

An das Verwaltungsgericht •••<br />

In <strong>de</strong>m Verwaltungsstreitverfahren<br />

Klage<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

351<br />

Herr •••<br />

– Kläger –<br />

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte •••<br />

gegen<br />

das Landratsamt •••, vertreten durch •••<br />

wegen: Versagung einer Baugenehmigung<br />

– Beklagter –<br />

Az •••<br />

begrün<strong>de</strong>n wir nachstehend die Klage und stellen namens <strong>de</strong>s Klägers folgen<strong>de</strong><br />

20 Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 217.<br />

21 BVerwG, U. v. 13.3.2003 – 4 C 3.02, NVwZ 2003, 1261.<br />

22 BVerwG, U. v. 28.8.1987 – 4 C 31.86, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173; U. v. 24.1.1992 – 7 C 24.91, NVwZ 1992,<br />

563; OVG Lüneburg, U. v. 15.5.2009 – 12 LC 51/07, juris.<br />

23 BVerwG, U. v. 28.4.1999 – 4 C 4.98, NVwZ 1999, 1105.<br />

Eiding 849


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht<br />

Literatur: Deutscher Landkreistag, Rundschreiben 686/2007, Hinweise für die Kreiskrankenhäuser zur<br />

Anwendung <strong>de</strong>s Monti-Pakets; Duschner/Lang-Hefferle/Scharpf, Das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt München<br />

für die Umsetzung <strong>de</strong>r Freistellungsentscheidung <strong>de</strong>r EU-Kommission für Beihilfen, BayVBl. 2010,<br />

364; Jennert/Manz, EU-beihilfenrechtliche Risiken in <strong>de</strong>r kommunalen Praxis (Teil 2), KommJur 2009,<br />

367; Jennert/Manz, Kommunalbürgschaften und EU-Beihilferecht, ZKF 2009, 217; Jennert/Pauka, EUbeihilfenrechtliche<br />

Risiken in <strong>de</strong>r kommunalen Praxis (Teil 1), KommJur 2009, 321; Kamann/Gey/Kreuzer,<br />

Europäische Beihilfenkontrolle im Kultursektor, KommJur 2009, 132; Koenig/Hellstern, Unterlassungs-<br />

und Beseitigungsansprüche nach <strong>de</strong>m UWG gegen Empfänger von EU-rechtswidrigen Beihilfen, EWS<br />

2011, 216; Koenig/Scholz, Öffentliche Infrastrukturför<strong>de</strong>rung durch Bau- und Betriebsgesellschaften im<br />

EG-beihilfenrechtlichen Kontrollraster <strong>de</strong>r EG-Kommission, EuZW 2003, 133; Kuhla/Hüttenbrink/Endler,<br />

Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002; Linn, Rechtsbehelfe gegen Negativentscheidungen <strong>de</strong>r Kommission<br />

im Beihilferecht, IStR 2011, 481; Lübbig/Martin-Ehlers, Beihilfenrecht <strong>de</strong>r EU, 2. Aufl. 2009;<br />

Martin-Ehlers, Drittschutz im Beihilfenrecht – Paradigmenwechsel in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Rechtsprechung,<br />

EuZW 2011, 583; Meßmer, Das neue Beihilfenrecht für kommunale Daseinsvorsorgeleistungen – die Reform<br />

<strong>de</strong>s „Monti-Kroes-Pakets“, BWGZ 2012, 290; Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Nordrhein-Westfalen, EG-Beihilfenrechtskonforme Finanzierung von kommunalen Leistungen<br />

<strong>de</strong>r Daseinsvorsorge, Leitfa<strong>de</strong>n, 2008; Montag/Säcker, Münchener Kommentar zum Europäischen und<br />

Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Bd. 3: Beihilfen- und Vergaberecht, 2011; Schmitz/Vogel,<br />

Rechtsgrundlagen und Auswirkungen von Verstößen gegen das europäische Beihilferecht auf <strong>de</strong>n Jahresabschluss<br />

geför<strong>de</strong>rter Unternehmen, DB 2011, 1991; Schuhmacher, Die zunehmen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

Rechtsdurchsetzung durch Wettbewerber im Bereich <strong>de</strong>s EU-Beihilfenrechts, KommJur 2012, 179;<br />

Soltész, Risiken für Kreditinstitute bei beihilferechtswidrigen Staatsbürgschaften, WM 2012, 923; Soltész,<br />

Ryanair und Tierkörperbeseitigung, EuR 2012, 60; Soltész/Hil<strong>de</strong>brandt, in: Johlen, Münchener Prozessformularbuch<br />

Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009.<br />

A. Der Beihilfentatbestand ...................... 1<br />

I. Zuständigkeit und Rechtsgrundlagen ..... 1<br />

II. Vorliegen einer Beihilfe .................... 3<br />

1. Tatbestandsvoraussetzungen .......... 4<br />

2. Insbeson<strong>de</strong>re: Beihilfenrechtliche Relevanz<br />

kommunaler Bürgschaften ....... 7<br />

3. Anmel<strong>de</strong>pflicht (Notifizierung) und<br />

Durchführungsverbot .................. 9<br />

III. Son<strong>de</strong>rfall: De-minimis-Beihilfen .......... 11<br />

1. Voraussetzungen für eine Befreiung<br />

von <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht ................ 11<br />

2. Kommunale Satzungen über die<br />

Gewährung von De-minimis-Beihilfen 14<br />

IV. Beson<strong>de</strong>rheiten im Daseinsvorsorgebereich<br />

........................................ 16<br />

B. Rechtsschutz im Beihilfenrecht .............. 21<br />

I. Beschlüsse im Rahmen <strong>de</strong>r Beihilfenaufsicht<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Kommission ....... 21<br />

1. Verfahrensablauf ...................... 21<br />

2. Positivbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission ............................ 23<br />

3. Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission ............................ 25<br />

II. Klage eines Beihilfenempfängers gegen<br />

einen Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission ................................ 27<br />

III. Handlungsoptionen betroffener Wettbewerber<br />

...................................... 30<br />

1. Handlungsoptionen auf europäischer<br />

Ebene .................................. 30<br />

a) Beschwer<strong>de</strong> eines Wettbewerbers<br />

bei <strong>de</strong>r Europäischen Kommission 30<br />

b) Wettbewerberklage gegen einen<br />

Positivbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission ........................ 34<br />

c) Zulassung <strong>de</strong>s Begünstigten als<br />

Streithelfer zum Verfahren ......... 37<br />

2. Verfahren vor <strong>de</strong>n nationalen Gerichten<br />

...................................... 39<br />

a) Rechtsschutzziele und Rechtswegzuständigkeit<br />

....................... 39<br />

b) Verwaltungsrechtliche Konkurrentenklage<br />

............................ 44<br />

c) Zivilrechtliche Unterlassungs-,<br />

Beseitigungs- und Scha<strong>de</strong>nsersatzklagen<br />

.............................. 47<br />

1<br />

A.<br />

I.<br />

Der Beihilfentatbestand<br />

Zuständigkeit und Rechtsgrundlagen<br />

Während Subventionen durch die EU-Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene vergeben wer<strong>de</strong>n,<br />

erfolgt die Kontrolle über die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r vergebenen Subventionen nach Art. 108<br />

Abs. 1 AEUV zentral durch die Europäische Kommission. In <strong>de</strong>r Terminologie <strong>de</strong>s Europarechts<br />

1488 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

wer<strong>de</strong>n Subventionen als staatliche Beihilfen („state aid“) bezeichnet. Zuständig für die Beihilfenaufsicht<br />

ist daher die „state aid unit“ in <strong>de</strong>r Generaldirektion Wettbewerb <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission.<br />

Primärrechtlich sind die für die Beihilfenaufsicht relevanten Vorschriften in <strong>de</strong>n Art. 107–109<br />

AEUV geregelt, ergänzt durch Art. 106 Abs. 2 AEUV. Auf sekundärrechtlicher Ebene wer<strong>de</strong>n<br />

diese Bestimmungen durch zahlreiche Rechtsakte ergänzt und konkretisiert. Zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />

Verordnungen zählen die Verfahrensverordnung Nr. 659/1999 (im Folgen<strong>de</strong>n: VVO), 1 die<br />

Durchführungsverordnung Nr. 794/2004 zur VVO 2 und die Ermächtigungsverordnung<br />

Nr. 994/98. 3<br />

II. Vorliegen einer Beihilfe<br />

Die Mitgliedstaaten haben Beihilfen vor ihrer Gewährung grds. bei <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

anzumel<strong>de</strong>n. Ob jedoch überhaupt eine Beihilfe vorliegt, obliegt <strong>de</strong>r Selbsteinschätzung<br />

<strong>de</strong>r jeweiligen Behör<strong>de</strong>n und öffentlich-rechtlichen Körperschaften in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Bei<br />

<strong>de</strong>r vorläufigen Einschätzung <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht haben die Mitgliedstaaten zu berücksichtigen,<br />

dass <strong>de</strong>r EU-rechtliche Beihilfenbegriff weit zu verstehen ist und sich nur teilweise mit <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschen Subventionsbegriff überschnei<strong>de</strong>t. Eine Beihilfe im europarechtlichen Sinn umfasst<br />

nicht nur positiv Geld- und Sachleistungen, son<strong>de</strong>rn kann insb. auch in <strong>de</strong>r Vermin<strong>de</strong>rung von<br />

Belastungen bestehen, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hätte. 4<br />

1.<br />

Tatbestandsvoraussetzungen<br />

Der europäische Beihilfenbegriff umfasst fünf kumulative Voraussetzungen:<br />

• Begünstigung,<br />

• eines Unternehmens,<br />

• durch staatliche Mittel,<br />

• Selektivität <strong>de</strong>r Begünstigung und<br />

• Vorliegen o<strong>de</strong>r Drohen einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls und einer<br />

Wettbewerbsverfälschung.<br />

Das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale ist nicht nur durch die Mitgliedstaaten (Bund, Län<strong>de</strong>r,<br />

Landkreise und Kommunen) bei <strong>de</strong>r vorläufigen Einschätzung <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht zu prüfen.<br />

Häufig ist auch für Unternehmen eine dahin gehen<strong>de</strong> Selbsteinschätzung notwendig. So<br />

for<strong>de</strong>rn etwa Wirtschaftsprüfer im Rahmen <strong>de</strong>r Jahresabschlussprüfung öffentlicher Unternehmen<br />

(zB kommunal beherrschte Gesellschaften) regelmäßig die jeweiligen Unternehmen auf,<br />

die Beihilfenrechtskonformität erhaltener Zuwendungen im Rahmen einer gutachtlichen Stellungnahme<br />

zu bestätigen, um im Rahmen <strong>de</strong>r Jahresabschlussrechnung etwaige Beihilfen-<br />

Rückfor<strong>de</strong>rungen berücksichtigen o<strong>de</strong>r ausschließen zu können. 5 Hierzu hat das Institut <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsprüfer am 7.9.2011 einen eigenen, für die Wirtschaftsprüfer verbindlichen Prüfungsstandard<br />

verabschie<strong>de</strong>t. 6<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

1 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (ABl. L Nr. 83 v. 27.3.1999, S. 1), zuletzt geän<strong>de</strong>rt durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006<br />

v. 20.11.2006 (ABl. L Nr. 363 v. 20.12.2006, S. 27).<br />

2 Verordnung (EG) Nr. 794/2004 (ABl. L Nr. 140 v. 30.4.2004, S. 1), geän<strong>de</strong>rt durch Verordnung (EG) Nr. 1125/2009<br />

(ABl. Nr. L 308 v. 24.11.2009, S. 5).<br />

3 Verordnung (EG) Nr. 994/98 (ABl. L Nr. 142 v. 14.5.1998, S. 1). Diese Verordnung befreit Beihilfen, die die Voraussetzungen<br />

einer sog. Gruppen-Freistellungsverordnung erfüllen, von <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht und dient damit <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>s<br />

Art. 109 AEUV.<br />

4 So die stRspr <strong>de</strong>s EuGH, vgl EuGH v. 23.2.1961 – Rs. 30/59 (De gezamenlijke Steenkolenmijnen/Hohe Behör<strong>de</strong>),<br />

Slg. 1961, 3; EuGH v. 15.3.1994 – Rs. C-387/92 (Banco Exterior <strong>de</strong> España/Ayuntamiento <strong>de</strong> Valencia), Slg. 1994, I-877;<br />

EuG v. 1.7.2010 – Rs. T62/08 (ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission), Slg. 2010, II-3229.<br />

5 Näher Schmitz/Vogel, DB 2011, 1991.<br />

6 IDW Prüfungsstandard: Prüfung von Beihilfen nach Artikel 107 AEUV insbeson<strong>de</strong>re zu Gunsten öffentlicher Unternehmen<br />

(IDW PS 700) v. 7.9.2011.<br />

Meßmer/Bernhard 1489


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

591<br />

6<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

u Muster: Gutachtliche Stellungnahme zur Vorlage gegenüber einem Wirtschaftsprüfer – Beurteilung<br />

<strong>de</strong>s möglichen Vorliegens einer Beihilfe<br />

An ••• (Wirtschaftsprüfer)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Jahresabschlussprüfung für die ••• (begünstigtes Unternehmen) haben Sie uns um<br />

eine gutachtliche Stellungnahme zu <strong>de</strong>r Frage gebeten, ob die jährlichen Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r<br />

••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen) eine verbotene Beihilfe iSv<br />

Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Gerne nehmen wir zu dieser Frage nachfolgend Stellung.<br />

I. Sachverhalt<br />

Die ••• (Gebietskörperschaft) hat im Jahr ••• beschlossen, die anstehen<strong>de</strong>n Investitionen im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>n von ihr unterhaltenen Bä<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>ren Betrieb einem privaten Unternehmen zu<br />

übertragen. Dazu hat die ••• (Gebietskörperschaft) einen europaweiten Teilnahmewettbewerb für<br />

eine Konzession für <strong>de</strong>n Bau und Betrieb eines Freizeitba<strong>de</strong>s ausgeschrieben •••. Neben <strong>de</strong>n gestalterischen<br />

Vorgaben an das Bad (Größe <strong>de</strong>s Schwimmbeckens, attraktive Saunalandschaft, Erlebnisaußenbecken,<br />

ansprechen<strong>de</strong> Gastronomie etc.) musste das Freizeitbad für das Schul- und Vereinsschwimmen<br />

geeignet sein und dafür zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n. ••• Es gingen insgesamt 11<br />

Teilnahmeanträge bei <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) ein.<br />

Die ••• (Gebietskörperschaft) führte mit allen Interessenten Gespräche. Sieben <strong>de</strong>r Interessenten<br />

reichten schließlich Angebote bei <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) ein. Nach Bewertung <strong>de</strong>r Angebote<br />

stand fest, dass das Angebot <strong>de</strong>r ••• (begünstigtes Unternehmen) das wirtschaftlich günstigste war.<br />

Nach weiteren Verhandlungen schlossen die ••• (Gebietskörperschaft) und die ••• (begünstigtes Unternehmen)<br />

einen •••-Vertrag ab. Als Gegenleistung für die verschie<strong>de</strong>nen von <strong>de</strong>r ••• (begünstigtes<br />

Unternehmen) übernommenen Verpflichtungen hat sich die ••• (Gebietskörperschaft) verpflichtet,<br />

während <strong>de</strong>r Laufzeit <strong>de</strong>s •••-Vertrages an die ••• (begünstigtes Unternehmen) jährliche Zuschusszahlungen<br />

iHv 1 Mio. € zu leisten.<br />

Das von <strong>de</strong>r •••(begünstigtes Unternehmen) errichtete Bad hat <strong>de</strong>n Charakter eines mo<strong>de</strong>rnen Freizeitba<strong>de</strong>s.<br />

Sein Einzugsbereich bezieht über das Gebiet <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) hinaus auch die<br />

umliegen<strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n mit ein und umfasst ca. 50 Kilometer. Statistische Erhebungen <strong>de</strong>r ••• (begünstigtes<br />

Unternehmen) haben ergeben, dass aus <strong>de</strong>m direkten Einzugsgebiet <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

fast 90 % <strong>de</strong>r Besucher <strong>de</strong>s Ba<strong>de</strong>s stammen. Das Einzugsgebiet berührt nicht das Gebiet<br />

<strong>de</strong>r angrenzen<strong>de</strong>n ••• (angrenzen<strong>de</strong>r Mitgliedstaat <strong>de</strong>r Europäischen Union).<br />

II. Rechtliche Würdigung<br />

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche o<strong>de</strong>r aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich<br />

welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen o<strong>de</strong>r Produktionszweige <strong>de</strong>n<br />

Wettbewerb verfälschen o<strong>de</strong>r zu verfälschen drohen, mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit<br />

sie <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten beeinträchtigen können.<br />

Eine Beihilfe in diesem Sinne liegt vor, wenn folgen<strong>de</strong> Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ erfüllt<br />

sind:<br />

1. Es muss sich um eine Maßnahme han<strong>de</strong>ln, die vom Staat o<strong>de</strong>r aus staatlichen Mitteln finanziert<br />

wird.<br />

2. Die Maßnahme wird zu Gunsten eines Unternehmens gewährt.<br />

1490 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

3. Sie muss begünstigen<strong>de</strong> Wirkung für das Unternehmen haben, dh einen wirtschaftlichen Vorteil<br />

gewähren.<br />

4. Die Maßnahme muss selektiv sein, dh sie muss ein bestimmtes Unternehmen begünstigen.<br />

5. Die Maßnahme muss die Gefahr einer Verfälschung <strong>de</strong>s Wettbewerbs sowie einer Beeinträchtigung<br />

<strong>de</strong>s grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>ls hervorrufen.<br />

Auf Grundlage dieser Tatbestandsmerkmale gehen <strong>de</strong>r EuGH und die Europäische Kommission grds.<br />

von einem weiten und funktionalen Beihilfenbegriff aus. Beihilfen sind danach alle Maßnahmen zur<br />

mittelbaren und unmittelbaren wirtschaftlichen För<strong>de</strong>rung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r Produktionszweigs<br />

seitens <strong>de</strong>r öffentlichen Hand eines Mitgliedstaats durch die Verschaffung eines wirtschaftlichen<br />

Vorteils, <strong>de</strong>n das Unternehmen bzw <strong>de</strong>r Produktionszweig im normalen Verlauf seiner Tätigkeit<br />

– dh bei normalen Marktbedingungen – nicht erhalten hätte o<strong>de</strong>r durch die Vermin<strong>de</strong>rung von Belastungen,<br />

die das Unternehmen bzw <strong>de</strong>r Produktionszweig normalerweise zu tragen hätte. 7 Fehlt es<br />

an einem dieser fünf Tatbestandsmerkmale, dann liegt keine Beihilfe vor, so dass die Maßnahme<br />

zumin<strong>de</strong>st nach <strong>de</strong>m Maßstab <strong>de</strong>s Beihilfenrechts unbe<strong>de</strong>nklich ist. Sind hingegen sämtliche Tatbestandsmerkmale<br />

kumulativ erfüllt, so müssen Beihilfen vor ihrer Gewährung bei <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission angemel<strong>de</strong>t (sog. Notifizierung) und von dieser genehmigt wer<strong>de</strong>n, sofern keine Ausnahme<br />

hiervon eingreift.<br />

Damit die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen)<br />

überhaupt beihilfenrechtliche Relevanz aufweisen, müssen sämtliche Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>s Beihilfenverbots<br />

in Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt sein. Falls eines o<strong>de</strong>r mehrere dieser Tatbestandsmerkmale<br />

nicht vorliegen, wären die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes<br />

Unternehmen) zumin<strong>de</strong>st nach <strong>de</strong>m Maßstab <strong>de</strong>s Beihilfenrechts nicht relevant. Die •••<br />

(Gebietskörperschaft) müsste in diesem Fall diese Vorschriften nicht beachten. Die Verpflichtung <strong>de</strong>r<br />

••• (Gebietskörperschaft) zur Einhaltung <strong>de</strong>r haushaltsrechtlichen Bestimmungen und möglicherweise<br />

bestehen<strong>de</strong> Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnisse durch die Rechtsaufsichtsbehör<strong>de</strong> bleiben hiervon aber<br />

unberührt.<br />

Im Einzelnen:<br />

1. Maßnahme aus staatlichen Mitteln<br />

Die <strong>de</strong>r ••• (begünstigtes Unternehmen) zufließen<strong>de</strong>n Mittel müssen vom Staat o<strong>de</strong>r aus staatlichen<br />

Mitteln stammen. Dies be<strong>de</strong>utet, dass ein <strong>de</strong>m Staat zurechenbarer Mitteltransfer stattfin<strong>de</strong>n muss,<br />

<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r einen Seite die Begünstigung von Unternehmen o<strong>de</strong>r Produktionszweigen bewirkt und<br />

auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite zu Lasten <strong>de</strong>r staatlichen Haushalte geht.<br />

Die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen) stellen<br />

einen Mitteltransfer iSd beihilfenrechtlichen Vorschriften dar, da die Zahlungen seitens <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

als Gewährung „staatlicher Mittel“ in diesem Sinne anzusehen sind.<br />

2. Maßnahme zu Gunsten eines Unternehmens<br />

Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst nur Beihilfen, die zu Gunsten von Unternehmen gewährt wer<strong>de</strong>n. Als<br />

Unternehmen gilt nach ständiger Entscheidungspraxis <strong>de</strong>r Europäischen Kommission und <strong>de</strong>s EuGH<br />

„je<strong>de</strong> eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben<strong>de</strong> Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und <strong>de</strong>r Art<br />

ihrer Finanzierung“ (funktionaler Unternehmensbegriff). 8<br />

7 Koenig/Scholz, EuZW 2003, 133.<br />

8 Arhold, in: MüKo-WettbR, Band 3, Art. 107 AEUV Rn 309 ff.<br />

Meßmer/Bernhard 1491


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

Die ••• (begünstigtes Unternehmen) ist ohne Weiteres als Unternehmen in diesem Sinne anzusehen.<br />

9 Insbeson<strong>de</strong>re steht die ••• (begünstigtes Unternehmen) im Wettbewerb zu an<strong>de</strong>ren Betreibern<br />

von Schwimmbä<strong>de</strong>rn im regionalen Umland <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft). Soweit diese Schwimmbä<strong>de</strong>r<br />

von ••• (an<strong>de</strong>re Gebietskörperschaften) unterhalten und betrieben wer<strong>de</strong>n, än<strong>de</strong>rt dies nichts<br />

daran, dass auch diese Schwimmbä<strong>de</strong>r tatsächlich mit <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>r ••• (begünstigtes Unternehmen)<br />

betriebenen Schwimmbad im Wettbewerb stehen.<br />

3. Begünstigen<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>r Maßnahme<br />

Der beihilfenrechtliche Begriff <strong>de</strong>r Begünstigung ist <strong>de</strong>utlich weiter auszulegen als <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschen Zuwendungsrecht bekannte Begriff <strong>de</strong>r „Subvention“. Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst „Beihilfen<br />

gleich welcher Art •••“. Aus dieser Formulierung und <strong>de</strong>m Schutzzweck von Art. 107 Abs. 1<br />

AEUV ergibt sich, dass Form, Bezeichnung, Art und Weise, Grün<strong>de</strong>, Motive o<strong>de</strong>r Ziele <strong>de</strong>r Beihilfengewährung<br />

unerheblich sind. Entschei<strong>de</strong>nd ist allein die Wirkung <strong>de</strong>r Maßnahme, nämlich die Erlangung<br />

eines spezifischen Vorteils. Die Wirkung einer Maßnahme ist zu ermitteln durch einen Vergleich<br />

mit <strong>de</strong>r Lage, wie sie für das begünstigte Unternehmen ohne die jeweilige Maßnahme bestehen<br />

wür<strong>de</strong>. Die Begünstigung liegt dann in <strong>de</strong>r Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils, <strong>de</strong>n das<br />

Unternehmen im normalen Verlauf seiner Tätigkeit nicht erhalten hätte. 10<br />

Die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen) stellen<br />

ohne Weiteres eine „Begünstigung“ in diesem Sinne dar.<br />

4. Selektivität<br />

Das Kriterium <strong>de</strong>r Selektivität ist nach <strong>de</strong>r Entscheidungspraxis <strong>de</strong>r Europäischen Kommission dann<br />

erfüllt, wenn sich die Begünstigung nicht auf alle Betriebe in einem Mitgliedstaat gleichermaßen<br />

auswirkt, son<strong>de</strong>rn nur zu einer Besserstellung bestimmter Unternehmen, Sektoren o<strong>de</strong>r Regionen<br />

führt. 11 Dabei genügt es, wenn sich die Maßnahme zwar nicht rechtlich, aber faktisch nur zu Gunsten<br />

einer Gruppe von Begünstigten auswirkt. 12<br />

Lediglich die ••• (begünstigtes Unternehmen) erhält Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft).<br />

Damit wird die ••• (begünstigtes Unternehmen) aus <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Unternehmen<br />

herausgehoben und einseitig begünstigt. 13<br />

5. Gefahr einer Verfälschung <strong>de</strong>s Wettbewerbs sowie einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>s grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Han<strong>de</strong>ls<br />

Um beihilfenrechtliche Relevanz zu erlangen, müssten die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

an die ••• (begünstigtes Unternehmen) auch <strong>de</strong>n Wettbewerb verfälschen o<strong>de</strong>r zu verfälschen<br />

drohen und geeignet sein, <strong>de</strong>n grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l zu beeinträchtigen. Im Einzelnen:<br />

9 Die „Unternehmens“-Eigenschaft ist in <strong>de</strong>r Praxis insb. bei Eigen- und Regiebetrieben, rechtsfähigen Stiftungen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts und Holding-Strukturen vertieft zu prüfen. Im Hinblick auf Holding-Strukturen ist anerkannt, dass<br />

diese von <strong>de</strong>r Unternehmenseigenschaft <strong>de</strong>r von ihnen gehaltenen Unternehmen „infiziert“ wer<strong>de</strong>n, um zu verhin<strong>de</strong>rn,<br />

dass durch eine solche Gestaltung <strong>de</strong>r Anwendungsbereich <strong>de</strong>r beihilfenrechtlichen Vorschriften umgangen wird, vgl<br />

Arhold, in: MüKo-WettbR, Band 3, Art. 107 AEUV Rn 315.<br />

10 Zu <strong>de</strong>n Einzelheiten s. Kommission, Mitteilung zur Anwendung <strong>de</strong>s Beihilfenrechts auf Unternehmen im Sinne <strong>de</strong>r<br />

Transparenzrichtlinie vom 13.11.1993, ABl. Nr. C 307/3, Rn 31.<br />

11 EuGH v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline GmbH u.a./Finanzlan<strong>de</strong>sdirektion für Kärnten), Slg. 2001,<br />

I-8365; EuGH v. 15.11.2011 – Verb. Rs. C-106/09 P und C-107/09 P (Europäische Kommission und Königreich Spanien/<br />

Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland), DStR 2012, 217 m. Anm. Höring.<br />

12 Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht <strong>de</strong>r EU, Rn 96.<br />

13 Das Kriterium <strong>de</strong>r Selektivität ist insb. im Fall <strong>de</strong>r Erschließung von Gewerbegebieten, die auf bestimmte „Ankernutzer“<br />

zugeschnitten wer<strong>de</strong>n, von praktischer Relevanz.<br />

1492 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

a) Wettbewerbsverfälschung<br />

Die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen) müssten<br />

<strong>de</strong>n Wettbewerb verfälschen o<strong>de</strong>r zu verfälschen drohen.<br />

Für die Prüfung einer Wettbewerbsfälschung ist zunächst <strong>de</strong>r sachlich und räumlich relevante Markt<br />

für die Tätigkeit <strong>de</strong>s begünstigten Unternehmens festzustellen. Eine Wettbewerbsverfälschung ist zu<br />

bejahen, wenn durch die Begünstigung eines o<strong>de</strong>r mehrerer bestimmter Unternehmen die Marktbedingungen<br />

<strong>de</strong>r Wettbewerber tatsächlich o<strong>de</strong>r potenziell verzerrt wer<strong>de</strong>n. 14 Aufgrund <strong>de</strong>r extensiven<br />

Auslegung dieses Rechtsbegriffs durch die Europäische Kommission gehen wir davon aus, dass auch<br />

vorliegend eine Wettbewerbsverfälschung im beihilfenrechtlichen Sinne zu bejahen wäre.<br />

Aus praktischen Gesichtspunkten verlangt die Europäische Kommission zu<strong>de</strong>m eine gewisse Spürbarkeit<br />

<strong>de</strong>r Wettbewerbsverfälschung (bzw Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls). Sind<br />

die Schwellenwerte für De-minimis-Beihilfen überschritten, kommt es auf die Spürbarkeit <strong>de</strong>r Wettbewerbsverfälschung<br />

jedoch nicht an. 15 Nach <strong>de</strong>n De-minimis-Verordnungen <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

gelten Beihilfen bis 200.000 € 16 bzw Beihilfen im Bereich <strong>de</strong>r öffentlichen Daseinsvorsorge<br />

bis 500.000 € 17 innerhalb eines Zeitraums von drei Steuerjahren als Maßnahmen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale<br />

von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen und daher nicht <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht nach<br />

Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen.<br />

Vorliegend überschreiten die Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes<br />

Unternehmen) diesen Betrag bei Weitem. Die Spürbarkeit einer möglichen Wettbewerbsverfälschung<br />

ist hier schon aufgrund <strong>de</strong>s Umfangs <strong>de</strong>r Zuschusszahlungen zu bejahen.<br />

b) Eignung zur Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls<br />

Allerdings kommt das Beihilfenverbot nur bei einer tatsächlichen bzw <strong>de</strong>r Möglichkeit einer Beeinträchtigung<br />

<strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls zur Anwendung. 18 Auch dieses Tatbestandsmerkmal<br />

wird in <strong>de</strong>r Praxis weit ausgelegt:<br />

Nach <strong>de</strong>r Rspr <strong>de</strong>s EuGH ist es auch bei finanziellen Maßnahmen für bestimmte – mit lokalen o<strong>de</strong>r<br />

regionalen öffentlichen Dienstleistungen betraute – Unternehmen keineswegs ausgeschlossen, dass<br />

sich die Zuwendung auf <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten auswirken kann. Durch die Gewährung<br />

eines Vorteils kann nämlich <strong>de</strong>r Tätigkeitsbereich <strong>de</strong>s begünstigten Unternehmens beibehalten<br />

o<strong>de</strong>r ausgeweitet wer<strong>de</strong>n, so dass sich die Chancen <strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaaten nie<strong>de</strong>rgelassenen<br />

Unternehmen, ihre Leistungen auf <strong>de</strong>m Markt dieses Staates zu erbringen, verringern. Zum<br />

Einfluss <strong>de</strong>r Höhe einer staatlichen Leistung auf die Möglichkeit, <strong>de</strong>n zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>l zu<br />

beeinflussen, hat <strong>de</strong>r EuGH ausgeführt, dass es keine Schwelle und keinen Prozentsatz gibt, unterhalb<br />

<strong>de</strong>ren man davon ausgehen könnte, dass <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt<br />

ist. We<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Grö-<br />

14 EuGH v. 2.7.1974 – Rs. 173/73 (Italien/Kommission), Slg. 1974, 709; EuGH v. 15.3.1994 – Rs. C-387/92 (Banco Exterior<br />

<strong>de</strong> España/Ayuntamiento <strong>de</strong> Valencia), Slg. 1994, I-877; EuGH v. 15.12.2005 – Rs. C-148/04 (Unicredito Italiano),<br />

Slg. 2005, I-11137.<br />

15 EuG v. 30.4.1998 – Rs. T-214/95 (Vlaams West), Slg. 1998, II-717.<br />

16 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 <strong>de</strong>r Kommission über die Anwendung <strong>de</strong>r Art. 87 und 88 auf „De-minimis“-Beihilfen<br />

(ABl. L 379 v. 28.12.2006, S. 5).<br />

17 Verordnung (EU) Nr. 360/2012 <strong>de</strong>r Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung <strong>de</strong>r Artikel 107 und 108 <strong>de</strong>s<br />

Vertrags über die Arbeitsweise <strong>de</strong>r Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (ABl. L 114 v. 25.4.2012, S. 8).<br />

18 EuGH v. 2.7.1974 – Rs. 173/73 (Italien/Kommission), Slg. 1974, 709; EuGH v. 24.2.1987 – Rs. 310/85 (Deufil),<br />

Slg. 1987, 901; EuGH v. 15.6.2006 – Rs. 393/04 (Air Liqui<strong>de</strong> Industries Belgium), Slg. 2006, I-5293.<br />

Meßmer/Bernhard 1493


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

ße <strong>de</strong>s begünstigten Unternehmens schließen nämlich von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung<br />

<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten aus. 19<br />

An einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls fehlt es aber dann, wenn Daseinsvorsorgeleistungen<br />

finanziert wer<strong>de</strong>n, die streng auf <strong>de</strong>n kommunalen, dh örtlichen Bereich bezogen<br />

sind und <strong>de</strong>shalb keine „Ausstrahlungswirkung“ auf <strong>de</strong>n zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>l haben. Dies ist<br />

für <strong>de</strong>n jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Sachverhalts und <strong>de</strong>r<br />

relevanten Entscheidungspraxis <strong>de</strong>r Europäischen Kommission und <strong>de</strong>r europäischen Gerichte zu prüfen<br />

und zu beurteilen. 20<br />

Vor diesem Hintergrund gehen wir im vorliegen<strong>de</strong>n Fall davon aus, dass es im Fall <strong>de</strong>r Zuschusszahlungen<br />

<strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen) an einer Beeinträchtigung<br />

<strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls fehlt. Dies ergibt sich daraus, dass das direkte Einzugsgebiet<br />

<strong>de</strong>s Ba<strong>de</strong>s lediglich das Gebiet <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) umfasst, aus <strong>de</strong>m fast 90 % <strong>de</strong>r Besucher<br />

stammen. Der restliche – indirekte – Einzugsbereich umfasst einen Radius von ca. 50 km und berührt<br />

damit nicht das Gebiet <strong>de</strong>r ••• (angrenzen<strong>de</strong>r Mitgliedstaat <strong>de</strong>r Europäischen Union). Hinzu kommt,<br />

dass das Bad auch in keiner Weise einzigartig in seinem Charakter in ••• (Bun<strong>de</strong>sland), geschweige<br />

<strong>de</strong>nn in Deutschland ist, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen<br />

Han<strong>de</strong>ls durch die Zuschusszahlungen zu verneinen ist. 21<br />

Wir gehen <strong>de</strong>shalb davon aus, dass vorliegend mit sehr guten Grün<strong>de</strong>n argumentiert wer<strong>de</strong>n kann,<br />

dass keine Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>ls vorliegt und damit die Zuschusszahlungen<br />

<strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die •••(begünstigtes Unternehmen) keine Beihilfen iSv<br />

Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. 22<br />

III. Ergebnis<br />

Die jährlichen Zuschusszahlungen <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) an die ••• (begünstigtes Unternehmen)<br />

stellen nach unserer Rechtsauffassung keine verbotene Beihilfe iSv Art. 107 Abs. 1 AEUV dar,<br />

da diese nicht geeignet sind, <strong>de</strong>n zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>l zu beeinträchtigen.<br />

Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.<br />

••• (Ort, Datum, Unterschrift) t<br />

7<br />

2. Insbeson<strong>de</strong>re: Beihilfenrechtliche Relevanz kommunaler Bürgschaften<br />

Praktische Relevanz erhält das Beihilfenrecht in <strong>de</strong>r kommunalen Praxis oft auch durch die<br />

For<strong>de</strong>rung von Banken, von <strong>de</strong>n Kommunen eine Erklärung bzw Bestätigung <strong>de</strong>r Beihilfenrechtskonformität<br />

verschie<strong>de</strong>ner Maßnahmen zu erlangen. 23 Vielfach übernehmen Kommunen<br />

19 EuGH v. 24.7.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), Slg. 2003, I-7747.<br />

20 Die Recherche und Auswertung <strong>de</strong>r Entscheidungspraxis <strong>de</strong>r Europäischen Kommission zu diesem Tatbestandsmerkmal<br />

<strong>de</strong>s Beihilfenverbots ist sehr aufwändig. Zu<strong>de</strong>m ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungspraxis <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission stetigen Verän<strong>de</strong>rungen unterliegt und ältere Entscheidungen <strong>de</strong>shalb nicht mehr ohne Weiteres für die<br />

Beurteilung aktueller Sachverhalte herangezogen wer<strong>de</strong>n können. Letztlich kann eine <strong>de</strong>finitive Beurteilung, ob eine bestimmte<br />

Maßnahme geeignet ist, <strong>de</strong>n zwischenstaatlichen Han<strong>de</strong>l zu beeinträchtigen o<strong>de</strong>r nicht, nur durch die Europäische<br />

Kommission selbst erfolgen. Weiterführend Soltész, in: MüKo-WettbR, Band 3, Art. 107 AEUV Rn 461 ff; Lübbig/<br />

Martín-Ehlers, Beihilfenrecht <strong>de</strong>r EU, Rn 238 f; Kamann/Gey/Kreuzer, KommJur 2009, 132.<br />

21 Entscheidung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission v. 12.1.2001 – Beihilfe N 258/2000 (Freizeitbad Dorsten). Auch in <strong>de</strong>r<br />

Mitteilung über die Anwendung <strong>de</strong>r Beihilfevorschriften <strong>de</strong>r Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung<br />

von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. Nr. C 8/4 v. 11.1.2012) hält die Europäische<br />

Kommission in Rn 40 an dieser Einschätzung fest.<br />

22 Sofern eine hinreichend rechtssichere Beurteilung im Einzelfall nicht möglich ist, empfiehlt es sich, die Möglichkeit eines<br />

Betrauungsakts für das begünstigte Unternehmen zu prüfen und ggf umzusetzen, um die Rechtssicherheit zu erhöhen (vgl<br />

hierzu Rn 19 f).<br />

23 Soltész, WM 2012, 923.<br />

1494 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

Bürgschaften zu Gunsten ihrer Tochtergesellschaften, damit diese in <strong>de</strong>n Genuss günstigerer<br />

Finanzierungskonditionen, i<strong>de</strong>alerweise von Kommunalkredit-Konditionen, kommen. Übernimmt<br />

bspw eine Kommune in einem solchen Fall eine Bürgschaft gegenüber einer Bank zur<br />

Absicherung eines von einer Tochtergesellschaft <strong>de</strong>r Kommune bei dieser Bank aufzunehmen<strong>de</strong>n<br />

Darlehens, so hat die Bank ein erhebliches Eigeninteresse daran, dass diese Bürgschaftsübernahme<br />

beihilfenrechtlich zulässig ist, nicht zuletzt, um eine mögliche zivilrechtliche Unwirksamkeit<br />

<strong>de</strong>s Bürgschaftsvertrages zu vermei<strong>de</strong>n. 24 Darüber hinaus treffen die öffentliche<br />

Hand bei <strong>de</strong>r Übernahme von Bürgschaften auch Aufklärungs- und Treuepflichten gegenüber<br />

<strong>de</strong>n Banken, die im Falle einer Verletzung bzw einer Nichtdurchsetzbarkeit <strong>de</strong>r Bürgschaft Ansprüche<br />

auf Scha<strong>de</strong>nsersatz begrün<strong>de</strong>n können.<br />

u Muster: Bestätigung <strong>de</strong>r Beihilfenrechtskonformität einer Ausfallbürgschaft gegenüber einer<br />

Bank<br />

An •••-Bank<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

die •••-Bank hat <strong>de</strong>r ••• (100 %iges Tochterunternehmen von Gebietskörperschaft) einen Kontokorrent-Kredit<br />

über ••• € gewährt. Der Vertrag wur<strong>de</strong> am ••• abgeschlossen. Da die ••• (100 %iges Tochterunternehmen<br />

von Gebietskörperschaft) eine 100 %ige Tochtergesellschaft <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

ist, hat die ••• (Gebietskörperschaft) am ••• eine Ausfallbürgschaft zur Absicherung von<br />

maximal 80 % <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Kontokorrent-Kredits übernommen.<br />

Wunschgemäß bestätigen wir hiermit <strong>de</strong>r •••-Bank, dass die Übernahme dieser Ausfallbürgschaft mit<br />

<strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s Europäischen Beihilfenrechts, insb. <strong>de</strong>n Vorgaben für Einzelbürgschaften in<br />

Ziff. 3.2 <strong>de</strong>r sog. Bürgschaftsmitteilung (Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über die Anwendung <strong>de</strong>r Artikel<br />

87 und 88 <strong>de</strong>s EG-Vertrages auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und<br />

Bürgschaften, ABl. 2008 C 155/10 v. 20.6.2008), vollumfänglich in Einklang steht. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

verlangt die ••• (Gebietskörperschaft) von <strong>de</strong>r ••• (100 %iges Tochterunternehmen von Gebietskörperschaft)<br />

auch die Zahlung einer Avalprovision für die Übernahme <strong>de</strong>r Ausfallbürgschaft in <strong>de</strong>r durch<br />

das europäische Beihilfenrecht vorgegebenen Höhe.<br />

Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.<br />

••• (Ort, Datum, Unterschrift) t<br />

3.<br />

Anmel<strong>de</strong>pflicht (Notifizierung) und Durchführungsverbot<br />

Neue Beihilfen sind durch die Mitgliedstaaten gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV vor ihrer Gewährung<br />

bei <strong>de</strong>r Europäischen Kommission anzumel<strong>de</strong>n (Anmel<strong>de</strong>pflicht; sog. Notifizierung). Die Anmeldung<br />

erfolgt nach Art. 3 <strong>de</strong>r Verordnung Nr. 794/2004 25 in <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>r Verordnung<br />

Nr. 271/2008 26 mittels <strong>de</strong>s elektronischen Webformulars „State Aid Notification Interactive“<br />

(SANI), abrufbar über die Internetseite https://webgate.ec.europa.eu/competition/sani.<br />

Bis zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m die Europäische Kommission die Beihilfe genehmigt o<strong>de</strong>r diese<br />

als genehmigt gilt, besteht ein Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV. Während<br />

dieser Schwebezeit zwischen <strong>de</strong>r Anmeldung und Genehmigung (bzw <strong>de</strong>s Eintritts einer Ge-<br />

8<br />

592<br />

9<br />

10<br />

24 Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nichtigkeit eines Bürgschaftsvertrages eintritt, ist weiterhin ungeklärt, vgl<br />

EuGH v. 8.12.2011 – Rs. C-275/10 (Resi<strong>de</strong>x Capital IV CV/Gemeente Rotterdam), EuZW 2012, 106 m. Anm.<br />

von Bonin.<br />

25 Verordnung (EG) Nr. 794/2004 v. 21.4.2004 zur Durchführung <strong>de</strong>r Verordnung (EG) Nr. 659/1999 <strong>de</strong>s Rates über beson<strong>de</strong>re<br />

Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 <strong>de</strong>s EG-Vertrags.<br />

26 Verordnung (EG) Nr. 271/2008 v. 30.1.2008 zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verordnung (EG) Nr. 794/2004 zur Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Verordnung (EG) Nr. 659/1999 <strong>de</strong>s Rates über beson<strong>de</strong>re Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 <strong>de</strong>s EG-Vertrags.<br />

Meßmer/Bernhard 1495


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

nehmigungsfiktion) darf die Beihilfe nicht gewährt wer<strong>de</strong>n. Auch eine verbindliche Zusage<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Beihilfengewährung, die vor <strong>de</strong>r Genehmigung erteilt wird, ist unzulässig.<br />

Macht ein Wettbewerber <strong>de</strong>s Beihilfenempfängers eine Verletzung <strong>de</strong>s Durchführungsverbots<br />

vor nationalen Gerichten geltend, kann dies die vorläufige Rückfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r die Erstattung<br />

<strong>de</strong>r Beihilfe zur Folge haben. 27 Bereits <strong>de</strong>r bloße Verstoß gegen das Durchführungsverbot genügt<br />

für die Rückfor<strong>de</strong>rungsmöglichkeit, selbst wenn die Europäische Kommission die Beihilfe im<br />

Übrigen als vereinbar mit <strong>de</strong>m Europäischen Binnenmarkt erachtet. 28 Nach <strong>de</strong>utschem Recht<br />

führt <strong>de</strong>r Verstoß gegen das Durchführungsverbot zur Nichtigkeit <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Vertrages,<br />

da <strong>de</strong>r BGH Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV als Verbotsgesetz iSv § 134 BGB qualifiziert. 29<br />

Nach <strong>de</strong>r neuesten Rspr <strong>de</strong>s BGH ist Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV auch Schutzgesetz iSv § 823<br />

Abs. 2 BGB, so dass es beeinträchtigten Dritten grds. offensteht, gegenüber <strong>de</strong>m Beihilfenempfänger<br />

Unterlassungs-, Beseitigungs- und Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche geltend zu machen. 30<br />

11<br />

12<br />

593<br />

III. Son<strong>de</strong>rfall: De-minimis-Beihilfen<br />

1. Voraussetzungen für eine Befreiung von <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht<br />

Von <strong>de</strong>r vorherigen Anmel<strong>de</strong>pflicht zur Europäischen Kommission befreit sind sog. De-minimis-Beihilfen.<br />

Nach Art. 2 Abs. 2 <strong>de</strong>r allgemeinen „De-minimis-Verordnung“ 31 sind dies Beihilfen,<br />

die während eines Zeitraums von drei Steuerjahren einen Betrag von 200.000 € (im<br />

Straßentransportsektor 100.000 €) nicht übersteigen. Für Unternehmen, die Daseinsvorsorgeleistungen<br />

erbringen, gilt dies nach Art. 2 Abs. 2 Verordnung Nr. 360/2012 32 sogar dann, wenn<br />

diese innerhalb eines Zeitraums von drei Steuerjahren einen Gesamtbetrag von 500.000 € nicht<br />

übersteigen und transparent berechenbar sind. Nach Art. 3 Abs. 2 <strong>de</strong>r allgemeinen „De-minimis“-Verordnung<br />

sind die Bewilligungsbehör<strong>de</strong>n verpflichtet, sich vor Gewährung <strong>de</strong>r Deminimis-Beihilfe<br />

zu vergewissern, dass <strong>de</strong>r Gesamtbetrag aller De-minimis-Beihilfen, <strong>de</strong>n das<br />

Unternehmen in <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n drei Steuerjahren erhalten hat, diesen Schwellenwert nicht<br />

überschreitet. Dies erfolgt idR durch die Auffor<strong>de</strong>rung gegenüber <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Unternehmen,<br />

eine De-minimis-Erklärung abzugeben. Hierfür empfiehlt sich eine Erklärung mit folgen<strong>de</strong>m<br />

Inhalt:<br />

u Muster: De-minimis-Erklärung 33<br />

Erklärung zum Antrag auf Gewährung einer De-minimis-Beihilfe<br />

••• (Antragsteller: Name, Firma, Unternehmenssitz)<br />

För<strong>de</strong>rprogramm und -kennzeichen: •••<br />

Das antragstellen<strong>de</strong> Unternehmen ist im Straßentransportsektor tätig: ☐ ja ☐ nein<br />

27 EuGH v. 21.11.1991 – Rs. C-354/90 (Fédération nationale du commerce extérieur <strong>de</strong>s produits alimentaires u.a./Frankreich),<br />

Slg. 1991, I-5505; EuGH v. 11.7.1996 – Rs. C-39/94 (Syndicat français <strong>de</strong> l'Express international (SFEI) u.a./La<br />

Poste u.a.), Slg. 1991, I-3547.<br />

28 EuGH v. 21.10.2003 – Rs. C-261/01 u.a. (van Calster), Slg. 2003, I-12249, Rn 62 f; EuGH v. 12.2.2008 – Rs. C-199/06<br />

(CELF), Slg. 2008, I-469, Rn 41.<br />

29 BGH, U. v. 4.4.2003 – V ZR 314/02, BB 2003, 802; U. v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, NJW-RR 2008, 429; OLG Düsseldorf,<br />

U. v. 21.4.2010 – VII-Verg 55/09, NZBau 2010, 390.<br />

30 BGH, U. v. 10.2.2011 – I ZR 213/08 (Flughafen Lübeck-Blankensee); U. v. 10.2.2011 – I ZR 136/09 (Flughafen Frankfurt-Hahn),<br />

GRUR 2011, 444; U. v. 21.7.2011 – I ZR 209/09 (Flughafen Berlin-Schönefeld), GRUR-RR 2012, 157 (vgl<br />

hierzu Rn 47 f).<br />

31 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 <strong>de</strong>r Kommission v. 15.12.2006 über die Anwendung <strong>de</strong>r Art. 87 und 88 EG auf<br />

„De-minimis“-Beihilfen (ABl. L 379/5 v. 28.12.2006).<br />

32 Verordnung (EU) Nr. 360/2012 <strong>de</strong>r Kommission v. 25.4.2012 über die Anwendung <strong>de</strong>r Artikel 107 und 108 <strong>de</strong>s Vertrags<br />

über die Arbeitsweise <strong>de</strong>r Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse erbringen (ABl. L 114/8 v. 25.4.2012), die allerdings auf einige Son<strong>de</strong>rbereiche<br />

(Landwirtschaft, Fischerei, Steinkohlenbergbau etc.) keine Anwendung fin<strong>de</strong>t.<br />

33 In Anlehnung an Bun<strong>de</strong>sministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi-Vordr. 0119/08.07, Anhang 3 zu Teil B.<br />

1496 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

Ich erkläre, dass mir im laufen<strong>de</strong>n Steuerjahr und in <strong>de</strong>n zwei vorangegangenen Steuerjahren über<br />

die beantragte De-minimis-Beihilfe für dieselben för<strong>de</strong>rbaren Kosten hinaus<br />

– keine weiteren De-minimis-Beihilfen iSd Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 bzw <strong>de</strong>r Verordnung (EU)<br />

Nr. 360/2012<br />

– die nachstehend aufgeführten De-minimis-Beihilfen iSd Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 bzw <strong>de</strong>r<br />

Verordnung (EU) Nr. 360/2012<br />

gewährt wur<strong>de</strong>n (von <strong>de</strong>r jeweiligen Bewilligungsbehör<strong>de</strong>n entsprechend im Bewilligungsbescheid<br />

bezeichnet; Nachweise in Kopie anbei):<br />

Datum <strong>de</strong>s Zuwendungsbescheids/<br />

-vertrages<br />

Zuwendungsgeber/Aktenzeichen<br />

Form <strong>de</strong>r Beihilfe<br />

(zB Zuschuss, Darlehen,<br />

Bürgschaft)<br />

För<strong>de</strong>rsumme in € Beihilfenwert in €<br />

Darüber hinaus habe ich im laufen<strong>de</strong>n sowie in <strong>de</strong>n zwei vorangegangenen Steuerjahren<br />

– keine weiteren De-minimis-Beihilfen beantragt.<br />

– die nachstehend aufgeführte(n) weitere(n) De-minimis-Beihilfe(n) beantragt, die noch nicht bewilligt<br />

wur<strong>de</strong>(n):<br />

Datum <strong>de</strong>s Zuwendungsbescheids/<br />

-vertrages<br />

Zuwendungsgeber/Aktenzeichen<br />

Form <strong>de</strong>r Beihilfe<br />

(zB Zuschuss, Darlehen,<br />

Bürgschaft)<br />

För<strong>de</strong>rsumme in € Beihilfenwert in €<br />

Die hier beantragte De-minimis-Beihilfe wird<br />

– nicht mit weiteren Beihilfen für dieselben för<strong>de</strong>rbaren Aufwendungen kumuliert.<br />

– mit folgen<strong>de</strong>r/n Beihilfe/n für dieselben för<strong>de</strong>rbaren Aufwendungen kumuliert, jedoch wird dabei<br />

die sich aus <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Beihilfe, die keine De-minimis-Beihilfe darstellt,<br />

ergeben<strong>de</strong> maximale För<strong>de</strong>rintensität nicht überschritten.<br />

– mit folgen<strong>de</strong>r/n Beihilfe/n für dieselben för<strong>de</strong>rbaren Aufwendungen kumuliert; die maximale, sich<br />

aus <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Beihilfe, die keine De-minimis-Beihilfe ist, ergeben<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rintensität<br />

wird dabei um einen Betrag iHv ••• € und einen Subventionswert von ••• € überschritten.<br />

Mir ist bekannt, dass die vorstehend gemachten Angaben subventionserheblich iSd § 264 StGB sind.<br />

Danach wird bestraft, wer einem Subventionsgeber über subventionserhebliche Tatsachen für sich<br />

o<strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren unrichtige o<strong>de</strong>r unvollständige Angaben macht, die für ihn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

vorteilhaft sind (Subventionsbetrug).<br />

Ich verpflichte mich, Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r vorgenannten Angaben <strong>de</strong>r die Beihilfe gewähren<strong>de</strong>n Stelle<br />

mitzuteilen, sofern sie mir vor <strong>de</strong>r Zusage für die hier beantragte För<strong>de</strong>rung bekannt wer<strong>de</strong>n.<br />

••• (Ort, Datum, Unterschrift <strong>de</strong>s Antragstellers) t<br />

Beabsichtigt die Bewilligungsbehör<strong>de</strong> in einem Mitgliedstaat in <strong>de</strong>r Folge, einem Unternehmen<br />

eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren, hat sie <strong>de</strong>m Unternehmen die voraussichtliche Höhe <strong>de</strong>r<br />

13<br />

Meßmer/Bernhard 1497


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

Beihilfe mitzuteilen und setzt es zu Dokumentations- und Kontrollzwecken in einer De-minimis-<br />

Bescheinigung 34 davon in Kenntnis, dass es sich um eine De-minimis-Beihilfe han<strong>de</strong>lt. Das Unternehmen<br />

hat die De-minimis-Bescheinigung nach Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EG)<br />

Nr. 1998/2006 während eines Zeitraums von zehn Jahren aufzubewahren und auf behördliche<br />

Auffor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r zukünftigen Beantragung von De-miminis-Beihilfen vorzulegen. Ungeachtet<br />

<strong>de</strong>r Befreiung von <strong>de</strong>r vorherigen Anmel<strong>de</strong>pflicht ist die Europäische Kommission<br />

weiterhin zu einer (nachträglichen) Überprüfung befugt, ob die Voraussetzungen einer De-minimis-Beihilfe<br />

tatsächlich vorgelegen haben.<br />

14<br />

15<br />

594<br />

2. Kommunale Satzungen über die Gewährung von De-minimis-Beihilfen<br />

Strebt eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft an, einheitliche Voraussetzungen für die<br />

Gewährung nicht-anmel<strong>de</strong>pflichtiger De-minimis-Beihilfen aufzustellen, ist grds. eine generellabstrakte<br />

Regelung, etwa im Rahmen einer kommunalen Satzung, zulässig. 35 Insbeson<strong>de</strong>re für<br />

die Übernahme kommunaler Bürgschaften wer<strong>de</strong>n aufgrund <strong>de</strong>r kommunalrechtlichen Beschränkungen<br />

häufig einheitliche Regelungen im Rahmen <strong>de</strong>r kommunalen Satzungsbefugnis,<br />

so etwa entsprechend <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Formulierung, getroffen:<br />

u Muster: Kommunale Satzung für die Übernahme von Bürgschaften als De-minimis-Beihilfen<br />

36<br />

Kommunale Regelung durch ••• (Gebietskörperschaft) über die Gewährung von Bürgschaften,<br />

die unter die De-minimis-Verordnung fallen<br />

Der Gemein<strong>de</strong>rat <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) hat in seiner Sitzung vom ••• folgen<strong>de</strong> Regelung über<br />

die Gewährung von De-minimis-Bürgschaften beschlossen:<br />

I. Allgemeines<br />

1. Die ••• (Gebietskörperschaft) darf nach ••• (Gesetz) 37 Bürgschaften nur zur Erfüllung seiner/ihrer<br />

Aufgaben übernehmen. Unter diese Regelung fallen insb. Bürgschaften zu Gunsten <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Eigen- und Beteiligungsgesellschaften. Ein Anspruch auf Übernahme einer Bürgschaft durch die •••<br />

(Gebietskörperschaft) besteht nicht.<br />

2. Der Darlehensnehmer hat gegenüber <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) für die gesamte Darlehens- und<br />

Bürgschaftslaufzeit <strong>de</strong>n Nachweis zu erbringen, dass das verbürgte Darlehen ausschließlich zum<br />

Zweck <strong>de</strong>r konkreten Aufgabenerfüllung für die ••• (Gebietskörperschaft) verwen<strong>de</strong>t wird. Dieser<br />

34 Diese muss nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 genaue Angaben zum Antragsteller, zu Art und Höhe<br />

<strong>de</strong>r gewährten Beihilfe, zur Kumulierung mit weiteren Beihilfen, zu <strong>de</strong>ren Charakter als De-minimis-Beihilfe und zur<br />

gesetzlichen Grundlage <strong>de</strong>r De-miminis-Bescheinigung enthalten. Regelmäßig ist die De-minimis-Bescheinigung mit einer<br />

Nebenbestimmung versehen, wonach sie zehn Jahre aufzubewahren, auf behördliche Anfor<strong>de</strong>rung vorzulegen und bei<br />

einem künftigen Antrag auf Gewährung einer De-minimis-Beihilfe als Nachweis für eine bereits erfolgte För<strong>de</strong>rung einzureichen<br />

ist. Die Bewilligungsbehör<strong>de</strong> behält sich regelmäßig vor, <strong>de</strong>n Zuwendungsbescheid zu wi<strong>de</strong>rrufen und die<br />

Zuwendung zurückzufor<strong>de</strong>rn, falls das begünstigte Unternehmen diesen Anfor<strong>de</strong>rungen nicht nachkommen sollte.<br />

35 Jennert/Pauka, KommJur 2009, 321. Eine solche Regelung kann auch unabhängig von <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r Deminimis-Verordnung<br />

als sog. Garantieregelung für die Übernahme von Bürgschaften auf Grundlage von Ziff. 3.4 und 3.5<br />

<strong>de</strong>r „Bürgschaftsmitteilung“ (Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über die Anwendung <strong>de</strong>r Artikel 87 und 88 <strong>de</strong>s EG-Vertrages<br />

auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, ABl. 2008 C 155/10 v. 20.6.2008) erlassen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

36 In Anlehnung an ein Muster <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung kommunaler Spitzenverbän<strong>de</strong> (Deutscher Städtetag, Deutscher<br />

Landkreistag, DStGB) und <strong>de</strong>s Zentralen Kreditausschusses, Anlage zur Mitteilung M 414/07 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s Öffentlicher<br />

Banken Deutschlands (VÖB) v. 6.9.2007.<br />

37 Vgl etwa § 88 GemO Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Art. 72 GO Bayern, § 75 KVerf Bran<strong>de</strong>nburg, § 104 GO Hessen, § 57 GO<br />

Mecklenburg-Vorpommern, § 121 KomVG Nie<strong>de</strong>rsachsen, § 87 GO Nordrhein-Westfalen, § 104 GemO Rheinland-<br />

Pfalz, § 93 KSVO Saarland, § 83 GemO Sachsen, § 101 GO Sachsen-Anhalt, § 86 GO Schleswig-Holstein, § 64 KO<br />

Thüringen.<br />

1498 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

Nachweis ist in Form geeigneter Unterlagen jeweils zum ••• bei <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft) einzureichen.<br />

II. Bürgschaftsregelung<br />

Bürgschaften wer<strong>de</strong>n nur übernommen, wenn sie mit <strong>de</strong>n europäischen Beihilfenvorschriften vereinbar<br />

sind. Insbeson<strong>de</strong>re müssen folgen<strong>de</strong> Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

1. Eine De-minimis-Bürgschaft in Form einer Einzelbeihilfe darf nur auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser Bürgschaftsregelung<br />

gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Beihilfeberechtigt und beihilfefähig sind alle Unternehmen, auf die die Verordnung (EG) Nr. 1998/<br />

2006 („De-minimis-Verordnung“) bzw die Verordnung (EU) Nr. 360/2012 („De-minimis-Verordnung<br />

für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“) anwendbar ist, bei Erfüllung <strong>de</strong>r<br />

weiteren Voraussetzungen.<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Bürgschaft han<strong>de</strong>lt es sich um eine De-minimis-Beihilfe iSd Verordnung (EG)<br />

Nr. 1998/2006 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verordnung (EU) Nr. 360/2012.<br />

4. Bei <strong>de</strong>m Darlehensnehmer han<strong>de</strong>lt es sich nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten iSd<br />

„Leitlinien <strong>de</strong>r Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen<br />

in Schwierigkeiten“ (ABl. EU Nr. C 244 vom 1.10.2004, S. 2 ff). Dies ist <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

auf Verlangen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.<br />

5. Der verbürgte Teil <strong>de</strong>s Darlehens, für das im Rahmen dieser Regelung eine Einzelbürgschaft gewählt<br />

wird, darf insgesamt 1.500.000 € bzw 3.750.000 € je Unternehmen bei <strong>de</strong>r Erbringung von Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht übersteigen. Die Höhe <strong>de</strong>r Bürgschaft<br />

darf maximal 80 % <strong>de</strong>s Darlehens betragen.<br />

III. Kosten<br />

Für die Übernahme wer<strong>de</strong>n einmalige und laufen<strong>de</strong> Gebühren erhoben.<br />

1. Die einmalige Bearbeitungsgebühr beträgt ••• v.T. <strong>de</strong>r beantragten Bürgschaft, min<strong>de</strong>stens •••<br />

€, höchstens jedoch ••• €. Im Falle <strong>de</strong>r Rücknahme <strong>de</strong>s Bürgschaftsantrags o<strong>de</strong>r einer Ablehnung<br />

<strong>de</strong>r Bürgschaft ist eine einmalige Gebühr von ••• € zu zahlen. Die Gebühr ist mit Übersendung <strong>de</strong>r<br />

Bürgschaftsurkun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Ablehnungsbescheids bzw bei Antragsrücknahme fällig.<br />

2. Während <strong>de</strong>r Laufzeit <strong>de</strong>r Bürgschaft ist für je<strong>de</strong>s angefangene Kalen<strong>de</strong>rjahr eine Gebühr zu zahlen.<br />

Die Gebühr wird in Höhe <strong>de</strong>s halben Unterschiedsbetrags zwischen <strong>de</strong>n Konditionen <strong>de</strong>s Darlehensgebers<br />

für kommunal verbürgte und für grundbuchlich gesicherte Darlehen bezogen auf <strong>de</strong>n zu Jahresanfang<br />

verbliebenen Restkapitalstand festgesetzt. Dazu teilt <strong>de</strong>r Bürgschaftsnehmer unaufgefor<strong>de</strong>rt<br />

bis zum ••• die Höhe <strong>de</strong>s Restdarlehens mit. Die erste laufen<strong>de</strong> Gebühr ist mit Auszahlung <strong>de</strong>s<br />

Kreditbetrags, spätestens jedoch einen Monat nach Übersendung <strong>de</strong>r Bürgschaftsurkun<strong>de</strong>, fällig. Die<br />

späteren Gebühren sind bis zum ••• zu zahlen. Sollte die Mitteilung <strong>de</strong>s Bürgschaftsnehmers nicht<br />

bis spätestens zum ••• eingegangen sein, richtet sich die Gebühr nach <strong>de</strong>m letzten mitgeteilten<br />

Sal<strong>de</strong>nstand.<br />

3. Die ••• (Gebietskörperschaft) kann nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall davon absehen,<br />

eine Gebühr zu erheben.<br />

IV. Inkrafttreten<br />

Diese Satzung tritt am ••• in Kraft.<br />

••• (Ort, Datum, Unterschrift Landrat/(Ober-)Bürgermeister) t<br />

Meßmer/Bernhard 1499


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

IV. Beson<strong>de</strong>rheiten im Daseinsvorsorgebereich 38<br />

In <strong>de</strong>r kommunalen Praxis hat das Beihilfenrecht seit <strong>de</strong>r Jahrtausendwen<strong>de</strong> erheblich an praktischer<br />

Be<strong>de</strong>utung gewonnen. Typische beihilfenrechtlich relevante Sachverhalte sind die Übernahme<br />

von Bürgschaften zu Gunsten kommunaler Unternehmen (zB Stadtwerke, Wohnungsbau-,<br />

Messe- und Wirtschaftsför<strong>de</strong>rungsgesellschaften), die Ab<strong>de</strong>ckung von Verlusten im Krankenhauswesen,<br />

im ÖPNV und in <strong>de</strong>r sozialen Fürsorge, die Veräußerung kommunaler Grundstücke,<br />

das Engagement im Breitbandbereich und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur. Alle diese „Maßnahmen“<br />

können verbotene Beihilfen darstellen. Aufgrund <strong>de</strong>s weiten Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s<br />

Beihilfenverbots können auch kommunale Unternehmen in <strong>de</strong>r Rechtsform <strong>de</strong>s privaten Rechts<br />

sowie Eigenbetriebe und uU sogar Regiebetriebe grds. Unternehmen im beihilfenrechtlichen<br />

Sinne und damit Empfänger staatlicher Beihilfen sein. Zu<strong>de</strong>m kann auch bei Leistungen rein<br />

für <strong>de</strong>n kommunalen Bedarf in vielen Fällen die Eignung zur Beeinträchtigung <strong>de</strong>s zwischenstaatlichen<br />

Han<strong>de</strong>ls zu bejahen sein (s. dazu Rn 6).<br />

Der EuGH hat im Jahr 2003 in <strong>de</strong>r Grundsatzentscheidung „Altmark Trans“ festgestellt, dass<br />

öffentliche Zuschüsse für <strong>de</strong>n Betrieb von Liniendiensten im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr<br />

bereits tatbestandlich keine Beihilfen darstellen, wenn sie als Ausgleich für die Erbringung<br />

gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen anzusehen sind, und damit nicht <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>pflicht<br />

bei <strong>de</strong>r Europäischen Kommission unterliegen. Voraussetzung ist insb., dass das begünstigte<br />

Unternehmen durch einen verbindlichen Rechtsakt mit <strong>de</strong>r Erbringung <strong>de</strong>r gemeinwohlorientierten<br />

Leistungen betraut sein muss. 39 Als weitergehen<strong>de</strong> Reaktion auf diese Entscheidung hat<br />

die Europäische Kommission nunmehr das „Almunia-Paket“ verabschie<strong>de</strong>t, bestehend aus folgen<strong>de</strong>n<br />

vier Teilen:<br />

• Mitteilung über die Anwendung <strong>de</strong>r Beihilfevorschriften <strong>de</strong>r Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen<br />

für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem<br />

Interesse; 40<br />

• Beschluss über die Anwendung von Art. 106 Abs. 2 <strong>de</strong>s Vertrages über die Arbeitsweise <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zu Gunsten<br />

bestimmter Unternehmen, die mit <strong>de</strong>r Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse betraut sind (im Folgen<strong>de</strong>n: „Freistellungsbeschluss“); 41<br />

• Rahmen <strong>de</strong>r Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichszahlungen<br />

für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011); 42 sowie<br />

• Verordnung <strong>de</strong>r Kommission über De-minimis-Beihilfen für die Erbringung von Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. 43<br />

Für die kommunale Praxis ist insb. <strong>de</strong>r sog. Freistellungsbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

von hoher Relevanz. Soweit <strong>de</strong>ssen Voraussetzungen erfüllt sind, insb. ein Unternehmen<br />

mit <strong>de</strong>r Erbringung bestimmter Leistungen formell „betraut“ ist, gilt eine Beihilfe als mit <strong>de</strong>m<br />

Gemeinsamen Markt vereinbar und es besteht keine Pflicht zur Notifizierung.<br />

Abgesehen von bestimmten abstrakt vorgegebenen Min<strong>de</strong>stanfor<strong>de</strong>rungen (vgl Art. 4 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

schreibt <strong>de</strong>r Freistellungsbeschluss nicht vor, welche Form ein Betrauungsakt<br />

haben muss. Dies hängt vom Einzelfall ab. Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass Transparenz über die<br />

finanziellen Beziehungen zwischen Kommune und betrautem Unternehmen hergestellt wird und<br />

die Grundlagen für die Berechnung <strong>de</strong>r Ausgleichsleistungen vorab konkret und nachvollzieh-<br />

38 Näher Meßmer, BWGZ 2012, 290.<br />

39 EuGH v. 24.7.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans GmbH), Slg. 2003, I-7747. Diese Entscheidung eröffnet die Möglichkeit,<br />

sich auf das Nichtvorliegen einer Beihilfe zu berufen, wenn die darin formulierten Kriterien erfüllt sind und dies<br />

ggf auch nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

40 Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission, 2012/C 8/02 (ABl. C 8/4 v. 11.1.2012).<br />

41 Beschluss <strong>de</strong>r Kommission v. 20.12.2011, 2012/21/EU (ABl. L 7/3 v. 11.1.2012).<br />

42 Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission, 2012/C 8/03 (ABl. C 8/15 v. 11.1.2012).<br />

43 Verordnung (EU) 360/2012 <strong>de</strong>r Kommission (ABl. L 114/8 v. 26.4.2012).<br />

1500 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

bar aufgestellt wer<strong>de</strong>n. Ein nachträglicher Verlustausgleich ohne vorherige Festlegung <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong><br />

gelegten Parameter ist unzulässig. Dementsprechend gibt es in <strong>de</strong>r Praxis eine Vielzahl<br />

von Erscheinungsformen für Betrauungsakte. Neben <strong>de</strong>m nachfolgen<strong>de</strong>n Muster wird insb.<br />

auch ein „mehraktiger Betrauungsakt“ praktiziert, basierend auf <strong>de</strong>m Gesellschaftsvertrag <strong>de</strong>s<br />

betrauten Unternehmens in Verbindung mit entsprechen<strong>de</strong>n Beschlüssen <strong>de</strong>r Gesellschafterversammlung<br />

(Zielbeschluss, Genehmigung <strong>de</strong>s Wirtschaftsplans, Überwachung <strong>de</strong>r Auszahlung<br />

und Mittelverwendung). 44<br />

u Muster: Betrauungsakt für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen 45<br />

Öffentlicher Auftrag<br />

– Betrauungsakt –<br />

<strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft)<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

<strong>de</strong>s<br />

BESCHLUSSES DER KOMMISSION<br />

vom 20. Dezember 2011<br />

über die Anwendung von Artikel 106 Abs. 2 <strong>de</strong>s Vertrags über die Arbeitsweise <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zu Gunsten bestimmter Unternehmen,<br />

die mit <strong>de</strong>r Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse<br />

betraut sind,<br />

§ 1 Gemeinwohlaufgabe<br />

(bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011)9380)<br />

ABl. EU Nr. L 7/3 vom 11. Januar 2012<br />

– Freistellungsbeschluss –<br />

an<br />

die ••• (Unternehmen)<br />

(1) Nach § ••• <strong>de</strong>s ••• (Gesetz) hat die ••• (Gebietskörperschaft) die ••• (Daseinsvorsorge-Aufgabe)<br />

sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag). Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um eine Dienstleistung von allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse (im Folgen<strong>de</strong>n: DAWI). 46<br />

(2) Hierzu wur<strong>de</strong> ••• (Plan, Satzung etc.) erstellt. Die ••• (betrautes Unternehmen) wur<strong>de</strong> in diesen<br />

••• (Plan, Satzung etc.) aufgenommen, <strong>de</strong>ssen Einzelfeststellungen und Än<strong>de</strong>rungen bzgl <strong>de</strong>r Pflichten<br />

<strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen) sich aus <strong>de</strong>r jeweils gelten<strong>de</strong>n Fassung von ••• ergeben.<br />

20<br />

595<br />

44 Sog. Münchener Mo<strong>de</strong>ll, vgl Duschner/Lang-Hefferle/Scharpf, BayVBl. 2010, 364.<br />

45 In Anlehnung an das Muster <strong>de</strong>s Landkreistags Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, vgl Anlage zum Rundschreiben 686/2007 <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Landkreistags „Hinweise für die Kreiskrankenhäuser zur Anwendung <strong>de</strong>s Monti-Pakets“.<br />

46 Der jeweilige Inhalt hängt davon ab, ob es für die jeweiligen DAWI gesetzliche Vorgaben gibt o<strong>de</strong>r ob die Betrauung auf<br />

Grundlage <strong>de</strong>r kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und <strong>de</strong>r sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Universalität <strong>de</strong>s kommunalen<br />

Wirkungskreises erfolgt. Hierzu gehört die Berechtigung <strong>de</strong>r Kommunen, in eigener Verantwortung zu entschei<strong>de</strong>n und<br />

zu <strong>de</strong>finieren, ob, wann und welche Aufgaben <strong>de</strong>r Daseinsvorsorge sie für ihre Einwohner erbringen wollen. Insoweit<br />

han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r DAWI letztlich um ein gemeinschaftsrechtliches Synonym für die wirtschaftlichen<br />

Tätigkeiten im Bereich <strong>de</strong>r Daseinsvorsorge. In diesem Bereich <strong>de</strong>r kommunalen Definitionshoheit ist die Europäische<br />

Kommission auf eine reine Missbrauchskontrolle beschränkt, vgl Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Nordrhein-Westfalen, Leitfa<strong>de</strong>n Öffentliche Daseinsvorsorge, S. 26 ff.<br />

Meßmer/Bernhard 1501


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

§ 2 Beauftragtes Unternehmen, Art <strong>de</strong>r Dienstleistungen (zu Art. 4 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

(1) Die ••• (Gebietskörperschaft) betraut die ••• (betrautes Unternehmen) mit <strong>de</strong>r Erbringung nachstehen<strong>de</strong>r<br />

DAWI: 47<br />

1. Einzelne zu erbringen<strong>de</strong> Dienstleistungen:<br />

a) •••,<br />

b) ••• und<br />

c) •••,<br />

2. Erledigung aller mit <strong>de</strong>n unter Ziffer 1 zusammenhängen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n dortigen Belangen dienen<strong>de</strong>n<br />

Geschäften,<br />

3. Durchführung aller Maßnahmen und Geschäfte, durch die die unter Ziffer 1 genannten Dienstleistungen<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

(2) Die ••• (betrautes Unternehmen) erbringt <strong>de</strong>rzeit keine Dienstleistungen, die nicht zu <strong>de</strong>n DAWI<br />

zählen. 48<br />

§ 3 Dauer <strong>de</strong>r Betrauung (zu Art. 2 Abs. 2 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

Die Betrauung <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen) erfolgt für einen Zeitraum von ••• Jahren. 49 Dieser<br />

beginnt mit Wirksamwer<strong>de</strong>n dieses Betrauungsakts.<br />

§ 4 Berechnung und Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Ausgleichsleistungen (zu Art. 5 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

50<br />

(1) Die ••• (Gebietskörperschaft) gewährt <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen) zum Ausgleich <strong>de</strong>r durch<br />

die Erbringung von DAWI nach § 2 Abs. 1 entstehen<strong>de</strong>n Kosten eine Ausgleichsleistung, <strong>de</strong>ren Höhe<br />

sich aus <strong>de</strong>m jeweiligen Jahreswirtschaftsplan <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen) ergibt. Der Jahresfehlbetrag<br />

resultiert ausschließlich aus <strong>de</strong>r Erbringung von DAWI nach § 2 Abs. 1. Aus diesem Betrauungsakt<br />

folgt kein Rechtsanspruch <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen) auf die Ausgleichsleistung.<br />

(2) Führen unvorhersehbare Ereignisse aufgrund <strong>de</strong>r Erbringung <strong>de</strong>r DAWI zu höheren nicht ge<strong>de</strong>ckten<br />

Kosten bei <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen), so können auch diese ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.<br />

(3) Die Ausgleichsleistung geht nicht über das hinaus, was erfor<strong>de</strong>rlich ist, um unter Berücksichtigung<br />

eines angemessenen Gewinns die durch die Erfüllung <strong>de</strong>r Gemeinwohlverpflichtung verursach-<br />

47 Die beihilfenrechtlichen Vorgaben verlangen, die durch Ausgleichsleistungen geför<strong>de</strong>rten DAWI möglichst genau zu beschreiben.<br />

Dies birgt die Gefahr, dass <strong>de</strong>r Betrauungsakt und die auf <strong>de</strong>ssen Grundlage erfolgen<strong>de</strong>n Ausgleichsleistungen<br />

umsatzsteuerlich nicht als „echter Zuschuss“, son<strong>de</strong>rn als „Auftrag“ und damit als steuerbarer Leistungsaustausch bewertet<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>s Betrauungsakts ist <strong>de</strong>shalb beson<strong>de</strong>re Sorgfalt erfor<strong>de</strong>rlich, im Einzelfall kann<br />

auch die Einholung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt erfor<strong>de</strong>rlich sein, vgl Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand<br />

und Energie <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Nordrhein-Westfalen, Leitfa<strong>de</strong>n Öffentliche Daseinsvorsorge, S. 36 ff. Vgl hierzu auch<br />

BFH, U. v. 10.11.2011 – V R 41/10 (Umsatzsteuerliche Behandlung von Beistandsleistungen), KommJur 2012, 139.<br />

48 Wäre dies <strong>de</strong>r Fall, müssten diese „wettbewerblichen“ o<strong>de</strong>r wirtschaftlichen Aktivitäten <strong>de</strong>s betrauten Unternehmens von<br />

<strong>de</strong>m betrauten Tätigkeitsbereich hinreichend abgegrenzt wer<strong>de</strong>n und dürften insb. we<strong>de</strong>r direkt noch indirekt von <strong>de</strong>n<br />

Ausgleichsleistungen durch die betrauen<strong>de</strong> Körperschaft profitieren. Deshalb stellt die Abgrenzung <strong>de</strong>r DAWI von sonstigen<br />

Dienstleistungen und Tätigkeiten für die Ausgestaltung <strong>de</strong>s gesamten Betrauungsakts eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Weichenstellung<br />

dar.<br />

49 Eine Betrauung für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre ist nach Art. 2 Abs. 2 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses nur möglich,<br />

wenn erhebliche Investitionen <strong>de</strong>s betrauten Unternehmens erfor<strong>de</strong>rlich sind, die nach allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen<br />

über einen längeren Zeitraum abgeschrieben wer<strong>de</strong>n müssen. Eine erneute Betrauung <strong>de</strong>r Betreiberorganisation<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s Zehnjahreszeitraums wäre aber ohne Weiteres möglich.<br />

50 Was eine Ausgleichsleistung ist, wird in <strong>de</strong>m Freistellungsbeschluss nicht geson<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>finiert. In <strong>de</strong>r Praxis ist anerkannt,<br />

dass nicht nur „echte“ Zahlungen zum Defizitausgleich, son<strong>de</strong>rn auch die Übernahme von Bürgschaften zulässig sind,<br />

vgl Jennert/Manz, ZKF 2009, 217; Jennert/Pauka, KommJur 2009, 321.<br />

1502 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

ten Netto-Kosten abzu<strong>de</strong>cken. Die Netto-Kosten sind die Differenzen zwischen <strong>de</strong>n nach Abs. 4 zu<br />

berücksichtigen<strong>de</strong>n Kosten und <strong>de</strong>n Einnahmen nach Abs. 5. 51<br />

(4) Die zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Kosten umfassen sämtliche in Verbindung mit <strong>de</strong>r Erbringung <strong>de</strong>r DAWI<br />

angefallenen Kosten <strong>de</strong>r ••• (betrautes Unternehmen).<br />

(5) Die zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Einnahmen beinhalten die gesamten Einnahmen, die mit <strong>de</strong>r DAWI<br />

erzielt wur<strong>de</strong>n. Als „angemessener Gewinn“ iSv Abs. 3 gilt die Kapitalrendite, die ein durchschnittliches<br />

Unternehmen zugrun<strong>de</strong> legt, um unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s jeweiligen Risikos zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

ob es die betreffen<strong>de</strong> DAWI für die gesamte Dauer <strong>de</strong>r Betrauung erbringt. Der Begriff „Kapitalrendite“<br />

bezeichnet <strong>de</strong>n internen Ertragssatz (Internal Rate of Return – IRR), <strong>de</strong>n die ••• (betrautes Unternehmen)<br />

während <strong>de</strong>s Betrauungszeitraums mit ihrem investierten Kapital erzielt.<br />

§ 5 Vermeidung von Überkompensierung (zu Art. 6 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

(1) Um sicherzustellen, dass durch die Ausgleichsleistung nach § 4 Abs. 1 keine Überkompensation<br />

für die Erbringung von DAWI nach § 2 Abs. 1 entsteht, führt die ••• (betrautes Unternehmen) jährlich<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s Geschäftsjahres <strong>de</strong>n Nachweis über die Verwendung <strong>de</strong>r Mittel. Dies geschieht im<br />

Rahmen <strong>de</strong>s Jahresabschlusses.<br />

(2) Die ••• (Gebietskörperschaft) for<strong>de</strong>rt die ••• (betrautes Unternehmen) ggf zur Rückzahlung überhöhter<br />

Ausgleichsleistungen auf. In einem solchen Fall wird die ••• (Gebietskörperschaft) die Parameter<br />

für die Berechnung <strong>de</strong>r Ausgleichsleistung für die Folgejahre neu festlegen. Übersteigt die<br />

Überkompensation <strong>de</strong>n jährlichen Ausgleich nicht um mehr als 10 %, kann die ••• (Gebietskörperschaft)<br />

diese auf das nächste Kalen<strong>de</strong>rjahr übertragen und von <strong>de</strong>r für dieses Kalen<strong>de</strong>rjahr zu zahlen<strong>de</strong>n<br />

Ausgleichsleistung abziehen.<br />

§ 6 Vorhalten von Unterlagen (zu Art. 7 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses)<br />

Unbescha<strong>de</strong>t weitergehen<strong>de</strong>r Vorschriften sind sämtliche Unterlagen, anhand <strong>de</strong>rer sich feststellen<br />

lässt, ob die Ausgleichsleistungen mit <strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses vereinbar<br />

sind, min<strong>de</strong>stens für einen Zeitraum von zehn Jahren ab En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Betrauungszeitraums aufzubewahren.<br />

52<br />

§ 7 Hinweis auf Gremienentscheidung/Grundlagenbeschluss<br />

Der vorstehen<strong>de</strong> öffentliche Auftrag (Betrauungsakt) erfolgt auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Beschlusses von<br />

••• (zuständiges Organ) <strong>de</strong>r ••• (Gebietskörperschaft).<br />

••• (Ort, Datum, Unterschrift Landrat/(Ober-)Bürgermeister) t<br />

51 Sofern das betraute Unternehmen auch sonstige „wettbewerbliche“ o<strong>de</strong>r wirtschaftliche Tätigkeiten außerhalb <strong>de</strong>s Bereichs<br />

<strong>de</strong>r Daseinsvorsorge erbringt, wären die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n DAWI einerseits<br />

und <strong>de</strong>n sonstigen Tätigkeiten an<strong>de</strong>rerseits getrennt auszuweisen. Dabei wäre auch anzugeben, nach welchen Parametern<br />

die Zuordnung <strong>de</strong>r jeweiligen Einnahmen und Ausgaben erfolgt. Beson<strong>de</strong>re Sorgfalt ist dabei hinsichtlich <strong>de</strong>r Kostenzuordnung<br />

von Gemeinkosten (zB Miete) geboten. Im Ergebnis müssen für bei<strong>de</strong> Bereiche getrennte Wirtschaftspläne aufgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, um sicherzustellen, dass nur die Kosten, die <strong>de</strong>r Erbringung <strong>de</strong>r DAWI zurechenbar sind, bei <strong>de</strong>n Ausgleichszahlungen<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Möchte etwa eine Kommune eine Tochtergesellschaft mit <strong>de</strong>m Betrieb eines<br />

Museums betrauen, müssen damit zusammenhängen<strong>de</strong> Aktivitäten wie <strong>de</strong>r Betrieb einer Cafeteria und eines <strong>Shop</strong>s getrennt<br />

erfasst wer<strong>de</strong>n und es darf keine Quersubventionierung dieser Tätigkeiten erfolgen, vgl Art. 5 Abs. 3 lit. b) und<br />

lit. c) und Abs. 9 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses.<br />

52 Darüber hinaus sind mögliche Überkompensationen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Betrauungszeitraums und min<strong>de</strong>stens alle drei Jahre<br />

während <strong>de</strong>s Betrauungszeitraums zu überprüfen, vgl Art. 6 Abs. 1 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses. Des Weiteren haben die<br />

Mitgliedstaaten alle zwei Jahre Berichte über die Umsetzung <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses an die Kommission zu übersen<strong>de</strong>n,<br />

vgl Art. 9 <strong>de</strong>s Freistellungsbeschlusses. Damit müssen auch die Kommunen die erfor<strong>de</strong>rlichen Informationen<br />

vorhalten und zur Verfügung stellen.<br />

Meßmer/Bernhard 1503


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

596<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

B. Rechtsschutz im Beihilfenrecht<br />

I. Beschlüsse im Rahmen <strong>de</strong>r Beihilfenaufsicht <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

1. Verfahrensablauf<br />

Nach erfolgter Anmeldung nimmt die Europäische Kommission eine Prüfung <strong>de</strong>r rechtlichen<br />

Zulässigkeit einer Beihilfe und <strong>de</strong>ren Vereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt vor, wobei<br />

die wirtschaftlichen Auswirkungen <strong>de</strong>r Beihilfe verstärkt Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.<br />

Gemäß Art. 4 Abs. 1 VVO ist die Europäische Kommission zur unmittelbaren Überprüfung <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Beihilfe nach Eingang <strong>de</strong>s Anmel<strong>de</strong>formulars verpflichtet. In <strong>de</strong>r Folge entschei<strong>de</strong>t<br />

sie im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens innerhalb von zwei Monaten nach<br />

Art. 4 Abs. 5 VVO. Sofern sie binnen dieser Frist keinen Beschluss erlässt, gilt die Beihilfe als<br />

genehmigt (Art. 4 Abs. 6 VVO). An<strong>de</strong>rnfalls entschei<strong>de</strong>t die Europäische Kommission in einem<br />

ersten Schritt entwe<strong>de</strong>r, dass die angemel<strong>de</strong>te Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Art. 4 Abs. 2<br />

VVO), dass sie mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt vereinbar ist (Art. 4 Abs. 3 VVO) o<strong>de</strong>r dass sie<br />

Anlass zu Be<strong>de</strong>nken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt gibt (Art. 4<br />

Abs. 4 VVO). In letzterem Fall leitet sie in einem zweiten Schritt ein förmliches Prüfverfahren<br />

ein. Die vertiefte Abwägung <strong>de</strong>r wettbewerblichen Auswirkungen <strong>de</strong>r Beihilfe in diesem förmlichen<br />

Prüfverfahren soll nach Art. 7 Abs. 6 VVO möglichst innerhalb von 18 Monaten nach<br />

Eröffnung <strong>de</strong>s Prüfverfahrens been<strong>de</strong>t sein. Auch in diesem Stadium kann die Europäische<br />

Kommission noch feststellen, dass entwe<strong>de</strong>r keine Beihilfe vorliegt (Art. 7 Abs. 2 VVO) o<strong>de</strong>r<br />

dass die Beihilfe mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt vereinbar (Art. 7 Abs. 3 VVO) o<strong>de</strong>r unvereinbar<br />

(Art. 7 Abs. 5 VVO) ist.<br />

2. Positivbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

Soweit die Europäische Kommission nach Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens eine Beihilfe<br />

als mit <strong>de</strong>m Europäischen Binnenmarkt vereinbar ansieht, richtet sie an <strong>de</strong>n jeweiligen<br />

Mitgliedstaat einen Positivbeschluss (früher: Positiventscheidung) nach Art. 7 Abs. 3 VVO.<br />

Durch <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Positivbeschlusses ist die Beihilfe unter <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Beschluss genannten<br />

Voraussetzungen als genehmigt anzusehen. Sofern die Europäische Kommission zu <strong>de</strong>m Ergebnis<br />

kommt, dass die Beihilfe nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wer<strong>de</strong>n darf,<br />

erlässt sie <strong>de</strong>n Positivbeschluss nach Art. 7 Abs. 4 VVO verbun<strong>de</strong>n mit Auflagen o<strong>de</strong>r Bedingungen.<br />

Der Beschluss besteht aus einer Zusammenfassung <strong>de</strong>s Verfahrens, einer Begründung<br />

und eines Ausspruchs. Die Begründung <strong>de</strong>s Beschlusses enthält insb. Angaben in Bezug auf <strong>de</strong>n<br />

Regelungszweck <strong>de</strong>r Beihilfe, ihre positiven und negativen Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Wettbewerb<br />

in <strong>de</strong>r Europäischen Union und etwaige Auflagen o<strong>de</strong>r Bedingungen. Regelmäßig en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />

Positivbeschluss mit folgen<strong>de</strong>m Ausspruch:<br />

u<br />

Muster: Positivbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

(1) Auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r vorstehen<strong>de</strong>n Würdigung erklärt die Kommission die Gewährung von •••<br />

auf Grundlage <strong>de</strong>r Strategie <strong>de</strong>r Regierung ••• über ••• für nach Art. 107 Abs. 3 AEUV mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen<br />

Markt vereinbar.<br />

(2) ••• (Mitgliedstaat) wird darauf hingewiesen, dass die Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV von<br />

einer beabsichtigten Verlängerung o<strong>de</strong>r Umgestaltung <strong>de</strong>r Maßnahme unterrichtet wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Ferner wird ••• (Mitgliedstaat) daran erinnert, <strong>de</strong>r Verpflichtung über die Mitteilung von ••• nachzukommen<br />

und jährlich spätestens bis zum 31. März eine Übersicht <strong>de</strong>r im Vorjahr im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

angemel<strong>de</strong>ten Än<strong>de</strong>rung gewährten För<strong>de</strong>rung mit <strong>de</strong>n in Erwägungsgrund ••• dieses Beschlusses<br />

beschriebenen Daten zu übermitteln.<br />

1504 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 43 Europäisches Beihilfenrecht 43<br />

(3) Falls dieses Schreiben vertrauliche Angaben enthält, die nicht offengelegt wer<strong>de</strong>n sollen, wer<strong>de</strong>n<br />

Sie gebeten, bei <strong>de</strong>r Kommission innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Eingang einen mit Grün<strong>de</strong>n<br />

versehenen Antrag auf vertrauliche Behandlung zu stellen. An<strong>de</strong>rnfalls geht die Kommission davon<br />

aus, dass Sie mit <strong>de</strong>r Offenlegung <strong>de</strong>r Angaben und mit <strong>de</strong>r Veröffentlichung <strong>de</strong>s vollständigen Wortlauts<br />

dieses Schreibens in <strong>de</strong>r verbindlichen Sprachfassung auf folgen<strong>de</strong>r Website einverstan<strong>de</strong>n sind:<br />

http://ec.europa.eu/eu_law/state_aids/state_aids_texts_<strong>de</strong>.htm.<br />

Brüssel, <strong>de</strong>n •••<br />

Für die Kommission<br />

•••<br />

(Wettbewerbskommissar •••)<br />

Mitglied <strong>de</strong>r Kommission t<br />

3. Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

Sieht die Europäische Kommission die Beihilfe als mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt unvereinbar<br />

an, ergeht ein Negativbeschluss nach Art. 7 Abs. 5 VVO mit ausführlicher Begründung und<br />

folgen<strong>de</strong>m Ausspruch:<br />

u<br />

Muster: Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

Artikel 1<br />

Die staatliche Unterstützung, die ••• (Mitgliedstaat) zu Gunsten von ••• (Unternehmen) iHv ••• €<br />

gewährt hat, ist mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt unvereinbar.<br />

Artikel 2<br />

(1) ••• (Mitgliedstaat) ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Art. 1 genannte, rechtswidrig<br />

gewährte Beihilfe abzuschaffen und vom Empfänger zurückzufor<strong>de</strong>rn.<br />

(2) Die Beitreibung <strong>de</strong>r Beihilfe erfolgt nach <strong>de</strong>n nationalen Verfahren. Der beizutreiben<strong>de</strong> Beihilfenbetrag<br />

erhöht sich um die Zinsen, die ab <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>s Erhalts <strong>de</strong>r Beihilfe durch <strong>de</strong>n Empfänger<br />

bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s für die Berechnung <strong>de</strong>s Subventionsäquivalents<br />

<strong>de</strong>r Beihilfen verwen<strong>de</strong>ten Bezugssatzes berechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Artikel 3<br />

••• (Mitgliedstaat) teilt <strong>de</strong>r Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses<br />

die Maßnahmen mit, die ergriffen wur<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>m Beschluss nachzukommen.<br />

Artikel 4<br />

Dieser Beschluss ist an ••• (Mitgliedstaat) gerichtet.<br />

25<br />

26<br />

597<br />

Brüssel, <strong>de</strong>n •••<br />

Für die Kommission<br />

•••<br />

(Wettbewerbskommissar •••)<br />

Mitglied <strong>de</strong>r Kommission t<br />

Meßmer/Bernhard 1505


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

43<br />

27<br />

28<br />

29<br />

598<br />

Abschnitt 9: Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

II.<br />

Klage eines Beihilfenempfängers gegen einen Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission<br />

Ein Negativbeschluss ist eine Handlung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission mit Rechtswirkung gegenüber<br />

Dritten iSv Art. 263 Abs. 1 AEUV. Statthafter Rechtsbehelf zur Beseitigung <strong>de</strong>s Negativbeschlusses<br />

ist daher die Nichtigkeitsklage nach Art. 263, 264 AEUV. 53 Die Nichtigkeitsklage<br />

hat nach Art. 278 AEUV keine aufschieben<strong>de</strong> Wirkung. Ist die Gewährung <strong>de</strong>r Beihilfe<br />

bereits erfolgt und hat <strong>de</strong>r Kommissionsbeschluss eine Rückfor<strong>de</strong>rungsverpflichtung zum Gegenstand,<br />

empfiehlt sich daher, um die Aussetzung <strong>de</strong>s Kommissionsbeschlusses parallel zu <strong>de</strong>r<br />

Erhebung <strong>de</strong>r Nichtigkeitsklage im Wege <strong>de</strong>s vorläufigen Rechtsschutzes nach Art. 278, 279<br />

AEUV zu ersuchen.<br />

Die Nichtigkeitsklage kann zum einen durch <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat als Adressat <strong>de</strong>s<br />

Negativbeschlusses <strong>de</strong>r Europäischen Kommission nach Art. 263 Abs. 2 AEUV erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren steht es auch <strong>de</strong>m begünstigten Unternehmen selbst offen, eine Nichtigkeitsklage<br />

nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu erheben, wenn es durch <strong>de</strong>n Negativbeschluss unmittelbar<br />

und individuell betroffen ist. Eine solche Betroffenheit ist insb. dann gegeben, wenn<br />

ein Unternehmen von einer Einzelbeihilfe profitiert hat und sich im Anschluss an <strong>de</strong>n Negativbeschluss<br />

Rückfor<strong>de</strong>rungsansprüchen <strong>de</strong>s jeweiligen Mitgliedstaates ausgesetzt sieht. 54<br />

u Muster: Nichtigkeitsklage eines Beihilfenempfängers gegen einen Negativbeschluss <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission<br />

An das Gericht <strong>de</strong>r Europäischen Union 55<br />

•••<br />

Klageschrift<br />

<strong>de</strong>r ••• (Unternehmen), ••• (Mitgliedstaat), ••• (Anschrift) 56<br />

vertreten durch 57 •••<br />

Prozessbevollmächtigte: •••<br />

gegen<br />

die Europäische Kommission, Rue <strong>de</strong> la Loi 200, B–1049 Brüssel<br />

Namens und im Auftrag <strong>de</strong>r Klägerin erheben wir Klage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV 58<br />

gegen<br />

die Europäische Kommission<br />

– Klägerin –<br />

– Beklagte –<br />

53 Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht <strong>de</strong>r EU, Rn 957.<br />

54 EuG v. 29.9.2000 – Rs. T-55/99 (CETM/Kommission), Slg. 2000, II-3207; zu weiteren Fallkonstellationen vgl Linn, IStR<br />

2011, 481.<br />

55 Zuständig ist nach Art. 256 Abs. 1 AEUV das Gericht <strong>de</strong>r Europäischen Union (EuG), <strong>de</strong>ssen Urteil in zweiter Instanz<br />

durch <strong>de</strong>n Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft wer<strong>de</strong>n kann.<br />

56 Parteifähig vor <strong>de</strong>m EuG bzw EuGH sind gem. Art. 263 Abs. 2–4 AEUV die Mitgliedstaaten und Unionsorgane (in Beihilfesachen<br />

idR die Europäische Kommission) sowie bei unmittelbarer und individueller Betroffenheit grds. auch natürliche<br />

und juristische Personen.<br />

57 Nach Art. 19 Abs. 1 EuGH-Satzung wer<strong>de</strong>n die Mitgliedstaaten und Organe bei <strong>de</strong>r Vornahme von Prozesshandlungen<br />

durch einen Bevollmächtigten vertreten. Der Bevollmächtigte darf sich <strong>de</strong>r Hilfe eines Beistands o<strong>de</strong>r eines Anwalts bedienen.<br />

58 Die Anfor<strong>de</strong>rungen an eine Klageschrift vor <strong>de</strong>n europäischen Gerichten sind in Art. 44 VerfOEuG iVm Art. 21 EuGH-<br />

Satzung präzisiert.<br />

1506 Meßmer/Bernhard


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

29<br />

30<br />

616<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

Abs. 2 <strong>de</strong>r 18. BImSchV), 42 so sind die Maßgaben <strong>de</strong>r Freizeitlärm-Richtlinie als technisches<br />

Regelwerk zur Beurteilung von Lärmimmissionen heranzuziehen, die im Rahmen <strong>de</strong>r gebotenen<br />

Einzelfallprüfung als Orientierungshilfe anerkanntermaßen einen „groben Anhalt“ für eine Beurteilung<br />

gem. § 3 Abs. 1 BImSchG bietet.<br />

Als nicht <strong>de</strong>r 18. BImSchV unterfallend kommen vornehmlich Bolzplätze und an<strong>de</strong>re (öffentliche)<br />

Einrichtungen <strong>de</strong>r Freizeitgestaltung, nicht jedoch Kin<strong>de</strong>rspielplätze, 43 Skateranlagen,<br />

Streetballfel<strong>de</strong>r sowie Festplätze für die Abhaltung von Messen und Konzerten in Betracht.<br />

u Muster: Nachbarlicher Abwehranspruch gegen Bolzplatz im Allgemeinen Wohngebiet wegen<br />

Verletzung <strong>de</strong>r Immissionsrichtwerte <strong>de</strong>r Freizeitlärm-Richtlinie gem. LAI<br />

Verwaltungsgericht •••<br />

In <strong>de</strong>r Verwaltungsstreitsache •••<br />

wegen: öffentlicher Einrichtung<br />

zeige ich ausweislich anliegen<strong>de</strong>r Prozessvollmacht an, dass ich <strong>de</strong>n Kläger anwaltlich vertrete.<br />

Namens und auftrags <strong>de</strong>s Klägers erhebe ich hiermit<br />

mit <strong>de</strong>m Antrag, zu erkennen:<br />

Klage<br />

1. Die Beklagte wird verurteilt, die auf Grundstück Fl. Nr. •••, Gemarkung ••• (öffentliche Grünfläche)<br />

errichteten Tore mit <strong>de</strong>n Ausmaßen 3 m x 2,5 m x 0,8 m (B x H x T) sowie die bei<strong>de</strong>n Ballfangzäune<br />

zu beseitigen.<br />

2. Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt die Beklagte.<br />

Diesen Antrag begrün<strong>de</strong> ich hiermit wie folgt:<br />

A. Sachverhalt<br />

I. Der Kläger ist Eigentümer <strong>de</strong>s Grundstücks Fl. Nr. •••, Gemarkung •••, A-Straße, Ecke F-Straße, das<br />

von <strong>de</strong>m im Eigentum <strong>de</strong>r Beklagten stehen<strong>de</strong>n Grundstück Fl. Nr. •••, Gemarkung ••• durch die A-<br />

Straße getrennt ist. Bei<strong>de</strong> Grundstücke liegen in einer luftlinienmäßigen Entfernung von ca. 12 m<br />

(Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze) und sind im Geltungsbereich <strong>de</strong>s Bebauungsplans<br />

Nr. ••• aus <strong>de</strong>m Jahre ••• belegen, <strong>de</strong>r das Grundstück <strong>de</strong>s Klägers als allgemeines Wohngebiet (§ 4<br />

BauNVO), das Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten als „öffentliche Grünfläche“ festsetzt.<br />

Auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten stehen zurzeit mittig 2 Tore mit <strong>de</strong>n Maßen 3,0 m x 2,5 m x<br />

0,8 m (B x H x T); die Tornetze sind aus Kunststoff geflochten und mit Stahl ummantelt. Sie befin<strong>de</strong>n<br />

sich in einer Entfernung von ca. 35 m zueinan<strong>de</strong>r. Das Tor in östlicher Richtung befin<strong>de</strong>t sich in einer<br />

Entfernung von ca. 30 m zu <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>s Klägers aufstehen<strong>de</strong>n Wohnhaus. Hinter<br />

<strong>de</strong>n Toren sind jeweils in ca. 4 m Entfernung Ballfangzäune aufgestellt (4 m hoch, 8 m breit); das<br />

gesamte Areal ist mit einem etwa 1,20 m hohen Metallzaun umgeben, wobei <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>r im<br />

Wesentlichen aus Rasenuntergrund bestehen<strong>de</strong>n Spielfläche durch eine ca. 4 bis 5 m große Öffnung<br />

gewährleistet ist. An dieser Zutrittspforte sind Schil<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Aufschrift „Bitte Ruhezeiten einhalten<br />

(13.00 Uhr bis 15.00 Uhr und nach Eintritt <strong>de</strong>r Dunkelheit, spätestens ab 20.00 Uhr), Hun<strong>de</strong> fernhalten“<br />

sowie „Ballspielen nur für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche bis zum Alter von 14 Jahren gestattet“<br />

angebracht.<br />

42 BVerwG BayVBl. 2003, 377; VGH Kassel, U. v. 30.11.1999 – 2 UE 263/97; VG Würzburg, B. v. 31.7.2003 – W 2 E<br />

03.809, EzKommR Nr. 2574.71; BGH, U. v. 26.9.2003 – V ZR 41/03, BWGZ 2004, 391.<br />

43 Vgl § 22 Abs. 1 a BImSchG.<br />

1588 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

II. Nach Aufnahme <strong>de</strong>s Spielbetriebs auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten war durch Schriftsatz Unterfertigter<br />

vom ••• für <strong>de</strong>n Kläger darauf hingewiesen wor<strong>de</strong>n, das Grundstück sei im Bebauungsplan<br />

als „öffentliche Grünfläche“ festgesetzt, so dass sich <strong>de</strong>r in Realisierung befindliche Bolzplatz nicht<br />

mit <strong>de</strong>n Festsetzungen <strong>de</strong>s Bebauungsplans <strong>de</strong>cke. Im Übrigen gingen von Bolzplätzen idR Lärmimmissionen<br />

aus, die zu erheblichen Beeinträchtigungen <strong>de</strong>r Wohnruhe und sonstiger schutzwürdiger<br />

Belange führten, so dass <strong>de</strong>r Bolzplatz nicht mittig auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten, son<strong>de</strong>rn in<br />

nördlicher Richtung angelegt hätte wer<strong>de</strong>n müssen mit <strong>de</strong>m Ziel, <strong>de</strong>n Abstand zur Wohnbebauung<br />

zu vergrößern. Bei einer normalen Belegung <strong>de</strong>s Platzes wür<strong>de</strong>n die Benutzer Bälle gegen die Metallzäune<br />

schießen, die sich um das Areal herum befän<strong>de</strong>n. Im Übrigen bestehe kein Bedarf für die<br />

Ausgestaltung <strong>de</strong>s Grundstücks <strong>de</strong>r Beklagten als Bolzplatz, da sich in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

zur F-Straße eine Spielwiese sowie ein Bolzplatz in einer Entfernung von ca. 500 m befän<strong>de</strong>n. Im<br />

Antwortschreiben <strong>de</strong>s Ordnungsamts <strong>de</strong>r Beklagten vom ••• wur<strong>de</strong> mitgeteilt, die mittige Lage <strong>de</strong>r<br />

Ballspielfläche auf <strong>de</strong>m Grundstück sei <strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>s Areals geschul<strong>de</strong>t, da sie in nördlicher<br />

Richtung ansteige und sich daher für das Ballspielen nicht eigne. Eine Begradigung dieser Fläche<br />

erfor<strong>de</strong>rte einen hohen Aufwand für Erdarbeiten sowie die Errichtung von Stützmauern, die in Anbetracht<br />

<strong>de</strong>r nur geringfügig möglichen Verlagerung nicht verhältnismäßig seien. Die durch die Beschil<strong>de</strong>rung<br />

ausgestaltete Benutzungsregelung trage <strong>de</strong>n Ruhebedürfnissen <strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n Wohnbebauung<br />

in hinreichen<strong>de</strong>r Weise Rechnung. Eine Verlagerung, geschweige <strong>de</strong>nn eine Auflassung <strong>de</strong>r<br />

errichteten Ballspielfläche wer<strong>de</strong> ebenso unterbleiben wie die seitens <strong>de</strong>s Klägers gefor<strong>de</strong>rten Nutzungseinschränkungen.<br />

Beweis:<br />

1. Anschreiben Unterfertigter an Beklagte vom •••<br />

2. Antwortschreiben Beklagte an Unterfertigten vom •••<br />

3. Bebauungsplan <strong>de</strong>r Beklagten Nr. ••• vom •••<br />

B. Zulässigkeit und Begrün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Klage<br />

I. Zulässigkeit<br />

1. Der Verwaltungsrechtsweg iSd § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eröffnet, da es sich bei <strong>de</strong>r für die Nutzung<br />

durch die Öffentlichkeit freigegebenen, im Bebauungsplan mit dieser Funktion als „Grünfläche“ um<br />

eine gemeindliche Einrichtung han<strong>de</strong>lt, die die Beklagte im Rahmen ihrer öffentlichen Daseinsvorsorge<br />

nach <strong>de</strong>n von ihr gesetzten Nutzungsregeln <strong>de</strong>r Allgemeinheit zugänglich gemacht hat. Die<br />

von dieser öffentlichen Grünfläche ausgehen<strong>de</strong>n Geräuscheinwirkungen können Abwehransprüche<br />

Privater auslösen, die wegen <strong>de</strong>r öffentlichen Nutzung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Blick zu nehmen<strong>de</strong>n Flächen entsprechend<br />

öffentlich-rechtlicher Natur sind.<br />

2. Statthafte Klageart ist die allgemeine Leistungsklage, weil <strong>de</strong>r Kläger die Abwehr <strong>de</strong>r stören<strong>de</strong>n<br />

Folgen einer schlicht hoheitlich betriebenen Anlage erreichen will.<br />

Weitere Ausführungen zur Zulässigkeit erscheinen nicht veranlasst; ggf wird um entsprechen<strong>de</strong>n gerichtlichen<br />

Hinweis gebeten.<br />

II. Begrün<strong>de</strong>theit<br />

Die zulässige Leistungsklage ist auch begrün<strong>de</strong>t, da <strong>de</strong>r Kläger einen Anspruch auf Entfernung <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Tore sowie <strong>de</strong>r Ballfangzäune auf <strong>de</strong>m Grundstück Fl. Nr. •••, Gemarkung •••, <strong>de</strong>r Beklagten<br />

hat. Dies ergibt sich aus Folgen<strong>de</strong>m:<br />

1. Anspruchsgrundlage ist <strong>de</strong>r öffentlich-rechtliche Abwehranspruch <strong>de</strong>s Klägers, <strong>de</strong>r nach hM kraft<br />

analoger Anwendung <strong>de</strong>r das privatrechtliche Nachbarschaftsverhältnis regeln<strong>de</strong>n §§ 906 und 1004<br />

BGB auch für das öffentliche Recht gilt.<br />

Hofmann-Hoeppel 1589


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

Gemäß § 906 Abs. 1 S. 1 iVm § 1004 Abs. 1 BGB kann ein Nachbar u.a. Geräusche, die die Benutzung<br />

seines Grundstücks nicht nur unwesentlich beeinträchtigen, abwehren. Eine unwesentliche Beeinträchtigung<br />

liegt gem. § 906 Abs. 1 S. 2 BGB idR vor, wenn die in Gesetzen o<strong>de</strong>r Rechtsverordnungen<br />

festgesetzten Grenz- o<strong>de</strong>r Richtwerte von <strong>de</strong>n nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten<br />

Einwirkungen nicht überschritten wer<strong>de</strong>n. Der Maßstab für die „Wesentlichkeit“ von Geräuschimmissionen<br />

ist § 22 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 BImSchG; gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige<br />

Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen<br />

verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, die nach <strong>de</strong>m Stan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Technik vermeidbar sind. Die Beurteilung <strong>de</strong>r Zumutbarkeit<br />

von Geräuschen, die von <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten – zu qualifizieren als sonstige ortsfeste<br />

Einrichtung und damit als Anlage iSv § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG – ausgehen, richtet sich nach<br />

<strong>de</strong>r durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und<br />

Schutzbedürftigkeit, wobei werten<strong>de</strong> Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine<br />

Akzeptanz mitbestimmend sind. 44<br />

Nach hM ist ein auf einer durch Bebauungsplan im allgemeinen Wohngebiet als „öffentliche Grünanlage“<br />

bzw als „Spielplatz“ ausgewiesenen Fläche als Bolzplatz dann unzulässig, wenn ein effektiver<br />

Schutz <strong>de</strong>r Nachbarn vor erheblichem Lärm nicht gewährleistet ist. 45 Dies ist vorliegend nicht <strong>de</strong>r<br />

Fall, da mit <strong>de</strong>r mittig auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten ausgewiesenen Ballspielfläche im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r erfolgten Ausstattung mit 2 Toren und Ballfangzäunen unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen<br />

verbun<strong>de</strong>n sind.<br />

2. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass sich die Erheblichkeit <strong>de</strong>r Lärmemissionen und damit<br />

<strong>de</strong>ren Qualifizierung als schädliche Umwelteinwirkungen iSv § 3 Abs. 1 BImSchG nach <strong>de</strong>n Maßgaben<br />

<strong>de</strong>r Freizeitlärm-Richtlinie <strong>de</strong>s LAI 46 richtet, nicht jedoch nach <strong>de</strong>r 18. BImSchV, da <strong>de</strong>ren Anwendungsbereich<br />

gem. § 1 Abs. 1 <strong>de</strong>r 18. BImSchV sich auf Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb von<br />

Sportanlagen bezieht, die bereits zum Zwecke <strong>de</strong>r Sportausübung betrieben wer<strong>de</strong>n bzw gem. § 1<br />

Abs. 2 als ortsfeste Einrichtungen iSv § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG zur Sportausübung „bestimmt“ sind.<br />

Die Beschreibung <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>r 18. BImSchV sowie die in § 3 vorgesehenen Maßnahmen<br />

lassen ein<strong>de</strong>utig erkennen, dass sich <strong>de</strong>r Verordnungsgeber am Leitbild einer Sportanlage<br />

orientiert hat, die <strong>de</strong>m Vereins-, Schulsport o<strong>de</strong>r vergleichbar organisierten Freizeitsport dient. Zur<br />

Sportausübung „bestimmt“ ist daher eine Anlage, wenn sie primär, dh von ihrem Hauptzweck her <strong>de</strong>r<br />

Durchführung von Wettkampfsport und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r körperlichen Ertüchtigung dienen soll. 47 Diese Voraussetzungen<br />

sind vorliegend schon <strong>de</strong>shalb nicht gegeben, weil das als „öffentliche Grünfläche“ im<br />

Bebauungsplan festgesetzte Grundstück <strong>de</strong>r Beklagten als Multi-Funktionsplatz angelegt ist mit <strong>de</strong>r<br />

Folge, dass die Fläche, auf <strong>de</strong>r Fußball gespielt wer<strong>de</strong>n kann, nur eine Teilfläche darstellt, das<br />

Grundstück insgesamt also tatsächlich auch für an<strong>de</strong>re, sportferne Aktivitäten von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

genutzt wird. 48<br />

44 BVerwG, B. v. 11.2.2003 – 7 B 88/02.<br />

45 VGH München, U. v. 26.2.1993 – 2 B 90.1684, BayVBl. 1993, 433 = NVwZ-RR 1994, 246 = EzKommR Nr. 1500.251;<br />

BVerwG, B. v. 25.10.1996 – 4 NB 28/96, NVwZ-RR 1997, 515 = EzKommR Nr. 1500.495; zur rechtlichen Beurteilung<br />

bei Situierung in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) vgl VGH Mannheim, U. v. 16.4.2002 – 10 S 2443/00, NVwZ-<br />

RR 2002, 643 = EzKommR Nr. 1500.1088.<br />

46 Abgedruckt in NVwZ 1997, 469; zu einem gleichgelagerten Abwehranspruch gem. § 906 iVm § 1004 BGB vgl VG<br />

Neustadt/Weinstraße, U. v. 24.8.2011 – 3 K 749/09.<br />

47 VGH Kassel, U. v. 30.11.1999 – 2 UE 263/97, EzKommR Nr. 1500.814; OVG Berlin, U. v. 22.4.1993 – 2 B 6/91, NVwZ-<br />

RR 1994, 141 = EzKommR Nr. 2573.40; OVG Münster, U. v. 26.6.1983 – 7 A 1270/82, NVwZ 1984, 530 = UPR 1984,<br />

90 = EzKommR Nr. 2574.29; aA OVG Schleswig, U. v. 4.5.1994 – 1 L 1/92, NVwZ 1995, 1019 = EzKommR<br />

Nr. 1500.439.<br />

48 VGH Mannheim, U. v. 27.9.2004 – 3 S 1719/03, NVwZ-RR 2005, 795; vgl Frankfurt/Main, U. v. 7.6.2011 – 7 K<br />

1547/09.F.<br />

1590 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

Aus nämlichen Grün<strong>de</strong>n schei<strong>de</strong>t die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 22 Abs. 1 a BImSchG 49 aus, wonach von<br />

Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen, Kin<strong>de</strong>rspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie bspw. Ballspielplätzen<br />

durch Kin<strong>de</strong>r hervorgerufene Geräuscheinwirkungen „im Regelfall“ keine schädlichen Umwelteinwirkungen<br />

darstellen mit <strong>de</strong>r Folge, dass bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Geräuscheinwirkungen Immissionsgrenz-<br />

und Richtwerte nicht herangezogen wer<strong>de</strong>n dürfen. Ausweislich <strong>de</strong>r Begründung zu<br />

Art. 1 <strong>de</strong>s 10. Gesetzes zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s-Immissionsschutzgesetzes gilt die neu geschaffene<br />

Regelung <strong>de</strong>s Art. 22 Abs. 1 a BImSchG nicht für Spiel- und Bolzplätze sowie Skateranlagen und<br />

Streetballfel<strong>de</strong>r für Jugendliche, die großräumiger angelegt sind und ein an<strong>de</strong>res Lärmprofil haben<br />

als Kin<strong>de</strong>rspielplätze. 50<br />

3. Gemäß Nr. 4.1 Buchst. b <strong>de</strong>r Freizeitlärm-Richtlinie LAI belaufen sich die Immissionsrichtwerte für<br />

ein allgemeines Wohngebiet werktäglich außerhalb <strong>de</strong>r Ruhezeit (8.00 Uhr bis 20.00 Uhr) auf 55<br />

dB(A), innerhalb <strong>de</strong>r Ruhezeit (6.00 Uhr bis 8.00 Uhr und 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr) auf 50 dB(A).<br />

Für Sonn- und Feiertage gilt ein Wert von 50 dB(A), während <strong>de</strong>r Nachtzeit (werktäglich 22.00 Uhr<br />

bis 6.00 Uhr, sonn- und feiertäglich 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr) ein Richtwert von 40 dB(A).<br />

Nach <strong>de</strong>m anliegen<strong>de</strong>n Gutachten <strong>de</strong>s Instituts für Bauphysik vom ••• liegen die nach <strong>de</strong>r Freizeitlärm-Richtlinie<br />

LAI heranzuziehen<strong>de</strong>n Beurteilungspegel bei sonntäglichem Spielbetrieb innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Ruhezeit zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr zwischen 54 dB(A) und 60 dB(A), somit erheblich<br />

über <strong>de</strong>m für diesen Zeitraum zugrun<strong>de</strong> zu legen<strong>de</strong>n Richtwert von 50 dB(A). Auch die für <strong>de</strong>n werktäglichen<br />

Spielbetrieb innerhalb <strong>de</strong>r Ruhezeit (6.00 Uhr bis 8.00 Uhr und 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr)<br />

ermittelten Beurteilungspegel von 52 dB(A) übersteigen <strong>de</strong>n gem. Freizeitlärm-Richtlinie gelten<strong>de</strong>n<br />

Richtwert. Die ermittelten Beurteilungspegel beruhen auf durch <strong>de</strong>n Sachverständigen durchgeführten<br />

insgesamt 6 Messungen, vorgenommen an unterschiedlichen Werktagen (einschließlich Samstag),<br />

wobei die ermittelten Beurteilungspegel für Sonn- und Feiertage aufgrund <strong>de</strong>r erzielten Messergebnisse<br />

mathematisch nachvollziehbar hochgerechnet wur<strong>de</strong>n. Der an <strong>de</strong>n jeweiligen Messtagen<br />

vorherrschen<strong>de</strong> Spielbetrieb – variierend von minimal 9 Jugendlichen bis maximal 14 Jugendlichen<br />

– ist auch als repräsentativ zu erachten, so dass davon auszugehen ist, dass werktäglich wie sonnund<br />

feiertäglich außer- und innerhalb <strong>de</strong>r Ruhezeiten je nach Nutzung <strong>de</strong>s Platzes zwischen 7 und<br />

max. 14 Spieler insb. die Ballgeräusche und Kommunikationsrufe zu <strong>de</strong>n festgestellten bzw errechneten<br />

Geräuschimmissionen beitragen.<br />

Die Nutzung <strong>de</strong>s Platzes für Ballspiele in <strong>de</strong>m durch <strong>de</strong>n Sachverständigen zugrun<strong>de</strong> gelegten Umfang<br />

ist auch <strong>de</strong>shalb als nachvollziehbar und plausibel zu erachten, weil sich aus zahlreichen Presseberichten<br />

nach erfolgter Aufstellung <strong>de</strong>r Tore und Ballfangzäune ergibt, dass <strong>de</strong>r Platz durch Jugendliche<br />

„gut angenommen“ und genutzt wer<strong>de</strong>. Die durch <strong>de</strong>n Sachverständigen im o.g. Gutachten<br />

durch Messungen ermittelten bzw „hochgerechneten“ Beurteilungspegel zwischen minimal 54 dB(A)<br />

und 60 dB(A) sind daher iSd § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentlich und stellen damit schädliche Umwelteinwirkungen<br />

iSv § 3 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG dar, die nach <strong>de</strong>m Stan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Technik<br />

vermeidbar sind.<br />

4. Im Hinblick auf <strong>de</strong>n zu beachten<strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit sowie auf die Tatsache,<br />

dass <strong>de</strong>r Beklagten grds. Ermessen dahin gehend zukommt, auf welche Weise sie <strong>de</strong>n Lärmbeeinträchtigungen<br />

<strong>de</strong>s Klägers abhilft, <strong>de</strong>mzufolge eine Beseitigung <strong>de</strong>r Spielfläche o<strong>de</strong>r aber eine umfassen<strong>de</strong><br />

Nutzungsuntersagung aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n ausschei<strong>de</strong>t, kommt daher als einzige Maßnahme<br />

49 IdF von Art. 1 <strong>de</strong>s 10. Gesetzes zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s-Immissionsschutzgesetzes v. 20.7.2011 (BGBl. I S. 1474), in<br />

Kraft getreten am 28.7.2011 (Art. 2).<br />

50 BR-Drucks. 121/11 v. 4.3.2011, S. 6.<br />

Hofmann-Hoeppel 1591


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

die beantragte Beseitigung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Tore sowie <strong>de</strong>r Ballfangzäune in Betracht, um die „Attraktivität“<br />

für Jugendliche zu beseitigen, so dass antragsgemäß zu erkennen ist.<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

Die Freizeitlärm-Richtlinie LAI ist nach <strong>de</strong>r Rspr auch auf an<strong>de</strong>re, nicht als „Sportanlage“ iSv<br />

§ 1 <strong>de</strong>r 18. BImSchV zu qualifizieren<strong>de</strong> Einrichtungen für Freizeitgestaltung – wie zB Minigolfanlagen<br />

51 – eröffnet.<br />

Bezüglich <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r von Kin<strong>de</strong>rspielplätzen ausgehen<strong>de</strong>n Geräuscheinwirkungen war<br />

bereits vor Inkrafttreten <strong>de</strong>s § 22 Abs. 1 a BImSchG (28.7.2011) anerkannt, dass die in <strong>de</strong>r TA<br />

Lärm genannten Orientierungswerte nicht herangezogen wer<strong>de</strong>n konnten, da gem. Nr. 1 S. 2<br />

Buchst. h <strong>de</strong>r TA Lärm die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm für soziale Anlagen<br />

keine Anwendung fand, es sich also bei <strong>de</strong>m von spielen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn verursachten Geräuschen<br />

nicht um „anlagenbezogenen“ Lärm han<strong>de</strong>lt. Auch die Freizeitlärmrichtlinie LAI misst sich<br />

ausdrücklich <strong>de</strong>r in Nr. 1 S. 4 getroffenen Regelung für Kin<strong>de</strong>rspielplätze keine Geltung bei, da<br />

die mit <strong>de</strong>ren Nutzung unvermeidbar verbun<strong>de</strong>nen Geräusche sozialadäquat sind und <strong>de</strong>shalb<br />

von Grundstücksnachbarn hinzunehmen seien. Vor <strong>de</strong>m 28.7.2011 war daher eine Beurteilung<br />

gem. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r jeweiligen Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles, insb. <strong>de</strong>r durch Gebietsart und tatsächliche Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit<br />

und Schutzbedürftigkeit vorzunehmen, wobei werten<strong>de</strong> Elemente wie allgemeine Akzeptanz<br />

und soziale Adäquanz im Sinne einer „Güterabwägung“ in die werten<strong>de</strong> Gesamtbetrachtung<br />

einzufließen hatten. 52 Hinzu trat, dass nach hM Spielplätze für Kin<strong>de</strong>r unter 14 Jahren<br />

in allen (auch) <strong>de</strong>m Wohnen dienen<strong>de</strong>n Gebieten, somit sowohl in reinen wie allgemeinen<br />

Wohngebieten (§§ 3, 4 BauNVO), erst recht in Mischgebieten bauplanungsrechtlich als untergeordnete<br />

Nebenanlagen iSv § 14 Abs. 1 BauNVO zulässig zu erachten waren, da an wohnungsnah<br />

gelegenen Kin<strong>de</strong>rspielplätzen ein überragen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse anzuerkennen<br />

ist. 53 Seit Inkrafttreten <strong>de</strong>s § 22 Abs. 1 a BImSchG ist die Geltendmachung von nachbarlich<br />

Abwehr- und Beseitigungsansprüchen regelmäßig ausgeschlossen.<br />

Dies gilt auch für Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen als Einrichtungen gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB VIII,<br />

dh für Einrichtungen, in <strong>de</strong>nen sich Kin<strong>de</strong>r für einen Teil <strong>de</strong>s Tages o<strong>de</strong>r ganztätig aufhalten<br />

und in Gruppen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, 54 sowie für sog. Kin<strong>de</strong>rlä<strong>de</strong>n als „ähnliche Einrichtungen“<br />

iSv § 22 Abs. 1 a BImSchG iVm § 22 Abs. 1 S. 2 SGB VIII.<br />

4.<br />

Die AVV-Baulärm 1970 iVm § 66 Abs. 2 BImSchG<br />

Nach erfolgter Neufassung von § 66 Abs. 2 BImSchG mit Wirkung vom 30.6.2005 55 infolge<br />

Inkrafttretens <strong>de</strong>r 32. BImSchV 56 zur Umsetzung <strong>de</strong>r Richtlinie 2000/14/EG <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 8.5.2000 zur Angleichung <strong>de</strong>r Rechtsvorschriften <strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten<br />

über umweltbelasten<strong>de</strong> Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen<br />

Geräten und Maschinen 57 idF <strong>de</strong>r Richtlinie 2005/88/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments<br />

und <strong>de</strong>s Rates vom 14.12.2005 58 wur<strong>de</strong>n die in § 66 Abs. 2 BImSchG aF als „maßge-<br />

51 Vgl VG Freiburg, B. v. 5.8.2011 – 3 K 1170/11; offen gelassen durch OVG Lüneburg, U. v. 18.12.1996 – 7 L 1488/95,<br />

NVwZ 1999, 88; vgl hierzu Landmann/Rohmer, UmweltR IV, Rn 32 zur 18. BImSchV, Stichwort „Minigolfanlage“.<br />

52 BVerwG, B. v. 11.2.2003 – 7 B 88/02, NVwZ 2003, 753; U. v. 19.1.1989 – 7 C 77/87, BVerwGE 81, 197; U. v. 24.4.1991<br />

– 7 C 12/90, BVerwGE 88, 143; U. v. 30.4.1992 – 7 C 25/91, BVerwGE 90, 169; VGH Kassel, U. v. 30.11.1999 – 2 UE<br />

263/97.<br />

53 BVerwG, U. v. 12.12.1991 – 4 C 5/88, NJW 1992, 1779.<br />

54 VG Neustadt/Weintraße, U. v. 24.8.2011 – 3 K 749/09.NW; OVG Weimar, B. v. 13.4.2011 – 1 EO 560/10; VG Weimar,<br />

B. v. 24.2.2010 – 1 E 66/10.WE.<br />

55 Gesetz v. 24.6.2005 (BGBl. I S. 1794).<br />

56 Geräte- und Maschinenlärmschutz-Verordnung v. 29.8.2002 (BGBl. I S. 3478) idF <strong>de</strong>r Verordnung v. 6.3.2007 (BGBl. I<br />

S. 261).<br />

57 ABl. GE Nr. L 162, S. 1, Nr. L 311, S. 50.<br />

58 ABl. EU Nr. L 344, S. 44.<br />

1592 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

bend“ weiterhin in Bezug genommenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Schutz gegen<br />

Baulärm obsolet. Dies hatte zur Folge, dass gem. § 66 Abs. 2 BImSchG bis zum Inkrafttreten<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Rechtsverordnungen o<strong>de</strong>r allgemeiner Verwaltungsvorschriften ausschließlich<br />

die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen –<br />

vom 19.8.1970 59 für „maßgebend“ erklärt wird. Diese ist zur Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, wann<br />

Baulärmimmissionen die Schädlichkeitsschwelle iSv § 3 Abs. 1 BImSchG iVm § 22 Abs. 1 S. 1<br />

Nr. 1 BImSchG überschreiten, heranzuziehen, da die TA Lärm gem. Nr. 1 S. 2 Buchst. f Baustellen<br />

von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausschließt und die 32. BImSchV in ihren<br />

§§ 7 und 8 nur begrenzte Angaben über die zulässige Dauer <strong>de</strong>s Betriebs bestimmter Geräte<br />

und Maschinen in bestimmten Gebieten enthält, nicht jedoch Aussagen über das Lärmausmaß,<br />

also die Intensität <strong>de</strong>r Einwirkung in Form <strong>de</strong>s frequenzabhängigen Schalldrucks (Lautstärke),<br />

so dass die 32. BImSchV zur Konkretisierung <strong>de</strong>r Erheblichkeitsschwelle nicht herangezogen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. 60 Angesichts <strong>de</strong>r Tatsache, dass die materiellen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r AVV-Baulärm<br />

mit jenen <strong>de</strong>s BImSchG nicht vollständig übereinstimmen, ist mit <strong>de</strong>r hM davon auszugehen,<br />

dass dies – sofern die AVV-Baulärm hinsichtlich <strong>de</strong>r materiellen Anfor<strong>de</strong>rungen hinter <strong>de</strong>m<br />

BImSchG zurückbleibt – durch eine gesetzeskonforme Auslegung kompensiert wer<strong>de</strong>n kann mit<br />

<strong>de</strong>r Folge, dass <strong>de</strong>r AVV-Baulärm als normkonkretisieren<strong>de</strong> Verwaltungsvorschrift nicht nur<br />

norminterpretieren<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn gleichzeitig begrenzte Außenwirkung zukommt. 61<br />

Nr. 3.1.1 <strong>de</strong>r AVV-Baulärm setzt verbindliche Höchstgrenzen fest, die durch <strong>de</strong>n Betreiber einzuhalten<br />

und durch die Verwaltung durchzusetzen sind; <strong>de</strong>r zuständigen Behör<strong>de</strong> wird durch<br />

Nr. 4.1 Abs. 1 <strong>de</strong>r AVV-Baulärm nur ein Entschließungsermessen zum Eingreifen bei geringfügigen<br />

Überschreitungen <strong>de</strong>r Richtwerte um bis zu 5 dB(A) eingeräumt. Bei einer Überschreitung<br />

von mehr als 5 dB(A) soll die Verwaltung eingreifen und entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen anordnen,<br />

so dass das Entschließungsermessen entsprechend eingeschränkt ist.<br />

B.<br />

Geltungsbereich <strong>de</strong>s BImSchG<br />

I. Der (erweiterte) Anlagenbegriff – Bereichsausnahmen<br />

1.<br />

Errichtung und Betrieb von Anlagen<br />

(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3 Abs. 5 Nr. 1–3, Abs. 5 a BImSchG)<br />

a) Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG)<br />

Der Betriebsstättenbegriff ist nach hM weit auszulegen; für eine Beschränkung auf Einrichtungen,<br />

von <strong>de</strong>nen bei bestimmungsgemäßer Nutzung Umwelteinwirkungen ausgehen können,<br />

besteht we<strong>de</strong>r Veranlassung noch Raum. 62 Von Rechts wegen unerheblich ist <strong>de</strong>s Weiteren die<br />

(natürliche o<strong>de</strong>r juristische) Person <strong>de</strong>s Anlagenbetreibers; Nämliches gilt für die Frage, ob die<br />

Betriebsstätte wirtschaftlichen o<strong>de</strong>r nicht wirtschaftlichen Zwecken dient bzw für privatwirtschaftliche<br />

bzw hoheitliche Tätigkeiten Verwendung fin<strong>de</strong>t.<br />

Sowohl mit <strong>de</strong>r Bejahung <strong>de</strong>s Tatbestandsmerkmals „Betriebsstätte“ als auch einer „sonstigen<br />

ortsfesten Einrichtung“ nicht verbun<strong>de</strong>n ist die Entscheidung darüber, ob es sich um eine immissionsschutzrechtlich<br />

genehmigungsbedürftige Anlage han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r nicht; dies kann zB bzgl<br />

einer Betriebsstätte hinsichtlich einzelner Betriebsstätten- bzw Anlagenteile gelten (vgl hierzu<br />

Rn 46, 55 f). Zum Tatbestandsmerkmal „sonstige ortsfeste Einrichtungen“ sind alle Anlagen<br />

zu subsumieren, die aufgrund ihrer Art o<strong>de</strong>r Konstruktion an einen Standort gebun<strong>de</strong>n sind,<br />

also im Normalfall nicht bewegt wer<strong>de</strong>n bzw wer<strong>de</strong>n soll; damit ist gleichzeitig die Abgrenzung<br />

zum Anlagenbegriff <strong>de</strong>s § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG gewährleistet.<br />

35<br />

36<br />

37<br />

59 BAnz, Nr. 160 v. 1.9.1970.<br />

60 Vgl Dietrich, NVwZ 2009, 144.<br />

61 VG München, U. v. 7.11.2005 – M 8 K 05.1908; VG Frankfurt/Main, B. v. 21.4.2011 – 8 L 858/11.F; VGH Kassel, B.<br />

v. 31.5.2011 – 9 B 1111/11.<br />

62 Vgl Jarass, BImSchG, § 3 Rn 67.<br />

Hofmann-Hoeppel 1593


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

Dem Anlagenbegriff <strong>de</strong>s § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG als „ortsfeste Einrichtungen“ unterfallen<br />

daher u.a. Baustellen, Feuersirenen, Funkstationen, Garagen, Getränkeautomaten, Grillplätze,<br />

Hun<strong>de</strong>zwinger, Kin<strong>de</strong>rspiel-/Bolzplätze, Fußballplätze, Parkplätze, Kirchengebäu<strong>de</strong> nebst Zubehör<br />

(Glocken, Uhren), Wertstoff-Container, Verwaltungs- und Bürogebäu<strong>de</strong> und öffentliche<br />

(Volks-)Festplätze. 63<br />

b)<br />

Maschinen, Geräte und sonstige ortsverän<strong>de</strong>rliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge<br />

(§ 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG)<br />

Die in § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG erfolgte Aufzählung ist insoweit exemplarischer Natur, als es<br />

sich bei <strong>de</strong>n in Bezug genommenen Maschinen, Geräten und Fahrzeugen um „sonstige ortsverän<strong>de</strong>rliche<br />

technische Einrichtungen“ han<strong>de</strong>lt. Daraus wird ersichtlich, dass „sonstige ortsverän<strong>de</strong>rliche<br />

technische Einrichtungen“ nur solche sind, die betrieben wer<strong>de</strong>n. Dies hat zur<br />

Folge, dass Werkzeuge sowie bewegliche Spiel- und Sportgeräte <strong>de</strong>m Anlagenbegriff nicht unterfallen,<br />

da sie als Erzeugnisse <strong>de</strong>n Maßgaben <strong>de</strong>r §§ 35 ff BImSchG unterworfen sind. 64<br />

Für Fahrzeuge gelten die Vorschriften <strong>de</strong>s verkehrsbezogenen Immissionsschutzes <strong>de</strong>r §§ 38–40<br />

BImSchG, so dass Fahrzeuge nur dann „Anlagen“ iSd § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG sind, wenn sie<br />

jenseits <strong>de</strong>r Verkehrsfunktionen noch an<strong>de</strong>re Funktionen haben; dies gilt namentlich für<br />

„Fahrzeuge“ <strong>de</strong>s Baugewerbes sowie <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft. 65<br />

c) Grundstücke mit Ausnahme öffentlicher Verkehrswege (§ 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG)<br />

Die Subsumierung unter <strong>de</strong>n Anlagenbegriff setzt voraus, dass auf <strong>de</strong>m Grundstück entwe<strong>de</strong>r<br />

Stoffe gelagert, abgelagert o<strong>de</strong>r sonstige emissionsträchtige Tätigkeiten vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Es kommt also auf die Zweckbestimmung <strong>de</strong>s Grundstücks und <strong>de</strong>ssen bestimmungsgemäße<br />

Nutzung an. Wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Grundstück ortsfeste technische Einrichtungen betrieben, so ist<br />

bereits § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG einschlägig. 66<br />

Ausgenommen vom Grundstücksbegriff <strong>de</strong>s § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG sind neben <strong>de</strong>n öffentlichen<br />

Verkehrswegen – also Straßen ohne Rücksicht auf straßenrechtliche Klassifizierung,<br />

Schienenwege <strong>de</strong>r Eisen- und Straßenbahnen, Wasserstraßen – u.a. auch Gartengrundstücke<br />

und landwirtschaftliche Flächen.<br />

Die für öffentliche Verkehrswege erfolgte Bereichsausnahme erklärt sich daraus, dass öffentliche<br />

Verkehrswege gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG allein <strong>de</strong>n §§ 41 ff BImSchG unterliegen. Für<br />

private Verkehrswege (Werksstraßen) ist hingegen § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG in Ansatz zu<br />

bringen.<br />

d) Betriebsbereiche (§ 3 Abs. 5 a BImSchG)<br />

Der Definition <strong>de</strong>s „Betriebsbereichs“ in § 3 Abs. 5 a BImSchG ist zu entnehmen, dass sich die<br />

Regelung im Wesentlichen <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>r Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung von Gefahren<br />

bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen verdankt, die – abweichend von <strong>de</strong>r<br />

Terminologie <strong>de</strong>r 12. BImSchV – nicht an Anlagen, son<strong>de</strong>rn an „Betriebe“ anknüpft, dieser<br />

Begriff – richtlinienkonform – durch <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s „Betriebsbereichs“ ersetzt wur<strong>de</strong>. Dieser kann,<br />

muss sich aber nicht mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r „Anlage“ <strong>de</strong>cken; regelmäßig ist <strong>de</strong>r Anlagenbegriff enger mit<br />

<strong>de</strong>r Folge, dass ein Betriebsbereich idR eine Mehrzahl – genehmigungsbedürftiger/nicht genehmigungsbedürftiger<br />

– Anlagen umfasst.<br />

Kennzeichnend für <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Betriebsbereichs sind daher insb. die Tatbestandselemente<br />

63 Zu weiteren Einzelfällen vgl Jarass, BImSchG, § 22 Rn 9 mwN.<br />

64 Jarass, BImSchG, § 3 Rn 72.<br />

65 Jarass, BImSchG, § 38 Rn 8 mwN.<br />

66 Jarass, BImSchG, § 3 Rn 75.<br />

1594 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

• „Aufsicht <strong>de</strong>sselben Betreibers“,<br />

• „räumlicher Zusammenhang einer o<strong>de</strong>r mehrerer Anlagen“ und<br />

• „Vorhan<strong>de</strong>nsein gefährlicher Stoffe in einer bestimmten Menge“.<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

u Muster: Anordnung zur Vorlage eines Sicherheitsberichts für aus mehreren, räumlich getrennten<br />

Anlagen auf einem Betriebsgrundstück bestehen<strong>de</strong>n Betriebsbereich<br />

Verwaltungsgericht •••<br />

46<br />

617<br />

In <strong>de</strong>r Verwaltungsstreitsache •••<br />

wegen: Vollzugs <strong>de</strong>s BImSchG<br />

wird auf <strong>de</strong>n Klageschriftsatz <strong>de</strong>s Prozessbevollmächtigten <strong>de</strong>r Klägerin vom ••• gemäß gerichtlicher<br />

Verfügung vom ••• für die Beklagte hiermit wie folgt erwi<strong>de</strong>rt:<br />

Die Klage gegen die Verfügung <strong>de</strong>r Bezirksregierung ••• vom •••, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Klägerin aufgegeben<br />

wur<strong>de</strong>, bis zum ••• sowohl für das innerhalb <strong>de</strong>s Industriekomplexes betriebene Kaltbandwerk wie<br />

für das Stahlwerk ein Konzept zur Verhin<strong>de</strong>rung von Störfällen sowie einen einheitlichen, auf <strong>de</strong>n<br />

gesamten Betriebsbereich erweiterten, Sicherheitsbericht vorzulegen, eine Information über Sicherheitsmaßnahmen<br />

für <strong>de</strong>n gesamten Betriebsbereich, <strong>de</strong>r das Kaltband- und Stahlwerk umfasse, anzufertigen<br />

und in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Stahlwerk benachbarten Wohnbebauung zu verteilen, muss aus nachstehen<strong>de</strong>n<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Erfolg versagt bleiben:<br />

1. Die Klägerin betreibt innerhalb eines Industriekomplexes in ••• sowohl ein Kaltband- als auch ein<br />

Stahlwerk. In bei<strong>de</strong>n Werken fallen Störfallstoffe iSd 12. BImSchV an: Im Kaltbandwerk sind dies<br />

Fluss- und Mischsäure, <strong>de</strong>ren maximale Menge jeweils die in Spalte 5 <strong>de</strong>r Stoffliste in Anhang I <strong>de</strong>r<br />

12. BImSchV für sehr giftige bzw giftige Stoffe genannte Schwelle überschreitet, so dass das Kaltbandwerk<br />

<strong>de</strong>n erweiterten störfallrechtlichen Pflichten <strong>de</strong>r 12. BImSchV unterliegt. Die im Stahlwerk<br />

vorhan<strong>de</strong>nen – in <strong>de</strong>r Stoffliste als „umweltgefährlich“ eingestuften – Filterstäube bleiben hingegen<br />

unterhalb <strong>de</strong>r in Spalte 4 <strong>de</strong>s Anhangs I <strong>de</strong>r 12. BImSchV genannten Mengenschwelle. Bis zur Störfallinspektion<br />

im Jahr ••• wur<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Anlagen störfallrechtlich getrennt betrachtet mit <strong>de</strong>r Folge,<br />

dass für das bis dahin als Betriebsbereich angesehene Kaltbandwerk ein Sicherheitsbericht erstellt<br />

und fortgeschrieben wird. Hingegen wird im Sicherheitsbericht <strong>de</strong>r ••• vom ••• ausgeführt, die im<br />

Stahlwerk anfallen<strong>de</strong>n Filterstäube seien nicht relevant, da sie „außerhalb <strong>de</strong>s Betriebsbereichs“<br />

anfielen, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Kaltbandwerk i<strong>de</strong>ntisch sei.<br />

2. Die klägerseits vertretene Auffassung, wonach ein Betriebsbereich iSd § 3 Abs. 5 a BImSchG für<br />

Kaltband- und Stahlwerk <strong>de</strong>shalb nicht bestehe, weil ein Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Anlagen<br />

nicht gegeben sei und die gemeinsamen Infrastruktureinrichtungen angesichts <strong>de</strong>r konkreten<br />

räumlichen Verhältnisse keinen risikoerhöhen<strong>de</strong>n Faktor darstellten, darüber hinaus die Gefahr gefährlicher<br />

Wechselwirkungen vernünftigerweise auszuschließen sei, weil das Flusssäurelager im Kaltbandwerk<br />

von <strong>de</strong>r nächsten Ecke <strong>de</strong>s Stahlwerks mehr als 600 m, vom Staubsilo im Stahlwerk sogar<br />

ca. 900 m entfernt sei und <strong>de</strong>r tatsächliche Abstand zwischen einem möglichen Freisetzungsort von<br />

Fluorwasserstoff im Kaltbandwerk und <strong>de</strong>m Leitstand <strong>de</strong>s Stahlwerks mehr als 800 m betrage, hält<br />

verständiger Würdigung nicht Stand.<br />

3. Das erste Tatbestandselement <strong>de</strong>s § 3 Abs. 5 a BImSchG – „Aufsicht <strong>de</strong>sselben Betreibers“ – ist<br />

angesichts <strong>de</strong>r Tatsache unstreitig gegeben, dass bei<strong>de</strong> Anlagen durch die Klägerin betrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Hofmann-Hoeppel 1595


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

4. Auch die zweite Voraussetzung – „räumlicher Zusammenhang einer o<strong>de</strong>r mehrerer Anlagen“<br />

– ist zu bejahen. Dies ergibt sich unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>r Arbeitshilfe 67 <strong>de</strong>s Arbeitskreises<br />

„Seveso-Richtlinie“ <strong>de</strong>r Störfallkommission, die bzgl <strong>de</strong>r räumlichen Komponente drei Konstellationen<br />

unterschei<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>ren erste – Bestehen <strong>de</strong>s Betriebsbereichs aus nur einer Anlage – vorliegend<br />

ersichtlich ausschei<strong>de</strong>t.<br />

Von <strong>de</strong>n zwei weiteren genannten Konstellationen – mehrere, räumlich auseinan<strong>de</strong>r liegen<strong>de</strong> Anlagen<br />

auf einem zusammenhängen<strong>de</strong>n Betriebsgrundstück, Situierung von Anlagen ein- und <strong>de</strong>sselben Betreibers<br />

auf zB durch öffentliche Verkehrswege getrennten Betriebsgrundstücken – ist ersichtlich die<br />

Erstgenannte einschlägig, da es an <strong>de</strong>r vorausgesetzten räumlichen Trennung fehlt.<br />

Die nur wenige 100 m voneinan<strong>de</strong>r entfernten Anlagen sind vielmehr durch Werksstraßen miteinan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n, wobei <strong>de</strong>r räumliche Zusammenhang durch das von <strong>de</strong>r Klägerin auf <strong>de</strong>m angemieteten<br />

Grundstück betriebene Lager nicht unterbrochen wird. Bei dieser räumlichen Beschaffenheit ist grds.<br />

von einem Betriebsbereich auszugehen und zwar auch dann, wenn sich auf <strong>de</strong>m ansonsten zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Grundstück einzelne Anlagen, Infrastruktureinrichtungen o.Ä. an<strong>de</strong>rer Betreiber befin<strong>de</strong>n,<br />

da Erwägungsgrund 11 <strong>de</strong>r Seveso-II-Richtlinie davon ausgeht, ihr Anwendungsbereich solle<br />

statt durch eine Anlagenliste durch die im Betrieb vorhan<strong>de</strong>nen Stoffmengen bestimmt wer<strong>de</strong>n. Auch<br />

Art. 9 Abs. 6 sowie Nr. 4 <strong>de</strong>r Einleitung zu Anhang I lässt sich entnehmen, dass die räumliche Entfernung<br />

zwischen <strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Betriebsgrundstück vorhan<strong>de</strong>nen Stoffen nur in bestimmten, eng<br />

<strong>de</strong>finierten Fällen eine Rolle spielen soll. Dies be<strong>de</strong>utet, dass eine Prüfung <strong>de</strong>r räumlichen Nähe o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r gegenseitigen Beeinflussung vorhan<strong>de</strong>ner Stoffmengen nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist, so dass es we<strong>de</strong>r<br />

auf die von <strong>de</strong>r Klägerin behauptete Anwendbarkeit <strong>de</strong>r 500 m-Regel <strong>de</strong>s sog. „Abstandserlasses“ 68<br />

noch darauf ankommt, ob und inwieweit eine mögliche gegenseitige Beeinflussung <strong>de</strong>r in Kaltbandund<br />

Stahlwerk vorhan<strong>de</strong>nen bzw anfallen<strong>de</strong>n Störfallstoffe gegeben ist. Letztgenanntes Kriterium<br />

wird im Übrigen durch die o.g. „Arbeitshilfe“ nur bzgl <strong>de</strong>s „atypischen Falls“ <strong>de</strong>r Konstellation in<br />

Ansatz gebracht, die sich durch die Situierung von Anlagen ein- und <strong>de</strong>sselben Betreibers auf zB<br />

durch öffentliche Verkehrswege getrennten Betriebsgrundstücken auszeichnet, die vorliegend nicht<br />

gegeben ist. Für die in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Literatur zum Teil gefor<strong>de</strong>rte Begrenzung durch das<br />

Kriterium „synergetische Gefahrenpotenziale“, eines „erhöhten Gefahrenpotenzials“, einer „Beeinflussbarkeit“<br />

bzw eines „sicherheitsrelevanten Zusammenhangs“ 69 ist unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt einer<br />

umfassen<strong>de</strong>n Gefahrenabwehr nicht angezeigt. Dies gilt ungeachtet <strong>de</strong>r Tatsache, dass die Seveso-<br />

II-Richtlinie anerkanntermaßen insb. auch das Ziel verfolgt, stärker als bisher das Zusammenwirken<br />

gefährlicher Stoffe und damit synergetische Gefahrenpotenziale zu erfassen. 70<br />

5. Der als drittes Tatbestandsmerkmal erfor<strong>de</strong>rliche Stoffbezug ist im Hinblick auf die Spalte 5 <strong>de</strong>s<br />

Anhangs I <strong>de</strong>r 12. BImSchV überschreiten<strong>de</strong> Menge an Fluss- und Mischsäure gegeben, so dass Kaltband-<br />

und Stahlwerk gemeinsam einen Betriebsbereich iSd § 3 Abs. 5 a BImSchG bil<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Konsequenz,<br />

dass die in Ziffern 1 und 2 <strong>de</strong>r streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene For<strong>de</strong>rung<br />

nach Vorlage eines Störfallkonzepts (iSd § 8 <strong>de</strong>r 12. BImSchV) sowie eines Sicherheitsberichts<br />

(iSd § 9 <strong>de</strong>r 12. BImSchV) berechtigt ist, da sowohl § 8 wie § 9 <strong>de</strong>r 12. BImSchV an <strong>de</strong>n Betriebsbereich<br />

iSd § 3 Abs. 5 a BImSchG anknüpfen. Gleiches gilt für die in Ziffer 3 <strong>de</strong>r Ordnungsverfügung<br />

67 Systematisierung von Fragestellungen und Antworten zum Begriff „Betriebsbereich“ <strong>de</strong>s § 3 Abs. 5 a BImSchG –<br />

SFK-GS-35.<br />

68 Vom 6.6.2007 (NWMBl., S. 659).<br />

69 Vgl Landmann/Rohmer, UmweltR, 12. BImSchV, § 1 Rn 13; Büge, DB 2000, 1501 f; Spindler, UPR 2001, 81 (83 f).<br />

70 Vgl Wietfeldt/Neusser, in: Feldhaus, BImSchR, § 1 <strong>de</strong>r 12. BImSchV Rn 60.<br />

1596 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

gefor<strong>de</strong>rte Information <strong>de</strong>r möglicherweise von einem Störfall betroffenen Personen über Sicherheitsmaßnahmen<br />

iSd § 11 Abs. 1 <strong>de</strong>r 12. BImSchV, so dass die Klage <strong>de</strong>r Abweisung verfallen muss. 71<br />

(LRD) t<br />

2.<br />

Herstellen, Inverkehrbringen und Einführen von Anlagen, Brenn- und Treibstoffen, Stoffen<br />

und <strong>de</strong>ren Erzeugnisse (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG)<br />

Bezugspunkt hinsichtlich <strong>de</strong>r „Anlagen“ sind – im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG –<br />

nicht Errichtung bzw Betrieb <strong>de</strong>r Anlage, son<strong>de</strong>rn das Inverkehrbringen sowie die Einfuhr, so<br />

dass ausweislich <strong>de</strong>r in § 32 Abs. 1 BImSchG getroffenen Regelung sowie jenen <strong>de</strong>r auf § 32<br />

Abs. 1 BImSchG gestützten 8. BImSchV, Anfor<strong>de</strong>rungen im Wesentlichen an die Beschaffenheit<br />

zur Gewährleistung <strong>de</strong>s Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen,<br />

Geräusche o<strong>de</strong>r Erschütterungen gestellt wer<strong>de</strong>n. Hinsichtlich <strong>de</strong>r in Bezug genommenen<br />

Brenn- und Treibstoffe sind die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r 3. BImSchV, <strong>de</strong>r 10. BImSchV, <strong>de</strong>r<br />

19. bis 21. BImSchV von Be<strong>de</strong>utung, gestützt auf die in § 34 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1–4 BImSchG<br />

enthaltene Verordnungsermächtigung.<br />

3.<br />

Kraftfahrzeuge und <strong>de</strong>ren Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge, Schwimmkörper<br />

und schwimmen<strong>de</strong> Anlagen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 iVm §§ 38–40 BImSchG)<br />

Die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s BImSchG hinsichtlich <strong>de</strong>r in § 2 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in Bezug genommenen<br />

Fahrzeuge begrenzt sich auf die Maßgaben <strong>de</strong>r §§ 38–40 BImSchG und erfolgte<br />

vornehmlich im Hinblick auf die durch <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Fahrzeuge, dh durch <strong>de</strong>n Verkehr erzeugten<br />

Emissionen.<br />

4.<br />

Öffentliche Straßen, Eisen-, Magnetschwebe- und Straßenbahnen<br />

(§ 2 Abs. 1 Nr. 4 iVm §§ 41–43 BImSchG)<br />

Erfasst wer<strong>de</strong>n öffentliche Straßen sowie öffentliche Schienenwege, nicht jedoch öffentliche<br />

Wasserstraßen, 72 wobei Ansatzpunkt Bau sowie wesentliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r öffentlichen Verkehrswege<br />

sind. Nicht erfasst wer<strong>de</strong>n private Verkehrswege, die ebenso wie Nebenanlagen und<br />

Nebeneinrichtungen öffentlicher Verkehrswege <strong>de</strong>m anlagenbezogenen Immissionsschutz unterfallen.<br />

5. Bereichsausnahmen (§ 2 Abs. 2 BImSchG)<br />

Die in § 2 Abs. 2 abschließend nummerierten Bereichsausnahmen verdanken sich <strong>de</strong>m Umstand,<br />

dass bereichsspezifische Regelungen existent sind, die sich<br />

• in § 6 Abs. 1 LuftVG für Flughäfen, Lan<strong>de</strong>plätze und Segelfluggelän<strong>de</strong>,<br />

• in <strong>de</strong>n §§ 6 ff AtG für Kernbrennstoffe sowie für ortsfeste Anlagen zur Erzeugung o<strong>de</strong>r zur<br />

Be- o<strong>de</strong>r Verarbeitung o<strong>de</strong>r Spaltung von Kernbrennstoffen o<strong>de</strong>r zur Aufarbeitung bestrahlter<br />

Kernbrennstoffe (§ 7 AtG),<br />

• in <strong>de</strong>n §§ 8 ff WHG für die Benutzung von Gewässern (iSd § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3, S. 2<br />

WHG),<br />

• in § 2 GenTG für gentechnische Vorhaben sowie<br />

• in <strong>de</strong>n Maßgaben <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 PflSchG erlassenen<br />

Pflanzenbeschauverordnung sowie für Pflanzenschutzmittel in <strong>de</strong>n §§ 6 a ff PflSchG fin<strong>de</strong>n.<br />

Für <strong>de</strong>n Vollzug <strong>de</strong>s BBodSchG wie <strong>de</strong>r BBodSchV kommen die Vorgaben <strong>de</strong>s BImSchG dann<br />

zum Tragen, wenn schädliche Bo<strong>de</strong>nverän<strong>de</strong>rungen iSv § 2 Abs. 3 BBodSchG durch Immissio-<br />

47<br />

48<br />

49<br />

50<br />

51<br />

71 Vgl VG Düsseldorf, U. v. 25.1.2011 – 3 K 7297/09, BImSchG-Rspr § 3 Nr. 151.<br />

72 Jarass, BImSchG, § 2 Rn 8.<br />

Hofmann-Hoeppel 1597


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

nen verursacht wur<strong>de</strong>n, die als schädliche Umwelteinwirkungen iSv § 3 Abs. 1 BImSchG, im<br />

Übrigen als sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile o<strong>de</strong>r erhebliche Belästigungen iSv § 5<br />

Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu qualifizieren sind (§ 3 Abs. 3 S. 1 BBodSchG).<br />

52<br />

53<br />

54<br />

II.<br />

1.<br />

Genehmigungsbedürftige/nicht genehmigungsbedürftige Anlagen<br />

Genehmigungsbedürftige Anlagen<br />

(§ 4 Abs. 1 S. 1–3 iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1–10 <strong>de</strong>s Anhangs <strong>de</strong>r 4. BImSchV)<br />

a) Konstitutive Wirkung <strong>de</strong>r Listung gem. Anhang <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit <strong>de</strong>r Errichtung wie <strong>de</strong>s Betriebs<br />

• von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit o<strong>de</strong>r ihres Betriebs im beson<strong>de</strong>ren Maße<br />

geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer Weise die Allgemeinheit<br />

o<strong>de</strong>r die Nachbarschaft zu gefähr<strong>de</strong>n, erheblich zu benachteiligen o<strong>de</strong>r erheblich<br />

zu belästigen (Anlagen mit beson<strong>de</strong>rem Immissionspotenzial iSv § 4 Abs. 1 S. 1, 1. Alt.<br />

BImSchG),<br />

• von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung o<strong>de</strong>r Behandlung von Abfällen (§ 4<br />

Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BImSchG), <strong>de</strong>s Weiteren<br />

• von nicht gewerblichen Zwecken dienen<strong>de</strong>n, im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen<br />

betriebener Anlagen mit qualifiziertem Immissionspotenzial (§ 4 Abs. 1 S. 2 BImSchG),<br />

• von über Tage errichteten und betriebenen Anlagen <strong>de</strong>s Bergwesens (§ 4 Abs. 2 S. 1<br />

BImSchG)<br />

hat konstitutive Wirkung insoweit, als Anlagen im Anhang <strong>de</strong>r 4. BImSchV gelistet sind. 73<br />

b) Anfor<strong>de</strong>rungen gem. § 1 <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

aa) Relevanz <strong>de</strong>r Angaben gem. § 1 Abs. 2–5 <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

Aus <strong>de</strong>r in § 1 <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Ermächtigungsnorm <strong>de</strong>s § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG<br />

erlassenen 4. BImSchV getroffenen Regelung ergibt sich, dass es hinsichtlich <strong>de</strong>r immissionsschutzrechtlichen<br />

Genehmigungsbedürftigkeit nicht damit getan ist, festzustellen, ob eine Listung<br />

in <strong>de</strong>n Nr. 1–10 <strong>de</strong>s Anhangs zur 4. BImSchV erfolgt ist, da § 1 Abs. 1 S. 1–4 <strong>de</strong>r<br />

4. BImSchV hinsichtlich <strong>de</strong>r Genehmigungsbedürftigkeit für Errichtung und Betrieb <strong>de</strong>r im Anhang<br />

genannten Anlagen weitere Voraussetzungen normiert.<br />

Ungleich be<strong>de</strong>utsamer für die Praxis sind die in § 1 Abs. 2–5 <strong>de</strong>r 4. BImSchV getroffenen folgen<strong>de</strong>n<br />

Maßgaben:<br />

• Das Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis erstreckt sich auf alle vorgesehenen Anlagenteile und Verfahrensschritte,<br />

die zum Betrieb notwendig sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1), auf Nebeneinrichtungen,<br />

die mit <strong>de</strong>n Anlagenteilen und Verfahrensschritten in einem räumlichen und betriebstechnischen<br />

Zusammenhang stehen und für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen,<br />

die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen o<strong>de</strong>r das Entstehen sonstiger Gefahren,<br />

erheblicher Nachteile o<strong>de</strong>r erheblicher Belästigungen von Be<strong>de</strong>utung sein können (§ 1<br />

Abs. 2 Nr. 2 a–c).<br />

• Die in <strong>de</strong>r Listung <strong>de</strong>s Anhangs bestimmten Voraussetzungen liegen auch dann vor, wenn<br />

mehrere Anlagen <strong>de</strong>rselben Art in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang<br />

stehen (gemeinsame Anlage) und zusammen die maßgeben<strong>de</strong>n Grenzen o<strong>de</strong>r Anlagengrößen<br />

erreichen o<strong>de</strong>r überschreiten wer<strong>de</strong>n (§ 1 Abs. 3 S. 1 iVm S. 2 Nr. 1–3).<br />

• Es bedarf einer Genehmigung lediglich dann, wenn zu einer Anlage Teile o<strong>de</strong>r Nebeneinrichtungen<br />

gehören, die je geson<strong>de</strong>rt genehmigungsbedürftig wären (§ 1 Abs. 4).<br />

73 Jarass, BImSchG, § 4 Rn 3.<br />

1598 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

• Die gesamte Anlage bedarf dann einer Genehmigung, wenn die für die Genehmigungsbedürftigkeit<br />

maßgeben<strong>de</strong> Leistungsgrenze o<strong>de</strong>r Anlagengröße durch die Erweiterung einer<br />

bestehen<strong>de</strong>n Anlage erstmals überschritten wird (§ 1 Abs. 5).<br />

„Die Schlachthof-Stadt GmbH plant auf ihrem Gelän<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Schlachthofstraße ein neues Gebäu<strong>de</strong><br />

für die Produktion, angebaut an <strong>de</strong>r Südseite <strong>de</strong>s vorhan<strong>de</strong>nen Gebäu<strong>de</strong>s. In <strong>de</strong>m neuen Produktionsgebäu<strong>de</strong><br />

sollen die aus <strong>de</strong>n Kühlräumen kommen<strong>de</strong>n Schweinehälften weiterverarbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Nebenprodukte wie Schwarten, Knochen, Fette sollen in separaten geschlossenen Containern<br />

gesammelt und einer weiteren Verarbeitung zugeführt wer<strong>de</strong>n. Das neue Gebäu<strong>de</strong> hat vier Gebb)<br />

Insbeson<strong>de</strong>re: Auslegung <strong>de</strong>s Begriffs „Nebeneinrichtung“ iSv § 1 Abs. 2 Nr. 2 <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

Typische Fallkonstellation: Auslegungsschwierigkeiten bereitet häufig <strong>de</strong>r in § 1 Abs. 2 Nr. 2<br />

<strong>de</strong>r 4. BImSchV verwandte Begriff <strong>de</strong>r „Nebeneinrichtung“, insb. dann, wenn hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Erweiterung einer bestehen<strong>de</strong>n und betriebenen Anlage lediglich eine Baugenehmigung mit <strong>de</strong>r<br />

Begründung erteilt wird, bei <strong>de</strong>r baulichen Erweiterung handle es sich nicht um eine „Nebeneinrichtung“<br />

mit <strong>de</strong>r Folge, dass keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erfor<strong>de</strong>rlich<br />

wäre.<br />

u Muster: Klage auf Aufhebung bauaufsichtlicher Genehmigung wegen Erfor<strong>de</strong>rnisses immissionsschutzrechtlicher<br />

(Än<strong>de</strong>rungs-)Genehmigung eines Zerlegebetriebs als Nebeneinrichtung<br />

eines immissionsschutzrechtlich genehmigten Schlachtbetriebs<br />

55<br />

56<br />

618<br />

Verwaltungsgericht •••<br />

In <strong>de</strong>r Verwaltungsstreitsache •••<br />

wegen: Bau-/Immissionsschutzrechts<br />

zeige ich ausweislich anliegen<strong>de</strong>r Prozessvollmacht an, dass ich <strong>de</strong>n Kläger anwaltlich vertrete.<br />

Namens und auftrags <strong>de</strong>s Klägers erhebe ich hiermit<br />

mit <strong>de</strong>m Antrag, zu erkennen:<br />

Klage<br />

1. Der Bescheid <strong>de</strong>r Beklagten vom ••• über die bauaufsichtliche Genehmigung für <strong>de</strong>n Bau eines<br />

Produktionsgebäu<strong>de</strong>s für die Weiterverarbeitung von Schweinehälften (Zerlegebetrieb) wird aufgehoben.<br />

2. Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt die Beklagte.<br />

Zur Begründung trage ich vor:<br />

A. Sachverhalt<br />

I. Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl. Nr. •••, Gemarkung<br />

•••, das östlich in ca. 700 m Entfernung zu <strong>de</strong>m durch die Beigela<strong>de</strong>nen betriebenen Schlachthof und<br />

<strong>de</strong>m daran angrenzen<strong>de</strong>n, bauaufsichtlich genehmigten Zerlegebetrieb gelegen ist. Zwischen <strong>de</strong>m<br />

Grundstück <strong>de</strong>s Klägers und <strong>de</strong>m Betriebsgelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zerlegebetriebs wie <strong>de</strong>s Schlachthofes befin<strong>de</strong>t<br />

sich unmittelbar östlich angrenzend eine mehrspurige Bahntrasse, an die östlich ein ca. 300 m breiter<br />

Grüngürtel angrenzt, anschließend das Wohngebiet, in <strong>de</strong>m das Haus <strong>de</strong>s Klägers belegen ist.<br />

II. Die Beigela<strong>de</strong>ne betreibt seit ••• einen Schlachthof mit einer maximalen Tagesschlachtkapazität<br />

von <strong>de</strong>rzeit 12.000 Schweinen/Tag entsprechend 1.380 t/d. In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Baugenehmigungsantrag <strong>de</strong>r<br />

Beigela<strong>de</strong>nen für Bau und Betrieb eines Produktionsgebäu<strong>de</strong>s für die Weiterverarbeitung von Schweinehälften<br />

(Zerlegebetrieb) mit einer Größe von ca. 96 m x 31 m x 30 m (L x B x H) beigefügten<br />

Baubeschreibung heißt es:<br />

Hofmann-Hoeppel 1599


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

schosse; im Untergeschoss wer<strong>de</strong>n Kistenwäsche, Materialanlieferung und Frosteranlagen angeordnet,<br />

im Erdgeschoss Erweiterung <strong>de</strong>r Zerlegung sowie Standardisierung, Vakuumierung und<br />

Kommissionierung, im ersten Obergeschoss soll <strong>de</strong>r Bereich „Verpackung“ vergrößert wer<strong>de</strong>n, die<br />

Flächen <strong>de</strong>s ersten Obergeschosses fin<strong>de</strong>n für eine neue Kantine sowie für Lagerflächen für Kartonaufrichter<br />

Verwendung. Höhenmäßig wer<strong>de</strong>n Erdgeschoss und 1. OG an die vorhan<strong>de</strong>nen Fußbo<strong>de</strong>nhöhen<br />

angepasst, im Erdgeschoss auf <strong>de</strong>r Westseite sieben neue Verla<strong>de</strong>rampen mit Überla<strong>de</strong>brücken<br />

geschaffen. Im Untergeschoss wer<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Ostseite vier Verla<strong>de</strong>rampen mit Überla<strong>de</strong>brücken<br />

errichtet.“<br />

Beweis:<br />

Bauantrag Beigela<strong>de</strong>ne vom •••, Baubeschreibung Beigela<strong>de</strong>ne vom •••<br />

III. Im Rahmen <strong>de</strong>r bauaufsichtlichen Nachbarbeteiligung hatte <strong>de</strong>r Kläger seine Unterschrift verweigert,<br />

aber durch Anschreiben vom ••• u.a. darauf hingewiesen, Belange <strong>de</strong>s Immissionsschutzes<br />

und Auswirkungen auf die betroffene Nachbarschaft seien nicht hinreichend geprüft. In städtebaulicher<br />

Hinsicht sei die Einordnung <strong>de</strong>s Standortes zur Bewertung <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>s Bauvorhabens<br />

in Frage zu stellen. Aufgrund <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n erheblichen Immissionen (Gerüche, Lärm, Luftverunreinigungen)<br />

auf die benachbarten Wohngebiete, u.a. auch das von ihm bewohnte Haus, sei eine<br />

weitere noch intensivere Verletzung <strong>de</strong>s § 5 BImSchG zu erwarten. Die Baumaßnahme führe zu einer<br />

wesentlichen Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Ortsbil<strong>de</strong>s sowie <strong>de</strong>r Lagequalität <strong>de</strong>s Wohnumfel<strong>de</strong>s und damit zu<br />

einer erheblichen Wertmin<strong>de</strong>rung. Da die beantragte Baumaßnahme zu <strong>de</strong>m am gleichen Standort<br />

betriebenem Schlachthof, einer gem. Nr. 7.2 <strong>de</strong>s Anhangs <strong>de</strong>r 4. BImSchV genehmigungsbedürftigen<br />

Anlage, gehöre, sei statt <strong>de</strong>s baurechtlichen Genehmigungsverfahrens ein immissionsschutzrechtliches<br />

Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.<br />

Beweis:<br />

Anschreiben <strong>de</strong>s Klägers an Beklagte vom •••<br />

IV. Die seitens <strong>de</strong>r Beigela<strong>de</strong>nen beantragte Baugenehmigung wur<strong>de</strong> durch Bescheid <strong>de</strong>r Beklagten<br />

unter Hinweis darauf erteilt, die ebenfalls geplanten sechs Lkw-Waschplätze sowie 46 Lkw-Parkplätze<br />

seien nicht Bestandteil <strong>de</strong>s Baugenehmigungsbescheids, son<strong>de</strong>rn seien geson<strong>de</strong>rt zu beantragen. Zu<br />

auftreten<strong>de</strong>n Lärm- o<strong>de</strong>r Geruchsemissionen wer<strong>de</strong>n im Bescheid keinerlei Angaben getroffen. Aus<br />

<strong>de</strong>n Verwaltungsvorgängen ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass diese Gegenstand <strong>de</strong>r (bauaufsichtlichen)<br />

Prüfung gewesen seien.<br />

Beweis:<br />

1. Genehmigungsbescheid Beklagte vom •••<br />

2. Baugenehmigungsakten <strong>de</strong>r Beklagten, Leitzordner I und II<br />

B. Zulässigkeit und Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />

I. Zulässigkeit<br />

1. Der Verwaltungsrechtsweg iSd § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist aufgrund <strong>de</strong>r Tatsache eröffnet, dass es<br />

sich um eine Streitigkeit auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Bau- bzw Immissionsschutzrechts han<strong>de</strong>lt.<br />

2. Dem Kläger steht die für die erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) erfor<strong>de</strong>rliche Klagebefugnis<br />

iSd § 42 Abs. 2 VwGO zur Seite, da die Möglichkeit besteht, dass er aufgrund <strong>de</strong>r angefochtenen<br />

Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt wird. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ergibt<br />

sich dabei sowohl wegen <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Kläger behaupteten Wahl <strong>de</strong>s unzutreffen<strong>de</strong>n Genehmigungsverfahrens<br />

wie wegen <strong>de</strong>r geltend gemachten Geräusch- und Geruchsimmissionen.<br />

3. Der Kläger ist Nachbar iSd Nachbar- und Immissionsschutzrechts, da sich <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r „benachbarten<br />

Grundstücke“ je nach Reichweite <strong>de</strong>r rechtlich relevanten Auswirkungen <strong>de</strong>s Vorhabens unterschiedlich<br />

bemisst und <strong>de</strong>mzufolge über die unmittelbar angrenzen<strong>de</strong>n Grundstücke hinausgehen<br />

kann. Ist im Hinblick auf bauordnungsrechtliche Vorschriften <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r „benachbarten Grund-<br />

1600 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

stücke“ über <strong>de</strong>n Grenzabstand sowie die Festsetzungen über die Bauweise auf die unmittelbar angrenzen<strong>de</strong>n<br />

Grundstücke beschränkt, kann ein mit Immissionen verbun<strong>de</strong>nes Vorhaben dagegen auch<br />

die Nutzung weiter entfernter Grundstücke in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigen. Dies ist<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Abstands von ca. 700 m gegeben. 74<br />

4. Der Kläger ist zunächst insoweit klagebefugt, als er geltend macht, es sei das unzutreffen<strong>de</strong> Genehmigungsverfahren<br />

– das baurechtliche statt das immissionsschutzrechtliche – gewählt wor<strong>de</strong>n.<br />

Zwar kann <strong>de</strong>r Kläger allein aus dieser Behauptung keine Klagebefugnis herleiten, da er als Nachbar<br />

lediglich in <strong>de</strong>r Lage ist, rechtswidrige Eingriffe in subjektiv öffentlich-rechtliche Rechtspositionen<br />

geltend zu machen. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften <strong>de</strong>s öffentlichen Bau- o<strong>de</strong>r Immissionsschutzrechts,<br />

die nach ihren durch Auslegung zu ermitteln<strong>de</strong>n Inhalt auch <strong>de</strong>r Rücksichtnahme<br />

auf die Interessen <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Dritten dienen. 75 Daraus folgt zunächst, dass die behördliche<br />

Wahl einer unzutreffen<strong>de</strong>n Verfahrensart für sich genommen noch keine drittschützen<strong>de</strong><br />

Wirkung entfaltet. Die Tatsache, dass das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auch<br />

<strong>de</strong>m Zweck dient, <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Nachbarschaft zu gewährleisten, be<strong>de</strong>utet noch nicht, dass die<br />

Einhaltung <strong>de</strong>s Verfahrens um seiner selbst willen <strong>de</strong>m Schutz potenziell betroffener Nachbarn dient,<br />

unabhängig davon, ob konkret materielle Anfor<strong>de</strong>rungen zum Schutz <strong>de</strong>r Nachbarn verletzt sein<br />

könnten o<strong>de</strong>r nicht. Maßgeblich ist, dass konkrete Verfahrensbestimmungen (auch) dazu dienen,<br />

bereits für das Verfahren Drittschutz zu gewährleisten; 76 <strong>de</strong>r nach verfassungsrechtlichen Maßstäben<br />

gebotene „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ entsteht anerkanntermaßen nicht schon allgemein<br />

bzgl jeglicher Genehmigungsverfahrensvorschrift, die auch <strong>de</strong>r Einhaltung drittschützen<strong>de</strong>r materieller<br />

Vorschriften dient.<br />

5. Ungeachtet <strong>de</strong>ssen kann sich <strong>de</strong>r Kläger auf eine Verletzung <strong>de</strong>r Verfahrensvorschriften <strong>de</strong>r § 10<br />

Abs. 2–4, §§ 6, 8 und 9 BImSchG berufen, <strong>de</strong>r Drittbetroffenen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

einen „vorgezogenen Rechtsschutz“ dadurch einräumt, dass er eine Beteiligung<br />

von Dritten am Verwaltungsverfahren vorsieht.<br />

Diesen Verfahrensvorschriften ist nach <strong>de</strong>r Rspr <strong>de</strong>s BVerwG Drittschutz zuzuerkennen, soweit das<br />

Vorbringen <strong>de</strong>s Drittbetroffenen ergibt, dass sich <strong>de</strong>r von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine<br />

materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte, was sich wie<strong>de</strong>rum nur dann ausschließen<br />

lässt, wenn die durch <strong>de</strong>n Dritten behaupteten Beeinträchtigungen seiner materiellen Rechtsgüter<br />

offensichtlich und ein<strong>de</strong>utig unmöglich ist. Dies ist vorliegend nicht gegeben. 77<br />

•••<br />

II. Begrün<strong>de</strong>theit<br />

Die zulässige Klage ist auch begrün<strong>de</strong>t, da <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beigela<strong>de</strong>nen erteilte Baugenehmigungsbescheid<br />

vom ••• rechtswidrig ist und <strong>de</strong>r Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Dies ergibt sich aus<br />

Folgen<strong>de</strong>m:<br />

74 Der immissionsschutzrechtlich relevante Nachbarbegriff reicht daher über <strong>de</strong>n bauordnungsrechtlichen hinaus: Nachbar<br />

ist daher nicht nur <strong>de</strong>r (unmittelbare) Grundstücks- o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>r „Punktnachbar“; vgl hierzu Kopp/Schenke, VwGO,<br />

§ 42 Rn 104.<br />

75 BVerfG, B. v. 17.12.1969 – 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297; BVerwG, U. v. 30.3.1995 – 3 C 8/94, NVwZ 1995, 1200;<br />

OVG Mag<strong>de</strong>burg, B. v. 12.2.2003 – 2 M 273/02, JMBl LSA 2003, 330.<br />

76 BVerfG, B. v. 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (59 f); BVerwG, U. v. 17.7.1980 – 7 C 101/78, Buchholz<br />

451.171 AtG Nr. 6, S. 10 (12); U. v. 22.12.1980 – 7 C 84/78, BVerfGE 61, 256 (275); B. v. 28.5.1985 – 7 B 116/85,<br />

Buchholz 451.171 AtG Nr. 14; U. v. 17.12.1986 – 7 C 29/85, BVerfGE 75, 285 (291).<br />

77 BVerwG, U. v. 22.10.1982 – 7 C 50/78, DVBl. 1983, 183; U. v. 5.10.1990 – 7 C 55/89, 56/89, BVerwGE 85, 361 (373 f).<br />

Hofmann-Hoeppel 1601


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

1. Der angefochtene Bescheid ist bereits <strong>de</strong>shalb rechtswidrig, weil für eine Baugenehmigung aus<br />

Rechtsgrün<strong>de</strong>n kein Raum war, so dass die unzuständige untere Bauaufsichtsbehör<strong>de</strong> an Stelle <strong>de</strong>r<br />

sachlich für das Immissionsschutzgesetz zuständigen Behör<strong>de</strong> gehan<strong>de</strong>lt hat.<br />

Entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Beklagten wie <strong>de</strong>s Beigela<strong>de</strong>nen ist nicht nur die nach Immissionsschutzrecht<br />

beantragte und – inzwischen auch – genehmigte Erhöhung <strong>de</strong>r Schlachtkapazität <strong>de</strong>s an<br />

<strong>de</strong>n Zerlegebetrieb angrenzen<strong>de</strong>n Schlachthofes als wesentliche Än<strong>de</strong>rung immissionsschutzrechtlich<br />

genehmigungsbedürftig, son<strong>de</strong>rn vielmehr auch die beantragte – und nach Bauaufsichtsrecht erteilte<br />

– Genehmigung <strong>de</strong>r Erweiterung <strong>de</strong>s Schlachthofs um ein Produktionsgebäu<strong>de</strong> für die Zerlegung und<br />

Verpackung von Schweinehälften. Eine unter das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis<br />

– hier: <strong>de</strong>s § 16 BImSchG – fallen<strong>de</strong>, gleichwohl nach Baurecht erteilte Genehmigung ist jedoch<br />

rechtswidrig und daher aufzuheben. 78<br />

2. Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG bedarf die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>r Beschaffenheit o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Betriebs<br />

einer genehmigungsbedürftigen Anlage <strong>de</strong>r Genehmigung, wenn durch die Än<strong>de</strong>rung nachteilige<br />

Auswirkungen hervorgerufen wer<strong>de</strong>n und diese für die Prüfung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG<br />

erheblich sein können (wesentliche Än<strong>de</strong>rung). Zwar ist <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r neu zu errichten<strong>de</strong>n Produktionsstätte<br />

einzurichten<strong>de</strong> Zerlegebetrieb selbst keine genehmigungsbedürftige Anlage iSd § 4<br />

BImSchG, da er im Anhang zur 4. BImSchG nicht genannt wird; insb. han<strong>de</strong>lt es sich hierbei nicht<br />

um eine Anlage zur Herstellung von sonstigen Nahrungsmittelerzeugnissen aus tierischen Rohstoffen<br />

iSd Nr. 7.34 a <strong>de</strong>r Anhangs <strong>de</strong>r 4. BImSchG, da von dieser Regelung nur Fertigerzeugnisse erfasst<br />

wer<strong>de</strong>n, solche jedoch im Zerlegebetrieb nicht hergestellt wer<strong>de</strong>n sollen, da dieser vielmehr <strong>de</strong>r<br />

Zerteilung und Verpackung geschlachteter Schweine dienen soll und das Zerteilen noch nicht zum<br />

Verlust <strong>de</strong>r Rohstoffeigenschaft führt.<br />

3. Die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s BImSchG und damit das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis<br />

ergibt sich jedoch daraus, dass <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb angrenzen<strong>de</strong> Schlachthof eine genehmigungsbedürftige<br />

Anlage iSd § 4 Abs. 1 BImSchG ist und <strong>de</strong>r Zerlegebetrieb eine Nebeneinrichtung<br />

iSv § 1 Abs. 2 <strong>de</strong>r 4. BImSchV darstellt. Anlagen zum Schlachten von Tieren mit einer Leistung<br />

von 50 t Lebendgewicht o<strong>de</strong>r mehr je Tag sind gem. Nr. 7.2, Spalte 1 <strong>de</strong>s Anhangs <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig, wobei sich das Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnis gem.<br />

§ 1 Abs. 2 <strong>de</strong>r 4. BImSchV auf alle zum Betrieb notwendigen und vorgesehenen Anlagenteile und<br />

Verfahrensschritte (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 <strong>de</strong>r 4. BImSchV) sowie auf Nebeneinrichtungen erstreckt, die mit<br />

<strong>de</strong>n Anlagenteilen und Verfahrensschritten gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 <strong>de</strong>r 4. BImSchV in einem räumlichen<br />

und betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen,<br />

die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen o<strong>de</strong>r das Entstehen sonstiger Gefahren,<br />

erheblicher Nachteile o<strong>de</strong>r erheblicher Belästigungen von Be<strong>de</strong>utung sein können (§ 1<br />

Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a–c <strong>de</strong>r 4. BImSchV).<br />

4. Der in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Genehmigung unterstellten Neubau unterzubringen<strong>de</strong> Zerlegebetrieb ist eine solche<br />

Nebeneinrichtung iSd § 1 Abs. 2 <strong>de</strong>r 4. BImSchV im Verhältnis zum Schlachtbetrieb <strong>de</strong>r Beigela<strong>de</strong>nen.<br />

Nebeneinrichtungen haben zwar keine Verfahrensschritte zum Gegenstand, die zur Erreichung <strong>de</strong>s<br />

Betriebszwecks unmittelbar notwendig sind; sie sind aber auf diesem Zweck hin ausgerichtet und<br />

haben im Verhältnis zur Haupteinrichtung eine dienen<strong>de</strong> und untergeordnete Funktion. 79 Eine Ne-<br />

78 BVerwG, U. v. 11.5.1998 – 4 C 1.88, BVerwGE 82, 61 (63); vgl Jarass, BImSchG, § 13 Rn 16.<br />

79 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 7 C 71/82, BVerwGE 69, 351 (355); für die Qualifizierung einer Biogasanlage (§ 35 Abs. 1<br />

Nr. 6 BauGB) als Nebeneinrichtung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage vgl<br />

BVerwG, B. v. 21.2.2010 – 7 B 4/10, NVwZ 2011, 433 = EzKommR Nr. 1500.1821.<br />

1602 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

beneinrichtung „dient“ dabei nicht nur dann <strong>de</strong>r Hauptanlage, wenn sie dieser in Betriebsauflauf<br />

vorgeschaltet ist, son<strong>de</strong>rn auch dann, wenn sie überhaupt in einem Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Betrieb<br />

<strong>de</strong>r Hauptanlage steht. Auf die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Nebeneinrichtung für das Funktionieren <strong>de</strong>r<br />

Hauptanlage kommt es dabei nicht an, da es an<strong>de</strong>rnfalls <strong>de</strong>r in § 1 Abs. 2 Nr. 1 <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

getroffenen Regelung nicht bedurft hätte, die ausdrücklich auf die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Anlagenteile<br />

für <strong>de</strong>n Betrieb abstellt. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Einbeziehung in <strong>de</strong>n auf die<br />

Hauptanlage bezogenen und von dieser bestimmten Funktionszusammenhang. 80<br />

Dieser Funktionszusammenhang besteht auch dann noch, wenn das Produkt nach <strong>de</strong>m Verlassen <strong>de</strong>r<br />

Hauptanlage eine weitere Bearbeitung erfährt, wobei nicht entschei<strong>de</strong>nd ist, ob eine (Teil-)Anlage<br />

im Einzelfall „üblicherweise“ für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Hauptanlage vorhan<strong>de</strong>n ist. Es reicht vielmehr aus,<br />

dass die (Teil-)Anlage im Einzelfall für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Anlage be<strong>de</strong>utsam ist. Dies ist vorliegend<br />

<strong>de</strong>shalb zu bejahen, weil <strong>de</strong>r Zerlegebetrieb hinsichtlich seiner Funktion auf <strong>de</strong>n durch die Beigela<strong>de</strong>nen<br />

unterhaltenen Schlachthof als immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage<br />

ausgerichtet ist, da die Schweinehälften nach <strong>de</strong>m Verlassen <strong>de</strong>s Schlachthofs eine weitere Verarbeitung<br />

erfahren. Der hierdurch gegebene Funktionszusammenhang besteht unabhängig davon, dass<br />

ein Schlachthof und ein Zerlegebetrieb grds. auch für sich allein <strong>de</strong>nkbar wären.<br />

Der funktionale Zusammenhang wird im streitgegenständlichen Falle insb. dadurch <strong>de</strong>utlich, dass<br />

das neue Produktionsgebäu<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb – <strong>de</strong>r ursprünglich unmittelbar im Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Schlachthofes untergebracht war – an das Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schlachthofes angrenzt und räumlich durch<br />

mehrere Flure mit ihm verbun<strong>de</strong>n ist mit <strong>de</strong>r Folge, dass die Zuführung <strong>de</strong>r Schweinehälften innerhalb<br />

<strong>de</strong>s verbun<strong>de</strong>nen Gebäu<strong>de</strong>komplexes über För<strong>de</strong>rbän<strong>de</strong>r erfolgt, im Produktionsgebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zerlegebetriebs<br />

Vorrichtungen für die Aufnahme von nicht aus <strong>de</strong>m angrenzen<strong>de</strong>n Schlachtbetrieb stammen<strong>de</strong>n<br />

Schweinehälften nicht vorgesehen sind und <strong>de</strong>r Schlachtbetrieb über Vorrichtungen verfügt,<br />

die ein Abholen <strong>de</strong>r Schweinehälften direkt am Schlachthof zur Verarbeitung in einem an<strong>de</strong>ren Zerlegebetrieb<br />

erlaubten. Zu<strong>de</strong>m verfügt <strong>de</strong>r Schlachthof über keine eigene Anlage zur Kälteherstellung;<br />

<strong>de</strong>r Zerlegebetrieb ist Betreiber einer vorhan<strong>de</strong>nen Kälteanlage, die auch <strong>de</strong>n Schlachthof versorgt,<br />

<strong>de</strong>r Hauptabnehmer für die produzierte Kälte ist.<br />

Der Annahme eines funktionalen Zusammenhangs zwischen Schlachthof als Hauptbetrieb und Zerlegebetrieb<br />

als Nebenanlage steht auch nicht entgegen, dass nicht <strong>de</strong>r Zerlegebetrieb vom Schlachtbetrieb<br />

abhängig, son<strong>de</strong>rn umgekehrt <strong>de</strong>r Schlachtbetrieb vom Zerlegebetrieb als Betreiber <strong>de</strong>r Kälteanlage<br />

ist; dies gilt auch für die Tatsache, dass die Kälteanlage für sich genommen genehmigungsbedürftig<br />

ist.<br />

5. Sind damit die Voraussetzungen <strong>de</strong>s funktionalen wie <strong>de</strong>s räumlichen Zusammenhangs gegeben,<br />

so gilt dies auch für das Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>s betriebstechnischen Zusammenhangs.<br />

Nicht zielführend ist die durch die Beigela<strong>de</strong>ne im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren vertretene<br />

Auffassung, <strong>de</strong>r Transport <strong>de</strong>r im Schlachthof produzierten Schweinehälften über För<strong>de</strong>rbän<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb begrün<strong>de</strong> keinen betriebstechnischen Zusammenhang, da es sich hierbei<br />

nur um die Übergabe fertiger Produkte an einen an<strong>de</strong>ren Betrieb handle, <strong>de</strong>r ebenso gut durch Lkw-<br />

Transport erfolgen könne, <strong>de</strong>s Weiteren, dass die Kühlvorrichtungen hauptsächlich durch <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb<br />

genutzt wür<strong>de</strong>n, so dass eine Abhängigkeit <strong>de</strong>s Zerlegebetriebs vom Schlachtbetrieb nicht<br />

bestehe.<br />

80 Vgl OVG Lüneburg, U. v. 20.3.1996 – 7 L 2552/95, GewArch 1996, 346; OVG Mag<strong>de</strong>burg, B. v. 12.2.2003 – 2 M<br />

273/02, JMBl. LSA 2003, 330.<br />

Hofmann-Hoeppel 1603


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

45<br />

Abschnitt 10: Umweltrecht<br />

Dass Schweinehälften theoretisch auch durch Lkw-Transport von einem Betrieb zum an<strong>de</strong>ren transportiert<br />

wer<strong>de</strong>n können, än<strong>de</strong>rt nichts daran, dass <strong>de</strong>r Transport hier über För<strong>de</strong>rbän<strong>de</strong>r geschieht,<br />

also eine technische Verbindung besteht, wobei es auch keinen Unterschied macht, ob es sich bei<br />

<strong>de</strong>n weiterverarbeiteten Produkten um das Hauptprodukt o<strong>de</strong>r um bei <strong>de</strong>r Produktion angefallene<br />

Nebenprodukte (Schwarten, Knochen, Fette) han<strong>de</strong>lt. Der Zerlegebetrieb ist auch nicht <strong>de</strong>shalb als<br />

eigenständig einzustufen, weil er vom Zerlegebetrieb X GmbH betrieben wird, während als Betreiber<br />

<strong>de</strong>s Schlachthofes die Schlachthof X Stadt GmbH auftritt.<br />

Zwar ist grds. von einer einheitlichen Anlage nur dann auszugehen, wenn die Anlagen auf einem<br />

einheitlichen Betriebsgelän<strong>de</strong> von einer natürlichen o<strong>de</strong>r juristischen Person betrieben wer<strong>de</strong>n. Betreiber<br />

ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r die Anlage in seinem Namen, auf seine Rechnung und in eigener Verantwortung<br />

führt; hierfür ist maßgeblich, wer unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter rechtlicher,<br />

wirtschaftlicher und tatsächlicher Gegebenheiten bestimmen<strong>de</strong>n Einfluss auf Errichtung, Beschaffenheit<br />

und Betrieb <strong>de</strong>r Anlage ausübt. Die Möglichkeit <strong>de</strong>s bestimmen<strong>de</strong>n Einflusses richtet sich<br />

regelmäßig nach <strong>de</strong>n privatrechtlichen Verhältnissen an <strong>de</strong>r Anlage, also danach, wer nach <strong>de</strong>n zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong>n Verhältnissen weisungsfrei und selbstständig entschei<strong>de</strong>n kann, so dass Betreiber<br />

<strong>de</strong>rjenige ist, <strong>de</strong>m die Entscheidung über die für die Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten relevanten<br />

Umstän<strong>de</strong> obliegt. Betreiber in diesem Sinne kann ausnahmsweise auch eine Personenmehrheit<br />

sein. 81 Ein (einziger) Anlagenbetreiber ist nach hM auch dann existent, wenn zwei juristisch verschie<strong>de</strong>ne<br />

Träger <strong>de</strong>r einzelnen Anlagen geschaffen wur<strong>de</strong>n, diese aber in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis<br />

zueinan<strong>de</strong>r stehen, dass letztlich doch eine Person, eine bestimmte Personenmehrheit<br />

o<strong>de</strong>r aber die -gesamtheit <strong>de</strong>n bestimmen<strong>de</strong>n Einschluss auf <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Gesamtanlage hat. Dies<br />

soll <strong>de</strong>m Konzernrecht Rechnung tragen und Konstellationen erfassen, in <strong>de</strong>nen eine Konzernmutter<br />

einen <strong>de</strong>rart starken Einfluss auf die Tochtergesellschaft hat, dass sich ihr Einfluss tatsächlich auf<br />

<strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Anlage auswirkt. Der Begriff <strong>de</strong>s „Abhängigkeitsverhältnisses“ bezieht danach insoweit<br />

auf die „Träger“, nicht jedoch auf die Anlagen, so dass es nicht darauf ankommt, wie sich die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Anlagen bzw Anlagenteile zueinan<strong>de</strong>r verhalten, son<strong>de</strong>rn ob die betreffen<strong>de</strong>n Unternehmen<br />

rechtlich in <strong>de</strong>rart enger Beziehung zueinan<strong>de</strong>r stehen, dass insoweit von einem Abhängigkeitsverhältnis<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Träger ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann. Ein solches Verhältnis besteht<br />

zwischen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb betreiben<strong>de</strong>n Zerlegebetrieb X-Stadt GmbH und <strong>de</strong>r Schlachthof X-<br />

Stadt GmbH, da die Anlagen organisatorisch und betriebstechnisch so eng miteinan<strong>de</strong>r verflochten<br />

sind, dass eine getrennte Entscheidungsfindung ausgeschlossen erscheint. Deutlich wird die enge<br />

Verpflichtung <strong>de</strong>r Gesellschaften auch dadurch, dass bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>nselben Geschäftsführer haben und<br />

nach Außen hin als einheitlicher Betrieb auftreten.<br />

6. Der Zerlegebetrieb ist schließlich auch emissions- und immissionsrelevant, weil durch die im neu<br />

errichteten Produktionsgebäu<strong>de</strong> erfolgen<strong>de</strong> Zerlegung <strong>de</strong>r Schweinehälften und <strong>de</strong>n ebenfalls <strong>de</strong>m<br />

Zerlegebetrieb zuzuordnen<strong>de</strong>n Transportverkehr und La<strong>de</strong>vorgängen zusätzlicher Lärm wie auch zusätzliche<br />

Gerüche erzeugt wer<strong>de</strong>n, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt unzumutbarer<br />

Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft führen können.<br />

Ob dies <strong>de</strong>r Fall ist, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, da durch die Erstreckung <strong>de</strong>r Genehmigungsbedürftigkeit<br />

auf Nebeneinrichtungen <strong>de</strong>r Genehmigungsbehör<strong>de</strong> u.a. gera<strong>de</strong> die Möglichkeit<br />

eröffnet wer<strong>de</strong>n soll, das Immissionsverhalten <strong>de</strong>r Nebeneinrichtung zu prüfen und zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

ob die Genehmigung ohne o<strong>de</strong>r ggf mit Nebenbestimmungen und Auflagen zur Verhin<strong>de</strong>rung<br />

schädlicher Umwelteinwirkungen zu erteilen ist. Wird <strong>de</strong>r Zerlegebetrieb als Nebeneinrichtung<br />

81 OVG Lüneburg, B. v. 2.4.2009 – 12 MI 53/09, NVwZ 2009, 991.<br />

1604 Hofmann-Hoeppel


http://www.nomos-shop.<strong>de</strong>/11771<br />

<strong>de</strong>s Schlachthofs von <strong>de</strong>ssen immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit erfasst, da<br />

durch Errichtung und Betrieb <strong>de</strong>s Zerlegebetriebs die Beschaffenheit wie <strong>de</strong>r Betrieb <strong>de</strong>s Schlachthofes<br />

geän<strong>de</strong>rt wird und diese Än<strong>de</strong>rung auch wesentlich <strong>de</strong>shalb ist, weil <strong>de</strong>r Zerlegebetrieb wegen<br />

<strong>de</strong>r von ihm ausgehen<strong>de</strong>n Geruchs- und Lärmimmissionen geeignet ist, die Genehmigungsvoraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 5 Abs. 1 BImSchG zu berühren, kann sich <strong>de</strong>r Kläger auch auf die durch die Wahl <strong>de</strong>s<br />

falschen Genehmigungsverfahrens hervorgerufene Rechtsverletzung berufen, nämlich darauf, dass<br />

die §§ 10 Abs. 2–4, 6, 8 und 9 BImSchG im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

betroffenen Dritten vorgezogenen Rechtsschutz einräumen und sich <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Kläger gerügte<br />

Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtlichen Rechtspositionen ausgewirkt haben kann. Dies kann<br />

durch die luftlinienmäßige Entfernung <strong>de</strong>s Wohnhauses <strong>de</strong>s Klägers von <strong>de</strong>m Grundstück, auf <strong>de</strong>m<br />

Schlachthof und Zerlegebetrieb errichtet und betrieben wer<strong>de</strong>n, nicht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, da<br />

gem. Nr. 6.1 TA Lärm in einem (allgemeinen) Wohngebiet in <strong>de</strong>r lautesten Nachtstun<strong>de</strong> Lärmwerte<br />

in <strong>de</strong>r Größenordnung von 35 dB(A) zulässig sind und nicht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann, dass dieser<br />

Beurteilungspegel – je<strong>de</strong>nfalls teilweise – auch durch <strong>de</strong>n Zerlegebetrieb überschritten wird.<br />

7. Da keinerlei Feststellungen <strong>de</strong>r Beklagten o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>r Beigela<strong>de</strong>nen zur Immissionssituation vor<br />

und nach Errichtung <strong>de</strong>s Zerlegebetriebs getroffen wur<strong>de</strong>n bzw vorliegen, die zwingend <strong>de</strong>n Schluss<br />

zuließen, von <strong>de</strong>m Zerlegebetrieb gingen keinerlei schädliche Umwelteinwirkungen aus, kann sich<br />

<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nichtdurchführung <strong>de</strong>s immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bestehen<strong>de</strong><br />

Verfahrensfehler auf die materiell-rechtliche Position <strong>de</strong>s Klägers mit <strong>de</strong>r Folge auswirken, dass dieser<br />

Fehler erfolgreich geltend gemacht wer<strong>de</strong>n kann, so dass <strong>de</strong>r angefochtene Baugenehmigungsbescheid<br />

<strong>de</strong>r Beklagten als rechtswidrig aufzuheben ist.<br />

Damit ist antragsgemäß zu erkennen. 82<br />

(Rechtsanwalt) t<br />

§ 45 Immissionsschutzrecht 45<br />

cc) Insbeson<strong>de</strong>re: Auslegung <strong>de</strong>s Begriffs „gemeinsame Anlage“ iSv § 1 Abs. 3 <strong>de</strong>r 4. BImSchV<br />

Typische Fallkonstellation: Auslegungsprobleme in <strong>de</strong>r Praxis bereitet darüber hinaus die in<br />

§ 1 Abs. 3 <strong>de</strong>r 4. BImSchV erfolgte Anordnung <strong>de</strong>r Erstreckung <strong>de</strong>s immissionsschutzrechtlichen<br />

Genehmigungserfor<strong>de</strong>rnisses auf <strong>de</strong>n Betrieb einer „gemeinsamen Anlage“ – dies vornehmlich<br />

dann, wenn behördlicherseits <strong>de</strong>r Erweiterung einer bestehen<strong>de</strong>n und immissionsschutzrechtlich<br />

genehmigten Anlage zum Anlass genommen wird, für <strong>de</strong>n Betrieb bestehen<strong>de</strong>r<br />

und genehmigter Anlagenteile Emissions- o<strong>de</strong>r aber Immissionsgrenzwerte festzusetzen.<br />

u Muster: Immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmung bzgl Betriebs eines in bauliche Erweiterung<br />

einbezogenen Anlagenteils einer genehmigten Anlage als „gemeinsame Anlage“<br />

Verwaltungsgericht •••<br />

57<br />

58<br />

619<br />

In <strong>de</strong>r Verwaltungsstreitsache •••<br />

wegen: Vollzug <strong>de</strong>s BImSchG<br />

nehme ich für die Beigela<strong>de</strong>ne zu <strong>de</strong>m durch Anschreiben <strong>de</strong>s Gerichts vom ••• übermittelten Schriftsatz<br />

<strong>de</strong>s Beklagten vom ••• hiermit wie folgt Stellung:<br />

1. Streitgegenstand ist die im Bescheid <strong>de</strong>s Beklagten vom ••• hinsichtlich <strong>de</strong>r erfolgten immissionsschutzrechtlichen<br />

Genehmigung zur Erweiterung <strong>de</strong>s im Jahre ••• immissionsschutzrechtlich genehmigten<br />

Großtanklagers um eine Ethanol-Blending-Anlage erfolgte Nebenbestimmung, wonach die<br />

in <strong>de</strong>r Abluft <strong>de</strong>r Dämpferückgewinnungsanlage (immissionsschutzrechtlich genehmigter Bestand)<br />

82 Vgl VG Halle, U. v. 24.8.2010 – 2 A 278/08.<br />

Hofmann-Hoeppel 1605

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!