Reise durch ein Viertel 30 Menschen erzählen - Berlin.de
Reise durch ein Viertel 30 Menschen erzählen - Berlin.de
Reise durch ein Viertel 30 Menschen erzählen - Berlin.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Reise</strong> <strong>durch</strong> <strong>ein</strong> <strong>Viertel</strong><br />
<strong>30</strong> <strong>Menschen</strong> erzählen<br />
Nachbarschaft und Straßenprostitution – Wie geht das?<br />
Christiane Howe<br />
Gerhard Haug<br />
Rolf Hemmerich
<strong>Reise</strong> <strong>durch</strong> <strong>ein</strong> <strong>Viertel</strong><br />
<strong>30</strong> <strong>Menschen</strong> erzählen<br />
Nachbarschaft und Straßenprostitution – Wie geht das?<br />
Einleitung<br />
Die Bürgerausstellung<br />
Die Eröffnung<br />
Das Fazit <strong>de</strong>r Eröffnung<br />
Eine Wan<strong>de</strong>rausstellung<br />
Das Quartier<br />
Die Situation vor Ort<br />
Stand-Orte<br />
Vollzugs-Orte<br />
Aufenthalts-Orte<br />
Das <strong>Viertel</strong> – Prostitutionsorte (Lageplan)<br />
Die Situation vor Ort<br />
Verän<strong>de</strong>rungen seit Mitte 2000<br />
Das Kun<strong>de</strong>naufkommen<br />
Strukturen und bisherige Maßnahmen<br />
Ein Beispiel: Die Sprachmittlerinnen<br />
<strong>Berlin</strong>er Prostitution am Bülowbogen seit 1885<br />
Seit mehr als 125 Jahren Prostitutionsgebiet<br />
Die Erzählungen<br />
Problemskizze<br />
Konflikte heute<br />
Resümee<br />
Vorschläge und I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Bürger/innen<br />
Blick in die Zukunft<br />
Information<br />
Was sind POP- o<strong>de</strong>r Verrichtungsboxen<br />
Die BSR-Initiative<br />
Die Mittwochs-Initiative<br />
Überblick über Gesetzeslage<br />
Soziale Anlaufstellen<br />
Impressum<br />
4<br />
5<br />
6<br />
6<br />
7<br />
7<br />
8<br />
8<br />
9<br />
9<br />
10-11<br />
12<br />
12<br />
12<br />
12<br />
13<br />
14<br />
14<br />
16-39<br />
40<br />
40<br />
41<br />
42-43<br />
43<br />
44<br />
44<br />
45<br />
45<br />
46<br />
47<br />
48<br />
1
Liebe Bewohnerinnen und Bewohner,<br />
sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Leben im Quartier und Straßenprostitution – <strong>ein</strong> ganz<br />
beson<strong>de</strong>res Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r und das schon seit mehr als<br />
100 Jahren: Rund um die Kurfürstenstraße im Schöneberger<br />
Nor<strong>de</strong>n und im Sü<strong>de</strong>n Tiergartens leben<br />
und arbeiten viele <strong>Menschen</strong>. Wie in allen Stadtteilen<br />
gibt es Einrichtungen für kl<strong>ein</strong>e und große Kin<strong>de</strong>r, für<br />
Familien, für Seniorinnen und Senioren sowie Kirchen,<br />
Moscheen, Lä<strong>de</strong>n und Büros. Was diese Gegend von<br />
an<strong>de</strong>ren unterschei<strong>de</strong>t sind Prostituierte, die ihrem<br />
Geschäft auf <strong>de</strong>r Straße nachgehen.<br />
Angelika Schöttler, Bürgermeisterin von<br />
Tempelhof-Schöneberg<br />
Dr. Sibyll Klotz, Bezirksstadträtin für Gesundheit,<br />
Soziales, Stadtentwicklung<br />
Über die vielen Jahrzehnte hat sich dieses „Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r“<br />
immer wie<strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rt und war zu allen Zeiten<br />
für die Beteiligten <strong>ein</strong>e mehr o<strong>de</strong>r weniger große Herausfor<strong>de</strong>rung.<br />
Straßenprostitution ist nicht verboten.<br />
Das auf <strong>de</strong>r Straße angebahnte Sexgeschäft und s<strong>ein</strong>e<br />
Folgen macht das sonst im persönlichen und intimen<br />
Bereich <strong>de</strong>r <strong>Menschen</strong> stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Sexualverhalten<br />
offenbar. Somit wer<strong>de</strong>n die <strong>Menschen</strong> im Kiez<br />
zu je<strong>de</strong>r Tages- und Nachtzeit mit <strong>ein</strong>em Geschehen<br />
konfrontiert, das zwar alltäglich aber auch mit<br />
Scham, Tabus, Obsessionen und Gewalt besetzt ist.<br />
Dies erfor<strong>de</strong>rt bei <strong>de</strong>n Einzelnen <strong>ein</strong>e wie auch immer<br />
geartete Aus<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Thema, dies<br />
kann als sehr anstrengend empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Bei<br />
<strong>de</strong>n vielen Treffen im Kiez begegnen uns <strong>Menschen</strong><br />
mit <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Haltungen und For<strong>de</strong>rungen.<br />
Dabei fällt auf, dass spätestens am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r oft<br />
turbulenten Erörterungen viele Bewohner/innen für die<br />
Prostituierten Verständnis äußerten und sie auch nicht<br />
völlig verdrängen wollen. In <strong>de</strong>n Blickpunkt rücken<br />
dann meist auch die Freier, die von überall her kommen<br />
und die Angebot und Nachfrage in diesem Gewerbe<br />
mit bestimmen.<br />
Fest steht, die schwierige Situation wird bleiben und<br />
es muss ohne Denkverbote und Tabus nach tragfähigen<br />
Lösungen gesucht wer<strong>de</strong>n, um das Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>n Stadtteilen positiv zu gestalten.<br />
2
Vorwort<br />
Die Erfahrungen <strong>de</strong>r letzten Jahre haben gezeigt, dass<br />
die Verantwortlichen in <strong>de</strong>n Bezirken Tempelhof-Schöneberg<br />
und Mitte diese gesamtstädtische Problematik<br />
nicht all<strong>ein</strong>e bewältigen können. Es ist unabdingbar,<br />
dass sich die Verantwortlichen aus <strong>de</strong>n zuständigen<br />
Senatsverwaltungen an <strong>de</strong>n Diskussions- und Lösungsprozessen<br />
beteiligen.<br />
Bezirksbürgermeisterin<br />
Angelika Schöttler<br />
und Bezirksstadträtin für Gesundheit,<br />
Soziales, Stadtentwicklung<br />
Dr. Sibyll Klotz<br />
Die Bürgerausstellung „Nachbarschaft & Prostitution“<br />
wur<strong>de</strong> im Rahmen <strong>de</strong>s Quartiersmanagements<br />
Schöneberger Nor<strong>de</strong>n geför<strong>de</strong>rt, mit ihr konnten die<br />
Aktivitäten <strong>de</strong>r letzten Jahre ergänzt und fortgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n. Neue Impulse sind entstan<strong>de</strong>n, die nun erörtert,<br />
geprüft und in die zukünftigen Prozesse integriert<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Mit dieser Broschüre liegt <strong>ein</strong>e Zusammenfassung vor,<br />
in <strong>de</strong>r die Situation vor Ort skizziert und die Bürgerausstellung<br />
mit ihren Ergebnissen präsentiert wird.<br />
Auf dieser Basis können, auch mit außergewöhnlichen<br />
Überlegungen, zukunftsorientierte Lösungen für und<br />
mit <strong>de</strong>n <strong>Menschen</strong> entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Ihre Angelika Schöttler<br />
Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg<br />
Ihre Sibyll Klotz<br />
Bezirksstadträtin für Gesundheit,<br />
Soziales, Stadtentwicklung<br />
3
Einleitung<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wird diskutiert, sich heftig gestritten und<br />
beschwert. Ein stetiges `Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r´ und `Gegen<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r´<br />
prägen das Zusammenleben im Quartier rund<br />
um die Kurfürstenstraße im Schöneberger Nor<strong>de</strong>n und<br />
im Sü<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Tiergartens, unweit von <strong>Berlin</strong>s Mitte.<br />
Schon manches Mal lagen die Nerven blank. Wie<br />
verträgt sich Straßenprostitution mit ihrer Nachbarschaft?<br />
Neuralgischer Punkt und nicht <strong>ein</strong>fach zu beantworten<strong>de</strong><br />
Dauerfragen sind:<br />
Wer soll und darf zu welchen Zwecken und zu welchen<br />
Zeiten <strong>de</strong>n allen zugänglichen und öffentlichen<br />
Raum im Quartier nutzen?<br />
Wer entschei<strong>de</strong>t darüber?<br />
Wie könnten für alle Beteiligten akzeptable Formen <strong>de</strong>s<br />
Umgangs mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r aussehen?<br />
Welche guten I<strong>de</strong>en gibt es dafür?<br />
Um sich hier möglichen Antworten anzunähern, entstand<br />
die I<strong>de</strong>e zu <strong>ein</strong>er Bürgerausstellung. Der Prozess<br />
<strong>de</strong>r Entstehung, Eröffnung und Durchführung<br />
<strong>de</strong>r Ausstellung wird mit dieser Broschüre dokumentiert.<br />
Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n das Quartier, die Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Prostitution und die Situation vor Ort skizziert.<br />
Abschließend wer<strong>de</strong>n die konstruktiven I<strong>de</strong>en und<br />
nachhaltigen Lösungen dargelegt, die weiter diskutiert<br />
wer<strong>de</strong>n müssten und <strong>de</strong>nen unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
entsprechen<strong>de</strong> Schritte und konkrete Maßnahmen folgen<br />
könnten.<br />
Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Dokumentation run<strong>de</strong>n <strong>ein</strong> paar Informationen<br />
zu <strong>de</strong>n „Verrichtungs- o<strong>de</strong>r POP-Boxen“,<br />
<strong>de</strong>n gesetzlichen Rahmenbedingungen und <strong>de</strong>n sozialen<br />
Initiativen und Anlaufstellen vor Ort ab.<br />
Wie hätten Sie es <strong>de</strong>nn gerne ? Aufruf zum mitmachen ...<br />
Plakat zur Ausstellungseröffnung <strong>de</strong>r Bürgerausstellung<br />
Grafik und Foto: Gerhard Haug<br />
4
Die Bürgerausstellung<br />
Von April bis Juni 2012 wur<strong>de</strong>n im Quartier Bürger/<br />
innen, Gewerbetreiben<strong>de</strong> sowie Vertreter/innen<br />
verschie<strong>de</strong>ner Interessensgruppen über ihre Wahrnehmungen,<br />
ihre Kritik und vor allem ihre I<strong>de</strong>en und<br />
Visionen zum Thema Nachbarschaften und Straßenprostitution<br />
befragt. Sie konnten sich aktiv mit ihrem<br />
Wissen, ihren M<strong>ein</strong>ungen und Vorschlägen an <strong>de</strong>r<br />
Bürgerausstellung beteiligen. So sind dreißig Porträts<br />
entstan<strong>de</strong>n, abgebil<strong>de</strong>t auf großzügigen Plakaten mit<br />
Fotografien.<br />
Die Bürgerausstellung „Nachbarschaft und Prostitution“ auf „Open Air<br />
Tour“, Pohlstraße am 1.9.2012 Foto: Gerhard Haug<br />
Die Bürgerausstellung „Nachbarschaft und Prostitution“ auf „Open Air<br />
Tour“, Platz vor <strong>de</strong>r Zwölf Apostelkirche am 14.9.2012<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Ziele <strong>de</strong>r Bürgerausstellung sind, die unterschiedlichen<br />
Positionen und I<strong>de</strong>en anschaulich darzustellen, damit<br />
<strong>ein</strong> breites und ausgewogenes M<strong>ein</strong>ungsbild aufzuzeigen<br />
und dieses mit möglichst vielen <strong>Menschen</strong> vor<br />
Ort, vor allem aber auch mit <strong>de</strong>n Verantwortlichen<br />
aus Politik und Verwaltung, zu diskutieren. Die Ausstellung<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb auch als Wan<strong>de</strong>rausstellung<br />
konzipiert und an verschie<strong>de</strong>nen Orten – hauptsächlich<br />
auf Gehwegen und Plätzen – in Schöneberg und<br />
Tiergarten gezeigt.<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r komplexen Lage vor Ort und<br />
<strong>de</strong>r Gesetzeslage sollte gem<strong>ein</strong>sam konstruktiv nach<br />
I<strong>de</strong>en und tragfähigen Lösungen gesucht und wenn<br />
möglich, entsprechen<strong>de</strong> Schritte und konkrete Maßnahmen<br />
ins Auge gefasst, <strong>ein</strong>geleitet und umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die I<strong>de</strong>en und Lösungsvorschläge <strong>de</strong>r Mitmachen<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>r Besucher/innen <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
sind am En<strong>de</strong> dieser Dokumentation in <strong>ein</strong>er<br />
Übersicht zusammengefasst.<br />
Verschie<strong>de</strong>ne Fachveranstaltungen, u.a. zu <strong>de</strong>n Themen<br />
„Zusammenhang von Prostitution und <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l“<br />
und „Geschichte <strong>de</strong>r Prostitution im Quartier“<br />
vertieften begleitend die Thematik und konnten <strong>de</strong>n<br />
Bedarf vieler Anwohner/innen nach Information und<br />
Aufklärung zum Thema Prostitution <strong>de</strong>cken.<br />
Die Metho<strong>de</strong> Bürgerausstellung<br />
Die Metho<strong>de</strong> „Bürgerausstellung“ beteiligt Bürger/innen partizipativ. Grundgedanke ist es, unterschiedliche<br />
persönliche Perspektiven, Haltungen, I<strong>de</strong>en und Wünsche zu präsentieren und <strong>ein</strong>en öffentlichen Dialog<br />
darüber zu ermöglichen.<br />
Die Ergebnisse von Interviews wer<strong>de</strong>n allen Beteiligten und <strong>de</strong>r interessierten Öffentlichkeit in <strong>ein</strong>er visuell<br />
ansprechen<strong>de</strong>n Form, die sowohl Fotografien als auch relevante Textauszüge aus <strong>de</strong>n Interviews umfasst,<br />
nahegebracht. Eine Stärke <strong>de</strong>s Konzeptes ist die ästhetische und emotionale Kraft <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r zugehörigen<br />
Zitate. Sie öffnet <strong>de</strong>n Raum für Diskussionen und konstruktive Vorschläge.<br />
(Mehr Informationen unter: www.partizipative-metho<strong>de</strong>n.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.php?page=aktivieren<strong>de</strong>-befragung)<br />
5
Die Eröffnung<br />
Die Eröffnung <strong>de</strong>r Bürgerausstellung „Nachbarschaft<br />
und Prostitution“ fand am 23. August 2012 im Nachbarschaftstreffpunkt<br />
Huzur in <strong>de</strong>r Bülowstraße statt.<br />
Viele Anwohner/innen und Gewerbetreiben<strong>de</strong>, Politiker/<br />
innen aus <strong>de</strong>m Abgeordnetenhaus <strong>Berlin</strong> und <strong>de</strong>r Bezirksverordnetenversammlung<br />
Tempelhof-Schöneberg,<br />
Mitarbeiter/innen <strong>de</strong>r Verwaltungen, <strong>de</strong>r Polizei<br />
und Vertreter/innen aus Einrichtungen, Initiativen sowie<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Quartiersmanagement-Teams waren<br />
gekommen. Das Podium war besetzt mit Dilek Kolat,<br />
Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen und mit<br />
Emine Demirbüken-Wegner, Staatssekretärin für Gesundheit.<br />
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg wur<strong>de</strong><br />
von <strong>de</strong>r Bürgermeisterin Angelika Schöttler und <strong>de</strong>r<br />
Stadträtin für Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung<br />
Dr. Sibyll Klotz vertreten. Vom Bezirksbürgermeister<br />
aus Mitte, Dr. Christian Hanke, wur<strong>de</strong> <strong>ein</strong> Grußwort<br />
verlesen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Podiumsdiskussion blieb genügend Zeit, sich<br />
die zwanzig großformatigen Ausstellungstafeln anzusehen.<br />
In <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n recht turbulenten Erörterung<br />
mit <strong>de</strong>n Politikerinnen wur<strong>de</strong>n viele Punkte,<br />
teilweise emotionsgela<strong>de</strong>n angesprochen und diskutiert.<br />
Die erörterten Punkte fin<strong>de</strong>n sich auch in <strong>de</strong>n<br />
Ausstellungsporträts wie<strong>de</strong>r.<br />
Das Fazit <strong>de</strong>r Eröffnung<br />
`Weg von <strong>de</strong>n Problemen, hin zu neuen Lösungsansätzen´<br />
hieß die Devise. Hierzu muss weiterhin intensiv<br />
an <strong>de</strong>r Situation gearbeitet wer<strong>de</strong>n, sowohl auf<br />
Bezirks-, als auch auf Lan<strong>de</strong>sebene. Stetige kl<strong>ein</strong>e<br />
Schritte sind hier nötig. Die Ausstellung bietet Impulse<br />
und skizziert I<strong>de</strong>en für Lösungen, die ernsthaft<br />
von <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Fachleuten, auch auf <strong>de</strong>r<br />
Verwaltungsebene, diskutiert und <strong>durch</strong>dacht wer<strong>de</strong>n<br />
müssen. Die bezirklichen Handlungsspielräume<br />
müssen weiterhin genutzt wer<strong>de</strong>n, auch wenn sie<br />
teilweise ausgereizt sind. Für die Beurteilung mancher<br />
Vorschläge und für tragfähige Lösungen wird, wegen<br />
<strong>de</strong>r gesamtstädtischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Thematik, die<br />
Senatsebene benötigt.<br />
„Bei <strong>de</strong>r gem<strong>ein</strong>samen Suche nach Lösungen darf es<br />
k<strong>ein</strong>e Tabus und Denkverbote geben,“ sagte Sibyll<br />
Klotz, die für das Quartiersmanagement (QM) zuständige<br />
Stadträtin. „Für <strong>ein</strong>en Sperrbezirk gibt es <strong>de</strong>rzeit<br />
nicht nur k<strong>ein</strong>e politische Mehrheit, son<strong>de</strong>rn ich halte<br />
ihn auch nicht für wünschenswert und hilfreich. Doch<br />
darüber hinaus muss alles, was zu <strong>ein</strong>er Lösung beitragen<br />
kann, überlegt und diskutiert wer<strong>de</strong>n.“<br />
Die Senatorin Dilek Kolat gab zu be<strong>de</strong>nken, dass Prostitution<br />
zu Großstädten dazu gehöre und versicherte,<br />
dass auch sie und ihre Verwaltung sich bei <strong>de</strong>r Diskussion<br />
und Lösungsfindung beteiligen wür<strong>de</strong>n. Emine<br />
Demirbüken-Wegner, Staatssekretärin für Gesundheit,<br />
unterstrich, dass negative Begleitersch<strong>ein</strong>ungen<br />
<strong>de</strong>r Straßenprostitution nicht zu tolerieren seien, doch<br />
dass kontinuierliche soziale Arbeit zu <strong>ein</strong>er Deeskalation<br />
beigetragen hätte. „Ich wer<strong>de</strong> mich dafür <strong>ein</strong>setzen,<br />
dass die Gel<strong>de</strong>r für soziale und gesundheitliche<br />
Behandlung <strong>de</strong>r Frauen nicht gekürzt wer<strong>de</strong>n,“ versprach<br />
sie.<br />
Bild oben: (v.l.n.r:) Emine Demirbüken-Wegner (CDU), Staatssekretärin<br />
für Gesundheit in <strong>de</strong>r Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales,<br />
Dilek Kolat (SPD), Senatorin für Arbeit, Integration, Frauen, Dr. Sibyll<br />
Klotz (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksstadträtin für Gesundheit, Soziales,<br />
Stadtentwicklung, Angelika Schöttler (SPD), Bezirksbürgermeisterin<br />
Tempelhof-Schöneberg Foto: Gerhard Haug<br />
Bild unten: 150 Besucher/innen bei <strong>de</strong>r Ausstellungseröffnung mit Podiumsdiskussion<br />
am 23.8.2012 im HUZUR Foto: Gerhard Haug<br />
6
Das Quartier<br />
Eine Wan<strong>de</strong>r-Ausstellung<br />
Nach <strong>de</strong>r Eröffnung im HUZUR ging die Bürgerausstellung<br />
„Nachbarschaft und Prostitution“ auf „Open<br />
Air Tour“ <strong>durch</strong> die Gegend rund um die Kurfürstenstraße.<br />
Am 1. September 2012 war sie das erste Mal<br />
in <strong>de</strong>r Pohlstraße zu sehen, danach u.a. in <strong>de</strong>r Kurmärkischen-/<br />
Frobenstraße, <strong>de</strong>m Platz vor <strong>de</strong>r Zwölf-<br />
Apostel-Kirche, unter <strong>de</strong>m Bülowbogen an <strong>de</strong>r Potsdamer<br />
Straße und am Nollendorfplatz. Die <strong>Menschen</strong><br />
konnten sich die Statements zum Straßenstrich ansehen<br />
und mit <strong>de</strong>n Ausstellungsmacher/innen und<br />
mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r diskutieren. Während <strong>de</strong>r Ausstellungen<br />
am Straßenrand konnten Anregungen in <strong>ein</strong> Gästebuch<br />
<strong>ein</strong>getragen aber auch im Internet unter www.<br />
http://www.netzwerk-stadtraumkultur.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.<br />
php/projekt-nachbarschaft-und-prostitution konnten<br />
und können online weitere Anregungen gegeben<br />
wer<strong>de</strong>n. So gab und gibt es vielfältige Gelegenheiten,<br />
sich an <strong>de</strong>r Diskussion zu beteiligen.<br />
Die Bürgerausstellung „Nachbarschaft und Prostitution“ auf „Open Air<br />
Tour“, Nollendorfplatz am 27.10.2012 Foto: Gerhard Haug<br />
Die Gegend um die Potsdamer Straße lag vor <strong>de</strong>m<br />
Mauerfall direkt an <strong>de</strong>r innerstädtischen Grenze, heute<br />
liegt das <strong>Viertel</strong> zentral: südlich <strong>de</strong>s Potsdamer Platzes,<br />
unweit <strong>de</strong>s Tiergartens, <strong>de</strong>r Botschaften und <strong>de</strong>s Diplomatenviertels,<br />
östlich <strong>de</strong>r City-West mit <strong>de</strong>m Wittenbergplatz,<br />
KaDeWe und Kurfürstendamm sowie<br />
westlich <strong>de</strong>s Gleisdreieckparks mit <strong>de</strong>n dort entstehen<strong>de</strong>n<br />
neuen Wohnhäusern. Verän<strong>de</strong>rungen sind<br />
an vielen Ecken sicht- und spürbar.<br />
Im Quartier rund um die Kurfürstenstraße im Schöneberger<br />
Nor<strong>de</strong>n und in Tiergarten Süd wohnen und<br />
leben Alt<strong>ein</strong>gesessene und Neuhinzugezogene, alte wie<br />
junge <strong>Menschen</strong>, Familien mit und ohne Migrationshintergrund<br />
und mit unterschiedlichsten Bildungsabschlüssen<br />
und Berufstätigkeiten. Es gibt viele Familien<br />
mit Kin<strong>de</strong>rn. Hier liegen vier soziale Einrichtungen<br />
für Familien, Jugendliche, Senior/innen, drei Schulen,<br />
zwei Kin<strong>de</strong>rgärten, zwei Kirchengem<strong>ein</strong><strong>de</strong>n und <strong>ein</strong>e<br />
Moschee. Insgesamt leben in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n QM-Gebieten<br />
knapp 26.000 <strong>Menschen</strong>, davon haben etwa 60%<br />
<strong>ein</strong>en Migrationshintergrund.<br />
Im Quartier arbeiten tagsüber auch viele <strong>Menschen</strong>,<br />
die nicht dort wohnen. Viele betreiben <strong>ein</strong> Gewerbe.<br />
Von kl<strong>ein</strong>en Cafés, Restaurants, Bars über vielfältige<br />
Einkaufsmöglichkeiten für <strong>de</strong>n alltäglichen Bedarf ist<br />
alles vor Ort zu fin<strong>de</strong>n. Daneben stehen großräumige<br />
Möbelhäuser sowie Produktionsstandorte <strong>de</strong>r Medienwelten.<br />
Auch baulich ist das <strong>Viertel</strong> heterogen und mit grün<strong>de</strong>rzeitlichen<br />
Altbauten und <strong>ein</strong>gestreuten neueren<br />
Wohnungsbestän<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n 1970er und 1980er<br />
Jahren ausgestattet. Die Verkehrsbelastung ist aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Durchgangsverkehrs in <strong>de</strong>r Potsdamer-,<br />
Bülow- und Kurfürstenstraße hoch.<br />
Und mittendrin fin<strong>de</strong>t die Straßenprostitution statt.<br />
Rahmenbedingungen<br />
Prostitution ist <strong>ein</strong>e im Voraus getroffene Ver<strong>ein</strong>barung. Dabei wird <strong>ein</strong>e bestimmte Geldsumme gegen<br />
sexuelle Handlungen getauscht. Sie ist in Deutschland grundsätzlich für und mit Frauen und Männern ab<br />
18 Jahren erlaubt. Die beschriebene Ver<strong>ein</strong>barung stellt seit 2002 <strong>ein</strong>e rechtswirksame For<strong>de</strong>rung dar (siehe<br />
auch §1 Prostitutionsgesetz).<br />
Personen aus <strong>de</strong>n alten EU-Län<strong>de</strong>rn können in allen Bereichen <strong>de</strong>s Sexgewerbes, aus <strong>de</strong>n neuen EU-<br />
Beitrittslän<strong>de</strong>rn jedoch nur als Selbständige legal arbeiten. Personen aus Nicht-EU-Län<strong>de</strong>rn brauchen <strong>ein</strong>en<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Aufenthaltsstatus mit Arbeitserlaubnis.<br />
Grundsätzlich ist die Prostitution in Deutschland als <strong>ein</strong>e zu respektieren<strong>de</strong> und autonome Entscheidung<br />
von erwachsenen <strong>Menschen</strong> aufzufassen. Sie ist allerdings mit Gefahren und Risiken behaftet, die wesentlich<br />
von <strong>de</strong>n Bedingungen abhängen, unter <strong>de</strong>nen sie ausgeübt wird.<br />
7
Die Situation vor Ort<br />
Der Straßenstrich in diesem Quartier ist <strong>de</strong>r <strong>ein</strong>zige in<br />
<strong>Berlin</strong>, <strong>de</strong>r rund um die Uhr stattfin<strong>de</strong>t. Er ist sehr<br />
heterogen und vielfältig: Einige Transfrauen (Mann-zu-<br />
Frau), die sogenannten Transen, mit unterschiedlichen<br />
Migrationsgeschichten und viele Frauen arbeiten dort.<br />
Die meisten sind inzwischen aus Mittel-/ Südosteuropa,<br />
viele aus Ungarn und Bulgarien. Manche <strong>de</strong>r<br />
Prostituierten arbeiten zum Nebenerwerb, manche<br />
zum Haupterwerb, an<strong>de</strong>re, um sich darüber ihren<br />
Drogenkonsum zu finanzieren.<br />
Ein Teil von ihnen ist „professionell“ geklei<strong>de</strong>t, an<strong>de</strong>re<br />
eher im Freizeitlook. Einige arbeiten mit und an<strong>de</strong>re<br />
ohne unterstützen<strong>de</strong>n bis ausbeuten<strong>de</strong>n `Zuhälter´.<br />
Es gibt Prostituierte, die selten arbeiten, an<strong>de</strong>re täglich.<br />
Sie sind fast alle zwischen 18 und 35 Jahren,<br />
nur ganz ver<strong>ein</strong>zelt min<strong>de</strong>rjährig und selten älter als 50<br />
Jahre. Etwa <strong>ein</strong> Drittel bis die Hälfte von ihnen ist<br />
nur zwischen 4-6 Wochen bis zu drei Monaten da<br />
und wan<strong>de</strong>rt dann weiter. Es besteht also <strong>ein</strong>e gewisse<br />
Fluktuation.<br />
Ein Treffen <strong>de</strong>r Anwohner/innen<br />
Potsdamerstraße Foto: Gerhard Haug<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Stand-Orte<br />
Trotz <strong>de</strong>r Heterogenität ist <strong>de</strong>r Straßenstrich räumlich<br />
nach Angebot und teilweise nach Herkunft abgegrenzt<br />
und aufgefächert. Zum <strong>ein</strong>en stehen Frauen<br />
aus <strong>de</strong>m gleichen Herkunftslän<strong>de</strong>rn häufig gerne zusammen<br />
und zum an<strong>de</strong>ren arbeiten diejenigen, die<br />
<strong>ein</strong>e spezifische Nachfrage bedienen, z.B. die älteren<br />
Frauen o<strong>de</strong>r die Transen, in jeweils eigenen Straßenabschnitten.<br />
Rund um die Straßen Kurfürsten-/ Froben-/ Genthiner-/<br />
Bülowstraße sind laut Schätzung <strong>de</strong>r Expert/innen<br />
<strong>de</strong>r Sozialen Projekte und <strong>de</strong>r Polizei täglich min<strong>de</strong>stens<br />
20, <strong>durch</strong>schnittlich meist 40 bis 50 weibliche<br />
Prostituierte, in Spitzenzeiten bis zu 100 Prostituierte<br />
tätig. Über das ganze Jahr verteilt, arbeiten hier etwa<br />
200-220 Prostituierte.<br />
Davon sind <strong>de</strong>rzeit laut Frauentreff Olga (Notdienst<br />
für Suchtmittelabhängige und -gefähr<strong>de</strong>te <strong>Berlin</strong> e.V.)<br />
etwa je <strong>ein</strong> Drittel Ungarinnen und Bulgarinnen sowie<br />
wenige rumänische, polnische, tschechische und ukrainische<br />
Prostituierte, das an<strong>de</strong>re gute Drittel stellen<br />
<strong>de</strong>utsche Prostituierte und <strong>ein</strong> paar wenige Frauen<br />
aus an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn. Die Frauen arbeiten ver<strong>ein</strong>zelt<br />
ab <strong>de</strong>m Vormittag, zunehmend ab späten Nachmittag<br />
bis in die späten Nachtstun<strong>de</strong>n und dann wie<strong>de</strong>r<br />
ver<strong>ein</strong>zelt in <strong>de</strong>n frühen Morgenstun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r<br />
Straße. An manchen Tagen, Aben<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in mancher<br />
Nacht ist kaum etwas los, manchmal ist nachts um<br />
1 Uhr k<strong>ein</strong>e <strong>de</strong>r Frauen mehr in <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße<br />
anzutreffen, an an<strong>de</strong>ren Tagen wie<strong>de</strong>rum sehr viele.<br />
Das gestaltet sich sehr unterschiedlich und hängt<br />
offensichtlich von vielen Faktoren wie Wetter, Nachfrage<br />
<strong>de</strong>r Freier, Notwendigkeit <strong>de</strong>s Geldverdienens<br />
seitens <strong>de</strong>r Frauen etc. ab.<br />
Im Sommer, bei gutem Wetter und am Freitag/ Samstag<br />
erhöht sich die Anzahl <strong>de</strong>r Frauen und sie wer<strong>de</strong>n<br />
für die Anwohner/innen sichtbarer, vor allem im<br />
Sommer <strong>durch</strong> ihre freizügige Kleidung und hörbarer<br />
<strong>durch</strong> die nächtlich geöffneten Fenster.<br />
Im westlichen Teil <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße bis hin zur<br />
Einemstraße prostituieren sich nur ab <strong>de</strong>n Abendstun<strong>de</strong>n<br />
ausschließlich professionell arbeiten<strong>de</strong> Frauen,<br />
die offensichtlich gut organisiert aufgestellt und<br />
auch leiser sind. Sie rufen kaum Beschwer<strong>de</strong>n und<br />
Störungen hervor.<br />
Im südlichen Teil <strong>de</strong>r Frobenstraße prostituieren sich<br />
ausschließlich die sogenannten Transen. Sie beginnen<br />
mit ihrer Arbeit mit Anbruch <strong>de</strong>r Dunkelheit und arbeiten<br />
bis in die Morgenstun<strong>de</strong>n, täglich min<strong>de</strong>stens<br />
8
Die Situation vor Ort<br />
3 bis zu (eher selten) 15 Prostituierten. Sie sind meist<br />
aus Bulgarien und Lat<strong>ein</strong>amerika und haben k<strong>ein</strong>e Zuhälter.<br />
Diese Prostituierten sind nicht selten Pöbeleien<br />
und Angriffen seitens <strong>de</strong>r männlichen Jugendlichen<br />
aus <strong>de</strong>m <strong>Viertel</strong>, aber vielfach auch seitens <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n<br />
ausgesetzt. Ihr Geschäftsgebaren ist häufig von<br />
Musik und lauter Unterhaltung begleitet und führt da<strong>durch</strong>,<br />
insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n sommerlichen Morgenstun<strong>de</strong>n,<br />
zu Verärgerungen bei <strong>de</strong>n Anwohner/innen.<br />
Insgesamt existieren in <strong>Berlin</strong> laut Schätzungen von<br />
Hydra e.V. 600-800 bor<strong>de</strong>llartig Betriebe, sie sind über<br />
die ganze Stadt verteilt und fin<strong>de</strong>n sich in je<strong>de</strong>m Bezirk.<br />
8.000-10.000 Frauen sind in <strong>de</strong>r Sexarbeit tätig,<br />
überwiegend in Wohnungsbor<strong>de</strong>llen, Clubs und Massagesalons.<br />
Nur <strong>ein</strong> ganz geringer Anteil <strong>de</strong>r Prostituierten<br />
arbeitet auf <strong>de</strong>r Straße.<br />
Aufenthalts-Orte<br />
Die Prostituierten können sich neben <strong>de</strong>n Aufenthaltsmöglichkeiten<br />
in <strong>de</strong>n sozialen Projekten (Cafés im Frauentreff<br />
Olga und bei Neustart e.V.) in <strong>de</strong>n <strong>ein</strong>schlägigen<br />
Kneipen und Cafés entlang <strong>de</strong>s Straßenstrichs<br />
aufhalten, dort ruhen sie sich aus, wärmen sich auf<br />
o<strong>de</strong>r benutzen die Toiletten. Manche <strong>de</strong>r Kioske und<br />
Cafés bieten zusätzlich Anlass zu Beschwer<strong>de</strong>n, da<br />
sich dort vor allem Freier, Zuhälter, Alkoholiker/innen,<br />
teilweise obdachlose <strong>Menschen</strong> aufhalten, die <strong>de</strong>s<br />
Öfteren auch in <strong>de</strong>r Nacht sehr laut sind.<br />
Vollzugs-Orte<br />
Zur Kurfürstenstraße kommen die Kun<strong>de</strong>n zu Fuß o<strong>de</strong>r<br />
mit <strong>de</strong>m Auto. Nachfolgen<strong>de</strong> Orte können dann zusammen<br />
aufgesucht wer<strong>de</strong>n: Stun<strong>de</strong>nhotels, es bestehen<br />
zwei kl<strong>ein</strong>e in <strong>de</strong>r Nähe mit 5-7 Zimmern, Kabinen<br />
im LSD-Erotik-Shop, City Toiletten und das Auto.<br />
Es gibt immer noch bestimmte Plätze in <strong>de</strong>r näheren<br />
Umgebung, die ruhig und nicht gut <strong>ein</strong>sehbar sind.<br />
Manche Frauen nutzen auch Räume von Anwohnern<br />
und im Sommer nachts auch mal mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
Orte in <strong>de</strong>r direkten Umgebung.<br />
Die Lage <strong>de</strong>s <strong>Viertel</strong>s verän<strong>de</strong>rt sich zunehmend.<br />
Die brachliegen<strong>de</strong>n Flächen und Möglichkeiten, die<br />
z.B. am Landwehrkanal, nahe <strong>de</strong>s Tiergartens, in <strong>de</strong>r<br />
Flottwellstraße und am Gleisdreieckpark bestan<strong>de</strong>n,<br />
verschwin<strong>de</strong>n. Damit verschwin<strong>de</strong>n Orte, an <strong>de</strong>nen<br />
das Geschäft diskret am Ran<strong>de</strong> abgewickelt wer<strong>de</strong>n<br />
konnte. Mit <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Bebauung, z.B. <strong>de</strong>s<br />
Potsdamer Platzes, <strong>de</strong>s Diplomatenviertels und <strong>de</strong>r<br />
Flottwellstraße verän<strong>de</strong>rt sich zum <strong>ein</strong>en die Bewohnerschaft<br />
an <strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Straßenstrichs. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren verlagert sich <strong>de</strong>r Vollzug zunehmend in die<br />
bewohnten Gegen<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re in die ruhigen<br />
und eher dunklen Seitenstraßen direkt am Straßenstrich.<br />
Es sind insgesamt nur noch wenige Orte vorhan<strong>de</strong>n,<br />
an <strong>de</strong>nen die verabre<strong>de</strong>te sexuelle Dienstleistung<br />
vollzogen wer<strong>de</strong>n kann. Hinzu kommt, dass<br />
sich im Sommer, bei gutem Wetter und am Freitag/<br />
Samstag noch die Anzahl <strong>de</strong>r dort arbeiten<strong>de</strong>n Frauen<br />
erhöht. Das Alles wie<strong>de</strong>rum kann die Nachtruhe<br />
<strong>de</strong>r Anwohner/innen mitunter empfindlich stören.<br />
Plakat zur Informationsveranstaltung zur Geschichte <strong>de</strong>s Virtels<br />
Grafik und Foto: Gerhard Haug<br />
9
Das <strong>Viertel</strong> –<br />
Prostitutionsorte<br />
(Lageplan)<br />
Standorte <strong>de</strong>r Prostituierten<br />
Vollzugsorte <strong>de</strong>r Prostitution<br />
(Autos, Stun<strong>de</strong>nhotels, Erotikkaufhaus<br />
LSD/Vi<strong>de</strong>o-Kabinen, City-Toiletten,<br />
Parks, Büsche, Parkplätze etc.)<br />
Alle Angaben ohne Gewähr, da sich die<br />
Prostituierten je Gegebenheiten und<br />
ordnungspolitischer Maßnahmen<br />
mäan<strong>de</strong>rnd im Raum bewegen.<br />
Gebietskarte rund um die Kurfürstenstraße<br />
Karte von <strong>Berlin</strong> 1 : 5000 (RD TK5), Blätter 413A und 423C<br />
© GeoBasis-DE/SenStadt III (2012)<br />
Quelle: Bestellservice für Veröffentlichungen - Karten und Luftbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: http://www.stadtentwicklung.<br />
berlin.<strong>de</strong>/service/veroeffentlichungen/<strong>de</strong>/ karten_luftbil<strong>de</strong>r/<br />
11
Die Situation vor Ort<br />
Verän<strong>de</strong>rung seit Mitte 2000<br />
Im Zuge <strong>de</strong>r EU-Osterweiterung reisten mehr südosteuropäische,<br />
vorwiegend bulgarische und ungarische<br />
Frauen (darunter viele Sinti-/ Roma-Frauen) <strong>ein</strong>,<br />
die sich rund um die Kurfürstenstraße prostituieren.<br />
Motivation und Ursache, sich hier zu prostituieren,<br />
sind zu allermeist die Versorgung ihrer Kin<strong>de</strong>r bzw.<br />
ganzer Familien, die häufig noch in <strong>de</strong>n Herkunftslän<strong>de</strong>rn<br />
leben. Dort haben viele <strong>de</strong>r Frauen schon als<br />
Prostituierte gearbeitet. Hier in <strong>Berlin</strong> kennen sie sehr<br />
selten ihre arbeitsrechtliche Situation, haben k<strong>ein</strong>e<br />
Krankenversicherung, k<strong>ein</strong>e Mel<strong>de</strong>adresse und verfügen<br />
meist über geringe Sprachkenntnisse.<br />
Durch diese Zuwan<strong>de</strong>rung verän<strong>de</strong>rte sich die Situation.<br />
Das Verhalten <strong>de</strong>r Frauen, ihre Art zu werben<br />
und Passanten anzusprechen, unterschei<strong>de</strong>t sich, ist<br />
aktiver und damit offensichtlicher. Ihre Lautstärke und<br />
mitunter auch lautstarken Aus<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re nachts und im Sommer, sind weithin<br />
hörbar und belasten die dort wohnen<strong>de</strong>n <strong>Menschen</strong>.<br />
Diese neue Situation hatte auch entsprechen<strong>de</strong> Auswirkungen<br />
auf die Lage <strong>de</strong>r Frauen, die sich dort seit<br />
Jahren prostituierten – Stichworte: Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Standplätze, teilweise Verdrängungen und zeitweise<br />
Preisverän<strong>de</strong>rungen.<br />
Das Kun<strong>de</strong>naufkommen<br />
Die Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Prostituierten kommen aus <strong>Berlin</strong>, <strong>de</strong>m<br />
Umland, Gesamt-Deutschland und an<strong>de</strong>rn Län<strong>de</strong>rn.<br />
Der Straßenstrich ist überregional bekannt und wird<br />
in <strong>ein</strong>schlägigen Broschüren und Internet-Foren benannt<br />
und beworben. Sichtbar ist dies auch an <strong>de</strong>n<br />
unterschiedlichen Autonummern <strong>de</strong>r Freier.<br />
Männer, die Prostituierte aufsuchen, unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich bezüglich ihres Alters, Bildungsstands, ihrer<br />
Schicht, Einstellungen und Verhaltensweisen nicht<br />
vom Durchschnitt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Männer. Sie sind<br />
unauffällig. Ihr Anteil an <strong>de</strong>r sexuell aktiven männlichen<br />
Bevölkerung liegt nach bisherigen Erkenntnissen<br />
bei etwa 20%. 1<br />
Für die Kurfürstenstraße kann <strong>ein</strong> <strong>durch</strong>schnittliches<br />
Freieraufkommen pro Tag wie folgt angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n: Ausgehend von etwa 40 Prostituierten, die<br />
<strong>durch</strong>schnittlich 5 Kun<strong>de</strong>n am Tag bedienen, wären<br />
täglich rund 200 Freier im <strong>Viertel</strong> unterwegs. Es kann<br />
mit aller Vorsicht davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass<br />
täglich min<strong>de</strong>stens 100, <strong>durch</strong>schnittlich 200 und zu<br />
Spitzenzeiten bis zu 600 Freier unterwegs sind.<br />
Immer wie<strong>de</strong>r möchten Freier <strong>de</strong>n sexuellen Akt ohne<br />
Kondom vollziehen. Sie bevorzugen diese Variante und<br />
gehen davon aus, dass gesundheitlich k<strong>ein</strong>e Gefahr,<br />
we<strong>de</strong>r für sie selbst noch für ihre Familien bestehen.<br />
Dies entspricht <strong>ein</strong>em bun<strong>de</strong>sweiten Trend.<br />
Strukturen und bisherige Maßnahmen<br />
Aktivitäten und Bemühungen <strong>de</strong>r Bezirke Tempelhof-<br />
Schöneberg und Mitte, <strong>de</strong>r Polizei, <strong>de</strong>r Quartiersmanagement-Teams<br />
und an<strong>de</strong>rer Akteure führten<br />
seit 1999 stellenweise zu Entlastungen. Durch die<br />
jahrelange Arbeit im Präventionsrat Schöneberger<br />
Nor<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Quartiersmanagementverfahren<br />
in Schöneberg und Tiergarten sind tragfähige<br />
Netzwerke entstan<strong>de</strong>n. Bewohnerschaft und Anrainer/innen<br />
nutzen die vorhan<strong>de</strong>nen Strukturen, um<br />
Schwierigkeiten und Probleme zu thematisieren, z.B.<br />
bei <strong>de</strong>n Sitzungen <strong>de</strong>s Präventionsrates, <strong>de</strong>n Begehungen,<br />
sowie <strong>de</strong>n Quartiersgesprächen. Einige beteiligen<br />
sich auch an praktischen Lösungen, wie z.B.<br />
<strong>de</strong>m Schließdienst von Spielplätzen. Viele Beteiligte<br />
arbeiten kooperativ zusammen.<br />
Maßnahmen waren u.a. Durchfahrtsverbote für die<br />
Nacht, alternieren<strong>de</strong>s Parken, Rückschnitt von Büschen<br />
und Entfernung von Tischtennisplatten, Einzäunen<br />
von Spielplätzen. Damit kam es im öffentlichen<br />
und halböffentlichen Raum zwar phasenweise zu Entlastungen<br />
<strong>de</strong>r Nachbarschaften. In <strong>de</strong>r warmen Jahreszeit<br />
steigt die Belastung aber wie<strong>de</strong>r kontinuierlich<br />
an. Einerseits wird das Prostitutionsgeschäft wie<strong>de</strong>r<br />
sichtbarer, an<strong>de</strong>rseits steigt <strong>de</strong>r Lärmpegel. Gera<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n ruhigeren Wohnstraßen schränkt dieser Lärm<br />
das längere Lüften <strong>de</strong>r Wohnungen im Sommer <strong>ein</strong><br />
bzw. verhin<strong>de</strong>rt es vollständig. So konnte trotz und mit<br />
<strong>de</strong>n Maßnahmen <strong>de</strong>s Bezirks, <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>s<br />
Quartiersmanagements bisher lediglich auf Symptome<br />
reagiert wer<strong>de</strong>n. Nachhaltige Lösungen müssten<br />
grundsätzlicher überdacht, entwickelt und dann gegebenenfalls<br />
umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
1 Die Zahlen beruhen auf fünf Untersuchungen zu Freiern (Hydra 1991/<br />
Kleiber 1994/ Velten 1994/ Rothe 1997/ Grenz 2005). Kun<strong>de</strong>n von Prostituierten<br />
sind diejenigen, die relativ regelmäßig, d.h. zwischen <strong>ein</strong> Mal<br />
im Jahr bis zu zwei Mal wöchentlich Prostituierte aufsuchen.<br />
12
Die Situation vor Ort<br />
Ein Beispiel: Die Sprachmittlerinnen<br />
Interventionen <strong>durch</strong> gezielte Beratung <strong>de</strong>r Frauen mit<br />
muttersprachlichen Streetworkerinnen führen phasenweise<br />
zu Verbesserungen. Möglich wur<strong>de</strong> dies <strong>durch</strong><br />
Projektför<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Quartiersmanagements<br />
und <strong>durch</strong> die von Februar 2012 bis Februar<br />
2014 befristeten Fraueninfrastrukturstellen – angesie<strong>de</strong>lt<br />
bei <strong>de</strong>m Frauentreff Olga. Die spezielle Beratung<br />
dient in erster Linie <strong>de</strong>r präventiven und gesundheitlichen<br />
Grundversorgung <strong>de</strong>r Prostituierten. Gegenstand<br />
<strong>de</strong>r Gespräche sind aber auch Informationen<br />
zum Quartier und <strong>de</strong>r Umgebung, zum angemessenen<br />
Verhalten und zur entsprechen<strong>de</strong>n Kleidung. Erhoffter<br />
und gewünschter Effekt war, dass sich auch<br />
<strong>durch</strong> Verhaltensän<strong>de</strong>rungen die Prostitution nachbarschaftsverträglicher<br />
gestalten ließe. Dies ist aber<br />
<strong>de</strong>utlichen Schwankungen unterworfen, da Frauen<br />
manchmal nur phasenweise bleiben und ständig<br />
wechseln. Dieser Umstand stellt die Beraterinnen immer<br />
wie<strong>de</strong>r vor neue Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Die Beratungskontakte zeigen, dass <strong>ein</strong>ige <strong>de</strong>r neu<br />
zugewan<strong>de</strong>rten Frauen `bildungsfern´, manche gesundheitlich<br />
nicht aufgeklärt sind und oft nicht Lesen<br />
o<strong>de</strong>r Schreiben können. Weiterhin zeigt sich, dass<br />
manche <strong>de</strong>r Frauen in <strong>ein</strong>em körperlich besorgniserregen<strong>de</strong>n<br />
Gesundheitszustand sind und unter <strong>ein</strong>em<br />
hohen psychischen Druck stehen. Der Zugang zu<br />
<strong>de</strong>n Frauen ist nur <strong>durch</strong> die Sprachmittlerinnen zu<br />
erreichen, Gesundheitsfragen bieten hier <strong>ein</strong>en guten<br />
Einstieg. Ist über diese Arbeit <strong>ein</strong> gewisse Grundlage<br />
und Vertrauen geschaffen, kann die Anbindung an<br />
die Versorgung bieten<strong>de</strong>n Projekte wie Frauentreff<br />
Olga, Fixpunkt, Gangway und subway (siehe ausführlicher<br />
im Anhang) rund um die Kurfürstenstraße<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Der legale Arbeitsstatus, polizeiliche Anmeldung,<br />
Krankenversicherung und Steuern waren und sind<br />
<strong>ein</strong> elementarer Bestandteil <strong>de</strong>r Beratungsarbeit. Dies<br />
kann selbstverständlich nicht auf <strong>de</strong>r Straße stattfin<strong>de</strong>n<br />
und be<strong>de</strong>utet auch häufig die Begleitung <strong>durch</strong><br />
Sozialarbeiterinnen und Sprachmittlerinnen zu Behör<strong>de</strong>n<br />
und Ämtern.<br />
Plakat zur Informationsveranstaltun: Prostitution, <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l?<br />
Grafik und Foto: Gerhard Haug<br />
Veranstaltung am 15.11.2012 im HUZUR: Fakten und Daten zur Prostitution<br />
rund um die Kürfürstenstraße – <strong>Berlin</strong>er Fachleute zum Thema:<br />
Prostitution, <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l? (v.l.n.r.) Michaela Klose, Leiterin Frauentreff<br />
Olga (Kontaktla<strong>de</strong>n für drogenabhängige Frauen und Prostituierte),<br />
Dr. Nivedita Prasad, Projektkoordinatorin Ban Ying (Beratungs- und<br />
Koordinationsstelle gegen <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l) und Heike Rudat, Kriminaldirektorin,<br />
Leiterin <strong>de</strong>s Dezernats Organisierte Kriminalität, LKA <strong>Berlin</strong><br />
(Ban<strong>de</strong>n-/Rotlichtkriminalität und <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l)<br />
Mo<strong>de</strong>ration: Christiane Howe, Soziologin, Zentrum Technik und Gesellschaft,<br />
TU <strong>Berlin</strong> Foto: Gerhard Haug<br />
13
<strong>Berlin</strong>er Prostitution am<br />
Bülowbogen seit 1885<br />
»Die Bülowstraße wird (…) als Prostitutionsmarkt<br />
genutzt. Am stärksten in <strong>de</strong>r Potsdamer Straße.<br />
Und nur abends und nachts. (…) Es sind Mädchen,<br />
die alle Unarten <strong>de</strong>s <strong>Berlin</strong>er Kl<strong>ein</strong>bürgertums<br />
an sich haben, fast stets geschmacklos geklei<strong>de</strong>t sind,<br />
die sich anbieten, nicht wie die Dirnen <strong>de</strong>r Friedrichstadt<br />
und <strong>de</strong>s Potsdamerplatzes, warten, bis sie angesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn sich mit:<br />
‚Komm mit Schatz!‘,<br />
‚Kleener, komm doch!‘<br />
aufdrängen und auch gelegentlich roh schimpfen.<br />
Ihre Kun<strong>de</strong>n sind eben kl<strong>ein</strong>bürgerlich.<br />
Es sind jene Bewohner Schönebergs und <strong>de</strong>r westlichen<br />
Stadtteile, die nur drei o<strong>de</strong>r fünf Mark <strong>de</strong>m<br />
Mädchen für s<strong>ein</strong>e Gefälligkeit geben, es grob behan<strong>de</strong>ln<br />
und das Mädchen in drücken<strong>de</strong>r wirtschaftlicher<br />
Lage lassen und es tief <strong>de</strong>mütigen.«<br />
(‚Das <strong>Berlin</strong>er Dirnentum‘ (1907) von Hans Ostwald aus: »Vergnügungsgewerbe<br />
rund um <strong>de</strong>n Bülowbogen« S.8)<br />
Prostituierte vor <strong>ein</strong>em Hotel in <strong>de</strong>r Potsdamer Straße, Mai 1976.<br />
Fotograf: Wolfgang Albrecht. Mit Genehmigung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sarchivs<br />
<strong>Berlin</strong>. Inventar-Nr.: 189374<br />
Seit 150 Jahren Prostitutionsgebiet<br />
Bereits 1885 etablierte sich im Schöneberger Nor<strong>de</strong>n,<br />
in <strong>de</strong>r Gegend um die Bülowstraße und in <strong>de</strong>r Nähe<br />
<strong>de</strong>r Potsdamer Straße <strong>ein</strong> günstiger Prostitutionsmarkt.<br />
Die Straßenprostitution war seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
19. Jahrhun<strong>de</strong>rts für ganz <strong>Berlin</strong> kennzeichnend und<br />
prägte im Weiteren die Form <strong>de</strong>r Prostitutionsausübung<br />
in <strong>de</strong>r Stadt. Auch die Prostituierten, die dann<br />
Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts in Bars, Tanzlokalen und<br />
Kaffeehäusern unterwegs waren, arbeiteten zugleich<br />
auch auf <strong>de</strong>r Straße. Diese <strong>Viertel</strong> und Gegen<strong>de</strong>n<br />
schufen auch <strong>ein</strong> Klima von Toleranz o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />
<strong>ein</strong> Klima <strong>de</strong>r Duldung weiterer Gruppen von gesellschaftlichen<br />
Außenseitern, wie <strong>de</strong>r Homosexuellen<br />
rund um die Bülowstraße. Mit <strong>de</strong>m Bülowbogen verbin<strong>de</strong>n<br />
sich <strong>de</strong>shalb, vor allem in <strong>de</strong>n 1920er Jahren,<br />
auch die Namen <strong>de</strong>r legendären Treffpunkte für<br />
homosexuelle Männer und Frauen, wie das `Dorian<br />
Gray´, <strong>ein</strong>es <strong>de</strong>r bekanntesten <strong>Berlin</strong>er Zentren <strong>de</strong>r<br />
homosexuellen Subkultur.<br />
Der Bülowbogen stand zu <strong>de</strong>r Zeit in <strong>Berlin</strong> vor allem<br />
aber für Prostitution, Rauschgifthan<strong>de</strong>l, zweifelhafte<br />
Vergnügungsbetriebe und Kriminalität. Von Anbeginn,<br />
auch für die 1920er und 19<strong>30</strong>er Jahre und die<br />
Zeit danach galt, dass <strong>de</strong>n meisten Freiern in diesen<br />
Straßen <strong>ein</strong> Absteige-Hotel zu teuer war, <strong>de</strong>shalb wur<strong>de</strong><br />
ausgewichen und auch billige private Quartiere<br />
angeboten.<br />
In <strong>de</strong>n Jahren vor und nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg<br />
entwickelte sich die Potsdamer Straße zwischen <strong>de</strong>r<br />
Lützow- und <strong>de</strong>r Pallas-/ Goebenstraße zu <strong>ein</strong>er Art<br />
„Rotlichtviertel“ im engeren Sinne. Die Prostitution<br />
wur<strong>de</strong> meist auf <strong>de</strong>r Straße vor <strong>de</strong>n Häusern angebahnt<br />
und fand dann in Zimmern <strong>de</strong>r Häuser, <strong>de</strong>n<br />
Bor<strong>de</strong>llen, in entsprechen<strong>de</strong>n Nachtclubs, Stun<strong>de</strong>nhotels<br />
o<strong>de</strong>r Massagesalons statt. Auch <strong>ein</strong>ige Spiel-<br />
Casinos etablierten sich.<br />
In <strong>de</strong>n 1970er Jahren sie<strong>de</strong>lte sich zu<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Kurfürsten-/<br />
Potsdamer Straße, Winterfeldt- und Frobenstraße,<br />
vor allem in <strong>de</strong>r sogenannten `Ruine´ am<br />
Winterfeldtplatz, stark die Prostitution drogengebrauchen<strong>de</strong>r<br />
Frauen und Männer an. In <strong>de</strong>r Ecke Froben-/<br />
Kurfürstenstraße stan<strong>de</strong>n vor allem die min<strong>de</strong>rjährigen<br />
drogenkonsumieren<strong>de</strong>n Prostituierten. Die Kurfürstenstraße<br />
ist <strong>durch</strong> die U-Bahn direkt mit <strong>de</strong>m Bahnhof<br />
14
U-Bahnhof Bülowstraße/Bülowecke. Kolorierte Postkarte nach <strong>ein</strong>em Motiv von 1915.<br />
Mit Genehmigung <strong>de</strong>s Museums Tempelhof-Schöneberg von <strong>Berlin</strong> (MTS). Inventar-Nr.: Bü-25<br />
Zoo verbun<strong>de</strong>n und liegt ohnehin nicht weit davon entfernt<br />
und wur<strong>de</strong> somit zum Arbeitsplatz <strong>de</strong>r `Kin<strong>de</strong>r<br />
vom Bahnhof Zoo´.<br />
Daneben gab es in <strong>de</strong>n 1980er Jahren in <strong>de</strong>r Tiergartenstraße<br />
- heute Diplomaten- und Botschaftsviertel<br />
- <strong>ein</strong>en r<strong>ein</strong>en Autostrich, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Aufbau und <strong>de</strong>n<br />
Verän<strong>de</strong>rungen nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> verdrängt wor<strong>de</strong>n<br />
ist. Bis in die 1980er Jahre gestaltete sich das Nebenund<br />
Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r relativ alltäglich.<br />
Erst ab Mitte <strong>de</strong>r 1980er Jahre begann sich das Bild<br />
zu verän<strong>de</strong>rn, die alten Häuser wur<strong>de</strong>n abgerissen<br />
o<strong>de</strong>r saniert. Absteigen o<strong>de</strong>r Pensionen sollten hier<br />
nicht mehr <strong>ein</strong>gerichtet wer<strong>de</strong>n. Die offiziellen Versprechungen<br />
lauteten, dass man die Prostitution<br />
nicht von diesem traditionellen Standort vertreiben<br />
möchte. Konzepte waren jedoch k<strong>ein</strong>e vorhan<strong>de</strong>n und<br />
wur<strong>de</strong>n dafür im Weiteren auch nicht entwickelt.<br />
Letztendlich be<strong>de</strong>utete die Entwicklung für die Prostituierten<br />
<strong>ein</strong>e nahezu komplette Wegsanierung ihrer<br />
Arbeitsplätze. Die Folgen konnten nicht wirklich<br />
abgeschätzt wer<strong>de</strong>n. Die Frauen wichen letztendlich<br />
auf <strong>de</strong>n Straßenstrich, damals vor allem in <strong>de</strong>r Bülowstraße,<br />
o<strong>de</strong>r in Wohnungen aus. In <strong>de</strong>r Potsdamer<br />
Straße blieben die Spielsalons, hinzu kam <strong>de</strong>r<br />
große Erotikshop LSD im ehemaligen Wegerthaus.<br />
Das Gebiet ist heute nicht mehr nur, aber auch für die<br />
rund um die Kurfürstenstraße stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Straßenprostitution<br />
bekannt.<br />
Veranstaltung zum Thema: Potsdamer Straße und Kurfürstenstraße –<br />
Immer schon Orte <strong>de</strong>r Prostitution? (v.l.n.r.) Stefan Wünsch, Historiker<br />
und Geschlechterforscher (Zentrum für Literatur und Kulturforschung<br />
<strong>Berlin</strong>), Stephanie Klee, Prostituierte & politische Aktivistin und<br />
Christiane Howe, Soziologin (Zentrum Technik und Gesellschaft, TU<br />
<strong>Berlin</strong>), Mo<strong>de</strong>ration. 28.2.2012 im HUZUR Foto: Gerhard Haug<br />
15
Seit hun<strong>de</strong>rt Jahren ist das<br />
<strong>ein</strong> Straßenstrich.<br />
Der ist nicht erst seit<br />
gestern mit s<strong>ein</strong>en<br />
Facetten da.<br />
Petra Kolb<br />
arbeitet als Sozialarbeiterin seit 15 Jahren<br />
im Kiez, erst beim Ver<strong>ein</strong> Fixpunkt, heute bei<br />
Hydra.<br />
Kurfürstenstraße<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Es ist immer schwierig, von <strong>de</strong>m Drogenstrich zu sprechen.<br />
Das ist <strong>ein</strong>e ganz elen<strong>de</strong> Vermischung. Dort sind<br />
unterschiedliche Frauen, auch viele die <strong>ein</strong>fach vor Ort<br />
arbeiten und gar k<strong>ein</strong>e Drogen konsumieren. Es war<br />
immer <strong>ein</strong>e sehr gemischte Szene und eigentlich gingen<br />
die Frauen relativ gut mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r um. Es waren<br />
auch vorher viele Afrikanerinnen da, Transvestiten und<br />
eben auch Frauen mit russischem o<strong>de</strong>r türkischem<br />
o<strong>de</strong>r arabischem Hintergrund. Der Großteil <strong>de</strong>r Drogenkonsumentinnen<br />
war schon <strong>de</strong>utsch. Mit <strong>de</strong>r<br />
EU-Erweiterung kamen Frauen mit unterschiedlichen<br />
Lebensformen und Erfahrungen, auch was die Prostitution<br />
im eigenen Land angeht. Da gab es z.B. <strong>ein</strong>e<br />
unterschiedliche Art <strong>de</strong>r Werbung. Sehr offensiv. Ich<br />
fand das an sich gar nicht so schlimm. Auf <strong>ein</strong>mal haben<br />
die Männer mal gemerkt, was es heißt, wenn man<br />
blöd angemacht wird. Die Frauen wussten natürlich<br />
nicht, was hier für Regeln gelten, wie das alles funktioniert.<br />
Es kam auch zu Aus<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen unter<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r,<br />
und sie konnten sich am Anfang sprachlich<br />
wenig ausdrücken, da sie kaum <strong>de</strong>utsch sprachen.<br />
Sehr häufig ernähren die Frauen ihre ganzen Familien,<br />
auch zuhause. Da<strong>durch</strong> sind sie immensem Druck<br />
ausgesetzt und müssen viel Geld erwirtschaften. Sie<br />
dürfen hier nur als Selbständige arbeiten, haben<br />
k<strong>ein</strong>en Verdienstnachweis und bekommen so auch<br />
k<strong>ein</strong>en Wohnraum. Damit geraten sie relativ schnell<br />
über irgendwelche Männer in irgendwelche Abhängigkeitsformen<br />
– das kostet Geld. Das heißt, sie müssen,<br />
wenn auf <strong>de</strong>m Strich nichts läuft und sie wenig<br />
<strong>ein</strong>nehmen, lange stehen – mitunter zehn Stun<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r länger. Da wird die <strong>ein</strong>e o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re auch Drogen<br />
konsumieren, um sich zu ‚pushen‘. Die osteuropäischen<br />
Frauen kommen häufig erst hier mit diesen<br />
Drogen in Berührung.<br />
Man muss auch die Freier mit ins Boot holen. Nicht<br />
je<strong>de</strong> Frau, die dort lang geht, ist <strong>ein</strong>e Prostituierte.<br />
Man kann schon gut erkennen, ob jemand da lang<br />
geht, weil sie gera<strong>de</strong> <strong>ein</strong>kaufen möchte o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>twas<br />
an<strong>de</strong>res vorhat o<strong>de</strong>r ob <strong>ein</strong>e Frau ihre Dienste<br />
anbietet. Ich fin<strong>de</strong> diese Unterschie<strong>de</strong> sollte <strong>de</strong>r<br />
Mann im Blickfeld haben.<br />
Diese I<strong>de</strong>e mit <strong>de</strong>n Verrichtungsboxen fin<strong>de</strong> ich gar<br />
nicht so schlecht, weil die Frauen dort auch <strong>ein</strong>en gewissen<br />
Schutz haben. Ich habe mir die in Köln angeguckt.<br />
Durch dieses Irgendwohin-Fahren setzen sich<br />
die Frauen auch Gefahren aus, die man vermei<strong>de</strong>n<br />
könnte. Außer<strong>de</strong>m wollen die Frauen, auch wenn sie<br />
teilweise sehr offenherzig da stehen, nicht in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
<strong>de</strong>n Sex verrichten. Manche gehen auf die<br />
Citytoilette, was nun wirklich nicht so <strong>ein</strong> attraktiver<br />
Ort ist. Vielleicht wäre <strong>ein</strong>fach nur <strong>ein</strong> Parkplatz o<strong>de</strong>r<br />
mal überhaupt <strong>ein</strong>en Platz schön.<br />
Alle Beteiligte müssen schauen, wie es mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r<br />
geht. Man muss gegenseitig Toleranz üben, <strong>ein</strong> Arrangement<br />
fin<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r muss <strong>ein</strong> Stück weit sehen:<br />
‚Was kann ich dafür tun, dass es gut läuft?‘ Denn<br />
Verdrängung – das funktioniert nicht. Das lässt sich<br />
nicht verdrängen, das kommt drei Straßen weiter wie<strong>de</strong>r<br />
zum Vorsch<strong>ein</strong>. Und wenn es dazu noch <strong>ein</strong>en<br />
Platz gäbe, wo die Frauen wissen, da können sie hingehen,<br />
da gibt es <strong>ein</strong>e Toilette, <strong>ein</strong>en Mülleimer, wie<br />
auch immer..., umso besser. Ich glaube jetzt nicht,<br />
dass <strong>de</strong>r Bezirk das bezahlt, aber schön wäre es.<br />
16
Die Prostitution im Kiez ist<br />
<strong>ein</strong> Teil <strong>de</strong>r hier<br />
gewachsenen Urbanität.<br />
Foto oben: Wiebke Holtmann, Foto unten: Georg Füll<br />
Der Kiez und die <strong>Menschen</strong> im Kiez haben sich in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahrzehnten – seit <strong>de</strong>n Achtzigern – sehr verän<strong>de</strong>rt.<br />
Nach Aussagen früherer Anwohner muss <strong>de</strong>r<br />
Kiez in <strong>de</strong>n frühen Achtziger Jahren im damals noch<br />
‚heilen Westberlin‘ <strong>ein</strong>e heimelige Ecke gewesen s<strong>ein</strong>,<br />
wo die Anwohner mit <strong>de</strong>n Prostituierten in Frie<strong>de</strong>n<br />
gelebt haben. Auch die Mä<strong>de</strong>ls waren hier zuhause.<br />
Sie hatten ihre festen Stell- und Arbeitsplätze. Man<br />
kannte sich und vertraute <strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r. Und damit hatte<br />
k<strong>ein</strong>er <strong>ein</strong> Problem.<br />
Der Bezirk rund um die Potsdamer Straße war <strong>ein</strong>e<br />
überaus lebendige Gegend und hatte schon immer<br />
starke Anziehungskraft für Touristen, ausgef lippte<br />
West<strong>de</strong>utsche, Abenteurer, ausgerissene Jugendliche,<br />
Hausbesetzer und eben Prostituierte.<br />
Heute, Jahre nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong>de</strong>r DDR und<br />
<strong>de</strong>m Verschwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mauer, sieht alles ganz an<strong>de</strong>rs<br />
aus. Langjährige Anwohner sind weg gezogen. Es<br />
entstehen Billighotels. Billigtouristen kommen. Die<br />
Prostitution weitet sich zeitweise fast auf das gesamte<br />
Gebiet um die Potsdamer Straße, Bülowstraße,<br />
Frobenstraße und Kurfürstenstraße aus, wird zur r<strong>ein</strong>en<br />
Straßenprostitution, wird »multikulturell« und für<br />
viele Freier zum Low-Budget-Strich. Der Kiez insgesamt<br />
hat sich wohl angepasst: Wir haben hier fast<br />
nur noch Billigware, in <strong>de</strong>n Geschäften und auf <strong>de</strong>r<br />
Straße. Der Kiez hat k<strong>ein</strong>en Aufstieg hinter sich, für<br />
uns ist er tiefer gesunken.<br />
Wiebke Holtmann und Georg Füll<br />
wohnen seit über 20 Jahren im Kiez.<br />
beiten Künstler in ihren Ateliers. Das ist sogar im fernen<br />
Amerika angekommen: Die New York Times hat<br />
letztens die Potsdamer Straße als Kulminationspunkt<br />
mo<strong>de</strong>rner Kunst bezeichnet.<br />
Und für die Anwohner gilt sicher: wenn du in <strong>ein</strong>em<br />
solchen Bezirk wohnst, wo auch Prostitution stattfin<strong>de</strong>t,<br />
dann entsteht dort auch <strong>ein</strong>e größere persönliche<br />
Unabhängigkeit als in kl<strong>ein</strong>städtischer Enge<br />
und mehr Freiheit und Toleranz auch allen an<strong>de</strong>ren<br />
gegenüber. Wenn <strong>de</strong>r Strich schon vor <strong>de</strong>r Haustür stattfin<strong>de</strong>t,<br />
dann kann man eigentlich alles machen, ohne<br />
<strong>de</strong>n erhobenen moralischen Zeigefinger ständig vor<br />
Augen zu haben. Man fühlt sich freier.<br />
Lei<strong>de</strong>r gibt es hier, an <strong>de</strong>r Nahtstelle zweier Bezirke,<br />
offensichtlich k<strong>ein</strong>erlei übergreifen<strong>de</strong> städteplanerischen<br />
I<strong>de</strong>en. So slumt <strong>de</strong>r Kiez vor sich hin.<br />
Wenn man Urbanität erhalten will, dann darf man die<br />
Entwicklung nicht all<strong>ein</strong> <strong>de</strong>m großen Geld und <strong>de</strong>r<br />
Spekulation überlassen.<br />
Und trotz alle<strong>de</strong>m! Er hat s<strong>ein</strong>e große Anziehungskraft<br />
und Ausstrahlung in vielerlei Hinsicht gewahrt,<br />
ist so pittoresk wie eh und je. In unmittelbarer Nähe<br />
zum Straßenstrich sie<strong>de</strong>ln sich jetzt Galerien an, ar-<br />
17
Die Verschmutzungen lassen<br />
schon Rückschlüsse zu.<br />
Interessant sind die<br />
Unterschie<strong>de</strong>.<br />
Rene Wagner (42),<br />
arbeitet seit fast sieben Jahren als<br />
R<strong>ein</strong>igungskraft <strong>de</strong>r BSR im Gebiet<br />
Kurfürsten- und Genthinerstraße.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
In <strong>de</strong>n sieben Jahren, die ich hier arbeite, hat die Verschmutzung<br />
fortwährend zugenommen. Der meiste<br />
Müll entsteht am Wochenen<strong>de</strong>. Die Kurfürstenstraße<br />
hat die R<strong>ein</strong>igungsklasse Eins. Das be<strong>de</strong>utet, dass die<br />
BSR sieben Mal die Woche r<strong>ein</strong>igt, also täglich. Da<br />
die Genthinerstraße die R<strong>ein</strong>igungsklasse Drei hat,<br />
r<strong>ein</strong>igen wir hier drei Mal die Woche. Ich persönlich<br />
r<strong>ein</strong>ige vorwiegend mit <strong>de</strong>m Handbesen. Da ich aber<br />
auch Reserve-Kraftfahrer bin, fahre ich auch mal <strong>de</strong>n<br />
R<strong>ein</strong>igungswagen.<br />
Die Verschmutzung lässt schon Rückschlüsse auf die<br />
Verursacher und <strong>de</strong>ren Verhalten zu: es sind Kondome<br />
und <strong>de</strong>ren Verpackung, Taschentücher, Becher<br />
und Kippen. Kaum Spritzen. Interessant sind vielleicht<br />
die Unterschie<strong>de</strong>: In <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße sind es<br />
hauptsächlich Kaffeebecher und Kippen ohne En<strong>de</strong>,<br />
während es in <strong>de</strong>r Genthinerstraße und <strong>de</strong>m Mag<strong>de</strong>burger<br />
Platz Papiertaschentücher mit entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Inhalten und Zigarettenschachteln sind. M<strong>ein</strong>e<br />
seltsamsten Fundstücke waren Vibratoren.<br />
Es gäbe schon Möglichkeiten, mir die Arbeit zu erleichtern.<br />
Man könnte z.B. mehr Mülleimer aufstellen. Es<br />
müsste dann allerdings noch <strong>ein</strong>e intensivere Aufklärung<br />
stattfin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die Damen schmeißen ihren<br />
Dreck oft direkt daneben hin. Die Leute wissen ansch<strong>ein</strong>end<br />
oft nicht, was man in die Mülleimer werfen<br />
darf.<br />
Hingegen sch<strong>ein</strong>t die kostspielige Zerstörung von<br />
Mülleimern eher das Werk von »Halbstarken« zu s<strong>ein</strong>,<br />
die nachts aus <strong>de</strong>n Diskotheken in <strong>de</strong>r Potsdamer<br />
Straße kommen.<br />
Mir und m<strong>ein</strong>er Arbeit wür<strong>de</strong> es wirklich helfen, wenn<br />
frühmorgens mal <strong>ein</strong>e Stun<strong>de</strong> am Straßenrand k<strong>ein</strong><br />
Auto stehen wür<strong>de</strong>, so wie in Amerika. Da gibt es immer<br />
so Tage, an <strong>de</strong>nen Parkverbot besteht. Mit diesem<br />
zeitweisen Parkverbot könnte man es auch hier<br />
machen. Dann könnte man mal schön die Straßenkante<br />
und die sonst zugestellten Parkflächen richtig<br />
sauber machen.<br />
Mit <strong>de</strong>n Prostituierten habe ich eigentlich k<strong>ein</strong>en Kontakt,<br />
weil ich <strong>de</strong>ren Sprache nicht verstehe. Manchmal<br />
gibt es <strong>ein</strong> „Hallo“, man kennt sich ja schließlich<br />
vom Sehen und das war es dann schon. Das ist so<br />
seit <strong>de</strong>m ich hier arbeite. Ich mache hier m<strong>ein</strong>e Arbeit<br />
und achte wenig auf das Drumherum.<br />
18
Wir leben hier damit,<br />
es ist nun mal <strong>ein</strong><br />
gemischter Bezirk,<br />
auch <strong>ein</strong> Wohnbezirk. Das<br />
macht <strong>ein</strong> bisschen<br />
das Problem aus.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Andreas Fuhr (62)<br />
lebt seit 1990 im Kiez und ist Pfarrer <strong>de</strong>r<br />
Zwölf Apostel Gem<strong>ein</strong><strong>de</strong> in<br />
<strong>de</strong>r Kurfürstenstraße.<br />
Die Prostitution im Kiez ist nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> sprunghaft<br />
angestiegen, sodass <strong>ein</strong> Run<strong>de</strong>r Tisch <strong>ein</strong>berufen<br />
wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r anfangs im Gem<strong>ein</strong><strong>de</strong>saal <strong>de</strong>r Kirche<br />
stattfand. Hier wur<strong>de</strong>n Kontakte zu Hilfs<strong>ein</strong>richtungen<br />
geknüpft. Da<strong>durch</strong> entstand auch die ‚Mittwochsinitiative‘<br />
unserer Kirche, die sich vor allem um die AIDS-<br />
Prävention kümmert. Es gab damals <strong>ein</strong>e <strong>de</strong>utliche<br />
räumliche Trennung zwischen ‚Drogenprostitution‘ und<br />
‚echter Prostitution‘. Und diese befand sich <strong>durch</strong> die<br />
Hilfs<strong>ein</strong>richtungen in <strong>ein</strong>em guten Gleichgewicht. Das<br />
än<strong>de</strong>rte sich dann 2009 mit <strong>de</strong>m Zuzug <strong>de</strong>r Prostituierten<br />
aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn. Es ist eher<br />
<strong>ein</strong>e Armutsprostitution. Auch das Ersch<strong>ein</strong>ungsbild<br />
und das Verhalten <strong>de</strong>r Frauen hat sich gewan<strong>de</strong>lt. Ihre<br />
Situation hat sich schon verschärft, man kann ab und<br />
zu sehen, dass sie irgendwie unter Druck stehen,<br />
auch <strong>durch</strong> die Männer, die sie permanent beobachten.<br />
Aber nicht nur die Situation <strong>de</strong>r osteuropäischen<br />
Prostituierten ist problematisch, son<strong>de</strong>rn auch die <strong>de</strong>r<br />
Transvestiten in <strong>de</strong>r Frobenstrasse, weil sie von <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Prostituierten nicht akzeptiert wer<strong>de</strong>n und<br />
<strong>durch</strong> das Raster <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen fallen.<br />
Es stören vor allem die benutzten Kondome, <strong>de</strong>r Autoverkehr<br />
<strong>durch</strong> die Freier, <strong>de</strong>r öffentliche sexuelle<br />
Verkehr – weniger herumliegen<strong>de</strong> Spritzen. Es gibt immer<br />
wie<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>e Art Exhibitionismus seitens <strong>de</strong>r Freier,<br />
das haben wir hier öfter hinter <strong>de</strong>r Kirche. Dabei<br />
gibt es natürlich nicht ‚<strong>de</strong>n‘ Freier, gera<strong>de</strong> hier am<br />
Straßenstrich: Man <strong>de</strong>nkt, wenn die Kun<strong>de</strong>n Geld<br />
haben, gehen sie in <strong>ein</strong> schickes Bor<strong>de</strong>ll. Nur halten<br />
hier alle Autos, und es sind auch Männer hier, die<br />
könnten sich etwas an<strong>de</strong>res leisten.<br />
Eine Lösung ist <strong>de</strong>r Spritzentausch für Drogenabhängige,<br />
<strong>de</strong>r unter an<strong>de</strong>rem auch von uns organisiert<br />
wird. Da<strong>durch</strong> kann verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass die<br />
Spritzen in Parks, auf Spielplätzen und Schulhöfen<br />
offen herumliegen. Eine an<strong>de</strong>re ist <strong>de</strong>r Einsatz von<br />
Dolmetschern für die ausländischen Prostituierten.<br />
Damit kann <strong>de</strong>n Prostituierten erklärt wer<strong>de</strong>n, wie hier<br />
die Gepflogenheiten sind.<br />
Prostitution sollte in bestimmten Quartieren bleiben,<br />
es sollte <strong>ein</strong>en Ort dafür geben. Es wäre mal <strong>ein</strong> innovativer<br />
Schritt zu sagen, wir machen <strong>ein</strong> kommunales<br />
Bor<strong>de</strong>ll auf. Die Stadt könnte doch <strong>ein</strong> solches<br />
betreiben, mit zwei, drei Bediensteten, die für Sauberkeit<br />
und Ordnung sorgen. Die Prostituierten könnten<br />
dann <strong>ein</strong>e angemessene Miete zahlen. Damit wäre<br />
auch <strong>de</strong>r öffentliche Sexualverkehr von <strong>de</strong>r Straße.<br />
Auch <strong>de</strong>zentrale, kl<strong>ein</strong>ere Bor<strong>de</strong>lle wären doch prinzipiell<br />
<strong>ein</strong>e Lösung, jedoch k<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>zelnes großes, wie<br />
es geplant war.<br />
Es wäre wirklich zu begrüßen, wenn Möbel Hübner<br />
und das Land Polen ihre Grundstücke zur Verfügung<br />
stellen wür<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n gesamten Platz für das Gem<strong>ein</strong>wesen<br />
attraktiver gestalten zu können. Städtebaulich<br />
ist das <strong>ein</strong>e echte Schwelle, an <strong>de</strong>r wir nicht<br />
vorbeikommen. Es ist wirklich <strong>ein</strong>e Ödnis. Man muss<br />
natürlich auch <strong>ein</strong> bisschen aufpassen. Der Reiz, <strong>de</strong>r<br />
Charme, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kiez hat, liegt ja gera<strong>de</strong> in s<strong>ein</strong>er Mischung.<br />
Das muss irgendwie erhalten bleiben – ohne<br />
Verdrängungen. Sonst hat man hier bald <strong>ein</strong>e Prenzlauer<br />
Berg-Filiale o<strong>de</strong>r irgendwie so etwas. Da wäre<br />
nichts gewonnen.<br />
19
Das Zusammenleben<br />
von Anwohnern und<br />
Prostituierten ist<br />
komplizierter gewor<strong>de</strong>n.<br />
Recep Aydinlar (45) arbeitet seit<br />
Jahren im Quartiersmanagement<br />
(QM) Tiergarten-Süd.<br />
Foto: Rolf Hemmerich<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zur Kita, zur Schule, zum Einkauf o<strong>de</strong>r<br />
ins Gebetshaus: <strong>de</strong>r Straßenstrich und die hier wohnen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Menschen</strong> begegnen sich ständig. Die hier oft<br />
schon in <strong>de</strong>r dritten Generation leben<strong>de</strong>n türkischstämmigen<br />
<strong>Menschen</strong> haben die Anwesenheit <strong>de</strong>r<br />
Prostituierten längst akzeptiert. Sie wissen auch, dass<br />
diese Tatsache zu bezahlbaren Mieten geführt hat.<br />
Dennoch: Das eigentlich erwartete Mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r funktioniert<br />
nicht richtig. Eigentlich sind die <strong>Menschen</strong> stolz<br />
auf ihren Kiez, stolz, hier zu wohnen. Aber manchmal<br />
schämen sie sich, wenn sie zum Beispiel ihren Besuch<br />
an halbnackten Frauen vorbeiführen müssen.<br />
Es ist so: Man lebt hier auch nach <strong>ein</strong>er stillschweigen<strong>de</strong>n<br />
Über<strong>ein</strong>kunft, wie nach <strong>ein</strong>em nicht ausformulierter<br />
Gesellschaftsvertrag: Wir wohnen und arbeiten<br />
hier gem<strong>ein</strong>sam und respektieren <strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r. Die<br />
Straße und ihre Umgebung gehört unterschiedslos<br />
allen. Diese Voraussetzung im Zusammenleben wird<br />
m<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach von manchen <strong>de</strong>r Frauen, die<br />
sich auf <strong>de</strong>r Straße anbieten, verletzt. Das betrifft<br />
die Sauberkeit, aber auch das allgem<strong>ein</strong>e Verhalten.<br />
Zum Beispiel wird es von <strong>ein</strong>igen als respektlos empfun<strong>de</strong>n,<br />
wenn die Frauen sich im Bereich <strong>de</strong>r Moschee<br />
<strong>de</strong>n Freiern anbieten. Wo es k<strong>ein</strong>en Respekt<br />
gibt, gibt es auch k<strong>ein</strong>e Akzeptanz!<br />
Viele Frauen, die in <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße und Umgebung<br />
auf <strong>de</strong>n Strich gehen, gehören Min<strong>de</strong>rheiten<br />
an, die auch in ihren Herkunftslän<strong>de</strong>rn diskriminiert<br />
wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r dort aus ökonomischen Grün<strong>de</strong>n nicht<br />
leben können.<br />
Das sind im wesentlichen soziale Probleme, die von<br />
Lokalpolitikern und <strong>de</strong>r Verwaltung hier gar nicht gelöst<br />
wer<strong>de</strong>n können, son<strong>de</strong>rn nur global, langfristig<br />
und auf europäischer Ebene – und damit auch in <strong>de</strong>n<br />
Herkunftslän<strong>de</strong>rn. Maßnahmen hier vor Ort wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>durch</strong> <strong>ein</strong>e Reihe sozialer Projekte ergriffen, für die<br />
momentan noch Geld vorhan<strong>de</strong>n ist: zum Beispiel<br />
Hilfen zur Integration o<strong>de</strong>r Hilfen, wenn jemand aussteigen<br />
will. Das ist sehr wichtig.<br />
20
Foto: Rolf Hemmerich<br />
Ich habe k<strong>ein</strong>e Probleme mit <strong>de</strong>r Straßenprostitution,<br />
wenn sie in bestimmten Grenzen verbleibt.<br />
Das wäre für mich hauptsächlich <strong>de</strong>r Bereich um die<br />
Kurfürstenstraße. Zwar vermei<strong>de</strong> auch ich diese Straße<br />
auf m<strong>ein</strong>em Weg nach Hause, weil es mir unangenehm<br />
wäre, von Freiern angesprochen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch die Prostituierten ganz zu verdrängen, hielte ich<br />
– im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Frauen – für falsch. Sie<br />
sollen bleiben, aus Sicherheit für uns Frauen. Sonst<br />
wür<strong>de</strong>n die Männer sich an uns wen<strong>de</strong>n. Die sollen<br />
lieber zu <strong>de</strong>n Prostituierten gehen.<br />
Da ich auch <strong>ein</strong> min<strong>de</strong>rjähriges Kind habe und sich<br />
in unserer Nähe (Lützowstraße, Genthiner Straße) sowohl<br />
<strong>ein</strong>e große Schule und <strong>ein</strong> großer Spielplatz<br />
befin<strong>de</strong>n, ist es mir sehr unangenehm, dass sich<br />
<strong>de</strong>r Straßenstrich jetzt auch dorthin ausgeweitet hat.<br />
Wenn Kl<strong>ein</strong>kin<strong>de</strong>r in aller Öffentlichkeit <strong>de</strong>n Vollzug<br />
miterleben, dann ist doch <strong>ein</strong>e Grenze erreicht.<br />
Bestimmte Wege gehe ich<br />
abends <strong>ein</strong>fach nicht.<br />
Da nehme ich lieber<br />
<strong>ein</strong>en Umweg in Kauf.<br />
Rafiye A. lebt als Hausfrau und Mutter<br />
in <strong>de</strong>r Lützowstraße.<br />
21
Ey, was machen die?<br />
Warum stehen die<br />
da ‘rum,<br />
kurze Röcke, es ist doch<br />
kalt?!<br />
Nora (18), Abiturentin und ihre Schwester<br />
Nina (17), Schülerin.<br />
Foto: Georg Füll<br />
Wir sind hier aufgewachsen. Die Frauen auf <strong>de</strong>r Straße<br />
hat man schon immer gesehen.<br />
Daher war das für uns mehr o<strong>de</strong>r weniger normal.<br />
Da unser täglicher Schulweg zum Französischen Gymnasium<br />
ab <strong>de</strong>r 6. Klasse <strong>durch</strong> die Kurfürstenstraße<br />
führte, war <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>r Frauen und Mädchen,<br />
die hier stehen, irgendwann nichts ungewöhnliches<br />
mehr. Was die da treiben, haben wir dann irgendwie<br />
mitgekriegt.<br />
Nora: Als wir <strong>ein</strong> bisschen älter waren, hat man sich<br />
vielleicht lustig gemacht, aber ich fand <strong>de</strong>n Anblick jetzt<br />
nicht abstoßend o<strong>de</strong>r so.<br />
Nina: Als mir bewusst wur<strong>de</strong>, was die Frauen so treiben,<br />
fand ich es schon <strong>ein</strong> bisschen eklig, auch wenn<br />
ältere Damen so leicht beklei<strong>de</strong>t da ‚rumstehen.<br />
Nora: An<strong>de</strong>re Jugendliche, Freun<strong>de</strong> und Bekannte, die<br />
uns besuchen, f in<strong>de</strong>n es hier meistens aufregend, im<br />
Gegensatz zu ihren Eltern. Schließlich ist die Kurfürstenstraße<br />
weltberühmt, also berühmt ist sie auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall.<br />
Nina: Zu abendlichen Schulveranstaltungen ist es<br />
eher unangenehm, diesen Weg zu gehen, weil du da<br />
manchmal von Freiern angesprochen wirst. Autofahrer<br />
halten an und fragen, wie viel du kostest, das ist<br />
schon <strong>ein</strong> bisschen unangenehm.<br />
Nora: Solche Situationen versuche ich zu vermei<strong>de</strong>n<br />
und wähle <strong>de</strong>shalb eher Umwege. Aber insgesamt<br />
habe ich <strong>de</strong>m Geschehen gegenüber <strong>ein</strong>e tolerante<br />
Haltung: Lass die mal machen!<br />
Nina: Ich f in<strong>de</strong>, Toleranz ist gut, aber sie kann auch<br />
übertrieben wer<strong>de</strong>n. Wenn es sehr viel mehr Prostituierte<br />
hier wer<strong>de</strong>n, dann wür<strong>de</strong> mich das schon<br />
sehr stören.<br />
22
Ich f in<strong>de</strong> es hier im Kiez<br />
komplett normal und<br />
im Prinzip ganz<br />
unproblematisch.<br />
Foto: Georg Füll<br />
Richard (19), Abiturent mit s<strong>ein</strong>em Bru<strong>de</strong>r<br />
Friedrich (15), Schüler.<br />
Schließlich bin ich hier sozusagen neben <strong>de</strong>m Straßenstrich<br />
aufgewachsen und kenne es gar nicht an<strong>de</strong>rs.<br />
M<strong>ein</strong>e Freun<strong>de</strong> allerdings wohnen in Heiligensee und<br />
an<strong>de</strong>rswo und ich gehe hier auch nicht zur Schule,<br />
habe aber schon lange <strong>ein</strong>en Job bei Woolworth in<br />
<strong>de</strong>r Potsdamer Straße.<br />
Ich mag die Gegend, auch wenn sie <strong>ein</strong> wenig schäbig<br />
und dreckig ist. Im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren <strong>Viertel</strong>n,<br />
zum Beispiel <strong>de</strong>m inzwischen schon blitzeblanken<br />
aber immer langweiligeren Prenzlauer Berg, ist hier<br />
viel mehr Lebendigkeit. Es passiert immer etwas. Die<br />
Leute sind irgendwie weniger hochnäsig.<br />
Sie gehen eher auf<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r zu. Man trifft auf <strong>de</strong>r Straße<br />
Nachbarn und re<strong>de</strong>t mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r.<br />
Der Kiez und s<strong>ein</strong> Strich sind irgendwie nach <strong>Berlin</strong>er<br />
Art, nicht ganz so f<strong>ein</strong> und poliert.<br />
Man lebt nach <strong>de</strong>r Devise: Es ist eben so, machen wir<br />
das Beste draus.<br />
23
Es ist schon <strong>ein</strong>e auf regen<strong>de</strong><br />
Atmosphäre hier, also<br />
fahre ich öfter <strong>durch</strong> <strong>de</strong>n<br />
Kiez.<br />
Anonymus (45) und Freier<br />
Kurfürstenstraße Foto: Gerhard Haug<br />
Ich bekenne: ich gehe gelegentlich ins Bor<strong>de</strong>ll o<strong>de</strong>r<br />
auf <strong>de</strong>n Strich, als Freier, um mit <strong>ein</strong>em Mädchen Sex<br />
zu haben. Und hier auf <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße ist es<br />
wie in <strong>ein</strong>em großen offenen Bor<strong>de</strong>ll, ich kenne die<br />
Straßen und Ecken. Es treibt mich hierher, immer<br />
wie<strong>de</strong>r, das ist wie <strong>ein</strong>e Droge. Ich lasse mich dann<br />
ansprechen, nehme Kontakt auf. Es sind immer wie<strong>de</strong>r<br />
neue Gesichter, oft junge Gesichter da. Ich suche<br />
schöne Frauen, schaue ihnen ins Gesicht und warte<br />
auf <strong>de</strong>n Kick.<br />
Na ja, manchmal funkt es irgendwie. Natürlich ist mir<br />
vollkommen klar, dass ich mir da was vor mache.<br />
Den Frauen geht es schließlich ums Geldverdienen.<br />
Das ist auch Okay, ist mir in <strong>de</strong>m Moment aber egal.<br />
Sie wollen auch leben, vielleicht nicht ständig auf diese<br />
Weise. Aber ich bin nicht als ‚social worker‘ unterwegs.<br />
Ich suche <strong>ein</strong>e Frau, um mit ihr Sex zu haben,<br />
wie viele an<strong>de</strong>re Männer auch; dafür muss ich zwar<br />
bezahlen, mich aber nicht rechtfertigen.<br />
Es wäre schön, wenn auch <strong>de</strong>r Straßenstrich als etwas<br />
ganz Normales wahrgenommen wür<strong>de</strong>, dass<br />
die Mädchen, egal woher sie kommen, sich nicht irgendwie<br />
verstecken müssten.<br />
Alle re<strong>de</strong>n von Globalisierung und das am meisten<br />
Globalisierte ist doch <strong>de</strong>r Strich.<br />
Allerdings möchte ich auch k<strong>ein</strong>e kaputten, min<strong>de</strong>rjährigen<br />
Fixerinnen sehen. Aber, bitte schön, Spießer<br />
möchte ich auch nicht sehen; und trotz<strong>de</strong>m tun sie<br />
mir nicht <strong>de</strong>n Gefallen, aus <strong>de</strong>m Straßenbild zu verschwin<strong>de</strong>n.<br />
Deshalb: Je<strong>de</strong>m das S<strong>ein</strong>e! Und <strong>ein</strong> bisschen mehr<br />
Toleranz, bitte schön!<br />
Visionen? Habe ich je<strong>de</strong> Menge:<br />
Weniger Verklemmtheit <strong>de</strong>m Sex gegenüber und<br />
nicht weiter so tun, als ob Sex etwas Schmutziges,<br />
Schmud<strong>de</strong>liges wäre. Sex gehört zum Leben. Wer<br />
zu Hause nicht kocht, muss in <strong>ein</strong> Restaurant gehen<br />
und wer k<strong>ein</strong>e Frau hat, muss sich halt <strong>ein</strong>e mieten.<br />
Im Restaurant schmeckt es vielleicht besser als zu<br />
Hause und mit <strong>de</strong>n Mädchen ist es genauso.<br />
Und noch was: Es sollte Räumlichkeiten geben, wo<br />
die Mädchen und Freier ihre lustvollen Geschäfte erledigen<br />
können, nicht nur irgendwo am Straßenrand<br />
<strong>ein</strong>geklemmt im Auto, obwohl das manche auch mögen.<br />
Stun<strong>de</strong>nhotels, Sex-Boxen o<strong>de</strong>r spezielle Appartements,<br />
wie auch immer...<br />
Kiosk an Frobenstraße/Bülowstraße Foto: Gerhard Haug<br />
24
Ich bin Freier, Nutzer von<br />
Prostitution und<br />
treffe mich gelegentlich<br />
mit Prostituierten.<br />
Matthias Vernaldi (50) ist studierter<br />
Theologe, Autor, Aktivist <strong>de</strong>r<br />
Behin<strong>de</strong>rtenbewegung.<br />
Foto: Rolf Hemmerich<br />
Man muss sich als Freier nicht rechtfertigen. Prostitution<br />
ist seit über zehn Jahren <strong>ein</strong>e legal angebotene<br />
Dienstleistung in Deutschland. Und die nehme ich<br />
gelegentlich in Anspruch, wie viele an<strong>de</strong>re Männer<br />
auch. Als behin<strong>de</strong>rter fünfzigjähriger Single in <strong>de</strong>r<br />
Großstadt habe ich sonst wenig Gelegenheit zum<br />
Sex. Ich habe <strong>ein</strong>ige Mädchen kennen gelernt, die zunächst<br />
hier angeschafft haben, später dann von <strong>de</strong>r<br />
Straße weg sind und nun in <strong>ein</strong>em an<strong>de</strong>ren Rahmen<br />
als Prostituierte arbeiten. Auch wenn ich für Sex bezahle,<br />
möchte ich nicht, dass die Frau nur <strong>ein</strong> Programm<br />
von sexuellen Handlungen abspult.<br />
Den Straßenstrich <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße habe ich nur<br />
selten und schon vor langer Zeit genutzt, verfolge die<br />
Entwicklung aber mit Interesse. Neben Berichten von<br />
mir bekannten Frauen, die dort arbeiten o<strong>de</strong>r gearbeitet<br />
haben, lese ich im Netz in Freier-Foren darüber<br />
o<strong>de</strong>r höre, was Bekannte, die dort als Kun<strong>de</strong>n unterwegs<br />
sind, erzählen. Es hat enorme Verän<strong>de</strong>rungen<br />
gegeben.<br />
Der Drogenstrich war ja schon heftig, aber <strong>de</strong>r ließ<br />
sich noch irgendwie ‚regeln‘. Die <strong>Menschen</strong>, die auf<br />
Droge sind und anschaffen gehen, sind Teil dieser<br />
Kultur. Ohne die Situation auf <strong>de</strong>m Kurfürsten-Strich<br />
ausreichend beschreiben zu können, habe ich doch<br />
<strong>de</strong>n Eindruck, dass hier seit geraumer Zeit <strong>ein</strong> unsägliches<br />
Zusammentreffen stattf in<strong>de</strong>t, das leicht zu<br />
Konf likten und Aggressionen führen kann. Frauen mit<br />
an<strong>de</strong>rer Mentalität und an<strong>de</strong>ren Gewohnheiten meist<br />
aus <strong>de</strong>m Südosten Europas, <strong>de</strong>nen es ansch<strong>ein</strong>end<br />
ausschließlich um schnelles Geldverdienen geht, treffen<br />
hier auf ortsansässige Freier, die nach <strong>de</strong>m unseligen<br />
Prinzip ‚Geiz ist geil‘ han<strong>de</strong>ln. Gegenseitige<br />
Missverständnisse sind hier vorprogrammiert.<br />
25
Wir müssen es <strong>ein</strong>fach<br />
hinnehmen.<br />
Es ist <strong>ein</strong><br />
Wirtschaftszweig,<br />
<strong>de</strong>r da ist.<br />
Henry Maiwald (61)<br />
Leiter <strong>de</strong>s Präventions- und Ermittlungsteams<br />
<strong>de</strong>s Polizeiabschnittes 41 kennt<br />
<strong>de</strong>n Kiez seit <strong>de</strong>n siebziger Jahren, arbeitet<br />
dort seit <strong>de</strong>n Neunzigern.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
In <strong>de</strong>n Neunziger Jahren gab es die Beschwer<strong>de</strong>n über<br />
Spritzen, sonstige Hinterlassenschaften und kollabierte<br />
Junkies, die herumlagen, eben über die sichtbaren<br />
Auswirkungen <strong>de</strong>r Drogenszene – aber nicht<br />
über die Prostitution. Die bestand damals aus billigem<br />
Sex und jungen, drogenabhängigen Frauen, die Geld<br />
brauchten. Wir hatten dann über Jahre hinweg <strong>ein</strong>en<br />
ziemlich guten Status Quo.<br />
Es verän<strong>de</strong>rte sich mit <strong>de</strong>r Osterweiterung. Da fing es<br />
an. Es gab dann <strong>ein</strong>fach zu viele Frauen auf <strong>de</strong>m<br />
Strich, Revierkämpfe, Aggressionen und Lärm. Parallel<br />
dazu wur<strong>de</strong> die Mietpreisbindung aufgehoben.<br />
Schöneberg wur<strong>de</strong> interessant für bestimmte Kreise,<br />
für Leute mit <strong>ein</strong>em an<strong>de</strong>ren Status und entsprechen<strong>de</strong>m<br />
Geld, die sagen: ‚Das will ich hier nicht, Polizei<br />
nun mach mal‘. Die Mieterhöhungen folgen. Und<br />
dann passiert <strong>de</strong>r Wegzug <strong>de</strong>r Leute, die es eher hingenommen<br />
haben o<strong>de</strong>r die es nicht gestört hat. Das<br />
ist <strong>ein</strong>e Welle, die schiebt sich langsam voran.<br />
Wir können <strong>ein</strong>en etablierten Strich nicht an <strong>ein</strong>en an<strong>de</strong>ren<br />
Ort verschieben, <strong>de</strong>nn das Gesetz sagt: Prostituierte<br />
dürfen da stehen. Und Prostitution ist erlaubt.<br />
Wir müssen uns also immer sagen:<br />
Worum geht es?<br />
Dass die Frauen inzwischen teilweise nackig da stehen<br />
– okay, das kann man verän<strong>de</strong>rn. Dass sie zu laut<br />
sind – das kriegt man schon nicht mehr so gut hin.<br />
Denn die lärmen ja nicht stun<strong>de</strong>nlang, das sind immer<br />
nur Ausschläge. Und Lärm muss man zuordnen.<br />
Man kann die Prostitution in Vorgärten und Hausfluren<br />
mit bestimmten Maßnahmen angehen: Hausflure<br />
zumachen, Gebüsche herunter schnei<strong>de</strong>n, Sichtachsen<br />
schaffen. Man kann es auf <strong>ein</strong> bestimmtes Level<br />
herunterfahren. Aber das wird nicht die Prostitution<br />
beseitigen.<br />
Und Maßnahmen wie zum Beispiel <strong>ein</strong>e komplette<br />
Sperrung <strong>de</strong>r Frobenstraße sorgen nur dafür, dass<br />
die Bülowstraße und irgendwelche Nebenstraßen<br />
noch voller wer<strong>de</strong>n und dann sitzen wir wie<strong>de</strong>r mit<br />
an<strong>de</strong>ren Leuten an <strong>de</strong>n gleichen Tischen. Die Erfahrung<br />
zeigt, wenn sie <strong>ein</strong> Problem beseitigt haben,<br />
kommt das nächste – die Leute setzen nach.<br />
In diesem Bezirk hier gibt es k<strong>ein</strong> Ausweichen. Ich<br />
tendiere dazu, <strong>ein</strong>en Status Quo zu halten, <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Seiten Luft zum Atmen lässt. Dazu gehört natürlich<br />
auch Toleranz. Verständnis für die an<strong>de</strong>re Seite.<br />
Das ist sehr schwer, weil die Leute alle Eigeninteressen<br />
haben.<br />
M<strong>ein</strong>e Aufgabe ist häufig zu sagen: die Polizei hat<br />
hier k<strong>ein</strong>e Eingriffsbefugnisse. Es gibt k<strong>ein</strong> Gesetz.<br />
Die bestehen<strong>de</strong>n rechtlichen Möglichkeiten haben<br />
wir ausgeschöpft, auslän<strong>de</strong>rrechtlich, verkehrsrechtlich,<br />
steuerrechtlich. Letztlich muss man fragen: Was<br />
ist politisch möglich?<br />
26
Ein bisschen St. Pauli in<br />
<strong>Berlin</strong>, das wäre gar<br />
nicht so schlecht ...<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Helmut Millan<br />
ist Anwohner und Geschäftsführer von<br />
<strong>Berlin</strong>-Rikscha-Tours.<br />
Als Rikscha-Fahrer macht man um die Kurfürstenstraße<br />
oft <strong>ein</strong>en Bogen. Zwar wohne ich hier und habe<br />
als Anwohner gegen die dortige Straßenprostitution<br />
nichts <strong>ein</strong>zuwen<strong>de</strong>n, weil sie mich auch nicht stört.<br />
Da ich oft <strong>durch</strong> fast alle Bezirke fahre, kann ich gut<br />
vergleichen und ich muss feststellen: Im Gegensatz<br />
zur Oranienburger Straße befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße<br />
eher <strong>ein</strong> Armenstrich. Manche unserer<br />
Fahrgäste fin<strong>de</strong>n das Gewerbe auf <strong>de</strong>r Straße allerdings<br />
interessant und wollen sich auch hier per Rikscha<br />
umschauen.<br />
Allerdings befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Straßenstrich um die Kurfürstenstraße<br />
in <strong>ein</strong>er Gegend, in <strong>de</strong>r es wenig Sehenswürdigkeiten<br />
gibt. Hier bieten sich für Rikscha-Fahrer<br />
wenig Möglichkeiten, sich als Stadtkultur-Führer zu zeigen.<br />
Einen Freier, <strong>de</strong>r sich per Rikscha <strong>ein</strong> Mädchen<br />
sucht, habe ich noch nicht gehabt. Die Mädchen auf<br />
<strong>de</strong>m Strich hingegen nehmen uns Rikscha-Fahrer<br />
<strong>durch</strong>aus positiv wahr. Vielleicht fin<strong>de</strong>n sie die Freier-<br />
Suche per Rikscha ja interessant?<br />
Alle Bemühungen, <strong>de</strong>n Straßenstrich zu vertreiben,<br />
wer<strong>de</strong>n wohl vergebens s<strong>ein</strong>. Er wird an an<strong>de</strong>rer Stelle<br />
wie<strong>de</strong>r auftauchen. Über <strong>ein</strong> Laufhaus, wie <strong>ein</strong>st<br />
geplant, müsste man nach<strong>de</strong>nken. Die Frauen wären<br />
darin sicher geschützter. Der Straßenstrich ist <strong>ein</strong> Teil<br />
<strong>de</strong>r Stadt, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Großstadt. Die Prostitution<br />
zu verstecken, löst die Probleme auch nicht. Und<br />
<strong>ein</strong> bisschen St. Pauli in <strong>Berlin</strong>, das wäre gar nicht<br />
schlecht, ob das dann in <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße wäre,<br />
lasse ich <strong>ein</strong>mal dahin gestellt.<br />
Foto: Rolf Hemmerich<br />
27
Ich hätte mir eigentlich<br />
gewünscht,<br />
dass das Laufhaus<br />
zustan<strong>de</strong> kommt.<br />
Cornelia G. und ihr Lebensgefährte wohnen<br />
seit etwa 6 Jahren in <strong>de</strong>r Potsdamer Straße.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Ich erlebe die Situation im Kiez unterschiedlich und differenziert.<br />
Das geht von: ‚ist mir egal‘ über ‚oh Gott,<br />
oh Gott, schau mal, was das ist‘, bis: ‚die wer<strong>de</strong>n immer<br />
aggressiver und greifen sogar in <strong>de</strong>n Schritt‘. Für<br />
mich gehört die Straßenprostitution mittlerweile zum<br />
Kiez; ich hab mich dran gewöhnt. Was mich stört, ist<br />
die immer weitere Aus<strong>de</strong>hnung auf die Seitenstraßen.<br />
Das Profil <strong>de</strong>r Mädchen, die da stehen, hat sich geän<strong>de</strong>rt,<br />
auch das Prof i l <strong>de</strong>r Aufpasser. Mir ist es vollkommen<br />
egal, woher die Mä<strong>de</strong>ls kommen, ob aus Nor<strong>de</strong>uropa,<br />
Sü<strong>de</strong>uropa o<strong>de</strong>r Afrika. Es sind ja <strong>durch</strong>aus<br />
auch ansehnliche Mädchen da, f in<strong>de</strong> ich.<br />
Da<strong>durch</strong>, dass wir offene Grenzen innerhalb Europas<br />
haben und die Welt uns offen steht, wird die Zahl <strong>de</strong>r<br />
Frauen, die von überall auf <strong>de</strong>r Welt kommen, sicher<br />
größer wer<strong>de</strong>n und das Bild bunt bleiben. Ich glaube<br />
kaum, dass sich zukünftig was än<strong>de</strong>rn wird. So lange<br />
<strong>de</strong>r Bedarf danach da ist, wird auch <strong>de</strong>r Straßenstrich<br />
nicht sterben.<br />
Ich hätte mir eigentlich gewünscht, auch wenn viele<br />
<strong>Menschen</strong> jetzt ‚Buuh‘ rufen, wenn ich das sage,<br />
dass das Laufhaus zustan<strong>de</strong> kommt, weil man dann<br />
wahrsch<strong>ein</strong>lich die Mä<strong>de</strong>ls von <strong>de</strong>r Straße bekommen<br />
hätte, die dann in <strong>de</strong>m sogenannten Laufhaus<br />
ihre Geschäfte hätten erledigen können.<br />
Wir wer<strong>de</strong>n in <strong>Berlin</strong> sicher k<strong>ein</strong>en Sperrbezirk schaffen<br />
können, aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n. Ich wür<strong>de</strong><br />
da eher für Sperrzeiten plädieren, dass man es<br />
<strong>ein</strong>schränkt auf abends zwanzig, <strong>ein</strong>undzwanzig Uhr<br />
bis morgens gegen sechs Uhr.<br />
Ton Belowskey, Kurpot, 2012,<br />
Foto-Collage<br />
28
Die Frauen kommen zu uns<br />
aus Fürsorge für <strong>de</strong>n<br />
eigenen Körper<br />
– die Männer kommen aus<br />
Angst und mit schlechtem<br />
Gewissen.<br />
Dr. med. Runa Speer (38) arbeitet seit Mai<br />
2011 im ‚Zentrum für sexuelle Gesundheit‘ in<br />
<strong>de</strong>r Potsdamer Straße 65.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Wir sind umgezogen und erst seit kurzem in <strong>de</strong>n neu<br />
<strong>ein</strong>gerichteten Räumen. Sie bieten sehr gute Voraussetzungen<br />
für unsere Arbeit: die Beratung und Untersuchungen<br />
für Männer und Frauen in Sachen sexuell<br />
übertragbare Infektionen, und zwar anonym und auf<br />
freiwilliger Basis. Unsere extra <strong>ein</strong>gerichtete Abendsprechstun<strong>de</strong><br />
wird von <strong>de</strong>n Sexarbeiterinnen aus <strong>de</strong>r<br />
Kurfürstenstraße intensiv genutzt.<br />
Seit <strong>de</strong>m das Bun<strong>de</strong>sseuchengesetz vom Infektionsschutzgesetz<br />
abgelöst wur<strong>de</strong>, gibt es nicht mehr <strong>de</strong>n<br />
Zwang für die Sexarbeiterinnen sich untersuchen zu<br />
lassen, also auch k<strong>ein</strong>e Dokumentationspflicht, <strong>de</strong>n<br />
sogenannten Bocksch<strong>ein</strong>, mehr. Bock bezeichnet<br />
hier <strong>de</strong>n gynäkologischen Untersuchungsstuhl. Dieser<br />
notwendige Sch<strong>ein</strong> bot sowohl Freiern als auch<br />
<strong>de</strong>n ‚Freun<strong>de</strong>n‘, <strong>de</strong>n Zuhältern die Möglichkeit, die<br />
Prostituierten stark unter Druck zu setzen: ‚Du zeigst<br />
mir erst diesen Sch<strong>ein</strong> und dann können wir loslegen!‘<br />
Wir geben auch <strong>de</strong>shalb bis heute nie schriftliche Ergebnisse<br />
heraus.<br />
Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf <strong>de</strong>r Stärkung<br />
<strong>de</strong>r Eigenverantwortung. Wir empfehlen <strong>de</strong>n Frauen,<br />
regelmäßig zu kommen und sich untersuchen zu lassen.<br />
Und wenn man dann im Gespräch darauf hinweist<br />
und erklärt, wie wichtig die Fürsorge für <strong>de</strong>n<br />
eigenen Körper ist, dann verstehen das die Frauen<br />
und gehen auch gut mit sich um. Wichtig in <strong>de</strong>n Gesprächen<br />
ist immer die Prävention: Körperverständnis<br />
und Ansteckungswege, Hygiene-Maßnahmen,<br />
Kondomgebrauch sowie <strong>ein</strong> verantwortungsvoller<br />
Umgang mit <strong>de</strong>r Sexualität. Das gilt genauso für die<br />
Männer, die aus allen Altersstufen und Bevölkerungsschichten<br />
zu uns kommen. Bei ihnen ist es oft die<br />
Angst, sich mit etwas angesteckt zu haben und/o<strong>de</strong>r<br />
das schlechte Gewissen. Und sie haben oft massive<br />
Hemmungen, darüber zu sprechen.<br />
Im Sinne <strong>de</strong>r Frauen wür<strong>de</strong> ich mir wünschen, dass<br />
sie <strong>ein</strong>e Stärkung in ihrem Selbstbewussts<strong>ein</strong> erfahren,<br />
dass sie unabhängiger wer<strong>de</strong>n z.B. von <strong>de</strong>m<br />
Druck, <strong>de</strong>r von an<strong>de</strong>ren Personen auf sie ausgeübt<br />
wird. Man müsste Sprachkurse und Integration betreiben.<br />
Es müsste ihnen <strong>ein</strong>e Perspektive geboten<br />
wer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r in diesem Beruf <strong>ein</strong>en gesicherten<br />
Status zu erreichen o<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>e gute und <strong>ein</strong>fache Ausstiegsmöglichkeit.<br />
Allerdings haben manche Frauen<br />
auch wenig Möglichkeiten, aufgrund ihrer schwierigen<br />
Situation, und da<strong>durch</strong> auch wenig Motivation,<br />
sich selbst um ihr weiteres Leben zu kümmern, zum<br />
Beispiel mal Geld zu sparen o<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>e Versicherung<br />
abzuschließen.<br />
Ich fän<strong>de</strong> es darüber hinaus schön, wenn auch die<br />
Gruppe <strong>de</strong>r Freier und Kun<strong>de</strong>n in Präventionsmaßnahmen<br />
<strong>ein</strong>bezogen wer<strong>de</strong>n könnte. Das ist ja <strong>ein</strong>e<br />
ganz schwierig zu erreichen<strong>de</strong> Gruppe mit vielen<br />
wechseln<strong>de</strong>n Sexualkontakten und wenig Einsicht in<br />
die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen.<br />
29
Ich kenne die Ecke<br />
in- und auswendig!<br />
Sulaf Ahmed (33)<br />
führt seit zehn Jahren das Geschäft (REWE)<br />
in <strong>de</strong>r Potsdamer Straße 128, das er von<br />
s<strong>ein</strong>em Vater übernommen hat.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Ich engagiere mich für <strong>de</strong>n Kiez, bin im Vorstand <strong>de</strong>r<br />
‚Interessengem<strong>ein</strong>schaft Potsdamer Straße‘ und beliefere<br />
die Zwölf-Apostel-Gem<strong>ein</strong><strong>de</strong>, die ‚Mittwochsinitiative‘,<br />
regelmäßig mit Lebensmittelspen<strong>de</strong>n für<br />
<strong>de</strong>n Mittagstisch. Ich bin in <strong>de</strong>r Woche an die siebzig<br />
Stun<strong>de</strong>n hier und kenne eigentlich alle Institutionen,<br />
kenne auch <strong>de</strong>n Straßenstrich, die Zuhälter und die<br />
‚Damen‘ – von alt und arm bis reich und jung – alle<br />
kommen zu mir, um Lebensmittel <strong>ein</strong>zukaufen, manche<br />
<strong>ein</strong>mal im Monat, manche je<strong>de</strong>n Tag. Ich bin natürlich<br />
interessiert daran, dass Bürger und Familien<br />
hierher kommen bzw. hier nicht wegziehen, also Leute,<br />
die hier Geld ausgegeben.<br />
Seit zehn Jahren gibt es große Verän<strong>de</strong>rung im Kiez<br />
in mehreren Bereichen. Die Entwicklung im Tourismus<br />
seit <strong>de</strong>r Fußball-WM 2006 fin<strong>de</strong> ich positiv, seit<strong>de</strong>m<br />
haben neue Hotels eröffnet und die Touristen<br />
sind bis spät abends auf <strong>de</strong>r Straße. Durch sie gibt<br />
es <strong>ein</strong>en Kun<strong>de</strong>nzuwachs im La<strong>de</strong>n. Und: Obwohl<br />
<strong>de</strong>r Tagesspiegel weggezogen ist, gibt es immer noch<br />
viele Büros in <strong>de</strong>r Umgebung und mittags kaufen die<br />
Angestellten im La<strong>de</strong>n <strong>ein</strong>.<br />
Im La<strong>de</strong>n haben wir eher mit Diebstählen zu tun. Mit<br />
<strong>de</strong>n Prostituierten selbst gibt es eigentlich k<strong>ein</strong>e<br />
Schwierigkeiten – außer ab und an mit <strong>de</strong>n Junkie-<br />
Prostituierten. Die Mä<strong>de</strong>ls klauen aber nur für sich<br />
was – mal <strong>ein</strong>en Joghurt, <strong>ein</strong> Brötchen, das tut nicht<br />
so weh – aber die dazugehörigen Männer packen<br />
sich im La<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Rucksack mit Schnaps für 40<br />
Euro innerhalb von <strong>ein</strong>er Minute voll. Den verkaufen<br />
sie dann. Es han<strong>de</strong>lt sich um <strong>ein</strong> Dauerproblem,<br />
<strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>nen kann man nicht re<strong>de</strong>n.<br />
Negativ fin<strong>de</strong> ich nur, dass das Rotlichtmilieu zugenommen<br />
hat. Seit <strong>de</strong>r Fußball-WM 2006 stehen<br />
mehr Frauen auf <strong>de</strong>m Strich, vor allem Rumäninnen<br />
und Bulgarinnen. Deswegen bin ich auch gegen das<br />
LSD und das Laufhaus. Das Ganze wird hier sonst<br />
zu <strong>ein</strong>em ‚Rotlichtpunkt‘ in <strong>Berlin</strong>. Das zieht alles an<strong>de</strong>re<br />
hinter sich her. Es wür<strong>de</strong> auch die <strong>de</strong>rzeitige<br />
Mischung in <strong>de</strong>r Anwohnerschaft gefähr<strong>de</strong>n.<br />
Mich stört auch die aggressive Ansprache <strong>de</strong>r Frauen,<br />
was früher so nicht <strong>de</strong>r Fall war. Was die Sozialarbeiterinnen<br />
von ‚Olga‘ machen, ist gut. Nur ist das<br />
<strong>ein</strong>e Seite, wir brauchen auch Gesetze! Vor allem<br />
Gesetze, die die Prostitution tagsüber untersagen und<br />
die verhin<strong>de</strong>rn, dass Prostituierte vor <strong>de</strong>n Kitas stehen.<br />
Hier gibt es so viele Kin<strong>de</strong>r, die müssen das doch<br />
nicht immer sehen.<br />
Der Strich soll ja gar nicht weg, aber wir brauchen<br />
tagsüber <strong>ein</strong>e Sperrzeit. Da es an Plätzen fehlt, wo<br />
die Prostituierten dann nachts ihr Geschäft mit <strong>de</strong>n<br />
Freiern erledigen können, ohne die Anwohner zu<br />
stören, sollte man Sperrzeiten mit solchen Orten,<br />
wo das dann eben geht, kombinieren. Da wäre es<br />
schön, wenn uns von Senatsseite geholfen wür<strong>de</strong><br />
- auch damit sich hier mehr ‚normale‘ Gewerbetreiben<strong>de</strong><br />
ansie<strong>de</strong>ln und <strong>de</strong>n hohen La<strong>de</strong>nleerstand in<br />
<strong>de</strong>r Potsdamer Straße been<strong>de</strong>n.<br />
<strong>30</strong>
Warum macht unser Senat<br />
immer nur die Augen zu und<br />
will die Probleme <strong>de</strong>r<br />
Anwohner mit <strong>de</strong>r<br />
Prostitution nicht<br />
erkennen?<br />
Foto: Privatbesitz, Fotograf: unbekannt<br />
Christiane Staroske,<br />
wohnt seit über dreißig Jahren<br />
in <strong>de</strong>r Potsdamer Straße.<br />
Früher ist die Prostitution hier an<strong>de</strong>rs gewesen. Das<br />
öffentliche Bild war ganz an<strong>de</strong>rs. Die Mädchen waren<br />
in <strong>de</strong>n Lokalen und auf <strong>de</strong>r Straße. Die Anwohner<br />
hatten zu ihnen <strong>ein</strong> nettes Verhältnis, man grüßte<br />
sich, unterhielt sich, weil man sich kannte. Die Damen<br />
waren sogar gute Kundinnen. Sie kauften viel Fleisch<br />
für sich und ihren Anhang. Niemand nahm Anstoß an<br />
<strong>de</strong>n Frauen.<br />
Die Mädchen heute sind meist fremd, sprechen unsere<br />
Sprache nicht und sind viel weniger anspruchsvoll.<br />
Sie kaufen mal <strong>ein</strong>e Bulette o<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>e Suppe. Ihr<br />
Verhalten als Kundinnen ist eher ungewöhnlich. Es<br />
ist auch mal ungezogen, wie sie manchmal mit <strong>de</strong>n<br />
Verkäuferinnen umgehen. Aber es be<strong>ein</strong>trächtigt <strong>de</strong>n<br />
Geschäftsbetrieb k<strong>ein</strong>eswegs.<br />
Nun fin<strong>de</strong>t überall im Quartier Prostitution statt. Alle<br />
Nebenstraßen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Frauen genutzt.<br />
Städtebauliche Verän<strong>de</strong>rungen haben nicht stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Das Stadtbild rund um die Potsdamer Straße<br />
ist <strong>de</strong>m entsprechend: es dominieren Billig-Shops.<br />
Wir sehen es nicht <strong>ein</strong>, die all<strong>ein</strong> Leidtragen<strong>de</strong>n zu<br />
s<strong>ein</strong>. Schließlich sind wir die Steuerzahler.<br />
Zahlen die Prostituierten <strong>ein</strong>en Euro Steuern? Ich m<strong>ein</strong>e:<br />
Wo sind wir <strong>de</strong>nn?<br />
Ich weiß nicht, ob unser Senat da immer nur die Augen<br />
zu macht und das Ganze nicht erkennen will?<br />
Wenn ich im Senat wäre, wür<strong>de</strong> ich es wie in Hamburg<br />
machen. Dort ist die Prostitution auf <strong>ein</strong>e Straße<br />
konzentriert.<br />
M<strong>ein</strong> Vorschlag wäre: Da in <strong>de</strong>r nahen Flottwellstraße<br />
viele Wohnungen gebaut wer<strong>de</strong>n sollen, könnte man<br />
dort doch Bor<strong>de</strong>lle <strong>ein</strong>planen. O<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>en Teil <strong>de</strong>s im<br />
Moment neu gebauten Parkes am Gleisdreieck für die<br />
Ausübung <strong>de</strong>r Prostitution vorsehen, für die Freier,<br />
die diese Mädchen offensichtlich brauchen.<br />
Denn: Je<strong>de</strong>r weiß, wir haben hier im Kiez Kitas, Grundschulen,<br />
Gymnasien. Und es muss doch nicht s<strong>ein</strong>,<br />
dass die Mädchen da auf Dauer zwischen <strong>durch</strong> flanieren!<br />
Fleischerei Staroske in dre Potsdamer Straße Foto: Gerhard Haug<br />
31
Man muss sich <strong>ein</strong>fach auch<br />
davon frei machen, wenn<br />
alle schimpfen, immer wie<br />
so <strong>ein</strong> Spatz<br />
mitzuschimpfen.<br />
Matthias Lehmann (36)<br />
lebt seit gut drei Jahren in <strong>de</strong>r Zietenstraße,<br />
ist Elternvertreter in <strong>de</strong>r Kita ‚Haus <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r‘<br />
und hat <strong>ein</strong>en drei<strong>ein</strong>halbjährigen Sohn.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Als wir nach <strong>Berlin</strong> gezogen sind, habe ich mir nur<br />
zwei Wohnungen angeschaut und dann die zweite<br />
gleich bekommen. Die Wohnung ist echt schön<br />
und die Lage <strong>ein</strong>fach perfekt. Dann haben wir gleich<br />
nach <strong>de</strong>m ersten Versuch auch <strong>ein</strong>en Kita Platz um<br />
die Ecke bekommen. Ich habe in <strong>de</strong>r kurzen Besichtigungszeit<br />
natürlich nicht viel vom Milieu mitbekommen,<br />
aber das stört mich auch heute nicht so. Das<br />
Alles wirklich perfekt zusammen läuft, gibt es sowieso<br />
nicht.<br />
Im ersten Jahr war es ziemlich schlimm mit <strong>de</strong>m<br />
Dreck: Kondome, Tütchen, Kot zwischen <strong>de</strong>n Autos.<br />
Aber das hat sich gegeben, jetzt sehe ich relativ<br />
selten die benutzten Kondome auf <strong>de</strong>r Straße. Mir<br />
stechen eher die Glasscherben ins Auge, die können<br />
aber auch von Jugendlichen o<strong>de</strong>r Erwachsenen<br />
s<strong>ein</strong>, die fin<strong>de</strong>t man gera<strong>de</strong> am Samstag-/Sonntagmorgen.<br />
Ich schaue halt bei <strong>de</strong>n Spielplätzen ob alles<br />
sicher und okay ist, aber das wür<strong>de</strong> ich auch an an<strong>de</strong>ren<br />
Plätzen o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>ren Städten machen. Ich<br />
lei<strong>de</strong> darunter nicht, das kann ich so nicht sagen. Ich<br />
lebe wirklich gerne hier, es hat viele Vorteile.<br />
man auf das Dorf ziehen. Da komme ich her und dort<br />
ist es auf <strong>ein</strong>e ganz an<strong>de</strong>re Art und Weise <strong>de</strong>primierend.<br />
Ich <strong>de</strong>nke nicht, dass man <strong>ein</strong>em Kind etwas vormachen<br />
sollte. M<strong>ein</strong> Sohn, egal wie alt er ist, kann fragen.<br />
Man kann ihm das Alles sicher nicht jetzt mit<br />
drei<strong>ein</strong>halb Jahren in s<strong>ein</strong>er ganzen Komplexität erklären,<br />
aber er kann fragen und bekommt angemessene<br />
Antworten. Es ist eben <strong>ein</strong> Teil unsere Gesellschaft.<br />
Alle <strong>Menschen</strong> haben ihre Beschäftigung und<br />
Prostitution ist <strong>ein</strong>e mögliche Form wie sie eben ihren<br />
Alltag verbringen. Das Leben ist halt nicht immer so<br />
wie man es sich vielleicht gewünscht hat.<br />
Man sollte unbedingt Orte schaffen, wo sich die Leute<br />
aus <strong>de</strong>m <strong>Viertel</strong> besser begegnen können. Es gibt<br />
schon Angebote, aber dort kommen dann doch wie<strong>de</strong>r<br />
nur die Leute hin, die sowieso aktiv sind und erreicht<br />
die an<strong>de</strong>ren nicht. Da müsste man noch mal<br />
schauen. Es wäre gut, wenn man das langfristig und<br />
übergreifend gestalten könnte, um sich besser gegenseitig<br />
kennenlernen und unterstützen zu können.<br />
Was mich wirklich betroffen macht, ist die Situation <strong>de</strong>r<br />
Prostituierten. Wenn ich sehe, dass sie sich mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger prostituieren müssen, sie in ihrer Lebensgestaltung<br />
k<strong>ein</strong>e, nicht mal <strong>ein</strong>e gewisse Freiheit haben<br />
und unsere reiche Gesellschaft nicht in <strong>de</strong>r Lage ist,<br />
da etwas an<strong>de</strong>res anzubieten, das fin<strong>de</strong> ich wirklich<br />
problematisch.<br />
Wenn ich von <strong>de</strong>n Frauen angesprochen wer<strong>de</strong>, dann<br />
reagiere ich halt, sage: n<strong>ein</strong> danke. Aber das tut mir<br />
nicht weh. Manche <strong>de</strong>r Prostituierten kennen mich<br />
auch vom Sehen her, auch m<strong>ein</strong>e Frau und m<strong>ein</strong>en<br />
Sohn. Wenn man das Alles nicht haben möchte, muss<br />
32
Die Potsdamer Straße stirbt<br />
alle Jahre und<br />
lebt doch weiter.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Fred Eichhorn (50)<br />
ist Gastwirt und betreibt Puschels Pub.<br />
Ich habe m<strong>ein</strong>e Kneipe seit 1988 in <strong>de</strong>r Potsdamer<br />
Straße 112. An dieser Ecke war mal viel los. Da haben<br />
im La<strong>de</strong>n nebenan die Mä<strong>de</strong>ls im Schaufenster<br />
gestan<strong>de</strong>n, ihren Kaffee o<strong>de</strong>r Sekt getrunken, mit<br />
Freiern o<strong>de</strong>r ohne. Ich kannte sie, man ging mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r<br />
um, ohne Streit, ohne Aggression. Sie waren<br />
integriert. Irgendwann war diese Veranstaltung vorbei.<br />
Seit<strong>de</strong>m ist viel passiert in <strong>de</strong>r ‚Potse‘ und Umgebung.<br />
Die Meile war jahrelang von Dealern und Junkies dominiert<br />
und schließlich vom Drogenstrich in <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße.<br />
Die Potsdamer Straße war für mich schon immer in<br />
<strong>de</strong>r Schwebe. Als ich <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n übernommen habe<br />
und die Mauer noch war, haben wir alle von <strong>de</strong>r Westberliner<br />
Idylle profitiert. Dann fiel die Mauer und es entstand<br />
<strong>de</strong>r Potsdamer Platz. Vieles war plötzlich weg<br />
und an<strong>de</strong>rs und man musste wie<strong>de</strong>r neu anfangen.<br />
Hier ist ständig <strong>ein</strong> Wechsel, positiv wie negativ: Die<br />
Potsdamer Straße stirbt alle Jahre und lebt doch weiter.<br />
Filme wur<strong>de</strong>n hier gedreht und Bücher über die<br />
Geschichte <strong>de</strong>r Straße geschrieben.<br />
Dies hat Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Publikumsverkehr in<br />
<strong>de</strong>r angrenzen<strong>de</strong>n Potsdamer Straße. Die <strong>Menschen</strong><br />
steigen nicht mehr am U-Bahnhof-Kurfürstenstraße<br />
aus, auch weil sie fürchten, von <strong>de</strong>n Prostituierten belästigt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Sie fahren lieber direkt zum Potsdamer<br />
Platz. Davon ist das Tagesgeschäft betroffen.<br />
Deshalb sage ich: Am Tage sollte hier ganz normales<br />
Wohnen, Einkaufen, Bummeln möglich s<strong>ein</strong>. Die Situation<br />
im Moment hin<strong>de</strong>rt Geschäftsleute eher, die<br />
hier investieren wür<strong>de</strong>n, sich zu öffnen, Initiative zu<br />
ergreifen. Einerseits gibt es viel Leerstand, Lücken,<br />
die gefüllt wer<strong>de</strong>n könnten, an<strong>de</strong>rerseits hin<strong>de</strong>rt sie<br />
<strong>de</strong>r Straßenstrich. Deshalb bin ich für Sperrzeiten.<br />
Am Tage müsste die Prostitution von <strong>de</strong>r Straße verschwin<strong>de</strong>n.<br />
Sie müsste auf die Nachtzeit beschränkt<br />
wer<strong>de</strong>n: etwa von zehn Uhr abends bis sechs Uhr<br />
am Morgen.<br />
Auch im Moment kann sich die Potsdamer Straße<br />
nicht so recht entschei<strong>de</strong>n, wohin es gehen soll.<br />
Einerseits mieten sich bekannte Galerien und sogar<br />
Exklusivgeschäfte <strong>ein</strong>, die man eher am Ku’damm<br />
vermuten wür<strong>de</strong>. Es gibt kl<strong>ein</strong>e Ansätze in <strong>de</strong>r Gastronomie,<br />
daneben zwölf Bäcker und acht Friseure<br />
nebst Maniküre und Pediküre, ansonsten fast nur Billiglä<strong>de</strong>n<br />
und <strong>ein</strong>ige Einkaufsmöglichkeiten. Attraktivität<br />
sieht an<strong>de</strong>rs aus. Und dieses triste Bild wird noch<br />
wesentlich <strong>de</strong>utlicher, wenn man in die angrenzen<strong>de</strong><br />
Kurfürstenstraße <strong>ein</strong>biegt. Dort ist nichts außer <strong>de</strong>m<br />
Straßenstrich, <strong>de</strong>n dazu gehören<strong>de</strong>n Cafés, <strong>ein</strong> paar<br />
kl<strong>ein</strong>en Lä<strong>de</strong>n. Dorthin zieht es die Leute, wenn sie<br />
ihre ‚Geschichten‘ anbahnen wollen.<br />
33
Dass unser Quartier<br />
die Prostitution<br />
‚beherbergt‘ ist <strong>ein</strong>e<br />
Art Dienstleistung für<br />
die an<strong>de</strong>ren Stadtteile.<br />
Juerg Judin (48)<br />
kaufte die ehemalige Tankstelle in <strong>de</strong>r<br />
Bülowstraße, baute sie um und wohnt dort<br />
seit 2007.<br />
Foto: Rolf Hemmerich<br />
Als <strong>ein</strong>gefleischter Schöneberger, <strong>de</strong>r lange Zeit in <strong>de</strong>r<br />
Nähe <strong>de</strong>s Winterfeldtplatz gewohnt hat, mache ich<br />
ganz an<strong>de</strong>re Erfahrungen in diesem Teil von Schöneberg:<br />
Als ich in die Tankstelle <strong>ein</strong>gezogen bin, musste<br />
ich sehr bald <strong>de</strong>n riesigen Unterschied zwischen<br />
<strong>de</strong>m mittlerweile stark gentrifizierten Winterfeldtplatz-<br />
Gebiet und <strong>de</strong>r Bülowstraße feststellen. Ich war ziemlich<br />
blauäugig gewesen und hatte mir nicht vorstellen<br />
können, dass <strong>ein</strong> paar Straßenzüge weiter <strong>ein</strong>en so<br />
krassen Unterschied ausmachen können.<br />
Als ich dann mit <strong>de</strong>n Auswirkungen <strong>de</strong>r Straßenprostitution<br />
konfrontiert wur<strong>de</strong>, las ich das Buch ‚Vergnügungsgewerbe<br />
rund um <strong>de</strong>n Bülowbogen‘. Mir wur<strong>de</strong><br />
klar, dass die Prostitution hier schon über hun<strong>de</strong>rt<br />
Jahre heimisch ist. Das Gewerbe war also schon lange<br />
vor mir da. Diese Einsicht ließ mich dann m<strong>ein</strong>en<br />
inneren Frie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Situation schließen. Ich nahm<br />
auch an <strong>de</strong>r letzten Infoveranstaltungen im HUZUR<br />
teil, wo mich die sachliche Argumentation <strong>de</strong>r Kriminalbeamtin<br />
be<strong>ein</strong>druckte. Sie sagte, dass Kontrollen<br />
wegen <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rjährigkeit <strong>durch</strong>geführt wer<strong>de</strong>n, dass<br />
die Prostituierten im Übrigen aber legal arbeiten und<br />
sogar Steuern bezahlen.<br />
Die Belästigung <strong>durch</strong> <strong>de</strong>n Lärm bis in die frühen Morgenstun<strong>de</strong>n,<br />
im Sommer bis sechs Uhr, ist schlimmer<br />
als die über m<strong>ein</strong>e Mauer geworfen Flaschen, Damenschuhe<br />
und Kondome. Die räume ich halt je<strong>de</strong>n<br />
Morgen weg. Die Damen o<strong>de</strong>r Herren vom ‚Transenstrich‘<br />
– ich weiß nie wie ich sie nennen soll – treten<br />
manchmal aggressiv, aber auch selbstbewusst auf. Die<br />
wissen sich zu behaupten und dass sie das Recht<br />
auf ihrer Seite haben. Die Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Anwohner sind<br />
ihnen eher egal. Ich nehme an, dass sie <strong>durch</strong> ihre Interessensvertretungen<br />
ganz gut gecoacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine wesentliche Verän<strong>de</strong>rung habe ich nicht wahrgenommen.<br />
Den Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Jahreszeiten,<br />
<strong>de</strong>n gibt es schon eher. Im Winter kann man<br />
manchmal die Nacht <strong>durch</strong>schlafen... Eine Gentrifizierung<br />
wie in an<strong>de</strong>ren Teilen <strong>de</strong>s Schöneberger<br />
Nor<strong>de</strong>ns sehe ich in absehbarer Zeit für dieses Gebiet<br />
nicht. Dafür ist die städtebauliche Struktur mit ihren<br />
neuzeitlichen, hässlichen Mietshäusern und <strong>de</strong>m<br />
Straßenlärm noch zu unattraktiv.<br />
In je<strong>de</strong>r größeren Stadt gibt es Prostitution, das gehört<br />
zur Urbanität. Unser Stadtteil übernimmt die Funktion,<br />
die Prostitution für die an<strong>de</strong>ren mit zu beherbergen.<br />
Für diesen Dienst sollten sich die Behör<strong>de</strong>n<br />
<strong>ein</strong> wenig erkenntlich zeigen und die Anwohner mit<br />
‚Soft-Maßnahmen‘ entlasten. Die städtebauliche Lebensqualität<br />
sollte als Ausgleich dafür, dass wir das<br />
Problem für an<strong>de</strong>re Stadtteile mittragen, gesteigert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Vor allem sollte in ‚Manpower‘ investiert wer<strong>de</strong>n. Intensivere<br />
Betreuung und damit mehr Einwirkungsmöglichkeit<br />
auf die Prostituierten wären sehr hilfreich.<br />
An<strong>de</strong>rerseits bräuchten die Anwohner <strong>ein</strong>e Art von<br />
Notfalltelefon, das rund um die Uhr besetzt ist, damit,<br />
wenn es mal wie<strong>de</strong>r ganz schlimm ist mit <strong>de</strong>m Lärm,<br />
auch wirklich jemand kommt, <strong>de</strong>r sich <strong>durch</strong>setzten<br />
kann. Von Verrichtungsboxen, die in m<strong>ein</strong>er Heimat<br />
in Zürich neuerdings im Einsatz sind, halte ich persönlich<br />
hier mitten in <strong>de</strong>r Stadt nicht viel.<br />
34
Wir haben schon mit vielen<br />
Politikern gesprochen<br />
– aber passiert ist nichts!<br />
Foto: Rolf Hemmerich<br />
Orhan Sisman, arbeitet in <strong>de</strong>r<br />
Hizmet-Fleischerei, Kurfürstenstraße.<br />
Wir haben unsere Fleischerei seit 1998 hier am Standort<br />
Kurfürstenstraße und <strong>ein</strong>en großen Kun<strong>de</strong>nstamm<br />
sowohl unter <strong>de</strong>n Deutschen, als auch unter <strong>de</strong>n Anwohnern<br />
mit migrantischem Hintergrund. Uns stört<br />
die Straßenprostitution vor unserem Geschäft. Wir<br />
betrachten sie als stark geschäftsschädigend. Wir<br />
verstehen nicht, dass man nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, an<br />
<strong>ein</strong>er Hauptverkehrsa<strong>de</strong>r mitten in <strong>Berlin</strong>, <strong>de</strong>r Hauptstadt<br />
Deutschlands, die <strong>ein</strong>e wichtige Rolle in <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Union spielt, die Straßenprostitution<br />
sozialverträglich zu organisieren.<br />
Wir haben schon viel mit Politikern und Journalisten<br />
gesprochen und ihnen unsere Situation erklärt.<br />
Aber passiert ist nichts.<br />
Unser Hauptproblem ist, dass <strong>ein</strong>ige unserer Kun<strong>de</strong>n<br />
nur mit Wi<strong>de</strong>rwillen zu uns kommen. Das betrifft in <strong>de</strong>r<br />
Hauptsache Frauen, aber auch Männer in Begleitung<br />
ihrer Frauen, die dann von <strong>de</strong>n Prostituierten vor <strong>de</strong>r<br />
Tür nicht <strong>de</strong>n Blick abwen<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r angesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n, weshalb es dann zu Konflikten in <strong>de</strong>n<br />
Familien kommt.<br />
Unser persönliches Bemühen, <strong>de</strong>n Straßenbereich vor<br />
unserer Fleischerei vom Strich frei zu halten, ist je<strong>de</strong>s<br />
Mal vergeblich geblieben. Auch die Ordnungsbehör<strong>de</strong>n<br />
können uns nicht helfen. Die Situation hat sich<br />
in <strong>de</strong>n letzten Jahren grundsätzlich nicht verän<strong>de</strong>rt.<br />
Und solange man die Gesetze nicht än<strong>de</strong>rt, habe ich<br />
<strong>de</strong>n Eindruck, kann man dagegen wohl auch nichts<br />
machen. Am 1. Mai dieses Jahres haben wir <strong>ein</strong>e Ansammlung<br />
von etwa hun<strong>de</strong>rt Prostituierten gezählt.<br />
35
Ich habe noch<br />
Christiane F. und das<br />
S.O.U.N.D. miterlebt.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Bernd-Dieter Merkeleit<br />
– genannt Curry-Bernd – führt seit über 38<br />
Jahren die Curry-Wurst Bu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kurfürsten-/Ecke<br />
Genthinerstraße.<br />
Früher reichte <strong>de</strong>r Straßenstrich von <strong>de</strong>r ‚Potse‘ bis<br />
zum Ku’damm. Im Grun<strong>de</strong> ist das heute hier <strong>de</strong>r übrig<br />
gebliebene kümmerliche Rest.<br />
Ich habe m<strong>ein</strong>e Curry-Bu<strong>de</strong> seit 1974. Damals war<br />
hier in je<strong>de</strong>r Beziehung mehr Verkehr und das Geschäft<br />
brummte.<br />
Viel ist seither passiert. Ich habe <strong>de</strong>n Drogenstrich<br />
erlebt. Eine Autobahn sollte <strong>durch</strong> die Kurfürstenstraße<br />
gebaut wer<strong>de</strong>n, <strong>ein</strong> Parkhaus auf <strong>de</strong>m Möbel-<br />
Hübner Parkplatz, <strong>ein</strong> Bor<strong>de</strong>ll an <strong>de</strong>r Ecke zur Potsdamer<br />
Straße. Nichts davon wur<strong>de</strong> realisiert außer<br />
<strong>ein</strong>er Verschönerung <strong>de</strong>s Platzes vor <strong>de</strong>r Zwölf-Apostel-Kirche.<br />
Der Autoverkehr hat dagegen enorm<br />
zugenommen, aber lei<strong>de</strong>r kommen immer weniger<br />
Fußgänger vorbei. Dabei steht m<strong>ein</strong>e Bu<strong>de</strong> wie auf<br />
<strong>ein</strong>em Marktplatz. Früher habe ich schon mal <strong>ein</strong>e<br />
‚Curry‘ an Momper o<strong>de</strong>r Diepgen verkauft, auch <strong>de</strong>r<br />
Herr Sarrazin war hier.<br />
Die geschäftliche Lage ist schlechter gewor<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren. Der Strich hat damit nichts zu tun, <strong>de</strong>r<br />
ist fast wie immer. Aber <strong>ein</strong> Großteil <strong>de</strong>r ehemals ansässigen<br />
mittelständischen Betriebe samt Mitarbeiter<br />
ist verschwun<strong>de</strong>n und <strong>ein</strong> Teil <strong>de</strong>r Möbelhäuser wird<br />
es wahrsch<strong>ein</strong>lich bald auch. Mir ist es egal, Curry-<br />
Wurst, ob scharf o<strong>de</strong>r nicht, geht immer und ich stehe<br />
sowieso kurz vor <strong>de</strong>r Rente.<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
36
Am liebsten gehe ich mit<br />
<strong>de</strong>n Freiern in<br />
<strong>ein</strong>e Pension.<br />
Kurfürstenstraße<br />
Foto: Gerhard Haug<br />
Anne (29) arbeitet seit sechs Jahren als<br />
Prostituierte auf <strong>de</strong>r Kurfürsten und<br />
kommt aus <strong>de</strong>r Ukraine.<br />
Ein großes Problem ist die große Konkurrenz und auch<br />
<strong>de</strong>r Neid unter<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r. In <strong>de</strong>n letzten Jahren kamen<br />
Frauen dazu, die auf Masse gesetzt haben und weniger<br />
auf Qualität. Da<strong>durch</strong> wur<strong>de</strong>n die Preise nicht mehr<br />
<strong>ein</strong>heitlich <strong>ein</strong>gehalten. Das heißt beispielsweise: sie<br />
machen es für <strong>30</strong> Euro und brauchen dann halt zehn<br />
Freier um auf <strong>30</strong>0 Euro Verdienst zu kommen. Ihnen<br />
ist ziemlich egal, wie zufrie<strong>de</strong>n die Kun<strong>de</strong>n sind.<br />
Hauptsache schnell.<br />
Das kann man nur so machen, wenn man nicht so<br />
lange hier ist. Das ist <strong>ein</strong>fach anstrengend und die<br />
Männer fühlen sich auch oft abgefertigt. Manche<br />
wur<strong>de</strong>n auch schon beklaut. Das spricht sich herum.<br />
Die Freier tauschen sich auch im Internet darüber<br />
aus. Mich ärgert das, weil es unseren Strich in Verruf<br />
bringt und wir alle darunter lei<strong>de</strong>n.<br />
Denn ich stehe hier schon länger, habe auch Stammkun<strong>de</strong>n<br />
und m<strong>ein</strong>en Preis von 50 Euro. Da will ich<br />
nicht herunter gehen und es macht <strong>ein</strong>en Unterschied,<br />
auch in <strong>de</strong>r Qualität. Ich will ja auch, dass die<br />
guten Kun<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>rkommen. Dafür muss ich natürlich<br />
länger warten, brauche aber auch nur sechs<br />
Männer um auf diese <strong>30</strong>0 Euro Verdienst zu kommen.<br />
Das ist <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong> an<strong>de</strong>res Geschäftsmo<strong>de</strong>ll.<br />
Zwischen manchen Frauen gibt es da<strong>durch</strong> und wegen<br />
<strong>de</strong>s Standplatzes dann richtig Streit, sie brüllen<br />
manchmal auch herum, was natürlich vor allem<br />
nachts richtig blöd ist. Eine Zeitlang, so vor zwei, drei<br />
Jahren, waren auch <strong>ein</strong>fach zu viele Frauen auf <strong>ein</strong>mal<br />
da. Alles wur<strong>de</strong> aggressiver, das Benehmen, die<br />
Aus<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen und die Atmosphäre. Das war<br />
schlimm.<br />
Die Nachfrage bewegt sich nur wenig und die Freier<br />
haben auch k<strong>ein</strong> Geld mehr. Das Leben ist härter gewor<strong>de</strong>n,<br />
das spüren wir. Am geizigsten sind sowieso<br />
die Männer mit <strong>de</strong>n teuersten Autos. Manche <strong>de</strong>r<br />
Männer wollen das Geschäft ohne Gummi abwickeln,<br />
das ist richtig nervig und oft schwierig <strong>de</strong>nen klar zu<br />
machen, dass es so nicht läuft. Was <strong>de</strong>nken die sich<br />
eigentlich? Manche suchen dann <strong>de</strong>n ganzen Strich<br />
ab nach <strong>ein</strong>er, die es ohne macht. Unmöglich.<br />
Einige schmeißen die Gummis auch <strong>ein</strong>fach aus <strong>de</strong>m<br />
Auto, normalerweise haben wir aber so kl<strong>ein</strong>e Tütchen<br />
bei uns und packen da das gebrauchte Zeug her<strong>ein</strong><br />
und später in <strong>de</strong>n Müll. Es wäre gut mehr Papierkörbe<br />
an diesen Stellen zu haben, da sind oft gar k<strong>ein</strong>e.<br />
Am allerliebsten gehe ich mit <strong>de</strong>n Freiern in <strong>ein</strong>e Pension.<br />
Die in <strong>de</strong>r St<strong>ein</strong>metzstraße kostet für <strong>ein</strong>e halbe<br />
Stun<strong>de</strong> zehn Euro, ist näher und billiger, aber dreckig.<br />
Die in <strong>de</strong>r Eisenacher ist besser, kostet aber auch <strong>ein</strong>en<br />
Fünfer mehr, ist weiter weg und da ist es oft mit<br />
<strong>de</strong>n Parkplätzen schwierig. Ansonsten gehen wir mit<br />
<strong>de</strong>n Autos in Parkhäuser o<strong>de</strong>r haben halt so unsere<br />
ruhigen Ecken. Es gibt <strong>ein</strong>fach viel zu wenig Pensionen<br />
und zu wenige Plätze. Der Parkplatz bei Möbel<br />
Hübner ist ab acht Uhr abends geschlossen und auch<br />
zu hell.<br />
Manchmal gehen wir in <strong>ein</strong>e Vi<strong>de</strong>okabine vom LSD,<br />
aber die sind eng und stickig und die Leute vom LSD<br />
wollen das nicht. Manchmal gehe ich auch in <strong>ein</strong>e City<br />
Toilette. Sie haben zwar extra die Schließzeit gekürzt,<br />
aber es reicht immer noch gut. Manche <strong>de</strong>r Frauen<br />
gehen auch zu Männern, die hier wohnen. Manchmal<br />
nachts, wenn sowieso alles schläft, macht man das<br />
Ganze auch mal auf die Schnelle um die Ecke. Ist natürlich<br />
für die Leute, die hier wohnen, blöd, wenn sie<br />
dann gera<strong>de</strong> wach sind und aus <strong>de</strong>m Fenster schauen.<br />
Es wäre schön mehr Möglichkeiten zum sitzen zu haben,<br />
wenn man mal Pause machen möchte. O<strong>de</strong>r<br />
auch mal etwas wo man sich unterstellen kann, wenn<br />
es regnet. Die Bushaltestelle war wirklich prima damals.<br />
Mehr Pensionen wären super und ich fän<strong>de</strong> es gut,<br />
wenn wir <strong>ein</strong> o<strong>de</strong>r zwei Plätze hätten, wo wir hinfahren<br />
könnten und uns k<strong>ein</strong>er zuschaut – ohne große<br />
Zusatzkosten. Ich könnte mir schon vorstellen, dass<br />
<strong>ein</strong>ige von uns das nutzen wür<strong>de</strong>n. Vielleicht nicht alle,<br />
aber <strong>ein</strong>ige.<br />
37
Uns stört nicht <strong>de</strong>r Straßenstrich<br />
an sich,<br />
son<strong>de</strong>rn das Benehmen <strong>de</strong>r<br />
Beteiligten.<br />
Dorit Meier (68) und Horst Schimkat (62)<br />
leben seit zehn Jahren an <strong>de</strong>r Apostelkirche.<br />
Blick aus unserem Wohnzimmer. Foto: Gerhard Haug<br />
Wir kommen aus Bran<strong>de</strong>nburg an <strong>de</strong>r Havel und wohnen<br />
seit 2002 ‚An <strong>de</strong>r Apostelkirche‘.<br />
Wir haben seit<strong>de</strong>m hier schon viel erlebt, weil sich das<br />
Geschehen teils direkt vor unserem Fenster abspielt.<br />
Vor zehn Jahren noch sah <strong>de</strong>r Strich ganz an<strong>de</strong>rs aus,<br />
hauptsächlich <strong>de</strong>utsche Frauen, auch nicht hier im<br />
Park son<strong>de</strong>rn etwas weiter weg in <strong>de</strong>r Kurfürsten.<br />
Weniger Dreck, ruhiges Wohnen. Die Prostituierten<br />
waren teils bekannt und man grüßte sich höflich.<br />
An <strong>de</strong>ren Art sich zu verhalten, wenn sie ihre Reize<br />
zeigen, haben wir uns längst gewöhnt. Das stört uns<br />
nicht. Schließlich betreiben sie das älteste Gewerbe<br />
<strong>de</strong>r Welt.<br />
Wir haben beobachtet, dass sich das Bild in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren sehr gewan<strong>de</strong>lt hat. Es sch<strong>ein</strong>t uns so,<br />
als ob jetzt verschie<strong>de</strong>ne Großfamilien vor unserem<br />
Fenster die Geschäfte mit <strong>de</strong>r Prostitution betreiben.<br />
Es kommt uns vor wie <strong>ein</strong> eigenes Dorf mit Familien,<br />
die zusammen gehören und alle unter<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r verwandt<br />
o<strong>de</strong>r verschwägert sind. Wohl <strong>ein</strong> Drittel <strong>de</strong>r<br />
<strong>Menschen</strong> wechselt ständig.<br />
Und das im Sommer und im Winter ohne Unterbrechung<br />
und ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit. Junge<br />
Mädchen mit kurzen Röckchen und Mini-Slips, im<br />
Sommer und im Winter. Die müssen doch gesundheitliche<br />
Probleme bekommen. Das sind Dinge, die wir<br />
nicht verstehen. Auch das teilweise sehr aggressive<br />
Verhalten.<br />
Es stört uns natürlich, dass die Frauen und Freier sich<br />
nicht um ihre Hinterlassenschaften kümmern:<br />
Kondome und Tücher je<strong>de</strong>r Art bleiben auf <strong>de</strong>r Straße<br />
liegen, nach <strong>de</strong>m sie sich vergnügt haben. Und dies<br />
oft schon am frühen Nachmittag, was absolut nicht<br />
geht. Denn zu dieser Zeit holen die Muttis ihre Kin<strong>de</strong>r<br />
aus <strong>de</strong>n Kitas ab.<br />
Das Tagesgeschehen um die Kun<strong>de</strong>n kann hier leicht<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n: Zeitweise kam <strong>de</strong>r »Eiermann«<br />
regelmäßig zu <strong>ein</strong>er bestimmten Uhrzeit vorbei, <strong>ein</strong><br />
Angehöriger <strong>ein</strong>er Maler- o<strong>de</strong>r Holzfirma <strong>de</strong>sgleichen.<br />
Da ist <strong>de</strong>r Spanner, <strong>de</strong>r das Geschehen aus s<strong>ein</strong>em<br />
Auto heraus beobachtet, <strong>ein</strong> Taxifahrer, <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>n<br />
ganzen Tag die Nutten anguckt. Wie <strong>de</strong>r s<strong>ein</strong> Geld verdient,<br />
das möchten wir schon mal wissen.<br />
Es wäre sehr hilfreich, wenn man <strong>de</strong>n Prostituierten<br />
und Freiern Orte anbieten wür<strong>de</strong>, wo sie sowohl ihr<br />
Geschäft als auch die Entsorgung <strong>de</strong>r Hinterlassenschaften<br />
erledigen könnten.<br />
Orte, die nicht in unmittelbarer Nähe <strong>de</strong>r Anwohner<br />
wären, wegen <strong>de</strong>s ständigen Lärms, <strong>de</strong>r ebenfalls<br />
verursacht wird. In an<strong>de</strong>ren Städten gibt es das<br />
auch. Wir wären z.B. für solche »Pop-Boxen«. Das<br />
wäre <strong>ein</strong>e Möglichkeit.<br />
Eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit wäre es, die Durchfahrt von<br />
Freiern <strong>durch</strong> Schranken zu unterbin<strong>de</strong>n, <strong>durch</strong> die<br />
nur Anwohner zu ihren Parkplätzen kämen.<br />
O<strong>de</strong>r: Wie wär‘s <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>m jetzt freien Flughafengelän<strong>de</strong><br />
in Tempelhof?<br />
38
Es sind Königinnen <strong>de</strong>r<br />
Nacht. Die Frobenstraße ist<br />
europaweit <strong>ein</strong>er <strong>de</strong>r<br />
ältesten Transen-Striche und<br />
<strong>de</strong>mentsprechend<br />
bekannt.<br />
Foto oben: Gerhard Haug<br />
Helmut Wanner (47)<br />
arbeitet seit 2004 als Sozialpädagoge bei<br />
subway und macht zwei Mal die<br />
Woche nachts Streetwork.<br />
Für die Prostitution in <strong>de</strong>r Frobenstraße muss es dunkel<br />
s<strong>ein</strong>. Hier geht es die Nacht <strong>durch</strong> bis morgens<br />
vier, fünf Uhr. An gut besuchten Aben<strong>de</strong>n sind dort<br />
gleichzeitig bis zu zehn Transen zu fin<strong>de</strong>n. Je weiter<br />
vorne sie an <strong>de</strong>r Ampel stehen, <strong>de</strong>sto etablierter<br />
sind sie. Die meisten Migranten <strong>de</strong>r neuen Generation<br />
sind aus Bulgarien, dort ist männliche Prostitution<br />
oft transsexuell. Sie haben die Hoffnung, hier mehr zu<br />
verdienen. Manche von ihnen haben jedoch k<strong>ein</strong>e<br />
Transi<strong>de</strong>ntität, da hat <strong>de</strong>utlich <strong>ein</strong> Wechsel stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Es gibt auch Transen aus Brasilien, Kuba und<br />
Südamerika. Asiatinnen sind kaum vertreten. Es ist<br />
schon <strong>ein</strong> buntes Völkchen. Die Einen sind seit zehn<br />
Jahren hier, inzwischen gut angebun<strong>de</strong>n, haben <strong>ein</strong>e<br />
Wohnung und sprechen Deutsch. Die An<strong>de</strong>ren sind<br />
jünger, haben meist Gewalt erfahren und gehen <strong>de</strong>r<br />
Prostitution mit all ihren Sorgen und Nöten nach und<br />
wissen nicht, wo sie nachts schlafen sollen.<br />
K<strong>ein</strong>e von <strong>de</strong>n Transen konsumiert Heroin. Nur, ohne<br />
Alkohol können die meisten <strong>de</strong>n Job nicht machen.<br />
Sie wollen nachts auch diese Party-Brasilien-Stimmung<br />
aufkommen lassen, machen über ihre Handys<br />
Musik an. Dann ist <strong>ein</strong>e betrunken und singt dazu,<br />
dann singen zwei, drei. Das ist natürlich laut. Und natürlich<br />
bleiben auch skurrile Szenen – zwei Männer<br />
gehen in Frauenklamotten kreischend in <strong>ein</strong>er frem<strong>de</strong>n<br />
Sprache, womöglich mit ihren Taschen, auf<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r<br />
los – nachhaltiger im Gedächtnis. Da entsteht<br />
schnell das Gefühl: ‚die streiten sich immer‘. Die ruhigeren<br />
Transen, die müssen es dann alles mit ausba<strong>de</strong>n.<br />
Wir haben viel Aufklärungsarbeit betrieben,<br />
haben gesagt: ‚lasst euren Müll hier nicht liegen und<br />
macht die Handys leise‘. Es bleibt <strong>ein</strong> Auf und Ab.<br />
Das meiste wird bei <strong>de</strong>n Transen im Stehen ‚verrichtet‘.<br />
Es reicht <strong>ein</strong> Busch, <strong>ein</strong>e Hecke. Pensionen sind<br />
viel zu teuer. Sie brauchen auch k<strong>ein</strong>e Verrichtungs-<br />
box, k<strong>ein</strong>e Betten. Der Basketballplatz war super, <strong>de</strong>r<br />
war mit Knöterich abgedichtet, nicht so weit weg und<br />
wenn jemand gewalttätig wur<strong>de</strong>, konnte man um Hilfe<br />
rufen. Irgen<strong>de</strong>twas in <strong>de</strong>r Nähe, in <strong>de</strong>r Form wäre<br />
sinnvoll. Es darf halt nichts kosten. Die Preise sind<br />
sehr in <strong>de</strong>n Keller gegangen, das ist <strong>ein</strong> großes Problem.<br />
Die Arbeit ist nicht ungefährlich. Neben Jugendgangs,<br />
die mit Eisenstangen, Baseballschlägern o<strong>de</strong>r Fäusten<br />
auf die Transen losgehen, bespucken o<strong>de</strong>r beschimpfen<br />
manche Freier – häufig auch Familienväter<br />
– sie, nach<strong>de</strong>m sie sich erst haben bedienen lassen.<br />
Es ist schon <strong>ein</strong>e komische Doppelmoral vorhan<strong>de</strong>n.<br />
Auf <strong>de</strong>r <strong>ein</strong>en Seite turnen die Transen viele Männer<br />
und offensichtlich auch diese Jugendlichen an. Auf<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite müssen die das dann mit Aggressionen<br />
und Gewalt abwehren und kompensieren.<br />
Es bräuchte <strong>ein</strong> kontinuierliches und festes soziales<br />
Angebot, die Transen können nirgends hin. Dafür<br />
bräuchte es aber auch Sozialarbeiter mit entsprechen<strong>de</strong>m<br />
Arbeitsauftrag und <strong>ein</strong>er ausreichen<strong>de</strong>n<br />
Finanzierung. Es kann auch <strong>ein</strong> Wohnwagen, <strong>ein</strong><br />
Wohnmobil s<strong>ein</strong>, wo sie sich umziehen, auf die Toilette<br />
gehen und sich schminken können. Es ist trotz<strong>de</strong>m<br />
sehr, sehr gut, dass wir dahin gehen. Wir sind<br />
die Einzigen, bei <strong>de</strong>nen sie ihre Sorgen und Nöte wenigstens<br />
<strong>ein</strong> bisschen loswer<strong>de</strong>n können, auch wenn<br />
wir gerne mehr und kontinuierlicher unsere Unterstützung<br />
anbieten wür<strong>de</strong>n. Vielleicht wür<strong>de</strong> damit auch<br />
<strong>ein</strong> bisschen mehr Ruhe <strong>ein</strong>kehren. Man sollte ihnen<br />
wenigstens <strong>ein</strong>e Citytoilette hinstellen.<br />
39
Problemskizze<br />
Konflikte heute<br />
<strong>Menschen</strong>, die rund um <strong>de</strong>n Straßenstrich leben und<br />
arbeiten, klagen immer wie<strong>de</strong>r über negative Begleitersch<strong>ein</strong>ungen,<br />
vor allem über <strong>de</strong>n abendlichen/<br />
nächtlichen Lärm und die Verschmutzungen auf <strong>de</strong>r<br />
Straße sowie auf Frei- und Grünflächen sowie über<br />
<strong>ein</strong> erhöhtes Straßenverkehrsaufkommen <strong>durch</strong> <strong>de</strong>n<br />
Freiersuchverkehr. Teilweise zu Verärgerungen führen<br />
<strong>de</strong>s Weiteren die Ansprachen von Passanten,<br />
auch manche leicht beklei<strong>de</strong>te Frauen im öffentlichen<br />
Raum sowie <strong>de</strong>r nachts ver<strong>ein</strong>zelt sichtbar vollzogene<br />
Geschlechtsakt im Freien o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Autos. Weitere<br />
Punkte waren das Verhalten <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n, meist<br />
die fälschliche Ansprache von Anwohnerinnen und<br />
das Thema Kin<strong>de</strong>r- und Jugendschutz.<br />
Bei genauerer Betrachtung kann das Gewerbe Straßenprostitution<br />
mit s<strong>ein</strong>en spezifischen Auswirkungen<br />
auf das Quartier in zwei Phasen unterteilt wer<strong>de</strong>n:<br />
Die Anbahnungsphase ist gekennzeichnet von <strong>de</strong>m<br />
Herumstehen <strong>de</strong>r Frauen, Unterhaltungen, <strong>de</strong>m Ansprechen<br />
<strong>de</strong>r Männer, <strong>de</strong>m langsamen Herumfahren<br />
und längeren Halten <strong>de</strong>r Autos.<br />
Die Vollzugsphase vom Halten und Abfahren <strong>de</strong>s Autos<br />
und vom Vollzug <strong>de</strong>r sexuellen Dienstleistung.<br />
Für nachhaltige Lösungen müsste je<strong>de</strong> dieser bei<strong>de</strong>n<br />
Phasen für sich betrachtet wer<strong>de</strong>n, will man beispielsweise<br />
<strong>de</strong>n Autoverkehr verringern, sollten diese<br />
bei<strong>de</strong>n Orte möglichst nahe bei<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r liegen.<br />
Zusammengefasst ergeben sich die Probleme aus:<br />
• Auf<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rtreffen von Leben, Arbeiten und Wohnen<br />
im Stadtteil: unterschiedliche <strong>Menschen</strong> je<strong>de</strong>n<br />
Alters haben gegensätzliche Interessen zur<br />
gleichen Zeit.<br />
• Verän<strong>de</strong>rungen <strong>durch</strong> Neubauten und bauliche<br />
Verdichtung: teilweise mit <strong>de</strong>r Entwicklung neuer<br />
Bewohnerstrukturen im <strong>Viertel</strong> – <strong>ein</strong> <strong>Berlin</strong> weiter<br />
Trend.<br />
• Zu wenig geeignete Orte für Anbahnung und Vollzug<br />
<strong>de</strong>s Prostitutionsgeschäfts.<br />
• Stabile Nachfrage nach günstigem, wenig aufwendigem<br />
und schnellem Sex.<br />
• Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r personellen Zusammensetzungen:<br />
Zuwan<strong>de</strong>rung von Prostituierten aus <strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn Südosteuropas seit <strong>de</strong>r EU-Erweiterung<br />
2006.<br />
Frobenstraße Foto: Rolf Hemmerich<br />
40
Resümee<br />
Die Prostitution rund um die Kurfürstenstraße kann<br />
- angesichts <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Gesetze, <strong>de</strong>r langen<br />
Bestandsdauer vor Ort und <strong>ein</strong>er nicht vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Sperrbezirksverordnung in <strong>Berlin</strong> - we<strong>de</strong>r verboten<br />
noch verdrängt wer<strong>de</strong>n. Sie ist legal und gestattet.<br />
Mit ordnungsbehördlichen o<strong>de</strong>r polizeilichen Maßnahmen<br />
kann nur gegen Begleitersch<strong>ein</strong>ungen <strong>de</strong>r<br />
Prostitution o<strong>de</strong>r gegen direkte Gesetzesverstöße in<br />
diesem Zusammenhang vorgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die räumlichen Möglichkeiten für die Prostituierten<br />
weiter zu begrenzen, ist zwecklos. Dies hätte nur zur<br />
Folge, dass die Ausübung <strong>de</strong>r Prostitution an an<strong>de</strong>re<br />
Orte und in an<strong>de</strong>re ruhige, wenig <strong>ein</strong>sehbare Straßen<br />
im <strong>Viertel</strong> geleitet wird. So verschwin<strong>de</strong>n die Prostituierten<br />
in manchen Straßenabschnitten und tauchen<br />
in neuen wie<strong>de</strong>r auf. Die dortigen Bewohner/innen<br />
gehen dann davon aus, dass sich die Prostitution<br />
ausweitet und nun auch bei ihnen angelangt ist.<br />
Bisher getroffene Maßnahmen im Wohnumfeld schaffen<br />
nur an <strong>ein</strong>zelnen Punkten Erleichterung. So bleibt<br />
die Frage bestehen: Wie können die unterschiedlichen<br />
Nutzungen so gestaltet wer<strong>de</strong>n, dass alle Beteiligten<br />
mehr o<strong>de</strong>r weniger zufrie<strong>de</strong>n damit leben können?<br />
Fotos: Gerhard Haug<br />
41
Gesammelte Vorschläge und I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Bürger/innen<br />
Verkehrsführung beruhigen<br />
• Einrichtung von Einbahnstraßen<br />
• Schaffung von Sackgassen<br />
• Durchfahrt <strong>durch</strong> Schranken regeln<br />
(nur für Anwohner/innen)<br />
Verschmutzungen verringern<br />
• Aufstellen von mehr Papierkörben<br />
• Papierkörbe bunt o<strong>de</strong>r mit <strong>ein</strong>em Wie<strong>de</strong>rerkennungseffekt<br />
ausstatten<br />
• Frühmorgens <strong>ein</strong>e Stun<strong>de</strong> abwechselnd auf<br />
<strong>de</strong>n Straßenseiten <strong>ein</strong> komplettes Parkverbot<br />
<strong>ein</strong>richten, um an Straßenkanten und<br />
sonst zugestellten Parkflächen richtig<br />
sauber zu machen<br />
• Aufstellung von mehr Toiletten, z.B. City-<br />
Toiletten, im gesamten Gebiet, v.a. auch<br />
im Bereich <strong>de</strong>s „Transenstrichs“ im unteren<br />
Teil <strong>de</strong>r Frobenstraße<br />
Einrichtung von Vollzugsorten für<br />
sexuelle Dienstleistungen<br />
• »POP Boxen« für Autos und Fußgänger<br />
• Einrichtung <strong>ein</strong>es Laufhauses<br />
• Einrichtung <strong>ein</strong>es kommunalen Bor<strong>de</strong>lls<br />
• Mehr Stun<strong>de</strong>nhotels<br />
• Mehr Bor<strong>de</strong>lle <strong>ein</strong>planen, z.B. bei neuen<br />
Bauvorhaben (Flottwellstraße)<br />
• Anwendung <strong>de</strong>s und Regulierung über das<br />
Gewerberecht<br />
Mehr gegenseitige Toleranz und Respekt<br />
im Alltag<br />
• Orte schaffen, wo sich alle Leute aus <strong>de</strong>m<br />
<strong>Viertel</strong> besser begegnen können<br />
• Besseren Austausch, mehr Kommunikation<br />
aller Anwesen<strong>de</strong>n ermöglichen lan<strong>de</strong>sweite<br />
und bezirksübergreifen<strong>de</strong> Zusammenarbeit<br />
• Stärkere übergreifen<strong>de</strong> städtische Planungen,<br />
die das Gewerbe Prostitution mit<strong>de</strong>nken<br />
• nicht alles <strong>de</strong>m Geld und <strong>de</strong>r Spekulation<br />
überlassen (Stichwort: Gentrifizierung)<br />
Schaffung <strong>ein</strong>es klar erkennbaren, <strong>ein</strong><strong>de</strong>utigen<br />
und gleich bleiben<strong>de</strong>n Straßenstrichs<br />
• Zeichnungen auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n, Piktogramme<br />
mit positiver hinleiten<strong>de</strong>r Kennzeichnung (wo<br />
die Frauen stehen können, in Abgrenzung zu<br />
an<strong>de</strong>ren Gebieten)<br />
• Anreize schaffen: Aufstellen von Bänken,<br />
Überdachungen für die Frauen<br />
• Einrichtung von Sperrzeiten tagsüber vor<br />
<strong>de</strong>n sozialen Einrichtungen<br />
• Einrichtung von Sperrzeiten tagsüber im<br />
gesamten Gebiet<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Umgebung<br />
• Grundstücke von Möbel Hübner und <strong>de</strong>m<br />
Land Polen, z.B. für Parks, Cafés, Kl<strong>ein</strong>gewerbe<br />
öffnen und nutzen<br />
• Einrichtung <strong>ein</strong>es abgegrenzten, nicht <strong>ein</strong>sehbaren<br />
»Lustgartens«<br />
• In Verhandlung mit <strong>de</strong>n Besitzern treten, um<br />
<strong>de</strong>n gesamten Platz für das Gem<strong>ein</strong>wesen<br />
attraktiver gestalten zu können<br />
• Zwischen-Nutzungen überlegen<br />
• Gem<strong>ein</strong>sam mit Anwohner_innen und<br />
Nutzer_innen die Gestaltung entwickeln<br />
42
Fotos: Gerhard Haug<br />
Blick in die Zukunft<br />
Soziale Angebote<br />
• Langfristig ausreichend personell und finanziell<br />
absichern<br />
• Bessere Sprachmittlung vor Ort via Streetwork<br />
• Bessere Vermittlung zwischen Sexarbeiterinnen<br />
und Anwohner/innen<br />
Ordnungs-/Gewerbeamt<br />
• Bessere Überprüfung von Kiosken und Gewerbe<br />
(Auflagen)<br />
• Überlegungen zu möglichen Schließungen<br />
von Lokalen<br />
Aufklärung und Information<br />
• für Prostituierte (Aufklärung über Wohngebiete,<br />
Kitas, Schulen und Verhalten)<br />
• für Kun<strong>de</strong>n/Freier (<strong>ein</strong> „Knigge“ für Freier,<br />
regelmäßige Aufklärungsaktionen <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsgem<strong>ein</strong>schaft Gesun<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>)<br />
• für Anwohner/innen (Rechtliche Grundlagen/<br />
ProstG, über Herkunft/Situation <strong>de</strong>r Frauen,<br />
Kontaktdaten bei Beschwer<strong>de</strong>n)<br />
Diese oben skizzierten zusammengetragenen vielfältigen<br />
I<strong>de</strong>en sowie die teilweise außergewöhnlichen Vorschläge<br />
<strong>de</strong>r Bürgerausstellung stehen für die Weiterarbeit<br />
und Bearbeitung zur Verfügung. Sie umfassen folgen<strong>de</strong>s<br />
Spektrum: Weitere beruhigen<strong>de</strong> Verkehrsführungen;<br />
Reduzierung <strong>de</strong>r Verschmutzungen; <strong>ein</strong>en klar<br />
erkennbaren und gleich bleiben<strong>de</strong>n Straßenstrich<br />
<strong>durch</strong> entsprechen<strong>de</strong> Angebote (nicht Verbote); die<br />
Einrichtung von Vollzugsorten <strong>de</strong>r sexuellen Dienstleistung;<br />
<strong>ein</strong>e lan<strong>de</strong>sweite und bezirksübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Zusammenarbeit; Aufklärung und Information für Prostituierte,<br />
für Kun<strong>de</strong>n/Freier und für Anwohner/innen.<br />
Die präventive Gesundheitsversorgung <strong>de</strong>r Sexarbeiterinnen<br />
muss erhalten und <strong>durch</strong> <strong>ein</strong>e ausreichen<strong>de</strong><br />
Regelfinanzierung abgesichert wer<strong>de</strong>n. Wünschenswert<br />
wäre es, die gesundheitliche Aufklärung auf die<br />
Freier auszu<strong>de</strong>hnen, um <strong>de</strong>n Schutz vor Aids und an<strong>de</strong>ren<br />
infektiösen Geschlechtskrankheiten bei allen<br />
Beteiligten zu erhöhen.<br />
In nächster Zukunft sollten die konstruktiven I<strong>de</strong>en<br />
und Lösungsvorschläge aufgenommen und auf politischer<br />
sowie verwaltungstechnischer Ebene weiter<br />
diskutiert wer<strong>de</strong>n. Die entstan<strong>de</strong>nen Impulse aus <strong>de</strong>r<br />
Bewohnerschaft und <strong>de</strong>r Akteur/innen vor Ort bieten<br />
<strong>de</strong>r Politik und Verwaltung – auf Bezirks- und Senatsebene<br />
– <strong>ein</strong>e weitere Grundlage für die fachkundige<br />
Bearbeitung. Themen- und Ziel orientierte Arbeitskreise<br />
sowie bestehen<strong>de</strong> Netzwerke und Strukturen<br />
können die Fachleute dabei unterstützen, die erarbeiteten<br />
Vorschläge fundiert zu prüfen und gegebenenfalls<br />
umzusetzen.<br />
43
Information<br />
Was sind POP- o<strong>de</strong>r Verrichtungsboxen?<br />
Verrichtungsboxen ähneln <strong>ein</strong>er Garage und bieten<br />
Prostituierten die Möglichkeit dort, geschützt vor<br />
frem<strong>de</strong>n Blicken, ihre Freier zu bedienen. Die Kun<strong>de</strong>n<br />
fahren mit ihren Autos in die Box. Die Frauen haben<br />
im Notfall Platz, um das Auto zu verlassen. Es gibt<br />
auch Container für Freier ohne Auto. Oftmals wer<strong>de</strong>n<br />
Verrichtungsboxen <strong>durch</strong> sanitäre Einrichtungen für<br />
die Prostituierten ergänzt. ...<br />
siehe auch: http://<strong>de</strong>.wikipedia.org/wiki/Verrichtungsbox<br />
Grafik: © Volkmar Nickol Architekt 2012<br />
44
BSR-Initiative<br />
Bei mehreren Treffen mit Anwohner_innen entstand<br />
die I<strong>de</strong>e, das Gespräch mit <strong>de</strong>r <strong>Berlin</strong>er Stadtr<strong>ein</strong>igung<br />
direkt zu suchen. Gem<strong>ein</strong>sam wur<strong>de</strong> <strong>ein</strong>e Initiative<br />
gestartet: Die Mülleimer im Gebiet rund um die<br />
Kurfürstenstraße erhielten spezielle Aufkleber, flankierend<br />
dazu wur<strong>de</strong>n Plakate und »Kondom-Tüten«<br />
mit Hinweisen in sieben Sprachen erstellt und <strong>durch</strong><br />
<strong>de</strong>n Frauentreff OLGA an die Prostituierten verteilt.<br />
Für diese Unterstützung und Aktion möchten wir <strong>de</strong>r<br />
BSR ganz herzlich danken.<br />
Information<br />
Die Mittwochs-Initiative e.V.<br />
„Gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> die Mittwochs-Initiative e.V. Anfang<br />
<strong>de</strong>r 90er Jahre als Ergebnis <strong>ein</strong>es „Run<strong>de</strong>n Tisches“<br />
aus Vertretern von Stadtteilver<strong>ein</strong>en, Bezirksämtern,<br />
Polizei und Drogenhilfeprojekten. Der Ver<strong>ein</strong> arbeitet<br />
seit 10 Jahren in Kooperation mit Fixpunkt e.V. ehrenamtlich<br />
in <strong>de</strong>n Bereichen Drogenprophylaxe und<br />
Aids-Prävention. Das Projekt in <strong>de</strong>n Räumen <strong>de</strong>r<br />
Evangelischen Zwölf-Apostel-Kirchengem<strong>ein</strong><strong>de</strong> ist <strong>ein</strong><br />
niedrigschwelliges Kontaktangebot für die Drogenszene<br />
Kurfürstenstraße; Ziel ist auch, die Situation für<br />
Anwohnerinnen und Anwohner zu verbessern.<br />
Bernd Weiß von <strong>de</strong>r Mittwochs-Initiative e.V. bei <strong>de</strong>r Essens-und<br />
Kondomausgabe Foto: Gerhard Haug<br />
Je<strong>de</strong>n Mittwoch von 19 bis 22 Uhr wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Räumen<br />
<strong>de</strong>r Kirchengem<strong>ein</strong><strong>de</strong> Spritzen getauscht, Kleidung<br />
und warme Mahlzeiten ausgegeben. Darüber<br />
hinaus bestehen Möglichkeiten <strong>de</strong>r Beratung und <strong>de</strong>r<br />
Weiterleitung in an<strong>de</strong>re Drogenhilfe<strong>ein</strong>richtungen.“<br />
Text aus Kontakt: http://www.zwoelf-apostel-berlin.<br />
<strong>de</strong>/infos/mittwochsini/in<strong>de</strong>x.shtml<br />
45
Überblick über Gesetzeslage – Soziale Anlaufstellen<br />
Prostitution (Prostitutionsgesetz – ProstG) ist in<br />
Deutschland grundsätzlich legal. Die Ver<strong>ein</strong>barung<br />
sexueller Handlungen gegen Entgelt ist <strong>ein</strong> rechtswirksames<br />
Geschäft. Ein Beschäftigungsverhältnis b<strong>ein</strong>haltet<br />
damit auch die Nutzung gesetzlicher Sozialversicherungen.<br />
Prostitution ist grundsätzlich mit unter 18-Jährigen<br />
für die Kun<strong>de</strong>n strafbar. Personen aus <strong>de</strong>n alten EU-<br />
Län<strong>de</strong>rn können in allen Bereichen <strong>de</strong>s Sexgewerbes,<br />
aus <strong>de</strong>n neuen EU-Beitrittslän<strong>de</strong>rn jedoch nur<br />
als Selbständige, legal arbeiten. Personen aus Nicht<br />
-EU-Län<strong>de</strong>rn brauchen <strong>ein</strong>en entsprechen<strong>de</strong>n Aufenthaltsstatus<br />
mit Arbeitserlaubnis.<br />
Zuhälterei (§ 181a StGB) ist strafbar. Voraussetzung<br />
dafür ist, dass die Prostituierte vom Zuhälter in Abhängigkeit<br />
gehalten und in ihrer Selbstbestimmung<br />
(z. B. Arbeitszwang) be<strong>ein</strong>trächtigt wird. Sie ist nur<br />
nachweisbar, wenn die betroffenen Frauen <strong>ein</strong>e entsprechen<strong>de</strong><br />
Anzeige machen.<br />
<strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l zum Zwecke <strong>de</strong>r sexuellen Ausbeutung<br />
(§232 StGB) liegt vor, wenn Personen mittels<br />
Täuschung, Drohungen, Gewaltanwendung<br />
angeworben wer<strong>de</strong>n und im Zielland zur Aufnahme<br />
und Fortsetzung <strong>de</strong>r Prostitution o<strong>de</strong>r sexueller<br />
Handlungen gebracht o<strong>de</strong>r gezwungen wer<strong>de</strong>n,<br />
die ausbeuterisch o<strong>de</strong>r sklavenähnlich sind, d.h. ihre<br />
<strong>Menschen</strong>rechte verletzen. Zur Erfüllung <strong>de</strong>s Tatbestands<br />
<strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l sind Nötigung, Zwang und<br />
Täuschung als Kernelemente notwendig. Auch <strong>Menschen</strong>han<strong>de</strong>l<br />
ist nur nachweisbar, wenn sich die betroffenen<br />
Frauen zu entsprechen<strong>de</strong>n Aussagen entschließen<br />
und als Zeuginnen zur Verfügung stehen.<br />
Da die Sittenwidrigkeit sowie die Strafbarkeit <strong>de</strong>r Prostitutionstätigkeit<br />
und <strong>de</strong>s Betreibens entsprechen<strong>de</strong>r<br />
Einrichtungen grundsätzlich nicht mehr gegeben ist,<br />
könnte zur nachhaltigen Regelung <strong>de</strong>r Prostitution<br />
das Gewerberecht mit Gewerbeordnung und Gaststättengesetz<br />
angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Prostitutionwäre<br />
dann als Gewerbe (§ 14 Gewerbeordnung) bei <strong>de</strong>r<br />
zuständigen Behör<strong>de</strong> (Gewerberegister) anzuzeigen<br />
und die Betreiber von Einrichtungen zur Prostitutionsausübung<br />
(vom Privatclub bis zum Großbor<strong>de</strong>ll)<br />
wür<strong>de</strong>n dann <strong>de</strong>r Anzeigepflicht und damit auch <strong>de</strong>r<br />
Zuverlässigkeitsprüfung unterliegen.<br />
Wann <strong>ein</strong>e Störung <strong>de</strong>r Nachtruhe <strong>durch</strong> Unzulässigen<br />
Lärm (OWiG § 117) vorliegt, ist unter Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> in je<strong>de</strong>m Einzelfall festzustellen.<br />
Dafür ist insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Gebietstyp von<br />
Be<strong>de</strong>utung, z.B. ob es sich um Kern- o<strong>de</strong>r Mischgebiete<br />
mit überwiegend gewerblicher Nutzung han<strong>de</strong>lt.<br />
Um <strong>de</strong>n Tatbestand <strong>de</strong>r jugendgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Prostitution<br />
(§184f StGB) zu erfüllen, müssen zum <strong>ein</strong>en<br />
die Prostituieren vor <strong>de</strong>r Schule, <strong>de</strong>r Jugend<strong>ein</strong>richtung<br />
o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtagesstätte in gröblich und erheblich<br />
sittlich gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Art und Weise auftreten und zum<br />
an<strong>de</strong>ren müssen sie <strong>durch</strong> ihr Auftreten und Verhalten<br />
die Persönlichkeitsentwicklung von Kin<strong>de</strong>rn und<br />
Jugendlichen beschädigen bzw. <strong>de</strong>ren Herausbildung<br />
ver- o<strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rn. Bei<strong>de</strong>s ist von Belang und<br />
muss entsprechend nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>m Instrument Sperrbezirke und Sperrzeiten<br />
(§ 184e StGB) wird festgelegt, wann und wo Prostitution<br />
stattfin<strong>de</strong>n darf (Toleranzzonen) und wo nicht<br />
(Sperrbezirke/Sperrgebiete). Das Verbot <strong>de</strong>r Ausübung<br />
von Prostitution an bestimmten Orten o<strong>de</strong>r zu bestimmten<br />
Zeiten, muss <strong>durch</strong> die Lan<strong>de</strong>sregierungen<br />
klar bestimmt o<strong>de</strong>r an die Bezirke <strong>de</strong>legiert wor<strong>de</strong>n<br />
s<strong>ein</strong>.<br />
In <strong>Berlin</strong> hat die Lan<strong>de</strong>sregierung die bezirklichen<br />
Behör<strong>de</strong>n nicht dazu ermächtigt, so dass die Bezirke<br />
hier rechtlich nicht han<strong>de</strong>ln können und dürfen.<br />
Die <strong>ein</strong>zigen Städte in Deutschland, die k<strong>ein</strong>e Sperrgebietsverordnungen<br />
besitzen, sind <strong>Berlin</strong> und Rostock.<br />
Die Prostitution an sich ist damit k<strong>ein</strong> Regelungsgegenstand<br />
in <strong>Berlin</strong>. Prostitution ist <strong>de</strong>mnach<br />
im gesamten Stadtgebiet erlaubt.<br />
46
Frauentreff Olga<br />
»ist <strong>ein</strong> Kontaktla<strong>de</strong>n für drogenabhängige und sich<br />
prostituieren<strong>de</strong> Frauen direkt an <strong>de</strong>r Kurfürstenstraße,<br />
<strong>de</strong>m „Drogenstrich“ von <strong>Berlin</strong>. Die Angebote orientieren<br />
sich an <strong>de</strong>n spezifischen Lebensbedingungen<br />
<strong>de</strong>r Frauen/ Transgen<strong>de</strong>r, die geprägt sind von<br />
Prostitution, Obdachlosigkeit, Gewalterfahrungen<br />
sowie <strong>ein</strong>er schlechten psychischen und physischen<br />
Verfassung.<br />
Neben professionellen Beratungen, Streetwork mit<br />
anschließen<strong>de</strong>r (begleiteter) Vermittlung in weiterführen<strong>de</strong><br />
Hilfen, versorgt das Olga die Frauen mit Essen,<br />
bietet Möglichkeiten zur Körper- bzw. Wäschepflege<br />
und verteilt Kondome sowie saubere Spritzen. Eine<br />
kostenlose medizinische Versorgung, Rechtsberatung<br />
und Polizeisprechstun<strong>de</strong> für Opfer von Gewalt<br />
ergänzen das Angebot.<br />
Zusätzlich bietet Olga immer wie<strong>de</strong>r Kurse für ausstiegswillige<br />
Prostituierte an. Da fast die Hälfte <strong>de</strong>r<br />
betreuten Frauen aus Osteuropa kommt, helfen wir<br />
in unseren Streetworkprojekten auch mit Angeboten<br />
und Hilfen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Lan<strong>de</strong>ssprachen<br />
<strong>de</strong>r Frauen.«<br />
siehe: www.notdienstberlin.<strong>de</strong><br />
Kurfürstenstraße 40 10785 <strong>Berlin</strong>, 0<strong>30</strong>) 262 89 59<br />
subway<br />
»Projekt für Jungs, die unterwegs sind und anschaffen:<br />
Streetwork an Orten männlicher Prostitution,<br />
Anlaufstelle als Schutzraum für Jungs mit Erstversorgung,<br />
Beratung, ärztlicher Sprechstun<strong>de</strong> und<br />
Ruhemöglichkeiten, intensive Einzelfallarbeit, Begleitung<br />
zu Ämtern, Unterstützung bei Beschaffung von<br />
Wohnraum, Ausbildungsplätzen o<strong>de</strong>r Arbeitsmöglichkeiten,<br />
Arbeit mit Migranten, Beratung zu auslän<strong>de</strong>rrechtlichen<br />
Fragen, Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Beratung in Deutsch, Polnisch, Russisch, Rumänisch,<br />
Bulgarisch, Englisch, Spanisch, Französisch.<br />
Ärztliche Versorgung für Jungs ohne Zugang zum<br />
Gesundheitssystem, kostenlos, anonym in <strong>de</strong>r Anlaufstelle<br />
und vor Ort mit <strong>de</strong>m Arztmobil.«<br />
siehe: www.subway-berlin.<strong>de</strong><br />
Nollendorfstraße 31 10777 <strong>Berlin</strong>, (0<strong>30</strong>) 219 65 167<br />
gangway – Team Streetwork an Brennpunkten<br />
»Wir arbeiten überbezirklich an <strong>de</strong>n vier Brennpunkten<br />
Alexan<strong>de</strong>rplatz, Ostbahnhof, Kurfürstenkiez und<br />
Zoologischer Garten. Unser Projekt richtet sich an<br />
Wohnungslose, von Wohnungslosigkeit bedrohte Volljährige<br />
und <strong>Menschen</strong>, die sich in vergleichbaren<br />
schwierigen Lebenslagen befin<strong>de</strong>n sowie <strong>de</strong>ren soziales<br />
Umfeld. Angebote: Primärversorgung, Information,<br />
Beratung Unterstützung, Begleitung, Vermittlung<br />
ins gesamte <strong>Berlin</strong>er Hilfesystem, Krisenintervention«<br />
siehe: www.gangway.<strong>de</strong><br />
Schumannstr. 5, 10117 <strong>Berlin</strong>, (0<strong>30</strong>)28 <strong>30</strong> 23-33<br />
Fixpunkt<br />
»bietet akzeptieren<strong>de</strong> und vorurteilsfreie Drogenhilfe<br />
und Gesundheitsför<strong>de</strong>rung an und ist Träger von<br />
Projekten <strong>de</strong>r Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und Suchthilfe<br />
mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt „Infektionsprophylaxe“.<br />
Arbeitsbereiche sind <strong>de</strong>r Betrieb von Spritzenautomaten,<br />
niedrigschwellige mobile sozialarbeiterische<br />
und medizinische Unterstützung zur Scha<strong>de</strong>nsvermin<strong>de</strong>rung<br />
und Infektionsprophylaxe im Kontext von<br />
Drogenkonsum, medizinisch betreuter Drogenkonsum,<br />
Zahnprophylaxe und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Selbstorganisation<br />
von Drogengebraucher/innen.«<br />
siehe: www.fixpunkt-berlin.<strong>de</strong><br />
Boppstr. 7 10967 <strong>Berlin</strong>, (0<strong>30</strong>)693 22 60<br />
HYDRA<br />
»berät anonym, kostenlos und unabhängig vom Aufenthaltsstatus.<br />
Sprachmittler/innen stehen nach Absprache<br />
zur Verfügung. Die Zielgruppen unserer Beratung<br />
sind: weibliche Prostituierte, <strong>ein</strong>geschlossen<br />
Migrantinnen, männliche Prostituierte in Einzelfällen,<br />
<strong>Menschen</strong>, die in die Prostitution <strong>ein</strong>steigen wollen,<br />
Angehörige von Prostituierten, Freier und <strong>Menschen</strong>,<br />
die mit Prostituierten arbeiten o<strong>de</strong>r mit ihnen zu tun haben<br />
(Rechtsanwält/innen, Ärzt/innen, an<strong>de</strong>re Fachberatungsstellen,<br />
Polizist/innen, etc.).<br />
Hydra berät zu folgen<strong>de</strong>n Themen sozialrechtliche<br />
Fragen (Krankenversicherung, Sozialhilfe, Wohngeld,<br />
Schul<strong>de</strong>n etc.), rechtliche Situation, Selbstständigkeit<br />
in <strong>de</strong>r Prostitution, auch Einstiegsberatung, Prävention<br />
von sexuell übertragbaren Infektionen (HIV/AIDS,<br />
Hepati<strong>de</strong>n, STI), psychosoziale Beratung und Krisenintervention,<br />
Gewaltsituationen, Umstieg in <strong>ein</strong>e an<strong>de</strong>re<br />
Erwerbstätigkeit. Einstiegsberatung.<br />
Frauen, die <strong>de</strong>n Einstieg in die Prostitution für sich in<br />
Erwägung ziehen, wer<strong>de</strong>n in persönlicher und vertraulicher<br />
Atmosphäre beraten, erhalten Unterstützung<br />
bei <strong>de</strong>r Entscheidungsfindung und Antworten<br />
auf alle Fragen, die sie sich stellen, bevor sie möglicherweise<br />
konkrete Schritte unternehmen.«<br />
siehe: www.hydra-berlin.<strong>de</strong><br />
Köpenicker Str. 187/188,10997 <strong>Berlin</strong> (0<strong>30</strong>) 611 00 23<br />
Neustart<br />
»Unser Café am Straßenstrich ist an vier Wochentagen<br />
für die sich prostituieren<strong>de</strong>n Frauen und Drogenabhängigen<br />
geöffnet. Unsere Mitarbeiter stehen für<br />
persönliche und geistliche Gespräche zur Verfügung.<br />
Über die Öffnungszeiten hinaus betreuen wir bedürftige<br />
Frauen ganz praktisch bei <strong>de</strong>r Bewältigung<br />
schwieriger Lebenssituationen. Regelmäßig sind wir<br />
rund um die Kurfürstenstraße sowie auf <strong>de</strong>r Oranienburger<br />
Straße unterwegs und helfen Frauen in <strong>de</strong>r<br />
Prostitution.«<br />
siehe: www.neustart-ev.<strong>de</strong><br />
Kurfürstenstraße 40, 10785 <strong>Berlin</strong>, (0<strong>30</strong>) 26 36 74 58<br />
47
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Bezirkliche Koordination für das<br />
Quartiersmanagement Schöneberger Nor<strong>de</strong>n<br />
John-F.-Kennedy-Platz, 10820 <strong>Berlin</strong><br />
Texte:<br />
Christiane Howe<br />
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg<br />
von <strong>Berlin</strong>,<br />
Abt. Gesundheit, Soziales,<br />
Stadtentwicklung<br />
Redaktion:<br />
Christiane Howe, Gisela Gut, Corinna Lippert<br />
Gestaltung:<br />
Gerhard Haug, <strong>Berlin</strong><br />
www.haug-art-berlin.<strong>de</strong><br />
Druck:<br />
Ruksaldruck GmbH und Co. KG Repro plus Offset<br />
www.ruksaldruck.<strong>de</strong><br />
Das Projekt »Nachbarschaft und Prostitution<br />
– Bürgerausstellung « wur<strong>de</strong> 2011/2012 von Gerhard<br />
Haug, Rolf Hemmerich und Christiane Howe konzipiert<br />
und <strong>durch</strong>geführt.<br />
Das Projekt wur<strong>de</strong> geför<strong>de</strong>rt <strong>durch</strong> die Europäische<br />
Union, die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und das<br />
Land <strong>Berlin</strong> im Rahmen <strong>de</strong>s Programms „Zukunftsinitiative<br />
Stadtteil“ Teilprogramm „Soziale Stadt“.<br />
Träger <strong>de</strong>s Projektes ist<br />
netzwerk stadtraumkultur e.V.<br />
Quellennachweis:<br />
Prostituierte vor <strong>ein</strong>em Hotel in <strong>de</strong>r Potsdamer<br />
Straße, Mai 1976. Fotograf: Wolfgang Albrecht. Mit<br />
Genehmigung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sarchivs <strong>Berlin</strong>, Inventar-<br />
Nr. 189374 (Seite 14)<br />
U-Bahnhof Bülowstraße/Bülowecke.<br />
Kolorierte Postkarte nach <strong>ein</strong>em Motiv von 1915.<br />
Mit Genehmigung <strong>de</strong>s Museums Tempelhof-<br />
Schöneberg von <strong>Berlin</strong> (MTS). Inventar-Nr.: Bü-25<br />
(Seite 15)<br />
Gebietskarte rund um die Kurfürstenstraße<br />
Karte von <strong>Berlin</strong> 1 : 5000 (RD TK5), Blätter 413A<br />
und 423C (Seite 10-11)<br />
© GeoBasis-DE/SenStadt III (2012)<br />
Quelle: Bestellservice für Veröffentlichungen - Karten<br />
und Luftbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Senatsverwaltung für Stadtentwicklung:<br />
http://www.stadtentwicklung.berlin.<strong>de</strong>/<br />
service/veroeffentlichungen/<strong>de</strong>/karten_luftbil<strong>de</strong>r/<br />
Abbildungsnachweis:<br />
Fotografie:<br />
Wolfgang Albrecht, Georg Füll, Gerhard Haug,<br />
Rolf Hemmerich, Wiebke Holtmann<br />
Grafiken:<br />
Ton Belowskey, Gerhard Haug, Volkmar Nickol<br />
Dank<br />
Wir danken allen Beteiligten, die diese Ausstellung<br />
mit <strong>ein</strong>em Interview unterstützt haben.<br />
Weitere Informationen und Kontakt:<br />
www.netzwerk-stadtraumkultur.<strong>de</strong> und<br />
www.schoeneberger-nor<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />
© Alle Rechte vorbehalten:<br />
Gerhard Haug, Rolf Hemmerich, Christiane Howe<br />
1. Auflage: 2500, <strong>Berlin</strong> Dezember 2012<br />
48
Das Geschehen vor unserem Wohnzimmer, siehe dazu Seite 38 I<strong>de</strong>e: Dorit Meier Grafik: Gerhard Haug
Fotos: Gerhard Haug<br />
Herausgeber:<br />
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg<br />
von <strong>Berlin</strong><br />
Abt. Gesundheit, Soziales,<br />
Stadtentwicklung