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6 SOMMER 15 // <strong>BLATTZEIT</strong> // ECKENSTEHER KURZ GESAGT ALS ECKENSTEHERIN HATTE MAN ES 2014, BEVOR DIE ALTE FEUERWACHE IN BOITZENBURG TOURIST-INFO WURDE, NICHT LEICHT – ZUMINDEST NICHT WOCHENTAGS ZUR MITTAGSZEIT. WER VORBEI KOMMT, HAT ES EILIG UND KAUM ZEIT FÜR PLAUDEREIEN. WIR WOLLTEN ABER VOR DEN UMBAUARBEITEN WISSEN, WAS DIE LEUTE VON DEM PROJEKT HALTEN, DASS HIER EINE SCHMUCKE BEGEGNUNGSSTÄTTE MIT EINER OFFENEN BIBLIOTHEK UND INFORMATIONSMÖGLICHKEITEN ÜBER DIE REGION FÜR BOITZENBURGER UND BESUCHER ENTSTEHEN WIRD. MEHR DAZU AUCH AUF DEN SEITEN 18 UND 19. SIBILLE RENDAR, LEHRERIN AUS BERLIN „Ich bin derzeit mit meiner Klasse auf Klassenfahrt im Schloss Boitzenburg. Dass hier in der alten Feuerwehr eine Begegnungsstätte für die Boitzenbuger und für Touristen entstehen soll, finde ich ganz toll. Denn wenn die Kinder Freizeit haben, kann man ihnen noch die Bibliothek anbieten und wenn es dann noch Computer gäbe, könnten sie hier ihre Bilder verarbeiten. Ich finde es auch ganz wichtig, dass die Boitzenburger Kontakt mit den Schulkindern bekommen. In meiner Klasse sind Kinder aus verschiedenen Nationen. Es ist wichtig, dass nicht Vorurteile entstehen gegenüber Ausländern und Migranten. Und hier entsteht eine Möglichkeit, sich friedlich zu begegnen, das finde ich einfach toll.“ „ICH LEIHE MIR BÜCHER MIT TIEREN AUS. UND FILME MIT BUD SPENCER. DEN DÜNNEN FINDE ICH TOLL.“ WILHELMINE MARKGRAF, KINDERGARTENKIND AUS WICHMANNSDORF MARLIES SCHMAEDECKE, ALTENPFLEGERIN AUS BOITZENBURG „Ich finde es gut, dass die Feuerwache genutzt wird, dass sie nicht mehr leer steht, dass sich Leute hier im Dorf wieder treffen können. Denn ab 17 Uhr können Sie hier die Bürgersteige hochklappen. Beruflich bin ich als Altenpflegerin zwar ausgelastet, aber ich hoffe, dass die Sache von den Leuten hier angenommen wird.“ HELGA HESSE, RENTNERIN AUS BOITZENBURG „Ganz unglaublich, was der Vorstand des Tourismusvereins Boitzenburger Land da auf die Beine stellt. Etwas skeptisch bin ich allerdings, ob alle Besucher so pfleglich mit den Dingen umgehen, die da so offen herumstehen. Ich freue mich aber darauf, mir Bücher ausleihen zu können. Und vor allem, dass ich einige von meinen dort auch spenden kann. Vieles liest man doch nur einmal. Und dann stehen die Bücher im Schrank und verstauben. So kann jemand anderes sich noch einmal daran erfreuen.“
TEXT: Andrea Ackermann FOTOS: privat SOMMER 15 // <strong>BLATTZEIT</strong> // PORTRÄT 7 COME ON JOHN, LASS UNS WEITERMACHEN! GERMANIST, ORGELRESTAURATOR, SANIERER, BERATER, MUSIKER – JOHN BARR IST EIN MULTITALENT. MIT SEINER OFFENEN, HERZERWÄRMENDEN ART IST DER AMERIKANER IN DEN VERGANGENEN 25 JAHREN ZUM UNVERWECHSELBAREN KENNER BRANDENBURGER DÖRFER UND ZUM RETTER VIELER ORGELN GEWORDEN. Er sagt von sich in seinem liebenswert knödligen Singsang, den Amerikaner nicht verlieren, auch wenn sie lange in Deutschland leben und perfekt deutsch sprechen wie John, er sei ein „Messi“. Das stimmt nicht. Einer wie John kann halt vieles gebrauchen und noch Brauchbares wegzuwerfen, ist noch nie sein Ding gewesen. Ihm geht es eher ums Bewahren. „Ich gelte als Störenfried“, sagt der 67-jährige Protestant und bekennt, dass er eigentlich nicht mehr weitermachen will. Man glaubt sich verhört zu haben. Der Mann, der schon längst eine kleine Berühmtheit mit seiner Orgelmacke und seiner Leidenschaft für Orgeln in Brandenburg erlangte, will aufgeben? Die Kirchengemeinden beklagen Mitgliederschwund, die Landeskirchen haben kein Geld, der Denkmalschutz verweist ebenso auf leere Kassen. Eine Orgel vollständig zu sanieren, kostet im Durchschnitt 80.000 Euro. Woher also nehmen? Wer schafft es, das Orgelsterben aufzuhalten? Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Hunderte Instrumente in Brandenburg hält John Barr für vollkommen unbespielbar. Er kann sich vor Anfragen nicht mehr retten. Aber er weiß, dass er weder übermenschliche Kräfte besitzt, noch Millionen auf der Bank gebunkert hat, mit denen er „seinen Lieblingen“ zu neuem Leben verhelfen kann. John besitzt dennoch eine Kraft, die selten ist: Er will nicht weniger als den Zeitgeist ändern. Und seine Leidenschaft ist ansteckend. Wer ihn kennt und ihm genau zuhört, weiß, dass er ja nur „eigentlich“ aufhören will. Unermüdlich knüpft er Netzwerke, organisiert Konzerte und begeistert Menschen, die normalerweise nicht in die Kirche gehen, für Orgelkonzerte. Er fordert nichts, was er selbst nicht bereit ist zu geben. Klar, dass er auch jeden Tag bei der 96-Stunden-Aktion des RBB Anfang Juni 2014 mitgemacht hat, um die alte Feuerwache in Boitzenburg zu einer Begegnungsstätte für Einwohner und Touristen umzubauen. Tatsächlich – er will eigentlich offiziell keine Orgeln mehr retten. Das Gespräch mit ihm verlangt nach einer kleinen Pause. Nachdenken. Warum sagt er ‚eigentlich‘? Was oder besser wen stört der Mann, der von sich sagt, mehr als 250 Dörfer Brandenburgs zu kennen. Die haben es ihm angetan und deshalb sanierte John Barr mit Freunden seit dem Jahr 2000 ehrenamtlich drei Orgeln komplett und rund 20 Instrumente teilweise. Ohne Arbeitslohn, so dass die auftraggebenden Kirchengemeinden nur Material- und Fahrtkosten aufzubringen hatten. Immerhin war das etwa ein Zehntel der Kosten, die etablierte Orgelbaufirmen veranschlagt hatten. Wer so unkonventionell Kulturschätze am Leben erhält, der eckt an: beim Landesdenkmalschutz und bei der Landeskirche. Und weil er sich ehrlichen Herzens nicht an die Spielregeln deutscher Bürokratie hält, eilt ihm einerseits ein Ruf voraus: „Lass bloß nicht den Amerikaner ran“, wenn publik wird, dass resolute Pfarrer ihn um Rat fragen wollen, und andererseits kümmern sich die Brandenburger liebevoll in jedem Dorf um den Ami, der für ein Dankeschön gegen Holzwürmer, stumme Pfeifen, gegen den Zahn der Zeit und noch mehr gegen die Mühlen der deutschen Bürokratie ackert. Man fragt sich schon, warum tut er das? Ein unverbesserlicher Gutmensch, ein verrückter Orgelmissionar? Nein, mit Gutmenschelei hat er nichts am Hut, eher mit seinem Verständnis, als Christ zu leben. Er schwärmt vom kulturellen Reichtum Brandenburgs und verweist auf die Dorfkirchen. Schätze, die Menschen in den Gemeinden vor zweihundert oder noch mehr Jahren errichteten, weil sie ihnen etwas bedeuteten. Und heute? Seine liebenswerte zupackende Art hat John Barr Freunde fürs Leben in Brandenburg beschert. Das zählt für ihn. „Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle und in Rosenow, wo ich jetzt lebe, geht es mir gut. Es kümmern sich alle um mich.“ Also, come on John, mach weiter. | „MENSCHENFRESSENDE ORGEL“ – JOHN BARR KENNT DIE EINGEWEIDE SEINER ORGELN BIS ZUR LETZTEN PFEIFE.
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