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Bauwelt 45.10 - Assmann Gruppe

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Sonderdruck aus:<br />

<strong>Bauwelt</strong><br />

<strong>45.10</strong><br />

herausgegeben vom Bauverlag BV GmbH, Berlin


14 Thema Wunderbares Westfalen<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010<br />

Wunderbares Westfalen | In dieser Region herrschen<br />

unterschiedliche Geschwindigkeiten. Das zeigt sich auch<br />

bei der Erneuerung zweier Baudenkmäler. Im Ruhrgebiet<br />

hat man auf durchgreifende Erneuerung gesetzt,<br />

in Ostwestfalen auf bedachtsames Ergänzen.<br />

Der U-Turm ist point de vue<br />

manch Dortmunder Perspektive,<br />

hier der Blick von Sü-<br />

den aus der Friedrichstraße.<br />

Lageplan im Maßstab 1 :5000


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010<br />

3<br />

3<br />

3<br />

Finale in Dortmund<br />

Gerade noch rechtzeitig zum Ende des Kulturhauptstadtjahres im Ruhrgebiet haben Gerber Architekten das ehemalige<br />

Kellereihochhaus der Union­Brauerei zum Kultur­ und Kreativzentrum umgebaut. Von nun an soll nicht nur die „U“­Krone<br />

über der Stadt leuchten, sondern der ganze Bau als Katalysator der Innenstadtentwicklung wirken.<br />

Kritik Ulrich Brinkmann Fotos Christian Richters<br />

3<br />

Ein Baudenkmal, das die Stadt seit achtzig Jahren prägt, wurde<br />

erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt. Nun, so soll es<br />

sein – aus Dortmund aber ist eine solche Nachricht eine Überraschung,<br />

war die Stadt bislang doch wenig auf die Pflege ihrer<br />

Erscheinung wie historischen Lesbarkeit bedacht, ja schien<br />

gegen alles zu wüten, was architektonisch über bloßes Mittelmaß<br />

hinausreichte – erinnert sei nur an die noch immer unfassbare<br />

Sprengung von Walter Höltjes Stadt- und Landesbibliothek<br />

im Jahr 1996, der barbarischste Akt auf einer langen<br />

Liste baukulturellen Vandalismus. Beim ehemaligen Kellereihochhaus<br />

der Union-Brauerei aber haben sich die Verantwortlichen<br />

eines Besseren besonnen, und so darf Dortmund mit<br />

dem Abschluss der Umbauarbeiten in dem expressiven Backsteinbau<br />

das Finale des Kulturhauptstadtjahres feiern.<br />

Dass die Fertigstellung mit dem Ende des Großevents zusammenfällt,<br />

ist trotz der langen Vorgeschichte (s. Seite 23)<br />

folgerichtig. Der Umbau des „U“, wie der von Emil Moog 1926<br />

geplante Turm dank der vier von Ernst Neufert hinzu entworfenen,<br />

seit 1968 das Bauwerk krönenden Buchstaben genannt<br />

wird, zum „Kreativ- und Kulturzentrum“ ist DAS Dortmunder<br />

Projekt zum Kulturhauptstadtjahr; ohne die zu diesem Anlass<br />

1<br />

5<br />

3<br />

2<br />

4<br />

2<br />

1 „U“<br />

2 Bürogebäude (Bestand)<br />

3 Bürogebäude (Planung)<br />

4 Brinkhoffstraße<br />

5 Rheinische Straße<br />

verfügbaren Mittel – allein 23 der knapp 50 Millionen für den<br />

Umbau eingesetzten Euro kamen von der EU, weitere 9 Millionen<br />

hat das Land NRW zugeschossen – wäre es undenkbar gewesen,<br />

irgendeinen der drei im Wettbewerb (<strong>Bauwelt</strong> 27.06)<br />

gleichrangigen Siegerentwürfe zu verwirklichen. Dabei ist die<br />

Umnutzung des Wahrzeichens ein Vorhaben von größter Bedeutung<br />

für die Stadt. Denn alles andere, was die Brauerei auf<br />

dem Gelände zwischen Rheinischer Straße im Süden, Unionstraße<br />

im Westen, Bahntrasse im Norden und Brinkhoffstraße<br />

im Osten hinterlassen hatte, ist verschwunden. Mit der Wiederbelebung<br />

des „U“ verknüpft sich mithin die Hoffnung, Interessenten<br />

für die Neubebauung der weiten Brachfläche zu<br />

finden und der westlichen Innenstadt einen Impuls zu geben<br />

– die Umnutzung ist unverzichtbar, soll das Stadtumbauprojekt<br />

„Rheinische Straße“ gelingen.<br />

Der freigelegte Solitär<br />

Wen wundert es, dass von den drei Preisträgern nicht Léon<br />

Wohlhage Wernik oder gar der junge Dirk Bücker, beide aus<br />

dem fernen Berlin, den Auftrag erhalten haben, sondern die<br />

lokal gut vernetzten Gerber Architekten? Diese haben nach<br />

15


16 Thema Wunderbares Westfalen<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 17<br />

dem Harenberg-Hochhaus (<strong>Bauwelt</strong> 29–30.95) und dem RWE-<br />

Turm dem Dortmunder Bahnhofsumfeld nun ein drittes prägendes<br />

Werk einschreiben können, denn dass mit dem U-Turm<br />

etwas Entscheidendes geschehen sein muss, zeigt sich nicht<br />

nur an der Reparatur seiner Oberflächen, sondern auch an den<br />

neuen Applikationen.<br />

Der einstmals allseitig eingebaute und funktional eingewobene<br />

Industriebau präsentiert sich dem Besucher heute fast<br />

vollständig freigelegt – die rot gestrichenen Fassadenbereiche<br />

des Turms künden dabei von den früher dort anschließenden<br />

Brauereigebäuden. Lediglich auf der Ostseite, in Richtung<br />

Stadtzentrum, hat eine gestalterisch nicht weiter bemerkenswerte<br />

Bürobebauung Platz genommen. Für Fußgänger ist das<br />

neue „Kreativzentrum“ gefahrlos zu erreichen: Die Brinkhoffstraße,<br />

die einst geradewegs zur Rheinischen Straße führte,<br />

knickt heute auf Höhe des U-Turms gen Osten ab und mündet<br />

in den Wallring. Dem Büroneubau ist dadurch ein Platz vor-<br />

Dass mit dem U-Turm etwas Entschei-<br />

dendes geschehen sein muss, zeigt sich auch<br />

an den neuen Applikationen.<br />

gelagert, der noch der Gestaltung harrt; den Wettbewerb hatte<br />

2008 die Arbeitsgemeinschaft Hermanns und Caspari aus Niederkrüchten<br />

gewonnen. An der Gebäudeecke vorbei erreicht<br />

der Besucher einen weiteren Platz, welcher dem „U“ vorgelagert<br />

ist; darunter liegt die Zufahrt zu den Technik- und Depotflächen,<br />

die in den alten Brauereigewölben Platz gefunden<br />

haben. Der Eingang in den Turm wird hier wie auf der Westseite<br />

von einem verglasten Kasten bezeichnet, welcher gestalterisch<br />

mit den beiden „Nasen“ korrespondiert, die dem Wahrzeichen<br />

auf halber Höhe auf der Ost- und Nordseite angehängt<br />

worden sind. Diese machen die Neuprogrammierung des Gebäudes<br />

außen sichtbar; innen inszenieren sie den nicht gerade<br />

erhebenden Blick auf das Dortmunder Zentrum.<br />

Zwei Räume wider die Ästhetik des Neutralen<br />

Wer das „U“ betritt, dürfte zunächst enttäuscht sein: Nichts<br />

Anziehendes lockt; kein besonderer Raum, der sich öffnete,<br />

keine Details, die die Aufmerksamkeit fesseln könnten, keine<br />

Oberflächen oder Materialien, über die der Besucher gerne die<br />

Linke Seite: Dem Haupteingang<br />

ist auf der Ostseite ein<br />

neuer Platz vorgelagert.<br />

Wandel einer Straße: Die charaktervollen<br />

Industriebauten<br />

der 20er bis 60er Jahre an<br />

der Brinkhoffstraße sind verschwunden,<br />

die Straße selbst<br />

wurde verschwenkt.<br />

Schnitt Ost-West im Maßstab<br />

1:750; Foto: Udo Meinel


18 Thema Wunderbares Westfalen<br />

Der vorgelagerte Quader<br />

dient als Windfang, von hier<br />

gelangt der Besucher ins<br />

Foyer, wo linker Hand die<br />

Rolltreppenhalle anschließt.<br />

Schnitt Nord-Süd im Maß-<br />

stab 1:750<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010<br />

Hand gleiten ließe, und schon gar keine Spuren des vergangenen<br />

industriellen Alltags – nüchtern und zweckmäßig empfängt<br />

das Kreativzentrum. Auch die Räumlichkeiten in den<br />

Obergeschossen 1, 2 und 3, welche von der Universität, der<br />

Fachhochschule und anderen, der Kultur und den Neuen Medien<br />

verpflichteten Einrichtungen besiedelt worden sind, bleiben<br />

dieser neutralen Ästhetik verhaftet. Doch vermag das Projekt<br />

durchaus einzulösen, was das Äußere verspricht, und<br />

zwar sowohl dank seiner historischen Substanz als auch der<br />

im Zuge der Umnutzung erfolgten Eingriffe.<br />

Da ist zunächst der gewaltige, die ganze Höhe des Bauwerks<br />

erlebbar machende Rolltreppenschacht, der auf dreieckigem<br />

Grundriss auf der Ostseite aus dem Skelettbau herausgeschnitten<br />

worden ist. Dieser Raum lädt ein, „erfahren“ zu<br />

werden, ganz unabhängig davon, dass oben jene Institution<br />

ein neues Zuhause gefunden hat, die die größten Besucherzahlen<br />

generieren dürfte: das „Museum Ostwall“, das sein altes,<br />

eng gewordenes und sanierungsbedürftiges Domizil verlassen<br />

und dabei die Präposition im Namen verloren hat. Drei Ebenen<br />

nutzt die renommierte Einrichtung, deren oberste, der<br />

Wechselausstellungssaal, noch nicht in Betrieb genommen<br />

ist, dessen Oberlichter dem niedrigeren Trakt des „U“ aber bereits<br />

einen unübersehbaren neuen Abschluss verleihen.<br />

Noch eine Etage höher schließlich der räumliche Höhepunkt:<br />

die „Kathedrale“ genannte, zweifach gestufte Halle,<br />

welche künftig gastronomisch genutzt wird und am Außenbau<br />

von einer auf den Gefachen des Betonstrebewerks projizierten<br />

Installation von Adolf Winkelmann nobilitiert wird.<br />

Die einst mit Glassteinen vermauerten Fassadenfelder sind<br />

zu Fenstern geworden; aus ihnen schweift der Blick über die<br />

große Brache im Westen. Von oben sieht sie aus wie eine große<br />

Chance.


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 19


20 Thema Wunderbares Westfalen<br />

1 Windfang<br />

2 Laden<br />

3 Foyer<br />

4 Kasse<br />

5 Café<br />

6 Vortragssaal/Kino<br />

7 Verwaltung<br />

8 Werkstätten<br />

9 Technik<br />

10 Depot<br />

11 Hochschulprojekte<br />

12 Modellraum/<br />

Medieninstallation<br />

13 Filmwerkstatt<br />

14 Arbeitsraum<br />

15 Büro<br />

16 Seminar<br />

17 Multifunktionsraum<br />

18 Kulturelle Bildung<br />

19 Kunstwerkstatt<br />

20 Restaurierung MO<br />

21 Schulklassen<br />

22 Ausstellung<br />

23 VIP-Lounge<br />

24 Bibliothek<br />

25 Fotos, Graphiken<br />

26 Wechselausstellung<br />

27 Oberlichtsaal<br />

28 Gastronomie/Veran-<br />

staltung<br />

Ebene 0<br />

Ebene U1<br />

9<br />

9<br />

Ebene 0,5<br />

5<br />

4<br />

6<br />

7<br />

3<br />

10<br />

10<br />

9<br />

2<br />

1<br />

9<br />

9 8<br />

9<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 21<br />

Ebene 5,5<br />

Ebene 5<br />

Museum Ostwall<br />

Ebene 1<br />

TU/FH<br />

15<br />

16<br />

22<br />

12<br />

11<br />

24<br />

25<br />

24<br />

14<br />

13<br />

Ebene 6<br />

Museum Ostwall<br />

21<br />

16<br />

15<br />

27<br />

26<br />

20<br />

17<br />

19<br />

18<br />

Ebene 2<br />

Kult. Bildung/Museum Ostwall<br />

Ebene 7<br />

„Kathedrale“<br />

Ebene 4,5<br />

Ebene 4<br />

Museum Ostwall<br />

15<br />

22<br />

15<br />

3<br />

Alle Grundrisse im Maßstab<br />

1:750<br />

28<br />

23


22 Thema Wunderbares Westfalen<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 23<br />

Form follows politics | Zur Vorgeschichte<br />

und Umnutzung<br />

Seit 1968, seit den Zeiten, da im Revier noch<br />

der Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier den Ton<br />

angab, krönt das 11 Meter hohe goldene „U“<br />

(eigentlich sind es vier auf den Seiten mit Blattgold<br />

belegte Us) den Kellereiturm der Dortmunder<br />

Union-Brauerei. Nachdem die Bierproduktion<br />

1994 ausgezogen war, stand das Gebäude<br />

leer, die umgebenden Gebäudetrakte wurden<br />

2003/4 abgerissen, bis eben auf den ehemaligen<br />

Gär- und Kühlturm, der als mächtiger Monolith<br />

inmitten der Brache 56 Meter hoch aufragt –<br />

ein roher und ehrfurchtgebietender Riese, der<br />

den Wandel der Zeiten scheinbar verschlafen<br />

hatte. Seit diesem Frühjahr umflimmern nun farbige<br />

Bilder das Firmensignet: Überlebensgroße<br />

Tauben flattern hinter den grauen Streben der<br />

Stahlbetonpergola, Dortmunds Großwohnmaschine<br />

„Hannibal“ wird projiziert. Es sind Videos<br />

des Filmkünstlers Adolf Winkelmann, eine originelle<br />

Belebung des Baukörpers, die ein wenig<br />

an Turmtrompeter erinnert, welche einst ihre<br />

Botschaften hinaus in die Stadt verkündeten. In<br />

diesem Fall ist das Medium die Botschaft. Als<br />

zukunftsfähiges Beispiel postindustrieller Erneuerung<br />

soll das Dortmunder U durch den räumlichen<br />

Zusammenschluss von Einrichtungen aus<br />

Wissenschaft, Kunst und Verwaltung eine in-<br />

haltliche Engführung von Kunst und Kreativität<br />

leisten. Deren Schnittstelle wird – wenig überraschend<br />

– in den Neuen Medien gesehen, von<br />

denen aus sozusagen konzentrisch immer weitere<br />

Kreise in Richtung Bildung und Stadtentwicklung<br />

ausstrahlen sollen. Die mittlerweile<br />

(vor Essen) größte Stadt des Reviers will sich<br />

als Vorreiter einer neuen Verbindung von Kunst,<br />

Wissenschaft und Bildung profilieren, von der<br />

man sich Renommee und auch eine Aufwertung<br />

der Gegend um den Hauptbahnhof erhofft.<br />

Die Vorgeschichte: Politik, Kultur und Wirtschaft<br />

Gut 15 Jahre dauerte die Vorgeschichte des<br />

neuen Kreativzentrums, die geradezu exemplarisch<br />

die Interessenskonflikte offenlegt, die bei<br />

der Entwicklung und Umnutzung derartig symbolisch<br />

aufgeladener Bauprojekte eine Rolle spielen.<br />

Einer der Protagonisten der Entwicklung ist<br />

Gerhard Langemeyer, ab 1986 Kulturdezernent<br />

und von 1999 bis 2009 Oberbürgermeister von<br />

Dortmund. Im Gespräch betont er, dass eine<br />

kulturelle Nutzung eigentlich schon von Anfang<br />

an im Gespräch war, dann aber zeitweise in<br />

Vergessenheit geriet: „Nach dem Auszug der<br />

Brauerei gab es einen ersten städtebaulichen<br />

Wettbewerb, aus dem ein Entwurf von Richard<br />

Rogers als Sieger hervorging, der eine kulturelle<br />

Nutzung vorsah. Das wurde jedoch von den<br />

damaligen Eigentümern nicht ernst genommen<br />

und wich später einem kommerziellen Nutzungskonzept<br />

in Form eines Einkaufszentrums.“ Dieses<br />

aber fand keinen Anklang bei der Stadt.<br />

Eine erste Ausstellung („Reservate“) erprobte<br />

1998 erstmals den U-Turm als Ausstellungsort.<br />

Die nächste Phase sah eine wiederum von der<br />

Brauerei ins Spiel gebrachte Nutzung in Gestalt<br />

einer Freizeit- und Sportanlage vor, für die sich<br />

aber kein Investor finden ließ. Der nächste Anlauf<br />

2002 zog die Anmietung des Turms durch<br />

die Stadt in Betracht, was nicht nur an den zu<br />

hohen Kosten, sondern auch an der Übernahme<br />

der Brauerei durch das Oetker-Unternehmen Radeberger<br />

scheiterte. Konsequenz und Phase 3:<br />

2007 erwarb die Stadt das gesamte Grundstück<br />

mit dem Ziel einer kulturellen Nutzung, bei<br />

der das Dortmunder Museum am Ostwall im Zentrum<br />

stehen sollte. Dies stieß jedoch auf den<br />

Widerstand der örtlichen CDU, die lange sogar<br />

einem Abriss des Monolithen das Wort redete<br />

und lieber eine Erweiterung des existierenden<br />

Museumsstandortes wünschte.<br />

Als Rettung der Idee erwies sich schließlich<br />

das Kulturhauptstadtjahr „Ruhr2010“, wodurch<br />

eine Finanzierung der rund 50 Millionen<br />

Euro teuren Umnutzung möglich wurde. Bedingung<br />

des inzwischen von der CDU regierten Landes<br />

war jedoch eine Mischnutzung, die als Alleinstellungsmerkmal<br />

die Verbindung von Kunst<br />

und den in der Stadt ansässigen Forschungseinrichtungen<br />

vorsah. Das Fazit von Langemeyer:<br />

„Wenn man derartig komplexe und städtebaulich<br />

wichtige Umwandlungen privaten Unternehmen<br />

und damit letztlich dem Markt überlässt,<br />

erweist sich dieser Prozess nicht nur inhaltlich<br />

als riskant, sondern vor allem als langwierig.“<br />

Langemeyer ist mit dem Endergebnis einigermaßen<br />

zufrieden, „wenn ich auch dem Museum<br />

Das „Museum Ostwall“ empfängt<br />

den Besucher mit<br />

einer über zwei Geschosse<br />

reichenden Eingangshalle.


24 Thema Wunderbares Westfalen<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010<br />

Der Wechselausstellungssaal<br />

im 6. Obergeschoss mit seinen<br />

Oberlichtern soll Mitte Dezember<br />

in Betrieb genommen<br />

werden.<br />

Kuehn Malvezzi haben die<br />

Dauerausstellung als „städtische<br />

Raumfolge“ komponiert.


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 25<br />

Ostwall mehr Raum gewünscht hätte und aus<br />

meiner Sicht eine insgesamt stärker museale<br />

Nutzung vorteilhafter gewesen wäre.“<br />

Das Dortmunder Centre Pompidou<br />

In seiner multifunktionalen und wissensorientierten<br />

Ausrichtung ähnelt das neue Dortmunder<br />

„U“ einem ins 21. Jahrhundert übersetzten<br />

Centre Pompidou, von dem Ende des Jahres<br />

denn auch eine Ausstellung übernommen wird.<br />

In jedem Fall bedingt die entstandene komplexe<br />

Nutzungskonzeption auch die innere Aufteilung,<br />

die – fasst man es zusammen – vom<br />

Bestandsbau atmosphärisch nichts übrig gelassen<br />

hat: weder die imposanten Dimensionen<br />

noch die rohe industrielle Anmutung. Letztendlich<br />

ist ein weitgehend „normales“ Hochhaus<br />

entstanden, das seinen Nutzern auf 15.000 Quadratmetern<br />

jeweils ganze oder Teile der jeweiligen<br />

Etagen zuweist, deren ersten drei mit Deckenhöhen<br />

von rund 3,5 Metern eher gedrungen<br />

wirken. Immerhin, mit der Idee, durch Herausschneiden<br />

der Geschossdecken am östlichen<br />

Rand einen schmalen, spitz zulaufenden Schacht<br />

als Erschließungsraum freizulegen, machen<br />

Gerber Architekten wenigstens an einer Stelle<br />

die Dimension des Baus erlebbar. Rolltreppen<br />

führen hier zu den Ebenen hinauf, auf denen man<br />

über einen unterschiedlich breiten Flur in das<br />

Innere der Ausstellungsbereiche bzw. Büroebenen<br />

gelangt.<br />

Lichthöfe oder Verbindungen zwischen den<br />

Ebenen gibt es, bis auf eine Ausnahme, keine.<br />

Auf den ersten drei Ebenen sind in der Regel um<br />

einen größeren Ausstellungsraum in der Mitte<br />

kleinere Räume gruppiert. Kunstlicht dominiert<br />

allenthalben. So sind auf den sieben Ebenen<br />

mithin nun Institute der Universität und der Fachhochschule<br />

untergebracht, die sich den großen<br />

Saal im 1. Obergeschoss teilen. Etage 2 hat das<br />

Zentrum für kulturelle Bildung bezogen, während<br />

der große, durch Säulen unterteilte Raum<br />

Die beiden „Nasen“ dienen<br />

als VIP-Lounge (großes Foto)<br />

und als Bibliothek (kleines<br />

Foto). In der Lounge sind die<br />

Gerber-Hochhäuser unübersehbar:<br />

links der Harenberg-<br />

Verlag, Mitte rechts RWE.<br />

Großes Bild: ub


26 Thema Wunderbares Westfalen<br />

<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010


<strong>Bauwelt</strong> 45 | 2010 27<br />

Architekten<br />

Gerber, Dortmund<br />

Projektdirektor<br />

Jens Haake<br />

Projektleiter<br />

Rolf Knie, Benjamin Sieber<br />

Mitarbeiter<br />

Gernot Schulz, Hannes Beinhoff,<br />

Benjamin Sieber, Olaf<br />

Schüler, Martin Pellkofer, Lilian<br />

Panek, Van-Hai Nguyen,<br />

Siegbert Hennecke (Wettbewerb);<br />

Nicole Juchems, Jan<br />

Kallert, Alexandra Kranert,<br />

Stefan Lemke, Parizad Pe-<br />

zeshkpour, Wolfang Riegger,<br />

Annette Rösler, Artur Schiebelbein,<br />

Judith Wiese, Siegbert<br />

Hennecke (Realisierung);<br />

Rüdiger Ameling, Melanie<br />

Bäcker, Ulrich Scheinhardt,<br />

Keith Stoltenfeld, Ulrich Wendholt,<br />

Claus-Jürgen Tedt, Heinz-<br />

Dieter Schaake, Lena Metschurat,<br />

Soudabeh Zerangi<br />

(Bauleitung)<br />

Projektsteuerung<br />

<strong>Assmann</strong> Beraten+Planen,<br />

Dortmund<br />

Tragwerksplanung<br />

ProfessorPfeiferundPartner,<br />

Darmstadt<br />

Bauherr<br />

Stadt Dortmund<br />

Hersteller<br />

Fahrtreppen Janzhoff Aufzüge,<br />

Dortmund<br />

▸ www.bauwelt.de/herstellerindex<br />

Die zweifach gestufte, „Kathedrale“<br />

genannte Halle in<br />

der Krone des U-Turms wird<br />

künftig gastronomisch und<br />

für Veranstaltungen genutzt.<br />

Kleines Foto: ub<br />

auf der 3. Ebene vom Kunstverein Hartware mit<br />

einem Ausstellungsprogramm für neue Medien<br />

genutzt wird – mit entsprechenden Einbauten.<br />

Gekrönt wird die heterogene Mieterschaft, zu<br />

der noch ecce gehört, ein Zentrum für Kreativwirtschaft,<br />

das die Verbindung zu Wirtschaft<br />

und Stadtentwicklung herstellen soll, durch das<br />

Museum Ostwall. Diese 1948 gegründete Dortmunder<br />

Kultureinrichtung setzt ihren Schwerpunkt<br />

zwar nicht auf Medienkunst, aber immerhin<br />

auf die Installationskunst der 1960er und<br />

70er Jahre. So passt jedenfalls auf dem Papier<br />

alles einigermaßen gut zusammen.<br />

Museum am Rande<br />

Auch wenn das Museum Ostwall demnächst<br />

noch den Oberlichtraum für Wechselausstellungen<br />

im 6. Obergeschoss wird bespielen können,<br />

auch wenn es den Filmvorführraum im Erdgeschoss<br />

nutzen kann und Shop und Gastronomie<br />

sich ebenfalls über den gesamten Bau<br />

verteilen – die für die Kernaufgabe des Museums,<br />

d.h. die Präsentation seiner Bestände, zur<br />

Verfügung stehenden beiden Ausstellungsebenen<br />

wirken allzu beengt. Ein unscheinbarer Eingang<br />

an der südöstlichen Ecke der 4. Ebene<br />

führt zunächst in einen doppelstöckigen Raum,<br />

der als Scharnier wirkt und die beiden Ebenen<br />

über eine zu schmale, über zwei Wendungen verlaufende<br />

Treppe verbindet. Immerhin: Die raumbezogenen<br />

Installationen ebenso wie die überwiegend<br />

kleinformatigen Arbeiten vertragen gut<br />

die einzelnen, meist kleineren Kabinette und<br />

können (bzw. müssen) auf natürliches Licht verzichten.<br />

Die vom Berliner Büro Kuehn Malvezzi<br />

entwickelten Raumlösungen folgen denn auch<br />

einer Logik, die entsprechend auf kabinettartige,<br />

labyrinthisch miteinander verbundene Raum-<br />

in-Raum-Situationen setzt, welche der Besucher<br />

ohne Vorgabe einer Reihung durchwandert.<br />

Die Idee ist die eines stadtähnlichen Systems<br />

aus einzelnen Häusern und Wegen, wie es das<br />

Berliner Büro zuerst bei der documenta 11 im<br />

Jahr 2002 erprobt hatte, wobei man hier in Dortmund<br />

den vorhandenen Stützenwald, der nirgendwo<br />

orthogonal, sondern schräg durch die<br />

Räume verläuft, durch weiße Wände abzufangen<br />

versucht hat. Entstanden ist das Gegenteil eines<br />

von Raumfluchten und Perspektiven gekennzeichneten<br />

auratischen Kunstmuseums. Es ist<br />

das auf Austausch und Informationsvermittlung<br />

ausgerichtete und in diesem Fall mit vielen Medienstationen<br />

ausgestattete Werkstattmuseum,<br />

das den Besuchern weder räumliche Großzügigkeit<br />

noch eine wirkliche Orientierung zugesteht.<br />

Der Auftritt der Institution und ihre Rolle<br />

innerhalb des U-Turms sind begrenzt: Sie ist ein<br />

Mieter unter vielen. Frank Maier-Solgk


<strong>Assmann</strong> Beraten+Planen GmbH<br />

Baroper Straße 237<br />

44227 Dortmund<br />

Fon 0231.75445.0<br />

Fax 0231.756010<br />

www.assmann-do.de<br />

info@assmann-do.de

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