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Evangelische Kirchengemeinde Biegen-Jacobsdorf Evangelische ...

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Abschiebehaft - unschuldig im GefängnisUm in Deutschland leben zu dürfen, mussman entweder Deutscher oder EU-Bürgersein oder als Ausländer einen gültigen Aufenthaltstitelhaben. Wer diesen nicht hatund Deutschland nicht freiwillig verlassenwill, wird abgeschoben.Für die Zeit, die die Behörde braucht, umAbschiebepapiere zu besorgen, kommendiese Menschen ins Gefängnis. Die Abschiebehaftsoll verhindern, dass sich jemanddurch Untertauchen an einem unbekanntenOrt einer Abschiebung entzieht.Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenicksitzen rund hundert Frauen und Männer,die kein Verbrechen begangen haben. Siebesitzen bloß keine gültigen Aufenthaltspapiere.Oft leben sie schon viele Jahre inBerlin, wurden zum Teil sogar hier geboren.Aber nach dem Gesetz sind sie illegal.FaridFarid ist unsicher, verwirrt, ängstlich. Erstals ich ihm mit Händen, Füßen und einbisschen Englisch klar machen kann, dassich nicht von der Polizei komme, bittet ermich, mich zu setzen. Ein großer Tisch, einebreite Bank ohne Lehne. Fest im Boden verschraubtund niedriger als die Stühle, aufdenen wir sitzen: Das Inventar stammtnoch aus der Zeit, in der dieses Haus einDDR-Frauengefängnis beherbergte. NiedrigeSitze für erniedrigte Menschen.Wir reden und lächeln,zurückhaltend und ehrlich.Farid zeigt mir seine Unterlagen,Papierkram, mitdem ich nichts anfangen kann. Die anderendrei von der Kirche, die hier arbeiten, sindmit jedem gelesenen Asylantrag, Haftbeschluss,Ablehnungsbescheid und Formularmehr und mehr zu Juristen geworden, diesie eigentlich nie sein wollten.Niemand hatte ihm gesagt,dass Deutschland ihn wiederzurückschicken wird.– 6–Farid kommt aus dem Libanon. Er zeigtmir scheußliche Narben. Sie hätten ihn fürden Teufel gehalten, berichtet er, wohl weiler am linken Unterschenkel tätowiert ist.Nach einer abenteuerlichen Flucht, nachder ich bei unserem ersten Treffen liebernicht fragen will, gelangte er nach Italien –in ein völlig überfülltes Flüchtlingsgefängnis.Sein Antrag auf Asyl wurde schnellerabgelehnt als die Wunden verheilten.Er versuchte es in Deutschland. Niemandhatte ihm gesagt, dass Deutschland ihnwieder zurückschicken wird, weil nach EU-Recht für immer nur Italien über seinenFall entscheiden darf. Vor Italien fürchteter sich, vor dem Libanon noch mehr. Im Libanonwurde er im Gefängnis geschlagen,in Italien auf der Straße brutal überfallen.Seine Furcht vor der Polizei, Müdigkeitund Schlaflosigkeit – die Gewalt, die manihm angetan hat, hinterließ ihre Spuren.Nunmehr wieder hinter Gittern zu sitzen,muss für ihn unerträglich sein.Ich hole Bernhard, einen der Seelsorgejuristen,der gerade im Erdgeschoss bei einemSerben war, der drohte, sich selbst zutöten. Er studiert Farids Unterlagen, versuchtzu helfen. Er bekommt einen Freundvon Farid ans Telefon, der dolmetschenkann. Farid läuft auf und ab, schaut voneinem zum anderen, zum Fenster, zum Gitter.Ein junger Mann. Ein schwieriger Fall.Fast unmöglich.Italien. Seit ich hier inder Abschiebehaft arbeite,sind meine Mittelmeer-Assoziationenwie weggeblasen: keine Sonne,kein Strand. Ich sehe nur noch diese vielenSchicksale, die – im Gegensatz zu uns, diewir zu ein paar Wochen Toskana nicht neinsagen würden – um alles in der Welt nuraus Italien weg wollen.

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