Vergaberecht (wieder) im Umbruch - Anwalt Aktuell
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TITEl STORY<br />
„Für den Stand am Ball!”<br />
Das Präsidium der Rechtsanwaltskammer Wien findet klare Worte<br />
gegen Fehlentwicklungen des Justizsystems<br />
Die Rechtsanwaltskammer Wien<br />
vertritt knapp die Hälfte der<br />
Rechtsanwälte Österreichs. Präsident<br />
Dr. Michael Auer, die Vizepräsidentinnen<br />
Dr. Brigitte Birnbaum<br />
und Dr. Elisabeth Rech sowie Vizepräsident<br />
Dr. Stefan Prochaska äußern <strong>im</strong><br />
AnWAlT AKTuEll gespräch deutliche<br />
Kritik an aktuellen Problemen für den<br />
Stand.<br />
AA: Herr präsident Dr. Auer! Rechtsanwälte<br />
haben seit Jahren die Idee<br />
der landesverwaltungsgerichtsbarkeit<br />
unterstützt. warum haben Sie<br />
jetzt Vorbehalte?<br />
kammerpräsident Dr. Michael Auer wünscht<br />
sich, dass das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte<br />
bei der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission<br />
bleibt und nicht Teil der<br />
landesverwaltungsgerichtsbarkeit wird:<br />
„Es geht ja nicht darum, zu entscheiden,<br />
ob Diebstahl oder Mord standesrechtlich<br />
zulässig wären.”<br />
Auer: Wir unterstützen auch heute noch<br />
diese Reformidee, die ein Teil der längst<br />
notwendigen Bundesstaatsreform wäre.<br />
Wir wenden uns nur gegen die beabsichtigte<br />
Abschaffung der obersten Berufungs-<br />
und Disziplinarkommission. Wir<br />
sind gegen ein Eingliedern in die Verwaltungsgerichte.<br />
AA: können nicht auch anstelle von<br />
Rechtsanwälten und Richtern<br />
andere qualifizierte personen<br />
standesrechtliche Fragen lösen?<br />
4<br />
AnwAlt<strong>Aktuell</strong> 08/11<br />
Eine breite palette aktueller Themen legte das präsidium der RAk wien (links Vp Dr. Elisabeth<br />
Rech, in der Mitte präsident Dr. Michael Auer) <strong>im</strong> Gespräch mit AnwAlT AkTUEll Herausgeber<br />
Dietmar Dworschak auf den Tisch: Disziplinarrecht und landesgerichtsbarkeit, Einsparungsmöglichkeiten<br />
für die Justiz, bessere Bedingungen für Frauen in der Advokatur und Bedrohungen<br />
des wirtschaftsstandorts Österreich.<br />
Auer: Schlicht nein! Es geht ja nicht darum,<br />
zu entscheiden, ob Diebstahl oder<br />
Mord standesrechtlich zulässig wären.<br />
Das wird jedermann beurteilen können.<br />
Da geht es neben dem disziplinären<br />
Verhalten vor allem auch um Zulassungsprüfungen,<br />
um Prüfung der Vertrauenswürdigkeit,<br />
Fragen der Vergesellschaftung,<br />
Firmenrecht, um Kollisionsrecht<br />
etc. Dafür braucht man ein berufliches<br />
naheverhältnis zum Rechtsanwaltsberuf,<br />
Praxisbezug und Kenntnis der europarechtlichen<br />
Entwicklungen. Der gesetzgeber<br />
hat die Selbstverwaltung der<br />
Kammern erst vor 2 Jahren verfassungsrechtlich<br />
abgesichert. Die Zerstörung bewährter<br />
Strukturen kostet die Republik<br />
nicht nur geld, sie wäre auch eine massive<br />
Beeinträchtigung unserer Autonomie.<br />
Bedenken Sie, österreichische Rechtsanwälte<br />
können nicht nur bundesweit, sondern<br />
mit ihrer Zulassung europaweit vertreten<br />
und beraten. Die berufsspezifische<br />
Judikatur, die von Bundesland zu Bundesland<br />
wechselt, lehne ich ab. Wir fühlen<br />
uns einem einheitlichen Berufsbild<br />
verpflichtet. Der Konsument hat Anspruch<br />
auf gesicherte Qualität und ethisches<br />
Verhalten.<br />
AA: Frau Dr. Birnbaum, das Justizbudget<br />
wächst seit Jahren nicht,<br />
kürzungen sind angesagt. Sie<br />
haben zuletzt eine Reduzierung<br />
der Eingangsgerichte gefordert.<br />
Birnbaum: Das der Justiz zur Verfügung<br />
stehende Budget ist so knapp, dass richterliches<br />
und nichtrichterliches Personal<br />
oft nicht nachbesetzt und schon gar nicht<br />
aufgestockt wird. Das letzte Budget-<br />
begleitgesetz führt zur Verkürzung der<br />
Rechtspraktikantenzeit. Die Justiz muss<br />
daher teilweise auf billige aber systemerhaltende<br />
Mitarbeiter verzichten. Das ist<br />
ein untragbarer Zustand. gleichzeitig<br />
Vizepräsidentin Dr. Brigitte Birnbaum schlägt<br />
vor, anstelle der Einsparung von richterlichem<br />
und nichtrichterlichem personal die Schließung<br />
kleiner Bezirksgerichte zu forcieren:<br />
„…das brächte gleich zwei Vorteile: einerseits<br />
kosteneinsparung, andererseits Qualitätssteigerung.”