10.07.2015 Aufrufe

Osterweiterung: Hat das Weimarer Dreieck eine Zukunft?

Osterweiterung: Hat das Weimarer Dreieck eine Zukunft?

Osterweiterung: Hat das Weimarer Dreieck eine Zukunft?

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Klaus-Heinrich Standke (Hrsg.)Frankreich, Deutschland, Polenund die EU-<strong>Osterweiterung</strong>:<strong>Hat</strong> <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong> ?Kooperationsveranstaltungder Internationalen Akademie Schloß Baruthund des Komitees zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertrages e.V.mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische BildungUnter der Schirmherrschaftdes Staatsministers im Auswärtigen Amtsowie der Botschafter der Französischen Republik und der Republik Polenin DeutschlandDokumentation


Tagungsort : Villa Kampffmeyer, Glienicker Horn, Potsdam vom 15.5. - 17.5.1998Dokumentation : Marlies Nielebock2


InhaltsverzeichnisSeiteBegrüßungFriedrich VetterBundeszentrale für politische Bildung, Außenstelle Berlin ................................................................... 6EinführungHans-Heinz Krill de Capelloehem. Direktor bei der UNESCO, Paris, Präsident des Komitees zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertrages e.V. .......................................................................... 7I. Die politische Dimension .....................................................................................................9Einführungsowie Verlesung des Grußwortes von Bundesminister a.D. Hans-Dietrich GenscherKlaus-Heinrich StandkeHonorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Posen, Präsident der InternationalenAkademie Schloß Baruth ...................................................................................................................... 9GrußwortJochen BethkenhagenAbteilungsleiter Europaangelegenheiten im Ministerium der Justiz und für Bundes- undEuropaangelegenheiten des Landes Brandenburg, Potsdam ............................................................ 10GrußwortAlain MoureauErster Botschaftsrat der Außenstelle Berlin der Botschaft der Französischen Republik ................... 11GrußwortStanislaus KramaczBotschaftsrat der Außenstelle Berlin der Botschaft der Republik Polen ............................................ 12GrußwortAndreas von MettenheimGesandter und Leiter der Dienststelle Berlin des Auswärtigen Amtes ............................................... 14Diskussion ........................................................................................................................................ 16Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> : Trilaterale Zusammenarbeit als Modell zur <strong>Osterweiterung</strong>der Europäischen UnionIngo KolboomLehrstuhl für Frankophonie, Technische Universität Dresden, Mitglied des Deutsch-Französischen Kulturrates ................................................................................................................. 17Diskussion ........................................................................................................................................ 20Zwischenbilanz und Perspektiven der ZusammenarbeitRenata Fritsch-BournazelCentre d’Etudes et des Recherches Internationales (CERI), Paris ................................................... 20Diskussion ........................................................................................................................................ 22II. Die bildungs- und gesellschaftspolitische Dimension .................................................... 23Einführung3


Orlof ZimmermannGeneralsekretär des Komitees zur Förderung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertragese.V. .......................................................................................................................... 23Die Europa-Universität in der Brückenstadt Frankfurt/Oder - Bereitschaftzum MiteinanderKarl-Josef SchmückerGründungskanzler der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder ................................................. 24Der Stellenwert des „<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s“ für Forschung und Lehre an derEuropa-Universität ViadrinaAlfred KötzleLehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften, Europa-Universität Viadrina .............................................. 27Diskussion ........................................................................................................................................ 30EinführungPeter MettlerFachhochschule Wiesbaden .............................................................................................................. 31Die Jugendarbeit des Wieland InstitutesHorst SittigLeiter des Wielandgutes Oßmannstedt e.V. ..........................................................................................31Diskussion ........................................................................................................................................ 32Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> und die Bedeutung der Regionen im Hinblick aufdie ‘Agenda 2000’Alexander von LingenReferat Osteuropa-Fragen, Europäisches Parlament, Brüssel .......................................................... 32Diskussion ........................................................................................................................................ 35III. Die historisch-politische und kulturelle Tradition als Basis für <strong>das</strong> „<strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>“ ...................................................................................................................................... 37EinführungChristine Comtesse de Lailhacar-RywkinHarcanville/New York ......................................................................................................................... 37Affinitäten zwischen Frankreich und Polen als Bereicherung der Zusammenarbeitinnerhalb des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>sHenri MénudierSorbonne, Institut d’Allemand, Paris .................................................................................................. 38Diskussion ........................................................................................................................................ 41EinführungHelmut NicolausDIAP/ENA, Paris ; Rechtsanwalt ........................................................................................................ 42Berlin-Paris-Warschau : Kulturelle Gemeinsamkeiten und VerschiedenheitenPierre-Paul Sagave, Prof. emeritusSorbonne, Paris ; München ................................................................................................................ 42Die Städtepartnerschaft Berlin-Paris : Vorbild für die Entwicklung trilateralerStädtepartnerschaften innerhalb des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s ?Winfried EnglerKoordinator Städtepartnerschaft Berlin-Paris ..................................................................................... 444


EinführungRupert Graf StrachwitzDirektor Maecenata, München/Berlin, Vorstand der Kulturstiftung Haus Europa ............................. 47Regionen doppelter Kultur in Europa - Herausforderung und ChanceIdis HartmannLeiterin des Wissenschaftsbereiches Kunstgeschichte im Bundesinstitut für ostdeutscheKultur und Geschichte ........................................................................................................................ 47Die historischen deutschen Ostgebiete - Barriere oder Brücke für die Verständigung ?Ortwin LowackPräsident der Bundesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft Schlesien ............................. 51Diskussion ........................................................................................................................................ 53IV. Die wirtschaftspolitische Dimension .................................................................................. 55EinführungBohdan Gruchmanehem. Rektor, Jean-Monnet-Lehrstuhl, Wirtschaftsuniversität Posen ............................................... 55Die Rolle der trilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Hinblick aufdie EU-<strong>Osterweiterung</strong>Heinrich MachowskiKooperationsbüro Osteuropa-Wirtschaftsforschung im Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung, Berlin .............................................................................................................. 56Diskussion ........................................................................................................................................ 57V. Abschließendes Podiumsgespräch ..................................................................................... 59Henri Ménudier, Paris (Moderator)Renata Fritsch-Bournazel, ParisBogdan Gruchman, PosenHeinrich Machowski, BerlinJerzy Marganski, Warschau/BerlinZusammenfassung der Tagungsergebnisse ......................................................................... 62Klaus-Heinrich StandkeEmpfehlungen ................................................................................................................................ 67Hans-Heinz Krill de Capello und Klaus-Heinrich Standke5


BegrüßungDr. Friedrich VetterBundeszentrale für politische Bildung, Außenstelle BerlinIn der Villa Kampffmeyer hier am GlienickerHorn in Potsdam darf ich Sie im Namen derBundeszentrale für politische Bildung rechtherzlich begrüßen.Die Glienicker Brücke war lange Zeit fast sobekannt wie <strong>das</strong> Brandenburger Tor, als sogenannteBrücke der Einheit ein Symbol derTeilung unseres Vaterlandes.Ich selbst bin Kulturgeograph, gebürtigerSchlesier aus Parchwitz/Kreis Liegnitz, underhoffe mir ebenso wie Sie alle von derTagung Anregungen, Informationen undKritik.Der Rhein und die Oder, sowie der NebenflußLausitzer Neiße, sind mitteleuropäischeStröme, manchmal bei Hochwasser von großerTücke. Sie sollen aber nicht nur Staatsgrenzensein, sondern heute ihren verbindendenCharakter im zusammenwachsenden Europadokumentieren.Diesem vornehmen Ziel, der Brückenfunktionvon Rhein und Oder soll diese Tagung mitdienen.Ich danke dem Komitee zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertragese.V. unter der verantwortlichen Leitung vonHerrn Dr. Krill de Capello, sowie dem HerrnKollegen Standke von der Internationalen AkademieSchloß Baruth für ihre Anregungen undauch Kritik. Als Kooperationspartner und auchals Zuwendungsempfänger der Bundeszentralefür politische Bildung haben sie bereits vorvier Wochen <strong>eine</strong> erfolgreiche Tagung indiesem Hause absolviert, und wir sind jetzt diedarauf folgende Tagung, die sich weniger mitden sicherheitspolitischen Aspekten deszusammenwachsenden Europas sondern mehrmit den diplomatischen und den politischenImplikationen beschäftigt.Zum Schluß möchte ich besonders m<strong>eine</strong>nKollegen, Frau Hartwich, Frau Engelmann,Herrn Schulze und Herrn Kendler für ihreMitarbeit danken.6


EinführungDr. Hans-Heinz Krill de Capelloehem. Direktor bei der UNESCO, Paris, Präsident des Komitees zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertrages e.V.Namens des Komitees zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertragese.V. und der Internationalen Akademie SchloßBaruth freue ich mich, Sie zu unserer Konferenzrecht herzlich begrüßen zu können.Unser Komitee ist von <strong>eine</strong>m französischenGermanisten im Jahre 1973 gegründet wordenmit dem Ziel, durch intensive Vortragsarbeitden deutsch-französischen Vertrag, den sogenanntenElysée-Vertrag, in der Gesellschaftmit Leben zu erfüllen.Seit der Wiedervereinigung hat unser Komitees<strong>eine</strong> Öffentlichkeitsarbeit bewußt auf dieneuen Bundesländer verlegt.Die gegenwärtige Konferenz kann als Beispielfür unsere Bemühungen gelten, <strong>eine</strong>n Beitragzur Vertiefung der Zusammenarbeit im Dienstedes europäischen Integrationsprozesses zu leisten.Die Konferenz wird ermöglicht durch diegroßzügige Unterstützung der Bundeszentralefür politische Bildung, und ich möchte denHerren Kendler und Vetter für dieZusammenarbeit danken und sie bitten,unseren Dank auch an den Präsidenten derBundeszentrale, Herrn Reichert, zuübermitteln.Mein besonderer Dank geht an Herrn Grothvom Hause Groth+Graalfs, vertreten von FrauAntje von Meer, für die Möglichkeit, dieKonferenz in der schönen Villa Kampffmeyerabhalten zu können.Zweifellos war es ein historischer Moment, alssich, nach <strong>eine</strong>r von Leid geprägten Geschichteihrer Völker, die drei Außenminister, Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumas undKrysztof Skubiszewski, am 28.8.1991(Goethe’s Geburtstag) in der Stadt der <strong>Weimarer</strong>Klassik zusammen gefunden haben. IhrZiel war, nach der Befreiung Polens und derübrigen mittel- und osteuropäischen Ländervom kommunistischen Joch und nach demGlücksfall der deutschen Wiedervereinigung,<strong>eine</strong>n gemeinsamen Weg zu dritt zubeschreiten, in <strong>eine</strong> neue, von gleichenWertvorstellungen erfüllte <strong>Zukunft</strong>. Diese<strong>Zukunft</strong> heißt nach wie vor Europa.Die geniale Konzeption bestand darin, <strong>das</strong>deutsch-französische Sonderverhältnis, lautIngo Kolboom <strong>eine</strong>s der größten Versöhnungswerkeder modernen europäischen Geschichte,zu verflechten mit der ebenso bedeutendendeutsch-polnischen Aussöhnung und soPolen durch trilaterale Zusammenarbeit an dieEuropäische Union, an die NATO und anderewestliche Institutionen heranzuführen. Dabeifällt Frankreich u.a. die besondere Aufgabe zu,in den Dialog der europäischen <strong>Osterweiterung</strong><strong>das</strong> Verständnis für die europäische Mittelmeerpolitikeinzubringen.Auf den nachfolgenden Treffen der drei Außenministerin Bergerac 1992, in Warschau1993, in Bamberg 1994 und wieder in Warschau1996, sowie schließlich in Frankfurt/Oder1997 gelang es, in Bereichen wieAußenpolitik, Kultur, Umweltschutz zutrilateraler Zusammenarbeit zu kommen.Regelmäßige Treffen der drei Verteidigungsministerführten zur Schaffung von Strukturen,die effiziente militärische Zusammenarbeitermöglichen, die ihr Eigengewicht im Hinblickauf Polens Eingliederung in die NATO erweisenwerden.Ziel unserer Veranstaltung wird es u.a. sein,konkret nach den Ergebnissen und Perspektivendieser intergouvernementalen Vereinbarungenzu fragen. Zugleich stellt sich dieFrage, inwieweit <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> überdie diplomatisch-politische Plattform hinaus soetwas wie <strong>eine</strong>n ‚Geist von Weimar‘ in die dreiGesellschaften projizieren kann.Wie weit ist der bereits 1993 verabschiedetesymbolträchtige Plan gediehen, der diegemeinsame Unterbringung der bereits inWarschau vorhandenen Deutschen undFranzösischen Kulturinstitute zusammen mitdem Europa-Institut der WarschauerUniversität unter <strong>eine</strong>m Dach vorsieht ?Welche Möglichkeiten bestehen, gemeinsamesKulturerbe bewußt zu machen, z.B. durch dieOrganisation <strong>eine</strong>r Konferenz über die allendrei Ländern gemeinsame Epoche derRomantik ?Besondere Bedeutung für <strong>eine</strong> innergesellschaftlicheVerflechtung kommt den Regional-7


partnerschaften zu. Als Vorbild könnte hier diebestehende <strong>Dreieck</strong>spartnerschaft Mittelfranken-Limousin-Gdansk(Danzig) dienen.Aber auch Bundesländer, die wie Brandenburgund Sachsen gemeinsame Grenzen mit dempolnischen Nachbarn haben und die aufgrundgeistig politischer Traditionen mit Frankreich,und im Falle Sachsen auch mit Polen verbundensind, können <strong>eine</strong> grenzüberschreitendeZusammenarbeit fördern.Für die gesellschaftspolitische Vertiefung istdie universitäre Zusammenarbeit nicht hochgenug einzuschätzen. Wir werden ausführlichüber die wichtige Rolle der Europa-UniversitätViadrina unterrichtet werden, die <strong>eine</strong> geistigeBrücke zwischen Mittel- und Westeuropadarstellt. In diesem Rahmen stellt sich auch dieFrage, in wie weit <strong>das</strong> deutsch-französischeJugendwerk und <strong>das</strong> deutsch-polnischeJugendwerk durch trilaterale Initiativen denJugendaustausch der drei Länder intensivierenkann.Eine weitere Absicht unserer Konferenzbesteht darin, die gemeinsame geschichtlicheVerflechtung der drei Nationen wieder ins Bewußtseinzu rücken. So gibt es <strong>eine</strong> Affinitätzwischen Frankreich und Polen, die in die trilateraleZusammenarbeit eingebracht werdensollte. Das gleiche gilt für kulturelle Gemeinsamkeiten,die zwischen Berlin, Paris undWarschau bestehen. Für Deutsche undFranzosen können die spezifisch polnischenErfahrungen, die außerhalb der karolingischenVorstellungswelt liegen, <strong>eine</strong> besondereBereicherung darstellen. Zu dieser ‚polnischenMitgift‘, wie <strong>das</strong> Ingo Kolboom zu rechtherausgearbeitet hat, gehört u.a. die langjährigeübernationale polnisch-litauische Union, <strong>das</strong>Fortbestehen <strong>eine</strong>r aufgeteilten Nation imSchutz der katholischen Kirche und derunbedingte Selbstbehauptungs- undFreiheitswille des polnischen Volkesgegenüber der Beherrschung durch densowjetischen Machtblock. DieserFreiheitswille wurde entscheidend für dieWende und für uns alle.Im Hinblick auf die BeitrittsverhandlungenPolens mit Europäischen Union ist zu fragen,in wie weit <strong>das</strong> ‚<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>‘ zurMeinungsabstimmung und Hilfe für dieLösung von Übergangsproblemen wirkenkann ?Die zentrale Frage aber betrifft die zukünftigeRolle des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s nach der AufnahmePolens in die Europäische Union. Wirddie Sonderbeziehung Deutschland-Frankreich-Polen weiterhin zu <strong>eine</strong>r Intensivierung derZusammenarbeit innerhalb der EU führen?Auf dem ersten informellen Gipfeltreffen des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s in Posen am 21.2.1998beantwortete der französiche StaatspräsidentChirac diese Frage. Er wies darauf hin, daßDeutschland, Frankreich, Polen künftig „unmoteur important de la constructioneuropéenne“ darstellen. Und BundeskanzlerKohl unterstrich die Verpflichtung, die dendrei Völkern aus ihrer Geschichte erwachse,nämlich den Willen zur Zusammenarbeitaufzubringen und sich auch in <strong>Zukunft</strong> ihrer„gemeinsamen europäischen Berufung bewußtzu bleiben“. Als Gastgeber des Gipfeltreffenshob der polnische StaatspräsidentKwasniewski den Willen s<strong>eine</strong>s Landes hervor,voll und ganz mit Deutschland und Frankreich,sowie den übrigen Partnern der EuropäischenUnion, zusammenzuarbeiten zurWeiterentwicklung Europas.8


I. Die politische DimensionVerlesung des Grußwortes von Bundesminister a.D. Hans-Dietrich GenscherDr. Drs. h.c. Klaus-Heinrich StandkeHonorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Posen,Präsident der Internationalen Akademie Schloß Baruth<strong>eine</strong>r der drei Architekten des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s,der ehem. Bundesminister desAuswärtigen Hans-Dietrich Genscher, hat unszu unserer Veranstaltung folgendes Grußwortzugesandt :„Ich freue mich über die Initiative zurOrganisation <strong>eine</strong>r Konferenz in Potsdam,<strong>Hat</strong> <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong> ?Deutschland, Frankreich, Polen und dieEU-<strong>Osterweiterung</strong>’. Eine solcheKonferenz kann dazu beitragen, deneinzigartigen Charakter dieser trilateralenSonderbeziehung innerhalb des europäischenStaatensystems in derÖffentlichkeit bekannter zu machen. DieseKonferenz bietet die Gelegenheit, nachden vor allem auch gesellschaftspolitischenAuswirkungen derzahlreichen Treffen auf Ministerebene zufragen, die seit unserer erstenZusammenkunft im Rahmen des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s mit m<strong>eine</strong>n damaligenKollegen Roland Dumas, KryzstofSkubiszewski am 28.8.1991 in der Stadtder <strong>Weimarer</strong> Klassik stattgefundenhaben.Fast 30 Jahre nach den Elysée-Verträgen,die die Grundlage der deutschfranzösischenFreundschaft innerhalb derkontinuierlich gewachsenen EuropäischenUnion bilden, ist Polen als dritter Partnerhinzugetreten, sieben Jahre vor demoffiziellen Beginn der AufnahmeverhandlungenPolens in dieEuropäische Union.Unser Ziel im Jahre 1991 war es, durchden ‚<strong>Weimarer</strong> Bogen‘, der Deutschland,Frankreich und Polen umspannte, <strong>eine</strong>neue europäische Perspektive zueröffnen. Es war unser gemeinsamerWille, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> zu <strong>eine</strong>mgleichseitigen <strong>Dreieck</strong> zu entwickeln, ausdem nicht etwa ein französisch-deutschesÜbergewicht entstehen soll. Wir wolltenauch dazu beitragen durch den loseninstitutionellen Rahmen dieses Forums<strong>eine</strong>n Beitrag zu leisten zur besserenKenntnis Polens, damit beispielsweiseneben die Frankreichforschung inDeutschland und dieDeutschlandforschung in Frankreich auch<strong>eine</strong> ebenso substantielle Polenforschungin den beiden westlichen Partnerländerntritt.Die Rückschau auf die ersten siebenJahre der Erfahrung mit dem <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> wird besonders im Hinblick auf dieHeranführungsstrategie Polens an dieeuropäischen Strukturen im Rahmen derAgenda 2000 sichtbar werden lassen, wiewichtig die Ressortministertreffen der dreiLänder in verschiedenen Städten Polens,Frankreichs, Deutschlands geworden sind.Diese Treffen haben wesentlich dazubeigetragen <strong>eine</strong> fruchtbareZusammenarbeit zwischen unserenLändern in so wichtigen Bereichen wieWirtschaft, Umweltschutz, Kultur,Verteidigung einzuleiten.Wie auch <strong>das</strong> kürzliche erste Treffen derPräsidenten Polens und Frankreichs,sowie des deutschen Bundeskanzlers inPosen gezeigt hat, war und ist <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> für die HeranführungPolens an EU und NATO ein wichtigerFaktor. In s<strong>eine</strong>r Einzigartigkeit als9


Plattform für <strong>eine</strong>n fruchtbaren Trialogüber die ganze Spannbreite der Themen,die sie während ihres Symposiums inPotsdam behandeln werden, die politischeDimension, die bildungs- undgesellschaftspolitische Dimension, diehistorischen und kulturellen Traditionen alsBasis für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>, die Rolleder drei Länder im Europa der Regionenund schließlich die wirtschaftspolitischeDimension, kommt dem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>entsprechend, und zur Konzeption auchnach der Aufnahme Polens in die EU, <strong>eine</strong>besondere in die <strong>Zukunft</strong> weisendeeuropäische Rolle zu.Auch <strong>das</strong> Treffen der sechs Botschafterder drei beteiligten Länder in Paris, Bonnund Warschau Anfang dieser Woche inDüsseldorf hat bekräftigt, <strong>das</strong> dem<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> unverändert <strong>eine</strong>wichtige Brückenfunktion zukommt. Dietrilateralen Beziehungen im Rahmen des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s für Deutschland, alsdem Land in der Mitte zwischenFrankreich und Polen, sind von singulärerBedeutung.In diesem Sinne wünsche ich derKonferenz fruchtbare Aussprachen zurVertiefung des Verständnisses für dieChancen, die <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> fürdie dauerhafte Zusammenarbeit den dreibeteiligten Ländern bietet.“GrußwortDr. Jochen BethkenhagenAbteilungsleiter Europaangelegenheiten im Ministerium der Justiz und für Bundes- undEuropaangelegenheiten des Landes Brandenburg, PotsdamIch habe zweimal Grund zur Freude, nämlicheinmal Sie im Namen der LandesregierungBrandenburg und hier insbesondere desMinisters der Justiz und für Bundes- und EuropaangelegenheitenHans Otto Bräutigam zubegrüßen. Zum zweiten freut es uns natürlichganz besonders, daß sie ihre Konferenz inBrandenburg durchführen, denn Brandenburgist <strong>das</strong> Land mit der längsten Grenze zu unseremöstlichen Nachbarn Polen.Als Außenminister Genscher 1991 mit s<strong>eine</strong>mpolnischen Amtskollegen Skubiszewski nachdem ersten Treffen im Rahmen des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s nach Naumburg fuhr - Dumas mußtevorzeitig nach Paris zurückreisen - trauten sieihren Augen nicht : Zur Begrüßung spielte <strong>eine</strong>Sowjetische Militärkapelle. Als sie später einpaar Minuten allein waren, sagten sie : „Wasist in diesem Europa alles geschehen, daß einsowjetisches Militärorchester den polnischenund den deutschen Außenminister bei demBesuch im vereinten Deutschland empfängt !Wirklich, <strong>eine</strong> neue <strong>Zukunft</strong> hat begonnen.“Ähnlich wie es den beiden Außenministern1991 ergangen ist, geht es heute auch nochvielen Menschen in dieser Region, wenn siedurch <strong>das</strong> Brandenburger Tor oder über dieGlienicker Brücke fahren. Noch immer überkommt<strong>eine</strong>n Gänsehaut, wenn man darandenkt, wie hermetisch Brücken und Tore querdurch Europa Jahrzehnte lang abgeriegeltwaren.1991 wurde der <strong>Weimarer</strong> Bogen gespannt alsKonsequenz aus der Erkenntnis, daß <strong>das</strong> Verhältniszwischen Deutschland, Frankreich undPolen maßgeblich über die <strong>Zukunft</strong> des gesamtenKontinents entscheidet.Polen kehrte zurück nach Europa - wie es diePolen selbst formulieren. Mit Deutschland undFrankreich hat Polen zwei wichtige Partnererhalten, die sich für die baldige Integrationunseres östlichen Nachbarlandes in die euroatlantischenStrukturen einsetzen. Auf diesemWege ist Polen inzwischen entscheidendeSchritte vorangekommen.Dies ist natürlich auch im Interesse Brandenburgs,<strong>eine</strong>m Bundesland, <strong>das</strong> mit unseremNachbarn <strong>eine</strong> 250 km lange Grenze verbindet.Die brandenburgische Landesregierung hatdeshalb - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - <strong>das</strong>Interesse Polens an <strong>eine</strong>r baldigen Integrationin NATO und EU stets unterstützt. Sie hat <strong>das</strong>auch in ihrem wohlverstandenenEigeninteresse getan. Wir haben ein vitalesInteresse daran, daß über die ehemalige‚Friedensgrenze‘ - die tatsächlich <strong>eine</strong>Friedhofsgrenze war - eingrenzüberschreitendes Beziehungsgeflechtentstehen kann, <strong>das</strong> wesentlich zu Wohlstand,Stabilität und Frieden in der Mitte Europasbeiträgt.10


Insofern nimmt Brandenburg <strong>eine</strong> Brückenfunktionwahr. Dieses Beziehungsgeflechtstärkt auch den östlichen Teil des <strong>Weimarer</strong>Bogens. Zu diesem Zweck fördert <strong>das</strong> Landauf vielfältige Weise - zum Teil mitUnterstützung der EU - den Ausbau dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit.Hierfür einige Beispiele :• Deutsch-polnischer Kindergarten undSchulen• Europauniversität Viadrina• Deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgemeinschaft• Deutsch-polnisches Klärwerk• EuroregionenMit all diesen Maßnahmen leistet Brandenburgnicht nur <strong>eine</strong>n Beitrag zur Förderung der bilateralenZusammenarbeit, sondern auch zumZusammenwachsen Europas bzw. zur Überwindungder Spaltung unseres Kontinents. Ichdenke, auch dies ist im Interesse unseres wichtigstenNachbarn im Westen Europas, Frankreich.Allzu häufig aber wird die deutsch-polnischeGrenze mit der deutsch-französischen Grenzeverglichen. Sicher ist <strong>das</strong> strategische Ziel vergleichbar,unterschiedlich sind jedoch dieRahmenbedingungen an beiden Grenzen.Die Menschen in Deutschland und Polen verbindetk<strong>eine</strong> gemeinsame Geschichte. InWestpolen leben heute Menschen, die selbstoder deren Eltern nach dem Ende des zweitenWeltkriegs aus dem ehemaligen Ostpolen vertriebenwurden. Deshalb ist auch die Sprachgrenzegravierender.Die Grenze ist <strong>eine</strong> Flußgrenze. Das bedeutet,daß jeder Grenzübergang <strong>eine</strong> Brücke seinmuß. Das kostet viel Geld und führt dazu, daßwir relativ wenig Grenzübergänge haben.Brandenburg und Polen, Deutschland undPolen sind noch durch <strong>eine</strong> EU-Außengrenzevoneinander getrennt.Einkommen und Lebensstandard differieren(noch) auf beiden Seiten der Oder beträchtlich.Viele dieser Faktoren werden weiter an Bedeutungverlieren. Europa wächst zusammen.Und - um auf <strong>das</strong> eingangs zitierte Ereigniszurückzukommen - vielleicht wird es künftigein französisch-deutsch-polnisch-russischesAußenministertreffen geben, zu dem die Ministervon <strong>eine</strong>r Militärkapelle der NATOempfangen werden, die sich aus französischen,deutschen, polnischen und russischen Soldatenzusammensetzt. Die Landesregierung vonBrandenburg würde <strong>eine</strong> solche Entwicklungsicher begrüßen. Denn sie hat es als ihre Aufgabeangesehen, den Abzug der sowjetischenbzw. russischen Truppen im Jahre 1994 inWürde zu gewährleisten. Deshalb werden wirauch immer - im Interesse der Stabilität inEuropa - im Auge behalten, daß die Integrationauf unserem Kontinent nicht zu <strong>eine</strong>rIsolierung Rußlands führt.GrußwortAlain MoureauErster Botschaftsrat der Außenstelle Berlin der Botschaft der Französischen RepublikIch freue mich sehr im Namen des französischenBotschafters, unter dessen Schirmherrschaftdiese Veranstaltung steht, die Teilnehmerdieses Symposiums begrüßen zu dürfen.Ich möchte auch den Organisatoren dieser Veranstaltungdanken.Der Vorstoß, der unsere drei Regierungen, diedie Initiatoren des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s sind,beseelt, ist in der öffentlichen Meinung undden Medien noch nicht ausreichend bekannt.So <strong>eine</strong> Veranstaltung wie dieses Symposiumträgt dazu bei, die Realität dieser Zusammenarbeitbekannt zu machen. Wir möchten unterstreichen,wie äußerst wichtig in unserenAugen <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ist. Diese<strong>Dreieck</strong>sbeziehung bedeutet zunächst, daß <strong>das</strong>,was zwischen Frankreich und Deutschlandmöglich war und <strong>das</strong> Gesicht Europas sowie<strong>das</strong> Schicksal unserer Völker so grundlegendverändert hat, auch zwischen Polen undDeutschland möglich ist, trotz der Wunden derVergangenheit.Wie die deutsch-französische Versöhnungkann auch die Versöhnung zwischenDeutschland und Polen nur ein schrittweiserProzeß sein, in dem Erinnern und Vergessenmiteinander verschmelzen. Wir haben diePflicht uns zu erinnern, weil die Geschichteuns lehrt, daß nichts jemals erreicht ist und daßes nichts nützt, wenn wir zu unsererBeruhigung immer von dem Punkt sprechen,an dem es kein Zurück mehr gibt. Wenn wirdagegen die Pflicht haben zu vergessen, dannsollten wir allmählich die Wunden vergessen11


und <strong>eine</strong>n Abstand gewinnen, der notwendigist, wenn wir versuchen wollen, unsereVergangenheit zu verstehen, sie zu beurteilenund daraus Lehren für die Gegenwart zuziehen.Haßgefühle, die sich aus den Rivalitäten vondamals nähren, können k<strong>eine</strong>n Platz in der Geschichtefinden, die wir an dieser Jahrhundertwendezu machen versuchen.Unser Dreiergespräch bedeutet auch, daßZweiergespräche nicht der beste Rahmen für<strong>eine</strong>n erfolgreichen Versöhnungsprozeß sind.Ich denke nicht, daß die deutsch-französischeWiederbegegnung so schnell Ergebnisse gebrachthätte, wenn der Gründungsakt nur bilateralerArt gewesen wäre. Von Anfang an gehörtendeutsch-französische Aussöhnung undeuropäischer Aufbau zusammen. Und seit fast50 Jahren bereichern sie sich gegenseitig.Polen steht noch auf der Schwelle zur EU, aber<strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> bietet ihm schon deninternationalen Rahmen, der <strong>eine</strong> schnelle Vertiefungdes Dialoges zwischen Bonn undWarschau nur begünstigen kann.Mit Blick auf die Geschichte unseres Kontinentsist die Zusammenarbeit zwischen diesendrei alten europäischen Nationen ebenfalls <strong>eine</strong>bedeutende Neuerung. Wie oft, wenn Europanur noch ein riesiges Schlachtfeld war, woimmer wieder offene Konflikte auf nur vorübergehendeWaffenruhen folgten, hat Frankreichversucht, <strong>eine</strong>n Verbündeten gegen dendeutschen Gegner zu finden; ebenso wie mitRußland war die Allianz mit Polen gegenDeutschland seit dem 17.Jhdt. ein Grundsatzder französischen Diplomatie. Wir sollten nichtvergessen, welche Rolle sie für den Ausbruchdes zweiten Weltkriegs gespielt hat. Frankreichreagierte auf den deutschen Angriff gegenPolen, indem es Deutschland den Krieg erklärte.Daß Frankreich, Deutschland und Polensich heute in <strong>eine</strong>r Partnerschaftzusammenfinden, wie es sie noch nie gegebenhat, ist in mehrfacher Hinsicht ein Symbol für<strong>das</strong> neue Europa. So wie der deutschfranzösischeMotor seit 1950 Europa alseinziger die Möglichkeit gab, auf dem Weg zus<strong>eine</strong>r Einheit voranzukommen, weil er diegrundlegenden Gegebenheiten für <strong>das</strong>europäische Gleichgewicht umgekehrt hatte, sowerden die Beziehungen zwischen den dreiHauptstädten den Weg ebnen für dieErweiterung der EU nach Osten, die Schritt fürSchritt zur Einheit des europäischenKontinents führen soll.Um voranzukommen braucht Europa starkeSymbole. Dieses Symbol wird ebenso Einflußhaben auf die Fortsetzung des europäischenAbenteuers, wie die deutsch-französische Aussöhnungzu Beginn des Prozesses. Deshalbalso stellt <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> derHauptaufgaben des neuen Europa dar. Weil esnämlich dem deutsch-französischen Verhältnisund dem französisch-polnischen Verhältnis<strong>eine</strong> neue Dimension verleiht und dieVoraussetzungen schafft für ein neuesVerhältnis zwischen Deutschland und Polen.Und es erlaubt der EU, ihre Erweiterung nachOsten zu betreiben, und zwar in dem selbenGeiste, der in den 50er Jahren die Gründungder Europäischen Gemeinschaft geleitet hat.Was wir gemeinsam lernen ist Vertrauen.Ohne dieses Vertrauen wäre <strong>das</strong> vereinteEuropa ebenso anfällig wie dieGelegenheitsbündnisse und imperialenUmtriebe, die seit Jahrhunderten in derkomplizierten Geschichte unseres Kontinentsden Ton angegeben haben.In diesem Rahmen wird die EU <strong>das</strong> ThemaErweiterung anpacken. Über diesen Grundsatzdürfte es zwischen unseren Regierungen k<strong>eine</strong>Meinungsverschiedenheit geben.Ein Problem jedoch muß noch aufmerksamvon unseren beiden Hauptstädten geprüftwerden. Ich m<strong>eine</strong> die notwendige Reform derInstitutionen der EU, die der AmsterdamerVertrag nur unvollständig regeln wird. Dasbedeutet, daß die Erweiterung nur erfolgenkann, wenn wir zusammen die Reform derInstitutionen nochmals auf die Tagesordnungsetzen und die in Amsterdam verabschiedetenMaßnahmen ergänzen.Wie der französische Außenminister sagte,werden wir nicht zulassen, daß Europa zu <strong>eine</strong>rsimplen Freihandelszone wird. Dafür habenwir nicht 40 Jahre lang am Aufbau Europasgearbeitet. Und die Beitrittskandidaten wiePolen würden an der Nase herumgeführt, wennsie <strong>eine</strong>m ohnmächtigen Europa beitreten. DieFrage der Institutionen ist für Frankreich <strong>eine</strong>Vorbedingung für die Erweiterung.GrußwortStanislaus KramaczBotschaftsrat, Botschaft der Republik Polen12


ich freue mich sehr, daß Sie, liebe Gastgebervom Komitee zur Förderung des deutschfranzösischenFreundschaftsvertrages e.V., derInternationalen Akademie Schloß Baruth undder Bundeszentrale für politische Bildung,Außenstelle Berlin, sich dieser Problematikangenommen haben.Es scheint mir ein sehr aktuelle Diskussionsgegenstandzu sein, da gerade am 11.5.1998die Konferenz der Botschafter des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s in Düsseldorf stattgefunden hat. Wirhaben Ideen und Gedanken ausgetauscht undnach neuen Formen der polnisch-deutschfranzösischenZusammenarbeit gesucht.Unsere seit langem geplante Begegnung wurdevon <strong>eine</strong>r Ausstellung im Polnischen Institutbegleitet, die Werke von sechs polnischen,französischen und deutschen Künstlerndarstellt. Es ist <strong>eine</strong> ungewöhnlicheAusstellung, denn sie ist im visuellen Dialogdurch Bilder- und Gedankenübertragungentstanden. Sie stellt <strong>eine</strong> Reaktionskette dar.Jeder von den Künstlern malt nämlich Bilder,die zur Inspiration für die anderen werdensollen. Es ist <strong>eine</strong> einzigartigeZusammenarbeit, die dank der Fähigkeit,andere sehen und begreifen zu wollen, möglichgeworden ist. Die individuellen Beiträge, dieSicht jedes einzelnen, münden in ein Gemeinschaftswerk,<strong>das</strong> Triptychon genannt wordenist. Der aus dem griechischen stammende Begriff,der im Hinblick auf dieses AusstellungsprojektAnwendung gefunden hat, bedeutetdrei beweglich miteinander verbundeneTafelgemälde. Ihre Bedeutung ergibt sich ausderen Verbindung.Unser Triptychon setzt sich nun aus dem polnischen,deutschen und französischen Seitenflügelzusammen. Man könnte auch sagen esseien Spiegelbilder, denn sie ermöglichen unszu erfahren, wie wir von anderen gesehen werden.Wir als Menschen sehen uns besser, auchwir als Polen, Deutsche und Franzosen erkennenbesser eigene Charakterzüge. DenRahmen, den diese Ausstellung am bestenschildert, nennen wir <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>,d.h. die trilaterale Zusammenarbeit aufpolitischer, militärischer und kultureller Ebene,die die Außenminister unserer Staaten beiihrem Treffen 1991 in Weimar eingeleitethaben. Mittlerweile erstreckt sie sich auf dieVerteidigungs- und Sicherheitspolitik, erörtertvon den Verteidigungsministern, undparlamentarische Zusammenarbeit im Rahmender Auswärtigen Ausschüsse unsererParlamente.Das Gipfeltreffen zwischen dem polnischen,französischen Präsidenten und dem deutschenBundeskanzler im Februar 1998 in Posen hatdem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> neue Impulse gegeben.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> lebt von unserer kulturellenNähe und Verwandtschaft, schöpft ausdem gemeinsamen europäischen Kulturerbe,stützt sich auf Jahrhunderte alte VerbindungenPolens, Frankreichs und Deutschlands. Trotzunterschiedlicher Erfahrungen der drei Länder,die sich aus der Geschichte und Nachbarschaftergeben, betrachtet Polen die Zusammenarbeitzwischen Deutschland und Frankreich als einModell, <strong>das</strong> auch für die deutsch-polnischenBeziehungen Anwendung finden könnte. DieVersöhnung und Verständigung zwischenDeutschland und Frankreich, die die Grundlagefür die europäische Integration nach demzweiten Weltkrieg geschaffen hat, sollte Polenund Deutsche stets inspirieren und ermutigen.Es ist sicherlich von großem Vorteil für ganzEuropa.Nicht alles läßt sich übertragen, aber z.B. guteErfahrungen im Bereich der regionalen undgrenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischenDeutschland und Polen sind der Fähigkeitzu verdanken, die Erfahrungen anderer zurKenntnis nehmen zu können. Diese Fähigkeitwollen wir fördern.Der ehemalige Präsident des EuropäischenParlaments, Klaus Hänsch, hat vor kurzem ins<strong>eine</strong>m Beitrag Zwei Konzepte für ein Europafür die FAZ folgendes geschrieben : „VonHelsinki bis Lissabon, von den Beskiden bis zuden Hebriden streben wir bei allenUnterschieden im einzelnen nach dergleichgewichtigen Verbindung vonwirtschaftlicher Leistung und sozialerGerechtigkeit, suchen wir <strong>das</strong> gefährdeteGleichgewicht immer wieder neu herzustellenzwischen der Freiheit für den einzelnen unds<strong>eine</strong>r Verantwortung für <strong>das</strong> Ganze. Das isteuropäisch. Daraus kann europäische Identitätwachsen.“Die Anerkennung dieser Vielfalt kommt ebenin der Zusammenarbeit im <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>am besten zum Ausdruck. So verstehen wirden gemeinsamen Nenner der polnischfranzösisch-deutschenBeziehungen. Die dreiSeiten des <strong>Dreieck</strong>s sind wohl nichtsymmetrisch, die Unterschiede zwischen denPotentialen der Partner noch erheblich. Aberwir haben sehr früh erkannt, daß die


Integration Polens in die EU im Dialog mitallen Partnern voranschreiten muß. Demdeutsch-französischen Tandem, auch Motorder europäischen Integration genannt, kommtin dieser Hinsicht <strong>eine</strong> besondere Bedeutungzu. Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> fördert dieIntegration Polens in die europäischenpolitischen, wirtschaftlichen und militärischenStrukturen. Dank des Gedanken- und Ideenaustauschesim Rahmen des <strong>Dreieck</strong>s ist esz.B. im Einvernehmen mit anderen Staatengelungen, Polen den Status <strong>eine</strong>s assoziiertenPartners der Europäischen Union im Jahre1994 zuzuerkennen. Die fortschreitendeIntegration Polens mit der EU, die am21.3.1998 bereits in formelle Beitrittsverhandlungenmündete, wird von dem Dialog imRahmen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s stets begleitet.Wir messen der trilateralen Zusammenarbeit<strong>eine</strong> große Bedeutung bei und streben nachderen Vertiefung. Das trilaterale Forum bietetauch <strong>eine</strong> einzigartige Chance, durchgemeinsame Initiativen auch unsere anderenPartner, z.B. die Ukraine, an Europa stärker zubinden. Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> hat also auch<strong>eine</strong> Funktion nach außen. Im <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> können wir die Aufmerksamkeit derfranzösischen Partner Richtung Ost- undMitteleuropa lenken. Zu dritt können wir fürunsere östlichen Nachbarn <strong>eine</strong> Brücke nachEuropa schaffen. Diese Brücke mußwenigstens drei Pfeiler haben, der polnischeall<strong>eine</strong> würde jetzt noch nicht genügen. Dieswird von unserem deutschen Partnereingesehen.Oskar Lafontaine sagte diesbezüglich, daßparallel zu der Vertiefung der EU auch ihreErweiterung vorangetrieben werden müsse, diedurch ein enges Verhältnis von Deutschlandund Frankreich zu Polen ihr Gravitationszentrumbehalten und stärken kann.Dem <strong>Dreieck</strong> entsprechen also mindestens dreiFunktionen :• Eine gegenüber Polen, d.h. Förderung desBeitrittsprozesses in die EU.• Eine nach außen, d.h. die des Gravitationszentrumsfür die östlichen Nachbarn und• <strong>eine</strong>, die die Übereinstimmung zwischenDeutschland und Frankreich fördern hilft.Ein Motor läuft nun mal reibungslos, wenn alles<strong>eine</strong> Bestandteile harmonisch mitwirken.Es ist ein sehr komplizierter Mechanismus, indem bestehende Unterschiede stets in <strong>eine</strong> einheitlichePosition zum Start eingebrachtwerden müssen. Nur dann kann esfunktionieren, nur dann kann die Fahrtbeginnen.GrußwortAndreas von MettenheimGesandter, Auswärtiges AmtM<strong>eine</strong> Damen und Herren,ich möchte ihnen herzliche Grüße von HerrnStaatsminister Hoyer ausrichten und Ihnenstellvertretend sein Grußwort übermitteln :„Die Vision <strong>eine</strong>r europäischen Gemeinschaft,die ganz Europa einschließt, war der Ursprungdes europäischen Einigungswerkes. Nach demhistorischen Wandel, den die Jahre 1989 und1990 auf dem europäischen Kontinent eingeleitethaben, hat diese Vision <strong>eine</strong> Chance,Wirklichkeit zu werden. Der Wille, die politischeTeilung Europas zu überwinden, ein gemeinsamesHaus Europa zu bauen und damitFrieden und Stabilität in ganz Europa zusichern, war ein Leitmotiv vieler wichtigerEntscheidungen, die wir in den letzten Jahrenin der EU getroffen haben. In Deutschlandverstehen wir den Prozeß der Erweiterung als<strong>eine</strong> große Chance, die <strong>Zukunft</strong> Europas im21.Jahrhundert zu gestalten. Wir sehen darinauch die Chance, die Beziehung mit unseremNachbarn Polen zu festigen und zu vertiefen.Mit dem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> haben wir ein Forumprivilegierter Zusammenarbeit mit unserengrößten und beiden wichtigsten NachbarnFrankreich und Polen eingerichtet. Ich bin zuversichtlich,daß die Ergebnisse dieser engenZusammenarbeit auch im Rahmen des Beitrittsprozessesihren Nutzen entfalten werden.Den Dialog, den Sie im Rahmen diesesSymposiums führen werden, sehe ich indiesem Sinne als wichtigen Beitrag zurErfüllung unserer gemeinsamen historischenAufgabe, ein einiges Europa zu schaffen.Ich wünsche ihnen intensive und fruchtbareGespräche und <strong>eine</strong>n erfolgreichen Verlauf derVeranstaltung.“Als auf Initiative unseres damaligenAußenministers Genscher, dieser sich mits<strong>eine</strong>n französischen und polnischen14


Amtskollegen 1991 in Weimar traf, waren diealten Blöcke noch nicht endgültig überwunden,Entscheidungen über die NATO-Mitgliedschaft Polens und über den Beitritt zurEU waren damals noch nicht gefallen. Dasheute selbstverständlich ersch<strong>eine</strong>nde<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> war damals <strong>eine</strong> politischeSensation. Es ist seitdem zu <strong>eine</strong>r festen Größein Europa geworden. Ich kann im Namen derBundesregierung sagen, daß wir stolz daraufsind, mit unseren beiden größten Nachbarndieses Forum für <strong>eine</strong> privilegierteZusammenarbeit pflegen zu können.Zusammenarbeit ist kein Selbstzweck, jedenfallsnicht überwiegend. Das Ziel, um dessentwillenwir diese spezifische Form der Zusammenarbeitbetreiben, ist die EinbeziehungPolens in die euro-atlantischen Sicherheitsstrukturenund in die EU. Die Bundesregierungläßt sich bei der trilateralen Zusammenarbeitvon der Überzeugung leiten, daßDeutsche, Polen und Franzosen, nicht zuletztaufgrund ihrer gemeinsamen Geschichte, aufgerufensind, bei dem Bau des gemeinsamenHauses Europa intensiv zusammenzuarbeiten.Bei diesem Prozeß hatte und hat <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> s<strong>eine</strong> Rolle zu spielen.In der trilateralen sicherheitspolitischen Zusammenarbeithat <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ganzkonkrete Fortschritte gebracht. Hinzuzufügenzum bereits Erwähnten wäre hier noch die Zusammenarbeitin der OSZE, in der zurzeitPolen den Vorsitz führt.Im Hinblick auf die EU-Erweiterung hat dietrilaterale Zusammenarbeit auchAbstimmungs- und Vorarbeiten geleistet. DerBeginn der Beitrittsverhandlungen mit Polenmarkiert <strong>eine</strong> erfolgreiche Zwischenetappe imBeitrittsprozeß, zu der auch die <strong>Weimarer</strong>Gespräche ihren Beitrag geleistet haben.Die Reform der EU ist nicht Vorbedingung<strong>eine</strong>r Erweiterung, vielmehr sollte beides zugleichgeschehen.Weimar ist und wird daher als Forum für dieprivilegierte Zusammenarbeit zwischenunseren drei Ländern bleiben. Über <strong>das</strong>, waspolitisch, wirtschaftlich, vor allem aber auchkulturell hier im einzelnen noch geschehen istoder zu geschehen hat, werden die einzelnenSeminarbeiträge Auskunft geben.Die Frage muß jedoch erlaubt sein, ob die tatsächliche,aber auch die symbolische und demonstrativeBedeutung des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>sdurch die Fortentwicklung der politischenLage in Europa Einschränkungen oderAnpassungen erfahren muß. Mit anderenWorten : <strong>Hat</strong> <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> s<strong>eine</strong>Aufgabe weitgehend erledigt ?Fest steht, daß sich die politischen Verhältnissein Europa seit der ersten Zusammenkunft derdrei Außenminister in Weimar grundlegendgeändert haben. Ein neues Zeitalter ist angebrochen.Die alten Blöcke sind endgültigüberwunden, die Ausweitung des europäischenIntegrationsmodells auf den gesamten europäischenKontinent verspricht Stabilität undWohlstand für die <strong>Zukunft</strong>. Der Beschluß zurAufnahme Polens in die NATO ist gefallen,ebenso wie derjenige zur Aufnahme in die EU.Die wesentlichen Elemente, die damals dieImpulse für die dreiseitige Konsultation gegebenhatten, bestehen aber fort. Im Rahmenunserer Ost-Mitteleuropa-Politik hatten wirDeutschen <strong>das</strong> Interesse, den Änderungsprozeßmit Frankreich, <strong>das</strong> östliche Mitteleuropa -entgegen <strong>eine</strong>m vor allem gerade in der französischenÖffentlichkeit weitverbreiteten Vorurteil- nicht nur als <strong>eine</strong> sog. deutsche Einflußzonezu betrachten, sondern an der Öffnungder mittel- und osteuropäischen Staaten nachEuropa aktiv zu partizipieren. Dies gilt auchheute.Für Polen wiederum waren privilegierte Beziehungensowohl mit Deutschland als auch mitFrankreich ein wichtiges Element der harmonischenEingliederung in <strong>das</strong> europäischeSystem. Auch hier kann man nicht davon sprechen,daß sich <strong>das</strong> Thema schon erledigt hätte.Im übrigen ist <strong>das</strong> Ende der Geschichte nochnicht gekommen. Die Hürden, die uns in denBeitrittsverhandlungen erwarten, sindgewaltig. Beide Seiten, die Beitrittskandidatenund die EU, müssen intern noch großeReformanstrengungen unternehmen. Dies giltgerade auch für Polen als dem größten EU-Beitrittskandidaten. Die vertrauensvollepolitische Zusammenarbeit im <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> stellt hier <strong>eine</strong> komplementäreDialogstruktur zur Verfügung.Erlauben sie mir noch <strong>eine</strong>n Satz zum Modellcharakter.In der Außenpolitik ist der BegriffModell oft <strong>eine</strong> faule Ausrede fürphantasielose Übertragung alter Ideen auf neueSachverhalte. Der Elysée-Vertrag ist keinModell für die deutsch-polnische Aussöhnung.Dies spricht im übrigen weder gegen denElysée-Vertrag noch gegen die deutschpolnischeAussöhnung. Das <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>, entstanden aus den zuvorgeschilderten spezifischen Bedingungen, sollte15


auch kein Präzedenzfall für andere mehrseitigeKonstruktionen sein.Dies spricht auch nicht gegen, sondern für <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>. Denn <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>hat <strong>eine</strong> innere Logik, die ihm denFortbestand erlauben. Im übrigen ist es auchkein Forum für spezifisch deutsch-polnischeAnliegen.Desgleichen stellt sich die Frage, inwieweit<strong>das</strong> erfolgreich praktizierte <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>als Konsultationsmechanismus auf Regierungsebenedie „Gesellschaften in den Ländernberühren“ kann oder soll. Gedacht war Weimarin erster Linie als ein Instrument außenpolitischerAbstimmung. Dies bedeutet jedoch nicht,daß man über die originären, aus der konkretenhistorischen Situation entsprungenen Aufgabendes <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s nicht etwahinausgehen kann und Fragen dergesellschaftlichen und kulturellenZusammenarbeit auch trilateral angeht. Wennich es recht ansehe, ist gerade Ziel diesesSeminars, entsprechende Ansatzpunkte zudefinieren. Wir sind gespannt auf dieErgebnisse.Diskussion• Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> sei viel zu wenig bekannt unter der Bevölkerung und daher nicht in allemverstanden. Die Frage wurde augeworfen , ob es diesbezüglich sowohl für Regierung als auch Bevölkerungnützlich wäre, wenn es für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> Permanent Agenda gäbe, alsoein systematisches Tagesordnungsprogramm, welches öffentlich bekannt gegeben würde. Diemehrheitliche Meinung der Referenten ergab, daß <strong>eine</strong> solche Permanent Agenda wenig sinnvollwäre, da mehrlaterale Beziehungen immer dann von politischem Leben erfüllt sind, wenn sie vonaktuellen Themen bestimmt werden und auch erweiternde Themen einfließen sollten, wie z.B.Umweltschutz, wobei sich <strong>eine</strong> Permanent Agenda und ein sich schrittweise erweiternder Prozeßnicht ausschließen müssen.• Im Verlauf der Diskussion wurde erwähnt, daß <strong>eine</strong> Erweiterung der Themen des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s im kulturellen Bereich, aber auch beim Recht als <strong>eine</strong> Vorbildfunktion dienen könnte.Insbesondere Polen müßte sein Rechtswesen noch an europäische Richtlinien anpassen.• Von besonderer Bedeutung für <strong>das</strong> Zusammenwachsen seien auch die Grenzübergänge, welchesich nur aufwendig gestalten lassen, wenn ein Fluß die Staatsgrenze bildet, da der Brückenbauhohe Investitionen fordert. Hr. Kramacz verglich die Europabrücke zwischen Frankreich undDeutschland bei Strasbourg/Kehl mit der Brücke zwischen Polen und Deutschland bei Görlitz. DerBeitritt Polens in die EU oder auch zunächst zum Schengener Abkommen erfordere allerdingsInvestitionen an der polnischen Ostgrenze zur Sicherung derselben.• Auf die Frage nach Problemen, die <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> mit sich bringt, wurde einzig derGeldmangel erwähnt, ansonsten sei alles harmonisch, die Erfolge und der politische Wille seien<strong>das</strong>, was zählt.• Prof. Dr. Kolboom wies darauf hin, daß gerade auf der Ebene der RegionenHandlungsnotwendigkeit bestünde, um den europäischen Lernprozeß voranzubringen. Es sei zuabstrakt, wenn <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ein Konsultationsmechanismus der Regierungen bliebe.• Die trilateralen Impulse seien, nach Ansicht von Hr. Dr. Bethkenhagen, hilfreich und lehrreich fürdie vorwiegend bilaterale Arbeit auf regionaler Ebene.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könne mit s<strong>eine</strong>r Symbolkraft als Basis fungieren, um für den größereneuropäischen Blickwinkel Vertrauen zu schaffen.16


Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> : Trilaterale Zusammenarbeit als Modell zur <strong>Osterweiterung</strong> derEUProf. Dr. Ingo KolboomLehrstuhl für Frankophonie, Technische Universität Dresden, Mitglied des Deutsch-FranzösischenKulturratesExzellenzen, Prof. Standke,lieber Dr. Krill de Capello, liebe Kollegen,m<strong>eine</strong> Damen und Herren !Es ist nützlich, zuerst <strong>eine</strong> Definition des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s zu geben. In dem „AktuellenLexikon“ der Süddeutschen Zeitung vom6.11.1997 wird es wie folgt beschrieben :„Im August 1991 trafen sich die AußenministerFrankreichs, Deutschlands und Polens in Weimarund gründeten <strong>das</strong> sog. <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>. Anfangdieser Woche vereinbarten die Verteidigungsministerderselben Länder in Weimar <strong>eine</strong> enge militärischeKooperation. Mit der trilateralen Partnerschaftwollen Frankreich, Polen und Deutschland<strong>das</strong> Grundgerüst für ein künftiges System der europäischenSicherheit bilden. Der Versöhnungscharaktersowie <strong>das</strong> Verständnis für gegenseitige Problemestehen im Vordergrund der informellenÜbereinkunft. Zurück geht die Initiative auf Hans-Dietrich Genscher, der im Jahre eins nach derWende die alten Blockstrukturen endgültig beseitigenwollte. [...]“Bevor ich nun weiter in die innere Logik des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s einsteige, möchte ich <strong>eine</strong>Reise in die Vergangenheit machen. Es gabschon immer <strong>eine</strong> historische „Trilaterale“avant la lettre : Die deutsch französischen Beziehungenin der Geschichte waren nie nur„bilateral“, im positiven wie im negativenSinne. Europa war immer <strong>das</strong> gemeinsameDritte, über <strong>das</strong> <strong>das</strong> eigene Kräfteverhältnisdefiniert wurde. Ohne Europa hätte es auchk<strong>eine</strong> deutsch-französischen Konflikte gegeben.In diesem gemeinsamen Dritten Europahat Polen schon immer <strong>eine</strong> Rolle gespieltdurch historische Verbindungen mit jeweils<strong>eine</strong>m der beiden Länder. Sie waren durchdreifachen naturwüchsigen Bilateralismus miteinanderverknüpft.Der „deutsche“ Anteil war bis 1866/71 multiformmit sehr unterschiedlichen Beziehungen,da es viele deutsche Teilstaaten gab. Meistgingen jedoch die Arrangements zwischenPreußen bzw. Deutschland und Frankreich zuLasten Polens.Fassen wir die Geschichte in kurzen Etappenzusammen :• Bis zu den polnischen Teilungen gab es einsehr komplexes Beziehungsgeflecht zwischendem Königreich Polen, dem KönigreichFrankreich, dem heiligen römischenReich deutscher Nation und den deutschenEinzelstaaten.• 1804-14 Napoleonische Zäsur : Das GroßherzogtumPolen wird Teil des französischenImperiums.• 1814-1918 Wiener Kongreß bis VersaillerVertrag : Polen ist staatlich nicht mehr existent.• 1918-39 Zwischenkriegszeit : Das neuePolen wird Teil der französischen Allianzpolitikin Mitteleuropa gegen Deutschland.• 1939/40-44 : Frankreich und Polen werdenOpfer nazistischer Okkupationspolitik bzw.Vernichtungspolitik. Es ist vor allem dieseZeit, mit ihren Folgen, die <strong>das</strong> heutigedeutsch-polnische Verhältnis markiert undein Potential von„Vergangenheitsbewältigung“ geschaffenhat, <strong>das</strong> Nähe schafft zum Komplex derdeutsch-französischen„Vergangenheitsbewältigung“.• 1944-90 Kalter Krieg : Es gibt faktischk<strong>eine</strong> Dreierbeziehung mehr, da Polen alsFaktor europäischer, deutscher oder französischerPolitik ausgeschaltet war. Dafürfand <strong>das</strong> Jahrhundertereignis der deutschfranzösischenAussöhnung und Zusammenarbeitstatt.• seit 1990 neue Ära : Ein Neuanfang derdeutsch-polnischen und auch der französisch-polnischenBeziehungen ergibt sich.Die heutige „Dreierbeziehung“ hat jedoch <strong>eine</strong>andere Qualität. Sie ist ein voluntaristischesKonzept, direkt abgeleitet aus dem politischenKonzept der deutsch-französischen Sonderbeziehung.Der deutsch-französische Bilateralismuswollte und will der vorhandenen Nachbarschaft<strong>eine</strong> besondere Stoßrichtung und <strong>eine</strong>neue Eigenschaft geben. Es ging hierbei primärum die Überwindung der historischen„Erbfeindschaft“ bis in die Tiefen der Zivilgesellschaftund <strong>das</strong> Einbringen des deutschfranzösischenBilateralismus als „Motor“ west-17


europäischer Einigungspolitik. Es ging um <strong>eine</strong>Gemengelage politischer und wirtschaftlicher,nationaler und supranationaler, machtpolitischerund moralischer, realer und symbolischerFaktoren., welche <strong>das</strong> deutsch-französischeVerhältnis zu <strong>eine</strong>m Sonderverhältnis mit<strong>eine</strong>m in der Welt einmaligen formellen undinformellen Beziehungsnetz machte. Diegünstigen Ausgangsbedingungen der deutschfranzösischenNachkriegsversöhnung sind jedochnicht übertragbar auf die deutsch-polnischeSituation heute.Seit 1990 sind Europa und Deutschland wiedervereinigt.Deutschland ist somit in diegeographisch-politische Mitte Europas zurückgekehrt.Es ist auch <strong>eine</strong> Rückkehr zur altenpolitischen Morphologie Europas, damit ergibtsich ein neues Kräfteverhältnis von gleich zugleich zwischen Deutschland und Frankreichund auch Polen ist wieder mit von der Partieals direkter und besonderer Partner vonDeutschland und Frankreich.Für <strong>das</strong> polnisch-französische Verhältnis bedeutetdie neue Lage zunächst die Fortführung<strong>eine</strong>r alten herzlichen Beziehung. Auf polnischerSeite gab es diesbezüglich hohe politischeErwartungen, welche jedoch aus polnischerSicht von Frankreich nicht erfülltwurden. Frankreich bedeutete in dieser neuenKonstellation für Polen ein ausgleichenderPartner gegen potentielle neue deutsche Stärkeund Hegemonie. Polen bedeutete fürFrankreich ein ausgleichender Partner gegenÄngste vor deutschen Alleingängen im Osten.Für <strong>das</strong> deutsch-polnische Verhältnis war dieneue Lage zunächst problematisch, da diedeutsch-polnische Vergangenheitsbewältigung1990 erst ihren Anfang nahm, wo <strong>das</strong> deutschfranzösischeVerhältnis schon die Routine<strong>eine</strong>s funktionierenden Geschäftsverhältnisseswar. Deutschland war für Polen wieder einmächtiger, aber erstmals demokratischer und indie westeuropäische Integration eingebundenerNachbar. Deutschland als „Brücke“ zur EU.Polen war für Deutschland der wichtigste östlicheNachbar. Dies bedeutete, daß die Sorge umdie polnische Stabilität und Prosperität ein Teilder deutschen Innenpolitik wurde.Alles zusammen ergibt <strong>eine</strong> interessante,potentiell spannungsreiche Gemengelage,daher bekam die deutsch-französischeSonderbeziehung 1990 <strong>eine</strong> neue Bedeutungfür Mitteleuropa, u.a. als Vorbild für dendeutsch-polnischen Aussöhnungs- undKooperationsprozeß, als Rückversicherung fürFrankreich gegen deutsch-polnischeAlleingänge und für Polen alsRückversicherung gegen deutsche Hegemonieversuchungen.Sie diente auch als politischinstitutionelleRelaisstation, um polnische,französische und deutsche Interessen auszugleichenund in die neue politische ArchitekturEuropas einzupassen.Da sich alle drei Länder dieser neuen Gemenge-und Interessenlage bewußt wurden undniemand dies nur als naturwüchsigen Prozeßablaufen sehen wollte, wurde <strong>das</strong> politischeKonzept <strong>eine</strong>s deutsch-französisch-polnischenTrilateralismus mit Symbolcharakter erweitert.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> kam in verschiedenenBereichen zur Anwendung :• Politik allgemein : seit 1991 jährlichesTreffen der drei Außenminister• Sicherheitspolitik : Kooperation der dreiVerteidigungsminister• politische Pädagogik : trilaterale Jugendtreffen• Kultur : u.a. trilaterale Künstler- undSchriftstellertreffen• andere Bereiche : z.B. WirtschaftDas <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ist Teil <strong>eine</strong>svierfachen „deutsch-polnischen Wunders“ :• auf der Ebene der politischen Spitze• in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit• im Deutschenbild der Polen (Deutsche ander Spitze der polnischen Sympathieskala,leider nicht umgekehrt)• k<strong>eine</strong> Angst mehr vor den Deutschen, Indikatorfür ein erstarktes Selbstbewußtseinder PolenDas Konzept des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s bietetviele Vorteile. Alle drei Partner arbeiteninternational und voluntaristisch an <strong>eine</strong>mkonstruktiven Verhältnis zu dritt. Es ist k<strong>eine</strong>isolierte Dreierachse, sondern Teil dergesamteuropäischen Politik. Das Gespräch zuDritt ist europäische Methode. Das <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> ist politischer Pragmatismus mitzugleich hohem politisch-moralischemAnspruch.Einige Argumente :• Das deutsch-französisch-polnische Triodient als „Laboratorium“ neuer erweiterterIntegrations- und Sicherheitspolitik.• Der trilaterale Ansatz in der Kooperationmit Polen ist <strong>eine</strong> geschickt angelegteStruktur, in der unterschiedliche nationaleInteressen der Beteiligten zum18


gegenseitigen Vorteil pragmatischmiteinander verbunden werden können.• Der dreifache Bilateralismus würde Defiziteund Rivalitäten aufweisen, die nur durchdie Beteiligung des jeweiligen drittenPartners kompensiert werden können.• Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ist ein Versuchsfeldder EU-<strong>Osterweiterung</strong>. Entwicklungen undProbleme der <strong>Osterweiterung</strong> können im<strong>Dreieck</strong> antizipiert werden.• Polen kann sich über <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>in Westeuropa als Anwalt Ostmitteleuropaseinbringen.• Frankreich ist als dritter im Bunde wichtig,um (aus französischer Sicht) ein deutschpolnischesAbdriften nach Mitteleuropa zuverhindern.• Frankreich ist als moderierende Kraft zwischenEuropas Osten und Europas Südflankewichtig.• Frankreichs Präsenz im deutsch-polnischenVerhältnis macht deutsche Politik berechenbarerund glaubwürdiger gegenüberPolen.Nun zu den Grenzen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s.In diesem <strong>Dreieck</strong> sind nicht alle Partnergleich. Polen ist ein ungleicher Partner vonDeutschland und Frankreich, die sich alsmitteleuropäische Supermächte etabliert haben.Dieses Trio kann also kein Motor für Europapolitiksein, es ist eher notwendig, um unnötigeReibungsverluste zu vermeiden.Frankreich ist in diesem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> deram wenigsten engagierte Partner. Dies führtegerade auf polnischer Seite zu großen Frustrationen,aber auch zur Stärkung der deutschpolnischenBeziehung.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> darf nie so exklusivwerden, daß es andere Partner in Mitteleuropaausklammert. Es gibt in diesem <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> immanente Gefahren des Rückgriffsauf alte Interpretationsmuster in der Integrationspolitik.Nun zur <strong>Zukunft</strong> des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s.In der gegenwärtigen Lage vor der <strong>Osterweiterung</strong>der EU ist <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>ein realistisches Bündnis- und Kooperationsmodell,<strong>das</strong> aber mehr ist als Realpolitik. Esüberschreitet Realpolitik, um diese nach bestimmtenZielvorstellungen im Interesse allerdrei Partner zu verändern.Das Modell zeigt in s<strong>eine</strong>r Umsetzung aberSchwächen, die behoben werden müssen,wenn <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong>habensoll :• Frankreich muß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> unddamit auch Polen ernster nehmen, sonstwird es von den sich sehr gutentwickelnden deutsch-polnischenBeziehungen abgehängt.• Es ist notwendig, daß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>stärker in den Zivilgesellschaften derdrei Länder verankert wird.• Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> müßte regionaleStrukturen erhalten, dies gilt besonders fürdie neuen Bundesländer.• Es muß s<strong>eine</strong> Existenzberechtigung gegenüberanderen Ländern in Mitteleuropaerklären, so wie die deutsch-französischeSonderbeziehung sich gegenüber Drittenhat erklären müssen.Wenn diese Voraussetzungen beachtet werden,kann <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> im Kontext deranstehenden <strong>Osterweiterung</strong> der EU <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong>haben. Es könnte im Zuge der <strong>Osterweiterung</strong>der EU s<strong>eine</strong> Labor- und Wächterfunktionausbauen. Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könntenach vollendeter <strong>Osterweiterung</strong> s<strong>eine</strong>Funktion als „Ost-West-Dreizylindermotor“voll entfalten, denn dafür muß Polen ersteinmal die Hürden der Mitgliedschaft in denwestlichen Integrationstrukturen genommenhaben.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könnte nach der <strong>Osterweiterung</strong><strong>das</strong> fortbestehende Gefälle zwischenalter West-EU und neuer Ost-West-EU ausgleichenhelfen. Polen könnte s<strong>eine</strong> Erfahrungenmit der polnisch-litauischen Union einbringen,die 200 Jahre lang (1386-1572) alsFriedensgemeinschaft funktioniert hat.Jeder Partner im <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> hat jeweilszwei Partner, so wie jeder Fluß zwei Ufer hat.Nun beende ich m<strong>eine</strong>n Beitrag mit <strong>eine</strong>m Gedichtvon Helmut Preißler :„Zwei Ufer hat der StromFlüsse zerschneiden <strong>das</strong> Land.Wenn <strong>eine</strong>m Ufer der Frieden zerbrichtHalten die Brücken nicht stand.“Herzlichen Dank.19


DiskussionAn den Referenten wurde die Frage gestellt, ob es denn richtig sei zu sagen, daß sich andere östlicheStaaten von Polen, als östlichem Partner des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s, repräsentiert fühlen. Das <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> sei doch vielmehr <strong>eine</strong> exklusive Vereinbarung.Prof. Kolboom gab zur Antwort, daß s<strong>eine</strong> Erfahrungen bezüglich des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s zeigten, daßverschiedene Vertreter aus West-, Mittel- und Osteuropa dieses bisher nicht als exklusiv empfundenhätten. Die Bezeichnung der Polen als Anwalt Westmitteleuropas stamme allerdings von den Polenselbst. Es sei denkbar, daß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> auch hilfreich und unterstützend wirken könne beider tschechisch-polnischen Annäherung.Zwischenbilanz und Perspektiven der ZusammenarbeitProf. Dr. Renata Fritsch-BournazelCentre d’Etudes et des Recherches Internationales (CERI), ParisM<strong>eine</strong> Damen und Herren !<strong>Hat</strong> <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong> ?Würde es sich um <strong>eine</strong> Zweierbeziehunghandeln, könnte man sagen, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> befindet sich jetzt im „verflixtensiebenten Jahr“. Aber fraglich ist, ob diesepsychologische Spielerei auf <strong>das</strong> „Euro-Trio“anwendbar ist.Frankreich war (aus französischer Sicht) vonder europäischen Wende überrascht. Diedeutsche Einheit und die spezifische deutscheInteressenlage an <strong>eine</strong>r Stabilisierung der Verhältnissein Mitteleuropa, insbesondere an dieEinbindung Polens in die sog. westliche Stabilitätsgemeinschaft,schien Frankreichs Positionin Ostmitteleuropa auf Dauer zu gefährden.Diese Zeit war <strong>eine</strong> Umgewöhnung für Frankreich.In den Jahren 1990/91 wurde deutlich,daß Frankreich kein Konzept für den ostmitteleuropäischenRaum und kein ausgewiesenesInteresse an ihm hatte.Andererseits kamen in der Tradition der altengeopolitischen Schule Befürchtungen von <strong>eine</strong>rdeutschen Dominanz in Mitteleuropa zumAusdruck, die auch in der französischen Perzeptionder deutschen Jugoslawienpolitik undin der französischen Balkanpolitik seit 1990sichtbar wurden. Die Rückkehr der Gespenster<strong>eine</strong>r falsch verstandenen Geopolitik stellt <strong>eine</strong>Gefahr für <strong>das</strong> deutsch-französische Tandemdar und auch für die Art, wie sich <strong>das</strong> Verhältnisder beiden Teile Europas gestaltet odergestalten sollte.Von der französischen Interessenlage her wirdverständlich, warum es im besonderendeutschen Interesse lag, Frankreich in die Integrationspolitikfür Ostmitteleuropa einzubinden,wobei Polen <strong>das</strong> strategisch wichtigsteLand in diesem Raum darstellt. Im besonderendeutschen Interesse scheint außerdem zuliegen, <strong>eine</strong>r drohenden Singularisierung s<strong>eine</strong>sIntegrationswunsches für Polen, Tschechien,Ungarn u.s.w. in der EU zu entgehen und französischeBefürchtungen vor <strong>eine</strong>r dauerhaftendeutschen Patronage in Ost-Mitteleuropa oderauch später in der erweiterten EU zuentkräften. Die Devise der deutschen Politikscheint zu sein, <strong>das</strong> Interesse an der<strong>Osterweiterung</strong> muß vergemeinschaftetwerden. Und da in dieser Politik Polen dieentscheidende Rolle spielt, aus deutscher Sichtwegen <strong>eine</strong>s ganzen Komplexes von Gründen(historisch, moralisch, ökonomisch,stabilitätspolitisch u.s.w.), war es für diedeutsche Seite besonders wichtig, Frankreichin den intensiven deutsch-polnischen Dialogeinzubeziehen, der zu Anfang noch sehrkonfliktreich war.Für die polnische Politik stellt es <strong>eine</strong> Gefahroder mögliche Falle dar, sich allein aufDeutschland als Anwalt des polnischen Integrationswunscheszu verlassen. Es konnte nichtin polnischem Interesse liegen, <strong>eine</strong>n deutschfranzösischenDissens in dieser Sache zu provozierenund <strong>eine</strong>n angeblichen traditionellfranzösischen guten Willen gegenüber Polendurch <strong>eine</strong> zu demonstrative BevorzugungDeutschlands in Frage zu stellen. Es war fürPolen besser, zwei entscheidende Anwälte, anstattnur <strong>eine</strong>n zu haben.Traditionelle Ostpolitik ist seit der Wende inEuropa passé. Es geht heute um <strong>eine</strong> Politikgegenüber Ost-, Mittel- und Südosteuropa alsTeil <strong>eine</strong>r integrationsorientierten Europapolitik.Nur wird es nicht überall so gesehen,und es fällt auf, daß man besonders in Krisensituationenweiterhin dazu neigt, in nationalenKategorien zu denken. Dann ist die Ver-20


suchung nahe, Punkte zu zählen und sich wenigerum <strong>das</strong> Übergeordnete Sorgen zu machen.In der integrationsorientierten Europapolitikhaben Deutschland und Frankreich teils gemeinsame,teils spezifisch nationale Interessen.Gemeinsam ist ihnen <strong>das</strong> Interesse an Befriedung,Stabilität und Integration bzw. Kooperation.Aber die Intensität des Interesses ist inFrankreich und Deutschland unterschiedlich.Historisch, kulturell, mental und ökonomischist Deutschland mehr als Frankreich an Ost-,Mittel- und Südosteuropa interessiert. Die geographischeLage spielt hier selbstverständlich<strong>eine</strong> Rolle, ohne daß sie aber automatisch mitdem Begriff traditionellen geopolitischenDenkens verknüpft werden muß. Frankreichs<strong>eine</strong>rseits ist mehr am Mittelmeerraum undNordafrika interessiert und sieht s<strong>eine</strong> Sicherheiteher vom Süden als vom Osten herausgefordert.Allerdings muß dazu gesagt werden ,daß <strong>das</strong> kulturell-touristische InteresseDeutschlands an Südeuropa ausgesprochengroß ist.Für Deutschland wie für Frankreich spieltPolen <strong>eine</strong> besondere Rolle, da es <strong>das</strong> größte,strategisch und ökonomisch interessantesteLand in der Region darstellt und die „Brücke“nach Rußland bildet. Unter strategischen Gesichtspunktenist Polen somit <strong>das</strong> entscheidendeLand. Das hat für Polen Vorteile undNachteile. Von Vorteil ist, daß an Polen niemandvorbei kann. Von Nachteil ist, daß vonPolen für die Integration in die EU besondersgroße Anstrengungen in einzelnen Bereichenunternommen werden müssen, umintegrationsfähig bzw. europareif zu werden.Eine wichtige Aufgabe für alle drei Länderscheint zu sein, über die verschiedenenSchichten des tradierten kollektiven Gedächtnissesim jeweiligen Land nachzudenken unterdem Gesichtspunkt derVergangenheitsbewältigung. Es sollte aberauch <strong>eine</strong> zukunftsorientierte Arbeit sein, inder es darum gehen sollte, uns ein kollektivesGedächtnis als Europäer zuzulegen.Wenn man davon ausgeht, daß damals <strong>das</strong>Gründungstreffen in Weimar stattfand und daßman sich als Datum den Geburtstag vonGoethe ausgesucht hat, ist es schade, daß derkulturelle Aspekt sehr zu wünschen übrig läßt.Es geht hierbei nicht nur um Ressourcenverteilung,sondern es geht leider auch um Vertretungnationaler Kulturpolitik. Wir sind nochnicht soweit, altruistisch zu denken, um zusagen, daß wir ein Stück europäischen Dialogführen wollen. Statt dessen wird gefragt, wasFrankreich davon hat, daß es in Polen <strong>eine</strong>privilegierte kulturelle Arbeit aufnimmt. DieDeutschen sind hierbei ansch<strong>eine</strong>nd eherbereit, in <strong>eine</strong>n bilateralen Kontext zuinvestieren.Solch <strong>eine</strong> Konfiguration wie <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> sollte nicht nur Sache der Minister,Diplomaten und Technokraten sein. Es braucht<strong>das</strong> Europa von unten und dies sollte in der<strong>Dreieck</strong>sbeziehung getragen werden. Hierbeiist die Regionalisierung der Zusammenarbeitwichtig, wobei die neuen Bundesländer privilegiertmitarbeiten sollten, denn sie haben Erfahrungenmit Polen.Es ist wichtig, daß sich die Möglichkeiten vervielfältigenbei denen man gemeinsam überanstehende Fragen nachdenkt, aber sich auchum die Aufarbeitung der Vergangenheitbemüht, und <strong>das</strong> nicht nur im bilateralensondern im trilateralen Bereich. Hierbei istPolen kein Exklusivpartner, denn die Aufarbeitungist genauso wichtig mit Tschechien,Ungarn und anderen ost-mitteleuropäischenLändern.Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.21


DiskussionZur Diskussion stand zunächst der Begriff „Geopolitik“, vor dessen Benutzung Dr. Vetter warnte, aufgrundder verhängnisvollen Dimension, die der Begriff in sich bürge. Dieser Hinweis sei aus deutscherSicht berechtigt, jedoch sei nach Meinung von Prof. Dr. Fritsch-Bournazel kein deutscher „Reflex“ beidiesem Begriff notwendig. Es gäbe auch <strong>eine</strong> Geopolitik, die ganz wertfrei die neuen geographischenRealitäten im ausgehenden 20.Jhdt. untersuche. Kürzlich erschien sogar ein Buch vonE.U. von Weizsäcker mit dem Titel „Erdpolitik“.Bezüglich der Interessen Frankreichs am <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> wurde die Vermutung geäußert, daß eseher <strong>eine</strong> Kontrollfunktion erfülle, d.h. Beobachtung der sich entwickelnden deutsch-polnischenBeziehung. Jedoch sollte nicht vergessen werden, daß Deutschland damals Frankreich nahezugedrängt habe, sich an dieser <strong>Dreieck</strong>sbeziehung zu beteiligen, u.a. im Sinne <strong>eine</strong>s Vermittlers.Eine Überlegung von Dr. Standke galt dem Bekanntheitsgrad des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s innerhalb derBevölkerung. Es wäre evtl. sinnvoll, den Elysée-Vertrag als Modell für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>einzusetzen. Dieses Thema sollte vielleicht ganz aus den Händen der Politik und der Diplomatengenommen werden; es sei zwar <strong>eine</strong> hervorragende Erfindung der Politik, aber diese hätte dieDynamik dieses <strong>Dreieck</strong>s inzwischen auch schon an andere Bereiche abgegeben. Jeder könne vors<strong>eine</strong>r Haustür beginnen, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> umzusetzen.22


II. Die bildungs- und gesellschaftspolitische DimensionEinführungOrlof ZimmermannGeneralsekretär des Komitees zur Förderung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertragese.V.M<strong>eine</strong> sehr verehrten Damen und Herren !Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> hat kein vergleichbares<strong>Dreieck</strong>, weil es bei diesem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>um viel mehr geht als nur um die Achse Paris-Bonn-Berlin-Warschau oder Frankreich-Deutschland-Polen. Es geht hier um dreiSprachräume. Diese Tatsache wird häufig vergessenund in s<strong>eine</strong>r Bedeutung oft nichtrichtig eingeschätzt. Es geht um denromanischen, germanischen und slawischenSprachraum und nicht nur um die drei Länderin den Sprachräumen, sondern um viel mehrNationen, die sich hier in den EinigungsprozeßEuropas einzubringen haben, wiederum ebenüber diese drei Sprachräume. Es ist sicherlichein Selbstverständnis, daß die engeZusammenarbeit zwischen Frankreich undDeutschland in der Vergangenheit gezeigt hat,daß diese ein Eck-pfeiler europäischerIntegration ist, daß dies die einzige Chance ist,Europa ernsthaft weiterzubringen. Was abernicht bedeuten darf, daß der zweite Eckpfeilereben nach der Wende in Europa auch derdeutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag seinmuß. Es ist sicherlich richtig, daß der deutschfranzösischeVertrag nicht übertragbar ist,trotzdem kann die Idee der Jugendarbeit auchim deutsch-polnischen Verhältnis umgesetztwerden.Weiterhin muß umgesetzt werden, daß dieVölker, welche in diesen Räumen zu Hausesind, auch partizipieren wollen, z.B. Tschechienund Ungarn. Darüber hinaus gilt es auchzu beachten, daß Polen mit s<strong>eine</strong>r Erfahrunghilfreich sein kann im Umgang mit Rußland,der Ukraine, Weißrußland u.s.w., wie auchimmer die Polen stehen mögen zu ihrenNachbarn im Osten. Gerade die alteBundesrepublik hat hier sehr vielNachholbedarf an Informationen.Man muß die Erfahrungen der Nachkriegszeitmit westlichen Nationen übertragen nachOsten - nicht wortwörtlich, sondern immerwieder differenziert. Hier sollten wir uns derneuen Bundesländer sehr intensiv bedienen.Die Regionen in Europa werden in der <strong>Zukunft</strong><strong>eine</strong> gestärkte Rolle spielen müssen. Wenn dieRegionen <strong>eine</strong> starke Rolle spielen, sind natürlichdie Nationen nicht mehr so gefragt, wie<strong>das</strong> heute noch der Fall ist und damit tut sichmanche Nation sehr schwer. Aber warumstreiten wir uns denn darum, wo wir <strong>eine</strong>nKunstgegenstand ausstellen oder in welcherNation wir <strong>eine</strong>n Anspruch auf Wohnrechtoder Arbeitsrecht haben ? Das ist doch in<strong>eine</strong>m geeinten Europa, in dem dieStaatenregionen ihr Mitspracherecht haben, einSelbstverständnis, Arbeit zu finden in derRegion von Tschechien oder im Elsaß oder inMarseille. Es ist auch nicht die Frage, wo ichetwas besonderes an Kunstwerken bewunderndarf und kann, sondern daß ich es in dieserEuropäischen Union, wann immer ich esmöchte, bewundern darf, und daß ichAusbildung in Anspruch nehmen darf, woimmer ich möchte, in irgend<strong>eine</strong>r Regiondieses geeinten Europas mit all s<strong>eine</strong>r Vielfalt.Mit dieser Vielfalt umzugehen, daß istAufgabe der Institutionen und Einrichtungen,die die jungen Menschen zu orientieren und zubelehren haben. Hier gilt es sehr sorgsamaufzupassen, wer welche Informationenherüberbringt. Die jüngste Vergangenheitzeigt, daß die Dämonen immer nochvorhanden sind und versuchen werden mit allihren Kräften und Möglichkeiten dieseneuropäischen Einigungsprozeß in Frage zustellen. Das müssen wir verhindern. Dazubrauchen wir gute Schulen, Hochschulen undoptimale Universitäten. Ich bin derÜberzeugung, daß diese vorhanden sind, daßdiese aber vom Tatbestand desSelbstverständnisses „Die Demokratiefunktioniert ja !“ getragen werden - nicht alle,aber viele. Z.B. in der Universität Düsseldorfkennt man den Begriff <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> nichteinmal. Solche Dinge sind natürlich sehrgravierend, um nicht zu sagen sogar gefährlich.Es kann nicht sein, daß es nur Universitätenoder Hochschulen gibt wie <strong>das</strong> EuropäischeHochschulinstitut in Florenz oder die Europäi-23


sche Universität für Wissenschaft und Kunst inSalzburg oder die Europauniversität Viadrinain Frankfurt/Oder.Ich glaube, daß der Westen Europas sich derViadrina, in der Möglichkeit der fortschrittlichenUnterrichtung der Studenten, gar nichtbewußt ist. Ich bin hier auf <strong>eine</strong>r Ebene angelangt,die sicherlich für die <strong>Zukunft</strong> dieBedeutung hat, durch Studenten, die ihrenAbschluß haben, wiederum einzuwirken aufdie Völker in Europa. Und auch da kann essich nicht nur um Franzosen, Polen oderDeutsche handeln, sondern es muß sich auchum mehr handeln.Es ist unumgänglich, daß die Jugend dieserEuropäischen Union es gewohnt ist, in Freiheitund Demokratie zu leben. Unsere Aufgabemuß sein, dieses Gewohnheitsrecht, was optimalist, immer wieder neu zu erkämpfen.Dafür sind Universitäten da, und dieserVerantwortung müssen sie sich bewußt sein.Ich hatte die große Freude und Ehre durch wiederholteBesuche in Frankfurt/Oder dieViadrina und <strong>das</strong> was sie leistet, kennenlernenzu dürfen. Die Resonanz der Studenten und derPolitiker ist beachtlich. Dieser Brückenschlagvon Frankfurt/Oder nach Osten hin ist vonunglaublicher Bedeutung. Alle Ebenen müssenzusammenwirken und <strong>das</strong> tun, was notwendigist, um die europäische Einigung voranzubringen.Die EU ist kein Bestandteil in der Welt,die die Macht des Zwangs ausübt, sondern diedie Eigenständigkeit und die Identität jedemStaat und jeder Region beläßt. Voneinander zulernen, weil man aus anderen Regionenstammt, ist ein Gut, <strong>das</strong> es wert ist, dafür einzutretenund dieses in Freiheit und Demokratiezu verteidigen.In Deutschland scheint es, was die Mitwirkungder Jugend angeht, einigen Nachholbedarf zugeben. Wir schätzen die Jugend zu falsch einin der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.Wir müssen nicht unbedingt davon ausgehen,daß die Jugend, nur weil sie anders istals die ältere Generation, deshalb falscher inihren Denkansätzen liegt - im Gegenteil. Dietechnologischen Voraussetzungen verlangenheute von uns Flexibilität und von der Jugendnoch viel mehr. Dann lassen wir sie dochgleichberechtigt mitwirken und handeln undihnen aufzeigen, daß es sich lohnt, sich inunseren demokratischen Rechtsstaaten zu Wortzu melden.Es gilt, den Brückenschlag nach Osten hin zufundamentieren. Ein Fundament ist sicherlichgesetzt, es muß aber auch gepflegt werden. DieViadrina ist hier ein ganz besonderer Meilenstein,in der Bereitschaft, die osteuropäischenLänder in die EU aufzunehmen, <strong>eine</strong> jungeGeneration auszubilden, die mit diesem Tatbestandleben kann, ihn fortentwickeln kannund wo sie Angebote bekommt, womit siearbeiten kann.Herzlichen Dank.Die Europa-Universität in der Brückenstadt Frankfurt/Oder - Bereitschaft zumMiteinanderKarl-Josef SchmückerGründungskanzler der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/OderSehr geehrte Damen und Herren !Ein kl<strong>eine</strong>r RückblickWährend die namensgleiche Stadt am Main,heute die Metropole des Kapitals, bereits imJahre 794 n. Chr. Ihren Einzug in <strong>das</strong> GeschichtsbuchEuropas hielt, geht die Siedlungsgeschichteder Stadt an der Oder auf <strong>das</strong> Jahr1226 zurück. Betrachtet man diegeographische Achse Paris-Berlin-Warschau-Moskau, so liegt Frankfurt/Oder von Moskauund Paris gleich weit entfernt.Frankfurt/Oder war von Beginn s<strong>eine</strong>r Geschichtean <strong>eine</strong> der großen und bedeutendenStädte der Mark Brandenburg. Sie warMitglied der Hanse „Haupt- undHandelsstadt“, und sie war Sitz <strong>eine</strong>rbeachtenswerten Universität, der Viadrina (lat.viadrus : am Fluß gelegen). Die alte Viadrinavon 1506 ist die letzte vorreformatorischeGründung und gleichzeitig die letzteeuropäische Universität mit drei Gründungsurkunden,und zwar <strong>eine</strong> des Papstes,<strong>eine</strong> des Kaisers und <strong>eine</strong> des Landesherrn, desKurfürsten Joachim von Brandenburg. Siewurde im Jahre 1811 nach Breslau verlegt undmit der dortigen Leopoldina vereinigt.Die neue Viadrina - Europa wartet1991 wurde, u.a. im Hinblick auf dens<strong>eine</strong>rzeit bevorstehenden Abschluß desVertrages über die EU, in Frankfurt/Oder <strong>eine</strong>Europa-Universität als Begegnungsuniversitätgegründet.24


Fast zeitgleich konferierten am 28./29.8.1991in der Goethe-Stadt Weimar die Außenministervon Deutschland, Frankreich und Polen. AmEnde ihrer Konferenz veröffentlichten sie <strong>eine</strong>gemeinsame Erklärung über dieVerantwortung für Europas <strong>Zukunft</strong>. In demBewußtsein, „daß die kulturelle VielfaltEuropas und die Kreativität s<strong>eine</strong>r Menschenunser wertvollstes Gemeingut ist“, erklärten siedie Pflege des europäischen Kulturerbes zumgemeinsamen Ziel mit dem Willen <strong>eine</strong>rumfassenden „Politik der Zusammenarbeit inden Bereichen der Kultur, der Bildung, derWissenschaft, der Medien und derAustauschprogramme“.Bei der Entwicklung des Konzeptes für dieEuropa-Universität war uns wichtig, folgendeszum Ausdruck zu bringen :1. Daß der Hochschulbildung an der Schwelledes 2. Jahrtausend <strong>eine</strong> wichtige Rolle zukommt,nicht nur bei der Bewahrung undEntwicklung des europäischen kulturellenErbes, sondern auch dann, wenn es sichdarum handelt, dieses Erbe weiterzuvermittelnund ihm zu <strong>eine</strong>r größeren Verbreitungunter den europäischen Bürgerinnenund Bürgern und über die Grenzen derStaaten hinweg zu verhelfen.2. Die Verwirklichung der Europäischen Integrationan der Brücke zum NachbarlandPolen mit dem Ziel, die trennenden Schrankenin Europa zu beseitigen, um den kulturellen,wirtschaftlichen und sozialen Fortschrittzu sichern.3. Die Studiengänge so zu gestalten, daß alleStudierenden <strong>eine</strong> Bildung miteuropäischen Dimensionen genießenkönnen.Dieser Herausforderung will sich die Europa-Universität stellen. Eine solche Universität ander unmittelbaren Grenze zu unserem NachbarnPolen gelegen, an der Grenze zwischender EU und den ehemals sozialistischenStaaten Zentral- und Osteuropas istprädestiniert, <strong>eine</strong> Brückenfunktion gegenüberdem Osten Europas wahrzunehmen undWissenschaft in Lehre und Forschung undWeiterbildung im Ost-West-Verhältnis zupflegen.„K<strong>eine</strong>r kann Europa mit s<strong>eine</strong>n ungeheurenMöglichkeiten und s<strong>eine</strong>r Erfahrung ersetzen,weder in der Weltpolitik noch in der Weltentwicklung.Europa kann und muß <strong>eine</strong> positiveRolle spielen.“Gorbatschow, M. : Perestroika.- 1987Daß die Europa-Universität und <strong>das</strong> jenseitsder Oder im benachbarten Slubice errichteteCollegium Polonicum dazu <strong>eine</strong>n wichtigenBeitrag leisten können, dafür bieten <strong>das</strong> Konzeptund die angebotenen Studiengänge besteVoraussetzungen.Drei Fakultäten und ein SprachenzentrumDas hochschulpolitisch-wissenschaftliche Gesamtkonzeptuniversitärer Ausbildung im LandBrandenburg basiert nicht auf der Multidisziplinarität,sondern bevorzugt die Interdisziplinarität,also die Zusammenarbeit zwischenbenachbarten aber auch zwischen heterogenenFächern. Die Viadrina konzentriert ihre Lehreauf drei große Bereiche :1. Die unsere Gesellschaft bestimmendenOrdnungswissenschaften (Rechts- undWirtschaftswissenschaften).2. Die Kulturwissenschaften als Orientierungswissenschaften.3. Die Fremdspachenvermittlung als integralerBestandteil der Fachdisziplinen.Die Besonderheit des Studiums in Frankfurt/Oderliegt darin begründet, daß die einzelnenStudienfächer miteinander verschränktsind. Das bedeutet z.B., daß die Studierendendes Faches Wirtschaftswissenschaften auchElemente aus den Studiengängen Rechtswissenschaftund Kulturwissenschaften einschließlich<strong>eine</strong>r oder auch mehrerer Fremdsprachenerlernen müssen.Die Fakultät für Kulturwissenschaft an derViadrina ist <strong>das</strong> grundsätzlich neue in der deutschenUniversitätslandschaft. Anstelle der traditionellenPhilosophischen Fakultät versuchtdie Kulturwissenschaftliche Fakultät über dieobligatorischen geisteswissenschaftlichen Angebotehinauszugehen und sie mit den Sozialwissenschaftenzu verbinden. So hat der Studiengangdrei Optionen, <strong>eine</strong> geschichtswissenschaftliche,<strong>eine</strong> sozialwissenschaftliche sowie<strong>eine</strong> sprach- und literaturwissenschaftliche.Während <strong>das</strong> Grundstudium disziplinär ausgerichtetist, steht im Hauptstudium die Interdisziplinaritätim Vordergrund.Der spezifische Beitrag der Viadrina als Europa-und Begegnungsuniversität besteht darin,durch Lehre und Forschung die Integration zufördern und zur Verständigung in Europa beizutragen.Darüber hinaus kann man <strong>das</strong>Mandat der Universität darin sehen, daß esjungen Menschen Chancen für ihre berufliche,persönliche und gesellschaftliche25


Eingliederung in <strong>das</strong> weiter wachsende Europaermöglicht. Es ist evident, daß dieSprachvermittlung hierfür beizutragen inbesonderer Weise aufgerufen und geeignet ist.Das Collegium PolonicumDer Vertrag über die gute Nachbarschaft vom17.6.1991 unterstreicht im Hinblick auf dieneue Qualität der deutsch-polnischen Zusammenarbeitu.a. <strong>das</strong> Erfordernis der Erweiterungder wissenschaftlichen Zusammenarbeit.So konnte im März 1992 ein Vertrag zwischender Viadrina und der Adam-Mickiewicz-UniversitätPoznan/Posen unterschrieben werden,der die Errichtung des Collegium Polonicum inSlubice, der ehemaligen Dammvorstadt,unmittelbar an der Oderbrücke zu Frankfurtgelegen, ermöglichte. Es ist <strong>eine</strong> von beidenUniversitäten als Rechtsträger gemeinsamgetragene Wissenschaftseinrichtung.Im Bewußtsein über ein reichhaltiges Kulturgut,hat sich <strong>das</strong> Collegium Polonicum u.a.folgende besondere Aufgaben auferlegt :• Studiengänge zur Ergänzung der Studienmöglichkeitenan der Viadrina• Förderung der wissenschaftlichen Begegnungzwischen Deutschland und Polen• Förderung des Wissens über Polen undOsteuropa• Untersuchung interkultureller Kommunikationsprozessezwischen Westeuropa- undden Ländern Mittel- und Osteuropas• Rechts- und VerfassungsvergleicheDas Collegium Polonicum ist <strong>eine</strong> komplementäreEinrichtung zum Lehrangebot derViadrina und kein Konkurrenzunternehmen.Studieren in Frankfurt/OderAn der Viadrina studieren nicht nur Deutscheund Polen, sondern die Studierenden kommenaus mehr als 30 Ländern (Quelle : MOZ vom16.10.96). Bei näherer Betrachtung ergibt sichfür <strong>das</strong> Wintersemester 97/98 folgendes Bild :Von den 2835 Immatrikulierten kommen 1662aus Deutschland mit deutlichem Schwerpunktaus Brandenburg. Aus Polen kommen 1060und aus anderen europäischen und sonstigenLändern 113 Studierende. Der Anteil derer, dieaus den EU-Ländern - ohne Deutschland -kommen beträgt nur 1,13 %, in absoluten Zahlen32 Studierende.Liegt es an der Stadt und der Grenzregion, undmangelt es noch an der Erkenntnis, die derbedeutendste Dichter Polens A. Mickiewiczs<strong>eine</strong>rzeit so beschrieben hat :„Je mehr ihr Eure Seelen öffnet, öffnet ihrauch Eure Grenzen !“ ?Mir scheint, es rächt sich noch immer die zuDDR-Zeiten verordnete Völkerfreundschaft,die in Wirklichkeit nie bestanden hat und eherAbneigung provozierte, aber in den Köpfenvor allem der älteren Menschen noch weiterwirkt.Bemerkenswert ist <strong>eine</strong> vom Institut für Marktforschungin Leipzig erarbeitete Studie überdie Lebenssituation in Frankfurt/Oder.Während <strong>eine</strong>rseits <strong>eine</strong> große Mehrheit derBefragten sich künftig Frankfurt alsDrehscheibe des Handels mit Osteuropa undals bedeutende Universitätsstadt wünscht,verbinden andererseits zwei Drittel derBefragten die Nachbarschaft zu Polen mit <strong>eine</strong>rBedrohung von Arbeitsplätzen und sogar einDrittel gaben an, daß sich <strong>das</strong> Verhältnis zumpolnischen Nachbarn gar verschlechtert habe.Die Befragten fühlen sich nach wie vor als„Ostdeutsche“, Europäer zu sein m<strong>eine</strong>nweniger als die Hälfte. Vorurteile auf beidenSeiten erschweren weiterhin denBrückenschlag und verstellen den Blick für <strong>das</strong>Gute und auch <strong>das</strong> Änderungs- undVerbesserungswürdige.Die Bereitschaft zum MiteinanderArm an geschichtlichen Ereignissen war undist <strong>das</strong> ausgehende Jahrhundert wahrlich nicht.Denken wir z.B. an die Mauer und die schierunüberwindbaren Grenzen, reale und symbolischeGrenzen. Sie haben in der Folge auch einanderes bewirkt : Die Bereitschaft zur Versöhnung,zur Verständigung, zum Zusammengehenund zur friedlichen Kooperation wurde in<strong>eine</strong>m Maße geweckt, wie wir es in der Geschichtenie zuvor erlebt haben. Ein Belegdafür ist die EU, die größte wirtschaftliche,politische und geistige Gemeinschaft freierStaaten in der Welt. Sie umfaßt Länder, die inder Vergangenheit viele Kriege gegeneinandergeführt hatten, die heute Partner sind und vonden gleichen Idealen des Friedens, der Freiheitund der Gerechtigkeit beseelt sind.Mit der Gründung des „<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s“haben sich Deutschland und s<strong>eine</strong> größtenNachbarn Frankreich und Polen zusammengeschlossen,um u.a. durch grenzüberschreitenderegionale Zusammenarbeit unsere<strong>Zukunft</strong>, die Europa bedeutet, für die Menschenerfahrbar zu machen. Die Freundschaftmit unserem westlichen Nachbarn Frankreichist nur gelungen, weil wir uns der Vergangenheitangenommen haben, mit unserem26


östlichen Nachbarn Polen haben wir uns erstauf den Weg begeben. Geduld ist angesagt.Nur Geduld und Vertrauen wird unsermöglichen, Starkes aufzubauen, vor allem inder Beziehung zu anderen. Dabei müssen wirbegreifen, daß die Länder, die in einigenJahren Mitglied der EU sein werden, nicht nurals Nehmende zu uns kommen, sondern gewißauch als gebende. Trotz aller nochvorhandenen Schwierigkeiten : Europa wirdzueinander finden. Es gibt zur Zusammenarbeitk<strong>eine</strong> zukunftssichernde Alternative.Zeichen und Symbole - die BrückeZum Schluß m<strong>eine</strong>r Ausführungen möchte ichihre Aufmerksamkeit auf <strong>das</strong> Symbol derEuropa-Universität richten : Das alte Siegelneu gestaltet, kombiniert mit der frankfurtspezifischenBrücke.Zeichen spielen in unserem täglichen Leben<strong>eine</strong> wichtige Rolle. Wir leben mit ihnen undfinden sie z.B. im Straßenverkehr, in öffentlichenGebäuden und auf Wanderwegen. Zeichensprechen <strong>eine</strong> eigene wegweisende Spracheund helfen Irrwege zu vermeiden. Siehaben k<strong>eine</strong>n Selbstzweck, sondern weisenüber sich hinaus. Es gibt aber auch Zeichen,die mehr sind als nur Orientierungshilfen,Zeichen die <strong>eine</strong> tiefere Wirklichkeiterschließen. Wir sprechen von Symbolen. Einsolches Symbol ist für mich <strong>eine</strong> „Brücke“.Brücken verbinden Getrenntes, ver<strong>eine</strong>n Gegensätze,überbrücken Klüfte und Schluchten.Brücken sind Symbole der Verbindung undVermittlung zwischen den Menschen undNationen. Mit der Brücke kam der Fortschritt,kam aber auch Wissen über Abgründe hinweg,über jene, die „jenseits“ lebten. Mit der Brückewurden Gegensätze aufgehoben, wurden Getrenntevereint und Abgründe behoben. Imübertragenen Sinn wurde die Brücke zumSymbol der Begegnung, der Bereitschaft zumMiteinander. Wer dem anderen „Brücken baut“gibt zu verstehen, daß er ihn akzeptiert, daß erihn, bei all s<strong>eine</strong>r Andersartigkeit, anerkennt,daß er mit ihm gemeinsam in die <strong>Zukunft</strong>gehen will. So war denn auch dieser Befundfür den Gründungsrektor und den Gründungskanzlerausschlaggebend dafür, der Europa-Universität <strong>das</strong> Siegel mit der schmucklosenFrankfurter Stadtbrücke als Symbol zu geben.In der Amtskette des Rektors findet sich dieseBrücke als einzelnes Kettenglied wieder, verbundenmit den 12 Europasymbolen, denSternen. Das dreizehnte, sternlose Symboldeutet auf die Öffnung Europas hin, ein Europaohne Grenzen. Diese Frankfurter Stadtbrückewird auch künftig nicht gleichrangig z.B. mitder Tiberbrücke in Rom genannt werden, dochbleibt zu wünschen, daß dieses Symbol für dieViadrina <strong>eine</strong> Verpflichtung bleibt, ihrem Anspruchgerecht zu werden. Für Europa muß imübertragenen Sinne der Satz gelten, den manauf <strong>eine</strong>r Brücke in Indien fand :„Die Welt ist <strong>eine</strong> Brücke,baue nicht darauf,gehe hinüber !“Herzlichen Dank.Der Stellenwert des „<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s“ für Forschung und Lehre an der Europa-Universität ViadrinaProf. Dr. Alfred KötzleLehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften, Europa-Universität ViadrinaM<strong>eine</strong> sehr verehrten Damen und Herren !Diedeutsch-französisch-polnischeKooperation im Rahmen des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s verfolgt im wesentlichen zwei Ziele.Einerseits sollte ein diplomatisch-politischesAbstimmungsforum gebildet werden,andererseits wollten die Initiatoren den Wegfür den sog. „Geist von Weimar“ in allen dreiGesellschaften bahnen. Hierbei geht es umkonkrete Aktionen der dreiseitigenZusammenarbeit, wie z.B. um Schulpartnerschaftenund Hochschulkooperationensowie die Zusammenarbeit kultureller Einrichtungenaus Polen, Deutschland und Frankreich.Zu <strong>eine</strong>m Modell für solche trilateralenBegegnungen will sich die Europa-UniversitätViadrina (EUV) entwickeln. Es ist deshalbauch kein Zufall, daß im November 1997 diesiebte Begegnung der Außenminister ausPolen, Frankreich und Deutschland in Frankfurt/Oderstattgefunden hat.Gründungskonzeption der ViadrinaDie Konzeption bei der Neugründung im September1991 sah von vornherein <strong>eine</strong> bewußtinternationale und vor allem <strong>eine</strong> europäischeAusrichtung der Hochschule vor. Aufgrund27


ihres Standortes sollte gerade auch der geistigeBrückenschlag nach Ostmitteleuropa und insbesonderenach Polen gesucht werden.Von polnischer Seite wurde die Gründung derViadrina in vielfältiger Weise unterstützt. InWesteuropa sah sich Frankreich vorrangigunserer Universität verpflichtet, <strong>das</strong> bei derGründung die Finanzierung <strong>eine</strong>r Stelle imSprachenzentrum übernahm.Studenten und KollegiumZuallererst gilt, daß vor allem dann ein Beitragzur Internationalität geleistet werden kann,wenn Bürger verschiedenster Länder zusammenkommenund täglich zusammen arbeiten.Um <strong>das</strong> grenzüberschreitende Mandat derViadrina verwirklichen zu können, war vonAnfang an klar, daß es wichtig ist, die Grenzebuchstäblich zu öffnen und Studenten aus denNachbarländern und insbesondere aus Polenden Zugang zu eröffnen - und zwar nicht alsGäste für ein paar Semester, sondern als reguläreStudierende. Dadurch werden sie zu integralenMitgliedern der Universität, und tragendurch ihre Präsenz zur Internationalität derViadrina bei.In <strong>eine</strong>r Situation mit <strong>eine</strong>m hohen Prozentsatzausländischer Studenten ist die Versorgung mitWohnheimplätzen ungemein wichtig. Hier hatsich u.a. mit Hilfe der polnischen Regierungund der EU <strong>eine</strong> ausgezeichnete Lösung ergeben.Ein erheblicher Teil der Studierenden -sowohl polnischer, deutscher als auch andererNationalität - wohnt inzwischen auf deranderen Seite der Oder in Slubice. Für dieseStudenten gehört <strong>das</strong> Passieren der EU-Außengrenzemit Studentenausweis zum Alltag. DasEuropa von morgen, in dem <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> ein stabiles Fundament bilden will, istfür sie bereits tägliche Realität.Ein internationales Profil erfordert aber auchein internationales Kollegium. So wurde vonAnfang an bei den Berufungen der Professorenbesonderer Wert darauf gelegt,Wissenschaftler anderer Länder zu gewinnen.Der Erfolg läßt sich sehen : Insgesamt verfügtetwa ein Drittel der mittlerweile 46Professoren über wissenschaftlicheErfahrungen aus anderen Ländern. Vor einigerZeit wurde der dritte polnische Kollege an derViadrina zum Professor ernannt, weiterekommen aus Australien, Finnland, denNiederlanden und den USA.Besonders dankbar sind wir der Otto-Wolff-Stiftung, aus deren Mitteln <strong>eine</strong> fakultätsübergreifendeEuropaprofessur finanziert wird.Jedes Semester wird ein Inhaber dieser Professurauf Vorschlag aus der Kollegenschaft bestimmt,der sich in allgemein zugänglichenVeranstaltungen mit deutsch-polnischenThemen, verbunden mit europäischem Bezug,auseinandersetzt. Der erste Inhaber der Europaprofessurwar der ehemalige BundespräsidentR. von Weizsäcker. Insgesamt bietet dieseProfessur <strong>eine</strong> sehr gute Basis für die Beschäftigungmit Fragen des neuen Europas und istsozusagen <strong>eine</strong> Mustereinrichtung im Sinnedes Gründungskonzeptes der Viadrina und desGeistes von Weimar.Zusätzlich bemüht sich die Universität, möglichstviele ausländische Gastdozenten zu gewinnen.Lehre und ForschungUm dem Gründungskonzept der Viadrina zuentsprechen, reicht die personelle Dimensionder Internationalität nicht aus. Auch Lehre undForschung sollten in ähnlicher Weise dieseinternationale und europäische Ausrichtungreflektieren.Deshalb werden an allen Fakultäten gezieltLehrveranstaltungen mit Europa als Gegenstandder Ausbildung angeboten. Die Kulturwissenschaftlerbeschäftigen sich in Forschungund Lehre z.B. damit, die kulturelle Reichhaltigkeitund Vielfalt der europäischen Traditionund Gegenwart transparent zu machen undsie durch kulturvergleichende Analysen in besondererWeise zu beleuchten. Gerade indiesem Studiengang findet man die meistenProgramme, die sich mit Frankreich und Polenbeschäftigen.An der juristischen Fakultät sind zwei Drittelder Lehrstühle auf internationale Aspekte spezialisiert,u.a. Europarecht, osteuropäischesVerfassungsrecht, internationales Straf-,Privat- und Wirtschaftsrecht. Hervorzuhebenist außerdem <strong>das</strong> Angebot <strong>eine</strong>s internationalenrechtswissenschaftlichen Studiengangs.An der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätwird dem internationalen Charakter des Wirtschaftsgeschehensin der Ausbildung besondererBedeutung beigemessen. Die Fremdsprachenausbildungsowie der Besuch kulturundrechtswissenschaftlicher Veranstaltungenist fester Bestandteil des Studiums, um durchinterdisziplinäre, internationale und interkulturelleKompetenz die Fähigkeit zu globalemDenken und Handeln zu vermitteln.Zudem unterhält diese Fakultät einumfangreiches Kooperationsnetz mitfranzösischen und polnischen Partnern.28


Nicht nur die Lehre soll an der Viadrina <strong>eine</strong>ninternationalen Bezug aufweisen, sondern auchdie Forschung. Deshalb findet man an allenFakultäten <strong>eine</strong>n Schwerpunkt bei der internationalvergleichenden Forschung, wie z.B. beider Rechtsvergleichung, der TransformationsundManagementforschung sowie der Beschäftigungmit dem Wertewandel europäischerGesellschaften.In diesem Zusammenhang haben sich an derViadrina bereits drei interdisziplinäre und internationaleForschungsinstitute gebildet, z.B.<strong>das</strong> Frankfurter Institut für Transformationsstudien.Ein dezidiert trinationales Projekt befindet sichnoch in der Vorbereitungsphase, <strong>das</strong>„Trinationale Graduierten Kolleg Deutschland-Frankreich-Polen zu Fragen derTransformation in Osteuropa und dereuropäischen Integration“. Es wurde erstmaligoffiziell bei der Außenministertagung des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s in Frankfurt/Odervorgestellt und soll konkret den Gedanken des„Geistes von Weimar“ umsetzen.Partnerschaften der EUVSeit dem Beginn des Studienbetriebs im Herbst1992 konnte die Viadrina ein umfangreichesNetz internationaler Beziehungen aufbauen,<strong>das</strong> sich ständig erweitert und verdichtet.Inzwischen hat die Viadrina mit ungefähr 70Hochschulen auf vier KontinentenVereinbarungen über Zusammenarbeit und denAustausch von Lehrenden und Lernendenabgeschlossen.Im Rahmen von EU-Förderprogrammen, z.B.dem ERASMUS-Programm, kooperiert dieViadrina mit diversen europäischen Universitäten.Die wirtschaftswissenschaftlicheFakultät unterhält z.Zt. intensive Kontakte mitzwei französischen Hochschulen, die es denStudenten ermöglichen, ein deutschfranzösischesDoppeldiplom zu erlangen.Eine sehr intensive und funktionierende Partnerschaftbesteht mit der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan.SprachenzentrumAufgrund der internationalen Ausrichtung derViadrina ist die Fremdsprachenausbildung füralle Studenten ein integraler Bestandteil desStudiums. Studierenden aller Fakultäten steht<strong>das</strong> Lehrangebot des Sprachenzentrums invielen Sprachen zur Verfügung. Die Lehrersind fast ausschließlich Muttersprachler. Zusätzlichwird <strong>das</strong> autonome Studieren mittels<strong>eine</strong>s multimedialen Selbstlernzentrums unterstützt.Bei den Aktivitäten des Sprachenzentrums gibtes wesentliche Kooperationen mit <strong>eine</strong>r französischenHochschule und dem Institut Françaisin Berlin. Letzteres leistet seit der Eröffnungder Viadrina Unterstützung im materiellen undpersonellen Bereich.Bei den auf Polen bezogenen Aktivitäten desSprachenzentrums sei die Organisation vonAusbildungskursen für „Gruppendolmetscher“genannt. Die Kurse richten sich an Personen,die in der deutsch-polnischen Jugendarbeittätig sind oder es werden wollen. Solche Ausbildungskursewerden derzeit nur vom Sprachenzentrumder Viadrina angeboten. Um <strong>das</strong>Tandem Deutschland-Polen zu <strong>eine</strong>m„Tridem“ Frankreich-Deutschland-Polenauszubauen, ist die Erweiterung der Kurse für„Gruppendolmetscher“ zu <strong>eine</strong>m trilingualenAusbildungskurs vorgesehen.Ein weiteres Projekt des Sprachenzentrumssieht solche trilingualen Sprachkurse im Zertifikatsbereichfür Kulturwissenschaftler vor.Grenzen der internationalen KooperationEs handelt sich bei den existierenden Programmender Europa-Universität zum großenTeil noch um bilaterale Ansätze. Die Universitätnimmt gewissermaßen <strong>eine</strong> Brückenfunktionwahr, mit Kontakten sowohl nach Westenals auch schwerpunktmäßig nach Osten. Diesesist durch die geographische Lage der Universitätsehr nachvollziehbar. Konkrete dreiseitigeProjekte, die dem „Geist von Weimar“ an derViadrina Leben einhauchen sollen, sind derzeitnur in ersten Ansätzen zu sehen.Wenn wir die drei studierenden Gruppen betrachten,Deutsche, Franzosen und Polen, kannman sagen, daß bei den polnischen Studentender Erfolg relativ groß ist. Wir bekommen ausPolen sehr viele außerordentlich qualifizierteStudierende. Wir haben mehr Anmeldungenals wir Studienplätze verfügbar haben.Bei den deutschen Studierenden bestehenschon einige Defizite. Wir haben fast nur Studentenaus Brandenburg bzw. den neuen Bundesländern.Ein Problem ist, daß diese Studentenüberwiegend nach Westen orientiert sind,was nicht verwunderlich ist.Studenten aus Frankreich kommen zumeist nurim Austausch. Es ist ganz schwer, französischeInteressierte für ein Vollzeitstudium an derViadrina zu gewinnen.Ein weiterer Schwachpunkt liegt darin, daß dieViadrina <strong>eine</strong> sehr kl<strong>eine</strong> Universität mit29


wenigen Hochschullehrern ist, weshalb häufigdie „manpower“ fehlt, um all <strong>das</strong> zurealisieren, was wünschenswert wäre.Weitere Probleme, mit denen sich die Viadrinakonfrontiert sieht, sind die Konkurrenz vonBerlin und die Akquisition von Studenten ausländischerPartneruniversitäten. Gaststudentenkommen nicht so zahlreich nach Frankfurt/Oderwie gewünscht. Gründe hierfür sindim wesentlichen mangelnde Sprachkenntnisse,Unterschiede in den Bildungssystemen und derStandort Frankfurt/Oder. Mit der Stadt werdenoft die Begriffe „Grenzstau“ und„Grenzkriminalität“ assoziiert. Außerdem istFrankfurt k<strong>eine</strong> Metropole, so daß viele ehervon dem nahen Berlin mit s<strong>eine</strong>m reichhaltigenKulturangebot angezogen werden.Insgesamt können wir jedoch einigermaßenzufrieden sein mit der Entwicklung unsererUniversität, insbesondere was die konkreteAusrichtung nach Polen und Frankreich betrifft.Vielen Dank.DiskussionNach der Meinung von Prof. Sagave müßten an allen großen Universitäten in Deutschland und Frankreichpolnische Lektorate eingerichtet werden, nicht nur wegen der Sprache, sondern auch wegen derLandeskunde.Ein weiterer Kommentar richtete sich an die Landesregierung von Brandenburg, die trotz allem Lobden Wert <strong>eine</strong>r Europa-Universität an der Grenze zu Polen noch nicht verstanden hätte.Laut Prof. Dr. Kötzle sei die Ausrichtung der Viadrina Richtung Osten in ihrer Konzeption angelegt.In der Forschung orientierten sich z.B. alle Projekte Richtung Osteuropa. Weiterhin gäbe es an derViadrina regelmäßig Gastprofessoren aus Osteuropa, jedoch primär aus Polen. Für Studenten, die ausosteuropäischen Staaten kommen, wird ein kl<strong>eine</strong>s Stipendium zur Verfügung gestellt, da sie es sichsonst nicht leisten könnten. Leider seien jedoch die finanziellen Mittel der EUV sehr spärlich.Es sei Werbung für notwendige Geldmittel erforderlich, denn Aus- und Fortbildung sollte nicht amGeldmangel scheitern.30


EinführungProf. Dr. Peter MettlerFachhochschule WiesbadenM<strong>eine</strong> Damen und Herren !Eine der großen Schwierigkeiten, die wirhaben in Osteuropa, ist die, daß der Westenaufgrund s<strong>eine</strong>r Kapitalkraft ungefähr 400.000der Spitzenforscher aus Osteuropa abgekaufthat. Wenn sie z.B. heute in ein amerikanischesLabor gehen, dann werden sie mit SicherheitRussen, Polen, Ukrainer u.s.w. finden. KeinWunder, daß man Probleme hat, diese Länderwieder aufzubauen, wenn die Intelligenz nichtmehr da ist.Ich möchte noch etwas über die Städtepartnerschaftzwischen Grünberg bei Gießen undCondom bei Toulouse. Im letzten Jahr gab esvom Europarat <strong>eine</strong> Ehrenmedaille für 25 JahreStädtepartnerschaft. Im Laufe der Jahre hatsich diese Zweierpartnerschaft ausgedehnt. Diefranzösische Gemeinde hat <strong>eine</strong> spanischeGemeinde hinzugebracht, und die deutscheStadt <strong>eine</strong> polnische. Diese 25 jährige Partnerschaftwurde von diesen vier Gemeinden in derStadt Grünberg gefeiert. Aus jeder dieserGemeinden kamen ca. 300 Besucher. Das istsozusagen die untere Ebene, die tatsächlicheBevölkerungsbegegnung.Herzlichen Dank.Die Jugendarbeit des Wieland InstitutesDr. Horst SittigLeiter des Wielandgut Oßmannstedt e.V.M<strong>eine</strong> Damen und Herren !Das Wielandgut Oßmannstedt liegt zwischender Klassikerstadt Weimar und der GlockenundWirkerstadt Apolda im herrlichen Ilmtal inThüringen.Christoph Martin Wieland (1733 - 1813) zog1797 als Dichter der deutschen Aufklärung fürsechs Jahre von Weimar nach Oßmannstedt.Angeregt wurde dieser Umzug auch nach derAuseinandersetzung mit dem französischenPhilosophen Rousseau. Als Landpoet (wie ersich selber nannte) traf er auf s<strong>eine</strong>m Gut mitbedeutenden deutschen und ausländischenDichtern, Philosophen und Gelehrten zusammen(u.a. Herder, Kleist, J.Paul, A.Amalia).Heute beherbergt <strong>das</strong> Gut <strong>eine</strong> Grundschuleund zwei Museumsräume zu Wieland. Zukünftigwird es ein „Wieland-Museum“ im Gutgeben, so daß die Begegnungsstätte und einMuseum im Gut nebeneinander bzw. zusammenwirken werden.In diesem historischen Ambiente wurde derGedanke geboren, <strong>eine</strong> Begegnungsstätte fürdie Jugend Europas zu schaffen. Am 26.1.1993trafen sich 30 interessierte Personen, unterihnen die Ministerin für Bundesangelegenheiten,Fr. Lieberknecht, der Landrat,Hr. Münchberg, der Verwaltungsdirektor derStiftung <strong>Weimarer</strong> Klassik, Hr. Schmidt, u.v.a.zur Gründungsversammlung des Förderkreisesim Wielandgut in Oßmannstedt. An diesemkulturhistorischen Ort wollen wir als Förderkreisden Gedanken des friedlichenNebeneinanderlebens der „EuropäischenJugend“ vertiefen und ihr die „DeutscheKlassik“ sowie die Schönheiten Thüringensnahebringen. Der politische Wille der Gründungsmitgliederwurde in <strong>eine</strong>m Kreistagsbeschlußmanifestiert und dieser schaffte dieVoraussetzung, daß finanzielle Mittel zumAusbau der alten Schulräume als Begegnungsstättezur Verfügung standen.Es sollte ein Bogen gespannt werden von denWertvorstellungen der Aufklärung hin zu denneuen Anforderungen an Bildung (für alle) undWertorientierung im künftig vereinten Europa.Zusammen mit den Museumspädagogen derStiftung <strong>Weimarer</strong> Klassik (SWK) wurdenanspruchsvolle Programme ausgearbeitet, z.B.„Das vorklassische Weimar“, „Das klassischeWeimar“, „Projektarbeit zu Goethes undSchillers Werken und Tätigkeiten“. Diese Programmesind gestaltet für Schüler der gymnasialenOberstufe mit dem LeistungskursDeutsch/Literatur.Seit 1995 gibt es ein Studentenprojekt „5 TageKlassik Weimar - 5 Tage Romantik Jena“,welches gemeinsam organisiert wurde mit derSWK, der Uni Jena und der PH Erfurt. DiesesProjekt ist für Germanistikstudenten gedacht.31


Neben diesen zwei Arbeitsfeldern mit derspeziellen Klientel ist unser Haus für alleanderen Institutionen, Ver<strong>eine</strong> und Verbändenatürlich offen. Das Wielandgut hat im übrigen<strong>eine</strong> sehr interessante Lage. Es ist nur 6 kmvon Weimar entfernt, mit der Bauhaus-Universität, dem Theater, derMusikhochschule u.a. Auch Buchenwald liegtin der Nähe. Dieses Spannungsfeld zwischenDeutscher Klassik und NationalsozialistischerVergangenheit ist natürlich ein Diskussionsfeldfür junge Menschen.In den 5 Jahren unseres Bestehens hatten wirGäste aus ganz Deutschland und 12 anderenLändern Europas, Afrikas und Nordamerikas.Mit <strong>eine</strong>r Kapazität von 25 Betten sind wir mit<strong>eine</strong>r Auslastung von ca. 65 % sehr zufrieden.Zufrieden sind auch unsere Gäste, dies spiegeltsich in den Eintragungen im Gästebuch undvielen Briefen wieder. BesondereAnerkennung wurde uns durch die Verleihungder Europamedaille „in Anerkennung fürbesondere Verdienste um die europäischeEinigung“ ausgesprochen.Als Mitgestalter und ab 1996 auch Träger derSommerserenaden und der Wieland-Ehrungkonnte sich der Förderkreis kulturell in <strong>das</strong>regionale Programm des Kulturamtes des Kreises<strong>Weimarer</strong> Land einbringen.Da Weimar 1999 als europäische Kulturhauptstadtan uns nicht spurlos vorbeigehen wird,haben wir gemeinsam mit dem Literaturinstitutder Uni Gießen, der Uni Jena und der SWKzwei internationale Veranstaltungen geplant :• „Goethes Werke nach 225 Jahren wiedergelesen ?“• „Wieland und s<strong>eine</strong> Stellung innerhalb derKlassik“Beruhigend ist die Tatsache, daß die SWKdieses Projekt weiterhin befördern will.Der Ausbau des Wielandgutes wird so aussehen,daß ein „Museumsteil zu Wieland“ unddie EJB gemeinsam im Gut arbeiten werden.Also qualifizierte Jugendarbeit in <strong>eine</strong>mDenkmal.„Wenn auch die Welt im ganzen vorschreitet, dieJugend muß doch immer wieder von vorn anfangenund als Individuum die Epochen der Weltkulturdurchmachen...“Goethein den Aufzeichnungenvon Eckermann (1827)Dazu wollen wir <strong>eine</strong>n Beitrag leisten.Vielen Dank.DiskussionAuf Anfrage bezüglich des Bekanntheitsgrads des Wielandgutes wurde von Dr. Sittig ergänzt, daßsich die Werbung bisher auf die mündliche Weitergabe beschränke. Es gäbe inzwischen auch schoneinige Stammgäste, d.h. Pädagogen mit ihren jeweiligen Schulklassen. Es liefen sogar schonVorbestellungen für <strong>das</strong> Jahr 2000. Schwierig sei jedoch bisher die europaweite Bekanntmachung undÖffentlichkeitsarbeit. Die Finanzierung des Wielandgutes erfolge derzeit über Fördermittel derStiftung <strong>Weimarer</strong> Klassik, über Einnahmen aus Übernachtungen und durch Hilfe von Sponsoren.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> und die Bedeutung der Regionen im Lichte der Agenda 2000Alexander von LingenReferat Osteuropa-Fragen, Europäisches Parlament, BrüsselHistorischer Rahmen : EU als Kind des KaltenKrieges oder besserer EinsichtDas 20.Jhdt. wäre für Europa verheerend zuEnde gegangen, als <strong>das</strong> wohl schrecklichsteund folgenschwerste Jahrhundert s<strong>eine</strong>r langenGeschichte :• zwei vernichtende Weltkriege, die die europäischenStaaten marginalisierten und verarmten• <strong>das</strong> Joch der Diktatur ideologischerRegime, die nach Hegemonie trachtetenund Menschenrechte mit Füßen traten• die Zweiteilung Europas während deskalten Krieges mit s<strong>eine</strong>m statischenGleichgewicht zwischen zwei feindlichenLagernEine furchtbare Bilanz, wären da nicht zu guterLetzt zwei Dinge geschehen, die dem ganzen<strong>eine</strong> positive Wendung geben und Optimismusüber die Jahrhundertwende hinausrechtfertigen könnten. Das <strong>eine</strong> ist <strong>das</strong>Zerschlagen der beiden grausamen Regime desKommunismus und Nationalsozialismus, <strong>das</strong>andere die Gründung der EU.Am Anfang dieser europäischen Integrationstand <strong>eine</strong> nicht präzise definierte politische32


Finalität, nämlich dem „immer engeren Zusammenschlußder europäischen Völker“ durchfunktionelle wirtschaftliche Integration näherzu kommen. Diese Methode hat zu <strong>eine</strong>mweder dem Staatsrecht noch dem Völkerrechtzuzuordnenden Gebilde sui generis geführt,<strong>das</strong> supranationale Züge mit intergouvernementalenverbindet. Von Anbeginn hat die EUals stabilisierender und integrativer Machtfaktorim Zentrum Westeuropas <strong>eine</strong> wichtigepolitische Doppelrolle gespielt.In <strong>eine</strong>m von Krieg und historisch gewachsenemMißtrauen zerrissenen Europa ist es derEU gelungen, den ehemaligen AggressorDeutschland und dessen Kriegsgegner, allenvoran Frankreich, in <strong>eine</strong> gemeinsame Struktureinzubinden. Gleichzeitig hat der westeuropäischeZusammenschluß komplementär zurNATO <strong>das</strong> Machtgleichgewicht zwischen denBlöcken abgestützt und somit <strong>eine</strong>n Stabilitätsraumgeschaffen. Diese EU wird nun, nachdem Ende des kalten Krieges, zum Anziehungspunktfür die Staaten Mittel- und Osteuropas.Was ist dieses Gebilde, <strong>das</strong> sich über vieleJahre und Krisen fortentwickelt hat und, inzwischenauf 15 Mitgliedstaaten angewachsen,sich auf die nächsten Beitritte vorbereitet ?Die EU zwischen gemeinsamer unddifferenzierter IntegrationDie Europäische Wirtschaftsgemeinschaft desRömischen Vertrages von 1957 baute auf derHomogenität der sechs Gründungsstaaten auf.Die Europäische Union des Maastrichter Vertragesvon 1992 stieß mit ihren Zielvorstellungenbereits an die Grenzen des allen Mitgliedstaatengemeinsam möglichen politischenGrundkonsenses. Die heutige Union mit ihren15 Mitgliedern ist durch die verschiedenenErweiterungen heterogener geworden. VermehrteInteressendivergenzen und unterschiedlicheLösungsansätze weisen auf <strong>eine</strong> differenzierteIntegrationsentwicklung hin.Die Entwicklung von der Zollunion zumBinnenmarkt war noch geprägt von <strong>eine</strong>r gemeinsamenIntegration, deren Grundlage dergemeinsame Besitzstand (aquis communautaire)war. Dieser beinhaltet nicht nurdie rechtlichen Grundlagen der EU, sondernauch politische Zielvorstellungen für dieWeiterentwicklung der Integration, soweit sieauf dem Konsens der Mitgliedstaaten beruhen.Somit mußte jedes Beitrittsland mit dem acquiscommunautaire den aktuellen Integrationsstandübernehmen, sowie zu weiteren Fortschrittenin der Integrationsentwicklung bereit sein. Alsder Binnenmarkt schließlich 1993 in Kraft trat,galten s<strong>eine</strong> vier Grundfreiheiten und ihre wirtschaftlichen,sozialen und politischen Auswirkungenauf dem Gemeinschaftsgebiet imwesentlichen ohne Unterschiede. Mit der einheitlichenEuropäischen Akte von 1986 ist dieklassischegemeinsameIntegrationsentwicklung zu <strong>eine</strong>m Höhepunktaber wohl auch zu <strong>eine</strong>m Ende gekommen.Der Maastrichter Unionsvertrag von 1992 unds<strong>eine</strong> beschlossene Teilreform imAmsterdamer Vertrag von 1997 bedeuteninsoweit <strong>eine</strong>n Wendepunkt, als hier erstmalsAnsätze <strong>eine</strong>r differenzierten Integrationeingeführt werden. Die Diskussion über <strong>das</strong>Maastrichter Integrationsmodell kreist um dieGrundfrage, wie weit die weitere Integrationmit ausreichender Flexibilität kombiniertwerden muß und inwieweit Sonderlösungengewählt werden können, ohne <strong>das</strong> Ganze zuzerstören (Europa mehrererGeschwindigkeiten, Variable Geometrie,Kerneuropa, Europa à la carte).Darüber hinaus wurde bereits in der Vergangenheitdie Möglichkeit für Integrationsentwicklungenaußerhalb der gemeinsamenStruktur genutzt. Beispiele hierfür sind <strong>das</strong>Schengener Abkommen (1985) und die SchengenerKonvention (1990), die derzeit von 9 der15 EU-Staaten verwirklicht wird und <strong>das</strong> Eurocorps.Dieses ist durch <strong>eine</strong>n Kooperationsvertragmit der NATO verbunden und steht, imEinklang mit den Zielen des Unionsvertrages,für NATO-Einsätze der Friedenserhaltung undsolche humanitärer Art zur Verfügung.Beides sind Beispiele für praktische Kernintegrationaußerhalb des institutionellen Rahmensder EU. Allerdings sieht der AmsterdamerVertrag die Integration der SchengenerKonvention vor. Mit dessen Inkrafttretenmüssen sie dann alle Mitgliedstaaten der EUanwenden, wobei <strong>eine</strong> Ausnahmeregelung nurfür Großbritannien und Irland gilt.EU als Partner gesamteuropäischerKooperation• Europäischer Wirtschaftsraum : auf die dreiEFTA-Staaten Norwegen, Island undLiechtenstein geschrumpft hat er k<strong>eine</strong>Anziehungskraft auf die ReformstaatenMittel- und Osteuropas• Assoziierung , Heranführungsstrategie undUnterstützung durch <strong>das</strong> PHARE-Pro-33


gramm bezüglich der Reformstaaten MittelundOsteuropas• Partnerschaft und Kooperation mit denNUS und Unterstützung durch <strong>das</strong> TACIS-Programm• Die neue Mittelmeerpolitik der EU : breitangelegte Partnerschaft Europa Mittelmeermit dem Finanzhilfeprogramm MEDADie europäische Sicherheitsarchitektur• EU : Rolle in Sicherheitsfragen wächst mitihrer fortschreitenden Integration• UNO : zwei der fünf ständigen Mitgliederdes Sicherheitsrates sind EU-Mitglieder• OSZE : als Instrument von Frühwarnung,Konfliktverhütung und Krisenmanagement• NATO in Europa : u.a. Friedenssicherung,<strong>Osterweiterung</strong>• Europarat : Entwicklung und Festigungdemokratischer Verfassungsstrukturen,Schutz der Menschenrechte und MinderheitenrechteDie <strong>Zukunft</strong> Europas• Im Inneren : Erweiterung und Vertiefung• Nach außen : Einbindung Rußlands undtransatlantische PartnerschaftDie künftige Integrationsentwicklung imLichte der nächsten EU-ErweiterungWie sich bei den vergangenen Beitrittengezeigt hat, wird die EU mit jeder Erweiterungnicht nur größer, sondern auch heterogener.Die interne Architektur der EU mit ihrendifferenzierten Integrationsformen gerät unterDruck der Erweiterungsdiskussion. DieAufnahmefähigkeit der Union erscheintausgeschöpft. Schwerfälligkeit der Prozedurenund Effizienzverlust derEntscheidungsprozesse als Folge können nurdurch institutionelle Reformen kompensiertwerden.. Die Beitrittsfähigkeit der Kandidatenwird auch gemessen an deren Bereitschaft undFähigkeit, die EU und ihre Ziele politisch undwirtschaftlich mit zu tragen.Damit erscheint bei künftigen Beitritten dievertragliche Verankerung oder aber faktischeAnwendung des <strong>eine</strong>n oder anderen Differenzierungsmodellsunvermeidlich. Als Modellefür die Erweiterung und zukünftigeIntegrationsentwicklung bieten sich derVollbeitritt, der Teilbeitritt oder <strong>das</strong> Europakonzentrischer Kreise an.Schwer vorstellbar ist, daß die Beitrittskandidaten,zu deren erster Gruppe Polen zählt,die weder in ihren Grundstrukturen noch inihrem Entwicklungsstand mit den derzeitigenEU-Mitgliedstaaten vergleichbar sind, dieseUnterschiede in den nächsten Jahren werdenausgleichen können.Die Agenda 2000, <strong>das</strong> umfassende und in sichschlüssige Strategiepapier der Kommissionvon 1997, zeigt auf, wie die Politiken der EUzu stärken und zu reformieren sind, damit dieErweiterung möglich und Wachstum, mehrBeschäftigung und bessereLebensbedingungen für die Europäergeschaffen werden.Der Amsterdamer Vertrag von 1997 mit s<strong>eine</strong>nunvollendet gebliebenen Reformen der Unionist als politischer Kompromiß in s<strong>eine</strong>nBestimmungen k<strong>eine</strong>swegs immer folgerichtigoder gar erschöpfend. Und er ist sicher nichtder Schlußpunkt für die Reform der Institutionenund deren Arbeitsweise, die im Hinblickauf die anstehende Erweiterung notwendig ist.Diese Reformen sollen in <strong>eine</strong>r neuerlichenRegierungskonferenz, die etwa für <strong>das</strong> Jahr2002 vorgesehen ist, erarbeitet werden. Bis <strong>das</strong>geschehen ist, sind weitere Beitritte nicht zuerwarten.Mit den notwendigen Vorbereitungen kannaber nicht bis zum Beitritt gewartet werden.Man muß vielmehr alle Möglichkeiten nutzen,um sich bereits in der Verhandlungsphase aufdie erstrebte Mitgliedschaft vorzubereiten.Eines der Mittel, die von der EU angebotenwerden, ist der strukturierte Dialog, die stufenweiseEinbeziehung in und Mitbeteiligung anden Arbeiten der Gemeinschaftsorgane. Auchkönnte man an die Gewährung <strong>eine</strong>s Beobachterstatusim Europäischen Parlamentdenken für Abgeordnete aus den Beitrittsländern.Das inzwischen beitrittsorientiertePHARE-Programm kann zur Finanzierungentsprechender Aktivitäten herangezogenwerden. Eine andere Möglichkeit wäre dieEinbindung in <strong>eine</strong> intensivere, über die Vertragsverpflichtungenhinausgehende sub-regionaleZusammenarbeit.Zwischen Brüsseler Zentralisierung und demEuropa der RegionenDie Fortentwicklung der EU, ihre zusätzlicherhaltenen Zuständigkeitsbereiche und dieErhöhung der Zahl ihrer Mitglieder, hat zu<strong>eine</strong>m Anschwellen des Gemeinschaftsapparatessowie <strong>eine</strong>r Machtkonzentration bei denGemeinschaftsorganen geführt. Wenn immerman in England vor dem europäischen Föderalismuswarnt, meint man den enormenBrüsseler Apparat, der für den normalenBürger kaum mehr zu überschauen,34


geschweige denn zu durchschauen ist. DasGanze erscheint wie ein riesigesVerwaltungsmonstrum, <strong>das</strong> Steuergelderverschlingt und entscheidet, was für denBürger in Sizilien ebenso gut sein soll wie fürden in Dänemark. Einmal alle fünf Jahre wirddann der europäische Bürger aufgerufen, zurWahlurne zu gehen, um s<strong>eine</strong> Vertreter insEuropäische Parlament zu wählen. Diezentralen Akteure sind :• Der Ministerrat, nach außen sichtbar durchdie jeweilige Präsidentschaft,• die als Kollegium der 20 Kommissare handelndeKommission mit <strong>eine</strong>m Verwaltungsunterbauvon fast 20.000 europäischenBeamten,• <strong>das</strong> mehrheitlich entscheidendeEuropäische Parlament mit z.Zt. 626Mitgliedern• sowie <strong>eine</strong> Unzahl anderer europäischerund untergeordneter Organe, Dienststellen,Ausschüsse und sonstige Gremien mitihrem Beamtenapparat.Doch trotz all dieser Konzentration europäischerInstitutionen ist und bleibt die EU keinZentralstaat, sondern ein Völkerrechtssubjektsui generis, <strong>das</strong> immer mehr bundesstaatlicheZüge aufweist. Doch die 15 EU-Mitgliedstaatenbleiben souveräne Staaten.Schließlich gibt es <strong>eine</strong> ganze Reihe von Artenengerer subregionaler Zusammenarbeit. Daß<strong>eine</strong> solche Kooperation die Entwicklung derEU nicht nur nicht behindert, sondern ingroßem Maße fördert, hat die besonders engeBenelux-Kooperation, sowie <strong>das</strong> Deutsch-Französische Gespann gezeigt. Aber auch dieengere Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaatenmit ihren Nicht-EU-Nachbarn kann inerheblichem Maße zur Konsolidierung undEntwicklung beitragen (z.B. Nordischer Rat,Rat der Ostseeanlieger, Kooperation derMittelmeerländer). Auch einzelneBeitrittskandidaten können unter sich und imVorfeld des EU-Beitritts, wie bei der CEFTAoder der Kooperation der Baltischen Staaten,<strong>eine</strong> wesentliche vorbereitende Rolle spielen.Schließlich ist <strong>eine</strong> engere globale und strategischeKooperation einzelner Beitrittsländer mit<strong>eine</strong>m oder mehreren EU-Mitgliedstaaten zuerwähnen. Als erfolgreiches Beispiel hierfürkann <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> herangezogenwerden.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> als Beispielsubregionaler ZusammenarbeitEs dient als politische Flankendeckung mit<strong>eine</strong>r Sicherheitskomponente, sowie als Instrumentzur Unterstützung der Beitrittsvorbereitung.Allerdings birgt es zwei Gefahren, diegerade aus <strong>eine</strong>r solchen Art der Zusammenarbeitherrühren.Zum <strong>eine</strong>n könnte Polen Gefahr laufen, durchdiese enge Kooperation mit zwei wesentlichenEU-Mitgliedstaaten s<strong>eine</strong> ebenfalls beitrittswilligenNachbarn zu vernachlässigen unds<strong>eine</strong> östlichen Nachbarn Ukraine und Belaruszu vergessen.Zum anderen trägt ein solches„Liebesverhältnis zu dritt“ stets die Gefahr insich, daß ein Partner den anderen gegen denDritten auszuspielen versucht. Eine solcheGefahr ist z.Zt. beim <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> nichtzu erkennen. Es ist daher geeignet, zum Wohleder ganzen EU und ihrer Akteure zu wirkenund andere Beitrittskandidaten zur Nachahmunganzuregen.Vielen DankDiskussionEs stellte sich durch Hr. Dr. Vetter die Frage, ob es Überlegungen gäbe, Teile der EU-Institutionen anweiter östlich gelegene Orte zu verlegen, da ja Brüssel, Strassburg und Luxemburg mit der<strong>Osterweiterung</strong> der EU doch sehr an die Peripherie des erweiterten Europas rückten. Es wärevorstellbar, künftige spezialisierte europäische Institutionen weiter dezentralisiert in östlichenBeitrittsländern anzusiedeln. Doch müßten wohl die drei an der europäischen Gesetzgebung direktbeteiligten Kernorgane - Parlament, Rat und Kommission - aus ersichtlichen Gründen dichtbeieinander bleiben.In Bezug auf die EU-<strong>Osterweiterung</strong> bemerkte Hr. von Lingen, daß diese ein dreiphasiger Prozeß sei :Erstens die Vorbereitungsphase von 1991 bis März 1998, zweitens die Verhandlungsphase von März1998 bis zum Beitritt, drittens die Anpassungsphase nach einmal vollzogenem Beitritt. Mit allenosteuropäischen Kandidatenländern sei man heute in die zweite Phase eingetreten, doch sei Polen inpolitischer und wirtschaftlicher Hinsicht <strong>eine</strong>r der ersten Beitrittsanwärter.35


Für Polen sei <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ein zusätzliches Hilfsmittel zur Heranführung an die EU. Das<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könne zudem der strategischen Koordination und gemischten Kooperation, z.B.zwischen EU und NATO, dienen.Eine weitere Anmerkung bezog sich auf die Zusammenarbeit im <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>, welche auf dieinterparlamentarische Ebene ausgedehnt werden sollte, da die demokratische Komponente sehr schnellin Vergessenheit geraten könne. Wichtig sei auch die Rücksicht auf die Nachbarländer.Eine interessante Anregung über <strong>das</strong> Europäische Recht war folgende von Hr. Lowack, daß es bishernoch k<strong>eine</strong> übersichtliche Sammlung darüber gäbe, damit sich jeder darüber informieren und daraufberufen könne.An Hr. Dr. Sittig ging die Anregung, ob es nicht möglich wäre, in die Jugendarbeit des Wielandgutesdie Informationen, z.B. über <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>, einzubringen und umzusetzen. Vernetzungenzwischen dem Wielandgut und anderen vergleichbaren Institutionen in Frankreich und Polen wärenwünschenswert, es seien jedoch leider bisher k<strong>eine</strong> konkreten Angebote vorhanden.36


III. Die historisch-politische und kulturelle Tradition als Basis für <strong>das</strong> „<strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>“EinführungDr. Christine Comtesse de Lailhacar-RywkinHarcanville/New YorkEs ist mir <strong>eine</strong> Ehre, Hr. Prof. Henri Ménudiervorzustellen, obwohl er k<strong>eine</strong>r Vorstellungbedarf, da er in sich selbst <strong>eine</strong> Achse Frankreich- Deutschland darstellt in der NachfolgeR. Arons. Prof. Ménudier ist Autor bzw. Herausgebervon 16 Büchern, darunterL’Allemagne de la division (1991) und Lecouple franco-allemand (1993).Ein weiterer Grund, warum ich mich freue,heute hier zu sein, ist teilweise autobiographisch,kommt mir aber wie <strong>eine</strong> präetablierteHarmonie vor, um Leibnitz zu zitieren, der dieNerven Ludwigs XIV. und Peters des Großenstrapazierte mit s<strong>eine</strong>m hartnäckigen Versuch,die beiden von s<strong>eine</strong>r Vision <strong>eine</strong>s geeintenEuropas zu überzeugen. Die, wie so oft betontwird, „natürliche“, nur durch <strong>eine</strong>nBruderstreit gestörte, Symbiose zwischenFrankreich und Deutschland kommt <strong>eine</strong>rpräetablierten Harmonie gleich. Man glaubtum so lieber daran, wenn Zufälle wiesinnträchtige Symbole ersch<strong>eine</strong>n.Auf dem Weg von Paris nach Potsdammachten mein Mann und ich Halt in m<strong>eine</strong>rGeburtsstadt Neustadt an der Weinstraße inRheinland-Pfalz, genau auf der Mitte derStrecke. Neustadt ist u.a. bekannt für seinHambacher Schloß, auch „Maxburg“ genannt,<strong>das</strong>, komplementär zur FrankfurterPaulskirche, als die Wiege der DeutschenEinheit gilt. Dort fand 1832 <strong>das</strong> „HambacherFest für die Freiheit“ statt, zu dem „alledeutschen Stämme“ eingeladen waren. DiesesFest fand damals unter den Klängen vonBeethovens Neunter Symphonie statt, mitSchillers Hymne an die Freude, genau wiemehr als anderthalb Jahrhunderte später dieWiedervereinigung in Berlin.Im Geschichtsunterricht schlief ich regelmäßigein, sobald von den drei polnischen Teilungendie Rede war. Diese Grenzverschiebungen,Dynastienwechsel usw., <strong>das</strong> war einfach zuverwirrend. Dagegen hat mich <strong>das</strong> Stichwort„west-östliches Kulturgefälle“ jeweils ausdiesem geweckt. Denn ich habe mir damals einIdol ausgesucht, natürlich rein durch Ikonographieinspiriert. Das war Jadwiga, der König(krol) von Polen. Jadwiga war die Enkelin desWladislavs I. aus der Dynastie der Piast,dessen Onkel Kasimir ohne Nachkommengeblieben ist. Jadwiga, als die einzige mitBlutlinie der Piast, Tochter Ludwigs vonUngarn, aus der Dynastie Anjou, wurde daherals Kind auf den polnischen Thron berufen.Jadwiga brachte den litauischen Heiden <strong>das</strong>westliche Christentum, und sie brachte vorallem die westliche Kultur. Sie ist also imbesten Sinne <strong>eine</strong> Pionierin der„<strong>Osterweiterung</strong>“. Es war für mich alsounvorstellbar, die Polen kulturell niedrigeranzusehen als uns Pfälzer.Jemand, der wie ich, Vergleichende LiteraturundKulturwissenschaft lehrt, wird sich nolensvolens mit Allegorien, Ikonen, Mythen zubefassen haben, kurz, mit all jenen Symbolen,in die ein Volk s<strong>eine</strong> kondensierte, verdichtete,idealisierte Selbstsicht projiziert.Ich bin also ein Fan der Jadwiga gebliebenund, auf der Suche nach <strong>eine</strong>m Äquivalent fürdie Allegorien Marianne und Germania, habeich dieser zwar geschichtlichen, aber dochschon in die Legende eingegangenen Figur denVorzug über die etwas künstliche Allegorie derPolonia gegeben.. Natürlich ist sie nicht soallgegenwärtig im täglichen Leben der Polen,wie es Marianne in dem der Franzosen ist(Porträts in allen Bürgermeisterämtern,Briefmarke u.a.). Ihr dauerndes Dabeis<strong>eine</strong>rklärt Mariannes ständige Modernisierung.Jadwiga dagegen ist viel mehr königlichzurückgezogen.Germania ist üppiges 19.Jhdt., Partnerin teutonischerBurschenherrlichkeit. Überdies hat ihreVergewaltigung durch Hitler, der sie, wie allegermanischen Symbole und Mythen, für s<strong>eine</strong>Propagandazwecke ausbeutete, ihre Tugendbefleckt. Nun symbolisiert Germania auch<strong>eine</strong>n Teilaspekt des Schicksals der Städte.Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhangder Ersatz Berlins durch Weimar. Weimarsymbolisiert <strong>das</strong> „gute Deutschland, <strong>das</strong> Landder Dichter und Denker“. Im Gegensatz zu37


Berlin, München oder Nürnberg ist Weimarfrei von beunruhigenden Konnotationen unddaher zur Rolle <strong>eine</strong>r symbolischen plaquetournante für <strong>das</strong> zukünftige Europa und der<strong>Osterweiterung</strong> berufen.Die Übertragbarkeit ins politisch und wirtschaftlichReale dieser mythischen Troikascheint unter den gegeben Umständen der EUdurchaus vorstellbar. Dem statischen, geometrischenBegriff des <strong>Dreieck</strong>s bevorzuge ich<strong>das</strong> Bild der Troika, s<strong>eine</strong>r Dynamik wegen.Mehr noch s<strong>eine</strong>r Romantik wegen, jener zumgroßen Teil der Stadt Weimar zu verdankendenAffinität zwischen den drei Ländern. EinSchlitten durch slawische Ebenen gleitend,vorbeigaloppierend am Loreleyfelsen und anBurgruinen.Herzlichen Dank.Affinitäten zwischen Frankreich und Polen als Bereicherung der Zusammenarbeitinnerhalb des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>sProf. Henri MénudierSorbonne, Institut d’Allemand, ParisBeispiele der deutsch-französisch-polnischenZusammenarbeitDie ersten Treffen der Außenminister imRahmen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s waren sehrbescheiden. Die Außenminister kamen mitganz wenigen Mitarbeitern zusammen. Es gingdamals um mehr informelle Kontakte. In denletzten Jahren hat es <strong>eine</strong> Institutionalisierungdieser Zusammenarbeit gegeben, und dieThemen der Zusammenarbeit haben sich sehrstark erweitert (Außenpolitik,Sicherheitspolitik u.a.). Die Zahl derTeilnehmer hat zugenommen, so daß man jetztvon <strong>eine</strong>m politischen Dialog sprechen kann.In den Jahren 1992 und 1996 gab es ein Treffender Präsidenten des Auswärtigen Amtesder drei Länder, im Jahre 1997 gab es <strong>eine</strong>rstes Treffen der Justizminister, was zeigt,daß sich die Zusammenarbeit erweitert. Eineweitere Zusammenarbeit mit anderenMinisterien ist geplant, insbesondere mit denMinisterien für Arbeit und Umweltschutz. DieKrönung dieser institutionellenZusammenarbeit war Ende Februar diesenJahres <strong>das</strong> Gipfeltreffen in Posen. Institutionellhaben wir es also mit <strong>eine</strong>r Vertiefung undErweiterung zu tun, und <strong>das</strong> ist ein gutesZeichen für die <strong>Zukunft</strong>.Als Beispiel kann hier die enge Zusammenarbeitmit der Stadt Posen erwähnt werden, diesich in den letzten Jahren entwickelt hat. Auffranzösischer Seite geht dies eigentlich zurückauf Anfang der 80er Jahre im Rahmen derhumanitären Hilfe. Erst 1989/90 wurde dieseZusammenarbeit etwas institutionalisiert. Esgibt z.B. seit 1990 <strong>eine</strong>n Vertrag für die Zusammenarbeitzwischen den Städten Rennesund Posen. Dies wurde später erweitert auf diejeweiligen Regionen. Seitdem haben sich sehrviele Kontakte entwickelt. Es gab sehr vielegemeinsame Veranstaltungen und <strong>eine</strong> ganzeReihe von gemeinsamen Aktionen im politischen,wirtschaftlichen und kulturellenBereich. Es wurde z.B. ein maison de laBretagne in Posen eröffnet. Dort gibt es einZentrum für die französische Kultur und einZentrum für die wirtschaftlicheZusammenarbeit. Darüber hinaus hat sich <strong>eine</strong>enge Zusammenarbeit im Bereich derUniversitäten und Hochschulen entwickelt,ebenso was den Energiebereich betrifft.Inzwischen gibt es solche Verträge der Zusammenarbeitzwischen 15 Gemeinden aus dergleichen Region. 1997 gab es auch <strong>eine</strong>gemeinsame Konferenz über die Regionalpolitikin Frankreich und Polen. Man sieht, wie<strong>das</strong> Thema Regionalpolitik natürlich ein wichtigesDiskussionsthema werden kann zwischenunseren Ländern. Damit vermeidet man auchmanchmal die heiklen Themen der großenPolitik.Natürlich gibt es auch <strong>eine</strong> Zusammenarbeitzwischen den deutschen Ländern(insbesondere Niedersachsen) und Posen inähnlichen Bereichen. Darüber hinaus gibt esauch Abkommen mit den Ländern Hessen,Berlin-Brandenburg und Sachsen. ZwischenHessen und Posen gibt es z.B. einKooperationszentrum mit den Aufgaben,Kontakte zwischen den beiden Partnernaufzubauen und Evaluierung der Chancen für<strong>eine</strong> Vertiefung der Institutionen.Interessant ist noch der Bereich der wirtschaftlichenKontakte. Hier treten schon sehr deutlicheUnterschiede auf, denn die Kontakte mitDeutschland sind natürlich wesentlich intensiverals mit Frankreich, was sehr bedauerlichist. Es gibt z.B. <strong>eine</strong>n deutschen38


Wirtschaftskreis in Posen, um die Kontaktezwischen den Unternehmen zu fördern.Organisatorische Grundlage für dieZusammenarbeitAuf der staatlichen Ebene gibt es ein sehrenges Verhältnis zwischen Frankreich undDeutschland, z.T. hervorgerufen durch dendeutsch-französischen Vertrag von 1963 mitsehr regelmäßigen Kontakten und Treffen aufGipfelebene zwischen Staats- und Regierungschefs,zwischen Ministern und hohen Beamten.Solch ein Netz besteht natürlich noch nicht mitPolen, und es wird noch s<strong>eine</strong> Zeit dauern biswir soweit sind.Der Vertrag von 1963 hatte eigentlich <strong>eine</strong>Zusammenarbeit nur in drei Bereichen vorgesehen,und zwar die Bereiche Außenpolitik,Verteidigungspolitik und Wirtschaft. Inzwischengibt es <strong>eine</strong> sehr große Erweiterung wasdie Themen angeht. Im Vergleich sehen wir,daß unsere Zusammenarbeit mit Polen nochrelativ bescheiden ist. Eine Besonderheit derdeusch-französischen Kontakte ist die Tatsache,daß sie auch über multilaterale Organisationenweiterverfolgt werden können, z.B. beieuropäischen Organisationen oder der NATO.Solche Kontakte gibt es wiederum nur sehrspärlich mit dem polnischen Partner. Weiterhingibt es in der deutsch-französischen Zusammenarbeit<strong>eine</strong> enge Verknüpfung auf derEbene der hohen Verwaltung mit sehr vielen,man kann fast sagen täglichen Kontakten.Auch hier sind ähnliche Kontakte mit Polennur sehr wenig entwickelt. Die Austauschezwischen den Parlamenten Frankreichs undDeutschlands sind noch sehr bescheiden. EinVersuch im letzten Jahr, dies zu intensivieren,konnte nicht durchgesetzt werden.Ein Bereich, in dem es Chancen geben würde,wenn man es systematisieren würde, wäre dieEbene der Regionen. Denn die Zusammenarbeitauf nationaler Ebene ist immer schwerzu organisieren und von außen sehr schwer zusteuern. Auf Länderebene gibt es mehrGesprächs- und Kooperationsmöglichkeiten.Wir haben hier natürlich sehr vieleErfahrungen auf deutsch-französischer Ebenegesammelt.Im wirtschaftlichen Bereich sind die Ungleichgewichtesehr groß. Frankreich und Deutschlandsind gegenseitig die ersten Partner mit<strong>eine</strong>m sehr großen Handelsvolumen. Deutschlandist gleichzeitig der erste Partner Polens,was nicht der Fall für Frankreich ist. Das hierausgetauschte Handelsvolumen ist noch relativreduziert. In diesem Bereich ist noch sehr vielzu machen. Die Unternehmen spielen in denbilateralen oder multilateralen Beziehungen<strong>eine</strong> wichtige Rolle. Denn vieleHandelsaustausche zwischen unseren Staatenbedeuten, daß viele Unternehmen dafürarbeiten und viele Arbeitsplätze davonabhängen. Der Handel schafft also <strong>eine</strong>Grundlage für <strong>eine</strong> echte Solidarität zwischenden Völkern. Deswegen sollte es unserInteresse sein, auch den Handel mit Polen zuentwickeln. Wenn man sich also für denDialog mit Polen wirklich interessiert, sollteman ihn nicht nur im politischen, sondern auchim wirtschaftlichen Bereich verfolgen. VieleMöglichkeiten haben wir im kulturellenBereich, auch im Bereich des Jugendaustausches.Es gibt <strong>das</strong> deutsch-französische und<strong>das</strong> deutsch-polnische Jugendwerk. Leiderfehlt noch ein französisch-polnischesJugendwerk. Eine wichtige Rolle imJugendaustausch spielen dieStädtepartnerschaften. Im deutschfranzösischenBereich gibt es ca. 1600 solcherPartnerschaften, wovon <strong>eine</strong> ganze Reihe sehraktiv sind. Hier wird Europa auf Bürgerebenedirekt erlebt, was sehr wichtig ist. Die Partnerschaftenzwischen Frankreich und Polen sindleider noch viel zu wenig entwickelt.Ein wichtiges Problem bei <strong>eine</strong>r Verständigung,insbesondere mit Polen, ist <strong>das</strong> Sprachenproblem.Und solange wir uns inDeutschland oder Frankreich nicht bemühen,die polnische Sprache zu lernen, werden wirnatürlich k<strong>eine</strong> sehr großen Fortschrittemachen. Leider sind die Perspektiven diesbezüglichnicht besonders gut. Wenn diesbezüglichnicht etwas getan wird, werden wir nichtso viele Möglichkeiten für <strong>eine</strong> substanzielleZusammenarbeit haben.Wir stehen vor zwei großen Schwierigkeiten,was die <strong>Zukunft</strong> angeht. Die erste Gefahr istjene der Banalisierung. Wer interessiert sichschon noch für die Zusammenarbeit mit Frankreichoder Polen im Zeitalter der Globalisierung? Wir müssen also besonders für diejunge Generation Argumente finden, um zubegründen, warum diese Arbeit nach wie vor<strong>eine</strong> große Bedeutung hat. Die zweite Gefahrist die Frage, ob wir, die wir Europa aufbauenwollen, nicht überfordert sind ?Zukünftige Herausforderungen• Im <strong>Dreieck</strong>sverhältnis Frankreich -Deutschland - Polen sollte es eingemeinsames Nachdenken über <strong>das</strong>39


Verhältnis zur Vergangenheit geben. Hiergeht es zunächst um die Zeit des DrittenReichs, um die Zeit der Kriege. Einaktuelleres Thema, mit dem man sich nochauseinander setzen sollte, ist <strong>das</strong> Verhältniszum Kommunismus. Was bedeutet dieGeschichte als gemeinsame Grundlage fürEuropa in unseren drei Ländern ? WelcheIdentität wollen wir entwickeln ? Wirmüßten Nachdenken über <strong>das</strong> VerhältnisRegion - Nationalstaaten - Europa.• Das zweite wichtige Thema ist die Frage,wie wir mit unseren Innenproblemen fertigwerden, und <strong>das</strong> nicht nur in der Innenpolitik,sondern auch in der Wirtschaft undder Sozialpolitik ? Ein sehr wichtiges Problemist die Arbeitslosigkeit mit den sozialenFolgen. Ein weiteres Problem ist dieBehandlung von Ausländern und illegalerEinwanderung. Was bedeutet Solidarität ?Wer mit dem Thema Arbeitslosigkeit undAusländer nicht fertig wird, schafft dieGrundlage für den Extremismus. Wenninnenpolitische und soziale Probleme nichtgelöst werden können, besteht die großeGefahr, daß Europa zum Sündenbock allerSchwierigkeiten gemacht wird.• Die dritte große Herausforderung ist dieEinführung des Euro. Die Reaktionen diesbezüglichsind sehr unterschiedlich, dieDeutschen z.B. sind sehr skeptisch, wasMeinungsumfragen zeigen. Der Euro bedeutet<strong>eine</strong> große Revolution für die europäischeEinigung und Integration, weilEuropa damit von unten gegründet wird.Die Gefahr besteht darin, daß uns die Währungsunionvom polnischen Partnerentfernt.• Die Reform der Institutionen stellt <strong>eine</strong>weitere Herausforderung dar. Wir plädierenalle dafür, daß Polen und andere Staatenaufgenommen werden, wissen aber ganzgenau, daß, wenn wir <strong>das</strong> wirklich m<strong>eine</strong>n,wir auch die Institutionen der EU reformierenmüssen. Denn <strong>das</strong> ganze institutionelleWesen war eigentlich für <strong>eine</strong> Zeit gedacht,wo es nur sechs Mitglieder waren. Jetzt sindwir 15, und wir sehen, daß es <strong>eine</strong> ganzeReihe von Schwierigkeiten gibt. Je größerdie Zahl wird, desto schwieriger wird esfunktionieren, wenn k<strong>eine</strong> Reform eintritt.• Als nächstes geht es um die Erweiterungder EU. Es ist klar, daß <strong>eine</strong> Erweiterungerfolgen muß. Die ost- undsüdosteuropäischen Staaten gehören zuEuropa durch ihre Geschichte, Kultur undGeographie. Sie haben auch dieBedingungen z.T. erfüllt, um Mitglieder derEU zu werden. Sie haben sich vomKommunismus und Planwirtschaft befreitusw. Die ganze Diskussion um dieErweiterung der EU wird leider viel zu sehrauf die Kostenfrage reduziert. Es wirdnatürlich viel Geld kosten, daß wissen wir.Wir sollten uns fragen, was uns diese Erweiterungenbringen ? Gerade wir Westeuropäergewinnen eigentlich sehr viel dabei,gerade wegen der Expansion unseres Außenhandels.• Eine weitere große Herausforderung ist dieSicherheitsarchitektur dieses Europas. Wiesollen die vorhandenen Sicherheitsorganisationenwie Eurocorps, WEU, NATO, OSZEzusammenarbeiten ? K<strong>eine</strong>r weiß genau wiedie Rollen und Aufgaben untereinandereigentlich verteilt sind. Ein weiteres Problemdiesbezüglich ist die Tatsache, daß esin Europa Staaten gibt, die neutral sind.Polen hat natürlich ein großes Interessedaran, Mitglied der NATO zu werden.Dann stellt sich aber die Frage desVerhältnisses zu Rußland, den BaltischenStaaten und Südosteuropas. Die EU wird zu<strong>eine</strong>m wichtigen Akteur in der Weltpolitik,aber was die Sicherheitspolitik angeht, sindwir <strong>eine</strong> Null.Wenn wir über <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> diskutieren,zeigt es sich, daß Europa unterschiedlichorganisiert werden kann. Europa ist nicht nur<strong>das</strong>, was von Brüssel, Straßburg oder Luxemburgentschieden wird. Es wäre auch nicht sehrgesund, wenn alle Institutionen der EU inWesteuropa blieben. Gute Beispiele gibt es aufdem Gebiet der bilateralen Zusammenarbeit,die sich in den letzten Jahren stark entwickelthat. Weiter ausgebaut werden kann die trilateraleZusammenarbeit wie z.B. im <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>. Weiterhin gibt es noch die Ebene dermultilateralen Zusammenarbeit. Die <strong>Zukunft</strong>der europäischen Integration hängt sehr vonunserer Phantasie ab.Wenn wir etwas neues machen wollen, dannsollten wir der Zusammenarbeit der drei LänderDeutschland, Frankreich und Polen vielleicht<strong>eine</strong> vertragliche Grundlage geben. Dieskönnte <strong>eine</strong> Dynamik schaffen zwischen WestundOsteuropa. In <strong>eine</strong>m größeren Europakönnen wir nicht intensive Kontakte mit allenStaaten haben. Wir müssen bestimmtePartnerschaften entwickeln.40


Vielen Dank.DiskussionWas die Einführung des Euro anginge und die Sensibilität der Deutschen diesbezüglich, wurdehinzugefügt, daß die D-Mark ein Fetisch sei, die noch <strong>das</strong> Wirtschaftswunder darstelle. Die Deutschenhätten z.B. <strong>eine</strong> besondere Erfahrung mit der Inflation, die Franzosen hätten andere Erfahrungen. Einegemeinsame Lösung wäre deshalb wichtig.Im Laufe der Diskussion gab es Anregungen bezüglich des Ausbaus der schon bestehenden bilateralenz.B. deutsch-polnischen Euroregionen zu trilateralen Beziehungen mit Frankreich, was wünschenswertund wichtig wäre für die europäische Erweiterung. Nur es sei hier nicht sicher, wie <strong>das</strong> EngagementFrankreichs aussieht. Weiterhin wurde <strong>das</strong> Problem der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene angesprochenund die Anregung vorgebracht, mehr trilaterale Absprachen auf kommissarischer Ebene zutreffen im Sinne von Vorentscheidungen. D.h., es müßten mehr trilaterale Beziehungen zwischen verschiedenenStaaten entwickelt werden. Nur dürfte diese Anregung nicht umsetzbar sein. Wichtig wäreeher, diese Dreier-Kooperationen von unten auszubauen, also an der Basis anzufangen, damit es sichevtl. nach oben weiterentwickeln könne.Auffällig am Beitrag von Prof. Ménudier war, daß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> im Grunde genommen <strong>eine</strong>dreifach-bilaterale Konstruktion sei. Anregend war außerdem die Ansprache der Probleme, die es untereinandergibt, denn diese seien die Ansatzpunkte für <strong>eine</strong> gemeinsame Entwicklung.41


EinführungDr. Phil. Helmut NicolausDIAP/ENA, Paris ; Rechtsanwalt(Diplome International d’Administration Publique/Ecole Nationale d’Administration)<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> - <strong>das</strong> klingt ein bißchennach Bermuda <strong>Dreieck</strong> oder nach <strong>eine</strong>m Autobahn-<strong>Dreieck</strong>,jedenfalls nach <strong>eine</strong>r höchstunfallträchtigen ménage à trois, in der die zuerwartenden Verluste größer zu sein versprechenals denkbare Gewinne.Bei Kultur fällt dem Deutschen am ehesten derBeitrag ein, den die deutschen Nachkriegsschriftsteller,die selber aus dem heutigenPolen stammen (z.B. G.Grass, S.Lenz),geleistet haben. Lenz stammt aus Masuren undhat <strong>eine</strong>n Roman „Heimatmuseum“geschrieben. Die Hauptperson ist ein Junge,Sigmund Rogalla, welcher nach denKriegswirren und s<strong>eine</strong>r Flucht nach Westenein Heimatmuseum in Schleswig-Holsteingründet. Am Ende der Geschichte brennt erdieses von ihm errichtete Museum ab. Erzündet es selber an, weil er seinHeimatmuseum nicht hergeben will für dieVersuche, die damals begannen, Heimat politischbzw. revanchistisch zu verwenden.Die Frage ist, ob es innerhalb des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s darum geht, Museen zu errichtenoder abzubrennen, damit sie nicht mißbrauchtwerden ? Oder sollte man vielleicht sogar <strong>eine</strong>Art „Museum der <strong>Zukunft</strong>“ errichten, damitdie Musealisierung dort nicht Einzug hält undauch die Politisierung verhindert werden kann? Denn Kultur ist nichts stabiles, wie z.B. diestaatlichen Dinge.Vielen Dank.Berlin-Paris-Warschau : Kulturelle Gemeinsamkeiten und VerschiedenheitenPierre-Paul Sagave, Prof. emeritusSorbonne, Paris ; MünchenM<strong>eine</strong> Damen und Herren,ich spreche also über die drei Hauptstädte undich muß sie aus der Gegenwart in die Vergangenheitzurückführen. „Tief ist der Brunnender Vergangenheit“ hat schon Thomas Manngesagt. Ich will vor ihnen da hineintauchen,um einige themabezogene Elementeherauszufischen.Erster TeilEs gab schon dynastische Verbindungen Polen- Frankreich - Brandenburg/Preußen,Warschau - Paris - Berlin, im 15./16.Jhdt.,sogar manchmal schon früher. Das war <strong>eine</strong>rstes Vorzeichen im Hinblick auf <strong>das</strong>„<strong>Dreieck</strong>“ :• Denken sie zurück an Heinrich III. Er warzunächst König von Polen im Jahre 1573,bevor er zurück nach Paris ging, um dortKönig von Frankreich zu werden, was ihmschlecht bekommen ist, denn er wurde bekanntlichnach wenigen Jahren ermordet.• Es gab unter den schlesischen Fürsten,slawische Fürsten noch, die Dynastie derPiasten, die bis ins 16.Jhdt. Teile von Polenregiert hat, ein polnisches Königshaus gewesenwar und mit dem deutschen Adel seitlangem verschwägert war. Die Piastenwurden im 14.Jhdt. sogar Reichsfürsten desheiligen Römischen Reiches DeutscherNation.• Das Haus Brandenburg war seit langem mitwestslawischen Fürstenhäusern verschwägert,aber auch mit französischen, eng verwandtmit dem Haus Oranien.• Der große Kurfürst spielt <strong>eine</strong> bedeutendeRolle in den Beziehungen zwischen Berlinund Warschau, zwischen s<strong>eine</strong>m StaatBrandenburg/Preußen und dem polnischenKönigreich. Sie müssen sich den StaatBrandenburg/Preußen in zwei Teilen vorstellen,<strong>das</strong> spätere Ostpreußen <strong>eine</strong>rseitsund <strong>das</strong> immer noch existierende Brandenburgandererseits. Der große Kurfürst hat esfertig bekommen, in <strong>eine</strong>m NordischenKrieg 1655-60 zu siegen. Zuerst als Verbündetervon Schweden gegen Polen, dann,als die Schweden nicht mehr sosiegessicher auftraten, hat er sich mit denPolen verbündet und verhalf den Polen zumSiege über Schweden. Diesesbrandenburgische Wechselfieber von <strong>eine</strong>mAlliierten zum anderen ist in der Geschichte42


ekannt und dient dazu, die eigene Stärkedurch vorteilhafte Allianzen zu verdoppeln.• Im 17.Jhdt. erfolgte der Aufstieg Brandenburg/Preußenszum souveränen Staat, alssolcher von Polen 1660 anerkannt, alsbaldauch von Ludwig XIV., der daraufhin inBerlin, der Hauptstadt dieses Doppelstaats,<strong>eine</strong> ständige diplomatische VertretungFrankreichs eröffnen läßt. Seit dieser Zeitist der Kurfürst von Brandenburg einsouveräner Fürst und nicht mehr ein Vasalldes Kaisers in Wien.Wir kommen nun in <strong>eine</strong> Zeit, in der Berlin in<strong>das</strong> Licht der Geschichte tritt :• Der Widerruf des Toleranzedikts vonNantes (1685) hatte <strong>eine</strong> Massenflucht zurFolge von 300.000 französischen Protestantenins Ausland. Von diesen Religionsflüchtlingengingen 40.000 nach Deutschland,davon die Hälfte in den preußischbrandenburgischenStaat. Zu den 11.000„Urberlinern“ gesellten sich 6.000 evangelischeFranzosen. Das war ein Hauptereignisin der Geschichte Berlins. Die Einwandererwerden tätig in der preußischen Generalität(Französisches Kadetten Corps), im Staatsapparat,in der Industrie und im BerlinerGeistesleben (Collège Royale Français).Aber auch Luxushandwerker kamen nachBerlin und produzierten, was es früher inBerlin nie gegeben hatte (Juwelen, Uhren,Mode u.a.).• 1685-1789, hundert Jahre französischerKultureinfluß in Berlin : HugenottischePrinzenerzieher, <strong>eine</strong> Akademie der Wissenschafften(Arbeitssprache : Französisch).Unter der Regierung Friedrichs des Großenfindet ein Kulturtransfer Paris-Berlin statt(Philosophie der Aufklärung, Naturwissenschaften,französische Architekten).• 1789-1840, Preußischer Kulturtransfer nachParis : Kants Traktat „Vom ewigenFrieden“ erscheint kapitelweise imAmtsblatt der französischen Republikjeweils auf der Titelseite im Jahre 1795.Das ist der Beginn <strong>eine</strong>s massivenpreußischen Kulturtransfers nach Paris alsGegenstück zu dem massiven PariserKulturtransfer nach Berlin während des18.Jhdts. Es gibt französische Philosophenund Politiker, die nach Berlin kommen, umbei Hegel an der 1810 vonWilhelm v. Humboldt gegründeten europäischenMuster-Universität Berlin zu studieren.Paris übernimmt preußischen Ideenimport.• 1848 Völkerfrühling in Europa, Revolutionin Paris und Berlin, Aufstände in Polen undItalien usw. Das war für den König vonPreußen, Friedrich-Wilhem IV., <strong>eine</strong> böseÜberraschung. Er konnte es nicht glauben,daß s<strong>eine</strong> Berliner Untertanen sich gegenihr Königshaus erheben. Die neueRegierung, immerhin noch aus Adligenzusammengesetzt, hatte mit demfranzösischen Außenminister zusammen einProjekt der preußisch-französischen Allianzgegen Rußland ausgearbeitet, und zwar zurBefreiung Polens (Autonomieversprechendes preußischen Königs für die ProvinzPosen). Das Projekt war fertig, konnte abernicht ausgeführt werden, wegen der imOktober 1848 ausbrechendenKonterrevolution. In diesem Völkerfrühlinggeht der politische Gedankenaustauschzwischen Berlin und Paris hin und her.Manche träumten sogar von <strong>eine</strong>r vereintendeutsch-französischen Republik.Zweiter TeilEs ist Zeit, daß ich wieder von Polen spreche :• Ich muß, was bisher noch nicht erwähntwar, die drei Teilungen Polens (1772-95)näher besprechen. Preußen war dabei beteiligt,„um Polen nicht völlig dem russischenEinfluß zu überlassen“. Warschau, seit dem16.Jhdt. polnische Krönungs- und Hauptstadt,im 18.Jhdt. <strong>eine</strong> wunderschöne königlicheResidenz, wird 1795 <strong>eine</strong> preußischeProvinzhauptstadt. PreußischeBeamte regierten in Warschau.• Aber 1807 war es vorbei mit dem preußischenWarschau. Napoleon I., der Preußen1807 besiegte, bestimmt im Frieden vonTilsit, daß aus Warschau und s<strong>eine</strong>r weiterenUmgebung <strong>das</strong> Großherzogtum Warschaugebildet werden soll.Im 19.Jhdt. war Paris der Mittelpunkt der polnischenUnabhängigkeitsbewegung(patriotische Dichter und Musiker) :• Seit 1852 ist Paris wieder <strong>eine</strong> Kaiserstadtunter Napoleon III. Daraufhin wurde dieStadt total modernisiert. Diese altmodische,z.T. mittelalterliche Stadt wird vollkommenumgebaut, große Verkehrsstraßen durch <strong>das</strong>Gewirr gelegt (auch aus militärischen Gründen).Paris ist nun die modernste Hauptstadt<strong>eine</strong>s Nationalstaats in Europa, wird der43


Mittelpunkt Europas (Weltausstellung,Mode).• Dann kommt die Katastrophe : Der Krieg,den Napoleon III. dem König von Preußenerklärt. Paris ist k<strong>eine</strong> Kaiserstadt mehr seit1870, sondern die Hauptstadt der drittenRepublik. Es kommt zur Belagerung undzum Waffenstillstand und später zumKommune-Aufstand mit aktiverBeteiligung polnischer Emigranten. Diessollte die vierte französische Revolutionwerden, sie ist aber total fehlgeschlagen,denn sie stützte sich auf <strong>eine</strong> Minderheit,die Pariser Arbeiterschaft. Die französischeNation bestand in ihrer Mehrheit ausLandbevölkerung, aus Honoratioren, ausGrundbesitzern und aus Mitgliedern derBourgeoisie. Diese Kommune hatte also gark<strong>eine</strong> Chance, sie wurde nach 72 Tagenbesiegt.Nach dem Jahr 1871 ist es nötig, dem doppeltbesiegten Paris <strong>das</strong> triumphierende Berlin gegenüberzustellen:• Einerseits in Berlin Kanonendonner, MilitärparadenUnter den Linden, andererseitsSolidaritätserklärungen der Sozialdemokratiemit der kämpfenden und alsbald niedergeworfenenPariser Kommune. AugustBebel erklärt im Reichstag : „Der Kampfder Kommune in Paris ist nur einVorpostengefecht. Bald wird derSchlachtruf des Pariser Proletariats Kriegden Palästen, Friede den Hütten, derSchlachtruf des gesamten europäischenProletariats sein.“ 20 Jahre später, nach denSozialistengesetzen, die vollkommenwirkungslos waren, ist die Sozialdemokratiesowohl in Berlin als auch inDeutschland die wählerstärkste Partei.Berlin, dessen Stadtplanung auf die PariserHauptstadtmodernisierung zurückgeht, wirdzu <strong>eine</strong>r Millionenstadt - Glanz (im Westen)und Elend (im Osten) nebeneinander.• Im Jahre 1895 wird in Paris der ZarNicolaus II. festlich empfangen. Er kamkurz nach s<strong>eine</strong>r Thronbesteigung nachParis zur Bekräftigung der französischrussischenMilitärallianz aus dem Jahre1892.Wir kommen jetzt ins 20.Jhdt. :• Paris-Berlin-Warschau in der Zeit desErsten Weltkriegs : 1914 wird Paris mitknapper Not vor deutscher Besetzung gerettet.Warschau soll 1918 die Hauptstadtdes von Wilhelm II. projektierten KönigreichsPolen werden, ein deutscher Satellitenstaat,der nie in Kraft getreten ist. Berlinwird nach dem Ende des Kriegs die Hauptstadtder ersten deutschen Republik.• Nun zum zweiten Weltkrieg und dreifacherTragödie 1933-45 :a) Berlin, die „röteste Stadt nach Moskau“(Joseph Goebbels) wird durch die Nazismartyrisiert. 70.000 jüdische Mitbürgerwerden ermordet und 40.000 oppositionelleBerliner werden entweder erschossen oderverenden in den KZ’s. Durch den Kriegwird die Stadt Berlin zu 70 % zerstört.b) Paris, 1940-44 besetzt. 30.000 Pariserwerden erschossen oder in die Todeslagerverschleppt.c) Warschau, 1939-44 besetzt, wurde aufFührerbefehl total zerstört, zahlreiche Todesopfer.Erinnert sei auch an den Kampfdes Warschauer Ghettos !Kommen wir in die Gegenwart. Nach dieserKatastrophenepoche von 30 Jahren (1914-45),nach diesem modernen „30 jährigen Krieg“ mitkurzer Atempause in den 20er Jahren, sollennun mehr die drei Hauptstädte als „leuchtendeVorbilder“, als „Villes-Phares“, unsere dreiNationen zusammenführen. Berlin und Parissind seit einigen Jahren durch <strong>eine</strong>nFreundschaftsvertrag verbunden, welcher als<strong>eine</strong> fruchtbringende kulturelle Partnerschaftfunktioniert, ein Bund zu zweit. Und <strong>das</strong> wiedererstandene Warschau „es sei, gewährt ihmdie Bitte, in diesem Bunde der Dritte !“Vielen Dank.Die Städtepartnerschaft Berlin-Paris : Vorbild für die Entwicklung trilateralerStädtepartnerschaften innerhalb des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s ?Prof. Dr. Winfried EnglerKoordinator Städtepartnerschaft Berlin-ParisSehr geehrte Damen und Herren !44


Berlin hat mit Paris im Jahre 1987 <strong>eine</strong> Städtepartnerschaftabgeschlossen. Diese Städtepartnerschaftwurde von französischer Seite nichtmit dem, wenn man <strong>das</strong> Lexikon aufschlägt, zuerwartenden Begriff etikettiert, nämlichjumelage. Weil Paris erklärt, wir haben nur<strong>eine</strong> jumelage, und <strong>das</strong> ist die mit Rom. Allesandere können wir als accord d’amitié decooperation bezeichnen. So ist es also gekommen,daß wir diese Beziehung mit ParisFreundschaftspakt, -vertrag oder -abkommennennen. Ich kann über die Dinge, die sich seitdementwickelt haben, einigermaßen kompetentAuskunft geben, da ich zu der vorbereitendenKommission gehörte, die die ersten Gesprächeim Rathaus von Paris geführt hat.Der Vertrag hat fünf kurze Artikel :• Art. 1 : Kenntnis der jeweiligen Sprachesoll von den Partnern gefördert werden• Art. 2 : Zusammenarbeit im Gebiet derKultur, insbesondere der Künste• Art. 3 : Weiterentwicklung derBeziehungen auf dem Gebiet der Jugendund des Schüleraustauschs• Art. 4 : Kontakte in den Bereichen städtischeVerwaltung, Anwendung modernerTechnologien, Stadtplanung, Umweltschutzund Sozialwesen• Art. 5 : „Die beiden Städte ernennen je<strong>eine</strong>n Koordinator, der beauftragt wird, einzweijähriges Zusammenarbeits- und Austauschprogrammaufzustellen.“Diese Idee, <strong>eine</strong>n Koordinator mit der Verlebendigungdieses Vertrages zu verbinden, kamvon Paris und hatte natürlich die französischePhilosophie als Basis. Derjenige, der koordiniert,sitzt in unmittelbarer Nähe des Chefs,sprich des Bürgermeisters von Paris, ist einhoher Rathausbeamter, womöglich mit diplomatischerVergangenheit; er ist weniger derKoordinator als vielmehr die clearing-Stelle,wo nun alles zusammenläuft und vom PariserRathaus abgesegnet wird. Die Pariser hattennatürlich damals auch schon den Hintergedanken,falls die einzelnen Stadtbezirke(arrondissements) Ideen entwickeln wollen,müssen sie die in der Zentrale absegnen lassen.Denn von daher bekommen sie <strong>das</strong> Geld undsonst läuft nichts.In Berlin läuft <strong>das</strong> natürlich anders. Die BerlinerBezirke haben z.B. auf dem wichtigenGebiet des Schulwesens weitgehende Autonomie,d.h. der Schüleraustausch kann von Berlingar nicht ohne Initiativen und den politischenWillen der Bezirke unternommen werden. Daserschien 1987 völlig unproblematisch, inzwischenist es dies aber geworden. Wenn einPariser Arrondissement mit <strong>eine</strong>m BerlinerBezirk <strong>eine</strong> neue Unterpartnerschaft abschließenwill, kann dies z.B. in Paris zu politischemMißfall führen, wenn dies ein bestimmtesArrondissement ist, <strong>das</strong>, wie es lange in Parisder Fall war, nicht zur koalistischen Mehrheitgehört. Umgekehrt sieht man dies in Berlinsehr viel gelassener. Dieser Punkt soll ihnenalso zeigen, daß <strong>eine</strong> Städteverbindung, vonder man nun wirklich mit gutem Grund annehmenkann, daß es <strong>eine</strong> freundschaftliche Verbindungist, nicht unproblematisch ablaufenkann.Im Augenblick unterhält Berlin 15 Städtepartnerschaften.Die älteste ist die Partnerschaftmit Los Angeles (seit 1967), welche sich miteinigem Erfolg auf <strong>eine</strong>n kulturellen Punktfixiert. Berlin hat in den Ankauf und denUnterhalt der Feuchtwanger-Villa in LosAngeles investiert, und es bestehen guteChancen, daß diese Villa nicht nur zu <strong>eine</strong>mBegegnungs- sondern auch Forschungszentrumfür Imigranten-Literatur wird. Die nächstePartnerschaft wurde mit Paris (1987)eingegangen. Im Jahre 1988 hat Berlin (West)mit Madrid <strong>eine</strong> Städteverbindung abgeschlossen,als Madrid schon <strong>eine</strong>Verbindung mit Berlin (Ost) hatte, was einvölkerrechtliches Kuriosum ist. Weiterhinwurden im Jahr 1989 und in den 90er Jahrenfolgende Städtepartnerschaften geschlossen :Buenos Aires, Brüssel, Budapest, Istanbul,Jakarta, Mexiko-City, Moskau, Peking, Prag,Taschkent, Tokyo und Warschau. DieStädteverbindungen mit diesen Städten wurdenin der Regel nach dem Vertragsmodell vonBerlin-Paris abgeschlossen, allerdings mit derAusnahme des Artikels 5. Es wurden also nichtausdrücklich Koordinatoren ernannt, wohl abereinige für diese Städte Beauftragte. Es gibtzumindest in Berlin <strong>eine</strong>n Beauftragten fürJakarta, <strong>eine</strong>n für Moskau, für Peking undTokyo.Zuständig für die Städteverbindungen, d.h. fürden vertraglichen Abschluß derselben, ist derRegierende Bürgermeister und die Senatskanzlei,was sich 1997 herausstellte.Allerdings wollte sich <strong>das</strong> BerlinerAbgeordnetenhaus nicht mit derZuschauerrolle begnügen, und so mehren sichin den letzten Jahren die offiziellen und45


inoffiziellen Anfragen an den RegierendenBürgermeister :• Zu welchen Städten unterhält <strong>das</strong> LandBerlin Städtepartnerschaften ?• Welche Unterschiede bestehen hinsichtlichder Gestaltung und des Umfangs dieserStädtepartnerschaften ?• Welche Partnerschaften unterhalten dieeinzelnen Bezirke ?• Wie werden diese Partnerschaften umgesetzt?• Was tun die Koordinatoren und Beauftragten? Ist deren Tätigkeit ehrenamtlich ?• Welche Nicht-Regierungsorganisationen inBerlin verständigen sich mit anderen Nicht-Regierungsorganisationen in den Partnerstädten? Weiß der Senat, was da läuft ?• Wie steht es mit den Kontakten von Berufsgruppenoder -verbänden wie z.B. Lehrer,Professoren oder Architekten ?(Die Antworten finden sich im LandespressedienstNr.204 vom 22.10.1987.)Im Jahre 1989 reiste der Regierende Bürgermeisternach Paris, um sich mit der Regierungzu treffen. Es wurden z.B. auch Themen wieAtompolitik besprochen. Anhand solcherhochpolitischen Gespräche war zu merken, daß<strong>eine</strong> neue Lage eingetreten war, man hatte esmit <strong>eine</strong>m anderen Berlin zu tun.Das „neue“ Berlin hatte <strong>eine</strong> Liste mit ca. 80Städtepartnerschaften geerbt, welche dieHauptstadt der DDR mit Städten aus aller Weltabgeschlossen hatte. Der Umgang mit diesenStädteverbindungen ist nicht ganz einfach, einGroßteil davon ruht. Es sind allerdings jenePartnerschaften übernommen worden, derenpolitisches und wirtschaftliches Gewicht manfür bedeutend hält, wie z.B. Budapest,Moskau, Peking, Prag, Taschkent undWarschau. Mit diesen Städten wurden neueAbkommen geschlossen, aber in Fortführungder bereits existierenden Partnerschaft.Im Gegensatz zu Berlin unterhält Paris nur dieHälfte an Partnerschaften, was auf <strong>eine</strong> anderePhilosophie zurückzuführen ist. Paris vereinbartmit vielen Städten <strong>eine</strong> projektbezogeneZusammenarbeit, welche zeitlich limitiert seinkann. Paris hält sich somit <strong>eine</strong>n gewissenSpielraum offen.Für Berlin ist, unter den 15 Partnerschaften,diejenige mit Paris am wichtigsten. Denn dieseVerbindung ist nicht nur ein politischer Abschluß,der aus der Kunst <strong>eine</strong>r Stunde herausvollzogen wurde, sondern gründet sich auf <strong>eine</strong>kulturelle Basis, die unvergleichlich ist, unddie durch die Freundschaft der Berliner zurfranzösischen Schutzmacht gestärkt wurde.Wie wäre nun <strong>eine</strong> Beziehung Berlin-Paris-Warschau denkbar ? Paris unterhält traditionellfruchtbare, interessante Beziehungen zu polnischenStädten, insbesondere zu Warschau. DasVerhältnis von Berlin zu Warschau ist sehrumfangreich. Es konzentriert sich auf technologischeBereiche, gegenseitige Hilfe in derAdministration und auf den Schüleraustausch,so daß von Berlin aus in ein mögliches <strong>Dreieck</strong>sverhältniseiniges an Material und auch anpolitischem Kapital eingebracht werdenkönnte. Nur gibt es <strong>eine</strong> gewisseSchwierigkeit, denn es war in den letztenJahren <strong>eine</strong> Tendenz zu beobachten, daß manaus vielerlei Gründen ein <strong>Dreieck</strong> Paris-Berlin-Moskau favorisiert. Die Außenwirkung derBegegnung des Bürgermeisters von Moskauund des Regierenden Bürgermeisters vonBerlin ist immer bedeutend. Wenn manallerdings in der Senatskanzlei und in denSenatsverwaltungen nachfragt, wie ergiebigdiese Begegnung auf der Ebene <strong>eine</strong>rStädtepartnerschaft ist, dann wird hier nichtgerade die Note „Sehr gut“ verliehen. D.h.,dieses Projekt Berlin-Paris-Moskau, <strong>das</strong> aufden ersten Blick <strong>eine</strong> Entwicklung der BeziehungBerlin-Paris-Warschau blockierenkönnte, muß tatsächlich nicht dazu führen.Ich möchte noch auf ein Berliner Ereignis hinweisen: Das frühere Centre Français inWedding, <strong>das</strong> aus <strong>eine</strong>m Kino, Hotel und ausVeranstaltungsräumen bestand, fiel nach demFall der Mauer und dem Abzug der Alliiertenan <strong>das</strong> Finanzministerium, <strong>das</strong> zunächst sehrzögerlich war, den französischen Charakterdieses Hauses weiterzuführen. Dort soll nunauf der Ebene sozialpolitischer Aktivitäten fürjunge Deutsche, Franzosen und Polen etwasgetan werden. Im Beirat der Institution ist auch<strong>das</strong> polnische Jugendwerk bereits personellvertreten. Hier sehe ich <strong>eine</strong> Chance,sozusagen mit relativ kl<strong>eine</strong>n, zunächst sehrunspektakulären Ergebnissen an dieÖffentlichkeit zu treten und zu sagen, daß sichin diesem <strong>Dreieck</strong>sverhältnis sehr wohl etwasorganisieren läßt. Die Finanzierung des ganzenist allerdings nicht gesichert, weil scheinbarniemand der erste und evtl. einzige sein will,der etwas dazugibt.Die Städtepartnerschaften, wie sie eingerichtetwurden, waren auf zweiseitige Beziehungenhin angelegt, aber die Struktur schloß46


dreiseitige Erweiterungen nicht aus. EineBeziehung Paris-Berlin-Warschau bietet sichvon der Historie, der Mentalität und denkulturellen Bedürfnissen her geradezu an.Dankeschön.47


EinführungRupert Graf StrachwitzDirektor Maecenata Institut, Berlin, Vorstand der Kulturstiftung Haus EuropaM<strong>eine</strong> Damen und Herren,wir wollen uns nun <strong>eine</strong>m Thema zuwenden,<strong>das</strong> in der Diskussion der Beziehungen zwischenDeutschland, Frankreich und Polen zwarin der Bevölkerung kaum noch beachtet wird,allerdings in der politischen Elite durchausimmer wieder mal angesprochen wird. Ob sichdie Franzosen hierbei an ihre eigene Situationvor 100 Jahren erinnern, ob sich auch manchePolen daran erinnern und evtl. Befürchtungendabei haben, <strong>das</strong> werden wir vielleicht indieser Diskussion ein wenig herausarbeitenkönnen.Die Kulturstiftung Haus Europa wurde 1989von der letzten Regierung der DDR eingerichtet,um den europäischen kulturellen Dialog zubefördern. Wir versuchen seit 1990 ebendiesen Dialog durch praktische modellartigeProjekte voranzubringen. Eine Erfahrung, diewir in der Stiftung gemacht haben, war, daßdie Gesprächsbereitschaft zwischen Polen undDeutschen sehr viel offener war, als man dies1990 zunächst einmal angenommen hatte.Jeder rechnete mit <strong>eine</strong>m mühevollen,vielleicht 20-30 jährigen Weg, den esbenötigen würde, um sich wieder vernünftigmiteinander unterhalten zu können. Es ergabsich aber, daß es schon <strong>eine</strong> ganze Mengevorherige Ansätze gegeben hatte, und diesesUnterfangen gar nicht so mühselig war, dennauch auf polnischer Seite gab es <strong>eine</strong> großeGesprächsbereitschaft. Mit Sicherheit wurdediese auch dadurch gefördert, daß Deutschlandim Jahre 1990 in aller Form undvölkerrechtlich verbindlich auf die deutschenOstgebiete verzichtete. Und doch leben inDeutschland <strong>eine</strong> ganze Menge Menschen, dieSchlesien oder Ostpreußen oder Pommernimmer noch als Heimat betrachten. Insoferngab und gibt es <strong>eine</strong>n Gesprächsbedarf speziellzu dieser Thematik.Vielen Dank.Regionen doppelter Kultur in Europa - Herausforderung und ChanceDr. Idis HartmannLeiterin des Wissenschaftsbereiches Kunstgeschichte im Bundesinstitut für ostdeutscheKultur und GeschichteM<strong>eine</strong> sehr verehrten Damen und Herren !Während Charles de Gaulle ein Europa derVaterländer und damit in s<strong>eine</strong>m Verständnisder Nationen proklamierte, haben in denletzten Jahrzehnten die Regionen wesentlich anBedeutung im politischen und vor allemkulturellen Einigungsprozeß in Europagewonnen. Man erkennt immer mehr, daß indem riesigen Staatsgefüge , <strong>das</strong> Europa einmaldarstellen wird, geographische, ethnische undvor allem kulturelle Unterschiede vorhandensind. Man ist mehr und mehr zu der Erkenntnisgekommen, diese Regionen nicht nur zuakzeptieren, sondern sie zu fördern und zuerhalten, sie als Herausforderung und Chancezu betrachten.Für die Bundesrepublik Deutschland ist dieRegionalisierung insbesondere im Kulturbereich<strong>eine</strong> Selbstverständlichkeit. Die deutschenBundesländer hüten ein Privileg besonders,nämlich <strong>das</strong> der Kulturhoheit. Der Bundhat k<strong>eine</strong>n Kulturminister. Die Kompetenzendes Bundes sind auf wenige Felder begrenztund durch Gesetze geregelt. Er tritt, gemäßdem Subsidaritätsprinzip, nur in Bereichen inAktion, die von anderen Institutionen nichtabgedeckt werden. Es läßt sich mit dieser Konstruktionsehr gut leben, obwohl es, speziell inder Außenvertretung, auch Felder gibt, wodiese dezidierte Kulturhoheit der deutschenBundesländer der gesetzgeberischen und bürokratischenAbwicklung des europäischen Einigungsprozessesdoch manchmal Schwierigkeitenmacht. So wurde z.B. im Jahr 1993 <strong>eine</strong>Richtlinie der EG zur Rückgabe von unrechtmäßigaus dem Hoheitsgebiet <strong>eine</strong>s Mitgliedsstaatesverbrachten Kulturgütern erlassen.Während Frankreichs Zentralregierung bei derUmsetzung in nationale Gesetzgebung kaumSchwierigkeiten hatte, muß in Deutschland<strong>eine</strong> Vereinheitlichung derLandesgesetzgebung sowie <strong>eine</strong> Angleichungdieser an den Bund erfolgen, und <strong>das</strong> scheintmehr als fünf Jahre Zeit zu beanspruchen, denn48


noch immer gilt in Deutschland <strong>das</strong> Gesetzzum Schutz des nationalen Kulturgutes ausdem Jahr 1919.Allerdings berührt gerade dieses Gesetz einProblem, <strong>das</strong> viel zu wenig diskutiert und mitviel zu wenig schöpferischer Phantasie betrachtetwird, <strong>das</strong> der Regionen doppelter Kultur,also Regionen in denen die staatliche Zuordnunggewechselt hat, wo sich aus welchenGründen auch ímmer Nationalkulturen überlagerthaben, wo Volksgruppen leben, die inder gegenwärtigen staatlichen Struktur zu kulturellenMinderheiten geworden sind oder garnicht mehr am Ort ihrer hinterlassenen Kulturleben.Wir müssen konstatieren, daß solche Regionenihre Besonderheit länger bewahren als Staatsgefügeund Verfassungen.Deutschland, in dem <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in derMitte liegend, grenzt im Norden und Süden vorallem aber im Westen und Osten, in Frankreichund Polen, an solche Regionen doppelter Kultur.Im Westen sind es vor allem Elsaß undLothringen, im Osten die ehemaligen preußischenProvinzen mit Ostpreußen, Pommernund Schlesien. Eine wirkliche europäischeEinigung wird dann gelingen, wenn alle TeileNutzen aus solchen Regionen ziehen und sienicht als Faustpfand zur Durchsetzung nationalerInteressen nutzen, wie <strong>das</strong> in der Geschichteschon oft geschah.Lassen sie mich zwei Beispiele herausgreifen,nämlich <strong>das</strong> Elsaß und Schlesien.Zunächst zum Elsaß :Die heutige Region Elsaß umfaßt die beidenDepartements Haut-Rhin und Bas-Rhin mit2insgesamt 8280,2 km und 1,66 Mio. Einwohnern.Von Kelten besiedelt, von Alemannen okkupiert,wurde <strong>das</strong> Elsaß 496 Teil des Merowingerreichesund zeitweise eigenes Herzogtum.Ab 870 gehörte es zum Hl. Römischen ReichDeutscher Nation und war Teil des schwäbischenStammesherzogtums. Es wurde inspätsalischer und frühstaufischer Zeit einKerngebiet der kaiserlichen Macht, was sichim Bau von Burgen, Abteien,Kollegiatskirchen und dem StraßburgerMünster widerspiegelt.Aus dem umfangreichen elsässischen Besitzdes Reiches und der Staufer entwickelten sichdie Territorien von 10 freien Reichsstädten wieHagenau, Schlettstadt und Colmar.Im 15.Jhdt. erreichte die Plastik im Elsaß <strong>eine</strong>nHöhepunkt mit den „schönen Madonnen“, diebesonderen Einfluß auf die Plastik in Schlesienund Böhmen ausübte. Gleichzeitig wurde <strong>das</strong>Elsaß <strong>das</strong> Land des gelobten Kupferstichs. InStraßburg machte Gutenberg s<strong>eine</strong> ersten Versuchemit dem integriertenBuchdruckverfahren.Im Westfälischen Frieden, 1648, wurde <strong>das</strong>Sundgau, also der habsburgische Besitz unddie Vogtei der 10 freien Reichsstädte,Frankreich zugesprochen, <strong>das</strong> sich bis 1697auch den größten Teil des Restelsaßeinverleibte. 1681 wurde Straßburg besetzt undtrotz heftiger Gegenwehr schließlichfranzösisch.Das Elsaß blieb deutschsprachig und den deutschenTerritorien auf der anderen Seite desRheins kulturell, wirtschaftlich und sprachlicheng verbunden, hatte damit <strong>eine</strong> tatsächlicheBrückenfunktion inne.Erst 1789 wurde <strong>das</strong> Elsaß in den modernenfranzösischen Staat eingegliedert mit derSchaffung der Départmemts Haut- und Bas-Rhin. Von da ab begann sich die Kultur unddie französische Sprache besonders in derOberschicht durchzusetzen.1871 wurde <strong>das</strong> Elsaß wieder von Frankreichabgetrennt und als Reichsland Elsaß-Lothringendeutsch.1919 wurde <strong>das</strong> Elsaß, als Ergebnis des VersaillerVertrages, wieder französisch. Es wurdevon <strong>eine</strong>m Generalkommissar in Straßburg, ab1925 von <strong>eine</strong>r dem Ministerpräsidenten direktunterstellten Generalkommission und ab 1935von <strong>eine</strong>r Zentralstelle beim Ministerpräsidentenverwaltet. Die forcierten Assimilationsbestrebungender französischen Verwaltung(Stichwort : Sprachenkampf) förderten dieAutonomiebestrebungen. So folgte 1926 dieGründung <strong>eine</strong>s Heimatbundes und 1927 dieGründung der Autonomistischen Landespartei,deren gemäßigte Vertreter 1932 die meistenKammerabgeordneten stellten. Während derdeutschen Besetzung 1940-44 blieb <strong>das</strong> Elsaßnominell bei Frankreich, wurde aber <strong>eine</strong>rdeutschen Zivilverwaltung unterstellt, was diedeutschen Elemente im Elsaß stärkte.Direkt nach Kriegsende setzte wiederum <strong>eine</strong>forcierte Assimilationsbestrebung ein und derSprachenkampf flammte erneut auf. Die deutscheSprache wurde systematisch aus demöffentlichen Leben und aus den Schulenverdrängt. Aber die Autonomiebewegung ließsich nicht unterdrücken - <strong>das</strong> Elsaß war nichtganz französisch, es war nicht deutsch, es wareben elsässisch.49


Daher wurde 1968 <strong>das</strong> Programmgebiet Elsaßgeschaffen, in dem u.a. durch verstärkte deutscheIndustrieansiedlung, durch zunehmendeFörderung des Deutschen und vor allem desElsässischen und durch die Einrichtung europäischerInstitutionen <strong>das</strong> Nationalitätenproblementschärft und die alte Brückenfunktionwieder hergestellt wurde.Heute stellt sich <strong>das</strong> Elsaß dar als <strong>eine</strong> Regiondoppelter Kultur. Die Förderung des Elsässischenals Minderheitensprache in Frankreichist akzeptiert. Die Förderung des nationalenErbes wird von Frankreich mit starkerEinbindung der Elsässer betrieben, dieForschung aber von Deutschen und Franzosengleichermaßen.Tagtäglich pendeln unzählige Menschen überdie Grenze. Günstige Konditionen machen dieRegion Elsaß auch für Deutsche, die k<strong>eine</strong>ethnische Bindung zum Elsaß haben, zunehmendattraktiv, wie auch der Breisgau, auf deranderen Seite des Rheins gelegen, von Franzosenals Wohn- und Arbeitsplatz gewählt wird.Die ansässige elsässische Bevölkerung hat esverstanden, für ihre Region die Selbständigkeitzu erkämpfen, die es ermöglicht, ihre Eigenheitzu bewahren. Sie nutzt die doppelte Kultur alsChance, als Brücke und Impuls für Europa. ImElsaß hat man begriffen, daß die Regionalisierung<strong>eine</strong> Perspektive ist, um die Möglichkeiten,die Regionen mit doppelter Kulturhaben, voll zu nutzen.Nun zu Schlesien :Schlesien, im Osten gelegen, ist wesentlichgrößer als <strong>das</strong> Elsaß. Es umfaßte vor dem erstenWeltkrieg 40.319 km2 . Durch den VersaillerVertrag wurden ca. 10 %, also 4.049km 2 , abgetrennt, ein Gebiet etwa halb so großwie <strong>das</strong> Elsaß, mit 967.000 Ew., etwa ¾ derEinwohner des Elsaß heute. Der größte Teildes Gebietes fiel dem wieder errichteten Polenzu, der abgetrennte Teil wurde der ebenfallsneu errichteten Tschechoslowakeizugesprochen.Nach dem zweiten Weltkrieg wurde <strong>das</strong>gesamte Schlesien in <strong>eine</strong>r Größe von 36.3002km und mit <strong>eine</strong>r Bevölkerung von (1939) 4,6Mio. unter polnische Verwaltung gestellt. Eshandelt sich um ein Gebiet, <strong>das</strong> größer ist alsBelgien, Luxemburg und die Niederlande zusammen,4 ½ mal so groß wie <strong>das</strong> Elsaß, und<strong>eine</strong> Bevölkerung hatte, die etwa so groß warwie die der Israelis oder halb so groß wie dieder Schweden.Schlesien war bis etwa 400 von Vandalen besiedelt,in den folgenden sechs Jahrhundertenließen sich verschiedene slawische Stämme aufdem Gebiet nieder. Im 9.Jhdt. finden wirSchlesien unter böhmischer Herrschaft. Im10.Jhdt. in den böhmisch-polnischen Kämpfeneroberte der Piastenfürst Miezko Schlesien.Miezkos Nachfolger, Boleslaus I., dehnte s<strong>eine</strong>Herrschaft bis nach Kiew und Pommern aus,annektierte die Mark Meißen und die Oberlausitzund nahm Böhmen und Mähren in s<strong>eine</strong>nBesitz. Gegen den deutschen KaiserHeinrich II. führte er <strong>eine</strong>n erbitterten Krieg,mußte aber 1005 die Lehenshoheit des deutschenReiches anerkennen. Den TodHeinrich II. nutzte er, um sich mit Einverständnisder Kurie zum ersten König von Polen krönenzu lassen und brach damit die Lehenshoheitzum deutschen Reich.Nach s<strong>eine</strong>m Tod 1025 zerfiel <strong>das</strong> imponierendeReich. Schlesien, <strong>das</strong> 48 Jahre polnischwar, fiel wieder zurück an Böhmen, wurdeaber Mitte des 11.Jhdts. mit Hilfe desdeutschen Kaisers an Polen zurückgegeben. Indem folgenden Jahrhundert ging es wild zu,Schlesien konnte letztlich als selbständigesHerzogtum erhalten werden.Das Gebiet war groß, aber es gab kaum Menschenin dem weiten Land, es gab k<strong>eine</strong> Städte,k<strong>eine</strong> Infrastruktur. 1202 wurde die Senioritasverfassungin Polen aufgehoben und damitSchlesien tatsächlich selbständig, Deutsche ausallen Teilen des Reiches wurden nachSchlesien gerufen. Damit setzte <strong>eine</strong> großeSiedlungsbewegung in <strong>das</strong> menschenarmeSchlesien ein. Zwischen 1200 und 1350wurden 120 Städte und über 1500 Dörfer nachdeutschem Recht gegründet, ebenso erfolgtenKlostergründungen. Die Siedler brachten dieneueste Technik, den Willen zum Aufbau unddeutsche Kultur ins Land, die Klöster wurdenzu Stätten der Kulturvermittlung.Je mehr Schlesien als progressives Land erblühte,desto mehr wuchsen die BegehrlichkeitenPolens auf dieses Land. Um die Selbständigkeitzu erhalten, unterstellten sich dieschlesischen Herzöge mehr und mehr derBöhmischen Krone. Im Vertrag von Trentschin,1335, verzichtete der PolenkönigKasimir auf ewig auf Schlesien. Zugleichwurde damit <strong>eine</strong> der bis 1919 stabilsten GrenzenPolens festgelegt. Schlesien brachte dieUnterstellung unter die Krone Böhmens dieAufnahme in <strong>das</strong> Römisches Reich.50


In Schlesien lebte um die Mitte des 14.Jhdts.etwa <strong>eine</strong> halbe Million Menschen, in derMehrzahl Deutsche. Infolge von Kriegen undSeuchen entstand <strong>eine</strong> innerschlesische Bevölkerungsbewegung.In Niederschlesien verschwandendie wenigen polnischenSprachinseln zu Gunsten der deutschenSprache, während sich in Oberschlesien,besonders außerhalb der Städte, slawischeDialekte bis ins 20.Jhdt. halten konnten.1526 erbte Erzherzog Ferdinand, der spätereKaiser Ferdinand I., die böhmische und ungarischeKrone und Schlesien wurde damit habsburgischund blieb es bis 1740, bis Friedrichder Große im siebenjährigen Krieg s<strong>eine</strong> Erbansprücheauf Schlesien durchsetzte. Bis 1945war Schlesien dann ein Teil des deutschen Reichesals Teil Preußens, als preußische Provinz.In den Jahrhunderten von grob 1200 bis 1945hatte sich in Schlesien <strong>eine</strong> eigenständigeKultur entwickelt, die zum mitteldeutschenSprachraum gehörte, und mit der schlesischenDichterschule die beste und progressivste deutscheBarockliteratur lieferte (Land der 666Dichter).Das 19.Jhdt. brachte nicht nur <strong>eine</strong>n enormenBevölkerungszuwachs, sondern mit der Schaffungder oberschlesischen Montanindustrie<strong>eine</strong>n ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung,der einher ging mit <strong>eine</strong>r äußerstpositiven kulturellen Entwicklung. Über 800Schlösser mit teilweise weltweit bekanntenParks entstanden.Ende 1944 rückte die russische Armee aufSchlesien vor. Oberschlesien wurde überrollt.Millionen Menschen konnten evakuiert werdenund versuchten nach den Kampfhandlungenwieder zurückzukehren. Doch inzwischen hatte<strong>das</strong> russische Militär und die polnische Zivilverwaltungdie Macht übernommen. Aufgrundder Potsdamer Beschlüsse wurde die deutscheBevölkerung bis auf <strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Minderheitvertrieben.Heute haben wir die auch in Europa ungewöhnlicheSituation, daß in Schlesien wohl anallen Ecken und Enden die deutsche Kultursteht und liegt, daß aber die dazugehörendeethnische Gruppe, die diese Kultur geschaffenhat, nicht mehr vor Ort ist. Über 750 Jahredeutsche Kultur hat sich 50 Jahre polnischeKultur gelagert. Polen, die ihre Wurzeln inanderen Teilen des Landes hatten, leben heuteneben <strong>eine</strong>r kl<strong>eine</strong>n deutschen Minderheit inSchlesien. Sie leben mit <strong>eine</strong>r ihnen sprachlichund weitgehend auch kulturell fremden Umgebung.Sie suchen ihre neue Identität zugewinnen und der Region ein eigenes Gesichtzu geben.Die Situation ist damit <strong>eine</strong> völlig andere alsim Elsaß.Doch während man bis 1989 fast ausschließlichSchlesien als wiedergewonnenes polnischesGebiet behandelte, brachten die deutschpolnischenVerträge von 1990 und 1991 <strong>eine</strong>nentschiedenen Wandel. Die Vertragsparteienbekannten sich dazu, die Dokumente und Beschlüsseder KSZE in allen Bereichen zu verwirklichenund damit die Zusammenarbeit undden Austausch im Bereich der Kultur zufördern und regionale und lokale Kulturen,einschließlich nationaler Minderheiten, als <strong>eine</strong>Bereicherung des kulturellen Lebens darzustellen.Im Vertrag von 1991 gibt es <strong>eine</strong> ganze Reihevon Paragraphen, die auf diese Zusammenarbeithinzielen, und es ist zu beobachten, daßsich jetzt diese Beschlüsse wenigstensteilweise realisieren. Ich erinnere nur daran,daß z.B. im Sinne des Vertrages dieRestauration der Friedenskirche in Schweidnitzzustande kam, wo deutsches Geld undmoderne Technik sich mit polnischem Könnenzusammen getan haben. Die Zusammenarbeitauf wissen-chaftlichem Gebiet zeigtvielversprechende Ansätze. Aber noch gibt esHemmschwellen bei der Benützung derdeutschen Sprache in Polen, Ortsschilder sindnoch immer nicht zweisprachig. Noch werdendie Minderheiten und die laut Vertraggleichgestellten Gruppen, möglicherweise sinddamit die Vertriebenen gemeint (3,5 Mio.Schlesier bzw. deren Nachkommen inDeutschland), nicht wie nötig und möglich indiesen Prozeß eingebunden. Hier vor allemsollten die Perspektiven liegen, denn <strong>das</strong>Beispiel Elsaß hat gezeigt, daß die Menschen,die mit der Kultur der Region vertraut sind, somanches Hindernis überwinden und <strong>eine</strong>friedliche Zusammenarbeit bewirken können.Wer s<strong>eine</strong> Kultur liebt, und <strong>das</strong> ist am ehestender, der sie geschaffen hat, ist leichter bereit,dafür etwas zu tun.Man sollte auch nicht vergessen, daß Kulturein Identifikationsmuster und <strong>eine</strong> ethnischeBindung darstellen, Werte, die in <strong>eine</strong>mEuropa mit fluktuierenden Menschenzunehmend von Bedeutung sein werden.Dankeschön.51


Die historischen deutschen Ostgebiete - Barriere oder Brücke für die Verständigung ?Ortwin LowackPräsident der Bundesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft SchlesienM<strong>eine</strong> sehr verehrten Damen und Herren !Rechtlicher StatusAuf der Grundlage des sog. Zwei-plus-Vier-Vertrags von 1990, der Änderung des Grundgesetzesder Bundesrepublik Deutschland(Wegfall des Art. 23, GG alter Fassung) undder beiden deutsch-polnischen Verträge von1990/91 haben die verfassungsrechtlichenOrgane Deutschlands die sog. Oder-Neiße-Linie als völkerrechtliche Grenze zwischenDeutschland und Polen anerkannt und damitdie völkerrechtliche Zuordnung von Ostpreußen,Pommern, Schlesien zur Republik Polenakzeptiert.Allerdings sind zwischen den Vertragspartnerndie Vermögensansprüche der Vertriebenennoch nicht geklärt. Sie wurden aus den völkerrechtlichenVereinbarungen zwischenDeutschland und Polen ausgeklammert. DieKonfiszierung des privaten Vermögens derVer-triebenen hat bis heute k<strong>eine</strong>völkerrechtliche Grundlage. Sie dürfte vorallem ein Verstoß gegen die HaagerLandkriegsordnung, insbesondere Art. 43 und46, darstellen.Mit der Ausklammerung der Fragen des privatenVermögens hat die Bundesregierung vermieden,daß die deutsch-polnischen Verträgenicht deshalb innerstaatlich scheitern würden,weil von seiten der enteigneten Deutschensonst Verfassungsbeschwerden wegenVerletzung der Fürsorgepflicht erhobenworden wären. Die Politik derBundesregierung in den letzten Jahren istoffensichtlich darauf ausgerichtet, <strong>das</strong> Problem<strong>eine</strong>r biologischen Lösung zuzuführen, oder,wie es die FAZ vom 20.4.98 formulierte :„Daß die Vermögensfrage ebenso wie dieFrage <strong>eine</strong>r Rückkehr in die alte Heimat wohlso lange ungeregelt bleiben werde, bis keinVertriebener mehr am Leben ist.“Die Frage ist, ob dies tatsächlich die Lösungdes Problems ist und ob es nicht sinnvollerwäre, die Vermögensrechte, unter Beteiligungder Betroffenen, zu regeln. Denn Europa kannnur Heimat für die verschiedenen europäischenVölker und Vorbild für andere sein, wenn es<strong>eine</strong> Rechtsgemeinschaft ist, die auf gemeinsamenWerten aufbaut und die sich auch zumSchutz des privaten Eigentums bekennt.Nach polnischer - offizieller - Überzeugungsoll <strong>das</strong> private deutsche Eigentum, legitimiertdurch <strong>das</strong> Potsdamer Abkommen, zu Rechtnach polnischem Recht konfisziert wordensein. Allerdings hatte <strong>das</strong> Potsdamer„Abkommen“ nicht die Qualität <strong>eine</strong>r völkerrechtlichenVereinbarung. Es wurde durch k<strong>eine</strong>nder Beteiligten ratifiziert. Es war vor allemk<strong>eine</strong> Vereinbarung mit dem - besiegten -Völkerrechtssubjekt Deutschland.Gemeinsame AufgabeDie historischen deutschen Ostgebiete bleiben,trotz der Anerkennung ihrer staatlichen Zugehörigkeitzu Polen, Aufgabe der deutschenPolitik. Dies gilt vor allem beim Wiederaufbauhistorischer Städte und dem Erhalt und derPflege der deutschen Kultur. Von Seiten derRepublik Polen muß erwartet werden, daß sieden besonderen Charakter dieser Gebiete anerkenntund, entsprechend dem Vertrag übergute Nachbarschaft und freundschaftlicheZusammenarbeit von 1991, die Entwicklungder deutschen Kultur und Sprache zumgegenseitigen Verständnis fördert.Eine Regionalisierung und Föderalisierung derpolitischen Struktur Polens kann dabei prinzipiell<strong>eine</strong> große Hilfe sein. Sie sollte aber aufdie Sorgen der Deutschen, die in ihrer angestammtenHeimat geblieben sind, Rücksichtnehmen. Vorbild könnte z.B. die Behandlungder Sorben in der Oberlausitz sein, denen weitgehend<strong>eine</strong> kulturelle Autonomie und dieVertretung ihrer Sprache in öffentlichen Einrichtungengarantiert ist. Ebenso könnte an<strong>eine</strong>r Regelung für <strong>eine</strong> politische Vertretunggedacht werden, wie sie der dänischen Minderheitin Nord-Schleswig entspricht.Erfreulich ist, daß viele Polen in Schlesien undim südlichen Ostpreußen <strong>das</strong> deutsche Erbemehr und mehr als Chance und Teil <strong>eine</strong>r gemeinsameneuropäischen Identität verstehenund damit <strong>eine</strong>n wichtigen Beitrag für denAufbau europäischer Vielfalt und darauf aufbauenderIdentität leisten.Auch die vertriebenen Deutschen und ihreNachkommen sind aufgrund unzähliger Kontaktemit der alten Heimat längst k<strong>eine</strong> Hindernissemehr für <strong>eine</strong> hervorragende wirtschaftlicheund kulturelle Entwicklung der historischenOstgebiete. Sie haben oft <strong>das</strong> Eis gebro-52


chen und <strong>das</strong> Märchen von den ewigen„Revanchisten“, wie sie seit Stalins Zeit bezeichnetwurden, ad absurdum geführt.Die noch nicht gelösten Rechtsprobleme sind,<strong>das</strong> wird oft unterschätzt, vor allem <strong>eine</strong> Barrierein den Köpfen derjenigen, die Opfer vonStalin’s Zynismus und Machtdenken gewordensind, mit dem Polen und Deutsche auf Dauerverfeindet werden sollten, und mit dem Polen,den deutschen Revanchismus fürchtend, imMachtbereich der alten Sowjetunion gefangengehalten werden sollte. Leider bestehen abernoch heute diese Barrieren in Köpfen, die vorgeben,mit Stalin nichts zu tun haben zu wollenund ihn in gewissem Maße in <strong>eine</strong>m bürgerlichenChauvinismus gleichwohl idealisieren.Viele Barrieren in den Köpfen der Menschenbauen auch auf <strong>eine</strong>m schlechten Gewissenauf, ohne daß dies eingestanden wird. Sie sinddie schlimmsten Barrieren - und amschwierigsten zu überwinden ! Schon deshalbbrauchen wir die Aussöhnung zwischen denMenschen und nicht nur zwischen denPolitikern.Barrieren und Brücken bestehen oft aus demgleichen Material. Man muß nur die Richtungändern, um zueinander zu finden.Was hindert Polen daran, sich zur deutschenVergangenheit der wunderschönen Städte inden historischen Ostgebieten zu bekennen ?Warum sollen nicht die vertriebenen Deutschen,dort, wo sie k<strong>eine</strong>m Polen etwas nehmen,sich am Wiederaufbau und an der neuenkulturellen wirtschaftlichen Blüte des Landesbeteiligen ?Schlesien wird, weil von dort die BefreiungDeutschlands vom Napoleonischen Joch geplantund vorbereitet, immer <strong>eine</strong> besondereRolle im deutschen Bewußtsein spielen. Wirsollten daran gehen, daraus <strong>eine</strong> Region zumachen, die im deutschen wie im polnischenBewußtsein <strong>eine</strong> gemeinsame große Rollespielt. Und wieviel mehr könnten die Polen inden historischen Ostgebieten tun, wenn sie einbesseres Wissen um die Kultur und Geschichtedes Landes hätten !Der Vertrag über die deutsch-französischeZusammenarbeit und der deutsch-polnischeFreundschaftsvertragEs ist einmal interessant, den Vertrag zwischender Bundesrepublik Deutschland und der FranzösischenRepublik über die deutsch-französischeZusammenarbeit von 1963 und den Vertragzwischen Deutschland und der RepublikPolen über gute Nachbarschaft und freundschaftlicheZusammenarbeit von 1991 zu vergleichen.Denn <strong>das</strong> Ergebnis des <strong>eine</strong>n Vertrages istüberwältigend und hat Deutsche undFranzosen zum Motor der europäischenEinigung gemacht. Der deutsch-polnischeVertrag ist viel länger und regelt viel mehr,aber die großen Erfolge lassen noch auf sichwarten.Sicher, am Beginn der besonderen deutschfranzösischenZusammenarbeit, standen zweigroße geschichtliche Figuren : KonradAdenauer und Charles de Gaulle, die leicht andie Tradition aus der Zeit des Frankenreichesund s<strong>eine</strong>s größten Kaisers (Karl d. Große)anknüpfen konnten. Auch bedeutete die besiegelteFreundschaft mit Frankreich gerade fürviele junge Deutsche die Möglichkeit, nachden Bitterkeiten des verlorenen Krieges wiederanerkannt zu werden, <strong>eine</strong> große Sprache zulernen, etwas mehr von der Welt zu sehen unddie Synergieeffekte <strong>eine</strong>r Freundschaft nachgenerationenlanger erbitterter Feindschaft(Erbfeindschaft) in besonderer Weise zu genießen.Aber dies allein erklärt nicht, warum es bisherim deutsch-polnischen Verhältnis noch hapert,weshalb, außerhalb von Politikertreffen, nochkein rechter Funke übergesprungen ist, oderbesser : noch viel zu wenige persönlicheFreundschaften begründet wurden. Sicherfehlen uns große, vorbildhafte Staatsmänner,die mit ihrer Geste Menschen begeistern undihnen den Weg weisen. Sicher läßt auch <strong>das</strong>wirtschaftliche Gefälle zwischen Deutschlandund Polen zu oft die Polen als Bittsteller ersch<strong>eine</strong>n,die ein Programm zwar gestalten,nicht aber dafür zahlen wollen.All dies erklärt aber die beiderseitige Reserviertheitnicht. Es erklärt nicht, warum derdeutsch-französiche Vertrag weniger regeltund viel mehr erreicht hat, ohne daß es großerWorte bedurfte. Es erklärt nicht, weshalb derdeutsch-polnische Vertrag vieles regelt, aberviele Regelungen zu Absichtserklärungenverkümmert sind und kaum ausgefüllt werden.Sicherlich ist ein Nachteil, <strong>das</strong> weder Deutschlandnoch Polen heute über <strong>eine</strong> tragende Mittelschicht,über ein Bürgertum verfügen, <strong>das</strong>den freundschaftllichen Austausch als selbstverständlichansieht und stolz darauf ist, wenns<strong>eine</strong> Kinder Erfahrungen im jeweiligen Gastlandsammeln können.53


Der Hauptgrund dürfte für dieses Phänomendarin liegen, daß <strong>das</strong> Verhältnis zwischenDeutschen und Polen noch immer von der Vergangenheitüberschattet ist, schlimmer nochvon Geschichtsklitterung, Unwahrhaftigkeiten,Besserwisserei, oft intellektueller Arroganzoder <strong>das</strong>, was man dafür hält. Wir brauchenstatt dessen Unverkrampftheit, Respekt vordem Anderen, Toleranz und gemeinsame Aufgaben.Deshalb ist es so wichtig, daß auch für DeutscheSchlesien und Ostpreußen <strong>Zukunft</strong>saufgabenbleiben und daß durchaus denkbar ist,daß auch einmal ein Deutscher Literatur-PapstPolens wird.Über <strong>das</strong> Verhältnis zwischen Deutschen undPolen wird nicht so sehr in Bonn oder Berlinoder in Warschau entschieden, als vielmehr inder täglichen Begegnung zwischen Deutschen,die auf Grund ihres Ursprungs <strong>eine</strong> besondereAffinität zu ihrer Heimat haben und denjenigen,die <strong>das</strong> Land heute gestalten, pflegen,weiterentwickeln sollen.Wenn <strong>eine</strong> Barriere in den Graben geschüttetwird, wird sie <strong>eine</strong> Brücke. Dies wäre ganzeinfach, wenn auf beiden Seiten niemand dieBrücke fürchten würde.AusblickDie Liebe zur Heimat, zu s<strong>eine</strong>n Wurzeln, istein Teil der menschlichen Persönlichkeit undunverzichtbar. Polen hat dieses Heimatgefühlder Deutschen, die, oft unter unsäglichen Grausamkeiten,vertrieben wurden, zu respektieren.Die Deutschen wiederum müssen respektieren,daß ihre Heimat die neue Heimat von MillionenPolen geworden ist. Sie müssen lernen,nach vorne zu schauen und in ihre Liebe zurHeimat Land und Leute einzubeziehen, wie sieheute sind.Die jungen Polen müssen lernen, daß sie auf<strong>eine</strong>r jahrhunderte langen Geschichte deutscherTradition aufbauen und die jungen Deutschenmüssen lernen, daß nur der Respekt vor dengeistigen und kulturellen Leistungen vielerPolen zu der notwendigen Symbiose <strong>eine</strong>rgroßen europäischen Freundschaft auf Dauerführen kann.Das Recht aber muß für Deutsche wie fürPolen gleichermaßen gelten. Wo Unrecht geschehenist, müssen s<strong>eine</strong> unseligenWirkungen dargestellt, darf nichts verheimlichtoder bagatellisiert werden. Versöhnung setzt<strong>das</strong> Bekenntnis zur Wahrheit voraus. Mit derWahrheit zu leben heißt, die <strong>Zukunft</strong>erfolgreich zu gestalten. Die Vertriebenen sindnicht Barrieren und ihre Existenz darf k<strong>eine</strong>Barrieren des schlechten Gewissens und desZynismus aufrecht erhalten. Schlesien, m<strong>eine</strong>Heimat, wie ein Eichblatt, von der Oder undihren Nebenflüssen durchzogen, liegt imHerzen Europas. Es könnte auch <strong>das</strong> HerzEuropas werden !Herzlichen Dank.DiskussionHr. v. Lingen wies daraufhin, daß sich immer mehr Deutsche in Schlesien zu ihrer Abstammung undKultur bekennen würden. Sie haben sogar seit der letzten Wahl drei Abgeordnete im Sejm, jedoch dieneue Gebietsreform in Polen (wesentlicher Faktor der Regionalisierung, siehe auch S.54„Neugliederung der Wojewodschaften in Polen“, aus : „Frankfurter Allgem<strong>eine</strong> Zeitung“ vom10.10.1998) würde ihren Einfluß schmälern und sei deswegen ein heikles Thema. Allein die Tatsache,daß kulturelle Minderheiten im Zentralparlament Polens ein Mitspracherecht haben, ist hier etwasbesonderes.Die uneingeschränkte Forderung von Hr. Lowack nach Mitspracherecht und Heimat der ehemaligenschlesischen Mitbürger, die mittlerweile schon in der zweiten oder sogar dritten Generation inDeutschland lebten, ist für Hr. Zimmermann befremdlich. Viele dieser Menschen wollen gar nichtnach Schlesien zurück. Der Begriff Heimat hätte in Europa überall s<strong>eine</strong>n Stellenwert. In Europa s<strong>eine</strong>Heimat zu haben, hieße nicht, s<strong>eine</strong> Identität aufzugeben, sondern im Gegenteil sich mit der Identitätdort anzufreunden, wo man in Europa hinkommt. Es sei wichtig, die Regionen in Europa zu stärken,und hiermit ist nicht nur die schlesische Region gemeint, es gäbe derer viele in der EU, die negativbetroffen seien.Es wurde von Hr. Lowack erwidert, daß es nach wie vor Millionen von Betroffenen gäbe, und daß eswichtig sei, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen, sie nicht zu ignorieren, sondern Versöhnunganzubieten. Aber diese Chance wurde leider bisher nicht wahrgenommen. Ebenso wichtig sei es, dieWirtschaftskraft Polens zu stärken.54


In <strong>eine</strong>m weiteren Kommentar wurde nochmals darauf hingewiesen, daß die Vertreibung einschreckliches Schicksal für die Betroffenen war, dieses Unrecht dürfe jedoch nicht durch ein anderesUnrecht ausgeglichen werden. Bezüglich der polnischen Sprache in Schlesien wurde hinzugefügt, daßsich diese in vielen Gebieten über 600 Jahre deutscher Herrschaft erhalten hätte.Das Europa der Regionen war immer schon da und wurde durch zwei Instrumente erreicht, entwederdurch Waffengewalt oder durch Eheschließungen und somit Bildung von Dynastien. Heute hätten wirhierfür die Römischen Verträge.Nach Meinung von Prof. Dr. Mettler heißt Friedensforschung häufig Mediatisierung. Die Deutschenund die Polen könnten doch ihre französischen Freunde bitten <strong>eine</strong> Mediatisierung zu machen, undsomit hätten wir doch schon <strong>eine</strong> ganz konkrete Aufgabe für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>.Prof. Dr. Engler ergänzte, bezogen auf die Städtepartnerschaften hätte sich heraugestellt, daß es für dieKontakte entscheidend sei, wie die zuständigen Personen erreichbar sind und daß dies untereinanderbekannt sein müsse. Nur so könne die Kontinuität gewährleistet werden. Ein großes Problem seien dieKosten. Berlin stünden pro Jahr 150.000,- DM zur Verfügung, um die 15 Städtepartnerschaften amLaufen zu halten. Mit diesem Budget sei dies allerdings nur sehr eingeschränkt realisierbar, d.h. esmüssen Schwerpunkte gesetzt werden, z.B. im <strong>eine</strong>n Jahr <strong>eine</strong> intensivere Arbeit mit der <strong>eine</strong>n Stadt,im nächsten Jahr mit <strong>eine</strong>r anderen. Vieles spräche auch dafür, die Partnerschaften innerhalb des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s zu intensivieren.55


IV. Die wirtschaftliche DimensionEinführungProf. habil. Bohdan Gruchmanehem. Rektor, Jean-Monnet-Lehrstuhl, Wirtschaftsuniversität PosenSehr verehrte Damen und Herren !In Posen sind vor einigen Wochen diePräsidenten Frankreichs und Polens und derBundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlandzu <strong>eine</strong>m Treffen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>szusammengekommen. Die Industrie- und UniversitätsstadtPosen liegt zwischen Berlin undWarschau und hat ca. 600.000 Einwohner.Posen ist die Gründungsstadt Polens.Wenn man sich den jetzigen Stand der Kooperationansieht, nimmt z.B. der polnische Außenhandelmit Deutschland etwa die Hälftealler Im- und Exporte ein, mit Frankreich sindes ca. 8-10 %, obwohl hier viel mehr Verknüpfungendenkbar wären.Was den Kapitaltransfer betrifft, ist <strong>das</strong> deutscheKapital an zweiter bis dritter Stelle inPolen vertreten. An erster Stelle stehen allerdingsdie Kapitalanlagen der Holländer undBelgier, ebenso von großer Bedeutung ist <strong>das</strong>amerikanische Kapital. Umgekehrt ist <strong>das</strong>polnische Kapital in Frankreich und Deutschlandnicht sehr viel vertreten. Es ist ein sehrmühsamer Weg aufgrund der vielen Vorschriften,die bewältigt werden müssen.Sehr wichtig ist die Infrastruktur der Zusammenarbeit,vor allem im Bereich Verkehrswesenund Transport. In Polen wird jetzt starkdaran gearbeitet, Autobahnen zu bauen, um dieVerbindungen mit dem europäischen Netz zubekommen. Bereits modernisiert ist die Eisenbahnstreckezwischen Berlin-Posen-Warschau.Bezüglich des Luftverkehrs fehlen noch dieVerbindungen zwischen den Mittelstädten.Auf der Ebene der Regionen gibt es teilweiseschon <strong>eine</strong> sehr gute Zusammenarbeitzwischen Polen, Deutschland und Frankreich.Diese Kontakte dienen dazu, sich kulturell undauch wirtschaftlich kennenzulernen und direkteVerbindungen herzustellen. Die bisherige Zusammenarbeitist von großer Bedeutung, erwähnenswertsind hier z.B. die Kontakte undder Erfahrungsaustausch zwischen polnischenund französischen Landwirten.Polen ist nun im Gespräch, ein Mitglied derEU zu werden. Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> kannsehr hilfreich sein in bezug auf s<strong>eine</strong>npositiven Einfluß auf dieBeitrittsverhandlungen. Polen wird mittelfristigreif sein, ein Mitglied der EU zu werden. DieMarktwirtschaft ist in Polen bereits weitfortgeschritten, in verschiedenen Sektoren sindca. 80-90 % in privater Hand, ca. 70 % allerArbeitnehmer sind in privaten Unternehmentätig. Gewisse Schlüsselindustrien sind nochstaatlich, wie z.B. der Bergbau, die Eisen- undStahlindustrie, deren Restrukturierung eingroßes Problem darstellt.Ein weiteres Problem ist die Agrarwirtschaft.Polen möchte gerne vom CAP so viele Zuschüssewie möglich erhalten. Wenn man allerdings,sozusagen über Nacht, den polnischenBauern dieselben Bedingungen wie in der EUstellen würde, dann träte <strong>eine</strong> ökonomischeKrise in Polen ein. Die Preise würden um 30-40 % erhöht werden und der polnische Verbraucherwäre nicht mehr imstande, dies zubezahlen.Was die Arbeitslosigkeit angeht, so liegt dieQuote im EU-Durchschnitt, und sie wird vonJahr zu Jahr niedriger. Die Dynamik desBruttoinlandproduktes ist sehr hoch (6-7 %),was dazu beiträgt, daß die Arbeitslosigkeitallmählich abgebaut wird.Die Bedingungen für die Währungsunion derEU kann Polen noch nicht erfüllen, da dieInflation immer noch hoch ist (10-12 %). Wasdie Verschuldung des Staates (< 60 %) und <strong>das</strong>Haushaltsdefizit (< 3 %) betrifft, erfüllt Polenbereits die EURO-Anforderungen. Die Prognoseist, daß Polen um <strong>das</strong> Jahr 2006 derWährungsunion beitreten könnte.Herzlichen Dank.56


Die Rolle der trilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Hinblick aufdie EU-<strong>Osterweiterung</strong>Dr. Heinrich MachowskiKooperationsbüro Osteuropa-Wirtschaftsforschung im Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung, BerlinM<strong>eine</strong> sehr verehrten Damen und Herren !Trilaterale KooperationEs gibt k<strong>eine</strong> trilaterale Kooperation zwischenFrankreich, Deutschland und Polen, oderbesser gesagt, ich habe k<strong>eine</strong> Beispiele dafürgefunden mit fast zwei Ausnahmen, aber auchnur indirekter Art.Es gibt in Polen <strong>eine</strong> deutsch-französischeBank, <strong>eine</strong> gemeinsame Tochter von DresdnerBank und der Banque Nationale de Paris.Diese Bank ist nicht sehr groß. Auf der Listeder 40 größten Banken im Lande Polenrangiert sie auf dem 32. Platz. Allerdings istdieses Projekt kein speziell deutschfranzösisch-polnisches,denn diese beidenBanken (Dresdner Bank und BNP) haben alleihre ostwirtschaftlichen Aktivitätenzusammengefaßt, d.h. sie sind auch gemeinsamvertreten in allen übrigen neuen Staaten derRegion Mittel- und Osteuropa.Es gibt ein weiteres Beispiel, <strong>das</strong> aber wiederumnicht ganz paßt, weil es kaum etwas mitder EU zu tun hat, sondern eher mit derNATO. Die DASA, der Flugzeug- undRüstungsbauer der DaimlerBenz, hat im März1998 in Warschau ein Büro eröffnet. Anläßlichdieses Ereignisses war der Vorstandschef derDASA in Warschau und sagte, daß Polen auchdurch s<strong>eine</strong> Rüstungskäufe s<strong>eine</strong> europäischeGesinnung beweisen müsse. D.h., die DASAmöchte im Konkurrenzkampf gegen dieamerikanische und israelischeRüstungsindustrie in Polen Fuß fassen. Er hatin Polen drei Projekte vorgeschlagen :• Die DASA würde die polnische MIG29warten und auf NATO-Standard umrüsten.Hierbei spielt Frankreich k<strong>eine</strong> Rolle.• Die Tochter von DASA und AERO-SPATIAL würde für den zu bauendenpolnischen Panzerabwehr-HubschrauberHusar entsprechende Panzerabwehr-Raketenbauen und liefern. Dies wäre <strong>eine</strong> echterüstungspolitische trilaterale Kooperation,denn die polnische Rüstungsindustrie sollmit einbezogen werden.• Die DASA und die europäische Airbus-Gesellschaft möchten die polnische Luftfahrtindustriein gewisse Geschäfte mit einbeziehen.Hier könnte sich auch in <strong>Zukunft</strong><strong>eine</strong> dreiseitige Kooperation ergeben.Darüber hinaus habe ich über <strong>eine</strong> trilateraleKooperation nichts gefunden. M<strong>eine</strong> Schlußfolgerunglautet also, daß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> k<strong>eine</strong> ökonomische Basis hat undspielt daher k<strong>eine</strong> Rolle bei der EU-<strong>Osterweiterung</strong>. Alles andere ist Politiker-Geschwätz, ohne Rücksicht auf die Fakten.Handels- und KapitalverflechtungenIm Jahr 1975 haben die Polen Waren im Wertvon fast US $ 9 Mrd. nach Deutschland exportiert.Damals war Deutschland mit ca. 38 % anden gesamten Ausfuhren des Landes beteiligtund war auch der Wirtschaftspartner Nr.1 für<strong>das</strong> Land. Umgekehrt haben die Polen ausDeutschland Waren im Wert von fast US $ 8Mrd. gekauft. Auch hier war Deutschland mit<strong>das</strong> wichtigste Bezugsland. Damals hatte Polennoch <strong>eine</strong> erheblichenHandelsbilanzüberschuß, was sich inzwischenweitgehend verändert bzw. aus polnischerSicht verschlechtert hat.Heute (1995)erwirtschaftet Deutschland <strong>eine</strong>nHandelsbilanzüberschuß gegenüber Polen vonca. DM 6 Mrd. Polen hat also <strong>eine</strong>n substanziellenBeitrag geleistet zur Sicherung unsererBeschäftigung.Die entsprechenden Daten in der RelationPolen-Frankreich sind eher peanuts. Die polnischenExporte nach Frankreich liegen unterUS $ 1 Mrd., <strong>das</strong> sind weniger als 4 % derGesamtausfuhr. Auf der anderen Seite liegt derfranzösische Anteil bei 5 %, ca. US $ 1,5 Mrd.Die wichtigste Kennziffer in der empirischenWirtschaftsforschung für die internationaleWirtschaftsverflechtung ist die Einheit Exportepro Einwohner. Diesbezüglich exportiert Polennach Deutschland Waren im Wert vonUS $ 229/Ew., nach Frankreich nurUS $ 21/Ew., d.h. die HandelsverflechtungenPolens mit Deutschland sind 10,5 fach größerals wie mit Frankreich. Die deutsche Quotehingegen beträgt US $ 101/Ew. bezüglich derExporte nach Polen, die französische Quoteliegt bei US $ 21/Ew., also auch erheblichniedriger. Die Handelsverflechtungen57


zwischen Deutschland und Frankreich auf der<strong>eine</strong>n Seite und Polen auf der anderen sind sehrasymmetrisch zu gunsten Deutschlands. Polenist für Deutschland inzwischen der wichtigsteHandelspartner geworden in der RegionMittel- und Osteuropa. Umgekehrt istDeutschland der wichtigste Handelspartner fürPolen. Diese Asymmetrie hat natürlich ihrepolitischen Auswirkungen.Eine der bemerkenswertesten Entwicklungenseit der Wende 1989-91 ist die dramatischwachsende Kapitalverflechtung zwischen Westund Ost. Es hat sich so etwas wie ein Nachholbedarfentwickelt. Wenn man sich die Auslandsinvestitionenin Polen der Jahre 1990-97anschaut, betrugen die Bestände fast US $ 18Mrd. Dazu muß gesagt werden, daß es in Polen<strong>eine</strong> staatliche Agentur für Auslandsinvestitionengibt, die solche Projekte nicht mit erfaßt,welche unter <strong>eine</strong>m Einzelwert von US $ 1Mio. liegen. Schätzungen beziffern dieBestände der Auslandsinvestitionen auf einstattliche Zahl von US $ 21 Mrd. Allein imJahre 1997 hatten jene Investitionen <strong>eine</strong>nAnteil an der gesamten Kapitalbildung desLandes von fast 20 %. Dies spielt für <strong>das</strong> wirtschaftlicheWachstum in Polen und somit auchfür <strong>das</strong> Wohlbefinden der Bürger <strong>eine</strong> wichtigeRolle. Das wichtigste Land, welches in Poleninvestiert, sind die USA, gefolgt von Deutschland(12 %) und internationalen Konzernen,wie z.B. der Osteuropa-Bank, an 5. Stellekommt Frankreich (9 %). Es gibt hierbeijedoch von Jahr zu Jahr erhebliche Unterschiede.Von den insgesamt 535 ausländischenInvestoren kommen 124 aus Deutschland undnur 46 aus Frankreich. Die Zahl der investiertenSumme pro Investor beträgt für DeutschlandUS $ 17 Mio. gegenüber Frankreich mitUS $ 35 Mio. Die Deutschen sind an vielenkl<strong>eine</strong>ren Projekten beteiligt.An der gesamten Kapitalausfuhr aus Deutschlandbzw. Frankreich ist Polen jeweils mit1,5 % bedacht. Der wichtigste Unterschied ist,daß Deutschland insgesamt erheblich mehrKapital exportiert als Frankreich, nämlich 2,5mal so viel. Absolut gesehen transportiertDeutschland <strong>das</strong> 3fache an Kapital nach Polenals Frankreich.Was bedeuten nun diese Asymmetrien fürunser Thema ? Man kann vermuten, daß insbesondereauf französischer Seite noch eingroßes Potential liegt oder es verstecken sichhinter diesen wirtschaftlichen Faktoren ganzgroße wirtschaftliche Interessengegensätze. Ichwürde eher <strong>das</strong> letzte behaupten, wobei wirwieder an dem Punkt wären, daß <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> k<strong>eine</strong> erkennbare ökonomische Basishat für <strong>eine</strong> längerfristige ins Gewicht fallendeKooperation zwischen Frankreich undDeutschland in Richtung Mittel- undOsteuropa.Für mich ist die deutsch-französische Freundschaftauf dem Gebiet der politischen Ebeneein Mythos. Es gab immer <strong>eine</strong>n Dissens zwischenParis und Bonn, was früher dieOstpolitik der EG anging und was heute dieEU-<strong>Osterweiterung</strong> angeht. Weil für Bonn derKonsens mit Paris immer wichtiger war, hat esk<strong>eine</strong> Ostpolitik der EG gegeben und wird esauf Jahre hinaus auch k<strong>eine</strong> <strong>Osterweiterung</strong> derEU geben können. Insofern hat es überhauptk<strong>eine</strong>n Sinn zu glauben, daß man da etwasüber <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> machen kann.Vielen Dank.DiskussionEin Kommentar bezüglich des Verkehrs kam von Dr. Vetter, es sei im Interesse vieler, wenn diemitteleuropäische Drehscheibe des Verkehrs als Grundlage für weitere Aktivitäten auch imWirtschaftsbereich schnellstens aktiviert würde. Es wäre denkbar, daß es an den noch mangelhaftenVerkehrsverbindungen liegt, daß nicht schon mehr ökonomische Aktivitäten von West nach Ost undumgekehrt erfolgt sind.Dr. Machowski fügte jedoch an, daß der Widerstand Frankreichs in der Ökonomie begründet sei. DieFranzosen hätten Angst, daß davon nur Deutschland profitiere.Ein Widerspruch kam von Prof. Ménudier bezüglich der Behauptung, daß die deutsch-französischeZusammenarbeit ein Mythos sei, tatsächlich ist sie erlebte Realität in der Politik, der Kultur, der Wirtschaftund zwischen den Menschen, die von <strong>eine</strong>r großen Mehrheit der Franzosen getragen würde.Bezüglich der Ostpolitik hätte Frankreich <strong>eine</strong> Menge voranbringende Taten geleistet und sie nichtetwa blockiert. Frankreich hat ein anderes Interesse als die Deutschen, <strong>das</strong> wäre aufgrund dergeographischen Lage normal. Frankreich hätte nur darauf hingewiesen, daß <strong>eine</strong> zu schnelleErweiterung problematisch sei.58


Was den Mythos angeht, ergänzte Prof. Fritsch-Bournazel, daß es <strong>das</strong> Konzept des doppelten Mythosgäbe. D.h., ein Mythos kann zu Handlungen und Taten Anlaß geben oder er kann ausbremsen, alsoHandlungen verhindern. Mit anderen Worten, belastende Erfahrungen aus der Vergangenheit könnenentweder zur Mauer im Kopf werden oder sie stimulieren uns, Mauern einzureißen. Insofern wäre dieIdee des Mythos eher hilfreich.In <strong>eine</strong>r weiteren Wortmeldung wurde darauf hingewiesen, daß es zwischen Frankreich und Deutschlandmehrerlei Dissenz gäbe, <strong>eine</strong>rseits bezüglich der Konsolidierung, andererseits bezüglich der Erweiterungder EU. Ohne Reformierung der europäischen Institutionen ist <strong>eine</strong> Erweiterung nicht denkbar.Hier läge auch ein spezifisches Aufgabenfeld des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s, Probleme der EU könntenexemplarisch analysiert und langfristig auf vernünftige Lösungen hingeführt werden.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ist für Hr. v. Lingen <strong>eine</strong> strategische Kooperation. Es kann förderlich wirkenauf <strong>eine</strong> Intensivierung und Erweiterung der EU.Isabelle Rivière, Studentin am CERI (Paris), hat <strong>eine</strong> Arbeit verfaßt zu der Frage : Was steht hinterdem Begriff des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s ? Die Konsultationen im Rahmen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s habensich auf verschiedene Ebenen erweitert und sind zum Symbol der Zusammenkunft beider TeileEuropas, zu <strong>eine</strong>m Versöhnungsmodell, geworden. Sehr beachtenswert ist die auswärtigeAusstrahlung des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s. Es könnte <strong>eine</strong> stabilisierende Rolle spielen, z.B. alskonsultatives Gremium.Im Laufe der Diskussion tauchten noch Fragen bezüglich des Vortrags von Dr. Machowski auf. Erergänzt, daß <strong>das</strong> polnische Handelsbilanzdefizit nicht so tragisch sei, da die Kapitalimporte Polens unddie Devisen deutscher Konsumenten dies ausgleichen. Dies ist allerdings auf Dauer k<strong>eine</strong> Lösung.Weiterhin ist er der Meinung, daß Polen viel wichtigere Probleme zu lösen hätte, als sich um dieEURO-Kriterien zu bemühen.Prof. Gruchman ergänzte zum Vortrag von Dr. Machowski, daß bei <strong>eine</strong>r solchen engen Betrachtungder trilateralen Zusammenarbeit tatsächlich nur wenige Beispiele hierfür gefunden werden können.Jedoch sei es viel wichtiger, die makroökonomische Ebene zu betrachten. Die Wirtschaft muß sich erstkennenlernen.59


V. Abschließendes PodiumsgesprächGesprächsleitung :Prof. Henri Ménudier, ParisProf. Dr. Renata Fritsch-Bournazel, ParisProf. Dr. Bohdan Gruchman, PosenDr. Heinrich Machowski, BerlinGesandter Dr. Jerzy Marganski, Warschau/BerlinDas Podiumsgespräch soll geführt werden mit Hinblick auf die Fragen :• Welches sind die Perspektiven für die <strong>Zukunft</strong> des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s in <strong>eine</strong>m sich vereinigendenEuropa ?• Was soll die Substanz der Zusammenarbeit sein und wie schnell soll es voran gehen ?Die erste Stellungnahme wurde erbeten von Prof. Dr. Renata Fritsch-Bournazel :Die Herausforderung besteht darin, daß wir esmit <strong>eine</strong>r Erblast in Deutschland und Europazu tun haben. Der Ansatz, der uns weiterhelfenkann, liegt in der Doppelfunktion des Mythos,d.h., <strong>das</strong>, was wir vorfinden, können wirentweder als Belastung betrachten oder alsHerausforderung annehmen. Es ist von großerWichtigkeit, aus dem ererbten etwas neues zugestalten.Die Verträge, die wirklich <strong>eine</strong> Chance haben,eingehalten zu werden, sind jene Verträgezwischen den Hintergedanken derer, die sieabschließen. Diese Hintergedanken sind nichtwegzureden, die haben wir alle, sonst würdenwir k<strong>eine</strong> Verträge mehr unterschreiben. Dasmüssen wir wissen, damit müssen wir leben,aber daraus sollte man kein Drama machen.Die Motivationen derer, die versuchen, dieseVerträge mit Leben zu erfüllen, sind vielfältig,denn wir sind Menschen mit multiplerIdentität. Das Abstempeln von Menschenaufgrund ihrer Nationalität bringt uns nichtvoran. Wir werden <strong>das</strong> Europa bekommen, <strong>das</strong>wir durch unsere Anstrengungen undBemühungen verdienen. Dafür brauchen wirMenschen guten Willens, welche reichlichvorhanden sind. Es geht hierbei nicht nur umGeld, sondern um Initiativen.Für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> wünsche ich mirOffenheit, d.h., es soll kein <strong>Dreieck</strong> der Ausgrenzungund Beschränkung sein, sondern essoll Impulse nach allen drei Seiten geben.Dankeschön.Als nächster Redner wurde Dr. Jerzy Marganski gebeten, Stellung zu nehmen :Es ist wichtig, die Bedeutung und die <strong>Zukunft</strong>des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s mit den heutigenGegebenheiten zu definieren. D.h., wir müssenuns die Frage beantworten, wozu wirüberhaupt diese Form der Zusammenarbeitbrauchen. Es gab schon mehrere <strong>Dreieck</strong>e,selbst wenn sie nicht als Institutionenfunktionierten,z.B.<strong>das</strong> Deutsch-Französisch-Rumänische <strong>Dreieck</strong>,Deutsch-Französisch-Russisches <strong>Dreieck</strong>, Polnisch-Weißrussisch-Litauisches<strong>Dreieck</strong>. Aberk<strong>eine</strong>s von denen hat <strong>eine</strong> Tradition und Infrastruktur,wie sie beim <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> auftaucht.Hier haben wir es zu tun mit <strong>eine</strong>r fürheutige Verhältnisse relativ langen politischenTradition, die im Jahr 1991 begonnen hat undsich im Laufe der Jahre entwickelte. AmAnfang gab es nur sehr intime Gespräche zwischenden drei Außenministern, heute habenwir u.a. schon den <strong>Weimarer</strong> Gipfel und Treffender Verteidigungsminister. Diese haben dieIdee der Assoziierung unserer Länder mit derWEU hervorgebracht. Wir fragen uns immerwieder, wozu wir diese Zusammenarbeit brauchen.Dieser etwas seltsame Zustand zeigt, daßwir hier <strong>eine</strong> Potenz haben, die wir nutzenkönnen. Es ist sehr wichtig, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> auch in <strong>eine</strong>n weiterenZusammenhang einzubinden, d.h. in die EUund die NATO. Dieses große Projekt sollteverwirklicht werden. Wenn wir <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> ernst nehmen, dann müssen wir s<strong>eine</strong>Entwicklung, s<strong>eine</strong> Rolle in diesemZusammenhang sehen.60


Nach der Erweiterung der EU werden wir esmit <strong>eine</strong>r Situation zu tun haben, die aus verschiedenenGründen für die zentrifugalen Tendenzensensibler sein wird, als es bisher derFall war. Die institutionelle Reform wird zwardurchgeführt, aber nur wenige sind mit denErgebnisse zufrieden. Zur EU kommenLänder, und <strong>das</strong> ist die Eigentümlichkeit dernächsten Erweiterung um die mittel- undosteuropäischen Staaten, die wenig Erfahrungin der europäischen Politik haben, die auch dieMechanismen der EU wenig kennen, die wenigÜbung in der sog. europäischen Solidaritäthaben, also Länder, für die es verhältnismäßigschwierig sein wird in den Kreislauf der EUhineinzukommen.Es wäre sinnvoll, darüber nachzudenken,welche Funktion <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> indiesem Zusammenhang haben kann. Es kanndazu beitragen, daß diese Länder möglichstschnell in den Kreislauf der EU hineinfinden.Dadurch kann die Erweiterung auch harmonischergestaltet werden, was den Zusammenhaltder EU besser gewährleistet. Wenn man diesenStandpunkt teilt, dann ließen sich daraus einigeAufgaben und Tätigkeitsbereiche für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> ableiten.Es wird drei Phasen geben bei der Erweiterungder EU, und zwar vor, während und nach denVerhandlungen. Heute können wir nur spekulieren,ob und welche Rolle <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> nach den Verhandlungen spielen kann.Aber man kann bereits darüber nachdenken,welche Rolle ihm vor und während der Verhandlungenzukommen kann. Ein wichtigerTätigkeitsbereich wäre die dritte Säule desMaastrichter Vertrages. Wir können uns schonGedanken darüber machen, wie operativ dieZusammenarbeit in diesem Bereich zwischenden drei Ländern gestaltet werden kann.Paris-Berlin-Warschau, <strong>das</strong> ist der highwayvon Europa, sowohl für die organisierteKriminalität, als auch für immer engerwerdende Zusammenarbeit in der <strong>Zukunft</strong>. Daskönnen wir schon heute mit relativer Sicherheitsagen. Deshalb ist auch die Zusammenarbeitdieser drei Länder im Bereich der Bekämpfungder organisierten Kriminalität, aber auchbezüglich der Forderung des MaastrichterVertrages über <strong>das</strong> Schengener Abkommenbesonders gefragt.Wenn wir in diesem Bereich engzusammenarbeiten, können wir <strong>das</strong> erreichen,was in der EU schon seit mehreren Jahren alswichtige Aufgabe betrachtet wird, nämlichmehr Unterstützung aus der Bevölkerung fürdie EU-Erweiterung und für die europäischeIdee zu gewinnen.Ein weiterer Aufgabenbereich des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s wäre die gemeinsame Außen- undSicherheitspolitik., denn nach der Erweiterungim geostrategischen und geographischen Sinnewird sich vieles ändern, Akzente werden sichverschieben. Länder wie Polen, Ungarn undandere neue Kandidaten werden deshalb auch<strong>eine</strong> besondere Funktion in bezug auf die östlichenNachbarn zu erfüllen haben, und k<strong>eine</strong>sder bisherigen EU-Mitglieder wird sie in dieserFunktion ersetzen können.In den Fragen der europäischen „Ostpolitik“ ist<strong>eine</strong> besondere Geschlossenheit gefragt, und<strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könnte hier <strong>eine</strong>n wichtigenBeitrag leisten.Vielen Dank.Eine dritte Stellungnahme bezüglich der <strong>Zukunft</strong>saussichten des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s wurde erbetenvon Dr. Heinrich Machowski :Wer ein guter Prophet sein will, muß pessimistischsein. Ich glaube nicht an <strong>eine</strong>europäische Identität. Ich bin Berliner, und ichbin zögerlich zu sagen, daß ich ein Deutscherbin. Ich käme jedoch nie auf die Idee zu sagen,daß ich Europäer sei.Für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> gibt es k<strong>eine</strong> ökonomischeBasis, was die Kooperation zwischendiesen drei Ländern wesentlich behindert. Mankann sich etliche Funktionen vorstellen, die<strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in <strong>Zukunft</strong> habenkönnte. Wenn ich mir vorstelle, wie die EUnach der Einführung des EURO und nach demBeitritt neuer Mitgliedsländer <strong>eine</strong>s Tagesfunktionieren wird, so wird es wahrscheinlich<strong>das</strong> sein, was Fachleute beschreiben als die EUder unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Eswird also unterschiedliche Gruppierungengeben innerhalb der Gemeinschaft, dieunterschiedlich schnell bestimmteVertragsziele erreichen werden. In <strong>eine</strong>rsolchen Gemeinschaft werdenKooperationsvereinbarungen wie <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> wichtige Rolle spielen.Die Voraussetzung für die Funktionsweise<strong>eine</strong>s harten Kerns in der EU, wozu Frankreichund Deutschland zählen, aber sicher nichtPolen, ist immer die, daß die Länder, die nicht61


zum harten Kern gehören, diesen nicht beeinflussendürfen, d.h., von den Entscheidungender Kernländer ausgeschlossen sind. Hierkönnte z.B. <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> dieFunktion des Konfliktmanagements innerhalbder EU spielen.Nur kann es dann ein offenes <strong>Dreieck</strong> sein ?Ein offenes <strong>Dreieck</strong> ist für mich ein logischerWiderspruch, sonst wäre es kein <strong>Dreieck</strong> mehr.Es muß also <strong>eine</strong> gewisse Geschlossenheitaufweisen, sonst hat es nicht viel Sinn. Ich binder Auffassung, daß die CEFTA bestehen bleibensollte, um die Konflikte zwischen den EUundNicht-EU-Mitgliedern zu bewältigen.Dankeschön.Weiterhin wurde Prof. Dr. Bohdan Gruchman gebeten, s<strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong>sperspektiven für <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> zu benennen :Ich möchte ein neues Schlüsselwort bringen,nämlich Synergie. D.h., wenn drei Elementezusammenwirken, werden die Resultate undErfolge viel besser und größer sein, als wennjedes Element all<strong>eine</strong> steht. Synergie ist etwas,<strong>das</strong> auch in der Wirtschaft und der sozialenEntwicklung angewandt werden kann. Ichmöchte diesen Synergieeffekt auf Innovationsprozesseanwenden. Die zukünftige Entwicklungvon Ländern und Regionen wird davonabhängen, ob sie im Wettbewerb innovativsein werden. Hierbei kann die Synergie helfen.Innovation entsteht auf der lokalen Ebene,welche in ein internationales Netz eingeflochtensein sollte, d.h. die lokale und internationaleEbene müssen zusammenarbeiten.Die Zusammenarbeit im <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>sollte nicht nur im politischen Bereicherfolgen, sondern auch auf der regionalen undlokalen Ebene betrieben werden. Neue Aspekteentstehen bei der Zusammenarbeit derverschieden Elemente auf der lokalen,regionalen und international Ebene. Hierfürscheint <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> sehr gutgeeignet, d.h. für <strong>das</strong> Zusammenbringen vonRegionen, Städten und Gemeinden, um sichbesser kennenzulernen, Informationenauszutauschen und Innovationen zu generieren.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ist auch sehr geeignet,um hilfreich und beschleunigend auf den polnischenBeitritt zur EU zu wirken. Polen wirddann Mitglied werden, wenn beide Seiten reifdafür sind. Auf Seiten der EU müßte z.B. dielandwirtschaftliche Politik substantiellgeändert werden, trotz der Proteste vonverschiedenen Kreisen, denn dieses Systemkannten wir während der sozialistischenPlanwirtschaft. Aus der Landwirtschaft wirdnie ein Sektor, der im internationalen Handel<strong>eine</strong> Rolle spielen wird, wenn k<strong>eine</strong>substantielle Änderung diesbezüglich in derEU eintritt.Auch die Strukturpolitik muß substantiell geändertwerden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerungder Union bekommt heute Zuschüsse,weil sie angeblich in <strong>eine</strong>r ärmeren Regionlebt. Mit dem öffentlichen Geld der EU mußgesünder umgegangen werden.Es gibt also auf beiden Seiten noch viel zu tun.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> kann hierbei sehr hilfreichsein.Dankeschön.Es wurde um Kommentare und Diskussionsbeiträge gebeten.Eine kurze Anmerkung kam von Hr. v. Lingen mit der Idee, daß sich <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in dutzendekl<strong>eine</strong>re <strong>Dreieck</strong>e zergliedern könnte und somit bis auf die lokale Ebene wirken würde.Ein weiterer Kommentar bezog sich auf die europäische Identität. Die meisten Menschen wollten sichan <strong>eine</strong>r bestimmten Identität festhalten. Dies sei ein Konflikt, der sicher noch <strong>eine</strong> Weile bestehenbleiben wird.Zum Thema highway Paris-Berlin-Warschau wurde angemerkt, daß dieser Begriff als solcher zu engsei. Es müßten neue Dimensionen gesehen und genutzt werden, beispielsweise <strong>das</strong> System der transeuropäischenNetze. Dort wäre klar definiert, wo die europäischen highways sind, wie z.B. Autobahnen,Schienenverkehr und auch sog. Datenautobahnen.. Es gibt ein Projekt im Rahmen des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s, und zwar die Bahnstrecke Paris-Berlin-Warschau-Minsk-Moskau, worüber seitJahren gesprochen wird. Jedes Land sollte mit eigenen finanziellen Mitteln den Bau realisieren. DieseVerbindung als solche funktioniert noch nicht, da es leider an Geld fehlt. Vielleicht sollte sich die Artund Weise, wie über solche Wirtschaftsprojekte in den Gremien gesprochen wird, ändern, d.h., mansollte die Projekte interessanter machen, um finanzielle Unterstützung dafür zu gewinnen.62


Zusammenfassung der TagungsergebnisseDr. Klaus-Heinrich StandkeEinführungEines der Ziele der Tagung bestand darin, einmöglichst klares Bild über die praktische Umsetzungder Beschlüsse der damaligen AußenministerDeutschlands, Frankreichs undPolens, Hans-Dietrich Genscher, RolandDumas und Krzysztof Skubiszewski, zuvermitteln, die sich am 28. August 1991 inWeimar zusammengefunden haben, um <strong>das</strong> beis<strong>eine</strong>r Gründung als sensationell empfundene<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> aus der Taufe zu heben. Wirsind bei diesem Symposium u.a. der kritischenFrage nachgegangen, inwieweit Beschlüsse aufder Regierungsebene die Gesellschaften in dendrei Ländern unmittelbar berühren bzw.inwieweit der Gedanke <strong>eine</strong>r Zusammenarbeitzwischen den betroffenen Ländern in denBevölkerungen als Chance begriffen und auchgenutzt wird.Ein weiteres Ziel bestand darin, <strong>eine</strong>n Beitragzu leisten, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in der öffentlichenMeinung und in den Medien bekannterzu machen. Es trifft sich in diesem Zusammenhanggut, daß vier Tage vor diesem Symposiumin Potsdam im Industrieclub in Düsseldorfsich ebenfalls zu <strong>eine</strong>r Aussprache über<strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> erstmals die sechsBotschafter der drei beteiligten Länder inParis, Bonn und Warschau mit einigenPublizisten zu <strong>eine</strong>m Podiumsgesprächzusammengefunden haben.Wir haben uns in diesen drei Tagen bemüht,sozusagen durch <strong>eine</strong>n permanenten historischenRückblick (Pierre-Paul Sagave bemühtehierzu Thomas Mann : „ Tief ist der Brunnender Vergangenheit ...“) die Bedeutung derangebahnten Versöhnung durch <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> zu erhellen. Vergleiche zwischen demdeutsch-französischen Elysée-Vertrag von1963 und den deutsch-polnischen Verträgenvon 1991 haben unter verschiedenen Gesichtswinkelnerhellt, inwieweit die ausführlich dargestelltenbilateralen Institutionen durch <strong>eine</strong>bewußtere trilaterale Zusammenarbeit , z.B.innerhalb der Jugendwerke und Städtepartnerschaften,erweitert werden können.Definiert wurde <strong>das</strong> Sonderverhältnis zwischenFrankreich, Deutschland und Polen im Rahmendes <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s von Ingo Kolboom als„ein institutionelles Regelwerk, welches Vertreternder drei Länder erlaubt, sich an <strong>eine</strong>nTisch zu setzen, ohne daß sie in allem <strong>eine</strong>rMeinung sein müssen.“ Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>ist nach Kolboom daher „<strong>eine</strong> politisch-institutionelleRelaisstation, um polnische, französischeund deutsche Interessen auszugleichenund in die neue politische Architektur Europaseinzupassen, denn über die Länderkette Frankreich,Deutschland und Polen wird die neueOst-West-Achse europäischer erweiterterIdentität, Integration und Sicherheit buchstabiert.“Das komplexe Thema der trilateralen Zusammenarbeit,für die es kein Vorbild gibt, wurdewährend unseres Symposiums in vierGesprächsrunden und in <strong>eine</strong>m abschließendenPodiumsgespräch behandelt :• Die politische Dimension• Die bildungs- und gesellschaftspolitischeDimension• Die historisch-politisch und kulturelle Tradition• Die wirtschaftspolitische Dimension• Abschließendes PodiumsgesprächDieser schwerpunktmäßigen Einteilung wirdbei dem folgenden Versuch <strong>eine</strong>r kurzenWürdigung der insgesamt fünf Grußworte und27 Einzelbeiträge in dem „Konferenzmarathon“von rund 20 Vortrags- und Diskussionsstundengefolgt.Die politische DimensionDie Grußworte von Bundesminister a.D. Hans-Dietrich Genscher, von Botschafter FrançoisScheer, von Botschafter Andrezy Byrt und vonStaatsminister Werner Hoyer, sowie die Ansprachender diplomatischen Vertreter der dreiLänder haben bei der Eröffnungssitzung alleerkennen lassen, welche Wichtigkeit sie dem<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> nach wie vor beimessen.So betonten übereinstimmend der stv. Leiterder Außenstelle Berlin und erster Botschaftsratan der Französischen Botschaft Alain Moureauund Botschaftsrat Stanislaw Kramarz, Leiterder Außenstelle Berlin der Botschaft der RepublikPolen, daß durch die Verbindungzwischen dem deutsch-französischen mit demdeutsch-polnischen Versöhnungswerk <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ein einzigartiges Forum63


privilegierter Zusammenarbeit innerhalb desinternationalen Staatensystems darstelle.Der Leiter der Dienststelle Berlin des AuswärtigenAmtes, Gesandter Andreas von Mettenheim,hob hervor, daß mit dem kontinuierlichenTreffen der drei Außenminister, derVerteidigungsminister, der Justizminister undanderer Ressortminister <strong>eine</strong> Plattform für<strong>eine</strong>n fruchtbaren Trialog entstanden sei, umpolitische Absprachen zu vereinbaren und neueFormen der Zusammenarbeit zu definieren.Als Vertreter des Landes Brandenburg betonteJochen Bethkenhagen, Abteilungsleiter fürEuropaangelegenheiten im Ministerium derJustiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten,die traditionelle brandenburgischeBrückenfunktion zur Stärkung auch des östlichenTeils des <strong>Weimarer</strong> Bogens.Wie von Anfang an beabsichtigt, wird <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> auch nach Eröffnung deroffiziellen Beitrittsverhandlungen <strong>eine</strong> entscheidendeRolle zur Heranführung Polens andie EU spielen können. Es bietet <strong>eine</strong> einzigartigeChance, durch gemeinsame Initiativenauch andere beitrittswillige Länder, wie diebaltischen Staaten, auf ihre EU-Mitgliedschaftvorzubereiten und andere Länder, wie dieUkraine und Weißrußland, stärker an die europäischenStrukturen heranzuführen.Auch innerhalb <strong>eine</strong>r erweiterten EU wird dem<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> wichtige Brückenfunktionim Hinblick auf den sicherlich nicht leichten,aber notwendigen, mentalen Anpassungsprozeßzwischen der alten, noch weitgehendvon Westeuropa geprägten und der neuen umdie Länder Mitteleuropas bereicherten EU zufallen.Ebenso kommt der Verbindung von Frankreich,Deutschland und Polen ein hoher Symbolwertfür den weiteren Aufbau Europas zu,wie <strong>das</strong> übereinstimmend StaatspräsidentJacques Chirac, Bundeskanzler Helmut Kohlund Staatspräsident Aleksander Kwasniewskiauf dem ersten trilateralen Gipfeltreffen am21. Februar 1998 in Posen geäußert haben. Sieunterstrichen den gemeinsamen Willen ihrerLänder, entschlossen den europäischenIntegrationsprozeß voranzutreiben.Bei dem vorausgegangenen ähnlichen Treffender sechs Botschafter der drei Länder zumselben Thema in Düsseldorf, sind die Schwierigkeiten,die sich aus der praktischen Umsetzungder Ziele des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s ergeben,aus den offiziellen Verlautbarungen nichtzu erkennen gewesen. Wenn Arnulf Baring inDüsseldorf die Substanz dieses, wie er esnannte „Kindes mit drei Vätern“ anzweifelte,so stellte Ingo Kolboom diese Frage ebenfallsgleich zu Anfang der Veranstaltung in Potsdam.Wichtig ist, daß nach Auffassung derVertreter der drei Länder, der politische Willezur Umsetzung des Geistes von Weimar in dieTat oder in Taten unverändert vorhanden sei.Es fehle allerdings an Geld.Für die drei Ländervertreter ist und wirdWeimar <strong>das</strong> Forum für die privilegierte Zusammenarbeitzwischen den drei Ländern bleiben.Betont wurde indessen, daß der Elysée-Vertrag,der im Europa der Sechs entstanden ist,kein Modell für die deutsch-polnische Aussöhnunginnerhalb des Europas der derzeit 15 EU-Länder sei.Wie Renata Fritsch-Bournazel ausführte, kannsich Frankreichs Einbeziehung in <strong>das</strong> sich neuentwickelnde deutsch-polnische Verhältnis alsmoderierende Kraft zwischen Europas Ostenund Europas Südflanke auswirken. Damit wirddie Gleichgewichtigkeit beider Interessensphärensichtbar und <strong>eine</strong>r befürchteten Ost-West-Arbeitsteilung zwischen Deutschlandund Frankreich entgegengetreten. Auch solleFrankreich, vor allem als Kulturnation über die„Civilisation Française“, <strong>eine</strong> größere Rolleinnerhalb des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s spielen.Der größere Zusammenhang der EU-<strong>Osterweiterung</strong>:Sei die traditionelle Ostpolitik bilateral auf dieHerstellung guter Beziehungen ausgerichtetgewesen, so strebe die mit dem Integrationsprozeßverbundene <strong>Osterweiterung</strong> der EUheute <strong>eine</strong> gesamteuropäische Stabilisierungan. Das Spannungsfeld zwischen Vertiefungund Erweiterung, die Agenda 2000, dieEinführung des EURO, die zunächst einmalEuropa mehr spalten als zusammenführenwird, wurde in vielen Beiträgen - nicht alleinbei der Eröffnungssitzung - hergestellt.Die Sonderrolle der neuen Bundesländer, auchinnerhalb der Umsetzungsbemühungen innerhalbdes <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s, wurde am Beispieldes Landes Brandenburg erläutert. DieChancen, gleichzeitig privilegierte Beziehungenmit dem Partner an der OstgrenzeDeutschlands und an der Westgrenze zu haben,werden zu wenig genutzt.Zur <strong>Zukunft</strong> des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s führteIngo Kolboom aus :• Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> müsse künftigstärker, über die politischen Eliten hinaus,64


in den Zivilgesellschaften der drei Länderverankert werden.• Es sollte regionale Substrukturen erhalten,insbesondere für die neuen Bundesländer.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> könne im Zuge der<strong>Osterweiterung</strong> s<strong>eine</strong> Labor- und Wächterfunktionausbauen.• Nach erfolgter <strong>Osterweiterung</strong> könne <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> <strong>eine</strong> neue Funktion als -wie er es nannte - „Ost-West-Dreitaktmotor“übernehmen.Offen blieb, ob <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ein r<strong>eine</strong>sKoordinationsforum der drei beteiligtenRegierungen zu ausgewählten Themen seinsoll oder ob es mit <strong>eine</strong>r Agenda ausgestattetwerden soll, an Hand derer gemeinsam definierteZiele in <strong>eine</strong>m überschaubaren Zeitrahmenzu erreichen wären.Alexander v. Lingen hat mit s<strong>eine</strong>m Beitragvon s<strong>eine</strong>m Standort im Europäischen Parlamentebenfalls die politische Dimension des<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s innerhalb der EU-<strong>Osterweiterung</strong>beleuchtet.Die bildungs- und gesellschaftspolitischeDimensionAm Beispiel der Europa-Universität Viadrinain Frankfurt/Oder zeigten Karl-Josef Schmükkerund Alfred Kötzle und am Beispiel desWieland-Instituts bei Weimar zeigte WernerSittig, wie schwierig die Einführung der„dritten Dimension“, sozusagen des „drittenSchenkels“, in die vornehmlich mit bilateralenSchwerpunkten versehene internationalebildungs- und gesellschaftspolitische Zusammenarbeitin der praktischen Umsetzung ist.Das Interesse der derzeit 1.662 deutschen Studentenan der Viadrina ist - wie <strong>das</strong> ihrerderzeit 1.060 polnischen Kommilitonen - vorallem westorientiert.Die Chance, die im Rahmen des deutschfranzösischenFreundschaftsvertrages konzipiertedeutsch-französische Universität, die auffranzösischen Wunsch vorzugsweise in <strong>eine</strong>mder neuen Bundesländer anzusiedeln sei, mitder Viadrina zu <strong>eine</strong>r deutsch-französischpolnischenUniversität zu verbinden, ist nichtgenutzt worden. Die neue Einrichtung soll nunwohl ihren Sitz in Saarbrücken nehmen. Ander Viadrina selbst seien als Teil der derzeitlediglich 1,13 % Studenten aus EU-Ländernnur sehr wenige französische Studentenimmatrikuliert und dies meist nicht für dieDauer <strong>eine</strong>s ganzen Studiums.Bedauert wurde ferner, daß der symbolträchtigePlan - von den drei Außenministern imJahre 1993 bereits gebilligt - die in Warschaubereits ansässigen bilateralen deutschen undfranzösischen Kulturinstitute zusammen mitdem Europa-Institut der Universität Warschauunter <strong>eine</strong>m gemeinsamen Dach unterzubringen,bisher nicht realisiert worden ist.Demgegenüber ist positiv zu vermerken, daßein trinationales Graduiertenkolleg zu Fragender Transformation in Mittel- und Osteuropaund der europäischen Integration offiziell beider 7. Außenministerkonferenz des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s im November 1997 in Frankfurt/Oderkonzipiert worden ist.Die mangelnden polnischen Sprachkenntnissebei Deutschen und Franzosen und die viel zugeringe Polenforschung in Deutschland undFrankreich stehen in <strong>eine</strong>m krassen Mißverhältniszur Deutschlandforschung inFrankreich und zur Frankreichforschung inDeutschland. Das „Polenbild“ ist daher bei denbeiden westlichen Partnern Polens im<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in gefährlicher Weiseunterentwickelt.Die historisch-politisch und kulturelleTraditionNach <strong>eine</strong>r feminisierenden Personifizierungdes <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s in Form der dreiDamen Germania, Marianne und Jadwigadurch Christine de Lailhacar-Rywkin stellteHenri Ménudier <strong>eine</strong> Katalogisierung der verschiedenenbilateralen französisch-polnischenund deutsch-polnischen Aktivitäten dar, die dieSchwierigkeiten des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>-Konzeptsbeinhalten, wenn sie sich rein auf <strong>eine</strong>Addition der bilateralen Aktivitäten der dreiLänder beschränken würden.Er zeigte auf, daß die deutsch-französischenBeziehungen sich in 35 Jahren Elysée-Vertragintensiv entwickelt haben und daß auch dieBeziehungen zwischen Deutschland und Polensich vor allem wirtschaftlich wesentlich intensiverentwickelt hätten als die französischpolnischenBeziehungen. Bezogen auf <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> - aber auch auf <strong>das</strong>deutsch-französische Verhältnis - sahMénudier die Gefahr <strong>eine</strong>r allmählichen„Banalisierung“ dieser Beziehungen und stelltedie rhetorische Frage, wer sich noch wirklichfür diese Themen interessiere. DieGlobalisierung und die Europäisierung lassendie Zwischentöne <strong>eine</strong>r privilegierten Zweieroder,wie im Falle von Weimar, <strong>eine</strong>rDreierbeziehung befreundeter Staaten nicht65


mehr deutlich wahrnehmen : „Wir müssenArgumente finden, warum diese Zusammenarbeit<strong>eine</strong> so große Bedeutung hat.“Die Gefahr besteht in s<strong>eine</strong>n Augen darin, daßdie eigentlichen Probleme der Bevölkerung -und damit auch der verantwortlichen Regierungen- wie Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgrenzung,Angst vor Überfremdung des Arbeitsmarktes,illegale Einwanderung, durch Integrationsmechanismenwie die der EU oder auchdurch neue Kooperationsformen wie <strong>das</strong><strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> der breiten Öffentlichkeitnicht als adäquate Lösungsformen ersch<strong>eine</strong>n.In den Augen mancher - verstärkt von denMedien - wird „Europa“ nun zum Sündenbockaller Probleme. In dieser Situation wird dieGefahr der Explosion von Nationalismeninnerhalb <strong>eine</strong>r „Stimmungsdemokratie“immer bedrohlicher. Hierin besteht die neueHerausforderung und vielleicht die eigentlicheChance für die drei innerhalb des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s zusammengeführten Länder, in derkünftig erweiterten EU, neue Denkanstöße zurLösung der Probleme in West- und Osteuropazu erarbeiten.Zur historischen Entwicklung, zu den kulturellenGemeinsamkeiten und Verschiedenheiten,zur Problematik der „doppelten Kulturen“ undden Auswirkungen der Grenzverschiebungenhaben sich Pierre-Paul Sagave, Idis Hartmannsowie Ortwin Lowack ausführlich geäußert. Imeinzelnen ging es hier um die geschichtlichedynastische Verflechtung der drei Länder, um<strong>das</strong> ewige „Hin und Her“ über dieJahrhunderte hinweg, die unterschiedlichenEntwicklungen und Gemeinsamkeiten bei denFolgen der Grenzverschiebungen am Beispielvon Elsaß-Lothringen und von Schlesien. Ins<strong>eine</strong>m Eröffnungsbeitrag hatte JochenBethkenhagen am Beispiel Brandenburgsbereits darauf hingewiesen, daß dieGrenzanrainer in Deutschland und Polen k<strong>eine</strong>gemeinsame Geschichte verbinden würde : „InWestpolen leben heute Menschen, die selbstoder deren Eltern nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs aus dem ehemaligen Ostpolenvertrieben wurden. Deshalb ist hier auch dieSprachgrenze gravierender.“ Die von OrtwinLowack dargestellte SonderproblematikSchlesiens hat tiefe emotionale Verwundungenhinterlassen. Eine Überwindung diesesProblems erscheint inzwischen möglich durchdie Anwendung der Römischen Verträge, dieu.a. Freizügigkeit der Arbeitnehmerunabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, denfreien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrzwischen den EU-Mitgliedsländern, <strong>das</strong> freieNiederlassungsrecht für Unternehmen, denErwerb und die Nutzung von Grundbesitz imHoheitsgebiet <strong>eine</strong>s Mitgliedsstaats durchAngehörige <strong>eine</strong>s anderen Mitgliedsstaatsu.a.m. zwingend vorsehen.Vor dem Hintergrund der Erfahrungen Berlinsmit 15 Städtepartnerschaften in aller Welt sehrunterschiedlicher Qualität und vor dem Hintergrunds<strong>eine</strong>r persönlichen Erfahrungen alsKoordinator der Städtepartnerschaft Berlin-Paris, hat Winfried Engler hervorgehoben, daßdie Möglichkeit <strong>eine</strong>r trilateralen Partnerschaftzwischen Paris-Berlin-Warschau bisher nichtwahrgenommen wurde, aber als Potentialdurchaus besteht. Als wesentliches Hindernisfür <strong>eine</strong> Vertiefung der bestehenden Zusammenarbeitbzw. für <strong>eine</strong> Weiterentwicklung zuneuen denkbaren auch trilateralen Kooperationsformenwies er auf die außerordentlichknapp bemessenen finanziellen Mittel hin.Die wirtschaftspolitische DimensionEine spezifische Rolle für die Wirtschaft istvon Heinrich Machowski nicht identifiziertworden (mit der Ausnahme des Beispiels <strong>eine</strong>rrelativ unbedeutenden trilateralen Bankenniederlassungund <strong>eine</strong>r Rüstungszusammenarbeit).Er wies auf die immer noch sehrerheblichen Unterschiede zwischen dem Pro-Kopf-Volumen der Exporte zwischen Frankreichund Deutschland <strong>eine</strong>rseits und Polenandererseits hin. Die Kapitalverflechtungzwischen Polen und s<strong>eine</strong>n westlichen Nachbarnandererseits ist seit der Wende dramatischgestiegen. Andererseits stünden dieerheblichen wirtschaftlichen Gegensätzezwischen Frankreich und Deutschland <strong>eine</strong>mgemeinsamen größeren Engagement in Polenentgegen.Bohdan Gruchman setzte demgegenüber aufdie Synergieeffekte der beteiligten Volkswirtschaften,die auch die erforderlichen Innovationsprozesseunterstützen könnten. Am polnischenAußenhandel seien die beidenwestlichen Partnerländer sehr ungleichbeteiligt : Deutsch-land mit rund 50 % undFrankreich mit etwa8-10 %.FazitAls sehr persönliches Fazit diese Symposiumsauf unserem gemeinsamen Highway forEurope, wie der Gesandte der Republik PolenJerzy Marganski <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>66


nannte, möchte ich folgende für mich wichtige 10 Punkte hervorheben :1. Die einzelnen Hauptkomponenten des Programmsund Frankreich im Lauf der Jahrzehnte einsind sehr unterschiedlich enges Verhältnis entwickelt hätten, daßgewichtet worden. Die politischen Deutschland und Polen ebenfalls <strong>eine</strong> engePerspektiven sowie die historischpolitischeBeziehung entwickeln konnten (Geremek :und kulturelle Tradition wurdenam ausführlichsten behandelt. Innerhalb„Eine Jahrhundertleistung.“), daß aber dietraditionell emotionell engen Beziehungendieses Programmblocks gaben die zwischen Frankreich und Polen „auf allenKonsequenzen der regionalen Gebieten noch sehr entwicklungsfähigGrenzverschiebungen Anlaß für die seien“.meisten Emotionen. Die Bildungs- und 6. Im „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“kann <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong>gesellschaftspolitische Dimension wieauch die wirtschaftspolitische Dimension <strong>Dreieck</strong> insbesondere auf dem Gebiet deserhielten demgegenüber <strong>eine</strong>n geringeren Konfliktmanagements <strong>eine</strong> wichtige RolleStellenwert.spielen.2. Unabhängig voneinander machten sowohl 7. Wenn <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> mehr seinAlexander v. Lingen wie auch Jerzy Marganskidie wichtige Unterscheidung der onsmechanismus für Verhandlungen aufsoll, mehr werden soll, als ein Koordinati-Entwicklung des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s währenddreier strategischer Phasen :Transparenz, mehr Bürgernähe und wohldiplomatischer Ebene, braucht es mehr• Die Zeit von der Gründung des auch mehr Diskussionsforen wie dieses<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s im Jahre 1991 bis hier in der Villa Kampffmeyer, bei demzum Beginn der BeitrittsverhandlungenPolens zur EU im Jahre 1998 ;Vertreter der Wirtschaft und andererDiplomaten, Politiker, Wissenschaftler,• Die Zeit während der Beitrittsverhandlungen;gesellschaftlicher Gruppierungen aus dendrei Ländern in <strong>eine</strong>n direkten Gedankenaustausch• Die Zeit nach dem erfolgten EU-BeitrittPolens.treten können.8. Die Veranstaltung hat gezeigt, daß es <strong>eine</strong>3. Die Vertreter der beteiligten drei Länderhaben wiederholt betont, daß auf allenSeiten nicht nur viel guter Wille vorhandensei, <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> mit Leben zuerfüllen, sondern auch weiterhin der klarepolitische Wille artikuliert wird, um diesUnzahl von Einzelbeispielen für deutschfranzösischeund französisch-deutsche Zusammenarbeitgibt, daß es inzwischenbereits zahlreiche Einzelbeispiele für <strong>eine</strong>deutsch-polnische Zusammenarbeit gibtund immer noch relativ wenige Einzelbeispielezu bewirken. Als hinderlich wurde<strong>eine</strong>r französisch-polnischen Zu-erwähnt, daß für die Umsetzung diesesWillens kein eigenes Budget vorhanden seisammenarbeit. Wichtiger als diese im Flußbefindlichen bilateralen Entwicklungen istund auch kein durchformuliertes aber die Aussage, daß die Addition allerstrategisches Konzept entwickelt wordenist.4. Eine Art von „roter Faden“ durchzog alleTeile des Programms, nämlich der Wunschzur größeren Beteiligung der Zivilgesellschaftund zur besseren Information derMedien. Die rhetorische Frage, ob diesEinzelbeispiele für die bilaterale Zusammenarbeitzwischen den drei Ländern nochlange kein <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> ausmachen.9. Sowohl <strong>das</strong> Komitee zur Förderung desDeutsch-Französischen Freundschaftsvertrageswie auch die Internationale AkademieSchloß Baruth werden nach dieser gemeinsamen<strong>eine</strong> Bringschuld oder <strong>eine</strong> Holschuld derVeranstaltung, für derenbeteiligten Regierungen sei, blieb Zustandekommen sie der Bundeszentraleunbeantwortet „im Raum stehen“.für politische Bildung danken, <strong>das</strong>5. Klar zum Ausdruck kam auch der Wunschnach „Ebenbürtigkeit“ der im <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> zusammengeschlossenen Partner,sozusagen nach gleicher „Schenkellänge“des <strong>Dreieck</strong>s. Dem steht offenbar in der<strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> als permanenten Teil inihr Arbeitsprogramm aufnehmen und hoffenauf viele ähnlich gesonnene Partner.10. Ein ganz besonderer Dank der drei andiesem Symposium beteiligten PartnerPraxis entgegen, daß zwar Deutschland geht an den Hausherrn der Villa67


Kampffmeyer, Herrn Klaus Groth, dergroßzügigerweise allen Teilnehmern diesschöne Gebäude an der symbolträchtigenGlienicker Brücke zur Verfügung gestellthat. Der glanzvolle Rahmen und <strong>das</strong>ungewöhnliche Ambiente dieses Hauseshaben wesentlich zum Erfolg dieserKonferenz mit drei Partnerländernbeigetragen.EmpfehlungenDr. Hans-Heinz Krill de Capello und Dr. Klaus-Heinrich StandkeAus den Vorträgen und Diskussionsbeiträgen der Konferenz lassen sich zur Vertiefung des einzigartigenBeziehungsgeflechts im Rahmen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s folgende Empfehlungen ableiten :1. Zur Förderung der gesellschaftspolitischen Zusammenarbeit könnten auf trilateraler Basis informelleArbeitsgruppen innerhalb des Europäischen Parlaments sowie zwischen den Parlamentender drei Länder geschaffen werden, um neue Denkanstöße zu bewirken.2. Das Deutsch-Französische Jugendwerk und <strong>das</strong> Deutsch-Polnische Jugendwerk könnten in vermehrtemMaße Begegnungen junger Menschen aus den drei Ländern fördern. Das gleiche gilt fürtrilaterale Schulpartnerschaften.3. Die Pflege der polnischen, deutschen und französischen Sprache ist <strong>eine</strong> wichtige Voraussetzung,um <strong>das</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> über die Eliten hinaus in den Bevölkerungen zu verankern und lebendigwerden zu lassen.4. Trilaterale Städtepartnerschaften und Regionalpartnerschaften können die Begegnung der Bürgeraus den drei Ländern fördern und entscheidend zum Verständnis der jeweiligen Kulturenbeitragen. Die Partnerschaften Berlin-Paris und Berlin-Warschau sollten trilateral ausgebautwerden.5. Partnerschaften zwischen deutschen, polnischen und französischen Universitäten können den trilateralenakademischen Austausch fördern. Lehr- und Forschungsangebote zum gemeinsam erlebtenTransformationsprozeß Europas in Politik, Kultur und Wirtschaft sollten auch dazu beitragen, inErgänzung zu der gut organisierten Deutschland-Frankreichforschung <strong>das</strong> Interesse an <strong>eine</strong>r systematischenPolenforschung zu erhöhen.6. Ausstellungen, wie z.B. über die allen drei Ländern gemeinsame Epoche der Romantik, solltendazu dienen, kulturelle Verbindungen wieder stärker ins Bewußtsein zu rücken. Die im Vorjahr inParis gegründete Vereinigung zur Förderung des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s (Association Pour LeTriangle De Weimar) könnte hierzu <strong>eine</strong>n wesentlichen Beitrag leisten.7. Auf der wirtschaftlichen Seite könnte ein Erfahrungsaustausch zu gemeinsam interessierendenFragen, wie z.B. die in den drei Ländern unterschiedlichen Wege zur Privatisierung staatlicherUnternehmen, von Nutzen sein. Ähnliches ist zu sagen über die Schaffung kl<strong>eine</strong>r undmittelständischer Unternehmensstrukturen.8. Die im Rahmen der EU-Zusammenarbeit geschaffenen Mechanismen zur Zusammenarbeit inForschung und technologischer Entwicklung (Framework, EUREKA etc.) könnten <strong>eine</strong> engereKooperation zwischen den drei Ländern begünstigen. Dasselbe ist zu sagen bei <strong>eine</strong>rerforderlichen Zusammenarbeit zur Realisierung der sog. Transeuropäischen Netze, bei denenbeispielsweise <strong>eine</strong> Hochgeschwindigkeitsverbindung für Züge zwischen Paris-Berlin-Warschaumit Weiterführung nach Minsk und Moskau geschaffen werden soll.68

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!