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Laudatio von Herrn Ruprecht Polenz MdB ... - Weimarer Dreieck

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Ansprachedes Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschussesdes Deutschen Bundestages, <strong>Ruprecht</strong> <strong>Polenz</strong>, <strong>MdB</strong>,anlässlich der Verleihung des Adam Mickiewicz Preises 2008am 29. August 2008 in WeimarSehr verehrte Preisträger,Exzellenz,sehr geehrte Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Polens,sehr geehrter Herr Minister,Herr Oberbürgermeister Wolf,lieber Herr Prof. Standke,sehr geehrte Damen und Herren!Es ist mir eine große Freude, heute in Weimar zu Gast zu sein und anlässlich derVerleihung des Adam-Mickiewicz-Preises 2008 gleich drei außergewöhnlichePreisträger ehren zu können.Die Verbindung einer Auszeichnung zur deutsch-französisch-polnischenZusammenarbeit in Europa mit dem Namen des großen Nationaldichters Polens,Adam Mickiewicz, ist wohlüberlegt.Denn der herausragende Lyriker, politische Philosoph und glühende Patriot warnicht nur bereits zu Lebzeiten eine Symbolfigur des polnischenFreiheitskampfes – er war zugleich ein Vordenker eines geeinten Europas derselbstbestimmten Völker und Bürger.1


Hineingeboren in die dritte Teilung Polens, aufgewachsen in Litauen,beheimatet in den europäischen Kultur- und Künstlerzirkeln der Aufklärung,lebte er wie viele seiner Landsleute in der „großen Emigration“ in Paris. Hierschlug er am renommierten Collège de France Brücken zwischen denwestlichen Intellektuellen und der polnischen, tschechischen, russischen undserbischen Literatur.Hier in Weimar traf er 1829 erstmals mit Goethe zusammen, in Berlin hörte erVorlesungen <strong>von</strong> Hegel, in Dresden entstand 1832 ein Teil seines berühmtenWerkes „Die Ahnenfeier“.Viel zu oft gerät heute angesichts der tagesaktuellen politischen Diskussionenum die Erweiterung und Vertiefung Europas, den globalen Wettbewerb und dengemeinsamen Binnenmarkt das Europa des Geistes aus dem Blick. Es ist diesesEuropa des Geistes und es sind die dauerhaften europäischen Bindungen imDenken, in der Wissenschaft und der Kunst, die die eigentliche Basis unseresgemeinsamen Werte- und Kulturraums bilden und ihn zu einem tiefverwurzeltenWerk unzähliger Generationen machen.Auch die heutigen drei Preisträger haben mit ihrer Arbeit den gemeinsamenWerte- und Kulturraum Europa getragen, geformt und befördert.Sie haben sich - ausgehend <strong>von</strong> drei europäischen Ländern - aufunterschiedlichen Gebieten mit sehr unterschiedlichen Biografien einesgemeinsamen Ziels angenommen: Das europäische Friedens- undAussöhnungswerk zu vertiefen, zu untermauern und in die Lebenswirklichkeit<strong>von</strong> heute fast 500 Mio. Europäern zu übertragen.Der große Erfolg der heutigen Europäischen Union eröffnet jungen Polen,Franzosen und Deutschen ganz selbstverständlich faszinierende Möglichkeiten.2


Als sich Goethe im Jahr 1786 in Rom nieder ließ, tat er dies als Ausländer nacheiner langwierigen und unbequemen Reise <strong>von</strong> zwei Monaten, als „Fremder“,der den Umgang mit den Römern zunächst beschwerlich und kostspielig fand.Heute studieren junge Europäer aus Dresden, Danzig oder Bordeaux mitgroßer Leichtigkeit in Schweden, sammeln Berufsqualifikationen in Spanien,gründen Start-ups in Irland und wählen dort als Unionsbürger Gemeinderäteund Bürgermeister mit.Diese Freiheiten einer neuen Generation <strong>von</strong> Europäern sind keineZufälligkeiten. Sie sind das Ergebnis einer gemeinsamen europäischen Leistung,die ohne den Einsatz und das persönliche Engagement <strong>von</strong> Menschen wie denheutigen drei Preisträgern undenkbar gewesen wäre.Sehr geehrter Herr Prof. Bartoszewski, es ist mir eine Ehre und große Freude,mit Ihnen beginnen zu dürfen:Historiker, Publizist, Politiker, Zeitzeuge, Widerstandskämpfer, KZ-Häftling, Verfolgter der Stalinistischen Diktatur, Vorstandssekretär despolnischen PEN-Clubs, Botschafter, zweimal Außenminister Polens,Senator, jetzt Staatsminister in der Regierung Tusk, Träger unzähligerAuszeichnungen –fast scheint diese Fülle an Lebensleistungen zuviel für nur eine Biographie zusein. Für einen Laudator, sehr verehrter Herr Bartoszewski, ist sie einebesondere Herausforderung.Geboren 1922 in Warschau – drei Jahre nach der Neugründung des polnischenStaates - verlebten Sie als „Kind einer freien Republik“ eine glückliche Jugend,der einzig normale Teil Ihres bewegten Lebens, wie Sie selbst einmal sagten.3


Im Mai 1939 macht Wladislaw Bartoszewski sein Abitur, hat Träume,schmiedet Zukunftspläne. Im September 1939 werden die Aussichten auf einnormales Leben jäh zerschlagen. Krieg, deutsche Besatzung, das TodeslagerAuschwitz-Birkenau – dass er entkommt, gleicht einem Wunder.Es bedeutet für ihn Verpflichtung, den Mut nicht aufzugeben, Hoffnung zufinden im Glauben und in sich selbst.Es gibt ihm die Kraft zum Widerstand, zur Teilnahme am WarschauerAufstand 1944, zur unermüdlichen Hilfe für jüdische Verfolgte, dann zumAusharren in stalinistischer Gefangenschaft und zur jahrzehntelangenOpposition gegen den Kommunismus.Es gibt ihm Kraft zum unbeugsamen Angehen gegen Antisemitismus - seineerste vielzitierte Auslandsreise unternimmt er nach Israel, um einen Baum beiYad Washem zu pflanzen -, zum Eintreten für Völkerverständigung undDialog, zum unerbittlichen Kampf für Freiheit und Demokratie.Es gibt ihm Kraft für die Arbeit an der „Fliegenden Universität“, dem „Komiteezur Verteidigung weltanschaulich Verfolgter“ und später der ersten organisiertenoppositionellen Gewerkschaftsbewegung in Osteuropa „Solidarnosc“, die denZerfall des Ostblocks einleitet und Europa unumkehrbar verändert.Gerade wir Deutschen, Herr Prof. Bartoszewski, wissen, was wir dem mutigenFreiheitskampf der Männer und Frauen der Solidarnosc verdanken.1989 dann die selbst errungene Freiheit. Für Sie als polnischer Außenministerdieser Zeit, Senator, Politiker geht es jetzt vor allem um die politische und4


mentale Verankerung Polens in den euro-atlantischen Strukturen. Und dieAufgabe der Aussöhnung bleibt einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte.Woher nimmt ein Mensch die Kraft, an unbeschreiblichen Verbrechen gegen dieMenschlichkeit, Vernichtung und unermesslichem Leid nicht zu zerbrechen,sondern den Teufelskreis <strong>von</strong> Gewalt, Hass und Rache zu durchbrechen,Andersdenkenden mit Offenheit zu begegnen, Brückenbauer undGrundsteinleger für Vertrauen und Freundschaft zu werden?Nicht ohne Grund haben die Werke <strong>von</strong> Prof. Bartoszewski Titel wie „Herbstder Hoffnung. Es lohnt sich, anständig zu sein“ und „Reiß uns den Hass ausder Seele“. Für seine Publikationen, seinen Einsatz für Gerechtigkeit undWahrheit, sein politisches Engagement wurde er schon Träger unzähligerAuszeichnungen. Sie haben ihn nicht verändert – er ist immer noch der Mensch,der der streitigen Diskussion nicht aus dem Weg geht, temperamentvoll,eigenwillig, mit Kraft, Witz und Mut.Die Hoffnung hat ihn nie verlassen. Nicht nur der junge Bartoszewski hatteTräume. Mit 61 Jahren äußert er in „Herbst der Hoffnung“:„Ich träume <strong>von</strong> Nachbarn, zu denen ich einen Zugang habe…ich möchte sehenund erleben, dass für einen jungen Deutschen ein Pole eben ein Pole ist, einSportler, Schauspieler oder wer auch immer….Dass das eine ganz alltäglicheSache wird. Denn dem, der sagt, das sei noch ein Traum, dem sage ich: Es istein Traum in die Zukunft hinein.“Sie, sehr verehrter Herr Bartoszewski, haben diesen Traum nicht nur in dieZukunft hinein geträumt. Sie haben ihn getragen und verwirklicht.5


Sie waren Forscher, Aufklärer, Brückenbauer, Dialogpartner und Freund. Dafürgilt Ihnen unser größter Dank.In Ihrer vielbeachteten Rede vor dem Deutschen Bundestag, am 28. April 1995zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges und dernationalsozialistischen Gewaltherrschaft, haben Sie uns gesagt:„Der Begriff Europa lässt sich meiner Meinung nach nicht auf den reingeographischen Terminus verengen. In der Geschichte der Völker und Staatendieses Kontinents hat dieser Begriff eine zivilisatorische Bedeutungangenommen. Er wurde zu einem kollektiven Symbol <strong>von</strong> fundamentalen Wertenund Prinzipien. Europa, das bedeutet vor allem die Freiheit der Person, dieMenschenrechte -- politische und ökonomische. Das ist eine demokratische und<strong>von</strong> Bürgern getragene Ordnung. Das ist der Rechtsstaat. Das ist die effektiveWirtschaft, die sich auf individuelles Unternehmertum und Initiative stützt.Gleichzeitig ist es die Reflexion über das Schicksal der Menschen und diemoralische Ordnung, die den jüdisch-christlichen Traditionen und derunvergänglichen Schönheit der Kultur entspringt.“Ich erlaube mir darum abschließend, ein Versäumnis des deutschenNobelpreisträgers Heinrich Böll in seinem vielzitierten Rundfunkfeuilleton ausdem Jahr 1983 zu korrigieren, in dem er Sie einen leidenschaftlichenKatholiken, einen leidenschaftlichen Polen und einen leidenschaftlichenHumanisten genannt hat. Er hat versäumt zu erwähnen, dass Sie, Herrr Prof.Bartoszewski, auch ein besonders leidenschaftlicher Europäer sind.Meine sehr geehrten Damen und Herren,6


das Stichwort „Leidenschaft Europa“ leitet nahtlos auch zum zweiten Preisträgerüber: <strong>Herrn</strong> Professor Rudolf <strong>von</strong> Thadden, dem „Gralshüter des <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong>s“ wie er schon genannt worden ist.Geboren 1932 in Trieglaff in Ostpommern, ging auch an Ihnen und IhrerFamilie, Herr Prof. <strong>von</strong> Thadden, der leidvolle Teil der Geschichte des 20.Jahrhunderts nicht vorbei.Dem zwangsweisen Abschied aus der Heimat folgte eine Schulzeit in derSchweiz sowie Geschichts-, Theologie und Romanistikstudien in Tübingen,Paris und Göttingen. Schon sehr früh in der beginnenden NachkriegsgeschichteEuropas haben Sie damit Ihr Augenmerk auf die Erkundung der spezifischenSichtweisen, Erinnerungen und Erfahrungen der europäischen Nachbarngerichtet. Ganz besonders haben Sie sich um das Verständnis des historischenBewusstseins der jeweils anderen Seite bemüht. Ohne dieses Verständnis istkein Brückenbau zwischen Menschen, Völkern und Gesellschaften jemalstragfähig.Es ist unser großes Glück, dass aus diesem festen Erkundungswillen einlangjähriges und erfolgreiches Engagement für die deutsch-französische unddeutsch-polnische Aussöhnung geworden ist.Die einzelnen Stationen Ihres Wirkens sind zahlreich: 1969 erfolgte Ihr Ruf anden Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte an der Georg-August-Universität in Göttingen, 1974 wurden Sie dort zudem Rektor, 1983 dannGastprofessor und später Lehrstuhlinhaber an der Ecole des Hautes Etudes enSciences Sociales in Paris.Seit 1984 sind Sie Mitglied des Präsidiums des Deutschen EvangelischenKirchentages, <strong>von</strong> 1985 bis 1994 waren Sie Präsident des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.7


Mit dem historischen Umbruch in Europa wurden Sie 1991 Mitglied desGründungssenats der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an derOder und Gründungsdekan der dortigen kulturwissenschaftlichen Fakultät.Ihr Einsatz für den Aufbau einer europäischen Universität an der deutschpolnischenGrenze - und damit im Herzen Europas – knüpft nicht nur an dieAnfänge Ihrer persönlichen Biographie an. Mit Ihrem großen Wissen um diemenschliche und zwischenmenschliche Dimension der europäischen Geschichte,Gegenwart und Zukunft haben Sie die neue Europauniversität entscheidendmitgeprägt.Gemeinsam mit Brigitte Sauzay gründete Prof. <strong>von</strong> Thadden zudem im Jahr1993 das „Berlin-Brandenburgische Institut für Deutsch-FranzösischeZusammenarbeit in Europa“, das heute unter dem Namen „StiftungGenshagen“ bekannt ist.Nicht nur Franzosen und Deutsche arbeiten hier gemeinsam an Projekten zumeuropäischen Einigungsprozess, sondern auch eine stetig steigende Zahl <strong>von</strong>Forschungspartnern aus Polen und den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas.Zahllose politisch engagierte junge Menschen haben so ein dauerhaftesNetzwerk zwischen Deutschland, Frankreich und Polen entstehen lassen.Gerade Ihnen, Herr Prof. <strong>von</strong> Thadden, war die polnische Beteiligung an denAktivitäten in Genshagen immer ein Herzensanliegen. Der Erfolg der Stiftung,ihrer Projekte und Publikationen, die den ursprünglich deutsch-französischenHorizont schon lange hinter sich gelassen haben, ist eine kontinuierlicheBestätigung.Von 1999 bis 2003 war Prof. <strong>von</strong> Thadden Koordinator für die deutschfranzösischenBeziehungen. In seine Wirkungszeit als Regierungsberater fieldamit auch die Vorbereitung des 40. Jahrestages des „Elyseé-Vertrages“ am22. Januar 2003. Sie haben einmal gesagt, Herr Prof. <strong>von</strong> Thadden, dass Sie8


eides in sich haben: die Wissenschaft und die Politik. Es ist sicher nichtübertrieben zu sagen, dass die Feierlichkeiten zu diesem Jubiläum über dieGrenzen unserer beiden Ländern hinaus wahrgenommen worden sind und aufsehr eindrucksvolle Weise gleich zwei Dinge dokumentiert haben: dieErfolgsgeschichte der deutsch-französischen Aussöhnung im Kontext dereuropäischen Einigung und die große Chance unserer Länder, an der Entstehungund Verfestigung eines neuen Wirklichkeitsbewusstseins in Europamitzuarbeiten.Das deutsch-französische Jugendwerk mit der Teilnahme <strong>von</strong> rund 8 Mio.Jugendlichen an fast 300.000 Treffen, mehr als 2200 Städte- und 4000Schulpartnerschaften ist ein schöner Beweis dafür, wie fest geknüpft dieFreundschaft zwischen Deutschland und Frankreich inzwischen ist.Ein besonders sichtbares Resultat Ihres langjährigen Engagements haben Siezudem Generationen <strong>von</strong> Schülern in Deutschland und Frankreich hinterlassen:Das deutsch-französische Geschichtsbuch, das Sie <strong>von</strong> den erstenÜberlegungen bis zur seiner Veröffentlichung intensiv begleitet haben.Der Erfolg ist ein doppelter: Nicht nur erreicht dieses mutige binationale Projekteine Annäherung im Verständnis und der Deutung der gemeinsamenVergangenheit. Es gelingt ihm gleichzeitig, dem Oberstufen-LehrplanFrankreichs und 16 deutscher Bundesländer zu entsprechen. Den Kennern desdeutschen Bildungsföderalismus wird der eine wie der andere Erfolg nahezugleichwertig erscheinen.Der zweite Band des Schulbuchs - über den ebenso spannenden wie schwierigenZeitraum <strong>von</strong> 1815 bis 1945 – ist im April diesen Jahres veröffentlicht worden.Ich bin sehr zuversichtlich, dass er in beiden Ländern nicht nur Oberschülern dieVielschichtigkeit der europäischen Geschichte am Beispiel Deutschlands undFrankreichs veranschaulichen wird.9


Sehr verehrter Herr Prof. <strong>von</strong> Thadden,wir ehren Sie heute als einen herausragenden Historiker, einen tatkräftigenEuropäer und einen unermüdlichen Vorkämpfer der deutsch-französischenpolnischenVerständigung.Meine sehr geehrten Damen und Herren,der dritte der heutigen Preisträger ist Prof. Jérôme Vaillant <strong>von</strong> derUniversität Charles-de-Gaulle Lille 3. Dort unterrichtet er als « Professeur decivilisation allemande » Deutschlandstudien. Mit seinen zahlreichenPublikationen und Diskussionsbeiträgen zur deutschen Geschichte undZeitgeschichte ist er weit über die Grenzen Frankreichs und Deutschlands hinausfür seine Deutschland-Expertise bekannt.Bereits seit 1977 sind Sie, Herr Prof. Vaillant, Herausgeber der Zeitschrift« ALLEMAGNE d’aujourdhui », die eine der wichtigsten Publikationen imdeutsch-französischen Dialog darstellt.Unter Ihrer Leitung sind bisher mehr als 180 Ausgaben dieser Zeitschrifterschienen, die nicht nur die politischen, wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen Entwicklung in Deutschland nachzeichnen, sondern sie auch in ihreneuropäischen Kontext einordnen.Seit 1999 gehören Sie außerdem dem deutsch-französischen Komitee zurErforschung der Geschichte Deutschlands und Frankreichs im XIX. undXX. Jahrhundert an.10


Mit Ihrer Arbeit gehen Sie damit kontinuierlich gegen alte und neueWissenslücken im deutsch-französischen Verhältnis an, die Sie - nach wie vor -sowohl als zahlreich als auch tiefgehend empfinden.Der Einsatz für Perspektiven des Verständnisses und der Verständigungdurch Forschung, Lehre und persönliches Engagement geht bei Ihnen, Prof.Vaillant, ebenso wie bei den anderen beiden heutigen Preisträgern allerdingsweit über den Stand der bilateralen Beziehungen hinaus.Ausgehend vom „couple franco-allemand“ haben Sie sich frühzeitig mitbesonderer Aufmerksamkeit dem Thema der Osterweiterung der EuropäischenUnion zugewandt.Dabei haben Sie sich mit besonderer Intensität auf die deutsch-französischpolnischeZusammenarbeit im Rahmen des <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong>s konzentriert.Sie haben die Chancen für die Anpassung des ursprünglichenZweierverhältnisses an die Überwindung der Teilung Europas analysiert.Die Schwerpunkthefte <strong>von</strong> « ALLEMAGNE d’aujourdhui » zum <strong>Weimarer</strong><strong>Dreieck</strong> haben einen sichtbaren Beitrag dazu geleistet, das Potential dertrilateralen Kooperation einem sehr gemischten Publikum aus politischenEntscheidungsträgern, Historikern, Germanisten, Politikwissenschaftlern undWirtschaftsfachleuten zu eröffnen.Bemerkenswert als eine der wenigen Analysen dieser Art in französischerSprache ist auch Ihre Veröffentlichung „Le „Triangle de Weimar“: un modèlede relation trilatérale?“11


Prof. Vaillant hat darüber hinaus gerade in jüngster Zeit an einer Reihewissenschaftlicher Kolloquien zum <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> in Frankreich,Deutschland und Polen mitgewirkt. Mit dem Adam-Mickiewicz-Preis 2008, sehrgeehrter Herr Prof. Vaillant, wird Ihr großes Engagement um die Kooperationunserer drei Länder in Europa ausdrücklich anerkannt und gewürdigt.Meine sehr geehrten Damen und Herren,die heutigen Dimensionen des Projektes Europa sind atemberaubend: 27Staaten, fast eine halbe Milliarde Menschen, der größte Binnenmarkt der Welt,das höchste Maß an Frieden, Stabilität und Wohlstand, das wir jemals erlebthaben, Kultur- und Wissenschaftsaustausch in einer lebendigen,wiedergefundenen Intensität.Aber wir sollten uns nicht täuschen: Die Welt wartet nicht auf uns. AndereRegionen wie China und Indien entwickeln sich mit faszinierenderGeschwindigkeit. Das bedeutet, dass wir keine Zeit und kein Potential zuverschwenden haben.Zukunftsichernde Dynamik in Europa wird vor allem aus gemeinsamemHandeln entstehen. Das bedeutet: Wir dürfen uns nicht durch äußere Einflüsseirritieren und spalten lassen. Und wir müssen auf Herausforderungen für Friedenund Stabilität in Europa fest und entschlossen antworten. Ich bin sicher, dass derEU-Sondergipfel am kommenden Montag die Konsequenzen sehr deutlichbenennen wird, die das aggressive und völkerrechtswidrige russische Vorgehengegen Georgien für das Verhältnis der EU zu Russland hat.12


Meine Damen und Herren,aus dem Vertrauen in unsere gemeinsamen Werte erwächst unsere gemeinsameKraft. Es ist die Attraktivität, die Anziehungskraft Europas, die unsere Stärkeausmacht.Bedrohungen durch politische Instabilität und durch neue/alteGroßmachtansprüche können wir nur gemeinsam erfolgreich begegnen.Gleiches gilt für die Herausforderungen, die sich aus globalenWirtschaftsinterdependezen, weltweiten Energie- und Klimafragen, demdemographischen Wandel in Europa, den Gefahren nuklearer Proliferation oderethnisch, religiös oder politisch motivierter Gewalt ergeben.Das <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> hat hierbei die Chance, eine besondere Rolle zuspielen.Zwar ruft jede Zusammenarbeit einzelner EU-Länder sofort und fast reflexartigauch ein gesamteuropäisches mediales Stirnrunzeln hervor.Negativ gemeinte Schlagzeilen sprechen dann schnell <strong>von</strong> einer Achse Paris-Berlin oder London-Paris, einem ‚Club Med’ oder der Ostsee-Lobby, um nureinige Beispiele zu nennen.Auch die deutsch-französische Zusammenarbeit hat dementsprechend einigekritische Schlagzeilen hinter sich gebracht: Funktionierte sie reibungslos, gab espostwendend Befürchtungen, beide Partner wollten die EU dominieren.Funktionierte die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht, gab es ebensozügig eindringliche Warnungen vor politischer Sklerose und europaweiteAppelle an die Kompromissfähigkeit in Berlin und Paris.13


Richtig war und bleibt aber doch eines: Wir brauchen neue Impulse, klugeIdeen, durchdachte Vorschläge, um dieses hochkomplexe Europa, für das wirkeine historischen Vorbilder und Blaupausen haben, effizienter undzukunftssicher zu machen.Die spezifischen Erfahrungen und das besondere Wissen aller Mitglieder sindhierbei gleichermaßen gefragt. Die polnisch-schwedische Initiative zuröstlichen Dimension der EU-Nachbarschaftspolitik ist ein ausgezeichnetesaußenpolitisches Beispiel und wird angesichts der jüngsten Ereignisse inGeorgien in ihrer Bedeutung nicht abnehmen.Das Erfolgsrezept für eine gute Zusammenarbeit im <strong>Weimarer</strong> <strong>Dreieck</strong> hattenbereits seine drei Gründungsväter Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumasund Krzysztof Skubiszewski verinnerlicht: Impulssetzung ohneVorentscheidungen, Offenheit gegenüber divergierenden Sichtweisen,transparente Diskussionen im Zeichen europäischer Solidarität.Jeder EU-Partner muss sich auf diese Solidarität verlassen können.Dieses Vertrauen kann nicht in Brüssel, Warschau, Paris oder Berlinbeschlossen, <strong>von</strong> der Kommission beobachtet, vor dem EuropäischenGerichtshof eingeklagt werden.Dieses Bewusstsein der europäischen Solidaritäts- undSchicksalsgemeinschaft kann nur wachsen - über die Grenzen undGenerationen hinweg - im Wissen um unsere gemeinsame Geschichte und unserbelastbares gemeinsames Kultur- und Wertefundament.14


Die heutigen drei Preisträger haben dazu ihren unersetzbaren Beitraggeleistet.Dafür gebührt Ihnen unser aufrichtiger Dank und unsere große Anerkennung.15

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