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Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2009, als pdf-Datei

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ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTMITTEILUNGEN16. Jg. / <strong>Nr</strong>. 3September <strong>2009</strong>Preis: 1,10 EuroStreiflichter von <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise 1929–1933HANS HAUTMANNAls Ende Oktober 1929 an <strong>der</strong>New Yorker Börse die Aktienkurseins Bodenlose fielen, beganneine Krise, die alle Staaten <strong>der</strong> kapitalistischenWelt ergriff und die in ihrerIntensität alle früheren und nachfolgendenperiodischen Krisen <strong>der</strong> kapitalistischenWirtschaft übertraf. Der Börsenkrachin den USA war das auslösendeEreignis, nicht aber die Ursache <strong>der</strong>Weltwirtschaftskrise. Diese lag imGrundwi<strong>der</strong>spruch des Kapitalismus,dem Wi<strong>der</strong>spruch zwischen dem gesellschaftlichenCharakter <strong>der</strong> Produktionund <strong>der</strong> privatkapitalistischen Aneignung.Wie bei früheren Krisen handeltees sich bei ihr um eine Überproduktionskrise:riesige Warenvorräte fanden keinenAbsatz mehr. Mit aller Schärfe zeigtesich das Missverhältnis zwischen <strong>der</strong>Ausdehnung <strong>der</strong> Produktion und <strong>der</strong> beschränktenKaufkraft. Zugleich hatte dieWeltwirtschaftskrise von 1929–1933aber auch ihre Beson<strong>der</strong>heiten: die engeVerflechtung <strong>der</strong> Industriekrise mit einerAgrarkrise, Kredit- und Währungskrisesowie Handelskrise, vor allem aberdie Herrschaft <strong>der</strong> Monopole. Die Monopolisierungverhin<strong>der</strong>te, dass die sinkendeNachfrage zu entsprechend sinkendenPreisen führte, wie das bei freierKonkurrenz <strong>der</strong> Fall gewesen wäre undbei früheren Krisen im 19. Jahrhun<strong>der</strong>tauch <strong>der</strong> Fall war. Die Preispolitik <strong>der</strong>Monopole deformierte <strong>als</strong>o den Verlaufdes Zyklus und trug zu seiner noch nichtda gewesenen Tiefe, langen Dauer undseinen verheerenden Folgen in entscheiden<strong>der</strong>Weise bei.Es wäre in dem Zusammenhangverlockend, die damalige Krise mit <strong>der</strong>jetzigen zu vergleichen, Gemeinsamkeitenund Unterschiede herauszuarbeitenund die inneren Ursachen politökonomischzu erklären. Dieser Aufgabe wirdsich aber das von <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>gemeinsam mit dem Bildungsverein<strong>der</strong> KPÖ Steiermark veranstalteteSymposium im Oktober <strong>2009</strong> in Grazund Wien widmen, sodass wir an dieserStelle den Ergebnissen nicht vorgreifenwollen. Hier geht es um einen historischenÜberblick, um die Darlegung <strong>der</strong>Fakten und die Schil<strong>der</strong>ung des Ablaufs<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise 1929–1933, <strong>der</strong>enmaterielle Schäden und Verluste ungeheuerlichwaren und <strong>der</strong>en politischeFolgen die Menschheit erneut in den Abgrundeines Weltkrieges stürzen sollten.Die IndustriekriseDie Industriekrise war <strong>der</strong> zentrale Bereich<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise, denn stetssind es die Vorgänge in <strong>der</strong> industriellenProduktion, die den zyklischen Charakterkapitalistischen Wirtschaftens hervorrufen.In früheren Krisen war ein Absinken<strong>der</strong> Industrieproduktion um zehnbis 15% schon <strong>als</strong> etwas Außergewöhnlichesbetrachtet worden. Von 1929 bis1933 hingegen lagen die Hälfte und teilweisesogar zwei Drittel <strong>der</strong> Produktionskapazität<strong>der</strong> führenden Industriezweigebrach. Im Weltmaßstab wurdedie kapitalistische Industrieproduktionauf das Niveau <strong>der</strong> Jahre 1908/09zurückgeworfen. In einzelnen Län<strong>der</strong>nging sie sogar noch weiter zurück: Sosank sie in den USA auf den Stand von1905/06 und in Deutschland und Großbritannienauf den von 1896/97.Die Krise von 1929 bis 1933 war nichtnur die tiefste, son<strong>der</strong>n auch (gemeinsammit <strong>der</strong> von 1873) die längste und hartnäckigstein <strong>der</strong> Geschichte des Kapitalismus.Während die Krisen <strong>der</strong> Vergangenheitin <strong>der</strong> Regel nur mehrere Monateangedauert hatten, wurde <strong>der</strong> Tiefpunkt<strong>der</strong> im Herbst 1929 ausgebrochenen Krisevon <strong>der</strong> kapitalistischen Welt im Wesentlichenerst im Sommer 1932 überwunden.Aber auch danach dauerte esnoch zwei bis drei Jahre, bis sich das allgemeineProduktionsniveau wie<strong>der</strong> demStand vor <strong>der</strong> Krise annäherte.Unter den hoch entwickelten Industrielän<strong>der</strong>nerschütterte die Krise die USAund Deutschland mit <strong>der</strong> größten Wucht.In Großbritannien, wo in den 1920er Jahrendie Industrieproduktion nur in geringemMaße gestiegen war, machten sichdie Krisenerscheinungen relativ langsambemerkbar. In Frankreich begannen sichdie Auswirkungen auf die Industrieproduktionerst im Jahre 1931 zu zeigen.Deshalb erlangte hier die Krise die größteSchärfe auch erst 1935, <strong>als</strong>o wesentlichspäter <strong>als</strong> in den USA und Deutschland.In Japan, das unmittelbar nach dem Ausbruch<strong>der</strong> Krise die Aggression gegenChina vorzubereiten begann, erreichtedie Produktion ihre T<strong>als</strong>ohle im Jahr1931, in Italien im Sommer 1932, <strong>als</strong> dieBruttoproduktion <strong>der</strong> Industrie um 33%unter dem Stand des Jahres 1929 lag.Von den kleineren Län<strong>der</strong>n waren Österreich,die Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien,Ungarn, Dänemark, Norwegenund Finnland schwer betroffen, <strong>der</strong>enIndustrieproduktion fast auf die Hälftedes Vorkrisenniveaus sank. Eine Ausnahmebildete Schweden, dessen Eisenerzför<strong>der</strong>ungzwar zeitweilig auf den Umfangdes Jahres 1896 absackte, das aberschneller <strong>als</strong> an<strong>der</strong>e die Folgen <strong>der</strong> Krisedurch gezielte staatsmonopolistische Eingriffein das Wirtschaftsleben unter demsozialdemokratischen RegierungschefPer Albin Hansson überwand.Am stärksten von allen kapitalistischenLän<strong>der</strong>n sank die Produktion in den USA.Dort verringerte sich die Kohleför<strong>der</strong>ungim Vergleich zum Stand von 1929 um 41,die Roheisenproduktion um 79, die Stahlerzeugungum 76 und die Automobilherstellungum 80%. Von 279 Hochöfen warennur noch 44 in Betrieb. Die Industrieproduktioninsgesamt ging bis zum Jahr1932 gegenüber <strong>der</strong> von 1929 um 46 unddie Produktion von Produktionsmittelnsogar um 72% zurück. Tausende Fabrikenschlossen ihre Tore, mehr <strong>als</strong> 135.000 Industrie-,Handels- und Finanzunternehmenmachten Bankrott.Deutschland stand den USA bei diesenKennziffern kaum nach. Die Produktionvon Produktionsgütern fiel hier 1931 auf61% (1928 = 100, 1930 = 85,5), die Gesamtproduktionauf 72,8%. Im Jahr 1932reduzierte sich die Industrieproduktionim Vergleich zum Stand von 1931 umweitere 17% und betrug nur mehr 58%<strong>der</strong> Höhe von 1928. Insgesamt machte


2 BeiträgeBank- und Börsenkrach in New York am 29. Oktober 1929.die Industrieproduktion in Deutschlandim Sommer/Herbst 1932 nur noch 46,7%des Produktionsumfanges von 1913 (!)aus, ein Tiefpunkt, <strong>der</strong> kaum noch unterschrittenwerden konnte.Die AgrarkriseAgrarkrisen treten im Unterschied zuindustriellen Krisen nicht periodisch aufund sind generell langwieriger <strong>als</strong> jene.Eine solche chronische Agrarkrise begann1920 in den USA und erfasste dieganze kapitalistische Welt. Ihre Erscheinungenwaren: Anwachsen <strong>der</strong>Warenvorräte, die keinen Absatz fanden;Preisabfall, Sinken <strong>der</strong> Einkommen<strong>der</strong> Bauern, Sinken <strong>der</strong> Profitrate;Ruin von Farmern und kleinbäuerlichenWirtschaften, Anwachsen ihrer Schulden;Wachstum <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit unterdem Landproletariat.Das Hereinbrechen <strong>der</strong> Industriekriseim Herbst 1929 verschärfte die Agrarkrisein enormem Ausmaß. Es kamweltweit zu katastrophalen Preisstürzenbei landwirtschaftlichen Rohstoffen undLebensmitteln. Im Frühjahr 1932 sank<strong>der</strong> Preis für Kautschuk auf dem Weltmarktim Vergleich zum Durchschnittspreis<strong>der</strong> Jahre 1925–1929 um 93, <strong>der</strong>von Zucker um 74, <strong>der</strong> von Seide um 75und <strong>der</strong> von Jute um 62%.In den USA sanken die Preise fürAgrarprodukte um durchschnittlich 54%.1932 mussten von den Farmern an die40% ihres Bruttoeinkommens für die Abzahlungvon Schulden sowie für SteuerundPachtzahlungen aufgewendet werden.Etwa eine Million Farmen wurdenvon 1929 bis 1933 zwangsversteigert.Der Massenbankrott war zum nicht geringenTeil von den Monopolherren hervorgerufen,weil diese die Preise für Industrieerzeugnisse,landwirtschaftliche Maschinen,Mineraldünger usw. künstlichhochhielten. Die ruinierten Farmer wurdenentwe<strong>der</strong> zu Landarbeitern, o<strong>der</strong> siezogen in die Städte, wosie aber gleichfalls keineArbeit finden konnten.Noch stärker <strong>als</strong> diebäuerliche Bevölkerung<strong>der</strong> Industriestaaten wardie <strong>der</strong> schwach entwickeltenVolkswirtschaftenin Europa, inden Kolonien und den abhängigenLän<strong>der</strong> in Asien,Afrika und Lateinamerikabetroffen. Setztman den Außenhandelsumsatzdieser Län<strong>der</strong> inden Jahren 1925–1929mit 100% an, so betrug die Ausfuhr imJahr 1931 mengenmäßig ausgedrückt85,1%, wertmäßig berechnet jedoch nur56,4%. Indem die Krise diese Län<strong>der</strong> –die Rohstoff- und Lebensmittellieferanten<strong>der</strong> imperialistischen Welt – ruinierte,vergrößerte sie zugleich ihre altenSchuldenlasten und stürzte viele von ihnenin den Staatsbankrott.In <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise vernichtetendie Plantagenbesitzer ganze Ernten,Kaffee wurde in den Ozean geschütteto<strong>der</strong> <strong>als</strong> Feuerungsmittel für Lokomotivenverwendet, man fällte Obstbäume,schlachtete Viehherden ab und gossMilch in die Flüsse. Schätzungen zufolgewar dieser materielle Schaden <strong>der</strong> Jahre1929–1933 Hand in Hand mit den stillgelegtenFabriken, abgerissenen und ausgeblasenenHochöfen, außer Betrieb gesetztenund dem Ersaufen preisgegebenenBergwerken ebenso groß wie <strong>der</strong> desgesamten Ersten Weltkriegs.Die Banken- und WährungskriseDie letzten Jahre vor <strong>der</strong> Krise warenvon einer fieberhaften Spekulationswellegerade in Aktien begleitet. Die Aktienstiegen immer mehr über ihren tatsächlichenWert, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kapitalisierung <strong>der</strong>zu erwartenden Profite besteht. Aus <strong>der</strong>Steigerung <strong>der</strong> Kurse ergab sich ein Gewinn,<strong>der</strong> um ein Vielfaches höher lag<strong>als</strong> die Dividende. Dieser für Aktienkäufergeradezu paradiesische Zustandkonnte jedoch nicht ewig andauern undmündete im Oktober 1929 im Zusammenbruch<strong>der</strong> Kurse und mit ihnen vielerspekulieren<strong>der</strong> Kapitalisten.Jede Krise wird zunächst von ökonomischenRückgangserscheinungen gekennzeichnet,die sich gegenseitig verstärkenund wellenartig ausbreiten, sodassdie ersten spontanen Reaktionen <strong>der</strong>kapitalistischen Wirtschaft diese nichtabschwächen, son<strong>der</strong>n vielmehr vertiefen.Das geschah auch im Gefolge <strong>der</strong>1929 ausgebrochenen Krise und ingrößerem Umfang <strong>als</strong> bisher.Die mit <strong>der</strong> zyklischen Krise unvermeidlichverbundene abnehmende Liquidität<strong>der</strong> kapitalistischen Großunternehmenführte an einer <strong>der</strong> schwächsten Stellendes Weltkapitalismus – in Österreich– zum Zusammenbruch <strong>der</strong> Creditanstaltim Juni 1931. Dieses Ereignis war nichtzuletzt auch das Ergebnis verschärfterimperialistischer Gegensätze, hervorgerufendurch den am 21. März 1931 abgeschlossenenVertrag zwischen Deutschlandund Österreich über eine Zollunion.Neben Großbritannien wandte sich vorallem Frankreich gegen das Abkommen,weil es darin faktisch die Verwirklichungdes im Versailler Vertrag verbotenen Anschlussesund damit einen Schritt zur territorialenErweiterung des deutschen Imperialismuserblickte. Frankreichs Antwortbestand in einer gezielten Zurückziehungvon Krediten, was zum unmittelbarenAnlass für den Zusammenbruch<strong>der</strong> Creditanstalt wurde.Das Vertrauen insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> ausländischenGläubiger wurde dadurchumso mehr erschüttert, <strong>als</strong> die organisierteZurücknahme französischer Kreditesich auch auf Deutschland erstreckteund dort am 11. Juli 1931 den Zusammenbruch<strong>der</strong> Darmstädter- und Nationalbank(Danat-Bank) zur Folge hatte.Nur einen Tag später, am 12. Juli, wurdeoffenbar, dass auch die DresdnerBank vor <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeitstand. Um beide Großbanken zu retten,betrieb die Reichsregierung Brüning ihreFusionierung und de facto-Verstaatlichung,ein Schritt, den auch die KabinetteEn<strong>der</strong> und Buresch in Österreichbei <strong>der</strong> Sanierung <strong>der</strong> Creditanstaltdurch staatliche Übernahme <strong>der</strong> Haftungfür ihre Schulden setzten.Dieser österreichische und deutscheBankenkrach im Sommer 1931 brachtedie internationale Kreditkrise zur vollenEntfaltung. Verteuerung des Kredits undErstarrung des Kreditsystems waren dieFolge. Noch wichtiger war aber die Tatsache,dass die monetären Beziehungen <strong>der</strong>imperialistischen Hauptlän<strong>der</strong> zueinan<strong>der</strong>jetzt völliger Zerrüttung unterlagen.Das zeigte sich in <strong>der</strong> Isolierung <strong>der</strong>einzelnen Währungssysteme. Die Vorherrschaftdes Goldes, das die einzelnenkapitalistischen Geldsysteme verbundenhatte, wurde erschüttert, und das in den1920er Jahren mühsam wie<strong>der</strong> hergestellteSystem <strong>der</strong> Goldwährung brachzusammen, ohne nach dem ZweitenWeltkrieg wie<strong>der</strong>erstehen zu können.Großbritannien ging unter dem Druck3/09


Beiträge 3In Län<strong>der</strong>n mit einer staatlichen Sozialversicherungwurden die Leistungenständig abgebaut. Die Papen-Regierungin Deutschland verkürzte im Juni 1932die Dauer <strong>der</strong> bereits herabgesetzten Arbeitslosenunterstützungauf sechs Wochen(ursprünglich 26 Wochen). Die Zahl<strong>der</strong>jenigen, die keine Arbeitslosen- o<strong>der</strong>Krisenunterstützung mehr erhielten, son<strong>der</strong>nauf die Pfennige <strong>der</strong> Wohlfahrt angewiesenwaren, betrug im Frühjahr 1930bereits 680.000 und stieg bis 1932 aufzwei Millionen. In Österreich waren vonden 770.000 Arbeitslosen an die 60% ohnejede reguläre Unterstützung.Wo es keine Sozialversicherung gab,wie etwa in den USA, waren die Arbeitslosenjeglicher Existenzmittel beraubt.Hun<strong>der</strong>ttausende mussten ihre Wohnungenverlassen, weil sie die Miete nichtmehr aufbringen konnten. In den Vororten<strong>der</strong> Industriestädte vegetierten dieArbeitslosen mit ihren Familien in elendenBarackenlagern, die man zum Hohnauf den Präsidenten <strong>der</strong> USA „Hoovervilles“nannte. Beson<strong>der</strong>s hart wurde von<strong>der</strong> Krise die schwarze Bevölkerung betroffen.Die in den Industriebetrieben beschäftigtenAfroamerikaner entließ manbevorzugt zugunsten weißer Arbeiter.Überdies verschärfte die amerikanischeBourgeoisie in den Krisenjahren bewusstdie Rassendiskriminierung; immer häufigerwurden Farbige Opfer <strong>der</strong> Lynchjustizo<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Terrorakte.Wer das Glück hatte, den Arbeitsplatzbehalten zu könnten, musste drastischeLohnkürzungen hinnehmen. In Deutschlandfiel <strong>der</strong> Nettowochenlohn <strong>der</strong> Industriearbeitervon durchschnittlich 42Reichsmark im Jahr 1929 auf durchvonGoldabzügen zuerst – und zwar imSeptember 1931 – vom Goldstandard abund führte eine Abwertung des Pfundesherbei. Dem Beispiel folgten mehrerevon Großbritannien abhängige Län<strong>der</strong>(britische Kolonien, Dominien, die skandinavischenLän<strong>der</strong>, Portugal und Argentinien),wodurch es im November1931 zur Bildung des Sterlingblockskam. Diesen Län<strong>der</strong>n standen an<strong>der</strong>e gegenüber,die am Goldstandard zunächstfesthielten, so vor allem die USA bis1933 und Frankreich bis 1936, ihn aberdann ebenfalls aufgeben mussten.Insgesamt entwerteten sich im Verlauf<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise dieWährungen von nicht weniger <strong>als</strong> 56Staaten des kapitalistischen Systems,wobei die Abwertung von den imperialistischenLän<strong>der</strong>n <strong>als</strong> Kampfmittel imRingen um Weltmarktpositionenbenützt wurde. Anstelle <strong>der</strong> normalenValutazirkulation auf dem Weltmarktentwickelte sich ein Währungskrieg,hauptsächlich zwischen dem Sterlingblockunter britischer und dem Dollarblockunter amerikanischer Führung.Die Krise des WelthandelsDie Krise musste zwangsläufig auchzu einer starken Störung <strong>der</strong> internationalenwirtschaftlichen Kooperationführen. Der Welthandelsumsatz ging ungefährauf ein Drittel des Umfangs von1928/29 zurück. In Großbritannien verringertesich <strong>der</strong> Außenhandel um mehr<strong>als</strong> 50%, ebenso in Frankreich, das – <strong>der</strong>Konkurrenz Großbritanniens, <strong>der</strong> USAund Deutschlands nicht gewachsen – eineReihe seiner Positionen auf demWeltmarkt aufgeben musste. Nochschärfer waren abhängige und kolonialeLän<strong>der</strong> wie Argentinien, Brasilien, Chile,Kuba, Ägypten, Indien, Indonesienusw. betroffen, <strong>der</strong>en Exporte (Weizen,Kaffee, Zucker, Fleisch, Salpeter, Kupfer,Baumwolle, Kautschuk) wertmäßigum rund 60% zurückgingen.Da die Krise sich auf die gesamte kapitalistischeWelt ausbreitete, war es keinemStaat mehr möglich, sich auf Kostenan<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> aus ihr zu befreien. Dennochwurde alles versucht, die eigenenInteressen zum Schaden <strong>der</strong> ausländischenKonkurrenten zu wahren. In <strong>der</strong>Hoffnung, die Absatzbedingungen aufdem inneren Markt zu verbessern, brachtez.B. die Hoover-Regierung in den USAim Juni 1930 ein Gesetz ein, durch dasdie Einfuhrzölle für ausländische Warenbeträchtlich erhöht wurden. Als daraufhinan<strong>der</strong>e kapitalistische Län<strong>der</strong> ebenfallsdie Schutzzölle erhöhten, wurde <strong>der</strong>Absatz amerikanischer Waren auf denAuslandsmärkten noch mehr erschwert.Die Folge war ein erbitterter Handelskrieg.Von Juni 1931 bis April 1932 gingen76 Län<strong>der</strong> dazu über, die Zolltarifezu erhöhen, die Devisenausgaben für <strong>der</strong>Ankauf ausländischer Waren einzuschränkenund Importbegrenzungen einzuführen,die bis zum direkten Einfuhrverbotreichten. Das System <strong>der</strong> kapitalistischenWeltwirtschaft zerfiel immermehr in einzelne, weitgehend voneinan<strong>der</strong>isolierte und in Wirtschaftskriegeverwickelte Län<strong>der</strong>, Auseinan<strong>der</strong>setzungen,die mehrfach sogar zu militärischenZusammenstößen führten. Der bolivianisch-paraguayischeKrieg von 1932 bis1935 z.B. war ein Ausdruck <strong>der</strong> Rivalitätzwischen dem britischen und amerikanischenMonopolkapital um den Besitz <strong>der</strong>ausgedehnten Erdölfel<strong>der</strong> des Gran Chacound <strong>der</strong> reichen Zinnvorkommen Boliviens.Der Bürgerkrieg in Brasilien imJahr 1932 war in nicht geringem Maßeauf die englisch-amerikanischen Auseinan<strong>der</strong>setzungenum die Rohstoffe undAbsatzmärkte dieses Landes zurückzuführen,und auch <strong>der</strong> peruanisch-kolumbianischeKrieg von 1932 bis 1934 spiegeltediesen Konkurrenzkampf wi<strong>der</strong>.Auswirkungen auf dieVolksmassenDie schwerwiegendste Folge <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrisewar eine noch nicht dagewesene Massenarbeitslosigkeit. Nimmtman die 32 wichtigsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> kapitalistischenWelt her, so betrug die Zahl<strong>der</strong> offiziell registrierten Vollarbeitslosen1929 5,9 Millionen, 1930 11,7 Millionen,1931 19,2 Millionen und 1932 26,4 Millionen,um 1933 minimal auf 26,0 Millionenzu sinken. Dazu kamen mehrere MillionenKurzarbeiter, die oft nur ein biszwei Tage in <strong>der</strong> Woche beschäftigt waren.Der Prozentsatz <strong>der</strong> Vollarbeitslosenim Verhältnis zur Gesamtzahl <strong>der</strong> industriellenArbeiterschaft belief sich 1932in Deutschland auf 43,8% (5,5 MillionenArbeitslose), in den USA auf 32% (13,2Millionen Arbeitslose) und in Großbritannienauf 22% (2,8 Millionen Arbeitslose).In Österreich erreichte die ArbeitslosigkeitEnde 1934 mit etwa 770.000(38,5% <strong>der</strong> unselbstständig Erwerbstätigeneinschließlich <strong>der</strong> bereits seit Jahren„Ausgesteuerten“) ihren Höhepunkt. InItalien und in <strong>der</strong> Tschechoslowakei gabes 1932/33 jeweils eine Million Arbeitslose,in Japan 1931 etwa drei Millionen,und in Lateinamerika (hier vor allem unterden Landarbeitern auf den Latifundien)fünf bis sieben Millionen.Großfarmer aus dem Staate Texas lassenMilch in Gullys und Flüsse gießen,um die Preise hochzuhalten.3/09


4 BeiträgeMassenarbeitslosigkeit: Schlangen von Arbeitssuchendenvor einem Arbeitsamt <strong>der</strong> Stadt Hannover 1932.schnittlich 22 RM im Jahr 1932. Das Existenzminimumin diesen Jahren betrugrund 30 RM bzw. 39 RM pro Woche.Das Vorhandensein des großen Arbeitslosenheeresnutzte die herrschendeKlasse dazu, viele <strong>der</strong> sozialen und wirtschaftlichenErrungenschaften, die dieArbeiterklasse in jahrelangen zähenKämpfen erreicht hatte, wie<strong>der</strong> abzubauen,und dazu, die Krisenlasten auf dieSchultern <strong>der</strong> Volksmassen abzuwälzen.Überall kam es zu einer Erhöhung <strong>der</strong>Massensteuern bei gleichzeitiger Verringerung<strong>der</strong> Steuerverpflichtungen für dieGroßindustriellen und Bankiers, denenman – angeblich um die Krise wirksamzu bekämpfen – Subsidien und Kreditein Milliardenhöhe zukommen ließ.Neben <strong>der</strong> Verelendung <strong>der</strong> Arbeiterschaftstand <strong>der</strong> Ruin zahlloser Kleinbauern,Kleingewerbetreibenden undHandwerker. Die Gehälter <strong>der</strong> Angestelltenund Beamten sanken beträchtlich.Fühlbar verschlechterte sich auch die Lage<strong>der</strong> Intelligenz. Männer mit Tafeln umden H<strong>als</strong>, worauf zu lesen war: „BinAkademiker, nehme jede Arbeit!“ standenin den Großstadtstraßen. Mit erschrecken<strong>der</strong>Deutlichkeit trat die Unfähigkeit<strong>der</strong> kapitalistischen Ordnungzutage, die Produktivkräfte <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>sinnvoll zu nutzen und den Volksmassenerträgliche Existenzbedingungenzu sichern.Klassenkämpfe: EuropaNormalerweise nimmt in Wirtschaftskrisendie Streikbereitschaft unter demDruck <strong>der</strong> rapid wachsenden industriellenReservearmee und <strong>der</strong> Furcht vor demVerlust des Arbeitsplatzes ab. Man sollteannehmen, dass das in <strong>der</strong> schwerstenKrise, die das kapitalistische System bisdahin erlebte, in beson<strong>der</strong>em Maße <strong>der</strong>Fall war. Die Tatsachen zeigen aber dasGegenteil. Da die bürgerliche Geschichtsschreibungdie Dimension <strong>der</strong>Klassenkämpfe von untenin den Jahren 1929 bis1933 aus begreiflichenGründen entwe<strong>der</strong> verschweigto<strong>der</strong> bagatellisiert,ist an dieser Stelledie Darlegung diesenweitgehend unbekanntenKapitels in gebührendemUmfang ebenso nützlichwie lehrreich.In Großbritannien kames von 1930 bis 1933 zu1430 Streiks, an denen 1,3Millionen Werktätige teilnahmenund durch die denkapitalistischen Unternehmern 18 MillionenArbeitstage (samt fehlen<strong>der</strong> Mehrwertschöpfung)verloren gingen. Dengrößten Umfang nahm die Streikbewegungunter den TextilarbeiterInnen an.In Deutschland wurden im Jahr 1930366 Streiks gezählt, an denen sich244.900 Arbeiter beteiligten. Die bedeutendstenwaren <strong>der</strong> Streik <strong>der</strong> Mansfel<strong>der</strong>Bergarbeiter im Juni 1930 gegen eine beabsichtigte15%-ige Lohnkürzung, <strong>der</strong>Streik im Juli 1930 von 50.000 MetallundHüttenarbeitern des rheinisch-westfälischenIndustriegebiets und <strong>der</strong> Streikim Oktober 1930 von 130.000 BerlinerMetallarbeitern, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> kommunistischenRoten Gewerkschaftsoppositiongegen einen von den Metallindustriellengeplanten 8%-igen Lohnabbau geführtwurde. Im Jahr 1931 fanden rund 500Streiks statt. Der bedeutendste von ihnenwar <strong>der</strong> Jännerstreik <strong>der</strong> Ruhrbergarbeiter,dem sich die Bergarbeiter Oberschlesiensanschlossen. 1932 sah 1.100Streiks, zumeist in Klein- und Mittelbetrieben,von denen die meisten mit einemvollen o<strong>der</strong> Teilerfolg beendet wurden.In Frankreich kam es in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong>Weltwirtschaftskrise zu einer Welle vonArbeitskämpfen, die nicht selten in Barrikadenkämpfegegen die Polizei hinüberwuchsen. Die Avantgarde bei diesen Aktionenbildeten die Berg-, Metall- undTextilarbeiterInnen, die Eisenbahner unddie Seeleute. Die größten Ausstände warendie <strong>der</strong> Bergarbeiter des DepartementsPas-de-Calais im Frühjahr 1931gegen eine angekündigte 10%-ige Lohnsenkung,die von 125.000 TextilarbeiterInnenim Mai 1931 in Rubaix und Werviksowie die <strong>der</strong> Arbeiter von Vienne imMärz 1932. Die in den Jahren 1931 bis1934 ausgefallene Arbeitszeit belief sichauf insgesamt 6,8 Millionen Arbeitstage.In Italien, wo bereits ein faschistischesRegime herrschte, fanden trotz TerrorsMassenaktionen <strong>der</strong> FabrikarbeiterTurins, Mailands und Genuas gegen dieKürzung <strong>der</strong> Arbeitslöhne statt. In Turindemonstrierten die Arbeitslosen im Jahr1930 drei Tage hintereinan<strong>der</strong> unter <strong>der</strong>Losung „Arbeit und Brot!“, wobei es zuZusammenstößen mit <strong>der</strong> Polizei und berittenenTruppen kam. 10.000 Textilarbeiterinnenstreikten acht Tage lang in<strong>der</strong> lombardischen Provinz Varese.Spanien erlebte 1931 3.643 Streiks(darunter 20 politische), an denen sich1,5 Millionen Werktätige beteiligten. Imfolgenden Jahr nahmen über eine MillionArbeiter an Streiks teil. Zu beson<strong>der</strong>sgroßen Aktionen kam es in Oviedo, Malaga,Sevilla und in Katalonien.In <strong>der</strong> Tschechoslowakei beantwortetendie Arbeiter des nordböhmischenBraunkohlenreviers um Most im März1932 die Entlassung von 15.000 Bergarbeiternund eine Lohnsenkung von 30%mit einem Streik, <strong>der</strong> in einen politischenStreik, Demonstrationen und blutige Zusammenstößemit <strong>der</strong> Gendarmerie ausmündete.Das einheitliche und entschlosseneHandeln <strong>der</strong> Arbeiter zwang die Zechenherrenschließlich, die For<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Streikenden zu erfüllen. In <strong>der</strong> Folgekam es zu weiteren Ausständen <strong>der</strong> Bauarbeiter,<strong>der</strong> TextilarbeiterInnen vonBrünn und im Oktober 1932 <strong>der</strong> Metallarbeitervon Prag.Riesige Ausmaße nahm die Streikbewegungin Polen an. 1931 und 1932streikten die Bergarbeiter <strong>der</strong> Industriegebietevon Dabrowa und Krakau unddie Erdöl-, Metall-, Hütten- und TextilarbeiterInnenvon Warschau, Lódz und an<strong>der</strong>enZentren. Aufgrund <strong>der</strong> Massenaktionenmusste die Regierung ihren Plan,den Urlaub zu kürzen und verschiedenean<strong>der</strong>e soziale Errungenschaften <strong>der</strong> Arbeiterklassezu beseitigen, vorerst aufgeben.Im März 1933 sah Lódz einen weiterenStreik von TextilarbeiterInnen, <strong>der</strong>von den Arbeitern <strong>der</strong> städtischen Verkehrsbetriebeund <strong>der</strong> Gaswerke unterstütztwurde. Insgesamt streikten mehr<strong>als</strong> 100.000 Menschen, die gegen die PolizeieinheitenBarrikaden errichteten.Auch hier sahen sich die Unternehmerveranlasst, dem Abschluss vonKollektivverträgen und teilweisen Lohnerhöhungenzuzustimmen.In Rumänien kam es 1933 zu großenKämpfen <strong>der</strong> Arbeiterschaft, bei denen dieEisenbahner und Erdölarbeiter an vor<strong>der</strong>sterFront standen. Sie richteten sich gegendie Versuche <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong> Unternehmer,die Löhne um 40 bis 50% zusenken und 25% <strong>der</strong> Arbeiter zu entlassen.Die ausgedehnte Streikbewegung zwangdie Herrschenden zum Zurückweichen:3/09


Beiträge 5die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Eisenbahner und Erdölarbeiterwurden akzeptiert.Zu den Klassenkämpfen <strong>der</strong> Industriearbeiterschaftgesellten sich in mehrereneuropäischen Län<strong>der</strong>n die <strong>der</strong> Bauernund des ländlichen Proletariats.In Frankreich, dessen zahlenmäßiggroße Bauernschaft von <strong>der</strong> Krise hartgetroffen wurde und dessen Einnahmenaus <strong>der</strong> Landwirtschaft 1934 nur 17 MilliardenFrancs gegenüber 44,8 Milliardenim Jahr 1929 ausmachten, kämpftendie Bauern in Massenaktionen gegen dieErhöhung <strong>der</strong> Steuern, gegen die Herabsetzung<strong>der</strong> Preise für Agrarprodukteund gegen die Zwangsversteigerung ihresVermögens. Die Landarbeiter protestiertengegen Lohnkürzungen und for<strong>der</strong>tendie Reduzierung des Arbeitstagessowie die Einführung <strong>der</strong> Sozialversicherungzu Lasten <strong>der</strong> Grundbesitzer.In Italien erfasste die Bauernbewegungim Jahr 1930 vorwiegend die Po-Ebeneund den Süden des Landes. In dem OrtMartina Franca nördlich von Tarent griffendie Bauern die Gemeindeverwaltungan und brannten das Steueramt und denfaschistischen Klub nie<strong>der</strong>. Auf denReisplantagen Piemonts streikten 20.000LandarbeiterInnen und erzielten dabeieinen Teilerfolg. Im folgenden Jahr undAnfang 1933 beteiligten sich Zehntausendevon Bauern in Piemont, <strong>der</strong> Toskanaund auf Sizilien am Kampf gegen diehohen Steuern. Nicht selten entwaffnetensie die Polizei, verprügelten die Steuereinnehmerund stürmten die Munizipalverwaltungsgebäude.In Spanien, wo die ländliche Bevölkerungentwe<strong>der</strong> über keinen o<strong>der</strong> nur sehrgeringen Besitz an Grund und Boden verfügte(auf 1.444 Latifundien entfiel mitdrei Millionen Hektar Land eine etwaebenso große Bodenfläche wie auf dieacht Millionen Kleinstparzellen landarmerBauern), teilten die Bauern die Län<strong>der</strong>eien<strong>der</strong> Gutsbesitzer in den ProvinzenGranada, Malaga und Cordoba eigenmächtigauf, entwaffneten die GuardiaCivil und bildeten bewaffnete Abteilungen.1931/32 setzten in vielen DörfernAndalusiens Landarbeiter und Bauern dieAnwesen <strong>der</strong> verhasstesten Großgrundbesitzerin Brand, belegten <strong>der</strong>en Land,Vieh und landwirtschaftliche Geräte mitBeschlag und gründeten Bauern- undLandarbeiterkomitees. 1934 kam es inSüdspanien zu einem Streik von 500.000Landarbeitern, <strong>der</strong> 15 Tage dauerte.In <strong>der</strong> Tschechoslowakei wurde 1931und 1932 die gesamte Karpatoukrainevon Bauernunruhen erfasst. Die armenBauern weigerten sich, die Pacht zu bezahlen,trieben ihr Vieh auf die Weiden<strong>der</strong> Gutsbesitzer und entwaffneten inmehreren Fällen die Gendarmerie. Anden Aktionen beteiligten sich etwa60.000 landarme Bauern mit ihren Familiensowie an die 30.000 Landarbeiter.Durch diese Klassenkämpfe sah sich dieRegierung in Prag genötigt, den Ausverkauf<strong>der</strong> Bauernwirtschaften vorübergehendzu unterbinden.In Jugoslawien, wo in den Jahren <strong>der</strong>Weltwirtschaftskrise die Großgrundbesitzerund Großbauern die bestehendenVerträge mit den Landarbeitern aufhoben,<strong>der</strong>en Arbeitslöhne um 20 bis 30%senkten und gleichzeitig die Arbeitszeitverlängerten, waren bis zu 75% <strong>der</strong>Landarbeiter arbeitslos. Gemeinsam mitden Kleinbauern, die durch maßloseSteuern ruiniert wurden, leisteten sie denBeamten, Polizisten und Gendarmen erbittertenWi<strong>der</strong>stand, <strong>der</strong> teilweise bewaffneteFormen annahm.Regelrechte Bauernaufstände brachen inPolen aus. Im Juni 1932 wehrten sich in<strong>der</strong> Westukraine die Bauern in blutigenKämpfen zwei Wochen lang gegen Einheiten<strong>der</strong> regulären Armee und <strong>der</strong> Gendarmerie.Ihrem Beispiel folgten die landarmenBauern Wolhyniens, die sich gegendie unerträglich hohen Steuern auflehnten.Von September bis November 1932streikten in den Wojewodschaften Warschau,Kielce, Lemberg und Lódz dieLandarbeiter. Den Höhepunkt erreichtedie Bauernbewegung im Sommer 1933. Inverschiedenen Kreisen <strong>der</strong> WojewodschaftenKrakau und Lemberg nahmen100.000 Bauern den bewaffneten Kampfauf. Sie for<strong>der</strong>ten die Senkung <strong>der</strong> Steuern,das Verbot gerichtlicher und polizeilicherVerfolgungen sowie die Freilassung<strong>der</strong> Inhaftierten. Den Gutsbesitzern nahmensie Lebensmittel und Vieh weg. DieKämpfe dauerten einen ganzen Monat; 50Bauern wurden dabei getötet, Hun<strong>der</strong>teverwundet und Tausende verhaftet.Klassenkämpfe: übrige WeltSelbst in den USA, wo sozialistischesGedankengut unter <strong>der</strong> Arbeiterklasse sogut wie nicht verankert war und im Jahr1929 nur 40% <strong>der</strong> Arbeiter einer Gewerkschaftangehörten, stiegen dieStreikzahlen in <strong>der</strong> Krise an: 1930157.000 streikende Arbeiter, 1931337.000, 1933 über eine Million.In Japan setzten sich die Arbeiter mitzahlreichen Kampfmaßnahmen gegenEntlassungen, Lohnsenkungen und gegendie Verlängerung des Arbeitstageszur Wehr. Im Jahr 1931 betrug die Zahl<strong>der</strong> Streiks das Zweieinhalbfache vonAn den Küsten Brasiliens werden 22 MillionenSack Kaffee ins Meer geschüttet.<strong>der</strong> des Jahres 1928. Die Streikaktionenunterschieden sich von früheren Arbeitskämpfendurch ihren organisierten Charakterund ihre längere Dauer.In Argentinien erreichte die Streikbewegungsolche Ausmaße, dass sich dieRegierung Irigoyen zu Zugeständnissengezwungen sah und unter an<strong>der</strong>em denAchtstundentag einführen musste. Auchdie Landarbeiter und Pächter nahmenden Kampf gegen die Großgrundbesitzerund ausländischen <strong>Gesellschaft</strong>en auf.Neben <strong>der</strong> Senkung des Pachtzinses, <strong>der</strong>Steuern und Eisenbahntarife verlangtensie von <strong>der</strong> Regierung, Maßnahmen zuergreifen, dass die Exmittierungen undVertreibungen <strong>der</strong> Bauern von ihren Parzelleneingestellt werden.In Brasilien sanken während <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrisedie Löhne <strong>der</strong> Arbeiterum 30 bis 40%, während die Lebenshaltungskostenum fast 250% stiegen. DieStreikbewegung schwoll unter diesenUmständen schnell an. Von Jänner 1931bis Mai 1932 fanden 70 große Streiks <strong>der</strong>Textilarbeiter, Eisenbahner, Kraftfahrer,Seeleute, Hafenarbeiter und Arbeiter <strong>der</strong>kommunalen Betriebe statt. Gleichzeitigverstärkte sich die Bauernbewegung.Vor allem im Nordosten des Landesbemächtigten sich die Bauern <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>eien<strong>der</strong> Großgrundbesitzer und teiltensie unter sich auf. Die Landarbeiter führtenmehrere Streiks durch und stürmtenmancherorts die Lebensmittellager.In Mexiko startete die herrschendeSchicht eine groß angelegte Offensivegegen die Arbeiterklasse. Im August1931 wurden neue Arbeitsgesetze erlassen,in denen das Verbot aller politischenStreiks und die Zwangsschlichtung allerKonflikte zwischen Unternehmern undArbeitern durch Schiedsgerichte dekretiertwurden. Dagegen und gegen dieEntlassungen und den fortgesetztenLohnraub wehrte sich die Arbeiterbewe-3/09


6 Beiträgegung mit zahlreichen Streiks und Protestdemonstrationen.Ende 1929 wurde<strong>der</strong> gesamte Eisenbahnverkehr durchStreik für mehrere Tage völlig lahm gelegt.In den Jahren 1930 bis 1932 streiktendie Bergleute, die Arbeiter <strong>der</strong> Elektrizitätswerkeund an<strong>der</strong>er Kommunalbetriebe,die TextilarbeiterInnen und dieArbeiterInnen in <strong>der</strong> Schuhindustrie.Kuba, dessen Zuckerindustrie in normalenZeiten 80% des Nationaleinkommenserwirtschaftete, wurde von <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrisebeson<strong>der</strong>s schwer getroffen.Der Zuckerexport verringerte sich um einDrittel, die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen stieg auf600.000. Der starke Exportrückgang hatteeine drastische Kürzung <strong>der</strong> für Kuba sonotwendigen Lebensmitteleinfuhren zurFolge, wodurch die Masse <strong>der</strong> werktätigenBevölkerung zum Hunger verurteiltwurde. Im Sommer 1933 erfasste einemächtige Streikwelle die Karibikinsel, inZahlen zur Weltwirtschaftskrise 1929–1933Index <strong>der</strong> Industrieproduktion in ausgewählten Län<strong>der</strong>n (1929 = 100)1930 1931 1932 1933USA 81 68 54 64Deutschland 86 68 53 61Großbritannien 92 84 83 88Frankreich 99 86 72 81Kohleför<strong>der</strong>ung (in Millionen Tonnen) 1929 1932USA 551,2 325,4Großbritannien 262,0 212,1Deutschland 215,8 141,5Frankreich 54,5 46,9Stahlerzeugung (in Millionen Tonnen) 1929 1932USA 57,3 13,9Großbritannien 9,8 5,3Deutschland 18,2 7,1Frankreich 9,7 5,6Außenhandel in Millionen DollarExport 1929 1932 Import 1929 1932USA 5157 1576 4339 1325Großbritannien 3549 1280 5407 2276Deutschland 3212 1367 3203 1112Frankreich 1966 774 2282 1171Preise verschiedener Rohstoffe 1929–19331929 1930 1931 1932 1933Kakao 10,79 6,26 4,47 3,71 4,60Kaffee 23,5 10,5 8,4 10,5 9,2Zucker 3,98 3,14 3,28 2,72 2,96Weizen 1,50 0,77 0,71 0,49 0,54Baumwolle 18,04 9,16 5,78 4,99 6,19Mais 91,9 64,9 34,5 18,8 20,6Seide 5,20 2,69 2,18 1,27 2,17Kautschuk 20,56 8,19 4,63 2,69 3,03Zink 6,78 4,09 3,15 2,79 3,01Zinn 45,38 25,27 21,35 19,24 24,34Blei 6,80 4,95 3,59 2,88 3,03Exportrückgang ausgewählter Län<strong>der</strong> 1929–1933Exportrückgang in % Landüber 80Chile75–80 China70–75 Kuba, Peru, Bolivien, Malaya65–70 Argentinien, Guatemala, Mexiko, Kanada,Indien, Ceylon, Indonesien, Irland, Spanien60–65 Brasilien, Nicaragua, Ägypten, Nigeria, Griechenland,Ungarn, Nie<strong>der</strong>lande, Polen, Jugoslawien55–60 Ecuador, Honduras, Dänemark, Neuseeland50–55 Kolumbien, Paraguay, Australien, Bulgarien, Finnland45–50 Iran, Norwegen, Portugal, Rumänien30–45 Venezuela, Türkei, Philippinen<strong>der</strong>en Verlauf die Arbeiter Selbstschutzabteilungenbildeten und etliche Fabrikenbesetzten. Am 14. Juli 1933 begann inHavanna ein Streik <strong>der</strong> Omnibusfahrer,<strong>der</strong> auf einen Aufruf <strong>der</strong> Gewerkschaftenhin durch Solidaritätsstreiks in an<strong>der</strong>enBetrieben unterstützt wurde. Am 4. August1933 wuchs die Bewegung in einenGener<strong>als</strong>treik über, <strong>der</strong> sowohl die Industrie<strong>als</strong> auch den Handel und den Verkehrerfasste.In Indien, wo die Löhne um 30 bis40% sanken, führte die Arbeiterschaftheftige ökonomische Kämpfe. 1929streikten 532.000 Arbeiter, vor allemTextilarbeiter, Arbeiter <strong>der</strong> JuteindustrieKalkuttas und die Eisenbahner vonMadras und Lahore. An den Streiks desJahres 1930 beteiligten sich mehr <strong>als</strong>200.000 Menschen; die meisten Ausständewurden von den Arbeitern Bombaysinitiiert. Am besten organisiert war einStreik <strong>der</strong> 80.000 Bediensteten <strong>der</strong>„Groß-Indischen Eisenbahn“, <strong>der</strong> fast einJahr dauerte. Auch in den folgenden Jahrenfanden in <strong>der</strong> Juteindustrie Bengalens,in den Textilfabriken von Madras,im Pandschab und in an<strong>der</strong>en Industriezentrengroße Streikkämpfe statt.In <strong>der</strong> französischen Kolonie Indochina(Vietnam, Kambodscha und Laos)wurden 1930 an die 100 Streiks durchgeführt.In Nam-dinh streikten mehreretausend Textilarbeiter, und die Färberschlossen sich mit Solidaritätsstreiks an.Als die Streikführer verhaftet wurden,kam es in <strong>der</strong> Stadt zu einer großen Protestdemonstration,an <strong>der</strong> sich erstmaligauch Frauen beteiligten. Bald danachgriff die Ausstandsbewegung auch aufan<strong>der</strong>e Bezirke Vietnams über, so auf dieBergwerke im Kohlenrevier von Hanschai,auf das Werk „Ba-schon“ in Saigon,auf die Zündholzfabrik in Benthjuiund auf die Elektrizitätswerke von Hanoiund Haiphong. Im März und April 1930streikten außerdem 1.300 Kulis auf denPlantagen des französischen KautschukkönigsMichelin in <strong>der</strong> Provinz Bienhoa.Kurz darauf, im Mai 1930, beganneine Welle von Massenaktionen <strong>der</strong> Bauern.Unter den Losungen „Das Land denBauern!“, „Weg mit den Steuern!“ und„Hilfe den Dürregeschädigten!“ protestierten20.000 Bauern von Ngo-an gegenihr Dasein, das sich von Sklavenbedingungenkaum unterschied.Bürgerlicher Staat und Kriseam Beispiel des „New Deal“Bei <strong>der</strong> retrospektiven Einschätzung<strong>der</strong> verheerenden Auswirkungen <strong>der</strong>Weltwirtschaftskrise seitens bürgerlicher3/09


Beiträge 7Ökonomen und Historiker wird in <strong>der</strong>Regel die dam<strong>als</strong> fehlende „Krisenfeuerwehr“<strong>als</strong> Grund angegeben. Die Regierungenin den USA, Deutschland, Großbritannien,Frankreich, Österreich undan<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n seien dem Nie<strong>der</strong>gang<strong>der</strong> Volkswirtschaften rat- und machtlosgegenübergestanden und hätten noch dazuf<strong>als</strong>ch reagiert. Die richtigen Mittelzur Krisenbekämpfung seien hingegenvon Roosevelt mit dem „New Deal“praktisch angewandt und von Keynesmit seinem Rezept des antizyklisch wirkendenstaatlichen „Deficit-Spendings“theoretisch ausgearbeitet worden.Darin liegt zweifellos ein Stück Wahrheit.Betrachtet man aber den ab Herbst1932 einsetzenden (zwar noch zaghaften,aber doch zu konstatierenden) Wie<strong>der</strong>belebungsprozessdes Weltkapitalismusnäher, ergibt sich ein nüchterneres Bild.Denn es waren in erster Linie die innerenMechanismen des Systems, die spontanenökonomischen Reaktionen <strong>der</strong> kapitalistischenWirtschaft, die Ablösung <strong>der</strong>Vorherrschaft <strong>der</strong> Störungsfaktorendurch das allmähliche Überwiegen entgegenwirken<strong>der</strong>,krisenabschwächen<strong>der</strong>und krisenüberwinden<strong>der</strong> Faktoren, diedie Voraussetzung für einen neuen Aufschwungschufen. Am Beispiel <strong>der</strong> USAsei das erläutert.Die republikanische Regierung HerbertHoovers, die im März 1929 nur siebenMonate vor dem großen Krach dieAmtsgeschäfte übernommen hatte, standtatsächlich <strong>der</strong> Krise weitgehend hilflosgegenüber. Sie unternahm im Interesseeiner Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> Wirtschaft nurwenig, und das auch noch verspätet, undkaum etwas zur Mil<strong>der</strong>ung ihrer sozialenFolgen. Es wäre aber f<strong>als</strong>ch, Hoover <strong>als</strong>engstirnigen Konservativen anzusehen.Er besaß in Wirtschaftsfragen beträchtlicheErfahrungen und verfügte über politischeFähigkeiten, die ihn unter an<strong>der</strong>enUmständen zu einem <strong>der</strong> bedeutendstenPräsidenten <strong>der</strong> USA gemacht hätten.Hoover blieb gegenüber <strong>der</strong> Krise auchnicht völlig untätig. Dazu war die Lagezu ernst. Er setzte jedoch auf die selbstregulierendenKräfte <strong>der</strong> kapitalistischenWirtschaft, auf die volle Freiheit <strong>der</strong> Unternehmerinitiative,auf die „freiwillige“Kooperation von Staat und Monopolen,hauptsächlich in Form von Regierungsunterstützungenfür die Großkonzerneund weniger in Form einer direktenstaatlichen Wirtschaftsregulierung.Außerdem dehnte Hoover seine Maßnahmennicht auf die Sphäre <strong>der</strong> sozialenBeziehungen aus. Für die Unterstützung<strong>der</strong> Arbeitslosen und sozial Schwachenwaren nach seinem Konzept lediglich lokaleWohlfahrtseinrichtungen und privateHilfsorganisationen zuständig.Als im Sommer 1932 die Krise in ökonomischerHinsicht ihren Tiefpunkt erreichte,begann zwischen Hoover undRoosevelt die Kampagne für die nächstePräsidentenwahl. Die Situation in denUSA war mittlerweile <strong>der</strong>art konfliktgeladen,dass man es bei herkömmlichenSchritten zur Überwindung <strong>der</strong> wirtschaftlichenKrisenfolgen nicht bewendenlassen konnte. Zur vordringlichsten Aufgabewurde die Wie<strong>der</strong>befestigung <strong>der</strong>Massenbasis des amerikanischen Kapitalismusund seines politischen Herrschaftssystems.Nach Lage <strong>der</strong> Dinge konnte dasnur durch soziale Reformen und demokratischeZugeständnisse erreicht werden.Genau darauf zielten die VersprechungenRoosevelts ab, <strong>der</strong> damit am 8. November1932 einen eindeutigen Wahlsiegerrang. Als er am 4. März 1933 <strong>als</strong> Präsidentangelobt wurde, war die T<strong>als</strong>ohle<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise bereits durchschritten.Dennoch blieben die Ergebnisseseiner „New Deal“-Reformpolitikwährend <strong>der</strong> berühmten „Hun<strong>der</strong>t Tage“Neuerscheinungen(März bis Juni 1933) ziemlich bescheiden.Die Industrieproduktion verzeichnetenur eine langsame Aufwärtsentwicklungund befand sich 1935 immer nochdeutlich unter dem Vorkrisenstand. DieArbeitslosenzahlen verringerten sich bis1935 zwar um einige Millionen, lagenaber immer noch bei elf Millionen. DieReallöhne, die in <strong>der</strong> Krise stark gesunkenwaren, stiegen ab 1933 wie<strong>der</strong> an, erreichten1935 aber ebenfalls noch nichtwie<strong>der</strong> den Stand von 1929. Es waren diegroßen Konzerne, die im Bereich <strong>der</strong>Einkommen durch steigende Gewinnezunächst am deutlichsten von den Maßnahmen<strong>der</strong> ersten Phase des „New Deal“profitierten, während sich die Lebensbedingungen<strong>der</strong> städtischen und ländlichenwerktätigen Massen nur langsam und ungleichmäßigverbesserten.Erst in <strong>der</strong> zweiten Phase des „NewDeal“ ab 1935 mit einer Reihe von wichtigenSozialgesetzen gelang es, die ökonomischeWie<strong>der</strong>belebung und Stabilisierungdes durch die Weltwirtschaftskriseschwer erschütterten amerikanischenKapitalismus zu erreichen und seineMassenbasis durch wirtschaftliche,Hans Hautmann (Hg.): „Wir sind keine Hunde“. Das Protokoll desArbeitertages vom 5. November 1916 in WienMit einem Anhang: „Zur Naturgeschichte des Eisenkartells“Wien: Verlag <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>2009</strong> (Quellen & Studien, Son<strong>der</strong>band11), 112 S., 8,– Euro, ISBN 978–3–9501986–7–6Die beiden im Buch wie<strong>der</strong>gegebenen und mit einer Einleitung versehenenDokumente aus <strong>der</strong> Zeit des Ersten Weltkriegs in Österreichsind drastische Beispiele dafür, zu welchen Resultaten dieAusbeutung arbeiten<strong>der</strong> Menschen im kapitalistischen Systemführen kann. Da sich in manchen Bereichen <strong>der</strong> Beziehungen zwischenKapital und Arbeit die heutigen Zustände den einstigen bereitswie<strong>der</strong> annähern, kann die Lektüre <strong>der</strong> Dokumente neben demhistorischen auch aktuellen Erkenntniswert für sich beanspruchen.Peter Goller: „Während <strong>der</strong> Schlacht ist es schwer,Kriegsgeschichte zu schreiben, …“ Geschichtsschreibung<strong>der</strong> österreichischen Arbeiterbewegungvor 1934. Wien: Verlag <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>2009</strong>(Quellen & Studien, Son<strong>der</strong>band 10)112 S., 8,– Euro, ISBN 978–3–9501986–6–9Viktor Adler hat 1908 bedauert, dass die „notwendigsten Vorarbeitenfür ein eindringendes Verständnis <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> proletarischenBewegung fehlen“: „Während <strong>der</strong> Schlacht ist es schwer,Kriegsgeschichte zu schreiben, (…).“ Die bürgerliche Geschichtswissenschaft an denösterreichischen Universitäten ignorierte das Thema. Vielmehr entstanden die ersten historischenRückblicke am Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zur eigenen Selbstverständigung,zum „Behelf <strong>der</strong> Agitation“ aus <strong>der</strong> sozialdemokratischen und auch aus <strong>der</strong> „an<strong>der</strong>en“ radikalenArbeiterbewegung selbst. Wichtige erste Beiträge zur Geschichte <strong>der</strong> österreichischenArbeiterbewegung lieferten etwa Carl Grünberg, Ludwig Brügel, Julius Deutsch,Emil Strauß o<strong>der</strong> August Krcal.Bezugsmöglichkeit: klahr.gesellschaft@aon.at3/09


8 Beiträgesoziale und politische Reformen in bürgerlich-liberalerRichtung zu stärken undzu festigen.3/09Politische FolgenDie USA waren schon dam<strong>als</strong> daswichtigste Land <strong>der</strong> kapitalistischenWelt, aber nur eines unter vielen, in denendie Entwicklung eine an<strong>der</strong>e Richtungnahm. Generell betrachtet untergrubdie Weltwirtschaftskrise in breiten Bevölkerungsschichtenden Glauben an dieStabilität und Rationalität des kapitalistischenWirtschaftssystems, und die Erbitterungüber die entstandene Lage führtezu einem Anwachsen antikapitalistischerStimmungen. Auf <strong>der</strong> einen Seite wurdedadurch das Lager des Sozialismus und<strong>der</strong> nationalen Befreiungsbewegung inden Kolonien und abhängigen Län<strong>der</strong>ngestärkt, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber auchdie Tendenz <strong>der</strong> herrschenden Klassen,angesichts <strong>der</strong> Labilität ihrer Lage aufden bürgerlichen Parlamentarismus zuverzichten und zum Zweck <strong>der</strong> Unterdrückung<strong>der</strong> Arbeiter- und kommunistischenBewegung auf die Errichtung faschistischerDiktaturen Kurs zu nehmen.Während in Spanien 1931 eine Revolutionausbrach, <strong>der</strong> König gestürzt und dieRepublik errichtet wurde, marschierte imgleichen Jahr in Ostasien die japanischeArmee in Nordchina ein und eroberte dieMandschurei. In allen Teilen <strong>der</strong> Weltbildeten sich neue Spannungsherde. Dieeuropäischen faschistischen Bewegungengewannen aus dem Heer des durchdie Weltwirtschaftskrise entwurzeltenÖffentlicher Vortrag vonDr. Harald W<strong>als</strong>er(Abgeordneter zum Nationalrat,Bildungssprecher imGrünen Parlamentsklub)Schule und GerechtigkeitProbleme unseres Schulsystemsund mögliche Auswegeanschließend DiskussionSa., 28. November <strong>2009</strong>, 14.00Café 7SternSiebensterngasse 31, 1070 WienUnmittelbar imAnschluss an denVortrag findet dieGeneralversammlung<strong>der</strong> ALFRED KLAHRGESELLSCHAFT statt.Kleinbürgertums eine Massenbasis. DerNation<strong>als</strong>ozialismus konnte bei denReichstagswahlen 1930 und 1932 seineStimmen sprunghaft erhöhen, wurde zurstärksten Partei in Deutschland und gelangteim Jänner 1933 auf massivesDrängen des Monopolkapit<strong>als</strong> an dieMacht. Die Zahl <strong>der</strong> faschistisch o<strong>der</strong> autoritärregierten Staaten, darunter Österreich,wuchs, die Demokratie befandsich auf dem Rückzug. Mit Riesenschrittennäherte sich so die Menschheit <strong>der</strong>nächsten Katastrophe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts,dem Zweiten Weltkrieg.Auswahlbibliographie:Otto Bauer, Kapitalismus und Sozialismus nachdem Weltkrieg, Bd. 1: Rationalisierung undFehlrationalisierung, Wien 1931Eugen Varga, Die große Krise und ihre politischenFolgen. Wirtschaft und Politik1928–1934, Moskau 1934Eugen Varga, 20 Jahre Kapitalismus und Sozialismus,Moskau 1938Kurt W. Rothschild, Austria’s Economics DevelopmentBetween the Wars, London 1947Andres Predöhl, Die Epochenbedeutung <strong>der</strong>Weltwirtschaftskrise von 1929–1932, in: Vierteljahrsheftefür Zeitgeschichte, München,Jg. 1953, <strong>Nr</strong>. 1Wilhelm Grotkopp, Die große Krise. Lehren aus<strong>der</strong> Überwindung <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise1929/32, Düsseldorf 1954Kurt W. Rothschild, Wurzeln und Triebkräfte<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> österreichischen Wirtschaftsstruktur,in: Österreichs Wirtschaftsstrukturgestern – heute – morgen, hg. vonWilhelm Weber, Bd. 1, Berlin 1961Andreas Predöhl, Das Ende <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise.Eine Einführung in die Probleme<strong>der</strong> Weltwirtschaft, Hamburg 1962Jürgen Kuczynski, Studien zur Geschichte <strong>der</strong>zyklischen Überproduktionskrisen in Deutschland1918 bis 1945, 2. Aufl., Berlin 1965 = DieGeschichte <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Arbeiter unter demKapitalismus, Bd. 15Weltgeschichte in zehn Bänden, Hauptredaktion:J. M. Shukow (Leiter), Bd. 9, Berlin 1967Karl Ausch, Als die Banken fielen. Zur Soziologie<strong>der</strong> politischen Korruption, Wien–Frankfurt/M.–Zürich1968Wolfram Fischer, Deutsche Wirtschaftspolitik1918–1945, 3. Aufl., Opladen 1968Eric J. Hobsbawm, Industrie und Empire. BritischeWirtschaftsgeschichte seit 1750, 2 Bände,Frankfurt/M. 1969Kurt Gossweiler, Großbanken-Industriemonopole-Staat.Ökonomie und Politik des staatsmonopolistischenKapitalismus in Deutschland1914–1932, Berlin 1971Charles P. Kindleberger, Die Weltwirtschaftskrise1929–1939 = Geschichte <strong>der</strong> Weltwirtschaftim 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, hrsg. von Wolfram Fischer,Band 4, München 1973Hans Mottek/Walter Becker/<strong>Alfred</strong> Schröter,Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Ein Grundriss,Band III: Von <strong>der</strong> Bismarckschen Reichsgründung1871 bis zur Nie<strong>der</strong>lage des faschistischendeutschen Imperialismus 1945, 2. Aufl.,Berlin 1975Karl Haas, Industrielle Interessenpolitik in Österreichzur Zeit <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise, in: Jahrbuchfür Zeitgeschichte, Wien, Jg. 1978, <strong>Nr</strong>. 1Dieter Stiefel, Arbeitslosigkeit. Soziale, politischeund wirtschaftliche Auswirkungen – amBeispiel Österreichs 1918–1938, Berlin 1979Hans Kernbauer/Eduard März/Fritz Weber, Diewirtschaftliche Entwicklung, in: Österreich1918–1939. Geschichte <strong>der</strong> Ersten Republik,hg. von Erika Weinzierl und Kurt Skalnik, Graz1983, Bd. 1Rüdiger Horn/Peter Schäfer, Geschichte <strong>der</strong>USA 1914–1945, Berlin 1986Dieter Stiefel, Die große Krise in einem kleinenLand. Österreichische Finanz- und Wirtschaftspolitik1929–1938, Wien 1988Dieter Stiefel, Finanzdiplomatie und Weltwirtschaftskrise– die Krise <strong>der</strong> Credit-Anstalt 1931und ihre wirtschaftlich-politische Bewältigung,Frankfurt/M. 1988Harold James, Deutschland in <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise1929–1936, Stuttgart 1988Peter Wilding, „...für Arbeit und Brot“. Arbeitslosein Bewegung. Arbeitslosenpolitik und Arbeitslosenbewegungin <strong>der</strong> Zwischenkriegszeitin Österreich, Wien–Zürich 1990 = Materialienzur Arbeiterbewegung 55Fritz Blaich, Der schwarze Freitag. Inflation undWirtschaftskrise, München 1990Rainer Meister, Die große Depression. Zwangslagenund Handlungsspielräume <strong>der</strong> Wirtschafts-und Finanzpolitik in Deutschland1929–1932, Regensburg 1991Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik.Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalterbis zur Gegenwart, Wien 1995 = ÖsterreichischeGeschichte, hg. von Herwig WolframFritz Weber, Die wirtschaftliche Entwicklung,in: Handbuch des politischen Systems. ErsteRepublik 1918–1933, hg. von Tálos/Dachs/Hanisch/Staudinger, Wien 1995Fritz Weber, Staatliche Wirtschaftspolitik in <strong>der</strong>Zwischenkriegszeit, in: Handbuch des politischenSystems. Erste Republik 1918–1933, hrsg. vonTálos/Dachs/Hanisch/Staudinger, Wien 1995Philipp Heyde, Das Ende <strong>der</strong> Reparationen.Deutschland, Frankreich und <strong>der</strong> Young-Plan1929–1932, Pa<strong>der</strong>born 1998Eric Hobsbawm, Das Zeitalter <strong>der</strong> Extreme.Weltgeschichte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, 4. Aufl.,München 2000Gerhard Senft, Im Vorfeld <strong>der</strong> Katastrophe. DieWirtschaftspolitik des Ständestaates. Österreich1934–1938 = Vergleichende <strong>Gesellschaft</strong>sgeschichteund politische Ideengeschichte <strong>der</strong>Neuzeit, Bd. 15, Wien 2002


Aus dem Archiv 9Die österreichische Sozialdemokratie über die WeltwirtschaftskriseAm 9. November 1930 fanden in ÖsterreichNationalratswahlen statt, übrigensdie letzten <strong>der</strong> Ersten Republik. Im„Sozialdemokratischen Wahlhandbuch“,einem Konvolut von 34 Heftenmit Argumentationsunterlagen für dieFunktionäre im Wahlkampf, beschäftigtsich das Heft 1 mit <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise.Der Text ist sowohl deshalb bemerkenswert,weil er zu einem frühenZeitpunkt entstand, im Sommer 1930,<strong>als</strong> die Krise ihr volles Ausmaß nochkeineswegs erreicht hatte, <strong>als</strong> auch deshalb,weil er die Krisenursachen marxistischkorrekt erklärt. Der Wortlaut istum eine Passage unwesentlichen Inhaltsgekürzt. Die Hervorhebungen folgendem Original.HANS HAUTMANNWeltkrise und KapitalismusDie Wirtschaft <strong>der</strong> ganzen Welt ist voneiner beispiellosen Krise ergriffen.Der Bankrott großer Firmen aus den verschiedenstenLän<strong>der</strong>n wird gemeldet, dieBodenkreditanstalt, die Frankfurter AllgemeineVersicherungsanstalt, <strong>der</strong> englischeHatry-Konzern, durchwegs Finanzinstitutegrößten Ausmaßes, von denen Industrieunternehmungenmit Tausenden von Arbeiternabhängen, haben schimpflichenZusammenbruch erlebt.Nur wenige Län<strong>der</strong> konnten bisher <strong>der</strong>Krise entgehen, die überall die Arbeitslosigkeitins Maßlose steigert, die Betriebezum Stillstand bringt, die Warenlager anwachsenund die Preise sinken lässt. Wieschon so oft, wie<strong>der</strong>holt sich das Schauspiel,dass in <strong>der</strong>selben Zeit, da Millionenvon Menschen hungern, die Scheunen <strong>der</strong>Landwirte voll sind von Getreide, das sienicht verkaufen können, dass zu <strong>der</strong>selbenZeit, da die Menschen sich nichts zum Anziehenkaufen können, die Spinnereienund Webereien wegen Absatzmangelssperren müssen. Man schätzt die Zahl <strong>der</strong>Arbeitslosen in den Vereinigten Staatenauf 5 bis 6 Millionen, sie beträgt inDeutschland jetzt, in <strong>der</strong> günstigsten Zeit,rund 2 Millionen und wird im Winter vielleicht3 Millionen übersteigen. Etwaebenso hoch ist die Arbeitslosigkeit inEngland, so dass in diesen drei Län<strong>der</strong>n,die für den Weltmarkt ausschlaggebendsind, allein etwa 10 Millionen Menschenzu feiern gezwungen sind.Rechnen wir dazu die Erwerbslosigkeitin Österreich, Italien, Ungarn, Polen, Indien,im Fernen Osten, so können wir dieZahl <strong>der</strong> durch diese Krise aus ihrem Berufgerissenen Arbeiter und Angestelltenauf etwa 15 Millionen schätzen. Die Bedeutungdieser Zahl wird so recht klar,wenn man bedenkt, dass in Deutschlandnach <strong>der</strong> letzten Betriebszählung in Handel,Gewerbe, Industrie und Verkehr rund17 Millionen Menschen beschäftigt waren.Es sind <strong>als</strong>o heute in <strong>der</strong> Welt etwasoviel Menschen arbeitslos, <strong>als</strong> inDeutschland Beschäftigung finden.Wodurch ist diese Krise zu erklären?Noch im vorigen Jahr war in den meistenLän<strong>der</strong>n eine gute Konjunktur zu verzeichnen.Namentlich gilt das von den VereinigtenStaaten, wo alle Produktionsziffernunerhörte Rekorde erreichten, wo es keineArbeitslosigkeit gab, wo die Preise hochwaren und im Handel sowie an <strong>der</strong> Börsegut verdient wurde. Aber gerade diese fieberhafteAnspannung <strong>der</strong> Produktion führtedie Krise herbei. Die Planlosigkeit desKapitalismus ließ auf den wichtigsten Gebietenmehr produzieren, <strong>als</strong> <strong>der</strong> Marktaufnehmen konnte, und so kam es schließlichzu einem völligen Zusammenbruch.(...) Die Begleiterscheinung je<strong>der</strong> gutenKonjunktur ist die Spekulation auf denWaren- und Wertpaperbörsen. Sie erreichtenamentlich in Neuyork einen Umfang,den man sich in Europa kaum vorstellenkann. Die Kredite, die zu Spekulationszweckenan die Börsenhändler inNeuyork gegeben wurden, wuchsen imSeptember 1929 auf die phantastischeSumme von 8,5 Milliarden Dollar an, dassind rund 60 Milliarden Schilling. EndeOktober 1929 erfolgte ein plötzlicher Zusammenbruchan <strong>der</strong> Neuyorker Börse,<strong>der</strong> binnen wenigen Tagen die Kurse <strong>der</strong>wichtigsten Wertpapiere auf den halbenStand herunterdrückte. Damit setzte dieKrise ein, die binnen kurzer Zeit dieganze Welt ergriff. Während in den Zeiten<strong>der</strong> wildesten Spekulation Zinsen von8, 10 und 12 Prozent bezahlt wurden,herrscht jetzt auf einmal Geldüberfluss,weil niemand mehr sein Geld in Spekulationeno<strong>der</strong> in sonstige Unternehmungenstecken wollte. Während vor einem Jahrenicht Geld genug für Spekulationszweckeaufzutreiben war, wird heute in Neuyork,in Paris und London Geld zu 1 und 2 ProzentZinsen angeboten, ohne dass sichgenügend Abnehmer fänden, die denGeldgebern die erfor<strong>der</strong>lichen Sicherheitenfür die Rückzahlung stellen können.Der Kapitalismus steht dieser Krise, <strong>der</strong>enAusmaße in <strong>der</strong> Geschichte beispiellosdastehen, nahezu hilflos gegenüber, jaseine Versuche, sie durch Schutzzölle undKartelle zu lin<strong>der</strong>n, führen nur zu ihrerVerschärfung. Zur gleichen Zeit verlangendie Kapitalisten vom Staate, er mögedurch große Staatsaufträge Arbeit und Beschäftigungschaffen, aber auch die Steuernherabsetzen, die angeblich die Produktionbehin<strong>der</strong>n, ohne zu bedenken,dass sie damit dem Staate die Mittel entziehen,aus denen allein er die öffentlichenArbeiten bestreiten könnte. Zur gleichenZeit verlangen sie weiter eine Herabsetzung<strong>der</strong> Produktionskosten und Emportreibung<strong>der</strong> Zölle, die ihrerseits wie<strong>der</strong>die Preise und damit die Produktionskostenerhöhen und die ihnen erst dieGründung <strong>der</strong> preistreibenden Kartelle ermöglichen.Ohne Rücksicht auf die Preiserhöhungenfor<strong>der</strong>n sie von <strong>der</strong> ArbeiterschaftLohnsenkungen, ohne zu bedenken,dass jede Lohnherabsetzung auch eineVermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Leistung herbeiführtund dass <strong>der</strong> Arbeiter bei geringerenLöhnen auch weniger kaufen kann,wodurch die Industrien, die Lebensmittelfür ihn herstellen, noch weiter in die Krisehineingetrieben werden.In diesen For<strong>der</strong>ungen zeigt sich aufsdeutlichste <strong>der</strong> innere Wi<strong>der</strong>spruch <strong>der</strong>kapitalistischen Wirtschaft, <strong>der</strong> immerwie<strong>der</strong> zum Ausbruch kommen und <strong>der</strong>die Welt stets von neuem in Krisenschleu<strong>der</strong>n muss. Solange die Produktionnicht geregelt ist, solange sich ihre Gesetzemit <strong>der</strong> zerstörenden Gewalt von Naturgesetzendurchsetzen, solange wird dieWelt immer wie<strong>der</strong> von Krisen erschüttert,solange werden Arbeiter immer wie<strong>der</strong>dem Elend <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit preisgegebenwerden. Der Kapitalismus selbstist außerstande, dieses blinde Spiel <strong>der</strong>Kräfte zu beherrschen, weil er nur demschrankenlosen Trieb zum Profit zu folgenvermag. Dieser Trieb lässt ihn jedeVernunft vergessen und macht jede Regelungdes Wirtschaftslebens unmöglich.Diese wird erst dann erfolgen können,wenn an die Stelle <strong>der</strong> Regellosigkeit diePlanmäßigkeit, wenn an die Stelle desProfitstrebens das Streben nach möglichsterBefriedigung <strong>der</strong> Bedürfnisse <strong>der</strong> Gesamtheit,wenn an die Stelle <strong>der</strong> monopolistischenHerrschaftsmacht einiger wenigerFinanzleute, Industriekapitäne undGroßgrundbesitzer die organisierte Macht<strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> – mit einem Wort, wennan die Stelle des kapitalistischen Systems<strong>der</strong> Sozialismus gesetzt wird.3/09


10 BeiträgeWege <strong>der</strong> „wissenschaftlichen Weltauffassung“Das Rostocker Ehrendoktorat <strong>der</strong> Medizin für den kommunistischenWissenschaftler und Arzt Georg Fuchs aus Wien (1973)GERHARD OBERKOFLERMit <strong>der</strong> Berufung (1922) von MoritzSchlick (1882–1936) nachWien <strong>als</strong> Nachfolger von ErnstMach (1838–1916) hatte die „wissenschaftlicheWeltauffassung“ im „RotenWien“ ihren Kristallisationspunkt erhalten.1 Zur Ethik <strong>der</strong> Anhänger <strong>der</strong> „wissenschaftlichenWeltauffassung“ gehörtedie in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Aufklärung wurzelndeHaltung, die Wissenschaft habevor allem das menschliche Wohl zu för<strong>der</strong>n,und zwar aller Menschen und nichtdas einer privilegierten Min<strong>der</strong>heit. Diebeiden österreichischen Chemiker EngelbertBroda (1910–1983) und ThomasSchönfeld (1923–2008) vertreten in <strong>der</strong>Einleitung ihres Buches über die technischenAnwendungen <strong>der</strong> Radioaktivitätdie Auffassung: „Es kann natürlich keinewahre Wissenschaft geben, die nichtfrüher o<strong>der</strong> später zu einer Vergrößerungdes Wohlstands <strong>der</strong> menschlichen<strong>Gesellschaft</strong> führt.“ 2 Schlick, <strong>der</strong> einOpfer <strong>der</strong> reaktionären Wiener Atmosphäregeworden ist, war ab 1911 in Rostocktätig gewesen und hat dort für seinenFreund Albert Einstein (1879–1955)aus Anlass des 500-jährigen Bestehens<strong>der</strong> Rostocker Universität das Ehrendoktorat<strong>der</strong> Medizin (1919) erreicht, es wardies für den Weltgelehrten des 20. Jahrhun<strong>der</strong>tsdas einzige Ehrendoktorat einerdeutschen Universität, wie ihm ja auchvon einer offiziellen akademischen StelleÖsterreichs keine Ehrung zuteil gewordenist. Über die vielfältigen Kontaktevon Einstein zu Österreich, <strong>der</strong> <strong>als</strong> Ordinariusan <strong>der</strong> k. k. deutschen Karl-FerdinandsUniversität in Prag 1911 bis1912 österreichischer Staatsbürger war,hat <strong>der</strong> auch um die Kenntnis <strong>der</strong> materialistischenGrundlagen <strong>der</strong> österreichischenWissenschaftsgeschichte so verdienteEngelbert Broda in <strong>der</strong> Chemisch-Physikalischen <strong>Gesellschaft</strong> in Wien imApril 1979 einen Vortrag gehalten, dener für eine Monographie erweiterte. 3 Esmag über den historischen Zufall hinausreichen,dass <strong>der</strong> im Umfeld <strong>der</strong> „wissenschaftlichenWeltauffassung“ <strong>der</strong> WienerUniversität heran gereifte GeorgFuchs (geb. in Wien, 25. Oktober 1908,gestorben in Wien, 7. April 1986) 4 ebenfallsdas Ehrendoktorat <strong>der</strong> Medizin inRostock erhalten hat.3/09Studium <strong>der</strong> Medizin undPhysik in Konfrontation mit <strong>der</strong>gesellschaftlichen WirklichkeitGeorg Fuchs ist <strong>der</strong> Sohn des aus demdeutsch jüdischen Prag stammendenWiener Neurologen <strong>Alfred</strong> Fuchs (1870–1927) 5 , sein Bru<strong>der</strong> ist Albert Fuchs(1905–1946), <strong>der</strong> durch sein Buch „GeistigeStrömungen in Österreich 1867–1918“ (Wien 1949) in bleiben<strong>der</strong> Erinnerungist. In Neuauflagen sind Vorwortevon Georg Knepler (1906–2003), dannvon Friedrich Heer (1916–1983) abgedruckt.6 Albert Fuchs hat in <strong>der</strong> englischenEmigration die privilegierte, liberalbildungsbürgerliche Atmosphäre seinesElternhauses („Ein Sohn aus gutemHaus“) dargestellt. Georg Fuchs studiertean <strong>der</strong> Wiener Universität nach <strong>der</strong>Reifeprüfung am Bundesreformrealgymnasiumin Wien VIII (28. Juni 1927) Medizinund wurde am 9. Juni 1933 zumDr. med. promoviert. Während seinesStudiums hatte er ein beson<strong>der</strong>es Interessefür Strahlenheilkunde entwickelt, <strong>als</strong><strong>der</strong>en Pionier <strong>der</strong> aus einer jüdischböhmischen Familie stammende LeopoldFreund (1868–1943) anzusehen ist. 7Freund, 1938 nach Brüssel geflüchtet,hat in Wien mit seinen Versuchen 1896nur wenige Monate nach <strong>der</strong> Entdeckungvon sehr durchdringenden Strahlendurch Wilhelm Konrad Röntgen (1845–1923) begonnen. Zur weiteren Spezialisierunginskribierte Fuchs nach Abschlussdes Medizinstudiums mit Beginndes Sommersemesters 1933 an <strong>der</strong> philosophischenFakultät <strong>der</strong> Wiener UniversitätPhysik und Mathematik. Er arbeitete<strong>als</strong> Gastarzt an <strong>der</strong> I. MedizinischenKlinik und erhielt von Oktober 1933 bisMai 1934 eine Ausbildung zum Röntgenfacharztbeim Primar Fritz Eisler(1883–1936) am Röntgeninstitut imWiedner Krankenhaus. Fuchs besuchteVorlesungen einschließlich „wissenschaftlichesArbeiten“ bei Stefan Meyer(1872–1949), <strong>der</strong> seit 1910 dem neugegründetenInstitut für Radium-Forschung<strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften in Wien(Boltzmanngasse 3) vorstand, hörtebeim Experimentalphysiker Felix Ehrenhaft(1879–1952), beim TheoretischenPhysiker Hans Thirring (1888–1976),beim Spezialisten für allgemeine RelativitätstheorieFriedrich Kottler (1886–1965), <strong>der</strong> sich mit Hilfe von Einstein indie USA retten konnte, beim Spezialistenfür Spektroskopie Eduard Haschek(1875–1947) und beim MathematikerPhilipp Furtwängler (1869–1940). OrganischeChemie hat Fuchs bei Ernst Späth(1886–1946) belegt, Physikalische Chemiebei Hermann Mark (1895–1992). Eineeinstündige Vorlesung von ArthurHaas (1884–1941) über Vektoranalysehatte er vor dessen Abreise in die USAbesucht. Mit Karl Przibram (1878–1973)diskutierte Fuchs im Radiuminstitut. ZurVorbereitung auf das Philosophicum besuchteFuchs die fünfstündige Vorlesung„Einführung in die Philosophie“ beiSchlick, auch Vorlesungen von RobertReininger (1869–1955) und Karl Bühler(1879–1963). Fuchs hat sein Programman <strong>der</strong> Philosophischen Fakultät sehrpräzise ausgewählt. Da in Österreich wegen<strong>der</strong> das Land beherrschenden reaktionärenKreise, die am wissenschaftlichenFortschritt überhaupt nicht interessiertwaren, für Fuchs wie für so vielejunge Forschungska<strong>der</strong> keine Festanstellungmöglich war, musste er verschiedenekurzzeitige Angebote wahrnehmen,so vor allem 1935 einen ihm von Meyerangebotenen Forschungsplatz am Institutfür Radiumforschung 8 , dazu bis 1938noch Anstellungen im KrankenhausLainz, im Spital <strong>der</strong> Kaufmannschaft undim Rothschildspital. Fuchs konnte seinStudium <strong>der</strong> Physik und Mathematik <strong>als</strong>onur mit Unterbrechungen vorantreiben,im Sommersemester 1937 standFuchs im achten Semester und war nebenseinen vielen an<strong>der</strong>en Verpflichtungenmit <strong>der</strong> Ausarbeitung seiner Doktorarbeitbefasst. Der Einmarsch <strong>der</strong> deutschenWehrmacht in Österreich, dieMachtergreifung <strong>der</strong> Nazis und die Rassegesetzezwangen Georg Fuchs zurFlucht. Der Almanach <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong>Wissenschaften in Wien für das Jahr1938 druckt noch den Bericht des Radiuminstitutsmit Stefan Meyer <strong>als</strong> Vorstandab und nennt Georg Fuchs <strong>als</strong> Mitarbeiter,auch die von Einstein sehr geschätzteMarietta Blau (1894–1970) 9 ,die am 12. März 1938 am Abend, einenTag nach <strong>der</strong> Kapitulation <strong>der</strong> öster-


eichischen Regierung, aus Wien geflüchtetist. Als „Glanzpunkt“ des internationalverschickten Almanachs dürftedie hohe Akademie aber doch die abgedruckteRede ihres Präsidenten Heinrichvon Srbik (1878–1951) unter dem Titel„Die deutsche Wissenschaft und dieWiener Akademie im GroßdeutschenReich“, gehalten am 23. November1938, angesehen haben. 10In Anbetracht seines exzellenten Studienverlaufsund <strong>der</strong> vielen Probleme, diesich bei seinemBerufsstart ergebenhaben,könnte man annehmen,dassFuchs sich inden dreißigerJahren ausschließlichseinemwissenschaftlichenund beruflichenFortkommengewidmethat. Das waraber nicht <strong>der</strong>Fall, vielmehrist er so wiesein älterer Bru<strong>der</strong><strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichszu einerZeit beigetreten,<strong>als</strong> dieseschon illegalwar (1935). Daskann nicht alleinauf den Einsatz <strong>der</strong> KPÖ für ein demokratisches,unabhängiges und für denFrieden eintretendes Österreich zurückzuführensein. Viele naturwissenschaftlichund gesellschaftswissenschaftlichorientierte Intellektuelle waren vom Versuch<strong>der</strong> Kommunisten in <strong>der</strong> Sowjetunion,Naturwissenschaft und <strong>Gesellschaft</strong>swissenschaft<strong>als</strong> Einheit für denAufbau einer neuen <strong>Gesellschaft</strong> zu nutzen,angezogen. Nichts an<strong>der</strong>es bedeutetdie Auffassung von Wladimir I. Lenin:„Kommunismus = Sowjetmacht + Elek-Beiträge 11ten <strong>der</strong> jugoslawischen Befreiungsarmeegeholfen hat, nach Kriegsende nach Wienzurückgekehrt ist und dort <strong>als</strong> Chefarztin <strong>der</strong> Wiener Gebietskrankenkassegewirkt hat. O<strong>der</strong> <strong>der</strong> spätere Primar desZentrallabors im Wilhelminenspital FriedrichScholl (1911–1985), <strong>der</strong> 1933 <strong>der</strong>KPÖ beigetreten und 1938 nach Großbritannienins Exil geflüchtet ist. SamuelMitja Rapoport (1912–2004) und FritzJensen (d.i. Friedrich Jerusalem) (1903–1955) gehören ebenso dazu wie die wenigerbekannte Kin<strong>der</strong>ärztin GertrudeSaxl (-Kreilisheim) (1911–1997). Alsjunge Medizinstudentin ist diese, in <strong>der</strong>Skodagasse 15 im VIII. Wiener Gemeindebezirkwohnend und im achten Semesterihres Medizinstudiums stehend, vomPolizeikommissariat Alsergrund am9. Juli 1934 mit sieben Tagen Arrest und100 S. bestraft worden, weil sie am30. Juni 1934 in ihrer Handtasche kommunistischeFlugblätter verwahrt hat.Von <strong>der</strong> Bezirkshauptmannschaft Hietzing-Umgebungwurde Saxl am 7. August1934 mit eine Arreststrafe von 14Tagen bestraft, weil sie auf die Einfriedungdes Sägewerkes in Ebersberg kommunistischeInschriften gemalt hat. MitErkenntnis vom 5. Oktober 1934 desKommissärs für die Aufrechterhaltung<strong>der</strong> Disziplin unter den Studierenden anden Hochschulen Otto Skrbensky (1887–1952), <strong>der</strong> nach 1945 <strong>als</strong> Sektionschefdes Unterrichtsministeriums die Entwicklung<strong>der</strong> österreichischen Universitätennach 1945 sehr beeinflusst hat,wurde Saxl mit <strong>der</strong> Verweisung von allenösterreichischen Hochschulen auf dieDauer des Studienjahres 1934/35 bestraft.Mit <strong>der</strong> Begründung, dass sieWohnungen für illegale Zusammenkünfte<strong>der</strong> Kommunistischen Partei ausfindiggemacht und eine Wohnung kommunistischenParteigängern zur Verfügunggestellt habe, wurde Saxl vom BezirkskommissariatInnere Stadt am 24. Dezember1934 mit 90 Tagen Arrest bestraftund vomKommissärSkrbensky daraufhinvon allenösterreichischenHochschulenauf dieStudienjahre1935/36 und1936/37 verwiesen(7. Oktober1935).Aufgrund einer„gnadenweiseMil<strong>der</strong>ung“,wie es in eineramtlichen Bestätigungvom14. Juli 1949des Rektors <strong>der</strong>Wiener UniversitätWolfgangDenk (1882–1970) ohne Anführungszeichnenund mitHinweis darauf,dass die Bestrafungen „wegen kommunistischerBetätigung“ erfolgt seien, heißt,wurde diese Verweisung auf das Wintersemester1935/36 beschränkt (6. März1936). Saxl, die <strong>als</strong>o drei Semester (Studienjahr1934/35 und Sommersemester1935) vom Studium ausgeschlossen war,konnte ihr Studium noch vor 1938 mit<strong>der</strong> Promotion am 9. Juli 1937 zum Doktor<strong>der</strong> gesamten Heilkundeabschließen. 12 Das klingt heute alles einbisschen nach lästigen Schikanen, aberdas waren diese nicht, es war vielmehrfür eine hoch begabte, nach vorneblickende Jugend existentielle Bedrohung.Gertrude Saxl konnte 1938 überLondon nach den USA emigrieren, wosie im Juli 1939 ihren Wiener FreundOtto Kreilisheim (1909–1999)heiratete. 13 Dieser, Sohn eines 1929 pensioniertenHofrats <strong>der</strong> Wiener Polizeidirektion,hat sein Studium <strong>der</strong> Germanistikmit einer <strong>der</strong>zeit nicht mehr auffindbarenDoktorarbeit „Über den Gegen-Primarius DDr. Georg Fuchs am Gerät, mit dem die Kobaltkanone im Wiener Franz-Josefs-Spital gesteuert wurde (1968).trifizierung“. 11 Die Sozialdemokratiewar in diesen qualifizierten Kreisen wegenihrer rückgratlosen Politik völlig diskreditiert,insbeson<strong>der</strong>e nach dem Desasterim Februar 1934. Es gab einigekommunistische Mediziner in Wien wieGeorg Fuchs, unter ihnen Franz David(1900–1992), <strong>der</strong> in die Sowjetunionemigriert ist, in Moskau eine ChirurgischeKlinik geleitet und ab Oktober 1944<strong>als</strong> Arzt den österreichischen Kontingen-3/09


12 Beiträgesatz von idealistischer und historischmaterialistischerBegriffsbildung in <strong>der</strong>deutschen Literaturwissenschaft“ an <strong>der</strong>Wiener Universität 1933 abgeschlossen,das Philosophicum hat er bei Schlick(„ausgezeichnet“) und bei Bühler abgelegt(10. Juni 1933). 14Emigrant in Brüssel, Istanbulund Jerusalem. Radiologe in<strong>der</strong> britischen Armee.Arbeit am Neubau ÖsterreichsGeorg Fuchs gelang 1938 die Fluchtnach Belgien, wo Karl Przibram <strong>als</strong> U-Boot dank <strong>der</strong> guten Kontakte zwischendem Radiuminstitut und <strong>der</strong> Union Minièredu Haut Katanga in Brüssel die Nazizeitüberleben konnte. 15 Von Brüsselemigrierte Fuchs 1939 in die Türkei, woer bis 1942 <strong>als</strong> Röntgenologe an <strong>der</strong> vomdeutschen Emigranten Erich Frank(1884–1957) 16 geleiteten MedizinischenKlinik <strong>der</strong> Istanbuler Universität arbeitete.Der Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Türkischen RepublikMustafa Kemal Atatürk (1881–1938) hat1933 für seine Universitätsreform hervorragende,aus Deutschland vertriebeneWissenschaftler gewonnen. Mit ErichFrank hatte in Istanbul auch die WienerinRosa Maria Rössler (1901–1954) zusammengearbeitet.17 1942 ging Fuchs aufGrund <strong>der</strong> durch den Überfall Hitlerdeutschlandsauf die Sowjetunion verän<strong>der</strong>teninternationalen Lage nach Palästina,erhielt ein Stipendium an <strong>der</strong> RadiologischenUniversitätsklinik in Jerusalem,wurde Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Free AustrianMovement in Palestine und trat <strong>als</strong>Freiwilliger und Arzt in die britische Armeeein. 18 Fuchs kam mit <strong>der</strong> britischenArmee nach Wien zurück, leitete dieRöntgenstation in einem Britischen Lazarettin Graz und wurde zum 1. August1946 <strong>als</strong> Primararzt am Zentralen Röntgeninstitutdes Kaiser-Franz-Josef-Spit<strong>als</strong>in Wien X von <strong>der</strong> Stadt Wien angestellt,welche Stelle er bis zu seiner Pensionierungzum 30. April 1974 einnahm.Die bei Fuchs erkennbare Leidenschaft,sich für die Gestaltung eines neuen, demokratischenÖsterreich einzusetzen unddabei die zeitintensiven Anfor<strong>der</strong>ungenin einem anstrengenden, wissenschaftlichpraktischen Beruf nicht zu vernachlässigenist ungewöhnlich. Fuchs publiziertewissenschaftlich und engagierte sich fürden Friedenskampf an vor<strong>der</strong>ster Front,überzeugt von <strong>der</strong> Möglichkeit, die Weltkönne verän<strong>der</strong>t werden. Diese Einstellungzeichnet mehrere in <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs organisierteWissenschaftler aus, genannt seien hierEngelbert Broda, Wilhelm Frank (1916–3/091999), Walter Hollitscher (1911–1986),Georg Knepler, Eduard Rabofsky (1911–1994) o<strong>der</strong> Thomas Schönfeld. Sie waren,mit Ausnahme von Hollitscher, <strong>der</strong>1933 bei Schlick mit einer Arbeit überdas Kausalprinzip in <strong>der</strong> Quantenphysikpromoviert hat, 19 alle keine „freigestellten“Parteiintellektuelle wie beispielsweiseErnst Fischer (1891–1978), arbeitetenaber ohne jede Eitelkeit unermüdlichfür ihre Parteiorganisation und mussten,weil sie eben Kommunisten waren,in ihren „bürgerlichen Berufen“ quasidoppelte Leistung erbringen. Insbeson<strong>der</strong>emit Hollitscher und Schönfeld hatFuchs später in <strong>der</strong> Friedensbewegungzusammengearbeitet. Es ist auffallend,dass in Erinnerungen von prominentenParteifunktionären wie Franz Muhri(1924–2001) 20 , aber auch von Ernst Fischer(1891–1978) 21 Begegnungen mitWissenschaftlern keine Rolle gespielthaben, jedenfalls werden ihre Namendort nicht genannt. Fuchs bedauerte einmal,dass es in <strong>der</strong> KommunistischenPartei an <strong>der</strong> Zusammenarbeit von Angehörigenverschiedener Intelligenzberufemangelt, obschon sie durch die gemeinsameWeltanschauung des Marxismus-Leninismusprinzipiell verbundenseien. 22 Georg Fuchs war Obmann <strong>der</strong>KPÖ im IV. Wiener Bezirk, Vorstandsmitglied<strong>der</strong> kommunistischen Ärztegruppeund vor allem beteiligte er sich inführen<strong>der</strong> Position an <strong>der</strong> österreichischenund internationalen Friedensbewegung.Der Kampf für den Frieden war fürihn untrennbar mit dem Kampf um einesoziale gerechte Welt verknüpft.Nach seiner Rückkehr nach Wien vollendeteGeorg Fuchs seine in Jerusalemfortgeführte Dissertation „Eine neue Methodezur Messung <strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> gestreutenRöntgenstrahlen“, die vom 1946<strong>als</strong> Ordinarius und Vorstand des II. PhysikalischenInstituts nach Wien zurückgekehrtenKarl Przibram (Erstbegutachter)und von Hans Thirring approbiert wurde(29. Jänner 1947). Das Absolutoriumwurde ihm am 30. Juni 1947 ausgestellt,am 18. Juli 1947 konnte er zum Dr. phil.promovieren. 1948 publizierte Fuchs„Die mathematisch-physikalischenGrundlagen <strong>der</strong> Röntgen- und Radiumtherapie“23 , ein Buch, das zu einem Standardwerk<strong>der</strong> Nachkriegszeit wurde. Inseinem im Sommer 1947 datierten Vorwortverdeutlicht er, <strong>der</strong> sich <strong>als</strong> Radiologe<strong>der</strong> Britischen Armee mit <strong>der</strong> angloamerikanischenRadiologie theoretischund praktisch vertraut gemacht hatte, dieZielsetzung, es seien in dem vom Kriegverschonten Län<strong>der</strong>n neue Entdeckungengemacht worden, dieses Wissen gelte esfür Österreich nun zu erwerben und zuassimilieren, damit „soll die österreichischeWissenschaft auch auf dem Gebiete<strong>der</strong> Strahlentherapie ihren alten ehrenvollenPlatz wie<strong>der</strong> einnehmen“. ImFrühjahr 1949 gab er für die Praxis einen„Leitfaden <strong>der</strong> Röntgentherapie für Studierendeund Ärzte“ heraus. 24 Das wissenschaftlicheHauptanliegen von Fuchs,<strong>der</strong> viele Bereiche <strong>der</strong> Röntgentechnik,<strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong> Herddosis <strong>der</strong> Kobaltbestrahlungund des Zielvolumens<strong>der</strong> Strahlentherapie verbessert hat, wardie Sensibilisierung maligner Tumore fürdie Strahlentherapie. 25Der Antrag des Rostocker Leiters <strong>der</strong>Strahlentherapie Friedrich Held (1911–1978) 26 begründet, dass Georg Fuchsnicht nur <strong>als</strong> Wissenschaftler erfolgreichwar, son<strong>der</strong>n von seiner wissenschaftlicheWeltanschauung öffentlich und, wasein Anliegen des Wiener Kreises war, organisiertin verschiedenen Bereichen Gebrauchgemacht hat. Amtieren<strong>der</strong> RostockerRektor war <strong>der</strong> Historiker GünterHeidorn (*1925), Dekan <strong>der</strong> MedizinischenFakultät war Dietrich Mücke(*1920). Ein knappes Jahr vor dem Antragwar vom Akademie Verlag <strong>der</strong> DDRdas umfangreiche, an Ärzte, Biophysikerund Molekularbiologen, auch an an<strong>der</strong>eNaturwissenschaftler und Technikeradressierte Buch von Georg Fuchs „DieStrahlengefährdung des Menschen in<strong>der</strong> gegenwärtigen Zivilisation“ (1971,512 S.) verlegt worden. Vielleicht hatHeld neben <strong>der</strong> Hochachtung vor <strong>der</strong> wissenschaftlichenLeistung von Fuchs beson<strong>der</strong>ssympathisch berührt, dass sichdieser beson<strong>der</strong>s für die Solidaritätsbewegungmit dem vom imperialistischenUS-Tyrannen mör<strong>der</strong>isch terrorisierten,heroisch standhaft bleibenden VietnamesischenVolk eingesetzt hat. Held hat1956 beim Aufbau eines Krankenhausesin Hanoi geholfen. Die Deutsche DemokratischeRepublik setzte für ihre weltweitehumanitäre Hilfe gut ausgebildeteFachkräfte wie eben den Arzt FriedrichHeld ein. Was für ein Unterschied zu denvon Militäroperationen begleiteten aggressivenKapitalinvestitionen des heutigenDeutschland. In Österreich gelang esEnde 1965 einem Komitee von Ärztenmit Fuchs, Chefarzt Obermedizinalrat Dr.Franz David, Polizeiobersanitätsrat Dr.Emanuel Edel, Facharzt Dr. GertrudeKreilisheim, Medizinalrat Dr. Olga Kurz,Oberphysikatsrat Dr. Peter Lorant undPrimar Dr. Friedrich Scholl VertreternNordvietnams und <strong>der</strong> südvietnamesischenBefreiungsfront Medikamente und


Beiträge 13medizinische Instrumente im Wert voneiner halben Million Schilling zu übergeben.Diese Spende, <strong>der</strong> weitere folgten,war auf Grund eines Hilfsappells dieserÄrztegruppe zustande gekommen. 27Fritz Jensen, dessen Buch „Erlebtes Vietnam“(Wien 1955) große Verbreitung gefundenhat, hat den Appell des WienerÄrztekomitees nicht unterschreiben können,er war am 11. April 1955 einem Attentatangloamerikanischer Mordagentenzum Opfer gefallen. 28 Der Aufruf zumOstermarsch 1968 „Für Frieden in Vietnam,für Rüstungsstop, für den Aufstieg<strong>der</strong> Dritten Welt, für eine aktive FriedenspolitikÖsterreichs“ war von Fuchsmit formuliert und, so wie auch von seinemalten Lehrer Karl Przibram, unterzeichnetworden. Führende Figuren <strong>der</strong>österreichischen Sozialdemokratie wie<strong>der</strong> einflussreiche Abgeordnete zum NationalratKarl Czernetz (1910–1978) denunziertendagegen <strong>als</strong> willfährige Agentendes US-amerikanischen Imperialismusden nationalen Befreiungskampf desVietnamesischen Volkes <strong>als</strong> militärischenMachtkampf <strong>der</strong> Kommunisten. 29Ostermärsche waren in Österreich nachdem Vorbild solcher breit unterstütztenFormen <strong>der</strong> Friedensaktionen in Englandund Deutschland 1963 auf Grund einerrasch sich verbreitenden Initiative vonThomas Schönfeld und Mia Schönfeldmit großer Resonanz im österreichischenVolk zustande gekommen. 30 In <strong>der</strong> politischenGeschichte des wie<strong>der</strong> selbstständigenÖsterreichs war das ein völligesNovum, zum ersten Mal seit 1945 demonstriertenicht eine Partei, son<strong>der</strong>nMenschen verschiedenster Auffassungen,geeint im Protest gegen das atomareWettrüsten und von <strong>der</strong> Hoffnung auf einerüstungsfreie friedliche Welt. 1968war nicht nur in den USA noch die Meinungverbreitet, man könne sich gegendie Folgen eines Atomkrieges mehr o<strong>der</strong>weniger schützen. Dass eine solche Meinungnur Illusion ist und die Menschenan die atomare Bedrohung gewöhnensollte, hat Fuchs immer wie<strong>der</strong> deutlichgemacht, 1968 in einem vom berühmten,in Cambridge tätigen AuslandsösterreicherVictor Weisskopf (1908–2002) 31einbegleiteten, im Verlag Jugend undVolk (Wien–München) gemeinsam mitEdith Jarosch und Walter Kranzer publiziertenBuch „Atomare Bedrohung <strong>der</strong>Menschheit! Der Nuklearkrieg im Urteil<strong>der</strong> Wissenschaft“. Weisskopf hebt hervor,dass das Buch eine allgemein verständlicheDarstellung unseres Wissensüber den inneren Aufbau <strong>der</strong> Atome enthält:„Denn es ist dieses Wissen, das esuns ermöglicht, die Natur von uns aus zubeherrschen, neue Energiequellen zueröffnen, Krankheiten zu verhin<strong>der</strong>n unddie Fruchtbarkeit des Boden zu erhöhen,aber auch die Natur um uns zu zerstörensowie alles Leben und alle Lebensmöglichkeitenzu vernichten.“In Bezug auf die Wissenschaftsentwicklung<strong>der</strong> sozialistischen Län<strong>der</strong> warFuchs in den 1970er Jahren optimistisch.Er hatte aus Anlass des Weltfriedenskongressesin Moskau im Oktober 1973 Gelegenheit,eine Spezialklinik für Krebskrankein Moskau mit mo<strong>der</strong>nsten Behandlungsmethodenzu besuchen, an welchein Österreich noch nicht einmal gedachtwerden könne. Auf diesem MoskauerKongress, <strong>der</strong> Vertreter von 120internationalen und über 1.100 nationalenOrganisationen und Bewegungen aus 143Län<strong>der</strong>n vereint hat, hat Fuchs über dieArbeit des Internationalen Instituts fürden Frieden zur Ermittlung <strong>der</strong> Ursachenvon Kriegen und des Einflusses des wissenschaftlich-technischenFortschritts aufdie Lebensbedingungen berichtet. Insgesamtseien durch die Fortschritte <strong>der</strong> Naturwissenschaften<strong>der</strong> dialektische Materialismusin vollem Umfang bestätigtworden: „Denn auf allen Gebieten <strong>der</strong>Naturwissenschaft können dialektischeEntwicklungsprozesse aufgezeigt werden.Lenin hat in seinem grundlegenden Werk‚Materialismus und Empiriokritizismus‘gezeigt, daß die Atomforschung seinerzeitdie Erforschung <strong>der</strong> Materie auf einehöhere Ebene gehoben hat. Seither hatdas Vordringen zu immer kleineren Teilchenden Beweis für das Umschlagen <strong>der</strong>Quantität in die Qualität erbracht, was inden Gesetzen <strong>der</strong> Quantenmechanik seinenkonkreten Ausdruck gefunden hat.Auch die Entwicklung <strong>der</strong> biologischenWissenschaften hat die Positionen desdialektischen Materialismus fester untermauert.Auf dem Gebiete <strong>der</strong> Genetik, <strong>als</strong>o<strong>der</strong> Vererbungsforschung, ist es erstmaliggelungen, Lebensvorgänge auf ihrematerielle Grundlage, die Bewegung vonAtomen zurückzuführen. Auch ist die Entwicklung<strong>der</strong> Lebewesen schon längst <strong>als</strong>dialektischer Prozess erkannt worden.“ 32Fuchs sah es <strong>als</strong> Aufgabe kommunistischerWissenschaftler an, sich mit denErfolgen des dialektischen Materialismusgründlich vertraut zu machen und diesein die politische Arbeit einzubeziehen.Das wird in seiner 1969 verfassten Broschüreüber „Antisemitismus, Zionismusund Arbeiterbewegung“ 33 ebenso deutlichwie in dem 1981 verfassten Buch„Materie. Dialektik. Naturwissenschaft.Zur Bedeutung des Marxismus-Leninismusfür die Interpretation <strong>der</strong> Ergebnisse<strong>der</strong> Naturforschung“. 34 Fuchs war ohnejeden unter bürgerlichen Intellektuellenoft anzutreffenden Hochmut, er verdichtetewissenschaftlich komplexe Zusammenhängein eine klare, verständlicheAusdrucksweise, ohne die dargestelltenGedanken zu simplifizieren.Ehrendoktorat für den Wissenschaftlerund FriedenskämpferAm Nachmittag des 19. März 1973wurde Georg Fuchs in <strong>der</strong> Aula <strong>der</strong> RostockerUniversität in einem Festakt dasEhrendoktorat <strong>der</strong> Medizin verliehen. 35Im selben Jahr (13. bis 15. Dezember1973) organisierte Fuchs <strong>als</strong> Präsident desInternationalen Instituts für den Friedenin Wien mit dem TschechoslowakischenInstitut für internationale Beziehungen inPrag ein Symposium „Wissenschaft undFrieden“, bei welchen grundlegende Probleme<strong>der</strong> gesamten Menschheit, wie dieZunahme <strong>der</strong> Weltbevölkerung, <strong>der</strong> Erschöpfung<strong>der</strong> natürlichen Ressourcen,<strong>der</strong> steigende Energiebedarf und <strong>der</strong> Zusammenhangmit dem Lebensstandard,die drohende Verschmutzung <strong>der</strong> Weltmeereund Methoden zu ihrer Verhütungdiskutiert wurden. Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong>friedlichen Entwicklung <strong>der</strong> Völker seiendiese Probleme zu bewältigen. 36 Das seit1956 existierende, 1989 von Erwin Lanc<strong>als</strong> internationale Nichtregierungsorganisation(NGO und INGO) mit Sitz in Wienneu gegründete Internationale Institut fürden Frieden ging von <strong>der</strong> Erkenntnis aus,dass Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinenund verschiedener Weltanschauungbei <strong>der</strong> Entwicklung und Handhabungvon Kontrollmethoden <strong>der</strong> Rüstungsbegrenzungund <strong>der</strong> Abrüstungebenso unentbehrlich sind wie auf demGebiet <strong>der</strong> ökonomischen, <strong>der</strong> wissenschaftlich-technischenund <strong>der</strong> kulturelleninternationalen Zusammenarbeit. Finanziertwurde das Institut von seinen ordentlichenund außerordentlichen (kollektiven)Mitglie<strong>der</strong>n in den verschiedenenLän<strong>der</strong>n.Fuchs war nach dem Tod von JosefDobretsberger (1903–1970) in <strong>der</strong> Vorstandssitzungdes Internationalen Institutsfür den Frieden vom 15. November1970 zu dessen Vizepräsidenten gewähltworden, davor war er Schatzmeister.Nach dem 1971 erfolgten Rücktritt desseit Gründung amtierenden PräsidentenJames Gareth Endicott (1898–1993), <strong>der</strong>Repräsentant <strong>der</strong> international hoch angesehenkanadischen Friedensbewegungwar, wurde Fuchs Präsident des Instituts,Kanzler war Hollitscher, dem internatio-3/09


14 Beiträge3/09nalen wissenschaftlichen Beirat gehörtenauch <strong>der</strong> hoch angesehene Wiener MathematikerLeopold Schmetterer (1919–2004) und Schönfeld an. Schmettererund Schönfeld haben Ende 1970 im Vorfeld<strong>der</strong> diskutierten Einberufung zu einergesamteuropäischen Konferenz unterEinbeziehung <strong>der</strong> USA und Kanada 37 dieIdee gehabt, ein eigenes ÖsterreichischesKomitee für Verständigung und Sicherheitin Europa zu bilden, das durchHerausgabe von Informationsmaterialund durch Meinungsaustausch die Koordinierungvon Bemühungen und Initiativenzur Verständigung und Entspannungin Europa för<strong>der</strong>n sollte. Das Komiteewollte dabei we<strong>der</strong> antikapitalistischenoch antikommunistische Standpunktevertreten. Im Café Landtmann (I. BezirkWien) trafen sich am 16. Dezember 1970Fuchs, Tilly Kretschmer-Dorninger(1911–1989), Schmetterer, Schönfeldund Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) zu einer Aussprache und zur Vorbereitung<strong>der</strong> konstituierenden Gründungdes Komitees, welche am 28. Jänner1971 durch eine Generalversammlungim Albert-Schweitzer-Haus (Wien,IX. Bezirk) erfolgte. Kretschmer-Dorningerwar Vertreterin <strong>der</strong> InternationalFe<strong>der</strong>ation of Settlements and NeighbourhoodCentres (IFSNC), die sich seit1945 in Wien (Lienfel<strong>der</strong>gasse 60c–d,16. Bezirk) durch internationale Kontaktegroße soziale Verdienste erworbenhat. Präsident des Komitees wurdeSchmetterer, Erster stellvertreten<strong>der</strong> Präsident<strong>der</strong> Wiener Philosoph Leo Gabriel(1902–1987), Zweiter stellvertreten<strong>der</strong>Präsident Schönfeld. Fuchs half dem Komiteein den Startmonaten ohne Funktionmit seiner Erfahrung.Das Internationale Institut für denFrieden hatte sich aus Anlass <strong>der</strong> Generalversammlungan seinem Sitz in Wien(Möllwaldplatz 5, Wien IV) am 3. Dezember1969 unter maßgeblicher Beteiligung<strong>der</strong> Österreicher Fuchs, Hollitscherund Schönfeld neu strukturiert, indemdie Entfaltung einer wissenschaftlichenForschungstätigkeit über Probleme, dieim Zusammenhang mit dem Kampf umden Frieden stehen, samt einer entsprechendenPublikationstätigkeit beschlossenwurde. Im selben Jahr waren diekommunistischen WissenschaftlerFuchs, Hollitscher und Schönfeld unterden Initiatoren für die Herausgabe <strong>der</strong>kommunistischen Zeitschrift neuepolitik, um zu versuchen marxistisch-leninistischePositionen in <strong>der</strong> in die Händevon Revisionisten abgleitenden KPÖzu behaupten. 1972 hatte Fuchs die Ergebnisseeines vom Internationalen Institutfür den Frieden in Wien gemeinsammit dem Institut für Friedensforschungan <strong>der</strong> Katholisch-TheologischenFakultät <strong>der</strong> Wiener Universität vom4. bis 7. November 1971 veranstaltetenSymposiums „Friedenssuche aus verschiedenerweltanschaulicher Sicht“ 38herausgegeben und das Symposium„Organisation <strong>der</strong> Sicherheit und Zusammenarbeitin Europa“ in Wien vom10. bis 12. März 1972 organisiert. 39 DieZusammenarbeit mit Wissenschaftlernaus <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen Republik,auf wissenschaftlichem Gebietund in <strong>der</strong> Weltfriedensbewegung, warFuchs ein spezielles und stets gerne gepflegtesAnliegen. Vom weltberühmtenStrahlenforscher und Präsidenten desDeutschen Friedensrates Walter Friedrich(1883–1968) in Berlin sprach er ingrößter Hochachtung. 1976 publizierteFuchs in den Schriften des InternationalenInstituts für den Frieden in Wien dieSchrift „Kernenergie und Weltfrieden“(Wien 1976, Gazzetta Verlag Wien) –unter Mitarbeit <strong>der</strong> DDR-Experten KlausFuchs (1911–1988) („Die Bedeutung <strong>der</strong>Kernenergie für den wachsenden Energiebedarf<strong>der</strong> Menschheit“) und MaxSteenbeck (1904–1981) („Die Verantwortung<strong>der</strong> Wissenschaftler im Atomzeitalter“)sowie von Michail Romanowsky(„Die friedliche Nutzung <strong>der</strong> Fusionsenergie.Heutiger Stand und Perspektiven“),Wassili Jemeljanow („Die friedlicheAnwendung <strong>der</strong> Kernenergie undihre Gefahren“) und Sergiu Verona(„Der Kampf <strong>der</strong> Völker für die nukleareAbrüstung“). Fuchs hat den Beitrag„Kernenergie und Ionisierende Strahlen“geschrieben. Für Fuchs warenKernkraftwerke vom wissenschaftlichtechnischen Standpunkt her grundsätzlichbeherrschbar und sollten deshalb fürdie Entwicklung des Energiesektors genutztwerden. Das war in <strong>der</strong> Friedensbewegung<strong>der</strong> kapitalistischen Län<strong>der</strong> nichtKonsens. Auch eine <strong>der</strong> letzten Arbeitenvon Fuchs ist in den Schriften des InternationalenInstituts für den Frieden erschienen:„Von <strong>der</strong> Atombombe zum nuklearenHolocaust“. 40 Es war die Zielsetzungvon Fuchs, von Fachwissenschaftlerntheoretisch erarbeitete Positioneneinheitlich und, das führte über denWiener Kreis hinaus, unter Einschluss<strong>der</strong> menschlichen Wirklichkeit für diepraktische Arbeit <strong>der</strong> österreichischenund internationalen Friedensbewegungverwertbar zu machen. Sein Wirkenkann <strong>als</strong> Vorbild und Inspiration für dieGegenwart herangezogen werden.Das vietnamesische Volk sah in GeorgFuchs einen wertvollen Freund. An <strong>der</strong>Trauerfeier für Fuchs auf dem WienerZentralfriedhof nahm <strong>der</strong> ständige DelegierteVietnams bei den UNO-Organisationenin Wien im Auftrag <strong>der</strong> vietnamesischenRegierung teil. 41Dokument1972 05 26. Rostock. Friedrich Held,Direktor <strong>der</strong> Radiologischen Klinik<strong>der</strong> Universität Rostock, beantragtbeim Vorsitzenden des WissenschaftlichenRates <strong>der</strong> Universität RostockGünter Heidorn im Wege des Direktoratsfür Internationale Beziehungenund mit Kenntnisnahme des Dekans<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät DietrichMücke die Verleihung des Ehrendoktorats<strong>der</strong> Fakultät für Medizin <strong>der</strong>Universität Rostock.Original. Archiv <strong>der</strong> Universität Rostock.Maschine geschrieben, eigenhändigeUnterschrift von Friedrich Held.Magnifizenz!Hiermit möchte ich den Antrag stellen,Herrn Dr. med. et phil. Georg Fuchs, Primararztam Zentral-Röntgeninstitut desKaiser-Franz-Josef-Spit<strong>als</strong> Wien, zumEhrendoktor <strong>der</strong> Fakultät für Medizindes Wissenschaftlichen Rates <strong>der</strong> UniversitätRostock zu ernennen.Herr Dr. Fuchs wurde am 25.10.08 inWien geboren und ist österreichischerStaatsbürger. Am 9.6.33 promovierte eran <strong>der</strong> Wiener Universität zum Dr. med.Im gleichen Jahr begann er seine radiologischeAusbildung, gleichzeitig schrieber sich an <strong>der</strong> Philosophischen Fakultätfür Physik und Mathematik ein.Infolge des Einmarsches <strong>der</strong> Naziwehrmachtwar er gezwungen, im Frühjahr1938 seine Heimat zu verlassen.Von 1939–1942 war er Röntgenologe<strong>der</strong> 2. Medizinischen Klinik <strong>der</strong> UniversitätIstanbul (unter dem aus Deutschlandstammenden Prof. E[rich]. Frank).Aus Anlaß des Überfalls Hitlerdeutschlandsauf die Sowjetunion meldete ersich freiwillig zum britischen Militär,wo er den Rang eines Captain (Stabsarzt)und „Graded Radiologist“ erhielt.Nach Kriegsende kehrte Dr. Fuchs nachWien zurück und wurde am 1.8.46 Primararztam Zentralen Röntgeninstitutdes Kaiser-Franz-Josef-Spit<strong>als</strong>. DieseStelle nimmt er noch heute ein.Aufgrund seines Zweitstudiums Physikund Mathematik und seiner Befähigung,dam<strong>als</strong> viele ungelöste strahlenphysikalischeProbleme selbst in Angriff


Beiträge 15zu nehmen, promovierte Dr. Fuchs am18.7.47 zusätzlich zum Dr. phil. mit einerDissertationsarbeit „Über eine neueMethode zur Messung <strong>der</strong> gestreutenRöntgenstrahlen“.Als Wissenschaftler besitzt Dr. Fuchsin internationalem Maßstab hohe Anerkennung.Er verfaßte 10 Bücher bzw.Monographien. Mehr <strong>als</strong> 150 Publikationenwurden in den Fachzeitschriften verschiedenerLän<strong>der</strong> veröffentlicht. Bei einerReihe seiner Bücher handelt es sichum Standardwerke <strong>der</strong> radiologischen Literatur.Die <strong>der</strong>zeitige Generation <strong>der</strong>Hochschullehrer <strong>der</strong> DDR für das Fachmedizinische Radiologie hat sich mit Hilfeseiner Monographie über die mathematisch-physikalischenGrundlagen <strong>der</strong>Röntgen- und Radiumtherapie das notwendigeWissen über die strahlenphysikalischenGrundkenntnisse <strong>der</strong> Strahlentherapieangeeignet. Beson<strong>der</strong>s seineVeröffentlichungen aus den Jahren1948–1958, die vorwiegend strahlenphysikalischenund strahlenbiologischen Inhaltswaren, z.B. das o[ben]. a[ngeführte].Buch sowie <strong>der</strong> „Leitfaden <strong>der</strong> Röntgentherapie“42 und das letzte, in <strong>der</strong> DDRim Akademie-Verlag erschienene Buch„Röntgentherapie“ 43 werden noch jetztvon Studenten und Ärzten <strong>als</strong> Lehrbücherverwandt. Die Arbeiten <strong>der</strong> letzten 10Jahre beschäftigen sich mehr mit <strong>der</strong> Frage<strong>der</strong> Strahlentherapie unter Anwendungenergiereicher Strahlen. Da Dr. Fuchsaußerdem umfangreiche Erfahrung in <strong>der</strong>Kombinationstherapie maligner Tumorenbesitzt, sind beson<strong>der</strong>s seine Arbeiten unterEinbeziehung des Sauerstoffeffektesvon großem wissenschaftlichem Wert.Routinemäßig wird in seiner Klinik beijedem Malignom mittels Kurzwelle eineHyperämie erzeugt und so werden überden Sauerstoffeffekt überdurchschnittlicheResultate in <strong>der</strong> Behandlung erzielt.Bekannt geworden ist Dr. Fuchs auchdurch seine Veröffentlichungen des erstenFalles <strong>der</strong> Anwendung ionisieren<strong>der</strong>Strahlen durch Leopold Freund inWien. Diesen Fall, die Bestrahlung einesausgedehnten Tierfellnaevus bei einemKind, hat Dr. Fuchs analysiert und60 Jahre nach <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong>Strahlentherapie untersucht.Dr. Fuchs verkörpert das Bild einesvon tiefem Humanismus erfüllten Wissenschaftlers,dessen im Kampf erprobteund bewährte marxistische Weltanschauungihn unbeirrbar für Fortschrittund Frieden eintreten läßt. In idealerWeise ist bei ihm die Theorie und Praxiseine harmonische Einheit. Seine Persönlichkeitund sein Wirken sind auch eingroßes Vorbild <strong>der</strong> jungen Ärztegenerationunserer sozialistischen DDR.Dr. Fuchs hat stets mit großem Interesseund mit Sympathie die Entwicklung <strong>der</strong>DDR, insbeson<strong>der</strong>e ihres Gesundheitswesen,verfolgt und unterstützt. Seit etwa 20Jahren besucht er die Kongresse <strong>der</strong> Radiologenin <strong>der</strong> DDR und tritt dort stets inVorträgen und Diskursen aktiv auf. ImRahmen von wissenschaftlichen Veranstaltungenwar Dr. Fuchs seit 1958 auchdreimal in Rostock und hat über seineneuesten Methoden <strong>der</strong> Strahlentherapieberichtet und uns damit manche wertvolleAnregung für die eigene Arbeit gegeben.Im September 1966 wurde Dr. Fuchskorrespondierendes Mitglied und imSeptember 1971 Ehrenmitglied <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>für Medizinische Radiologie<strong>der</strong> DDR.Beson<strong>der</strong>e Verdienste hat er sich auchdadurch erworben, daß er in Österreichund an<strong>der</strong>en kapitalistischen Län<strong>der</strong>nfür die Aufnahme <strong>der</strong> DDR in dieW[orld] H[ealth] O[rganization] eingetretenist. So ist es im wesentlichen ihmzu verdanken, daß in diesem Jahr 150österreichische Ärzte Unterschriften indiesem Sinne abgaben, die dem österreichischenAußenminister [RudolfKirchschläger] übergeben wurden.Anläßlich des Weltgesundheitstages1972 wurde er deshalb mit einer Delegationvon Minister [Ludwig] Mecklingerin Berlin empfangen.Während seiner ganzen ärztlichenLaufbahn genügte ihm jedoch seine isoliertewissenschaftliche Arbeit nicht,son<strong>der</strong>n stets hat er sich mit den Problemen<strong>der</strong> internationalen Arbeiterklassebeschäftigt und an ihrem Kampf aktivteilgenommen.Seit 1964 ist Dr. Fuchs Vorstandsmitglieddes Internationalen Instituts für denFrieden, seit 1970 Vizepräsident diesesInstituts und verantwortlicher Redakteur<strong>der</strong> Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“,die das genannte Institut herausgibt.Sehr aktiv und erfolgreich tritt er inVeröffentlichungen und auf Veranstaltungenfür die Solidarität mit den um seineFreiheit kämpfenden Völkern Indochinasauf. In Österreich ist er einer<strong>der</strong> Initiatoren dieser Bewegung.Seit 1971 ist Dr. Fuchs Mitglied desWeltfriedensrates.Aufgrund seiner jahrelangen und erfolgreichenTätigkeit in <strong>der</strong> Weltfriedensbewegungund seiner außerordentlichen Verdiensteim Kampf um den Frieden wurdeDr. Fuchs im April 1970 auf Erlaß des Präsidiumsdes Obersten Sowjets <strong>der</strong> UdSSRmit dem Lenin-Orden ausgezeichnet.Ich bin <strong>der</strong> Überzeugung, daß aus dieserSchil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamtpersönlichkeit vonHerrn Dr. Fuchs hervorgeht, daß er <strong>als</strong> einVorbild für unsere junge Ärztegenerationangesehen werden kann und daß er in hohemMaße aufgrund seiner zahlreichenVerdienste auf dem Gebiet <strong>der</strong> radiologischenWissenschaft und seiner hervorragendenArbeit für die Erhaltung des Friedensdie Verleihung <strong>der</strong> Ehrendoktorswürde<strong>der</strong> Universität Rostock verdient.Mit vorzüglicher HochachtungProf. Dr. sc. med. HeldDirektor <strong>der</strong> KlinikAnmerkungen:1/ Mitchell G. Ash: Wissenschaftswandel und politischeEreignisgeschichte im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t.In: Robert W. Rosner/W. Gerhard Pohl, Naturwissenschaftenund Politik. Linz 1999, 9–33.2/ Die technischen Anwendungen <strong>der</strong> Radioaktivität.Berlin/München 1956, 1.3/ Einstein und Österreich (= Veröffentlichungen<strong>der</strong> Kommission für die Geschichte <strong>der</strong> Mathematik,Naturwissenschaften und Medizin Heft33). Wien 1980.4/ Karl Heinz Tragl: Das Kaiser Franz Josef Spital.Chronik und Medizingeschichte. Aufbruch indie Neuzeit. Wien 1985, 140f.; Zentralkomiteeund Wiener Stadtleitung <strong>der</strong> KPÖ zeichnen in <strong>der</strong>Volksstimme einen Routinenachruf mit anspruchsvollerÜberschrift: DDr. Georg Fuchs: EinLeben für die Menschen und für den Frieden.Volksstimme, 13.4.1986; Michael Hubenstorf:Österreichische Ärzte-Emigration. In: FriedrichStadler (Hg.): Vertriebene Vernunft I. Emigrationund Exil österreichischer Wissenschaft1930–1940. Wien–München 1987, 359–415, hier388; Wolfgang L. Reiter: Naturwissenschaftenund Remigration. In: Sandra Wiesinger-Stock/ErikaWeinzierl/Konstantin Kaiser (Hg.): Vom Weggehen.Zum Exil von Kunst und Wissenschaft.Wien 2006, 177–218, über Fuchs 195; Karl HeinzTragl: Chronik <strong>der</strong> Wiener Krankenanstalten. Wien[u.a.] 2007, 399f. Für freundliche Hinweisedanke ich Frau Claudia Rosenberger von <strong>der</strong>Verwaltungsdirektion des SMZ Süd.5/ ÖBL 1 (1957), 378; NDB 5 (1961), 676f. (MarleneJantsch).6/ Albert Fuchs, Ein Sohn aus gutem Haus (miteiner Einleitung von Robert Bondy). In: Die <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> und ihr Archiv. Beiträgezur österreichischen Geschichte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.AKG Quellen & Studien 2000. Wien2000, 211–258. Dazu Willi Weinert: EditorischeAnmerkungen, 212f.; Willi Weinert: Zum Lebenvon Albert Fuchs. Aus dem Briefwechsel mit ErwinChargaff. In: Die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>und ihr Archiv, 259–275.7/ NDB 5 (1961), 413 (Marlene Jantsch); KarlHeinz Kärcher: Leopold Freund. In: Hun<strong>der</strong>t Jahremedizinische Radiologie in Österreich. Fest-3/09


16 Beiträgeschrift <strong>der</strong> Österreichischen Röntgengesellschaft(ÖRG) unter Mitarbeit <strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong>für Radioonkologie, Radiobiologie undMedizinische Radiophysik (ÖGRO). Hg. vonH. H. Ellegast/H. D. Kogelnik/E. Strasser.Wien–München–Bern 1995, 57–63.8/ Für freundliche Auskunft danke ich Herrn ArchivarDr. Stefan Sienell!9/ Robert Rosner/Brigitte Strohmaier (Hg.): MariettaBlau – Sterne <strong>der</strong> Zertrümmerung. Biographieeiner Wegbereiterin <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Teilchenphysik(= Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung.Hg. <strong>der</strong> Reihe WolfgangKerber und Wolfgang Reiter). Wien [u.a.] 2003.10/ Almanach f. d. Jahr 1938, 88. Jg. (Wien1939): Bericht des Radiuminstituts 193f., RedeSrbik 163–178; dazu Gerhard Oberkofler: PolitischeStellungnahmen <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaftenin Wien in den Jahren <strong>der</strong> NS-Herrschaft. In: Arbeiterbewegung – Faschismus– Nationalbewusstsein. Wien–München–Zürich1983, 115–126.11/ Werke, Ergänzungsband 1917–1923, 282f.;auch W. I. Lenin: Über Wissenschaft und Hochschulwesen.Berlin 1977, 189.12/ Disziplinarakten Gertrud Saxl. Promotionsprotokoll<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> UniversitätWien. Universitätsarchiv Wien.13/ Otto Kreilisheim: Ich erinnere mich… [Privatdruck.Wien 1989].14/ Rigorosenakt <strong>Nr</strong>. 11.635. UniversitätsarchivWien. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterndes Wiener Universitätsarchivs besten Dank fürdie freundliche Hilfe!15/ Berta Karlik: Karl Przibram. ÖAW, Almanachf. d. Jahr 1974, 124. Jg., Wien 1975, 379–387;Stefan Sienell/Christine Ottner: Das Archiv desInstituts für Radiumforschung. Anzeiger math.-nat. Klasse d. ÖAW II 140 (2004), 11–53.16/ K. Steinitz, Nachruf. Deutsche medizinischeWochenschrift, 82. Jg., <strong>Nr</strong>. 27, 5. Juli 1957, 1138f.17/ Arin Namal: Dr. Rosa Maria Rössler (Wien1901–Istanbul 1954). Ihr Wirken in Istanbul undihr Beitrag zur türkischen Medizin. Wiener KlinischeWochenschrift (2007) 119/21–22, 663–668.18/ Für diese und an<strong>der</strong>e Daten danke ich Dr.Willi Weinert!19/ <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> (Hg.): ZwischenWiener Kreis und Marx. Walter Hollitscher(1911–1986) (= Quellen & Studien, Son<strong>der</strong>band2). Wien 2003.20/ Franz Muhri: Kein Ende <strong>der</strong> Geschichte.Wien 1995.21/ Ernst Fischer: Erinnerungen und Reflexionen.Hamburg 1969.22/ Georg Fuchs: Vorschlag für engere Zusammenarbeit.In: Zur Lage <strong>der</strong> Intelligenz in Österreich.Protokoll <strong>der</strong> Theoretischen Konferenz abgehaltenam 19. Juni 1975. Hg. von <strong>der</strong> Kommissiondes ZK <strong>der</strong> KPÖ für Intellektuellenarbeit (= KleineTheoretische Reihe, <strong>Nr</strong>. 6), Wien [1976], 96.23/ Mit 84 Abb. im Text. VIII, 168 S., Wien 194824/ Mit 10 Abb. im Text. 74 S., Wien 1949.25/ Tragl: Das Kaiser Franz Josef Spital, 141und <strong>der</strong>selbe: Chronik <strong>der</strong> Wiener Krankenanstalten,399.26/ Catalogus Professorum Rostochiensium:http://cpr.uni-rostock.de27/ Der Volksarzt, 16. Jg., September 1966,<strong>Nr</strong>. 3. Die von <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> GewerkschaftlichenEinheit in <strong>der</strong> Sozialversicherung herausgegebeneZeitschrift Der Volksarzt. Zeitschrift fürFragen des Gesundheitsdienstes in <strong>der</strong> Sozialversicherungist in <strong>der</strong> Österreichischen Nationalbibliotheknachgewiesen von 3/1953 bis 18/1968.28/ Eva Barilich: Fritz Jensen. Arzt an vielen Fronten(= Biografische Texte zur Geschichte <strong>der</strong> österreichischenArbeiterbewegung 5). Wien 1991.29/ Rede im österreichischen Nationalrat,14. März 1968. In: Karl Czernetz: Europa und<strong>der</strong> Frieden. Wien [u.a.] 1968, 243–248 (Für einenFrieden in Vietnam).30/ Andreas Pecha (Friedensbewegung/FriedensbüroWien) hat in freundlich entgegenkommen<strong>der</strong>Weise Materialien <strong>der</strong> Friedensbewegungzur Verfügung gestellt! Diese Materialenwerden im Text nicht weiter nachgewiesen.31/ Victor Weisskopf: Mein Leben. Ein Physiker,Zeitzeuge und Humanist erinnert sich an unserJahrhun<strong>der</strong>t. Bern [u.a.] 1991.32/ Der 22. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs 18. bis 20. Jänner 1974. Hg. vomZentralkomitee <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs. Wien [1974], DiskussionsbeitragDDr. Georg Fuchs, 252. In einem Artikel aus Anlass<strong>der</strong> 40. Wie<strong>der</strong>kehr des Todestages Leninsam 21. Jänner 1964 hat Fuchs in <strong>der</strong> ZeitschriftDer Volksarzt, 13. Jg., Oktober 1963, <strong>Nr</strong>. 3, 5–7diese Gedanken wissenschaftsgeschichtlich begründet.Dazu Herbert Hörz: Marxistische Philosophieund Naturwissenschaften. Berlin 1974.33/ Standpunkte und Dokumente, <strong>Nr</strong>. 4,Juni–Juli 1969.34/ Wien 1981.35/ Für freundliche Hilfe danke ich dem Archiv<strong>der</strong> Universität Rostock!36/ Internationales Institut für den Frieden Wien.Wissenschaft und Frieden. WissenschaftlichesSymposium. Globale Probleme <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nenZivilisation. 1. Teil. Schriftenreihe 1, März 1974.37/ Bundesministerium für Auswärtige AngelegenheitenWien: Konferenz über Sicherheit undZusammenarbeit in Europa. Entstehung, Verlaufund Dokumente. Wien 1986.38/ Internationales Institut für den Frieden Wien(Hg.): Schriftenreihe. März 1972. <strong>Nr</strong>. 1: Wissenschaftund Frieden.39/ Internationales Institut für den Frieden.Schriftenreihe. Juni 1972, <strong>Nr</strong>. 2. Wien 1972.40/ Gazettaverlag Wien. 2., erweiterte Auflage1985 (= Schriftenreihe des Internationalen Institutsfür den Frieden).41/ Vietnam. Bulletin <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> Österreich–Vietnam,<strong>Nr</strong>. 2/1986.42/ Wien 1949. 74 S.43/ München [u.a.] 1958, VIII, 238 S.AufgelesenMarie-Thérèse Kerschbaumerüber <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong>Meinem Großvater, ich kommenoch einmal auf ihn zurück, warÖsterreich wichtig, viel wichtiger <strong>als</strong>Tirol, er mochte keine Trachten- undBrauchtumsgruppen, das lehnte er entschiedenab. Ich weiß nicht, woher erseine nationale Identität bezog, die ernie verlor. Ihm schwebte wohl so etwaswie die Schweiz vor, er wußte über Bodenbeschaffung,landwirtschaftlicheNutzflächen Bescheid, er bewun<strong>der</strong>tenicht nur wegen seiner Blüte den Raps.Er sprach von einer österreichischenÖlproduktion. All das sei erwähnt, umzu zeigen, daß selbst im konservativstenTeil <strong>der</strong> Bevölkerung ein objektivesWissen sich mit subjektiven Bedürfnissendeckt und sich mit den Erkenntnissendes Kommunisten <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> trifft, <strong>der</strong> im Auftrag seiner Parteiim März und April 1937 seine Studieüber die Nationswerdung Österreichsverfasst hat. Was gemeinsamwebt und wirkt, <strong>als</strong>o Handel treibt, eingemeinsames Territorium bewohnt, gemeinsameVergangenheit und Kulturhat und eine gemeinsame Sprachespricht, ist eine Nation; dies ist <strong>der</strong>Ausgangspunkt von <strong>Klahr</strong>s Überlegungenund, <strong>der</strong> Wahrheit zur Ehre sei hinzugefügt,dies stützt sich auf die DefinitionStalins zur Georgischen Nation.In <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>nummer von Weg undZiel vom Dezember 1979 sind dieseAufsätze <strong>Klahr</strong>s wie<strong>der</strong> veröffentlicht.Nicht die österreichische Nation ist einekommunistische Erfindung, dochösterreichische Kommunisten haben definiert,expliziert und mit wissenschaftlichenMitteln einsichtig gemacht, wasweite Teile <strong>der</strong> Bevölkerung praktischlebten, erlebten, unterbewußt empfanden,und was sich an <strong>der</strong> Erfahrung mit<strong>der</strong> nation<strong>als</strong>ozialistischen Fremdenherrschaftdurch Bewußtwerdung beschleunigte.Wer <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong>s Ausführungenliest, hat wissenschaftliches Rüstzeuggegen manch gefährliche Unklarheiten.Ich gehe noch weiter, dem wird deutlich,wie gefährlich nahe dem Hochverrat je<strong>der</strong>Zweifel an unserer österreichischenNation heute ist.Aus: Marie-Thérèse Kerschbaumer: Fürmich hat lesen etwas mit fließen zu tun…Gedanken zum Lesen und Schreiben vonLiteratur (= Reihe Frauenforschung,Band 12). Wien 1989, 110f.3/09


Beiträge 17Über eine Spitzelaffäre in <strong>der</strong> ersten Nachkriegszeitin Österreich und ItalienGUIDO ZAMIŠIm 110. Geburtsjahr des Journalisten undGramsci-Autors Guido Zamiš ist es mireine Freude und Ehre, hier einen eher unbekanntenBericht aus seinen Aufzeichnungen<strong>der</strong> Leserschaft zugänglich zumachen. Es handelt sich dabei um einenAugenzeugenbericht über eine SpionageundDesinformationsaktion im Auftragedes damaligen italienischen MinisterpräsidentenFrancesco Saverio Nitti aus demJahre 1919, in die Guido Zamiš und an<strong>der</strong>eMitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiDeutschösterreichs verwickelt wurden.Diese Aktion sollte <strong>der</strong> Schädigung <strong>der</strong>Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> ItalienischenSozialistischen Partei (ISP) und <strong>der</strong>Kommunistischen Partei Deutschösterreichs(KPDÖ) dienen.ERIC ZAMIŠDie erste Nachkriegsregierung Italiensdes liberalen DemokratenFrancesco Saverio Nitti griff imSommer 1919 zu einer groß angelegtenProvokation, um die Kontrolle über dieVerbindungen zu erhalten, die von <strong>der</strong>Kommunistischen Partei Deutschösterreichsund über sie von an<strong>der</strong>en kommunistischenZentren zur Italienischen SozialistischenPartei führten und nachMeinung <strong>der</strong> italienischen Polizei unddes militärischen Abwehrdienstes denZweck haben sollten, in Italien die Revolutionauszulösen.Zwar war bereits <strong>der</strong> PolizeikommissarGiuseppe Dosi, <strong>der</strong> <strong>der</strong> italienischen Militärkommissionin zugeteilt war, mitkommunistischen Kreisen in Verbindunggetreten, was ihm ermöglichte, über dieVorgänge innerhalb <strong>der</strong> KommunistischenPartei Deutschösterreichs (KPDÖ)ziemlich gut informiert zu sein, dochscheinen seine Berichte dem italienischenInnenministerium nicht genügt zuhaben. Man brauchte zu diesem Zweckeeinen skrupelloseren Agenten. So wurde<strong>der</strong> Hauptmann <strong>der</strong> Carabinieri AldoSoncelli beauftragt, unter einem Decknamentiefer in das kommunistische MilieuWiens einzudringen. Außerdem sollte erunter dieser Maske Kontakt mit den sichin Wien ständig o<strong>der</strong> vorübergehend aufhaltendenItalienern aufnehmen. Soncellistand im aktiven Dienste des Innenministeriumssowie <strong>der</strong> Generaldirektion <strong>der</strong>Polizei. Er durfte jedoch auch eine direkteVerbindung zum Ministerium für dieVerteidigung besessen haben, da er, wieaus seiner späteren Tätigkeit hervorgeht,nach Belieben über militärische Blankoformulare,Legitimationspapiere, Uniformenaller Waffengattungen (zur Tarnungseiner Mitarbeiter), militärische Kraftfahrzeugeusw. verfügen konnte.Soncelli begann seine Arbeit, indem ersich in Zivilkleidung beim Bezirkssekretariat<strong>der</strong> KPDÖ in Innsbruck vorstellteund <strong>als</strong> Deserteur <strong>der</strong> italienischen Besatzungsgruppenin Tirol ausgab. Er machteden Vorschlag, unter diesen revolutionärePropaganda zu betreiben. Mangels anVerschwörungen, die er aufzudecken hatte,wollte er <strong>als</strong>o solche selbst organisieren.Die Innsbrucker Genossen warenvorsichtig und, bevor sie sich mit demManne einließen, berichteten sie darübernach Wien. Darauf gab mir <strong>der</strong> Gener<strong>als</strong>ekretär<strong>der</strong> KPDÖ, Karl Tomann, denAuftrag nach Innsbruck zu reisen und mitdem angeblichen Deserteur in Verbindungzu treten. Es mag heute son<strong>der</strong>barerscheinen, dass ein so delikater Auftrageinem unerfahrenen, erst neunzehnjährigenGenossen erteilt wurde.Das war aber dam<strong>als</strong> Gang und Gebe,und ebenso Junge wurden sogar ins Auslandmit wichtigen Missionen geschickt.Ich war einer unter den sehr wenigen Genossen,die Italienisch sprachen.In Innsbruck traf ich den angeblichenDeserteur, <strong>der</strong> sich mir <strong>als</strong> Luigi Ferrarivorstellte, und seinen Plan auseinan<strong>der</strong>setzte, unter den italienischen Soldatenrevolutionäre Flugblätter zu verbreiten.Um zu beweisen, dass er unter allenTruppenkörpern Verbindungen hatte, organisierteer an einem unserer nächstenZusammenkünfte in Innsbruck eine Versammlungvon ungefähr 20 Soldatenverschiedener Waffengattungen, vor denenich einen Vortrag über die Ziele <strong>der</strong>Kommunisten hielt. In Wahrheit warendies wahrscheinlich lauter Carabinieri imDienst „zu beson<strong>der</strong>er Verwendung“.Bereits während meines ersten Besuchsin Innsbruck hatte das Tiroler Landeskommando<strong>der</strong> Volkswehr von meinemDasein Kenntnis erhalten und ludmich vor. Ich war nämlich dam<strong>als</strong> nochAngehöriger des Volkswehrbataillons 41(die von Leo Rothziegel und Egon ErwinKisch gegründete Rote Garde) und warmit Marschpapieren von diesem Bataillonskommando<strong>als</strong> Feldwebel nach Inns-bruck gereist. Ein höherer Offizier wolltevon mir wissen, ob ich gekommen sei,um unter den Tiroler Volkswehrmännernkommunistische Propaganda zu betreiben.In ziemlich arroganter Weise lehnteich jede Auskunft ab, da mein Auftragvertraulichen Charakter hatte. Ich erwähnenur deshalb dieses Vorkommnis, weiles eventuell darauf hindeuten könnte,dass die österreichischen Behörden in<strong>der</strong> Affäre Soncelli mit den italienischenGeheimdiensten von vornherein zusammenarbeiteten.Vielleicht war auch meineReise von Polizeikonfidenten innerhalb<strong>der</strong> Roten Garde gemeldet worden.Auf Grund meines Berichts ließ Tomannden Ferrari-Soncelli nach Wienkommen. Tomann war mit seinen Pläneneinverstanden, und dementsprechend verfassteich ein Flugblatt an die italienischenSoldaten in <strong>der</strong> Besatzungszone,worin sie aufgefor<strong>der</strong>t wurden, für ihreHeimreise und Demobilisierung zu kämpfen.Übrigens führte die ISP im Avanti zujener Zeit auch eine <strong>der</strong>artige Kampagne.Ferrari-Soncelli übernahm diese Flugblätterin einer Auflage von einigen TausendExemplaren, um sie in Tirol zu verbreiten.Es gibt keinen Beweis, dass dies wirklichgeschehen ist, doch ist anzunehmen, dasser die Flugblätter verbreiten ließ, um siedann in den Kasernen zu „entdecken“ undso gegenüber seinen Vorgesetzten seineTüchtigkeit <strong>als</strong> Polizist zu beweisen.In diesem Falle wären natürlich dieSoldaten, bei denen solche Flugblättergefunden wurden, vor das Kriegsgerichtgekommen. Doch das sind, wie gesagt,nur Vermutungen. Tatsächlich überredetenaber die Mitarbeiter Soncellis österreichischeGenossen dazu, nach ItalienWaffen und Sprengstoffe zu schmuggeln,um sie dann verhaften und zuschweren Kerkerstrafen verurteilen zulassen. Davon erfuhr ich erst nach <strong>der</strong>Entlarvung des Provokateurs.Durch Tomann wurde in Wien Soncelli-Ferraridem Korrespondenten desAvanti, Isaac Schweide, und dem AbgeordnetenOddino Morgari vorgestellt.Schweide, <strong>der</strong> unter dem Pseudonym IsoErante schrieb, stammte aus Argentinien.Er hatte sich in Italien in <strong>der</strong> sozialistischenJugendbewegung betätigt, warnach seiner Ausweisung in die Schweizgefahren, wo er mit dem internationalenJugendsekretariat in Verbindung trat, und3/09


18 BeiträgeGuido Zamiš, kommunistischer Journalist (1899–1985).war schließlich mit seiner Familie überDeutschland nach Wien gekommen. Vonda hatte er den sozialistischen AbgeordnetenO. Morgari nach Budapest begleitet,<strong>der</strong> dort, glaube ich, vor <strong>der</strong> Versammlung<strong>der</strong> Arbeiter- und Soldatenräteeine Rede gehalten hat. Die genauen Datendieser Reise ließen sich aus <strong>der</strong> ungarischenPresse ohne weiteres feststellen.Schweide gab dem Ferrari-Soncelli eineEmpfehlung für den Direktor des Avantiund angesehenen Sozialistenführer Serrati.Morgari hatte soviel Vertrauen zu demProvokateur, dass er ihn <strong>als</strong> „den uneigennützigstenMenschen dieser Welt“ bezeichnete,da er tatsächlich alle, mit denener in Verbindung kam, in <strong>der</strong> „uneigennützigsten“Weise unterstützte. So seihier eine <strong>der</strong> gefährlichsten Provokationenvorweggenommen, die er einleitete.Er ging bei Serrati ein und aus. Als dieFrau Serratis sich darüber beklagte, dassdie Familie keine Mittel hatte, um ihre altesMobiliar zu erneuern, gab er Serratisofort einen zinslosen Kredit von 20.000Lire, <strong>der</strong> in Raten abzuzahlen gewesenwäre. Doch darüber später.Tomann wollte, dass ich die Verbindungzwischen <strong>der</strong> KPDÖ und <strong>der</strong> ISPund daher mit Serrati herstellte. Dazusollte ich die Hilfe Soncelli-Ferraris ausnützen.Damit ich die italienische Grenzkontrollepassieren konnte, verschafftemir Soncelli die Uniform, die Ausweispa-piere und einen Marschbefehl<strong>als</strong> Leutnant des8. Alpini-Regiments. Soreiste ich mit ihm nachMailand und überbrachteSerrati einen Brief vonTomann. In <strong>der</strong> gleichenWeise führte ich mehrereReisen durch, wobei dieBriefe, die wir mitführten,natürlich alle zur Kenntnisdes italienischen Innenministeriumsgelangten. DieKopien befinden sich imitalienischen Staatsarchiv.Soncelli reiste dabei niem<strong>als</strong>im gleichen Abteilwie ich; wahrscheinlichwies er sich bei den Zugkontrollenin seiner wahrenFunktion und mit seinemwahren Namen aus.Wäre er dagegen mitmir gefahren, bestand dieGefahr, dass durch eineUnvorsichtigkeit von meinerSeite die KontrollorganeVerdacht geschöpfthätten und er zur Ausweisleistungvor mir gezwungen wordenwäre. Soncelli bekam aber von Schweidenoch an<strong>der</strong>e Aufträge, die sich auf ungarischeGenossen bezogen, die in ItalienAsyl suchten, woran ich nicht beteiligtwar. Sie wurden dann alle in Italien verhaftet.Davon erfuhr ich erst nach seinerEntlarvung. Schweide unterhielt sehr engeBeziehungen zum ungarischen Botschafterin Wien, General Czobel.Um größere Bewegungsfreiheit zu haben,gründete Soncelli eine Firma Ferrari-Hofermit Sitz in Bologna und Filialenin Florenz, Mailand und Turin. Hofer warein Tiroler, etwa zwischen 25 und 30 Jahrealt, sehr wortkarg, <strong>der</strong> sich immer imHintergrund hielt. Ich vermute, dass essich bei ihm auch um einen Polizistenhandelte, ob im Dienste <strong>der</strong> italienischeno<strong>der</strong> österreichischen Polizei bleibt dahingestellt.Als Vertreter dieser Firmawurde für Turin <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> AntonioGramscis, Gennaro, und für Florenz <strong>der</strong>sozialistische Jugendfunktionär VirgilioVerdaro angestellt. Gennaro Gramsci war<strong>der</strong> Administrator <strong>der</strong> kommunistischenWochenzeitschrift L’Ordine Nuovo.Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Organisierung<strong>der</strong> Flucht ungarischer Genossennach Italien versuchte Soncelli eine Provokation,die Béla Kun betreffen sollte.Er macht mir den Vorschlag, Béla Kun,<strong>der</strong> in Österreich interniert war, zu „befreien“und ihn nach Italien zu bringen.Soncelli hatte dazu schon konkrete Vorbereitungengetroffen und zu diesemZweck einen einsamen Gasthof in Südtirolausfindig gemacht. Damit ich seineEignung <strong>als</strong> Versteck für Béla Kun beurteilenkonnte, fuhren wir aus Innsbruckmit italienischen Militärfahrzeugen dahin.Diese Gaststätte lag an <strong>der</strong> Straßezwischen dem Brenner und Bozen, völligisoliert von je<strong>der</strong> Ortschaft. Hier hättesich tatsächlich eine Person für einigeZeit ganz unauffällig aufhalten können.Es kam nicht zu dieser Entführung, dieohne Zweifel zur Verhaftung von BélaKun und vielleicht zu seiner Auslieferungan die Horthy-Behörden geführthätte. Dass aber dieser Plan auch weiterverfolgt wurde, zeigt eine Bemerkung ineinem Brief Tomanns an Helene Diesingvom 8. März 1920, in dem es heißt: „Zamisist hier angekommen. Desgleichenkann ich Ihnen mitteilen, dass Raabe herausist und die Bewilligung hat, sich solangein Wien aufzuhalten, <strong>als</strong> er sichnicht politisch betätigt. (...) Béla Kunund eine Anzahl an<strong>der</strong>er werden nachItalien gehen, unsere Partei wirkt dafür,um den Genossen die Freiheit zu verschaffen.“(siehe: Renato Monteleone, IlPartito comunista austriaco. Rapporti ecorrispondenza con gli italiani nel primodopoguerra. Genova 1972, S. 49.)Ende Oktober 1919 wurde ich bei meinerAnkunft in Mailand verhaftet, <strong>als</strong> icheinen Koffer voll Broschüren in ukrainischerSprache mit mir führte, die für dieaus Ostgalizien stammenden, ukrainischsprechendenösterreichischen Kriegsgefangenenin Italien bestimmt waren. Eshandelte sich um „Staat und Revolution“von Lenin, übersetzt von einem in Wienlebenden ukrainischen Genossen. Bevormich die Carabinieri in das Untersuchungsgefängnisbrachten, wurde ich in<strong>der</strong> Carabinierikaserne „Parini“ von einemhöheren Carabinierioffizier verhört,<strong>der</strong>, um mich einzuschüchtern, drohte,mich <strong>als</strong> feindlichen Staatsbürger in italienischerUniform erschießen lassen zukönnen. Was auf mich wenig Eindruckmachte, denn die Zeiten solcher Erschießungenohne Prozess waren schonvorbei. Beim Prozess vor einem Zivilgericht,bei dem mir von <strong>der</strong> SozialistischenPartei <strong>der</strong> Advokat Nino Levi <strong>als</strong> Verteidigergestellt wurde, wurde ich wegen desmissbräuchlichen Tragens <strong>der</strong> Uniformund <strong>der</strong> Dienstwaffe zu drei Monaten und23 Tagen Haft verurteilt. Anfang März1920 wurde ich aus Italien ausgewiesenund an <strong>der</strong> Brennergrenze nach Österreichabgeschoben. Nach <strong>der</strong> Entlarvung Soncelli-Ferrarisvermutete Schweide, dass3/09


Beiträge 19ich nur deshalb so billig davongekommenwäre, weil <strong>der</strong> Staatsanwalt über meineRolle in <strong>der</strong> Affäre Soncelli informiertwar und ich auch weiter zur Verfügungstehen sollte. Stattdessen hatte ich daraufnichts mehr mit Soncelli zu tun, den ichnur gelegentlich bei Schweide sah, wo ichkurze Zeit <strong>als</strong> Sekretär beschäftigt war.Über die Entlarvung Soncellis kann ichFolgendes authentisch berichten. EinesTages, im Sommer 1920, im Juli o<strong>der</strong> August,kam in aufgeregtem Zustand dieFrau Schweides, Anita Schweide, geb.Ljubowna, die aus Südrussland stammteund in Rom studiert hatte – wenn ichmich recht erinnere – zu mir in die Wohnungund fragte mich, woher ich den Ferrarikenne. Ich erklärte ihr das. Daraufsagte sie mir, dass es sich um einen Spitzelhandeln dürfte. Er hatte nämlich eineungarische Genossin nach Italien bringensollen, die ihm beim Mittagessen im HauseSchweides gezeigt wurde. Dabei fielein Mal unvorsichtiger Weise <strong>der</strong> wahreName dieser Genossin. So war Ferrari <strong>der</strong>einzige Italiener, <strong>der</strong> ihn kannte. Als sieaber in Italien verhaftet wurde, sagte ihr<strong>der</strong> Polizeikommissar sofort wie sie mitihrem wahren Name hieß. So konnte nurFerrari sie verraten haben. Es war <strong>als</strong>oAnita Schweide, die <strong>als</strong> erste begründetenVerdacht gegen Ferrari-Soncelli schöpfte.In <strong>der</strong> schon erwähnten Broschüre vonMonteleone wird von einer vorherigenanonymen Warnung gegen Ferrari-Soncelligesprochen, ohne dass dazu nähreEinzelheiten geliefert werden.Schweide setzte sofort von diesem Verdachtdie Genossen in Italien in Kenntnis,denen es in Bologna, am Sitze <strong>der</strong> FirmaFerrari-Hofer gelang, den Provokateurdadurch restlos zu entlarven, dass sie ihmdie Brieftasche entrissen, worin sich seineLegitimationspapiere <strong>als</strong> Hauptmann<strong>der</strong> Carabinieri befanden. Alle diese Tatsachenberuhen auf persönliche Erlebnissen.Sie sind von mir bisher niem<strong>als</strong> veröffentlichtworden.Erst nach <strong>der</strong> Entlarvung Soncellis fielauf, mit welchem Leichtsinn alle dabeiBeteiligten vorgegangen sind. Aldo Soncellierzählte, dass er aus Mailand stammte– was auch auf Grund seines Dialektesanzunehmen war – und dass er dort eineSchwester habe, bei <strong>der</strong> er gelegentlichwährend unserer Reisen übernachtete.Serrati wäre es ein Leichtes gewesen, dieseAngaben zu überprüfen. Er verließ sichjedoch auf die Empfehlung von Schweideund Morgari, ohne zu fragen, welcheBürgschaften diese Beiden in Bezug aufden angeblichen Ferrari hatten. Es hatsich auch niemand darum gekümmert, aufGrund welcher Unterlagen die Firma Ferrari-Hoferim Handelsregister eingetragenwurde. Es ist auffallend, dass sie ihrenSitz in Bologna hatte, wo es eine starkesozialistische Stadtverwaltung gab undsomit eine Empfehlung <strong>der</strong> SozialistischenPartei entsprechend Gewicht hatte.Die wahre Identität Hofers und seine Rolleist auch niem<strong>als</strong> aufgedeckt worden.Das heißt, dass hier noch manche Entdeckungenzu machen wären.Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Affäre Soncellientwickelte sich 1921 eine heftigePolemik zwischen Antonio Gramsci undG. M. Serrati im Ordino Nuovo (Tageszeitung)auf <strong>der</strong> einen und dem Avantiauf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Siehe dazu die Artikelim Ordino Nuovo, die enthalten sindim Band: Antonio Gramsci, Socialismo efascismo, L’Ordine Nuovo 1921–1922,Torino 1967: „Un altro agente provocatore?“(S. 178–180), „C’é un morto nellastive?“ (S. 185–186), „Serrati e prezzemolo“(S. 210–212), „Come muoiono ipappagalli, che vogliono fare le aquile?“(S. 213–214), „Ecsenza die prezzemolo“(S. 215). Im Avanti finden sich die Entgegnungenin folgendem Nummern: 20.,22., 23., 24., 25. und 26. Juni 1921. OddinoMorgari kam auf die AngelegenheitSoncelli-Ferrari im Nuovo Avanti vom8. April, 6. Mai, 3. und 24. Juni 1939zurück. Gramsci wirft in seinen ArtikelnSerrati vor allem sein leichtsinniges Verhaltengegenüber dem Spitzel vor, wodurchnicht nur zahlreiche Genossen Opferdes Provokateurs wurden, son<strong>der</strong>nnoch größerer Schaden für die Gesamtbewegunghätte entstehen können.Dabei hebt Gramsci die erstaunlicheTatsache hervor, dass nach <strong>der</strong> EntlarvungSoncellis in Bologna Serrati in einemBrief vom 27. Oktober 1920 gefor<strong>der</strong>that, dass „die ganze AngelegenheitFerrari und Komplizen seiner Sorgenüberlassen werde“, da er Material für einediesbezügliche Pressekampagne sammle.Die wurde aber niem<strong>als</strong> geführt. So kames, dass Soncelli niem<strong>als</strong> <strong>als</strong> Provokateurgebrandmarkt wurde und die Öffentlichkeitnicht vor ihm gewarnt wurde.Dazu kann ich mit Bestimmtheit sagen,dass, so wie ich es oben geschil<strong>der</strong>t habe,<strong>der</strong> erste Verdacht gegen den Provokateurim Sommer 1920 aufkam undSchweide sofort die italienischen Genossendavon in Kenntnis setzte. Dies warim Juli o<strong>der</strong> August 1920, und es kannvielleicht einige Wochen gedauert haben,bis sich die Gelegenheit bot, Soncelli indie Falle zu locken. Das Zögern Serratisist vermutlich im Zusammenhang mitdem Kredit zu sehen, den er von Soncellierhalten hatte. Außerdem stellte Gramscifest, dass es nicht Serrati war, <strong>der</strong> Soncellientlarvte, son<strong>der</strong>n die KommunistenMarangoni und Vezzelli in Bologna.Auch das kann ich auf Grund <strong>der</strong> <strong>Mitteilungen</strong>,die mir dam<strong>als</strong> Schweide machte,bestätigen. Auch die f<strong>als</strong>che DarstellungSerratis, die diesen in einem günstigenLichte in dieser für ihn peinlichen Affäreerscheinen lassen soll, <strong>als</strong> hätte er Soncellientlarvt. Dazu erklärt Gramsci, dassNitti den „unbestechlichen“ Serrati mit20.000 Lire kö<strong>der</strong>n wollte, um sich damitdie Möglichkeit einer Zusammenarbeitetmit <strong>der</strong> sozialistischen Rechten zu verschaffen.Es sei möglich, dass einer <strong>der</strong>Rechten diese „wun<strong>der</strong>schöne Falle“, umden „Unbestechlichen“ zu Grunde zurichten, Nitti suggeriert habe. Gramsciweist auch auf die Folgen hin, die dasVerhalten des Führers <strong>der</strong> SozialistischenPartei hätte haben können. „Wenn, nachdemSerrati in die Schlinge gegangenwar, die Sozialistische Partei die Massenzu einer Aktion auf die Straße gerufenhatte, hätte Nitti leicht in diesen Verwirrungund Entmutigung hervorrufen können,indem er in <strong>der</strong> bürgerlichen Pressedas Faksimile des Schuldscheins hätteveroeffentlichen lassen, woraus hervorgegangenwäre, dass Giacinto MenottiSerrati, <strong>der</strong> allgemein <strong>als</strong> unbestechlichgalt, 20.000 Lire von einem Spitzel angenommenhatte.“Deshalb <strong>als</strong>o hatte Serrati 1920 keinInteresse, die Affäre Soncelli an diegroße Glocke zu hängen.Besuch von <strong>Alfred</strong>o BauerAnlässlich seines 85. Geburtstages besucht<strong>der</strong> österreichisch-argentinischeSchriftsteller <strong>Alfred</strong>o Bauer seineGeburtsstadt Wien. Beson<strong>der</strong>es Anliegenist es ihm, <strong>der</strong> Zeit seines Lebens für einegerechte, demokratische <strong>Gesellschaft</strong> undgegen den faschistischen Ungeist kämpfte,das Andenken an die Mitstreiter diesesKampfes aufrecht zu erhalten. Die AL-FRED KLAHR GESELLSCHAFT organisiertgemeinsam mit <strong>Alfred</strong>o Bauer, <strong>der</strong> Österreichisch-Kubanischen<strong>Gesellschaft</strong> und<strong>der</strong> Kubanischen Botschaft eine Gedenkfeierlichkeitfür Ernesto „Che“ Guevaraund lädt anschließend zu einer Lesungmit dem Schriftsteller ein.Freitag, 9. Oktober <strong>2009</strong>, 15.00Che-Guevara-Denkmalim Wiener DonauparkDie Örtlichkeit für die anschließendeLesung wird noch bekannt gegeben.3/09


20 Ankündigung<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>www.klahrgesellschaft.atBildungsverein <strong>der</strong> KPÖ SteiermarkLagergasse 98a, 8020 Grazhttp://bildungsverein.kpoe-steiermark.atPodiumsdiskussion1929 – <strong>2009</strong>: Weltwirtschaftskrisedam<strong>als</strong> und heuteFreitag, 16. Oktober <strong>2009</strong>, 19.00AK Steiermark, Kleiner Saal, Strauchergasse 32, 8020 GrazProf. Dr. Georg Fülberth (Politikwissenschafter, Universität Marburg)Dr. Gerald Heschl (Wirtschaftskammer Steiermark)Ernest Kaltenegger (Abg. zum Landtag, Klubobmann <strong>der</strong> KPÖ Steiermark)Mag. Werner Kogler (Abgeordneter zum Nationalrat, Grüne)Mag. Karl Snie<strong>der</strong> (Wirtschaftsabteilung <strong>der</strong> Arbeiterkammer Steiermark)Mo<strong>der</strong>ation: Dr. Walther Leeb (Präsident <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>)<strong>Mitteilungen</strong> <strong>der</strong> ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTHerausgeber und Medieninhaber:ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTPräsident: Dr. Walther LeebMitarbeiter dieser Ausgabe: Hans Hautmann,Gerhard Oberkofler, Guido ZamisRedaktion und Grafik: Manfred MugrauerAdresse: Drechslergasse 42, 1140 WienTel.: (+43–1) 982 10 86FAX: (+43–1) 982 10 86 DW 18e–mail: klahr.gesellschaft@aon.atInternet: www.klahrgesellschaft.atVertragsnummer: GZ 02 Z 030346 SP.b.b., Verlagspostamt 1140 WienSymposiumSamstag, 17. Oktober <strong>2009</strong>, 10.00 bis ca. 17.30KPÖ-Bildungszentrum im Volkshaus Graz, Lagergasse 98a, 8020 GrazSamstag, 31. Oktober <strong>2009</strong>, 10.00 bis ca. 17.30Universitätscampus Altes AKH, Hörsaal A, Spitalgasse 2–4, Hof 2, 1090 WienProgramm:10.00 Begrüßung durch Dr. Walther Leeb (<strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>) und Franz Stephan Parte<strong>der</strong>(Landesvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> KPÖ Steiermark)10.30 (Graz, Videoeinspielungin Wien)Prof. Dr. GeorgFülberth (UniversitätMarburg):1929 – 1975 – 2008:Drei Krisen und ihrZusammenhang11.30 (Graz)Univ.-Doz. Dr. FritzWeber (UniversitätWien): Wirtschaft – Krise – Diktatur. Österreich in<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise nach 192911.30 (Wien) Univ.-Prof. Dr. Gerhard Senft(Wirtschaftsuniversität Wien): Der Börsenkrach 1929und seine Folgen in Österreich12.15–13.30 Mittagspause13.30 Mag. Manfred Mugrauer (<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>):Die sozialökonomischen Kämpfe <strong>der</strong> KPÖ zurZeit <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise 1929–3314.15 Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut fürNeuere und Zeitgeschichte <strong>der</strong> Universität Linz):Die Marx’sche Krisentheorie und ihre Aktualität15.15–15.45 Kaffeepause15.45 Mag. Gerald Oberansmayr (WerkstattFrieden & Solidarität,Linz): Triebkräfte,Profiteureund Opfer <strong>der</strong>Krise. Soziale undwirtschaftlicheEntwicklung inÖsterreich und<strong>der</strong> EU vor undwährend <strong>der</strong> Krise16.45 Franz Stephan Parte<strong>der</strong> (Landesvorsitzen<strong>der</strong><strong>der</strong> KPÖ Steiermark): Den Weg für fortschrittliche Alternativenöffnen! Vorschläge <strong>der</strong> steirischen KPÖ angesichts<strong>der</strong> globalen Wirtschafts- und FinanzkriseDie Diskussion findet im Anschluss an die Referate statt.Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriumsfür Wissenschaft und Forschung und<strong>der</strong> Kulturabteilung <strong>der</strong> Stadt Wien.3/09

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