12.07.2015 Aufrufe

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2008, als pdf-Datei

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2008, als pdf-Datei

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2008, als pdf-Datei

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

4 BeiträgeFranz Marek (1913–1979)Vorstellungen festhaltende Tendenz, in<strong>der</strong> die Skepsis gegenüber den Grundgedankendes 20. Parteitags <strong>der</strong> KPdSUund dem in <strong>der</strong> KPÖ eingeleiteten „tiefgreifendenschwierigen langwierigenProzeß <strong>der</strong> Umorientierung“ 34 zum Ausdruckkam, auch im Parteiapparat selbststarken Rückhalt. So musste noch imJahr 1970 festgestellt werden, dass selbst„die programmatischen Grundsätze überden Weg Österreichs zum Sozialismuskeineswegs schon Gemeingut <strong>der</strong> großenMehrheit“ <strong>der</strong> Parteifunktionäre undMitglie<strong>der</strong> geworden seien. 35Die ablehnende Haltung gegenüber <strong>der</strong>Verurteilung <strong>der</strong> Militärinterventiondurch das Zentralkomitee „von linken Gesichtspunktenaus“ – „dogmatische undsektiererische Standpunkte“ – wurden zudiesem Zeitpunkt vom KPÖ-Parteivorsitzendenzwar <strong>als</strong> quantitativ stärker eingeschätzt<strong>als</strong> die „extreme“ Gegenposition,36 für Zuspitzungen im weiteren Verlauf<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen waren jedochvor allem das öffentliche Auftretenvon Ernst Fischer und Beiträge in <strong>der</strong> Intellektuellenzeitschrift<strong>der</strong> KPÖ bestimmend,die über die Beschlüsse <strong>der</strong> Parteihinausdrängten und von vielen – sowohlin ihrer inhaltlichen Tragweite <strong>als</strong> auchhinsichtlich <strong>der</strong> Art und Weise ihrer Artikulation– <strong>als</strong> Provokation empfundenwurden. So trat am 31. August <strong>der</strong> Beiratdes Tagebuchs mit einer von 20 kommunistischenIntellektuellen – darunter Mitglie<strong>der</strong>des Zentralkomitees – unterzeichnetenErklärung an die Öffentlichkeit, diedas Moskauer Abkommen <strong>als</strong> „Diktat“und „Erpressung“ charakterisierte. 37 Am10. September 1968 folgte ein <strong>als</strong> „politischerPaukenschlag“ gewertetes InterviewErnst Fischers im österreichischenFernsehen, in dem er das Moskauer Übereinkommenebenso <strong>als</strong> „Diktat“ bezeichneteund für den Fall, dass die ultimativeFor<strong>der</strong>ung nach einem sofortigen Abzug<strong>der</strong> Besatzungstruppen nicht erfüllt werde,den Bruch mit <strong>der</strong> sowjetischenParteiführung verlangte. 38 Beide Stellungnahmengingen weit über KPÖ-offizielleVerlautbarungen hinaus bzw. standen im2/08Gegensatz zur auch in einem ZK-Beschlussfixierten Einschätzung, dass <strong>der</strong>Abschluss des sowjetisch-tschechoslowakischenAbkommens in Moskau „in <strong>der</strong>realen Situation“ ein „erster Schritt zu einerfriedlichen politischen Lösung“ sei.Demgemäß wurde im Oktober auch einAntrag Franz Mareks, eine „gewisse Reservein <strong>der</strong> Einschätzung des MoskauerAbkommens“ in die Diskussionsgrundlagefür den bevorstehenden 20. Parteitageinzuformulieren, abgelehnt. 39Insgesamt bekräftigte das 33. ZK-Plenum,das sich am 12. und 13. Septembermit den tschechoslowakischen Ereignissenbeschäftigte, die kritische Haltungzum Einmarsch und die For<strong>der</strong>ung nachdem Abzug <strong>der</strong> ausländischen Truppenaus <strong>der</strong> ÈSSR. Auch nach Abschluss desVertrages über die zeitweilige Stationierungsowjetischer Truppen in <strong>der</strong> ÈSSRhielt die Partei an ihrer Auffassung fest,„daß eine volle Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong>Souveränität <strong>der</strong> ÈSSR den raschestenAbzug aller ausländischen Truppeneinschließt“. 40 Vor dem Hintergrund <strong>der</strong>genannten öffentlichen Stellungnahmenstanden die einzelnen Redebeiträge am33. ZK-Plenum jedoch bereits mehrheitlichim Zeichen des spektakulären Auftretensvon Fischer und ähnlicher Haltungenin <strong>der</strong> Partei. Zwar wurden dieim Referat von Muhri formuliertenGrundlinien und die darin enthalteneZurückweisung „extremer“ Standpunktemit nur zwei Enthaltungen angenommenund eine Resolution dieses Inhalts mitnur zwei Gegenstimmen beschlossen, 41dennoch vertiefte sich <strong>der</strong> Prozess organisierterGruppenbildung. Die Krise <strong>der</strong>Partei spitzte sich noch im Jahresverlaufbis zur Zerreißprobe zu, was auch aufeinzelnen Bezirkskonferenzen und <strong>der</strong>dabei stattfindenden Wahl <strong>der</strong> Delegiertenzum bevorstehenden 20. Parteitagzum Ausdruck kam.Die Unzufriedenheit <strong>der</strong> Parteibasisspeiste sich auch aus <strong>der</strong> Tatsache, dassdas öffentliche Erscheinungsbild <strong>der</strong>KPÖ maßgeblich von den reformorientiertenKräften geprägt war: Dies hatteneben den in den Massenmedien Resonanzfindenden öffentlichen Auftrittenauch mit führenden Positionen ihrer Exponentenin <strong>der</strong> Parteipresse zu tun:Franz West fungierte <strong>als</strong> Chefredakteurdes Zentralorgans, Franz Marek leitetedas theoretische Organ Weg und Ziel.Ebenso dieser Strömung zuzuordnen warenneben <strong>der</strong> IntellektuellenzeitschriftTagebuch die Mehrheit in <strong>der</strong> JugendorganisationFreie Österreichische Jugend,sowie maßgebliche Kräfte in <strong>der</strong> Wienerund nie<strong>der</strong>österreichischen Landesorganisationund <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> KPÖ verbundenenGewerkschaftsfraktion GewerkschaftlicheEinheit um Egon Kodicek.Der Einfluss dieser Kräfte erstreckte sichdemgemäß weit über Kreise <strong>der</strong> Parteiintellektuellenhinaus auf die Parteijugendund Betriebsfunktionäre, was auch in <strong>der</strong>Zusammensetzung des Zentralkomiteesund Politischen Büros entsprechendenNie<strong>der</strong>schlag fand. Vor diesem Hintergrundkam <strong>der</strong> personellen Seite des imJänner 1969 angesetzten 20. Parteitags,<strong>der</strong> Zusammensetzung des neuen Zentralkomitees,eine große Bedeutung zu.Als am Parteitag die Mitglie<strong>der</strong> des PolitbürosFranz Marek und Egon Kodicek,sowie Theodor Prager und Fred Marguliesnicht wie<strong>der</strong> ins ZK gewählt wurden,was gleichermaßen auf eine fraktionellvorbereitete Streichungsaktion wie aufdie breite Ablehnung ihrer Auffassungenin <strong>der</strong> Parteibasis verweist, stand die Parteivor einer Zerreißprobe. Eine persönlicheInitiative des ParteivorsitzendenMuhri führte schließlich zu einer Korrekturdes Wahlergebnisses: Auf seinenVorschlag hin wurde in einer offenenNeuabstimmung <strong>der</strong> gesamte Wahlvorschlagen bloc angenommen, 42 womitnach <strong>der</strong> Auflehnung <strong>der</strong> Parteibasis diedrohende Spaltung verhin<strong>der</strong>t werdenkonnte. Marek legte darauf seine Funktion<strong>als</strong> Chefredakteur von Weg und Zielzurück und schied aus dem Politbüroaus. Die konstituierende Sitzung desZentralkomitees wählte Muhri in geheimerWahl zum Parteivorsitzenden, sowieFriedl Fürnberg, Hans Kalt und ErwinScharf, die bisher klar gegen die Auffassungenvon Fischer und Marek aufgetretenwaren, zu Sekretären des ZK. Westblieb Chefredakteur <strong>der</strong> Volksstimme,Egon Kodicek, Josef Lauscher, <strong>Alfred</strong>Ruschitzka, Maria Urban und Fritz Zapfkomplettierten das neue PolitischeBüro, 43 womit das Kräfteverhältnis imoperativen Führungsgremium <strong>der</strong> Parteiunverän<strong>der</strong>t und in etwa ausgewogenblieb. Im Laufe <strong>der</strong> Diskussion im ZKwaren zuvor zahlreiche Stimmen laut geworden,die sich gegen die Wahl vonScharf und Fürnberg ins Politbüro aussprachen.Im Zentralkomitee selbst wardas Kräfteverhältnis ähnlich: So wurdenin einem vertraulichen Bericht des ZK-Mitglieds Robert Dubovsky an die SED42 Mitglie<strong>der</strong> dieses Gremiums für eine„marxistisch-leninistische Politik“ ausgemacht,(wohl leicht überzeichnet) 33für die von Dubovsky so bezeichnete„Fischer-Marek-Gruppe“ und zwölf <strong>als</strong>nicht eindeutig einzuschätzen. 44


6 Beiträgekonnte. 56 Nachrichten und Meldungenüber Entwicklungen in <strong>der</strong> ÈSSR wurdenin <strong>der</strong> Volksstimme weitgehend unkommentiertwie<strong>der</strong>gegeben.Insgesamt standen Äußerungen <strong>der</strong>KPÖ über den Reformprozess in <strong>der</strong>Tschechoslowakei seit 1969 im Zeichen<strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> „Normalisierung“.So bestand eine leichte Akzentverschiebungauch darin, dass – analog zu dahingehendenEinschätzungen <strong>der</strong> KPÈ – stärker<strong>als</strong> zuvor die Uneinigkeit <strong>der</strong> neuenParteiführung nach dem Jänner 1968, dieEinmischung <strong>der</strong> imperialistischen Mächte,das Wirken dogmatischer und antisozialistischerKräfte, sowie die Notwendigkeiteines entschlossenen Kampfes gegendiese hervorgehoben wurde. Bereits in <strong>der</strong>Parteitagsresolution wurde festgehalten,dass <strong>der</strong> Einmarsch nicht zur Verhin<strong>der</strong>ungdes Demokratisierungsprozesses in<strong>der</strong> ÈSSR erfolgt sei, vielmehr hätten allebekannten Tatsachen die „Meinung erhärtet,daß das Motiv für den Einmarsch,zu dem sich die fünf Warschauer-Pakt-Staaten schweren Herzens entschlossenhaben, die Sorge um das Schicksal desSozialismus“ in <strong>der</strong> ÈSSR und um die Sicherheit<strong>der</strong> sozialistischen Staatengemeinschaftwar. 57 Zudem wurde ab Dezember1968 immer stärker das Argumentins Treffen geführt, „wie<strong>der</strong> richtigeProportionen in unserer Arbeit herzustellen“und von <strong>der</strong> Fixierung auf die tschechoslowakischenEreignisse und aufGrundprobleme <strong>der</strong> kommunistischenBewegung wie<strong>der</strong> zur praktischen Arbeit,zur Konzentration auf innenpolitischeAufgaben wie den bevorstehenden Nationalratswahlkampfund wirtschaftspolitischeFragen wie die geplante Reform <strong>der</strong>verstaatlichten Industrie, sowie auf internationaleFragen wie die Solidarität mitdem Freiheitskampf des vietnamesischenVolkes überzugehen. 582/08Eskalation und„Normalisierung“heben, wurde im Oktober nicht entsprochen.63 In Reaktion darauf traten 27 Mitglie<strong>der</strong>des Zentralkomitees ohne Konsultationdes Politbüros mit einer Erklärungan die Öffentlichkeit, in <strong>der</strong> sieden Ausschluss Fischers <strong>als</strong> „weiterenSchlag gegen Demokratie und Autonomie“charakterisierten, <strong>der</strong> „die Tendenzzur Spaltung“ <strong>der</strong> KPÖ verstärke. 64 DieseVorgänge machten den quer durch alleParteiorganisationen gehenden tiefenRiss in <strong>der</strong> KPÖ deutlich: Aus unzähligenBasisstrukturen <strong>der</strong> Partei – Bezirks-, Betriebs-und Grundorganisationen -, sowievon einzelnen Parteimitglie<strong>der</strong>n trafennun Stellungnahmen und Resolutionenbeim Zentralkomitee ein, die einerseitsgegen den Ausschluss Fischers protestierten,in ihrer Mehrzahl jedoch seinAuftreten und die öffentliche Erklärung<strong>der</strong> „27“ <strong>als</strong> „Fraktionstätigkeit“ verurteilten.Diese Stimmung wi<strong>der</strong>spiegeltesich auch im Zentralkomitee: Die 7. Plenartagungakzeptierte am 27. und 28. Oktoberauf Antrag von Fürnberg mit 46 gegen28 Stimmen bei zwei Enthaltungenden Ausschluss Fischers mit <strong>der</strong> Feststellung,dass es seine „ideologischen undpolitischen Auffassungen“ ablehne. Zugleichwurde die Erklärung <strong>der</strong> 27 <strong>als</strong>„den für die Partei geltenden organisatorischenGrundsätzen“ wi<strong>der</strong>sprechendzurückgewiesen. 65 Marek hatte zuvor inseinem Redebeitrag alle mit dem AusschlussFischers nicht einverstandenenZK-Mitglie<strong>der</strong> aufgefor<strong>der</strong>t, im Falle einerAnnahme des Antrags von Fürnberg„nach <strong>der</strong> Sitzung hierzubleiben“, umüber weitere Maßnahmen und Erklärungenzu beraten, worauf tatsächlich etwa20 ZK-Mitglie<strong>der</strong> zurückblieben und sichAnfang November mit ultimativen For<strong>der</strong>ungenan das Politbüro wandten. 66Muhris Referat auf dem 8. ZK-Plenumam 24./25. November 1969 war ein letztesMal von seinem Bemühen um einenAusgleich und Kompromiss gekennzeichnet,für den – wie sich zeigen sollte – keineGrundlage mehr bestand: Bei gleichzeitigerAblehnung von Gruppenbildungensprach er sich gegen „monolithische“Leitungsstrukturen aus und sagte – Bezugnehmend auf die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> „27“ –die Öffnung <strong>der</strong> Parteiorgane für parteiinterneKontroversen zu. Als Grundlage fürdie Überwindung <strong>der</strong> Krise bezeichneteer jedoch auch die Verbindlichkeit vonBeschlüssen, den Verzicht auf die Austragung<strong>der</strong> Meinungsverschiedenheitenin den Massenmedien und die Überwindung<strong>der</strong> Tendenz zu Gruppenbildungen.Eine Absage erteilte er <strong>der</strong> Ersetzung <strong>der</strong>KPÖ durch eine „neue Linke“, sowie eidemdie Einschätzungen und For<strong>der</strong>ungendes Tagebuch-Kreises und einzelnerMitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Parteiführung jedoch invielen Fragen über die in <strong>der</strong> Parteitagsresolutionformulierte Kritik hinausgingen,standen die reformorientierten Teile<strong>der</strong> KPÖ, die sich <strong>als</strong> legitime VertreterInnendes 19. Parteitags betrachteten,insgesamt vor dem Problem, dass dieprominentesten Exponenten <strong>der</strong> Neuorientierung– allen voran Fischer und Marek– nunmehr in <strong>der</strong> Parteiöffentlichkeit<strong>als</strong> jene erschienen, die gegen die Beschlüsse<strong>der</strong> Partei, für eine Revision <strong>der</strong>am 19. und 20. Parteitag fixiertenGrundlinie und gegen den dort proklamierten„Neubeginn“ eintraten.Wesentlich zur Zuspitzung <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungim Verlauf des Jahres 1969trugen Äußerungen Ernst Fischers unddes Tagebuchs über die „neue Linke“ bei,die Charakter und Notwendigkeit <strong>der</strong>KPÖ <strong>als</strong> revolutionäre Partei berührten.So sprach sich Fischer in einem Artikel in<strong>der</strong> Hamburger Zeit für ein Bündnis verschiedenartigerlinker Gruppierungen aus,<strong>der</strong>en flexible Taktik bis zum Versuch reichenmüsse, „versteinerte Parteien zusprengen, von ihnen loszureißen, wasnoch lebt“, was <strong>als</strong> „Infragestellung <strong>der</strong>Funktion <strong>der</strong> KPÖ“, <strong>als</strong> „offene Ankündigungeines Kurses auf Spaltung“ <strong>der</strong> Parteibzw. ihre Ersetzung durch eine „nebuloseLinksbewegung“ interpretiertwurde. 60 Vor dem Hintergrund solcherÜberspitzungen wurde die bisher weitgehendwirkungslose Orientierung auf einepolitisch-ideologische Klärung <strong>der</strong> Streitfragenim Jahresverlauf durch die offeneund öffentliche Auseinan<strong>der</strong>setzung mitjener „Tendenz“ abgelöst, „einige wesentlicheGrundsätze des 19. und des 20. Parteitagesvon rechtsopportunistischer Positionaus […] öffentlich anzugreifen undsie in Frage zu stellen“, wie Muhri amHöhepunkt <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungenEnde 1969 resümierte. 61 „Dogmatischeund sektiererische Tendenzen“, mit denenman sich ebenso auseinan<strong>der</strong>setzen müsse,wurden in diesem Zusammenhangeher formelhaft ins Treffen geführt.Der Ausschluss Fischers lieferte letztlichden Anlass zur Eskalation <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungenim Herbst 1969:Nachdem dieser in einem Fernsehinterviewsein Diktum vom „Panzerkommunismus“,<strong>der</strong> dem humanistischen Sozialismusgegenüber stehe, 62 geprägt hatte,beschloss die laut Parteistatut autonomagierende Schiedskommission im Mai,Fischer aus <strong>der</strong> KPÖ auszuschließen. Einerdarauf folgenden Empfehlung desZentralkomitees, diese Maßnahme aufzu-Bestimmend blieb zunächst die Orientierung<strong>der</strong> Parteiführung auf Wahrungbzw. Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> politischenund ideologischen Einheit <strong>der</strong> Partei,weshalb die mit nur drei Stimmenthaltungen59 beschlossene Hauptresolutiondes 20. Parteitags <strong>als</strong> Plattform eines„Neubeginnens“ betrachtet wurde, auf<strong>der</strong>en Grundlage die Krise überwundenwerden sollte. Diese Plattform sollte ineinem „Zweifrontenkampf“ gleichermaßengegen extreme Auffassungen desDogmatismus und „Revisionismus“ unddahingehende einseitige Interpretationendes 19. Parteitags verteidigt werden. In-


Beiträge 7ner Linie <strong>der</strong> Zuspitzung <strong>der</strong> Beziehungeno<strong>der</strong> gar des Bruchs mit <strong>der</strong> KPdSU.Die dem Inhalt des Referats folgendeHauptresolution wurde mit 52:27:3 Stimmenangenommen. 67Ein mit knapper Mehrheit (37:34:4) angenommenerAntrag des nie<strong>der</strong>österreichischenLandessekretärs Karl Zenker,dass Franz Zapf <strong>als</strong> Verantwortlicher fürJugendarbeit aus dem Politbüro ausscheidensolle, nachdem dieser sich geweigerthatte, die in <strong>der</strong> vorangegangenen Sitzungbeschlossene Kursnahme auf denAufbau einer kommunistischen Jugendbewegungmitzutragen, führte letztlichzum Bruch: Die Mitglie<strong>der</strong> des PolitbürosMaria Urban, Egon Kodicek undFranz West legten ihre Funktionen in diesemGremium zurück, letzterer auch seineAufgabe <strong>als</strong> Chefredakteur des Zentralorgans.68 Darauf verließen die meisten<strong>der</strong> „27“ den Saal und kehrten in weitererFolge <strong>der</strong> KPÖ den Rücken. Es folgte eineWelle von Funktionsnie<strong>der</strong>legungenund Parteiaustritten, darunter zahlreichePartei- und Betriebsfunktionäre, Intellektuelleund Vertreter <strong>der</strong> Jugendorganisationen.Zur Überwindung <strong>der</strong> Krise undWahl einer aktionsfähigen Parteiführungwurde <strong>der</strong> 21. Parteitag auf Ende Mai1970 vorverlegt, <strong>der</strong> hinsichtlich innerparteilicherFragestellungen im Zeichen<strong>der</strong> „Normalisierung“, <strong>der</strong> Abrechnungmit dem „Rechtsopportunismus“ und <strong>der</strong>Bekräftigung des „Marxismus-Leninismus“stand. Im Zuge <strong>der</strong> Kampagne gegendie sich im Umfeld des Wiener Tagebuchs,<strong>der</strong> FÖJ und <strong>der</strong> von <strong>der</strong> GewerkschaftlichenEinheit abgespaltenen Arbeitsgemeinschaftfür GewerkschaftlicheEinheit sammelnden „revisionistischen“Kräfte 69 wurden auch einzelne Parteiausschlüssevollzogen, etwa gegen FranzMarek. Insgesamt verringerte sich <strong>der</strong>Mitglie<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Partei um ein Drittel:von 31.415 am 1. Jänner 1968 auf 26.663zur Zeit des 21. Parteitags im Mai 1970und 21.680 Ende 1971.Resümeeminierenden Stimmung letztlich im Frühjahr1971 Rechnung getragen: Nach <strong>der</strong>Einladung einer KPÖ-Delegation nachPrag beschloss das 5. ZK-Plenum am11. März 1971 mit vier Gegenstimmenund drei Enthaltungen, das „Eingreifen<strong>der</strong> fünf Warschauer-Pakt-Staaten“ <strong>als</strong>„eine bittere Notwendigkeit“ anzusehen.Erwin Scharf führte in seinem Referat zurRechtfertigung dieses Kurswechsels zweiArgumente ins Treffen: Zum einen sei eseine Fehleinschätzung gewesen, dass dieKPÈ und die tschechoslowakische Arbeiterklasseaus eigener Kraft imstande gewesenwären, mit den „antisozialistischenGefahren“ fertig zu werden, zuman<strong>der</strong>en wandte er sich unter Berufungauf den Klassenstandpunkt gegen dasVerständnis einer „abstrakten Souveränität“.Demgegenüber sei die „Verteidigungdes Sozialismus“ die „höchstePflicht des Kommunisten“. 70Nicht zuletzt auf Initiative von FranzMuhri, 71 <strong>der</strong> auch am Plenum offen seineZweifel an <strong>der</strong> Notwendigkeit des Einmarscheszum Ausdruck brachte, 72 wurdeeine Kompromissformulierung in die Beschlussvorlageaufgenommen, die im „Interesse<strong>der</strong> Einheit <strong>der</strong> Partei“ auch dieRespektierung „kritische(r) Vorbehalte“einzelner GenossInnen festhielt. Insgesamtverdeutlichen aus meiner Sicht dieAuseinan<strong>der</strong>setzungen innerhalb <strong>der</strong> KPÖnach dem Einmarsch <strong>der</strong> WarschauerVertragsstaaten in Prag die konstruktiveRolle und differenzierte Position des damaligenParteivorsitzenden, die mir – inpolitischer Hinsicht – <strong>als</strong> weitaus bedenkenswertererscheint <strong>als</strong> die im Umfeldvon Ernst Fischer und Franz Marek entwickelteKonzeption. Ungeachtet <strong>der</strong> Tatsache,dass Fischer und Marek einen bedeutendenBeitrag zur Entwicklung marxistischenDenkens leisteten und Problemstellungenaufzeigten, denen sichweite Teile <strong>der</strong> Partei verschlossen, hättedie von ihnen verfolgte praktische Kursnahmeauf eine Distanzierung von densozialistischen Län<strong>der</strong>n und einen Bruchmit <strong>der</strong> KPdSU, ihre Orientierung auf eine– an die Stelle <strong>der</strong> KPÖ tretende –„neue Linke“ keine politikfähige Alternativedarstellen können. Eine Mehrheit fürdiese Linie wäre auch keine Garantie füreinen bedeuten<strong>der</strong>en Aufschwung <strong>als</strong> jenengewesen, den die KPÖ in den frühen1970er Jahren aufgrund ihrer Verankerungin sozialpolitischen Bewegungenverbuchen konnte, zumal in diesem Fallein noch höherer Grad <strong>der</strong> Zerrüttung <strong>der</strong>Partei die Folge gewesen wäre.Aus heutiger Sicht erscheint mir vor allemdie Frage von Interesse, warum nichtFranz Muhri, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> KPÖ, am20. Parteitag im Jänner 1969.Dieser Entwicklung entsprach dieRücknahme <strong>der</strong> im August 1968 vomZentralkomitee <strong>der</strong> KPÖ beschlossenenVerurteilung des Einmarsches <strong>der</strong> WarschauerVertragsstaaten in die ÈSSR imMärz 1971: Seit 1969 wurde von maßgeblichenTeilen <strong>der</strong> Partei eine Neubewertung<strong>der</strong> tschechoslowakischen Ereignisseund eine Revision des ZK-Beschlussesgefor<strong>der</strong>t. Als Abschluss <strong>der</strong>Diskussionen über die Ereignisse in <strong>der</strong>Tschechoslowakei wurde dieser in <strong>der</strong>Parteibasis und im Funktionärska<strong>der</strong> dojeneLinie langfristig zum Tragen kam,die in diesen krisenhaften Jahren mitFranz Muhri o<strong>der</strong> etwa auch mit JosefLauscher verbunden werden konnte: Inihr verkörperte sich m.E. auf <strong>der</strong> einenSeite die prinzipielle Offenheit gegenüberden vom XX. Parteitag <strong>der</strong> KPdSUaufgeworfenen Fragestellungen, die miteinem kritischen Verhältnis gegenüberden eigenen Fehlern <strong>der</strong> Vergangenheitund gegenüber Fehlentwicklungen in densozialistischen Län<strong>der</strong>n, mit einer offenenDiskussion über Fragen <strong>der</strong> marxistischenTheorie und einer Lockerung festgefahrenerideologischer Fronten einherging.Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite trat diese Liniegegen f<strong>als</strong>che Zuspitzungen, neueVerhärtungen und wechselseitige Aufschaukelungenein, um die Einheit <strong>der</strong>Partei auf marxistischer Grundlage zuwahren. Dieses innerparteilich <strong>als</strong> „Zentrismus“etikettierte Herangehen warm.E. kein taktisches Lavieren zwischenden Fronten, son<strong>der</strong>n eine <strong>der</strong> Situationangemessene inhaltliche Orientierung,um die wesentlichen Punkte des in <strong>der</strong>Parteibasis ohnehin schwach verankertenReformkurses unter den verän<strong>der</strong>ten,weitaus schwierigeren Bedingungen nachdem August 1968 weiterzuentwickeln.Diese differenzierte Linie war zunächstauch bestimmend bei <strong>der</strong> Formulierung<strong>der</strong> kritischen Haltung zur Militärinterventionin Prag, geriet jedoch im Verlauf<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung von beiden Seitenimmer stärker unter Druck. Zwarkann die Position eines Ernst Fischero<strong>der</strong> Franz Marek nicht mit all jenen reformorientiertenKräften identifiziertwerden, die im Ausgang <strong>der</strong> „Parteikrise“die Partei verließen. Es ist jedoch vor al-2/08


8 Beiträge2/08teiprogramm mit dem Titel „Sozialismusin Österreichs Farben“ an zahlreicheGrundgedanken bisheriger Diskussionenüber „Demokratie und Sozialismus“ angeknüpft.Mit dem formelhaften Bekenntniszur Sowjetunion und den Prinzipiendes „Marxismus-Leninismus“wurde jedoch eine offene Diskussion <strong>der</strong>seit dem XX. Parteitag <strong>der</strong> KPdSU aufgeworfenenFragen und die kritischeAuseinan<strong>der</strong>setzung über Problemstellungen<strong>der</strong> sozialistischen Län<strong>der</strong> „auflängere Zeit wie<strong>der</strong> weitgehend eingestellt“.Fortgesetzt wurde die frühere Linieeiner unkritischen Solidarität mit <strong>der</strong>KPdSU, 76 wie Franz Muhri in den1990er Jahren resümierte.Nach dem Zusammenbruch <strong>der</strong> Staatendes realen Sozialismus wurde die1971 erfolgte Rücknahme <strong>der</strong> Verurteilungdes Einmarsches <strong>als</strong> „politischeFehler“ bezeichnet. Den „Prager Frühling“charakterisierte diese zum 25. Jahrestag<strong>der</strong> Intervention beschlossene Erklärung<strong>der</strong> KPÖ <strong>als</strong> „eine <strong>der</strong> letztenChancen einer tiefgreifenden Erneuerungdes Sozialismus“. 77Anmerkungen:1/ ZK <strong>der</strong> KPÖ begrüßt neuen Kurs <strong>der</strong> ÈSSR –Solidarisch mit Frankreich, in: Volksstimme,8.6.1968, S. 1.2/ Aktionsprogramm <strong>der</strong> Kommunistischen Partei<strong>der</strong> Tschechoslowakei, hg. von <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs. Wien 1968, S. 1.3/ Spira, Leopold: Ein gescheiterter Versuch.Der Austro-Eurokommunismus. Wien–München1979, S. 52.4/ KPÖ. Die Kommunistische Partei Österreichs.Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik.Wien 1989 (2. Aufl.), S. 440 und 462.5/ Muhri, Franz: Die politische Lage und die Aufgaben<strong>der</strong> Partei (Bericht des Zentralkomitees <strong>der</strong>KPÖ), in: Der 19. Parteitag <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs im Wiener Kongresshaus <strong>der</strong>Gewerkschaft <strong>der</strong> Eisenbahner, 27. bis 30. Mai1965 (Gekürztes Protokoll), hg. vom Zentralkomitee<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs. Wieno.J. [1965], S. 59–96, hier S. 87f.6/ Ehmer, Josef: Die Kommunistische ParteiÖsterreichs, in: Dachs, Herbert u.a. (Hg.):Handbuch des politischen Systems Österreichs.Die Zweite Republik. Wien 1997, S. 323–332,hier S. 325.7/ Zur politischen Situation und Lage <strong>der</strong> Parteinach den Herbstwahlen 1967, hg. von <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs. Wien 1968,S. 6f. und 13.8/ Demokratie und Sozialismus. Grundlagen für eineDiskussion. Beilage in: Volksstimme,15.10.1967, S. 5; Demokratie und Sozialismus, in:Weg und Ziel, <strong>Nr</strong>. 5/1968, S. 215–216, hier S. 215.9/ Ein Protest, in: Neues Forum. Zeitschrift fürlem auf <strong>der</strong>en mit massenmedialerRückendeckung, oftm<strong>als</strong> in provokatorischerAbsicht lancierte Stellungnahmenund auf überspitzte Auffassungen imUmfeld des Tagebuch-Kreises zurückzuführen,dass Franz Muhri in diesemParteiflügel letztlich keinen Bündnispartnerfür eine realisierbare Weiterführung<strong>der</strong> Neuorientierung finden konnte. DerAusgang <strong>der</strong> „Parteikrise“ war so im wesentlichendas Resultat eines Bündnisses<strong>der</strong> an dogmatischen Auffassungen festhaltendenKräfte mit jenen Teilen <strong>der</strong>Partei, die zwar Reformimpulse aufnahmen,jedoch gleichermaßen gegen die inihren Augen von den „Revisionisten“ betriebene„Sozialdemokratisierung“ bzw.Liquidation <strong>der</strong> KPÖ eintraten. 73Insgesamt verweisen die Auseinan<strong>der</strong>setzungendieser Jahre auch auf Probleme<strong>der</strong> politischen Kultur <strong>der</strong> KPÖ: Anknüpfendan die schlechtesten Traditionen <strong>der</strong>kommunistischen Bewegung wurden imVerlauf <strong>der</strong> „Parteikrise“ abweichendeAuffassungen <strong>als</strong> „parteifeindliche Gruppierung“abgestempelt und pauschal <strong>als</strong>„revisionistisch“ verurteilt, was sowohleine konkrete inhaltliche Auseinan<strong>der</strong>setzung,<strong>als</strong> auch die Erarbeitung differenzierterPositionen behin<strong>der</strong>te. Ein Symptomdafür ist nicht zuletzt die Tatsache,dass auf Initiative <strong>der</strong> Wiener Parteiorganisation<strong>der</strong> ab 1945 bis 1969 amtierende,im Verlauf <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen aufAusgleich bedachte Landesobmann JosefLauscher am Parteitag 1970 nicht mehrins Zentralkomitee gewählt wurde undauch Franz Muhris „schwankende“ und„zentristische Haltung“ in das Schussfelddieser Kritik geriet. Nicht zufällig wurde1970 massenmedial wie<strong>der</strong>holt über eineAblöse Muhris <strong>als</strong> Parteivorsitzen<strong>der</strong> spekuliert.Diese Akzentverschiebung inRichtung „ideologische Gesundung“ 74 <strong>der</strong>Partei wurde auch in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung WalterHollitschers deutlich, nicht nur einenSchlussstrich „unter <strong>der</strong> revisionistischen“,son<strong>der</strong>n auch unter <strong>der</strong> „zentristischenVergangenheit (zu) ziehen“. 75So kam es nach Überwindung <strong>der</strong>„Parteikrise“ in wichtigen Fragen zu einerneuerlichen Verhärtung überholterVorstellungen, im Parteileben verfestigtesich eine auf die Abwehr kritischer Fragengerichtete Haltung. Zwar konnten in<strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> kapitalistischen Entwicklung,in <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> ökonomischenund politischen Verän<strong>der</strong>ungenbedeutende Leistungen erzielt werden(z.B. das Konzept des „staatsmonopolistischenKapitalismus“ mit seinerKritik <strong>der</strong> Sozialpartnerschaftspolitik).Auch wurde im 1982 beschlossenen PardenDialog, 15. Jg. (1968), <strong>Nr</strong>. 169/170, S. 9.10/ ZPA <strong>der</strong> KPÖ, Protokoll <strong>der</strong> 28. Plenartagungdes Zentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 16./17.2.1968,Beilage: Antrag des Politbüros; Brief des ZK analle Landes- und Bezirksleitungen, 22.2.1968.11/ Ebd., Beilage 13: Friedl Fürnberg, S. 12.12/ RGANI, F. 3, op. 72, d. 196, S. 75–78 und79f., Politbüro-Beschluss des ZK <strong>der</strong> KPdSU P 94(102), „Zur Mitteilung an die Bru<strong>der</strong>parteien überdie Ergebnisse des Treffens in Èierná nad Tisouund <strong>der</strong> Konferenz in Bratislava“, Beilage <strong>Nr</strong>. 1:An den sowjetischer Botschafter, 13.8.1968.13/ Von Èierná nach Bratislava, in: Volksstimme,3.8.1968, S. 1; KPÖ begrüßt Ergebnis vonBratislava, in: Volksstimme, 6.8.1968, S. 1.14/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 171 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 13.8.1968, S. 1.15/ Die KPOe gegen den Einmarsch, in: Volksstimme,22.8.1968, S. 1 und 5.16/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 173 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 21.8.1968;Erklärung des Polbüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ, in:Volksstimme, 22.8.1968, S. 1; Franz Muhri: Wirwenden uns gegen den Einmarsch. Interviewmit KPÖ-Vorsitzenden im Fernsehen, in: Volksstimme,22.8.1968, S. 3.17/ Protokoll <strong>der</strong> 32. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs22. August 1968. o.O. [Wien] o.J. [1968],S. 15–17, hier S. 16.18/ Für eine friedliche politische Lösung. Beschlußdes Zentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ, in: Volksstimme,24.8.1968, S. 1.19/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 174 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 23.8.1968.20/ KPÖ stimmt Konferenzinitiative <strong>der</strong> KPF zu,in: Volksstimme, 19.7.1968, S. 1.21/ Neubert, Harald: Die Hypothek des kommunistischenErbes. Erfahrungen, Zeugnisse, Konsequenzen.Hamburg 2002, S. 136.22/ Muhri im Fernsehen: KPÖ wird Initiative ergreifen,in: Volksstimme, 23.8.1968, S. 1.23/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 174 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 23.8.1968;Franz Mareks Aussprache mit Vertretern <strong>der</strong> KPItaliens, in: Volksstimme, 27.8.1968, S. 2; KPÖfor<strong>der</strong>t erneut Räumung <strong>der</strong> ÈSSR. Tagung desZentralkomitees spricht sich für eine Konferenz<strong>der</strong> kommunistischen Parteien Westeuropas aus,in: Volksstimme, 14.9.1968, S. 1–2, hier S. 2.24/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 33. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 12.9.1968, Beilage6: Referat von Franz Muhri, S. 16.25/ RGANI, F. 3, op. 72, d. 204, S. 38f., Politbüro-Beschlussdes ZK <strong>der</strong> KPdSU P 100 (9),„Zu den Maßnahmen <strong>der</strong> weiteren Arbeit mit denBru<strong>der</strong>parteien in Zusammenhang mit den Ereignissenin <strong>der</strong> Tschechoslowakei“, Beilage 1:An den sowjetischen Botschafter, 9.9.1968.26/ Spira: Ein gescheiterter Versuch, S. 100.27/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 33. Plenartagung, Beilage6: Referat von Franz Muhri, S. 2f. und 19.28/ Fragen <strong>der</strong> Weltbewegung. Ein Interview


Beiträge 9des ORF mit Franz Muhri und Walter Wachs, in:Volksstimme, 3.10.1968, S. 3.29/ RGANI, F. 3, op. 72, d. 210, S. 29, Politbüro-Beschlussdes ZK <strong>der</strong> KPdSU P 104 (23),„Zu den Telegrammen an die Führung <strong>der</strong>österreichischen und französischen kommunistischenPartei“, Beilage 1: An den sowjetischenBotschafter [in Wien], 8.10.1968; ebd.,S. 70f., Beilage 2: An den sowjetischen Botschafter[in Paris], 8.10.1968; KPF: WesteuropäischeKonferenz „nicht opportun“, in:Volksstimme, 15.10.1968, S. 2.30/ Fragen des Sozialismus. Aus dem Referatvon Franz Muhri im Zentralkomitee <strong>der</strong> KPOe,in: Volksstimme, 15.9.1968, S. 3–5, hier S. 5.31/ Keller, Fritz: Die Spaltung <strong>der</strong> KPÖ 1969/70 –Ungenutzte Chance für eine linkssozialistischePartei in Österreich, in: Baumgarten, Jürgen(Hg.): Linkssozialisten in Europa. Alternativen zurSozialdemokratie und Kommunistischen Parteien.Hamburg 1982, S. 149–158, hier S. 155.32/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 178 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 30.8.1968.33/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 33. Plenartagung, Beilage6: Referat von Franz Muhri, S. 36.34/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 31. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 25./26.6.1968,Beilage 6: Schlusswort von Franz Muhri, S. 1.35/ Muhri, Franz: Die politische Lage Österreichsund die Aufgaben <strong>der</strong> Partei. Bericht desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ, in: Der 21. Parteitag<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs,28. bis 30. Mai 1970, hg. vom Zentralkomitee<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs. Wieno.J. [1970], S. 19–58, hier S. 41.36/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 35. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 21./22.10.1968,Beilage 10: Schlusswort von Franz Muhri, S. 3;ebd. Protokoll <strong>der</strong> 33. Plenartagung, Beilage 6:Referat von Franz Muhri, S. 36, ebd., Beilage60: Schlusswort von Franz Muhri, S. 5.37/ ZPA, Zur Okkupation <strong>der</strong> ÈSSR eine Erklärung,31.8.1968.38/ Fischer, Ernst: Der Atem <strong>der</strong> Freiheit ist unaufhaltsam,in: Tagebuch, September/Oktober1968, S. 6; Sensationelles Horizonte-Interview:KP-Fischer for<strong>der</strong>t Bruch mit Moskau, in: Kronen-Zeitung,10.9.1968, S. 11.39/ KPÖ for<strong>der</strong>t erneut Räumung <strong>der</strong> ÈSSR, in:Volksstimme, 14.9.1968, S. 1–2, hier S. 1; ZPA,Protokoll <strong>der</strong> 35. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> KPÖ am 21./22.10.1968, Beilage: Alternativvorschlägedes Genossen Marek.40/ KPÖ-Vorsitzen<strong>der</strong> Muhri zum Truppenvertrag,in: Volksstimme, 23.10.1968, S. 1–2, hier S. 1.41/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 33. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 12.9.1968, S. 2.42/ Die Diskussion auf dem 20. Parteitag, in:Volksstimme, 9.1.1969, S. 4.43/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 1. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> KPÖ am 15./16.1.1969, S. 3.44/ SAPMO, NY 4182, 1286, Vertraulicher Berichtüber Lage in <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> KPÖ vonRobert Dubowsky [sic!], o.D. [Jänner/Februar1969], Bl. 253–258, hier Bl. 255.45/ Fragen des Sozialismus. Aus dem Referatvon Franz Muhri im Zentralkomitee <strong>der</strong> KPOe,in: Volksstimme, 15.9.1968, S. 3–5; Muhri: Diepolitische Lage und die Aufgaben <strong>der</strong> Partei, in:Der 20. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs, S. 40–75, hier S. 50–53.46/ Vgl. ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 37. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 18./19.12.1968,Beilage: Schlusswort von Franz Muhri, S. 1f.;Kommuniqué über die Besprechungen zwischenden Delegationen <strong>der</strong> KPdSU und <strong>der</strong> KPOe, in:Volksstimme, 6.12.1968, S. 3.47/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 203 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 5.12.1968,S. 1; ebd., Delegiertenmappe 20. Parteitag <strong>der</strong>KPÖ, Ernst Fischer an die Delegierten des20. Parteitages <strong>der</strong> KPÖ, o.D., S. 2.48/ Interview mit Franz Muhri über die Aussprachein Moskau, in: Volksstimme, 6.12.1968, S. 3.49/ ZPA, Bericht an das Plenum des ZK <strong>der</strong>KPÖ vom 18. Dezember 1968 über die Besprechungenzwischen den Delegationen <strong>der</strong> KPd-SU und <strong>der</strong> KPÖ. Berichterstatter: Gen. A. Ruschitzka(Informationsmaterial für Landes- undBezirksleitungsmitglie<strong>der</strong>, hg. vom Zentralkomitee<strong>der</strong> KPÖ), S. 4–7 und 10.50/ Muhri: Die politische Lage und die Aufgaben<strong>der</strong> Partei, in: Der 20. Parteitag <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs, S. 40–75, hier S. 44.51/ Mißlungenes Experiment?, in: Tagebuch,<strong>Nr</strong>. 5/6, Mai/Juni 1969, S. 20–22, hier S. 20.52/ ZPA, Franz Muhri auf <strong>der</strong> 8. Plenartagungdes ZK <strong>der</strong> KPÖ am 24. November, in: Volksstimme,26.11.1969, S. 4–7, hier S. 5.53/ Zu den Beschlüssen <strong>der</strong> KPTsch, in: Volksstimme,19.4.1969, S. 1; ZK <strong>der</strong> KPÖ zur jüngstenEntwicklung <strong>der</strong> ÈSSR, in: Volksstimme,15.5.1969, S. 3.54/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 3. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> KPÖ am 12./13.5.1969, Beilage:Redaktionsbeirat des „Tagebuch“ an dasPolitische Büro des ZK <strong>der</strong> KPÖ, 22.4.1969.55/ Protokoll <strong>der</strong> 3. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs12. und 13. Mai 1969. o.O. [Wien] o.J. [1969],S. 223–226, hier S. 226.56/ ZPA, Protokoll <strong>Nr</strong>. 43 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ am 13.10.1969;ebd., Protokoll <strong>Nr</strong>. 51 <strong>der</strong> Sitzung des PolitischenBüros des ZK <strong>der</strong> KPÖ 14.11.1969.57/ Resolution zum Bericht des Zentralkomiteesüber die politische Lage und die Aufgaben <strong>der</strong>Partei, in: Der 20. Parteitag <strong>der</strong> KommunistischenPartei Österreichs, S. 508–526, hier S. 511f.58/ Exemplarisch ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 37. Plenartagungdes Zentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am18./19.12.1968, Beilage: Schlusswort vonFranz Muhri, S. 3, 8.59/ Der 20. Parteitag <strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs, S. 499.60/ Fischer, Ernst: Die Alte und die Neue Linke.Notizen zu einer Diskussion, die nicht stattfand,in: Die Zeit, 18.7.1969, S. 5; Fürnberg, Friedl: OhneKommunistische Partei keine Linke in Österreich,in: Volksstimme, 12.6.1969, S. 2; Scharf,Erwin: F<strong>als</strong>che Auffassungen zurückweisen, in:Volksstimme, 1.10.1969, S. 3; Kalt, Hans: Zuideologischen Problemen <strong>der</strong> KPÖ, in: Weg undZiel, <strong>Nr</strong>. 11/1969, S. 534–542, hier S. 534f.61/ Aus dem Schlußwort des Gen. Muhri, in:Volksstimme, 28.11.1969, S. 4–5, hier S. 4.62/ ZPA, Abendjournal (Radio) und „Zeit imBild“, 7.1.1969 (Abschrift).63/ Beschluß und Begründung <strong>der</strong> Schiedskommissionzum Parteiverfahren gegen Ernst Fischer,in: Volksstimme, 30.10.1969, S. 4.64/ ZPA, Brief von Ernst Berger, Franz Heinischund Theodor Prager [Erklärung <strong>der</strong> 27],15.10.1969.65/ Beschluß des Zentralkomitees, in: Volksstimme,30.10.1969, S. 5–6.66/ Protokoll <strong>der</strong> 7. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichsam 27. und 28. Oktober 1969. Punkt 2 <strong>der</strong> Tagesordnung:Beschluß <strong>der</strong> Schiedskommission überErnst Fischer. o.O. [Wien] o.J. [1969], S. 84; Erklärung<strong>der</strong> 27, in: Volksstimme, 27.11.1969, S. 4.67/ Franz Muhri auf <strong>der</strong> 8. Plenartagung des ZK<strong>der</strong> KPÖ am 24. November, in: Volksstimme,26.11.1969, S. 4–7; Resolution zum Referat FranzMuhris auf <strong>der</strong> 8. Plenartagung des ZK <strong>der</strong> KPÖbeantragt von den Genossen Muhri, Fürnberg undLauscher, in: Volksstimme, 27.11.1969, S. 3.68/ Antrag des Gen. Zenker, in: Volksstimme,27.11.1969, S. 3; Erklärungen von Mitglie<strong>der</strong>ndes Politischen Büros <strong>der</strong> KPÖ, in:Volksstimme, 28.11.1969, S. 5.69/ Muhri, Franz: Eine notwendige Klarstellung.Zur Rolle des „Wiener Tagebuch“ und <strong>der</strong> FÖJ,in: Volksstimme, 5.8.1970, S. 3.70/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 5. Plenartagung desZentralkomitees <strong>der</strong> KPÖ am 11.3.1971, Beilage3: Referat von Erwin Scharf, S. 13; Resolutiondes ZK <strong>der</strong> KPÖ zur ÈSSR-Frage, in: Volksstimme,13.3.1971, S. 3.71/ Vgl. Muhri: Kein Ende <strong>der</strong> Geschichte, S. 118f.72/ ZPA, Protokoll <strong>der</strong> 5. Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> KPÖ am 11.3.1971, Beilage 3a:Franz Muhri, S. 1.73/ Vgl. Wimmer, Ernst: Neueinschätzung <strong>der</strong>KPÖ-Beschlüsse zu 1968?, in: Weg und Ziel,<strong>Nr</strong>. 2/1990, S. 46–48, hier S. 48.74/ Scharf, Erwin: Bericht über die ÈSSR. Ausdem Referat auf <strong>der</strong> Plenartagung des Zentralkomitees<strong>der</strong> KPÖ vom 11. März 1971, in: Wegund Ziel, <strong>Nr</strong>. 4/1971, S. 134–136, hier S. 136.75/ ZPA, Bericht über die Stadtleitungs-Sitzungam 4.5.1970.76/ Muhri, Franz: Die „tschechoslowakischenEreignisse“ 1968 und die KPÖ, in: Aufrisse,<strong>Nr</strong>. 3/1993, S. 16–19, hier S. 19; <strong>der</strong>s.: Kein Ende<strong>der</strong> Geschichte, S. 123.77/ Prag 1968. Stellungnahme <strong>der</strong> KPÖ, in: Argument.Informationsblatt <strong>der</strong> KPÖ, 24.8.1993, S. 7.2/08


10 BeiträgeSittenbil<strong>der</strong> aus dem Hause Habsburg im WeltkriegHANS HAUTMANNNicht aufzuhalten ist das Nahendes 12. November <strong>2008</strong> und damit<strong>der</strong> staatsoffiziellen Festivitätenzum 90. Jahrestag <strong>der</strong> Gründung<strong>der</strong> Republik. Sie lassen Schlimmes erahnen.Wie<strong>der</strong> einmal wird <strong>der</strong> KaisersohnOtto – von unseren Machteliten und<strong>der</strong>en Medien längst schon taxfrei in denRang des Hauslehrers <strong>der</strong> österreichischenZeitgeschichte erhoben – seineStimme vernehmen lassen, um das verblicheneÖsterreich-Ungarn <strong>als</strong> Vorwegnahme<strong>der</strong> europäischen Einigung undMusterstaat friedlich-gedeihlichen Zusammenlebens<strong>der</strong> Völker zu preisen.In Wahrheit haben we<strong>der</strong> die beherrschtenNationen noch die beherrschtenKlassen innerhalb <strong>der</strong> herrschendenNationen, allen voran die Arbeiterbewegung,dem Habsburgerreich im November1918 auch nur eine Träne nachgeweint.Sie machten spätestens in denvier Weltkriegsjahren die gemeinsameErfahrung, dass dieses Gebilde sehrwohl wert war, zugrunde zu gehen. Alserkenntnisför<strong>der</strong>nd erwies sich dabei unteran<strong>der</strong>em auch das Verhalten <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>des „Erzhauses“, auf das wir einigeStreiflichter werfen wollen. Es handeltsich hier um gänzlich unbekannteund vergessene Tatsachen, <strong>der</strong>en Enthüllungdazu beitragen mag, ein paarheilsame Desillusionierungseffekte auszulösen.Die Hoffnung soll man ja bekanntlichnie aufgeben, auch wenn es indiesem Fall gegen den mächtigen Strom<strong>der</strong> Habsburg- und Monarchienostalgiezu schwimmen gilt, die, auf das Erzählensentimentaler Ammenmärchenzugeschnitten, zusätzlich den Vorteil lukrativerVermarktung hat.2/08Der Gehalt Kaiser KarlsNeben dem riesigen Privatbesitz unddem daraus fließenden Füllhorn an Erträgendes Hauses Habsburg-Lothringen fürseine Mitglie<strong>der</strong> hatte <strong>der</strong> Kaiser auchAnspruch auf die „Zivilliste“, eine ArtGehalt in <strong>der</strong> Eigenschaft <strong>als</strong> Staatsoberhaupt.Die Höhe wurde in mehrjährigenAbständen per Gesetz festgelegt und vonbeiden Reichshälften zu gleichen Anteilenbudgetiert 1 , d.h. aus den Steuergel<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Völker gespeist. Kaiser Karlempfing für sich und seine Hofhaltung1917/18 ein Jahresgehalt von jeweils25,7 Millionen Kronen. Als er den Armeeoberbefehlübernahm, ließ er sichüberdies <strong>als</strong> jährliche „Löhnung“ 1,5Millionen Kr. ausbezahlen. 2 Verglichendamit war sogar <strong>der</strong> Gehalt des österreichischenMinisterpräsidenten bescheiden.Er erhielt im Jahr 24.000 Kr. nebsteiner Funktionszulage von 28.000 Kr.,insgesamt 52.000 Kr. Ein mittlerer Beamterverdiente zwischen 4.800 und6.400 Kr. im Jahr 3 , ein Schlosser brutto,vor Abzug <strong>der</strong> Steuern und Versicherungsbeiträge,1917 jährlich 3.840 Kr.,ein Bäcker 2.688 Kr. und eine Hilfsarbeiterinin einem Rüstungsbetrieb brutto816 Kr. 4 Das Taggeld eines einfachenSoldaten <strong>der</strong> kaiserlichen Armee im ErstenWeltkrieg belief sich auf 36 Heller.Er hätte dafür 900 Jahre ununterbrochendienen und kämpfen müssen, nur um dasMonatssalär Kaiser Karls <strong>als</strong> Armeeoberkommandantin <strong>der</strong> Höhe von125.000 Kr. erreichen zu können. 5Man soll ja nicht neidig sein, sagtman gern, und beson<strong>der</strong>s gern sagendas die Spitzenverdiener alias „Leistungsträger“,jene, die laut eigenemSelbstbild in rastloser Verantwortungfür das Wohl ihrer „Mitarbeiter“ tätigsind. Aber selbst die können angesichts<strong>der</strong> Schere, die zwischen dem Einkommendes Herrschers und den Durchschnittsverdiensten<strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> Bevölkerungin <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Monarchieklaffte, heute vor Neid nur seufzen.Wer benötigt Unterstützung?Als die Erzherzöge in <strong>der</strong> uralten Tradition<strong>der</strong> adeligen „Schwertträger“ ihreKriegsdienstpflicht erfüllten und <strong>als</strong>Truppenbefehlshaber (regelmäßig in diesichere Etappe) einrückten – wofür siezusätzlich Gagen, Feldzulagen usw. kassierten– , versäumten es die weiblichenMitglie<strong>der</strong> des Kaiserhauses nicht, nachden Bestimmungen <strong>der</strong> Gebührenvorschriftenfür Offiziersfrauen monatlicheUnterstützungsbeiträge und vierteljährlicheQuartierbeihilfen zu beanspruchen.Zita, die Gattin Karls, bezog von 1914bis zum Krönungstag des ThronfolgersEnde 1916 an Unterstützungen undQuartierbeihilfen 15.505 Kr. AlsWohnadresse gab sie die Hofburg undSchönbrunn an, wo es an Komfort nundenn doch nicht so fehlte, um auf Letztereangewiesen zu sein.Erzherzogin Augusta, Gattin des ErzherzogsJosef, bezog 73.943 Kr.; ErzherzoginIsabella, Gattin des ErzherzogsFriedrich, 30.837 Kr.; ErzherzoginMaria Christine, Gattin des ErzherzogsPeter Ferdinand, 22.692 Kr.; und ErzherzoginBlanka, Gattin des ErzherzogsLeopold Salvator, 3.734 Kr. 6In dem Fall – ganz konträr zu ihrensonstigen Standpunkten gegenüber Zumutungendemokratischer Nivellierung– lautete <strong>als</strong>o die Parole <strong>der</strong> Habsburger:„gleiches Recht für alle“ und „nurnichts verschenken“.Fluchtgel<strong>der</strong>Dem Geld, speziell ihrem eigenen, unddem, von dem sie glaubten, dass es ihnen<strong>als</strong> dynastischen Machtträgern zustehe,widmeten die allerhöchsten Herrschaftenüberhaupt nimmermüde Aufmerksamkeit.Als Ende Oktober 1918 die Revolutionbereits an die Tür pochte, wies das WienerObersthofmeisteramt die Österreichisch-UngarischeBank an, je<strong>der</strong> erzherzoglichenFamilie 1,5 MillionenSchweizer Franken (umgerechnet 4,5Millionen Kronen) für die Eventualität<strong>der</strong> erzwungenen Flucht ins Ausland bereitzu stellen. 7 Die enormen Beträgewurden tatsächlich flüssig gemacht. Einenereilte bei <strong>der</strong> Mitnahme jedoch einpeinliches Missgeschick. Der Linzer Soldatenratführte am 30. April 1919 aufdem Bahnhof in Wels eine Kontrolledurch und hielt den auf <strong>der</strong> Fahrt in dieSchweiz begriffenen, nunmehr ehemaligenErzherzog Eugen an. Man fand beiihm außer österreichischem und SchweizerBargeld 670.000 Kr. inWertpapieren. 8 Zum Vergleich: einVolkswehrangehöriger erhielt dam<strong>als</strong> einentäglichen Sold von sieben Kronen.Vom Soldatenrat beschlagnahmt und <strong>der</strong>Finanzlandesdirektion Linz übergeben,setzte sich nun aber <strong>der</strong> personell unverän<strong>der</strong>tin die Republik übergeleitete Beamtenapparatin Bewegung und stelltefest, dass alles „rechtmäßig“ sei und we<strong>der</strong>ein Verstoß gegen die Devisenbestimmungennoch gegen die einschlägigenSteuergesetze vorliege. Wiewohl beidem Entscheid die Hühner lachten, bekamEugen Geld und Papiere zurück undverschwand in die Schweiz. 9So än<strong>der</strong>n sich die Zeiten. Heute bewerkstelligendas die Finanztransakteuregroßen Stils bei krummen Geschäftendiskreter. Fürst Hans-Adam,Schirmherr <strong>der</strong> Banken in Liechtenstein,kann darüber Auskunft geben.


Beiträge 11Eine ErnennungAm 29. Jänner 1917 richtete KaiserKarl aus seinem Armeehauptquartier inBaden an Zita folgendes Handschreiben:„Liebe Frau Gemahlin!Die warme Anteilnahme, die Eure Majestätmeiner braven Wehrmacht, ihrenKämpfen und Siegen, Freuden und Leidenentgegenbringen, veranlasst mich,Eure Majestät, die mir <strong>als</strong> echte Soldatenfrauin den schweren Zeiten dieses Kriegesin vorbildlicher Weise zur Seite steht,auch äußerlich meinen wackeren Kriegsleutennäherzubringen. Ich ernenne daherEure Majestät zur Oberstinhaberin meinesbewährten Husarenregiments <strong>Nr</strong>. 16.Alle meine tapferen Truppen mögen inEurer Majestät Ernennung einen neuenBeweis meiner dankbaren Wohlgeneigtheiterblicken und wie bisher standhaftaushalten im Vertrauen auf den Allmächtigenund unsere gerechte Sache.“ 10Nur symbolisch, werden die Monarchistensagen, und ein bloßer Titel ohne Mittel.O<strong>der</strong> vielleicht doch nicht? Jedenfallsmuss man das durchaus positiv sehen: DieHabsburger <strong>als</strong> Vorreiter <strong>der</strong> Gleichberechtigung<strong>der</strong> Frau in reinen Männerberufen,noch dazu entschlossen umgesetztbei Überspringen sämtlicher Karrierestufendirekt in die höchste Führungsposition.Warten wir ab, bis das in unseremZeitalter <strong>der</strong> Frauenemanzipation <strong>der</strong> erstenBundesheersoldatin gelingt. ZurFristverkürzung ist ein Stoßgebet an denin den Kanon <strong>der</strong> Seligen aufgenommenenEx-Herrscher in Erwägung zu ziehen.Monarchen sind schließlichdoch auch KollegenUnter dem Eindruck des Sieges <strong>der</strong>Oktoberrevolution in Russland sandteKaiser Karl im Februar 1918 an denrumänischen König Ferdinand einenBrief, in dem er „mit herzlichen Wortenauf die großen Gefahren“ aufmerksammachte, „die aus <strong>der</strong> über den Ostenhereinbrechenden sozialistischen Wellefür alle monarchischen Staatswesen hervorgehen.“Er schil<strong>der</strong>te die düsterenPerspektiven, die „bei Ausbreitung desBolschewikismus (sic!) über die russischeGrenze für Österreich-Ungarn“entstünden und die „in gleicher Weisedas rumänische Königshaus bedrohen“würden. Deshalb trat Karl Habsburgdafür ein, dass sich <strong>der</strong> rumänische Königmit ihm und an<strong>der</strong>en MonarchenEuropas zum „Kampfe gegen die Anarchie“vereinige, und schloss mit denWorten: „Dies ist eine Zeit, in <strong>der</strong> dieKönige zusammenstehen müssen.“ 11Das Kaiserpaar – Karl und Zita – 1918 in Pressburg.Dass das Haus Habsburg immer schonantikommunistisch eingestellt war, istnichts Neues und eine Haltung, die Ottoauch heute unseren Eliten – quer durchdas politische Spektrum, bis hin zur SPÖ– grundsätzlich sympathisch macht. DasPikante an <strong>der</strong> Sache bestand darin, dassFerdinand, ein Spross des 1866 nachRumänien exportierten deutschen AdelsgeschlechtsHohenzollern-Sigmaringen,im Feindeslager <strong>der</strong> Entente stand undihm Karl für den Fall des Frontwechselsdie Unterstützung Österreich-Ungarnsund Deutschlands bei „<strong>der</strong> Wahrung seinesThrones“ versprach 12 – was in Berlin,da mit dem Bündnispartner nicht akkordiert,für leichte Verwun<strong>der</strong>ung sorgte.Alles in allem haben wir hier aber einschönes Beispiel vor uns, wie Herrschende,oft genug untereinan<strong>der</strong> in Konkurrenzkämpfe,Raubzüge und „feindlicheÜbernahmen“ verstrickt, bei einer wirklichexistenziellen Bedrohung ihrerMachtgrundlagen klasseninstinktsicherdie Differenzen beilegen und sich auf ihreübergreifenden Interessen besinnen.Aus Kaiser Karls PhrasenschatzIn den „Letzten Tagen <strong>der</strong> Menschheit“lässt Karl Kraus den „allerhöchstenKriegsherrn“ folgen<strong>der</strong>maßen auftreten(wir bringen im Zitat nur die Szenenbeschreibungen):„Nach <strong>der</strong> Winteroffensive auf den SiebenGemeinden. Exerzierplatz in <strong>der</strong>Etappe. Die Überreste eines Regiments,je<strong>der</strong> Mann zu einem Skelett abgemagert.Mit den zerfetzten Monturen, dem zerrissenenSchuhwerk und <strong>der</strong> verdrecktenUnterwäsche ist es auf den ersten Anscheinein Haufe kranker und zerlumpterBettler. Sie erheben sich müde, üben Gewehrgriffeund machen Salutierübungen.(...) / Automobile kommen. DickleibigeGestalten entsteigen ihnen, darunter eineschmächtigere, in dichtes Pelzwerkgehüllt, mit großen Ohrenwärmern. Mansieht kaum mehr <strong>als</strong> zwei Wülste vonLippen. (...) / Man hört nun, von Mann zuMann, von Zug zu Zug, in einem regelmäßigenAbstand von fünf Sekunden entwe<strong>der</strong>‚Aha! Sehr schön!‘ o<strong>der</strong> ‚Aha!Sehr gut!‘ o<strong>der</strong> ‚Aha. Sehr brav!‘ o<strong>der</strong>‚Aha! Nur so weiter!‘ Es dauert zweiStunden. Verabschiedung von den Offizieren.Die Automobile fahren ab.“ 13Nicht viel bessere Floskeln hatte KaiserKarl parat, <strong>als</strong> er auf Initiative seinerPropagandaberater im März 1918 dieHungergebiete im nordböhmischen Sudetenlandbesuchte, um „Anteilnahme“zu bekunden. Auf die Klagen <strong>der</strong> Betroffenenfolgten Antworten wie: „Es istentsetzlich! Seien Sie versichert, es wirddas Möglichste geschehen“; „Ein baldigerFriede ist auch mein Wunsch“; „Dasist schrecklich, das wird sofort abgeschafftwerden“; „Ich weiß die schwerenOpfer zu würdigen, die die Bergarbeiterim Kriege gebracht haben, und seien Sieüberzeugt, dass mir sehr viel daran liegt,ihr Los zu verbessern“; „Sie könnenüberzeugt sein, ich werde mein Möglichstestun, um beizutragen, dass demarmen Volke geholfen wird“; „Die Zeitensind schwer, doch wir wollen hoffen,dass mit des Allmächtigen Hilfe sich dieZukunft für meine Völker bald freundlichergestalten möge“. 14Kennen wir, kennen wir. Wir brauchennur Politiker zu beobachten, wenn siebeispielsweise im Wahlkampf das „Bad2/08


12 BeiträgeArmeeoberkommandant Erzherzog Friedrich mit seinem Stab 1914.in <strong>der</strong> Menge“ nehmen. Wünschen undBeschwerden, neuerdings „Su<strong>der</strong>n“ genannt,begegnen sie mit den von ihren„Spindoktoren“ eingepaukten Redewendungen,die so wie weiland 1918 bei KaiserKarl regelmäßig folgenlos bleiben.Festmahl in FucineWeil wir schon bei Karl Kraus sind:Eine <strong>der</strong> grandiosesten Szenen in den„Letzten Tagen <strong>der</strong> Menschheit“ heißt„Liebesmahl bei einem Korpskommando“(V. Akt, 55. Szene). Er griff hier ausdem vollen Leben <strong>der</strong> Herrschenden, diesich, <strong>der</strong>weil das gemeine Volk und dieSoldaten hungerten, an leiblichen Genüssennichts abgehen ließen.Im September 1916 inspizierte <strong>der</strong> ArmeeoberkommandantErzherzog Friedricheinen Frontabschnitt in Südtirol.Für ihn wurde in <strong>der</strong> Offiziersmesse inFucine bei Rovereto folgendes Bankettlaut erhalten gebliebener Speisekarte gegeben:„Kraftbrühe nach Prinzessinnenart;Feinschmecker-Seehecht, kalt; Marschall-Lungenbraten;heurige Hühnchen,gebraten; Mayonnaisesalat; Kompott;Überraschungs-Omelette; gemischtesObst; verschiedene Käse; Kaffee.“An Getränken wurde, nach <strong>der</strong> Reihenfolge<strong>der</strong> Speisen geordnet, kredenzt:„Pilsener Bier; Wermut; Burgun<strong>der</strong>;Haslacher 1912; Benediktiner; Offensivgeist(?!); Weichselgeist.“Eine eigens aus Innsbruck herbeigeschaffteMilitärkapelle begleitete dasKriegsfestessen mit folgenden Stücken:„Erzherzog Friedrich-Marsch; ErzherzoginZita-Walzer (!); Der Alpensohn(Männerchor); Phantasie aus <strong>der</strong> Oper‚Freischütz‘; ‚Aisha‘-Intermezzo (?);Gebet vor <strong>der</strong> Schlacht (Männerchor);Wiener Bil<strong>der</strong> (Potpourri); Siegesklänge(Marsch); Gruß aus dem Oberinntal;Radetzky-Marsch.“ 15Gerne würden wir Heutigen in demZusammenhang wissen, wie <strong>der</strong> „Offensivgeist“geschmeckt und <strong>der</strong> „ErzherzoginZita-Walzer“ geklungen hat. Auchdie Kenntnis davon, welche Gesprächeauf welchem Niveau bei dem Gelage geführtwurden, müsste uns packende Einblickein die intellektuelle Beschaffenheit<strong>der</strong> allerhöchsten Herrschaften vermitteln.Schade. Mit Vorstellungsvermögenist es aber durchaus nachvollziehbar,wie das Karl Kraus in <strong>der</strong> „Liebesmahl“-Szene demonstriert hat. Genau so warensie, für die <strong>der</strong> Ausruf gilt: „Und so etwashat uns einmal regiert!“ (Passendauch für unsere Nachfahren gegenüber<strong>der</strong> österreichischen Gegenwart.)Hofknickse im KriegsspitalScharenweise reihten sich 1914 diehochadeligen Gattinnen und Töchter indie Pflege-, Wohltätigkeits- und Fürsorgefrontein, um ihren speziellen Beitrag„in dieser großen Zeit“ zu leisten. Daskommt immer gut an, denn wer ist heutzutagein punkto Renommee unerreichterund hat mehr Publicity <strong>als</strong> die diversen„Charity-Ladies“, „Licht ins Dunkel“-und „Life-Ball“-Veranstalter? DieSpenden für ihre edlen Zwecke sprudelnreichlich, beson<strong>der</strong>s von Seiten <strong>der</strong> Firmenund Geldleute, die auf die Weise ihrschlechtes Gewissen beruhigen können.Betrachten wir das Ergebnis, wennweibliche Mitglie<strong>der</strong> des Kaiserhausesein solches Bedürfnis verspürten. ErzherzoginAugusta, Gattin des Erzherzogs Josef,folgte im Herbst 1918 – spät, aberdoch – ihrem Mann ins Feld (<strong>der</strong> zu demZeitpunkt Heeresgruppenkommandant an<strong>der</strong> italienischen Front war), um <strong>der</strong> Aufgabe<strong>der</strong> Verwundetenpflege zu obliegen.Für sie wurde auf ärarische Kosten undunter Verwendung von Soldaten eine eigeneVilla adaptiert und vollständig neueingerichtet. Noch bevor die hohe Frauam 17. Oktober 1918 im Festungsspitalin Trient Einzug hielt, musste die tüchtigeOberschwester, weil sie bürgerlicherHerkunft war, einer Baronin weichen.Diese hatte nichts Besseres zu tun, <strong>als</strong>den Krankenschwestern den Hofknickslernen zu lassen. Weiters wurden dieKrankenträger und Soldaten angewiesen,beim Erscheinen Augustas in den Gängendes Spit<strong>als</strong> „Front“ zu machen. „So kames, dass Verwundete, die soeben auf <strong>der</strong>Tragbahre aus dem Operationssaal getragenwurden, sehr unsanft mit <strong>der</strong> Tragbahrezu Boden gestellt werden mussten.“16 Augusta gelang es, den Spit<strong>als</strong>betrieb<strong>der</strong>art durcheinan<strong>der</strong> zu bringen,dass man aufatmete, <strong>als</strong> sie ihre täglicheAnwesenheit in den Krankenzimmern aufeine halbe Stunde reduzierte. Nach nureiner Woche <strong>als</strong> Pflegerin reiste sie wie<strong>der</strong>ab, um nicht mit <strong>der</strong> spanischen Grippein Berührung zu kommen. 17 Wenigstensdas war von Erfolg gekrönt, dennAugusta starb hochbetagt, im Alter von89 Jahren, 1964 in Regensburg. 18Heublumen und Heiligenbil<strong>der</strong>Noch fataler war das Wirken <strong>der</strong> ErzherzoginBlanka, Gemahlin des ErzherzogsLeopold Salvator. Sie erkor das Reservespitalin <strong>der</strong> Kirchstetterngasse 38 inWien–Ottakring zum Ort ihrer Wohltätigkeit.Als strikte Verfechterin von„Naturheilmethoden“ pfuschte sie denÄrzten ins Handwerk und verlangte <strong>als</strong>Universalmittel gegen alle Leiden die Behandlungmit heißen Heublumenumschlägen.19 Männerstolz vor Fürstenthronenwar dam<strong>als</strong> ja schon gar nicht je<strong>der</strong>mannsSache, und so geschah es, dasssich die Ärzte, sei es aus Ehrerbietung,sei es aus Feigheit, dem Humbug beugten– auch im Wissen, damit den Tod von Patientenwegen wirkungsloser Therapie zuriskieren o<strong>der</strong> gar herbeizuführen. Beiihren Krankenbesuchen brachte Blankaübrigens prinzipiell nie Lebensmittel mit,son<strong>der</strong>n stets nur Rosenkränze, Heiligenbil<strong>der</strong>und Flie<strong>der</strong>sträußchen. 20 Ein stillerFluch nebst nachträglich gemurmeltemGötz-Zitat wird ihr seitens <strong>der</strong> Beschenktengewiss gewesen sein.Der „Dörrgemüse-Salvator“Blanka mehr <strong>als</strong> würdig war ihr Ehemann,Erzherzog Leopold Salvator. SeineGüter- und Fabrikdirektion in Jistebnitzbei Tabor in Böhmen lieferte für den2/08


Beiträge 13Heeresbedarf an das Kriegsministeriumvon 1914 bis 1918 11,3 Millionen KilogrammDörrgemüse zum Preis von 84,6Millionen Kronen. 21 Dörrgemüse, eindurch (natürliche o<strong>der</strong> künstliche) Trocknungvon Zwiebeln, Kraut, Fisolen, Rübenetc. hergestelltes Produkt, war eines<strong>der</strong> Hauptnahrungsmittel <strong>der</strong> einfachenSoldaten <strong>der</strong> k.u.k. Armee, die sich späternur mit Schau<strong>der</strong>n an den Fraß erinnerten.Leopold Salvator hatte hier faktischdas Monopol und diktierte, wie bei Monopolenim Kapitalismus üblich, denPreis. Da Monopolpreise selten unterdem Wert liegen – nur dann, wenn esdurch Dumping lästige Konkurrenten inden Bankrott zu treiben gilt –, son<strong>der</strong>n regelmäßigdarüber, strich <strong>der</strong> Erzherzogrund 20 Millionen Kronen <strong>als</strong> Nettoprofitein. 22 Er gehörte damit zur Kategorie <strong>der</strong>„Kriegsgewinnler“, sprich jener, die dieVolksmassen in großem Stil begaunerten.Gemeinsam mit seiner Frau Blankasetzte sich Leopold Salvator Ende 1918rechtzeitig nach Spanien ab, kehrte 1930nach Wien zurück und starb hier im Jahrdarauf. Begraben liegt er in <strong>der</strong> Kapuzinergruft.23 Pietätlos, wie wir sind,schlagen wir das Anbringen einer Zusatztafelan seinem Sarg vor, auf <strong>der</strong> dieseWeltkriegs-Heldentat verzeichnet ist.Crux mit <strong>der</strong>Ebenbürtigkeit bis zuletztWelche Sorgen die Hoheiten selbstnoch wenige Wochen vor dem Verschwinden<strong>der</strong> Monarchie quälten, erhelltfolgen<strong>der</strong> Vorfall. Das Kriegsministeriumerließ am 5. Oktober 1918 an alleKommanden den Befehl, „wonachdenjenigen durchlauchtigsten FrauenErzherzoginnen, die Ehen mit nichtsouveränenHäusern eingehen, die für kaiserlicheund königliche Hoheiten vorgeschriebenenEhrenbezeigungen nicht gebühren,zur Danachachtung in Erinnerungzu bringen und zu verlautbaren,dass von diesen Erlassbestimmungen<strong>der</strong>malen betroffen werden...“ 24Schön gesagt. Es folgten die Namen <strong>der</strong>solcherart Herabgestuften: eine Fürstinvon Hohenlohe-Bartenstein, eine Fürstinvon Thurn und Taxis, eine Fürstin vonWindischgrätz sowie Damen aus weiterenvier Adelsfamilien. Der Erlass setzte fort:„Hingegen gebühren (...) die vorgeschriebenenEhrenbezeigungen jenen durchlauchtigstenFrauen Erzherzoginnen, dieeine Ehe mit einem Mitglied eines christlichengegenwärtig o<strong>der</strong> vormalig souveränenHauses eingegangen sind. Demgemäßkommen auch ihren k.u.k. HoheitenMaria Anna von Bourbon, Prinzessinvon Parma und Karoline Maria ImmakulataPrinzessin von Sachsen-Koburg undGotha gebornen Erzherzoginnen vonÖsterreich und königlichen Prinzessinnenvon Ungarn etc. die einer k.u.k. Hoheitgebührenden Ehrenbezeigungen zu.“ 25Hier zeigt sich immerhin doch, dassdas Mühlrad <strong>der</strong> Geschichte sich dreht,denn wenigstens bei dem kann ein Bogenzur Jetztzeit nicht geschlagen werden.Kaiserliche Hoheit lässt schießenErzherzog Josef Ferdinand, General <strong>der</strong>Infanterie, war während <strong>der</strong> Winterschlachtin den Karpaten 1914/15 Kommandant<strong>der</strong> 4. Armee. In dem tief verschneitenGebirgsgelände herrschten beigrimmigem Frost für die Soldaten in denSchützenlöchern entsetzliche Bedingungen.Als das 7. Korps vor den Angriffen<strong>der</strong> Russen zu weichen drohte, befahl JosefFerdinand, die Standhaftigkeit durchMaschinengewehrfeuer von hinten auf dieeigene Truppe zu erzwingen. Am 28. Dezember1914 musste er dennoch das Aufgebeneiner Stellung bei dem Dorf Bartiwekan das Armeeoberkommando meldenund erläuterte das folgen<strong>der</strong>maßen:„Ich füge bei, dass auch das Feuer vonrückwärts die Truppen nicht abhielt, ihreStellungen zu verlassen, sobald <strong>der</strong> Feindschärfer einsetzte, und dass Leute in <strong>der</strong>Front aus vollster Erschöpfung Selbstmordbegingen. Mit dem heute begonnenenRückmarsch kann eine Retablierungsperiodeeingeleitet werden, in <strong>der</strong>Verstärkungen eintreffen und die Truppewie<strong>der</strong> diszipliniert werden kann.“ 26So sahen sie <strong>als</strong>o aus, die von <strong>der</strong>schwarzgelben Kriegspropaganda angehimmelten„Soldatenväter“ des HausesHabsburg. Die Republik Österreich begnügtesich mit Josef Ferdinands Verzichtserklärungund ließ ihn unbehelligt.Er starb 1942 in Wien. 27„Anbinden“ und„Schließen in Spangen“Was im Ersten Weltkrieg in sonst keiner<strong>der</strong> beteiligten Streitkräfte mehrmöglich war, wurde in <strong>der</strong> kaiserlichenArmee nach wie vor praktiziert: die Leibesstrafeauch bei leichten Disziplinarvergehen,etwa wenn man sein „Essgeschirrnicht in Ordnung gehalten“ hatte.Sie reichte von fünf bis fünfundzwanzigStockhieben auf das Gesäß bis zum „Anbinden“und „Schließen in Spangen“.Das „Anbinden“ sah so aus: Der Delinquentwurde mit einem langen Strick,den man mehrm<strong>als</strong> straff um seinenKörper schlang, für zwei Stunden an einenBaum gebunden, in verschärfterGeneral <strong>der</strong> Infanterie Erzherzog JosefFerdinand 1915.Form so, dass er in <strong>der</strong> Luft hing und dasganze Gewicht auf <strong>der</strong> Fesselung lastete.Beim „Schließen in Spangen“ <strong>als</strong> einerVerschärfung <strong>der</strong> Arreststrafe wurde„um den linken Fußknöchel und um dasrechte Handgelenk ein ziemlich engerEisengürtel“ gelegt, <strong>der</strong>gestalt, dass beideGürtel „bloß durch eine wenige Zentimeterlange Stange miteinan<strong>der</strong> verbundenwaren. Der so gefesselte Soldatmusste <strong>als</strong>o die rechte Hand sechs Stundenbeim linken Fuß halten und hocken,ohne sich bewegen zu können.“ 28Als Anfang 1917 die Klassenkämpfe<strong>der</strong> Arbeiter aufflammten und das Herrschaftsgefügeins Wanken geriet, entdeckteman plötzlich, dass Körperstrafennicht mehr notwendig seien. Kaiser Karlordnete im März bzw. Juni 1917 an, das„Anbinden“ und „Schließen in Spangen“aus dem Dienstreglement zu streichen 29 ,was <strong>als</strong> Ausfluss seiner grenzenlosenGüte von <strong>der</strong> Habsburg-treuen Pressegroß hinausposaunt wurde.Von Dauer blieb diese Humanitätsanwandlungnicht. Am Vorabend <strong>der</strong> letztenund kläglich gescheiterten Offensivedes österreichisch-ungarischen Heeresam Piave, am 13. Juni 1918, verkündete<strong>der</strong> Kommandant <strong>der</strong> 6. Armee, GeneraloberstErzherzog Josef (uns schon bekannt<strong>als</strong> Gemahl <strong>der</strong> Augusta), dass„zum Schutz <strong>der</strong> Disziplin“ <strong>als</strong> „außerordentlicheund vorübergehende Maßnahme“die Strafe des sechsstündigenSchließens in Spangen und des zweistündigenAnbindens bewilligt sei. 30Auf die Interpellation <strong>der</strong> sozialdemokratischenAbgeordneten Volkert undForstner am 17. Juli 1918, in <strong>der</strong> sie dieunverzügliche und restlose Beseitigung2/08


14 Beiträge<strong>der</strong> beiden Strafen verlangten, gab <strong>der</strong>Minister keine Antwort. Am 22. Oktober1918 fragte <strong>der</strong> Abgeordnete OttoGlöckel erneut bei Kriegsminister Stöger-Steineran, warum an<strong>der</strong>e Armeen„ohne diese rohe, unmenschliche Strafeihr Auslangen“ fänden, und ob es sichbei dem Erlass „um eine Auflehnung gegenden Kaiser“ handle. 31 Infolge Auflösungdes „vorbildlichen Rechtsstaates“ 32kam <strong>der</strong> Herr Minister wie<strong>der</strong> nicht dazu,eine Antwort zu geben.2/08Die Sozialdemokratieeinst und jetztUnsere Schil<strong>der</strong>ung hat gezeigt, dasses so gut wie ausschließlich die österreichischeSozialdemokratie war, diediese Dinge 1918/19, und vereinzeltauch danach, in ihrem Parteiorgan undweiteren Publikationen aufdeckte. 33 Diesekritische bis ablehnende Haltung gegenüberdem einstigen Herrscherhaus,juristisch umgesetzt in dem nach wie vorzu unserem Verfassungsbestand zählendenHabsburgergesetz vom 3. April1919 34 und bis zur Mitte <strong>der</strong> 1960er Jahreanhaltend, ist ihr hoch anzurechnen.Wir haben hier nur einige Facetten ausdem reichlich vorhandenen Material gebracht.In Wirklichkeit war alles nochviel ärger, dann was in Österreich im 1.Weltkrieg beispielsweise den „politischunverlässlichen“ Völkerschaften angetanwurde, kann getrost <strong>als</strong> Präludium für dieVerbrechen faschistischer Diktaturen imZweiten Weltkrieg bezeichnet werden.Darüber wird <strong>der</strong> Autor in nicht zu fernerZukunft eine eigene Monographie vorlegen.Wann aber gibt es endlich eine sattdotierte Forschungsför<strong>der</strong>ung für einTeam junger Historikerinnen und Historiker,um diese Leichen aus dem Kellerunserer Vergangenheit auszugraben?Und zwar freiwillig gegeben, von oben,<strong>als</strong> Ausdruck <strong>der</strong> Schuldigkeit gegenüberden Opfern, die unser eigenes monarchischesRegime auf dem Gewissen hat?Geschichtsbewusstsein beruht aufKenntnissen, gewonnen aus Quellenstudien.So altmodisch sind wir mit dieserAnsicht in einer Situation, in <strong>der</strong> dasFach Zeitgeschichte fast nur mehr aus„Diskursanalysen“ und Auseinan<strong>der</strong>setzungenum die „Narrative“ zu bestehenscheint. Wenn SPÖ-Spitzenpolitiker –subjektiv sicherlich zu recht – sagenkönnen: „Davon haben wir noch nie etwasgehört“, dann stellt das ihrem unddem in unserem Land insgesamt gepflogenenGeschichtsbild kein schmeichelhaftesZeugnis aus. Denn früher einmalwussten sie sehr wohl Bescheid, obwohlsie auch dam<strong>als</strong> schon von <strong>der</strong> akademischenGeschichtsschreibung im Stich gelassenwurden, die darüber beflissen denMantel des Schweigens ausbreitete.Argumente wie: „Das liegt doch allesschon weit zurück“, „Wozu das aufwärmen?“und „Spielt heute doch überhauptkeine Rolle mehr“ sind ebenfalls verfehlt,denn Tatsachen und Wahrheiten bleibenüber die Zeiten hinweg Tatsachen undWahrheiten, die uns früher o<strong>der</strong> spätereinholen. Mehr Distanz und ein größeresMaß an Reserviertheit würden daher denRepräsentanten eines Staates, <strong>der</strong> Republikheißt, gegenüber Leuten gut anstehen,<strong>der</strong>en Profession nach wie vor diegeschichtsfälscherische Verklärung desHabsburgerreiches und seiner Dynastieist. Und denen, die uns mit solchenBüchern beglücken, ohne auch nur einWort über die monströsen staatsverbrecherischenHandlungen <strong>der</strong> Herrschendenim Ersten Weltkrieg zu verlieren, tutman die Hälfte zuviel <strong>der</strong> Ehre an, wennman sie Halbignoranten nennt.Anmerkungen:1/ Ernst Mischler/Josef Ulbrich (Hg.), ÖsterreichischesStaatswörterbuch. Handbuch desgesamten österreichischen Rechtes, 2. Auflage,Dritter Band, Wien 1907, S. 409.2/ Der teure Kaiser = Aufklärungsschriften,<strong>Nr</strong>. 3, Wien 1919, S. 4. Diese anonym erschieneneBroschüre, die geheime Dokumente <strong>der</strong>Hofhaltung verwertete, wurde von <strong>der</strong> SozialdemokratischenPartei herausgegeben.3/ Siehe die Tabelle <strong>der</strong> Rangordnung und Bezüge<strong>der</strong> k.k. österreichischen Staatsbeamtenin: Hickmanns geographisch-statistischer Taschen-Atlasvon Österreich-Ungarn, 3. Aufl.,Wien–Leipzig o.J. (1909), S. 91f.4/ Wilhelm Winkler, Die Einkommensverschiebungenin Österreich während des Weltkrieges =Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden. Abteilungfür Volkswirtschaft und Geschichte. Wirtschafts-und Sozialgeschichte des Weltkrieges.Österreichische und ungarische Serie, Wien1930, S. 141. Die hier angegebenen Wochenlöhnesind auf Jahreseinkommen hochgerechnet.5/ Der teure Kaiser, a.a.O., S. 5.6/ Arbeiter-Zeitung, 20.12.1918, S. 6.; Der teureKaiser, a.a.O., S. 5.7/ Arbeiter-Zeitung, 1.12.1918, S. 4.8/ Arbeiter-Zeitung, 1.5.1919, S. 6.9/ Ebenda.10/ Arbeiter-Zeitung, 1.2.1917, S. 5. HervorhebungenH.H.11/ Arbeiter-Zeitung, 24.7.1918, S. 2. HervorhebungenH.H.12/ Ebenda.13/ Da die „Letzten Tage <strong>der</strong> Menschheit“ inmehreren Editionen vorliegen, ist die Seitenangabewenig sinnvoll. Es handelt sich um die37. Szene des V. Akts.14/ Arbeiter-Zeitung, 28.3.1918, S. 6.;29.3.1918, S. 6f.; 9.4.1918, S. 5f.15/ Arbeiter-Zeitung, 11.1.1919, S. 4.16/ Arbeiter-Zeitung, 22.11.1918, S. 5.17/ Ebenda.18/ Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon.Hg. von Brigitte Hamann, Wien 1988, S. 63.19/ Arbeiter-Zeitung, 28.1.1919, S. 6.20/ Ebenda.21/ Arbeiter-Zeitung, 31.12.1918, S. 4.22/ Arbeiter-Zeitung, 23.1.1919, S. 5.23/ Die Habsburger, a.a.O., S. 261f.24/ Arbeiter-Zeitung, 20.10.1918, S. 5. HervorhebungenH.H.25/ Ebenda. Hervorhebung H.H.26/ Arbeiter-Zeitung, 23.1.1919, S. 1f. HervorhebungenH.H.27/ Die Habsburger, a.a.O., S. 194.28/ Arbeiter-Zeitung, 1.7.1917, S. 7. HervorhebungH.H.29/ Arbeiter-Zeitung, 6.3.1917, S. 5; 1.7.1917, S. 8.30/ Arbeiter-Zeitung, 9.2.1920, S. 3.31/ Die Stunde <strong>der</strong> Rache. Ein Wort an die Soldaten= Aufklärungsschriften, <strong>Nr</strong>. 6, Wien 1919,S. 8. Auch diese anonym erschienene Broschürewurde von <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Parteiherausgegeben.32/ So bezeichnet von dem damaligen Ordinariusfür österreichische Geschichte an <strong>der</strong> UniversitätWien, Adam Wandruszka (von Wanstätten),im Vorwort zum 2. Band des Werkes „DieHabsburgermonarchie 1848–1918“ (Verwaltungund Rechtswesen), Wien 1975, S. XVIII.33/ Eine solche Schrift zur Rolle des Herrscherhausesin <strong>der</strong> österreichischen Geschichte insgesamtist: Gustav Pollatschek, Habsburger-Legenden,Wien 1927. Eine weitere vernichtendeAnklage enthält <strong>der</strong> anlässlich des 10. Jahrestagesdes Kriegsausbruchs erschienene Artikel„Der Weltrekord an Kriegsbarbarei“ in <strong>der</strong> Arbeiter-Zeitungvom 27. Juli 1924.34/ Als Staatskanzler Karl Renner am 27. März1919 vor <strong>der</strong> Nationalversammlung die Landesverweisungund Beschlagnahme des Vermögens<strong>der</strong> Habsburger begründete, nannte er sie ein„Werk <strong>der</strong> Sühne.“ Siehe: Arbeiter-Zeitung,28.3.1919, S. 3. Im Motivenbericht <strong>der</strong> deutschösterreichischenNationalversammlung zur Landesverweisungstand zu lesen: „Die Anwesenheitdes ehemaligen Monarchen sowie <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>seines Hauses bedeutet eine dauernde Gefährdung<strong>der</strong> Republik, da diese Personen immerwie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mittelpunkt von reaktionären, monarchistischenBestrebungen werden können.“ Siehe:Hans Kelsen (Hg.), Die Verfassungsgesetze<strong>der</strong> Republik Deutsch-Österreich, III. Teil, Wien–Leipzig1919, S. 164. Zum Habsburgergesetzund seinen Ursachen und Folgen hat <strong>der</strong> Autorschon vor längerer Zeit einen Artikel verfasst:Hans Hautmann, Über das republikanische Prinzip<strong>der</strong> Bundesverfassung, in: Weg und Ziel,48. Jg., <strong>Nr</strong>. 11, Wien, November 1990, S. 452ff.


Beiträge 15Heinz Fischer empfängt Otto HabsburgRandbemerkungen zum historischen ZusammenhangGERHARD OBERKOFLEROtto von Habsburg sorgt für Eklatin Wien“ – so titelt die Österreichnicht immer freundlich gesinnteNeue Zürcher Zeitung am12. März <strong>2008</strong> auf <strong>der</strong> Frontseite ihrer internationalenAusgabe einen Leitartikel.Anlass dazu bot jene Festrede des 95-jährigen Habsburg am 10. März <strong>2008</strong> imüberfüllten Reichsratssaal des Parlaments,die sich ÖVP-Chef und VizekanzlerWilhelm Molterer, ÖVP-Klubobmannund Bundeskanzler a. D. WolfgangSchüssel, die Abgeordneten <strong>der</strong> ÖVP-Parlamentsfraktion und zahlreiche ÖVP-Spitzen zum 70-Jahr-Gedenken <strong>der</strong> OkkupationÖsterreichs durch Hitlerdeutschlandgewünscht haben. Die NZZschreibt: „Die zusätzlich in einen Nebenraumübertragene Rede Habsburgs wurdemehrm<strong>als</strong> von tosendem Applaus undsogar Jubelrufen unterbrochen. Am Endegab es für Habsburg stehenden Beifall.“Habsburg hat die Moskauer Deklaration<strong>der</strong> Alliierten von 1943, in <strong>der</strong> auch voneiner Mitverantwortung Österreichs anden Naziverbrechen die Rede ist, <strong>als</strong>Heuchelei und „eigentlichen Skandal“bezeichnet und die Massenveranstaltungam Heldenplatz im März 1938 <strong>als</strong> Rummelund mit einem Fußballmatsch verglichen.Österreich sei wie kein an<strong>der</strong>erStaat in Europa berechtigt, sich <strong>als</strong> Opferzu bezeichnen. Exbundeskanzler Schüsselschwächte diese historische Reminiszenzvon Habsburg ein bisserl ab, Österreicherseien „lei<strong>der</strong> auch Täter geworden“und die Massen am Heldenplatz seiennicht ganz so harmlos wie bei einemFußballmatsch. Die Wiener Sozialdemokratiebeschloss über Habsburgs Redeempört zu sein, mobilisierte ihren VerteidigungsministerNorbert Darabos undließ durch ihn für das Salzamt deklarieren1 , Habsburgs Ausführungen seien ein„veritabler demokratiepolitischer Skandal“,er for<strong>der</strong>e eine Distanzierung <strong>der</strong>ÖVP von diesen Aussagen.„Die Arbeiter in Wien sindganz gegen jeden Anschluß“Habsburg hat sich über die AnnexionÖsterreichs durch Deutschland konträrzur politisch korrekten Haltung <strong>der</strong> Gegenwartund <strong>der</strong> daraus abzuleitendenmodischen Geschichtsauffassunggeäußert, was noch gar nichts heißenmuss. Tatsächlich hat eine österreichischeRegierung 1938 pflichtvergessenkeine Handlungen gesetzt, um das Landgegen die Besetzung durch die deutscheWehrmacht zu verteidigen. Aber in einerDeklaration <strong>der</strong> Moskauer Konferenz <strong>der</strong>Regierungen des Vereinigten Königreiches,<strong>der</strong> Sowjetunion und <strong>der</strong> VereinigtenStaaten von Amerika wurde im Oktober1943 die gemeinsame Auffassungfestgehalten, „daß Österreich, das erstefreie Land, das <strong>der</strong> typischen AngriffspolitikHitlers zum Opfer gefallen ist“.Nach diesem internationalen Dokument 2begann <strong>der</strong> Eroberungsfeldzug <strong>der</strong> Nazisin Europa am 11. März 1938. Den Konferenzteilnehmernwaren die Nazifotos undFilme mit jubelnden Massen, die den euphorischenAnschlusswillen <strong>der</strong> Österreicherdokumentieren sollten, sicher präsent.Sie haben diese aber nicht zurGrundlage ihrer Entscheidung gemacht,weil sie wissen mussten, dass, was heutein <strong>der</strong> historischen Beweisführung auspolitischer Opportunität in den Hintergrundzu treten hat, es sich um Bil<strong>der</strong>handelt, die erst nach <strong>der</strong> polizeilichenund militärischen Vertreibung <strong>der</strong> vielenNazigegner zu propagandistischenZwecken entstanden sind. Der Bevölkerungsanteil,<strong>der</strong> vor dem Einmarsch <strong>der</strong>Nazis mit diesen sympathisierte, repräsentiertjedenfalls nicht die Mehrheit desösterreichischen Volkes. In einem auchvon Friedrich Heer zitierten, in den letztenTagen vor dem Einmarsch geschriebenenBrief von Otto Habsburg an KurtSchuschnigg – Heer beschreibt diesen <strong>als</strong>einen „Mann ‚frommer Sprüche‘ und vielerleerer Reden“ – heißt es: „Die Arbeiterhaben in den letzten Tagen bewiesen,daß sie Patrioten sind. Diese Gruppekann durch den Nation<strong>als</strong>ozialismusnicht vergiftet werden, wird daher stetsam sichersten für Österreich eintreten,wogegen die Regierung ihr die Möglichkeitgeben muß, an <strong>der</strong> Gestaltung desVaterlandes – für welches sie sich einzusetzenbereit ist – aktiv mitzuwirken!“ 3In Innsbruck notiert am 22. Februar 1938ein rechtskonservativer katholischer TirolerNachwuchswissenschaftler in seinTagebuch: „Die Arbeiter in Wien sindganz gegen jeden Anschluß.“ 4 In <strong>der</strong>Nacht vom 11. zum 12. März 1938 richtetedas Zentralkomitee <strong>der</strong> KPÖ in Prag,anknüpfend an die von <strong>der</strong> Parteiführungmitgetragenen Überlegungen von <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> zum historischen Prozess <strong>der</strong> Herausbildung<strong>der</strong> österreichischen Nation,einen Aufruf an das Volk von Österreichsowie an alle Völker Europas und <strong>der</strong>Welt, dass Adolf Hitler dabei ist, „denFreiheitswillen des österreichischenVolkes durch die Stiefel seiner Soldateskanie<strong>der</strong>zutreten. Er ist daran, in Österreichseine Fremdherrschaft aufzurichten.[…] Das österreichische Volk ist vergewaltigtworden, aber sein Glaube undseine Zuversicht sind ungebrochen. DerKampf geht weiter. Durch seine eigeneKraft und durch die Hilfe <strong>der</strong> Weltfrontdes Friedens wird ein freies, unabhängigesÖsterreich wie<strong>der</strong>erstehen.“ 5 Derhervorragende Vertreter <strong>der</strong> österreichischenArbeiterklasse Johann Koplenig,<strong>der</strong> mehr <strong>als</strong> vierzig Jahre Parteivorsitzen<strong>der</strong><strong>der</strong> KPÖ und 1945 am Wie<strong>der</strong>erstehen<strong>der</strong> Zweiten Republik <strong>als</strong> Vizekanzler<strong>der</strong> Provisorischen Regierungmaßgeblich beteiligt gewesen war,schreibt 1938 in Weg und Ziel: „Was istLüge und was ist Tatsache in Österreich?Lüge ist, daß das österreichische Volkden ‚Anschluß‘ ans Dritte Reich wollte.Lüge ist, daß es sich mit <strong>der</strong> Annexionabgefunden habe. Tatsache ist, daß dieMärzereignisse nichts an<strong>der</strong>es waren <strong>als</strong>Vergewaltigung des politischen und nationalenSelbstbestimmungsrechtes desösterreichischen Volkes, nichts an<strong>der</strong>es<strong>als</strong> ein imperialistischer Gewaltakt desdeutschen Faschismus. Tatsache ist, daßmit dem Einmarsch <strong>der</strong> deutschen Truppenam 11. März 1938 in Österreich eineimperialistische Fremdherrschaft aufgerichtetworden ist.“ 6 Nach dem Kriegsausbruchim September 1939 riefen dieKommunistische Partei Österreichs und<strong>der</strong> Kommunistische JugendverbandÖsterreichs zur Sammlung aller Kräftedes österreichischen Volkes auf – „imKampf gegen den bluttriefenden Hitler-Faschismus für die Freiheit Österreichs,für den Frieden“. Als die deutsche Wehrmacht1941 vor Moskau stand, verteiltenjunge österreichische Kommunisten wie<strong>der</strong> 1944 von den Nazis hingerichtete <strong>Alfred</strong>Rabofsky im Oktober 1941 unter denSoldaten ein Flugblatt mit dem Inhalt,daß sich die Wende hin zur Nie<strong>der</strong>lageHitler-Deutschlands trotz <strong>der</strong> deutschenErfolge bereits abzeichne. 7Unter massiven Einsatz des in Deutschlandseit 1933 zur Perfektion entwickel-2/08


16 Beiträge2/08mung zum Terror des Austrofaschismusbestätigt. Mit <strong>der</strong> Politik des Arbeitermör<strong>der</strong>sDollfuß, mit dem Habsburg vielin Kontakt gestanden ist, sei er völligeinverstanden gewesen, „wenn es umsLand geht“, sei er „zu jeglicher Sachebereit“. 10 Die verbrecherischen Details,die mit <strong>der</strong> „Sache“ des Klerikalfaschismusverknüpft sind, werden vornehmverschwiegen. Zur Sozialdemokratiemeinte Habsburg im selben Interview:„Es gibt eine Partei in diesem Land, gegendie ich grundsätzlich gar nichts habe.Denn mit den ungarischen Sozialdemokratenstehe ich mich wirklich sehrgut. Aber hier in Österreich stehen dienicht gut mit mir. Die haben ja immerfortgehetzt.“ Das ist nicht neu, im Februar1936 meinte <strong>der</strong> junge Habsburg im PariserLe Petit Journal: „Ich werde gezwungensein, in meinem zukünftigenStaat die Sozialistische Partei zu verbieten,weil sie auf dem Boden des Klassenkampfessteht.“ 11Undank ist <strong>der</strong> Welten Lohn – so werdensich die österreichischen Sozialdemokratenmit ihrem SpitzenrepräsentantenHeinz Fischer denken! Denn über diesedarf sich Otto Habsburg und seine Entourageheute nun wirklich nicht mehr beklagen.Schon wenige Monate nach seinerWahl zum Bundespräsidenten hat FischerHabsburg eingeladen, ihn zu besuchen:„Er hat diese Einladung angenommen.Wir sind hier in diesem Arbeitszimmergesessen, haben ein langes und gutesGespräch geführt und ich habe das nichtnur <strong>als</strong> eine interessante Unterhaltungbetrachtet, son<strong>der</strong>n es hat auch irgendwiesymbolischen Charakter gehabt.“ 12Zum 95. Geburtstag „Seiner KaiserlichenHoheit Erzherzog Otto von Habsburg-Lothringen“ – so die von Papst BenediktXVI. und Kardinal Christoph Schönbornverwendete Titulatur – wurde am 19. November2007 im Wiener Dom St. Stephaneine Festmesse gelesen. KardinalSchönborn hielt die Majestätspredigt,sprach dabei von <strong>der</strong> Inspiration desHabsburgerreiches durch den römisch katholischenGlauben und dankte seinemund des Jubilars „Gott, dass er in soschweren Jahren Ihrer Familie, unseresLandes und <strong>der</strong> ganzen Welt Ihnen dieKraft des Sehens aus dem christlichenGlauben gegeben hat. […] Möge Gott Siesegnen und Ihnen vergelten, was Sie fürunser Land und Europa getan haben“. 13Er konnte dabei an den von <strong>der</strong> katholischenKirche <strong>als</strong> Freund des Friedens angebotenenKriegskaiser Karl erinnern, fürden seit 2005 in <strong>der</strong> Wiener Augustinerkircheeine eigene Gedenkstätte instaltenGoebbels-Apparats zur Meinungsmanipulationkam zum Heldenplatz am15. März 1938 eine Bewegung zustande,die alles erfasste, was zwischen echterAnschlussbegeisterung und bloßerSchaulust lag und die heute <strong>als</strong> Beweisfür den Anschlusswillen des österreichischenVolkes herhalten muss. Der Vergleichvon Habsburg mit einem Fußballmatschmag jene stören, die ein solchesmystifizieren. Von Habsburg ist nicht zuerwarten, dass er auf die Idee kommt, dieam Heldenplatz zusammengelaufenenWiener mit jenen hun<strong>der</strong>ttausenden Berlinernam 9. November 1989 zu vergleichen,die ebenso geschichtsblind wie euphorischmit dem Mauerfall den Sieg desdeutschen Imperialismus einschließlichseiner kriegerischen Optionen bejubelten.Und noch weniger wird Habsburg <strong>als</strong>Herold <strong>der</strong> europäischen Großraumpolitikeine Analogie zwischen <strong>der</strong> Volksabstimmungvom 10. April 1938 und demAusgang des nur durch massive Manipulationsgewalt<strong>der</strong> Medienkonzerne und<strong>der</strong> ÖVP/SPÖ-Koalition erzielten Referendums(12. Juni 1994) für den BeitrittÖsterreichs zur Europäischen Union zum1. Jänner 1995 herstellen. Habsburg warund ist ja auch kein grundsätzlicher Gegnereines Anschlusses. Bald nach 1945meinte er, dass Österreich keine Nationan sich sei, die Bande zwischen Österreichund dem deutschen Raum könntennicht zerrissen werden: „Aus dieser Verbindungergibt sich die wichtige abendländischeFunktion Österreichs vonselbst: Brücke zu sein zwischen Deutschlandund dem Donauraum.“ 8Nach 1945 war dem österreichischenVolk durchaus bewusst, dass Schuld undVerantwortung nicht Hitler und seine aktivenParteigängern allein treffen. Schuldund Verantwortung hatten in erster Liniedie Auftraggeber <strong>der</strong> Nazis, <strong>als</strong>o Großbankenund Konzerne. Der katholischePolitiker Leopold Figl, <strong>der</strong> noch nichtlange zuvor aus dem KZ Dachau befreitworden war, griff deshalb in seiner Regierungserklärungvom 21. Dezember1945 sowohl die For<strong>der</strong>ung des österreichischenWi<strong>der</strong>standes wie die Stimmungdes österreichischen Volkes aufund for<strong>der</strong>te: „Das Österreich von morgenwird ein neues, ein revolutionäresÖsterreich sein. Es wird von Grund aufumgestaltet und we<strong>der</strong> eine Wie<strong>der</strong>holungvon 1918 noch von 1933 noch einevon 1938 werden.“ Und Figl erklärteweiter: „Das freie, unabhängige und demokratischeÖsterreich fühlt sich bereitsheute auf Grund seiner außenpolitischenIdeologie <strong>als</strong> ein Teil <strong>der</strong> ‚Vereinten Nationen‘.“Figl wandte sich damit „gegenalle Versuche imperialistischer Einseitigkeitin diesem Europa“, was er nochausdrücklich betonte und damit begründete,„daß wir kein zweiter deutscherStaat sind, daß wir kein Ableger eineran<strong>der</strong>en Nationalität jem<strong>als</strong> waren nochwerden wollen, son<strong>der</strong>n daß wir nichtsan<strong>der</strong>es sind <strong>als</strong> Österreicher, dies aberaus ganzem Herzen und jener Leidenschaft,die jedem Bekenntnis zu seinerNation innewohnen muß, dann ist dieskeine Erfindung von uns, die wir heutedie Verantwortung für diesen Staat tragen,son<strong>der</strong>n die tiefste Erkenntnis allerMenschen, wo immer sie auch stehenmögen in diesem Österreich“. 9Die österreichischen Werktätigen erzieltennach <strong>der</strong> Befreiung 1945 enormeErfolge beim Wie<strong>der</strong>aufbau, insbeson<strong>der</strong>ebot <strong>der</strong> große und ausbaufähige VerstaatlichteSektor Rückhalt. Die österreichischeBourgeoisie konnte sich aberrelativ rasch wie<strong>der</strong> erholen, <strong>der</strong> Kapitalbildungsprozessging rasch und umfangreichvor sich. Im Einvernehmen mit <strong>der</strong>österreichischen Bourgeoisie, die traditionellmehr merkantil <strong>als</strong> unternehmerischund mehr rentnerisch <strong>als</strong> produzierendist, griffen europäische Kapitalgruppenauf Österreichs Ressourcen sukzessivezu. Aus vielen Gründen solltesich dabei spätestens seit den 1980erJahren <strong>als</strong> nützlich erweisen, dass dievom Kapital zugelassenen Politiker undHistorikerlakaien das Selbstbewusstseindes österreichischen Volkes mit <strong>der</strong> anhaltendenPropaganda, Österreich habesich begeistert dem Hitlerreich angeschlossenund habe an den NaziverbrechenMitschuld und Mitverantwortung,untergraben. Dass in einem okkupiertenLand Kollaboration im Gegensatz zuWi<strong>der</strong>stand gewichtiger ist, braucht nichtweiter erläutert zu werden.„Goldene Treppen, goldeneSessel, goldene Sitzbänkein <strong>der</strong> Hofburg“Der „Eklat in Wien“ hat <strong>als</strong>o wenigermit <strong>der</strong> Haltung von Otto Habsburg zumJahr 1938 zu tun <strong>als</strong> mit seiner von <strong>der</strong>Sozialdemokratie geduldeten demokratie-und volksfeindlichen Rehabilitation<strong>der</strong> Politik des Arbeitermör<strong>der</strong>s EngelbertDollfuß und seiner <strong>der</strong> neutralen demokratischenRepublik Österreich feindlicheneuropäischen Großraumpolitik.Im Vorfeld seines 95. Geburtstages hatHabsburg in einem Anfang November2007 <strong>der</strong> Presse gegebenen Interviewüber Kaiser, Hitler und das größereÖsterreich ausdrücklich seine Zustim-


Beiträge 17er, und lauter pseudodemokratische Idiotendarauf, wie lächerlich“ – lässt ThomasBernhard seinen MusikphilosophenReger verzweifeln. 17 Dabei hat BernhardBundespräsident Heinz Fischer in <strong>der</strong>Hofburg noch gar nicht gekannt. Was hatPräsident Fischer denn verpflichtet mitdem Empfang von Otto Habsburg denschon etwas vergessenen ÖsterreichkennerThomas Bernhard quasi zu bestätigen:„Die Kapuzinergruft, die Hofburg,was für unappetitliche Lächerlichkeiten,sagte er. [...] Wohin immer wir heute indiesem Lande schauen, wir schauen ineine Senkgrube <strong>der</strong> Lächerlichkeit, sagteReger.“Es wäre allerdings absurd, Hofburg,Habsburg und Fischer <strong>als</strong> bloße Lächerlichkeitenabzutun. Fischer wirft in Gegenwartvon Otto Habsburg ein verklärendesLicht auf die Habsburgermonarchie:„Wenn die Monarchie sozialeProbleme besser angepackt hätte, wennsie sich nicht in das Abenteuer des Kriegesgestürzt hätte, wenn sie den Prozess<strong>der</strong> Demokratisierung aktiver vorangetriebenhätte, dann hätte sie vielleicht eineÜberlebenschance gehabt und dieösterreichische Sozialdemokratie hättemit <strong>der</strong> Monarchie wahrscheinlich ebensozurechtkommen können, wie das inSchweden o<strong>der</strong> in Großbritannien <strong>der</strong>Fall war und heute noch ist.“ 18 Die politischeAbsicht ist eindeutig, <strong>der</strong> Bundespräsidentwill dem österreichischenVolk und den an Österreich grenzendenLän<strong>der</strong>n vermitteln, dass heute die EuropäischeUnion quasi die Rolle einerHabsburgermonarchie übernommen habe,nur eben „besser“. „Abenteuer desKrieges“ – welche gefährliche Verharmliertist. Der humanistische Denker undStaatsmann Tomáš G. Masaryk hat zuRecht festgestellt, daß Kaiser Karl mittenim Massenmorden des ersten Weltkriegesnichts <strong>als</strong> Phrasen in <strong>der</strong> von seiner Dynastiegewohnten dummen Gescheitheitund Verschlagenheit eingefallen sind. 14In <strong>der</strong> Rektoratskirche St. Peter, die KardinalFranz König 1970 den Priestern desOpus Dei übertragen hat, darf gleichrechts beim Eingang zum Seligen KaiserKarl, dem „mit Frau und Kin<strong>der</strong>n in seinemeigenen Land Heimatrecht und praktischjegliches Eigentum genommen“worden sei, gebetet werden, er sei <strong>der</strong>„Friedensfürst für ein geeintes Europa“.Im dort, gegenüber dem Agitationsmaterialfür Opus Dei, aufliegenden Falter(Deutsch, Französisch, Tschechisch, Italienisch,Englisch und Ungarisch) werdendie Restaurationsversuche von ExkaiserKarl verherrlicht: „Getreu seinemKrönungseid sowie auf ausdrücklichenWunsch des Papstes, <strong>der</strong> ein bolschewistischesChaos in Mitteleuropa befürchtete,versuchte Karl nach demKrieg, <strong>als</strong> König seine Herrscherverantwortungin Ungarn wie<strong>der</strong> herzustellen.Zwei Versuche scheiterten schließlich anVerrat und Lüge durch Gefolgsleute“.Kardinal König hat sich um das Katholischmachen<strong>der</strong> Sozialdemokratie verdientgemacht, was die Sozialdemokratiedurch ihre kritischen Geschichtsschreiber<strong>als</strong> Annäherung zur Katholischen Kirchedarstellen lässt. Heinz Fischer hat „einesTages“, wie er öffentlich macht, den„Mut“ gehabt, Kardinal König zu einemMittagessen zu sich zu Hause einzuladen,seine Frau, die gekocht habe, und seinebeiden Kin<strong>der</strong> seien dabei gewesen. Dashabe wun<strong>der</strong>bar funktioniert und sei wie<strong>der</strong>holtworden. Über einen so bekochtenArbeiterbetriebsrat etwa aus den VerstaatlichtenBetrieben berichtet Fischerin seiner <strong>als</strong> „Überzeugungen“ angebotenenSelbstenthüllung nicht, wie sollte erauch dafür den „Mut“ aufbringen. ZurBestätigung seiner Funktion für dieösterreichische Bourgeoisie druckt er lieberdas Dankschreiben von Kardinal Königab: „Im Interesse von Kirche undStaat, im Interesse unseres Landes,scheint es mir bedeutsam zu sein, daß Sie<strong>als</strong> Vertreter des österreichischen Sozialismusso unvoreingenommen und natürlichden Kontakt zu einem Mann <strong>der</strong> Kirchegefunden haben“. 15 Nach <strong>der</strong> durchdie pompösen religiösen Zeremonienkaum verniedlichten Demonstration despolitischen Katholizismus ging es für OttoHabsburg samt Familie zur Hofburg.Dort wartete Heinz Fischer, <strong>der</strong> bekannt-Otto Habsburg bei einer Paneuropa-Veranstaltung im Großen Saal des WienerMusikvereins am 14. November 1979.lich nicht nur seit 2004 Bundespräsidentist, son<strong>der</strong>n den Typus des lang und liebdienenden sozialdemokratischen Spitzenfunktionärsdarstellt. Für Otto Habsburgwar es naturgemäß ein gern wahrgenommenerTermin vor <strong>der</strong> abendlichenFestversammlung <strong>der</strong> Paneuropa-Union, <strong>der</strong>en Ehrenpräsident er ist, undvor seiner Reise nach Bosnien, wo er seinenGeburtstag nochm<strong>als</strong> feiern ließ, inSiegesstimmung über die von <strong>der</strong> österreichischenPolitik mit zu verantwortendeZerschlagung Jugoslawiens, das dieVölker des Balkans erstm<strong>als</strong> in <strong>der</strong> Geschichtein friedlichem Zusammenlebenvereint hatte. Im Oktober 1991 hatte OttoHabsburg im Europäischen Parlamentkriegshetzerische Reden im InteresseGroßeuropas gehalten, im neutralenÖsterreich war Außenminister AloisMock mit Duldung <strong>der</strong> SPÖ Hauptverantwortlicherfür die kriegerischen Auseinan<strong>der</strong>setzungenim Gefolge <strong>der</strong> einseitigenAnerkennung von Slowenienund Kroatien. Anstatt alles zu tun, Verhandlungenzwischen Delegationen <strong>der</strong>verschiedenen Völker über die Zukunftihrer Republiken herbeizuführen, hatMock alles getan, um in blutrünstiger althabsburgischerTradition „Son<strong>der</strong>maßnahmen“gegen die Serben und Serbienzu propagieren. Kriegskamerad von OttoHabsburg war Franjo Tudjman, <strong>der</strong>,1967 aus <strong>der</strong> KP Jugoslawiens wegenkroatisch nationalistischer Agitation ausgeschlossen,die Kriegsverbrechen gegenSerben forciert und Habsburg für seineKomplizenschaft dankbar die höchsteAuszeichnung Kroatiens verliehen hat. 16„Goldene Treppen, goldene Sessel,goldene Sitzbänke in <strong>der</strong> Hofburg, sagte2/08


18 Beiträgelosung des Massenmordens durch Fischer!Leo Trotzki meinte aus Anlass desGründungskongresses <strong>der</strong> InternationalenArbeitsgemeinschaft SozialistischerParteien (Wiener Internationale) im Februar1921 in Wien, <strong>der</strong> den in <strong>der</strong> Krisebefindlichen Zentrismus internationalzusammenfassen sollte, in einer von <strong>der</strong>KPÖ Österreich herausgegebenen Broschürein Bezug auf Renner: „Die Gabe<strong>der</strong> literarischen Nachahmung o<strong>der</strong>, einfacher,<strong>der</strong> stilistischen Täuschung istihm in hohem Maße gegeben. […] DerFirlefanz <strong>der</strong> österreichisch-wienerischenKultur, die Jagd nach <strong>der</strong> Äußerlichkeit,nach dem Rang, nach dem Titelwar Renner in höherem Maße eigen, <strong>als</strong>seinen übrigen Kommilitonen. Im Grundeblieb er stets nur k. u. k. Beamter, <strong>der</strong>sich <strong>der</strong> marxistischen Phraseologie vorzüglichzu bedienen verstand. Die Verwandlungdes Verfassers eines durchseinen revolutionären Pathos berühmtgewordenen Jubiläumsartikels über KarlMarx in einen operettenhaften Kanzler,<strong>der</strong> den skandinavischen Monarchen seineGefühle <strong>der</strong> Hochachtung und Dankbarkeitkundgibt, stellt eines <strong>der</strong> gesetzmäßigenParadoxe <strong>der</strong> Geschichtedar.“ 19 Fischer ist eine Replik von Renner,weil die spätkapitalistische <strong>Gesellschaft</strong>solche Funktionärstypen fortwährendanfertigt und in ihr nützlichePositionen bringt. Auf marxistisches Vokabularist <strong>der</strong> Sozialdemokrat von heutelängst nicht mehr angewiesen, es ist „Gesu<strong>der</strong>e“von gestern. Die Rolle des Austromarxismus<strong>als</strong> Theorie <strong>der</strong> Passivitätund Kapitulation vor <strong>der</strong> Bourgeoisie hatunter den verän<strong>der</strong>ten Verhältnissen heutein Wien die KPÖ übernommen – soweitsie dazu überhaupt in <strong>der</strong> Lage ist.2/08Republik undHabsburgerdynastieschistische Deutschland (UniversitätKöln) angenommen hat. Schwerer wiegtallerdings, dass die Verfassungspapierevon Kelsen, <strong>der</strong> sich im höheren Alter<strong>als</strong> Advokat Gottes bezeichnete, 21 denFaschismus nicht verhin<strong>der</strong>n haben können.Wie die österreichische Verfassungoffenkundig auch nicht verhin<strong>der</strong>n kann,dass Habsburg in Österreich zwar nichtnazifaschistische, aber autoritär ständestaatlicheund europäische Großreichspropagandabetreibt.Das Habsburger Gesetz vom 3. April1919 hatte festgehalten: „Im Interesse <strong>der</strong>Sicherheit <strong>der</strong> Republik werden <strong>der</strong> ehemaligeTräger <strong>der</strong> Krone und die sonstigenMitglie<strong>der</strong> des Hauses Habsburg-Lothringen,diese, soweit sie nicht auf ihreMitgliedschaft zu diesem Hause und aufalle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprücheausdrücklich verzichtet und sich<strong>als</strong> getreue Staatsbürger <strong>der</strong> Republik bekannthaben, des Landes verwiesen. DieFestsetzung, ob diese Erklärung <strong>als</strong> ausreichendzu erkennen sei, steht <strong>der</strong> Staatsregierungim Einvernehmen mit demHauptausschuß <strong>der</strong> Nationalversammlungzu.“ Das hofärarische Vermögen fielan den Staat und sollte zur Fürsorge fürdie Kriegsinvaliden, Witwen und Waisenverwendet werden. In <strong>der</strong> Regierungsvorlagefür das Gesetz über die Landesverweisunghat Staatskanzler Renner formuliert:„Das Erzhaus hat sich ausgelebtund überlebt. Wir aber können uns <strong>als</strong>ein freigewordenes Volk in unseren Entschließungenund in unserer Zukunftnicht mehr an Erinnerungen <strong>der</strong> Vergangenheitbinden. Lassen wir das Vergangenebegraben sein und wenden wir uns<strong>der</strong> Zukunft zu, und diese Zukunft heißt:Allgemeine Freiheit des ganzen Volkes.“Wenige Jahre zuvor hat Renner Vorschlägezur Umgestaltung <strong>der</strong> Habsburgermonarchiemit Zugeständnissen an dieNationalitäten gemacht, die darauf abzielten,die deutsche Vorherrschaft inZentraleuropa abzusichern. Gemäß Artikel149 <strong>der</strong> Bundesverfassung vom1. Oktober 1920 ist das „Habsburger-Gesetz“Bestandteil <strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong> RepublikÖsterreich geworden. Die Bourgeoisiefand sich mit diesen und an<strong>der</strong>envon <strong>der</strong> österreichischen Arbeiterklassegefor<strong>der</strong>ten Gesetzen ab, weil sie hoffenkonnte, die bolschewistische Revolutionnoch abwenden zu können. Gegen dasHabsburgergesetz hat nur <strong>der</strong> AbgeordneteWilhelm Miklas gestimmt. Miklashätte <strong>als</strong> späterer Bundespräsident 1938die Möglichkeit gehabt, <strong>als</strong> Oberbefehlshaberden Befehl zur bewaffneten VerteidigungÖsterreichs zu erteilen, er zog esFischer hat <strong>als</strong> Parlamentarier keinesich bietende Gelegenheit ausgelassen,mit Hans Kelsen und dessen Verfassungspapierezu renommieren. In Innsbruckwurde ihm dafür das Patent <strong>als</strong>Universitätsdozent ausgestellt. Fischererinnert aus Anlass <strong>der</strong> Enthüllung einerGedenktafel für Kelsen im Arkadenhof<strong>der</strong> Wiener Universität am 23. November1984, dass dieser mit <strong>der</strong> Verfassungein Werk geschaffen habe, „das den Gezeiten<strong>der</strong> Zeitgeschichte Stand gehaltenhat“. 20 Fischer hat das <strong>als</strong> damaligerWissenschaftsminister formuliert, ermeint auch, dass Kelsen zur Emigrationaus Österreich gezwungen worden sei,was so nicht stimmt, weil Kelsen 1930freiwillig eine Berufung in das präfaabervor, mit den österreichischen unddeutschen Nazis über seine eigene Zukunftzu verhandeln, mit dem Ergebnis,mit vollen Bezügen pensioniert zu werdenund Dienstauto, Chauffeur, Freikartenfür die Oper und das Burgtheater, fürdie Bundesbahnen etc. zu behalten. 22 DasHabsburger-Gesetz bildet einen integrierendenBestandteil <strong>der</strong> von Kelsen ausgearbeitetenBundesverfassung, die nach1945 wie<strong>der</strong> in Wirksamkeit trat. Auchhat Österreich gemäß Artikel 10 desStaatsvertrages betreffend die Wie<strong>der</strong>herstellungeines unabhängigen und demokratischenÖsterreich 1955 die Verpflichtungübernommen, das Habsburger-Gesetzaufrechtzuerhalten. Der im Bündnismit den reaktionärsten Kräften in Europapolitisch sehr aktive Otto Habsburg-Lothringenhat die notwendige Erklärungam 31. Mai 1961 gemäß dem Wortlautdes Gesetzes mit dem Bemerken, dassdadurch seine familien- und privatrechtlicheStellung nicht berührt werden sollte,abgegeben. Die politische Realisierung<strong>der</strong> Einreise war infolge des Wi<strong>der</strong>standes<strong>der</strong> SPÖ und <strong>der</strong> KPÖ noch nichtmöglich, woran auch ein mit juristischenTricks herbeigeführter, im Wi<strong>der</strong>spruchzum Verfassungsgerichtshof stehen<strong>der</strong>Gefälligkeitsbescheid des Verwaltungsgerichtshofes,dass die Erklärung Habsburgsausreichend und die Landesverweisungaufzuheben sei, nichts än<strong>der</strong>te.In <strong>der</strong> Sozialdemokratie erinnerte mansich noch lebhaft an die dynastischen Regierungsansprüche,die Otto Habsburg(„Otto of Austria“) in <strong>der</strong> USA-Emigrationüber Österreich gestellt hat. 23 Einigeösterreichische Emigranten waren OttoHabsburg auf den Leim gegangen, demnichts ferner gelegen ist <strong>als</strong> seine internationalenVerbindungen für die Wie<strong>der</strong>herstellungeines freien, unabhängigen,demokratischen Österreichs einzusetzen.Der aus Wien stammende österreichischeEmigrant Otto Kreilisheim hat im Auftragdes Austro-Hungarian Trade UnionComittee for Victory eine Broschüre„Habsburg versus Freedom“ geschrieben,in <strong>der</strong> er an einigen Beispielen nachwies,dass die Habsburgerdynastie in <strong>der</strong> Geschichteniem<strong>als</strong> etwas mit Freiheit undDemokratie zu tun gehabt hatte und deshalbim Kampf um eine freie Welt nichtszu suchen hat. Amerikanische Gewerkschaftlerschrieben zu dieser BroschüreVorworte. Es waren nach <strong>der</strong> belegtenAuffassung von Kreilisheim vor allem<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> amerikanischen Arbeitertschechischer bzw. slowakischero<strong>der</strong> ungarischer Herkunft, die das StateDepartment veranlasst haben, das von


Beiträge 19Otto Habsburg vorangetriebene Projekteiner unter seinem Oberbefehl gebildetenösterreichischen Legion fallen zu lassen.24 Anfang November 1944 verließHabsburg die USA, um mit dem Segendes Vatikans sein Projekt für eine habsburgischeDonaufö<strong>der</strong>ation voranzutreiben.25 Der um Österreich hoch verdienteDiplomat Hans J. Thalberg, <strong>der</strong> in Frankreichund später von <strong>der</strong> Schweiz aus fürein freies Österreich tätig gewesen warund nach <strong>der</strong> Befreiung im diplomatischenDienst Österreichs auf wichtigenPosten gewirkt hat, resümiert über OttoHabsburg: „Seine Interessen waren in ersterLinie restaurativer Natur. Er hat inParis gar nichts und in New York herzlichwenig für die österreichische Emigrationund für seine exilierten Landsleutegetan. Ein ernstzunehmen<strong>der</strong> Versuch<strong>der</strong> Pariser Emigration zur Schaffung einesoffiziösen österreichischen Exilkomiteesunter <strong>der</strong> Leitung des österreichischenUniversitätsprofessors [Richard]Wasicky scheiterte 1939 durch die Intrigen<strong>der</strong> Mitarbeiter Otto Habsburgs.Nach <strong>der</strong> Befreiung Österreichs riet OttoHabsburg den Alliierten, <strong>der</strong> provisorischenRegierung Renner, die sich mit bewun<strong>der</strong>ungswürdigemMut gegenüber<strong>der</strong> sowjetischen Besatzungsmachtdurchzusetzen verstanden hatte, die Anerkennungzu versagen. Und <strong>als</strong> es umdie österreichische Neutralität und umden österreichischen Staatsvertrag ging,war Otto Habsburg wie<strong>der</strong> nicht an <strong>der</strong>Seite Österreichs zu finden.“ 26 Ende1951 warnt <strong>der</strong> Österreichische Friedensratvor den kriegshetzerischen AktivitätenOtto Habsburgs. Dieser hat am2. September 1951 in den SalzburgerNachrichten die Kriegsziele eines Aggressionskriegesdes Westens gegen denOsten, ausgehend von <strong>der</strong> geographischenLage und <strong>der</strong> politischen RolleÖsterreichs, entwickelt. Habsburg vertratdie These, dass die Krise <strong>der</strong> Welt aufdie Liquidierung <strong>der</strong> Österreichisch-UngarischenMonarchie und des OttomanischenReiches zu Ende des Ersten Weltkriegeszurückgehe. Seitdem seien die„Bollwerke“ Europas zerstört, „triumphiertAsien“. Die Reichtümer in denDonaulän<strong>der</strong>n, in Polen und auf demBalkan müssten zurückerobert und wie<strong>der</strong>einverleibt werden. 27 Als 1956 inUngarn konterrevolutionäre Kräfte zumAufstand gegen die sozialistische Ordnungund die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong>Sowjetunion antraten, organisierte Habsburgvon München aus im Einvernehmenmit Papst Pius XII. die Unterstützung<strong>der</strong> militanten klerikalen Kräften. 28Der Vatikan und die Spitzendes Klerikalismus habensich seit vielen Jahrzehntenfür die Rückkehr <strong>der</strong> habsburgischenRäuberdynastie nachÖsterreich eingesetzt, um mitdieser die Balkanlän<strong>der</strong> zu infiltrieren.Das gelang aufgrund<strong>der</strong> noch wachen Erinnerungdes österreichischenVolkes an die traurigen Erfahrungenlange Zeit nicht. JohannKoplenig sah das 1961(1. April) noch so: „UnserePartei und unsere Presse warenes, die die schon weit gedieheneMachinationen <strong>der</strong>Habsburger, <strong>der</strong> Klerikalenund <strong>der</strong> Regierungsparteienaufdeckten und unser entschiedenesAuftreten hat auchdie SP gezwungen, gegen dieRückkehr Habsburgs Stellungzu nehmen.“ Am 4. Juli 1963stimmten die SPÖ- und FPÖ-Abgeordneten im Nationalratgegen die Rückkehr OttoHabsburgs. Kreisky hatte <strong>der</strong>FPÖ für diese Kooperation eine ihr entgegenkommendeWahlrechtsän<strong>der</strong>ung,den Rechnungshofpräsidenten und dieVertretung Österreichs im Europarat inStraßburg versprochen. 29 Die FrankfurterAllgemeine Zeitung lud Anfang Oktober1963 den Wiener VerfassungsjuristenGünther Winkler und Christian Brodaein, ihre Positionen im Blatt <strong>der</strong> westdeutschenBourgeoisie zu erläutern. 30Broda, <strong>der</strong> ja ein guter Jurist war, verwiesdarauf, dass <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtshofsich eine Entscheidung <strong>als</strong> höchste Instanzin einem Handstreich angemaßt habe,die nicht ihm, son<strong>der</strong>n dem Verfassungsgerichtshofzugestanden sei, undbetonte, dass die Habsburger Angelegenheitnicht nur staats- und verfahrensrechtliche,<strong>als</strong>o sogenannte rechtsstaatlicheAspekte hat, son<strong>der</strong>n auch eminentstaatspolitische. Otto Habsburg habe mitseiner Loyalitätserklärung Jahrzehnte gewartetund sich vom Ausland in innerösterreichischeAngelegenheiten aktiv eingemischt.Sein Sinneswandel müsse bezweifeltwerden: „Das österreichischeVolk hat in den nicht einmal fünfzig Jahrenseit <strong>der</strong> Gründung seiner Republikschwere Zeiten durchlebt. 1934 hat esseine innere Freiheit verloren, 1938 hates seine äußere Freiheit eingebüßt. Erst1955 wurde sie wie<strong>der</strong> errungen. Ist esein Wun<strong>der</strong>, daß wir Risiken scheuen, diedas Erreichte aufs Spiel setzen können?“Winkler for<strong>der</strong>te das ziemlich abstrapa-Habsburg-Nostalgie in einer Wiener Buchhandlungin <strong>der</strong> Kärntner Straße.zierte Rechtsstaatsprinzip formalistischein, indem er die Illusion vom parteilosenRichter vermittelte, die Karl Marx schonim Vormärz im Zusammenhang mit demHolzdiebstahlgesetz bloßgestellt hat. 31Die staatspolitische Situation än<strong>der</strong>tesich seit 1966, <strong>als</strong> die ÖVP Alleinregierungoffensiv nach Bonn und Brüsselorientierte und das mit Otto Habsburggegen die SPÖ tun wollte. Die SPÖ bliebgegenüber einer Einreise von Otto Habsburgwegen <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> Arbeiter inden Betrieben zögerlich. Am 12. August1966 hatte die Belegschaft des großenEisen- und StahlverarbeitungsunternehmensWaagner-Biro A.G. in Graz eineProtestversammlung abgehalten und eineResolution dem Nationalratspräsidiumtelegraphiert, in <strong>der</strong> es heißt: „Die Arbeiterund Angestellten haben unter großenOpfern einen entscheidenden Anteil amwirtschaftlichen und politischen Wie<strong>der</strong>aufbaugeleistet und sind nicht gewillt,sich durch die reaktionären Machenschaften<strong>der</strong> Familie Habsburg und ihrerHintermänner um die Früchte ihrer Opferbringen zu lassen.“ Heinz Fischerwar gerade Klubsekretär <strong>der</strong> SPÖ undhat dieses Telegramm zur Kenntnis genommen.32 Otto Habsburg reiste am31. Oktober 1966 erstm<strong>als</strong> nach Österreichein, Anfang November 1966 kames zu umfangreichen Protestkundgebungenund Streiks österreichischer Arbeiterund Arbeiterinnen gegen die von den2/08


20 BeiträgeMedien <strong>der</strong> Bourgeoisie <strong>als</strong> rechtlichkorrekt verkaufte Einreise. Seit dem vielbeachteten Händedruck von BundeskanzlerBruno Kreisky und Otto Habsburgam 4. Mai 1972 hat es über Aufenthaltevon Otto Habsburg in Österreichkeine öffentlichen Diskussionen mehrgegeben. Habsburg war dam<strong>als</strong>, wasKreisky nicht gestört hat, zur Feier des50-jährigen Bestandes <strong>der</strong> Paneuropa-Union in Wien. Diese ist 1922 von RichardN. Coudenhove-Kalergie in Wien gegründetworden mit <strong>der</strong> Zielsetzung, dievon <strong>der</strong> europäischen imperialistischenMonopolbourgeoisie angestrebte „VereinigungEuropas“ ideologisch vorzubereitenund die Ausbreitung <strong>der</strong> revolutionärenBewegung in Europa durch diesich in <strong>der</strong> Sowjetunion zeigende gesellschaftlicheUmgestaltung zu verhin<strong>der</strong>n.Auch Adolf Hitler war ein Anhänger <strong>der</strong>Paneuropa-Idee, wenngleich in Nazideutschlanddie Paneuropa-Organisationen,die von denselben Kreisen aus demdeutschen Monopolkapital unterstütztworden waren, die jetzt Hitler unterstützten,aufgelöst worden sind.Nicht alle nach 1919 geborenen Mitglie<strong>der</strong><strong>der</strong> habsburgischen Räuberdynastiegaben die Verzichtserklärung ab, fürzwei jüngere Brü<strong>der</strong> von Otto Habsburgwurde erst 1996 eine juristische Lösunggefunden. Der Rechtsvertreter <strong>der</strong> FamilieHabsburg-Lothringen Wolfram Bitschnauhat die juristischen Stationen biszur Wie<strong>der</strong>betätigung von Habsburg inÖsterreich zusammengestellt, im 2004datierten Vorwort dankt er Heinz Fischerin außergewöhnlicher Weise: „Zu dankenist auch den Politikern aus ÖVP,FPÖ und Liberalem Forum, die stets fürdie Beseitigung des Unrechts <strong>der</strong> Landesverweisungeingetreten waren. Beson<strong>der</strong>szu erwähnen ist <strong>der</strong> damaligeErste Präsident des Nationalrats (SPÖ)und heutige Bundespräsident Dr. HeinzFischer, <strong>der</strong> Verständnis für das Problemzeigte und gegen den Wi<strong>der</strong>standdes Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramtund verschiedener Abgeordneterdie ‚pragmatische‘ Lösung in Regierungund Hauptausschuß des Nationalratesdurchzusetzen wusste.“ 33 Fischer hat seineSache offenkundig gut gemacht, fürHabsburg und für die restaurativen Kräftein Österreich und in <strong>der</strong> EuropäischenUnion. 1979 hat Otto Habsburg die westdeutscheStaatsbürgerschaft angenommen,um <strong>als</strong> CSU-Abgeordneter im Europarlament<strong>der</strong> Großraumpolitik desEU-Imperialismus eine historische Mystifikationzu geben. W. I. Lenin hat einmaldie Losung <strong>der</strong> Vereinigten Staaten2/08von Europa scharf analysiert: „Die VereinigtenStaaten von Europa sind unterkapitalistischen Verhältnissen unmöglicho<strong>der</strong> reaktionär.“ 34 Es ist heute dieKenntnis von Lenin nicht notwendig, umzu einer solchen Einschätzung des in <strong>der</strong>Europäischen Union vereinigten Verbandesdes Imperialismus in <strong>der</strong> Gegenwartzu kommen. Zu offenkundig sind seineverbrecherischen Kriegs- und Kolonisationsoperationenauf dem Balkan, in Afghanistan,in den Ressourcenlän<strong>der</strong>nAfrikas o<strong>der</strong> seine Kooperation mit Israelbei den Kriegs- und Besatzungsverbrechenim Nahen Osten.„Längst steht <strong>der</strong> Name Otto Habsburgnicht mehr für ein gesundes österreichischesNationalbewußtsein, son<strong>der</strong>nfür ein verschwommenes Abendlän<strong>der</strong>tumbayrischen Anstrichs“ – so schreibt1984 Hans J. Thalberg. 35 Daran hat sichüberhaupt nichts geän<strong>der</strong>t! Habsburgverkörpert die Negation <strong>der</strong> am Friedenorientierten neutralen österreichischenRepublik, sein Empfang durch den österreichischenBundespräsidenten Fischerist ein Tiefpunkt ihrer Geschichte, insbeson<strong>der</strong>eihrer Arbeiterbewegung.Anmerkungen:1/ Presseaussendung vom 11. März <strong>2008</strong>.2/ Zitiert nach Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten<strong>der</strong> UdSSR: UdSSR – Österreich1938–1979. Dokumente und Materialien.Moskau 1980, 15 (Deklaration über Österreich,Prawda, 2. November 1943)3/ Friedrich Herr: Der Kampf um die österreichischeIdentität. Wien [u.a.] 1981, 427f.4/ Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, TagebuchNikolaus Grass.5/ Die Kommunisten im Kampf für die UnabhängigkeitÖsterreichs. Sammelband. Wien 1955,63–64 .6/ Dieses Zitat ist im Sammelband: Die Kommunistenim Kampf für die Unabhängigkeit Österreichs,93, irrtümlich <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> zugeschrieben.7/ Dazu Gerhard Oberkofler: Eduard Rabofsky.Jurist <strong>der</strong> Arbeiterklasse. Innsbruck–Wien 1997.8/ Zitiert nach Weg und Ziel 1959, 178.9/ Stenographisches Protokoll. 2. Sitzung desNationalrates <strong>der</strong> Republik Österreich. Freitag,21. Dezember 1945 (Regierungserklärung desBundeskanzler Ing. Figl 19–27).10/ Die Presse vom 9.11.2007.11/ Notwendige Erinnerungen. Aus <strong>der</strong> letztenTätigkeitsperiode <strong>der</strong> Habsburger. Weg und Ziel1960, 656–669.12/ Heinz Fischer: Überzeugungen. Eine politischeBiografie. Unter Mitarbeit von <strong>Alfred</strong> Reiter.Wien [u.a.] 2006, 12.13/ www.stephanscom.at/news/articles/2007/11/29/a13806/print14/ Tomáš G. Masaryk: Das neue Europa. Berlin1991, 98.15/ Fischer: Überzeugungen, 312f.16/ Dazu die Habsburg Hagiographie von StephanBaier/Eva Demmerle: Otto von Habsburg.Die Biografie. Wien, 5. Aufl. 2007 (Mit einemGrußwort von Papst Benedikt XVI.).17/ Thomas Bernhard: Alte Meister.Frankfurt/M. 1985, 121.18/ Fischer: Überzeugungen, 12.19/ Die Helden <strong>der</strong> Wiener Konferenz. MitBeiträgen von Lenin, Trotzki, Sinowjew u.a. Hg.von <strong>der</strong> Kommunistischen Partei Österreichs(Sektion d. III. Internationale). Wien 1921, 14.20/ Fischer: Überzeugungen, 147 (Rede 146–148).21/ Aufsätze zur Ideologiekritik. Neuwied1964, 54.22/ Gerhard Oberkofler/Eduard Rabofsky: Pflichterfüllungfür o<strong>der</strong> gegen Österreich. HistorischeBetrachtungen zum März 1938. Wien 1988.23/ Franz Goldner: Die österreichische Emigration1938 bis 1945. Wien–München 2. Aufl. 1977;Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi<strong>der</strong>standes(Hg.): Österreicher im Exil. USA1938–1945. Eine Dokumentation. Wien 1995;Gerhardt Plöchl: Willibald Plöchl und Otto Habsburgin den USA. Ringen um Österreichs „Exilregierung“1941/42. Hg. vom Dokumentationsarchivdes österreichischen Wi<strong>der</strong>standes. Wien 2007.24/ Otto Kreilisheim: Ich erinnere mich… Hg.vom Bund demokratischer Lehrerinnen undLehrer. Wien 1989, 36–38.25/ Dazu Eduard Winter: Rom und Moskau. Wien[u.a.] 1972, 412.26/ Hans J. Thalberg: Von <strong>der</strong> Kunst Österreicherzu sein. Erinnerungen und Tagebuchnotizen.Wien [u.a.] 1984, 125f.27/ Die Aufrüstung Österreichs. Dokumente undTatsachen. Hg. vom Österreichischen Friedensrat.[Wien 1951], 132.28/ Winter: Rom und Moskau, 426.29/ Bruno Kreisky: Im Strom <strong>der</strong> Politik. Der Memoirenzweiter Teil. Wien 1988, 402f.30/ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Oktober1963 („Der Fall Habsburg“).31/ Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz.MEW 1, 109–147, hier 145.32/ Österreichische Nationalbibliothek, NachlassChristian Broda.33/ Wolfram Bitschnau: Heimkehr <strong>der</strong> Habsburger.Der Kampf um das Ende <strong>der</strong> Landesverweisung.Ares Verlag.34/ Lenin: Werke 21 (Berlin 1961), 343.35/ Thalberg: Von <strong>der</strong> Kunst Österreicher zusein, 318.Thomas Schönfeld hat die Anregung gegeben,dass es auch eine Aufgabe <strong>der</strong>ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT sein muss,über die Zusammenhänge <strong>der</strong> Habsburger-Vergangenheitmit <strong>der</strong> Gegenwart inÖsterreich nachzudenken. Die beidenAutoren Hans Hautmann und GerhardOberkofler danken für diese Anregung.


Beiträge 21Zum 100. Geburtstag von Zalel SchwagerAm 21. Juli dieses Jahres wäreZalel Schwager 100 Jahre alt geworden.Von frühester Jugendan war er ein Rebell und ist es seinganzes Leben geblieben. Er gehörtenicht zu den lauten, aber zu den verlässlichen,konsequenten und standhaftenRevolutionären <strong>der</strong> österreichischenArbeiterInnenbewegung.Zalel Schwager wurde am 21. Juli1908 in <strong>der</strong> alten österreichisch-ungarischenGrenzstadt Husiatyn in Galiziengeboren. Als Kind kam er mit seinen Elternnach Wien. Nach <strong>der</strong> Volks- undBürgerschule musste er sich mit Gelegenheitsarbeitensein Brot verdienen.Sein Leben verän<strong>der</strong>te sich, <strong>als</strong> er <strong>als</strong>Lehrling in <strong>der</strong> Buchhandlung und Leihbibliothekbei Professor Rath in <strong>der</strong> Taborstraßeim Zweiten Wiener Gemeindebezirkaufgenommen wurde. Dort beganner zu lesen und erweiterte imSelbststudium sein großes Wissen.Schließlich arbeitete er <strong>als</strong> Bibliothekar.Er begann sich für die Auseinan<strong>der</strong>setzungenund Kämpfe <strong>der</strong> Wiener ArbeiterInnenin den 1920er Jahren zu interessieren.Tiefen Eindruck und Einfluss aufseine politische Entwicklung machtendie Ereignisse des 15. Juli 1927. DieEmpörung über den Freispruch des Arbeitermör<strong>der</strong>sim Schattendorfer Prozess,<strong>der</strong> Schießbefehl des christlichsozialenPolizeipräsidenten Schober, durchden nahezu 100 Menschen getötet wurden,und die Enttäuschung über die Reaktion<strong>der</strong> sozialdemokratischenParteiführung bekräftigten seine kritischeHaltung zu ihr. Seit 1925 in <strong>der</strong> ArbeiterInnenbewegungaktiv, trat er 1930<strong>der</strong> Kommunistischen Partei bei, <strong>der</strong>enMitglied er bis zu seinem Tode blieb.Im Februar 1934 beteiligte sichSchwager an den Kämpfen des RepublikanischenSchutzbundes gegen dasaustrofaschistische Regime. Wegen illegalerTätigkeit wurde er 1934 verhaftet,die Jahre 1935 und 1936 verbrachteer in Haft. Darauf flüchtete er in dieTschechoslowakei und ging von dort1937 nach Spanien, um auf Seiten <strong>der</strong>spanischen Republik gegen den Franco-Faschismus zu kämpfen. Als Leutnantund Politkommissar des österreichischenBataillons „12. Februar“ nahm erin den Reihen <strong>der</strong> XI. InternationalenBrigade bis 1939 an allen Kämpfen teil.Nach zweieinhalb Jahren harten Kampfeskonnte Franco mit Hilfe <strong>der</strong> deutschenund italienischen Armee, begünstigtdurch die Nichteinmischungspolitik<strong>der</strong> französischen und englischenRegierung, siegen. Die Interbrigadistenund viele SpanierInnen mussten nachFrankreich fliehen, wo man sie unterunwürdigen Bedingungen in Internierungslagernfesthielt. Zalel Schwagerwar in den Lagern Saint-Cyprien, Gursund Argèles.Mit Hilfe <strong>der</strong> kommunistischen Organisationkonnte er aus Argèles flüchtenund mit seiner Frau Irma in den vonDeutschen besetzten Teil Frankreichsgelangen. Dort wirkten beide im Rahmen<strong>der</strong> französischen Wi<strong>der</strong>standsbewegunggegen die deutsche Besatzungsmachtund leisteten Aufklärungsarbeit unterden Wehrmachtssoldaten. Nach <strong>der</strong> BefreiungFrankreichs schloss sich ZalelSchwager mit an<strong>der</strong>en Genossen demvon <strong>der</strong> KPÖ organisierten österreichischenFreiheitsbataillon in Jugoslawienan, um den Kampf für ein freies und unabhängigesÖsterreich weiterzuführen.Am 24. April 1945 kam er nach Wienzurück und wurde sofort im Polizeidiensteingesetzt, um am Aufbau einer demokratischenPolizei mitzuwirken. Zunächstwar er <strong>als</strong> Personalchef des PolizeilichenHilfsdienstes für die Kommandantur <strong>der</strong>Stadt Wien tätig, ab Juli <strong>als</strong> provisorischerStellvertreter des Vorstandes desPräsidialbüros und stellvertreten<strong>der</strong> Personalchef<strong>der</strong> BundespolizeidirektionWien, ab November 1945 <strong>als</strong> Personalreferentdes Generalinspektorats <strong>der</strong> Sicherheitswache.Im November 1946 wurdeSchwager zum Polizeimajor ernannt.Als stellvertreten<strong>der</strong> Kommandant <strong>der</strong>„Tag <strong>der</strong> Volkssolidarät“ am 17. Juni 1945 in Wien: Aufmarsch des ÖsterreichischenFreiheitsbataillons vor dem Parlament. 1. Reihe (von l.n.r.): Peter Hofer, LeopoldStancl, 2. Reihe (von l.n.r.): Ernst Wexberg, Zalel Schwager, Dr. Emanuel Edel(Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi<strong>der</strong>standes/Spanienarchiv).Sicherheitswache Innere Stadt hatte erdie Verantwortung für den Ordnungsdienstgroßer Demonstrationen. Es gelangihm dabei immer wie<strong>der</strong>, größereGewaltausbrüche zu verhin<strong>der</strong>n. 1954wurde er zum Polizeioberstleutnant ernannt,1969 ging Schwager in Pension.Im Rahmen <strong>der</strong> KPÖ war er in <strong>der</strong> BezirksleitungLeopoldstadt und von 1963bis 1969 <strong>als</strong> Mitglied <strong>der</strong> Wiener Stadtleitungaktiv. Ferner wirkte er im Vorstand<strong>der</strong> Vereinigung österreichischerFreiwilliger in <strong>der</strong> spanischen Republik1936bis 1939 und <strong>der</strong> Freunde desdemokratischen Spaniens.Mit seinem marxistischen Wissen undseinem wachen, kritischen Geist war er einguter Lehrer für viele junge Menschen.Überall haben ihn seine Kollegen, Freundeund Genossen sehr geschätzt und geachtet.Am 17. November 1984 ist Zalel Schwagergestorben. Nicht nur seine beiden Kin<strong>der</strong>,seine Enkelkin<strong>der</strong> und seine Frau,son<strong>der</strong>n auch viele Menschen verschiedenerWeltanschauung haben um den gutenund integeren Menschen getrauert.2/08


22 RezensionenLisl Rizy/Willi Weinert: Bin ich ein guterSoldat und guter Genosse gewesen?Österreichische Kommunisten im SpanischenBürgerkrieg und danach. Eine Lesebuch.Wien: Wiener Sternverlag <strong>2008</strong>,160 Seiten, 15 EuroDer spanische Kampf gegen den Faschismuswird heutzutage oft <strong>als</strong>„linker Mythos“ diffamiert. Die Rolle<strong>der</strong> Sowjetunion, <strong>der</strong> Anteil kommunistischerKa<strong>der</strong> wird wenn nicht verschwiegen,so doch – selbst in antifaschistischerLiteratur – gering geschätztund denunziert. Dem wi<strong>der</strong>sprechenLisl Rizy und Willi Weinert mit ihrer<strong>als</strong> historisches Lesebuch konzipiertenDokumentation über österreichischeKommunisten und Kommunistinnen inSpanien mit geschichtswissenschaftlicherAkribie, wie die beiden in Wien lebendenehemaligen InterbrigadistenFerdinand Hackl und Gert Hoffmann ineinem Geleitwort bestätigen.Die Herausgeber drucken einleitendmit Bild- und Textkommentar zwei nurmehr schwer zugängliche Arbeiten ehemaligerösterreichischer Spanienkämpferab, von Bruno Furch (1913–2000),Redakteur <strong>der</strong> Wiener Volksstimme zueiner Zeit, <strong>als</strong> diese noch eine marxistischeTageszeitung war, und von MaxStern (1903–1980), nach <strong>der</strong> BefreiungLeiter des KPÖ-Archivs.Die Autoren machen viele ins Vergessenverdrängte Erinnerungen österreichischerKommunisten wie<strong>der</strong> zugänglich,jene von Lisa Gavric, Krankenschwesterauf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> spanischen Republik,die Erinnerung an den aus Egon ErwinKischs Novelle „Die drei Kühe“ bekanntenTiroler Max Bair, die Schil<strong>der</strong>ungenvon Sepp Plieseis, dessen 1946 veröffentlichtesBuch „Vom Ebro zum Dachstein“an Spanien, das KZ Dachau undden Partisanenkampf im Salzkammerguterinnert, o<strong>der</strong> unter vielem an<strong>der</strong>en mehrGedenkartikel von Heinrich Dürmayerwww.klahrgesellschaft.at– Sämtliche Beiträge aus den <strong>Mitteilungen</strong><strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>der</strong>Jahrgänge 1994–<strong>2008</strong>.– Übersicht über aktuelle und bisherigeVeranstaltungen <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>seit 1993.– Beiträge und Bibliographien zur Geschichte<strong>der</strong> Kommunistischen ParteiÖsterreichs.– Publikationen des Verlages <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>.2/08an in Spanien verstorbene Kampfgenossen,erstmalig 1938 veröffentlicht in„Tschapajew. Das Bataillon <strong>der</strong> 21 Nationen,redigiert von <strong>Alfred</strong> Kantorowicz,Reprint 1956“. Das vorliegendeBuch erinnert daran, dass <strong>der</strong> antifaschistischeKampf in Spanien auch eineFortsetzung des österreichischen12. Februar 1934 war. Erkennbar schonam Bataillons-Namen „12. Februar“,o<strong>der</strong> daran, dass die spanischen „Österreichkompanien“nach den 1934 vomkatholischen Austrofaschismus ermordetenSozialisten Georg Weissel, KolomanWallisch, Karl Münichreiter o<strong>der</strong>Josef Gerl benannt waren.Rizy und Weinert bieten aber mehr <strong>als</strong>nur ein „Lesebuch“: Die sehr viel neuesBild- und Quellenmaterial beibringendenLebensläufe österreichischer kommunistischerSpanienkämpfer stellen eine systematischeKollektivbiographie dar, dieden Anteil <strong>der</strong> seit 1933 illegalisiertenKPÖ am Kampf gegen den europäischenFaschismus eindrucksvoll verdeutlicht.PETER GOLLERBezugsmöglichkeit: Wiener Sternverlag,wiener.sternverlag@chello.at<strong>Alfred</strong>o Bauer: Kritische Geschichte <strong>der</strong>Juden. Bd. I und II. Essen: Neue ImpulseVerlag 2005 und 2006, 428 bzw. 199 Seiten,20,40 und 15,40 EuroGesamtdarstellungen sind eine gefährlicheSache: Zu oft lauert <strong>der</strong>Teufel gerade in jenem Detail, dessenKenntnis zwar unerlässlich ist für dieGewinnung einer Globalperspektive,wie sie das Genre verlangt – und dasdennoch nie erschöpfend behandelt, oftm<strong>als</strong>nicht einmal mehr <strong>als</strong> kurz angestreiftwerden kann, um sich nicht in einerFülle an Einzeldaten zu verlieren.Insofern verlangt die Gesamtdarstellungdem Autor Äußerstes ab: profundeKenntnis seiner Quellen, die Fähigkeit,aus schier uneinsehbarer Materialdichtedas Entscheidende herauszuarbeitenund, <strong>als</strong> zusätzlicher Kniff, in ansprechen<strong>der</strong>Form zu vermitteln, ohne beimLeser den Eindruck <strong>der</strong> Besserwissereio<strong>der</strong> Neunmalklugkeit zu erwecken. Alldies ist <strong>Alfred</strong>o Bauer mit seiner „KritischenGeschichte <strong>der</strong> Juden“ gelungen,die nach ihrem erstmaligen Erscheinenauf Spanisch 1971 nun auch – von ihmselbst übersetzt – vollständig in deutscherSprache vorliegt.Die Beifügung des Attributs „kritisch“ist keine bloß kontingente: Bauers Werkist nicht einfach eine weitere, mehr o<strong>der</strong>weniger vollständige Darstellung <strong>der</strong>Geschichte <strong>der</strong> jüdischen Gemeinschaften,wie sie mittlerweile schon ganze Bibliothekenfüllen. Der Autor intendiertvom Grundsatz her etwas gänzlich an<strong>der</strong>es:Wie zuvor schon dem von den Nazisermordeten belgischen Marxisten AbrahamLeón, jedoch auf viel breiterer Basis,geht es ihm um nichts weniger <strong>als</strong>die Klärung <strong>der</strong> Frage, wie es dazu kommenkonnte, dass die Juden im Gegensatzzu an<strong>der</strong>en gesellschaftlichen Gruppenin <strong>der</strong> europäischen Geschichte oftm<strong>als</strong>eine beson<strong>der</strong>e Rolle einnahmenund, ideologisch wie sozial abgeson<strong>der</strong>t,bis weit in die neueste Historie hineinmit dem Stigma des Fremden und An<strong>der</strong>sartigenbelegt wurden. Die Geschichte<strong>der</strong> Juden kann damit nicht fürsich behandelt werden, son<strong>der</strong>n wird inden Kontext <strong>der</strong> generellen Entwicklung<strong>der</strong> europäischen <strong>Gesellschaft</strong>en eingefügtund zu dieser Entwicklung in Beziehunggesetzt – insofern dient Bauers„Kritische Geschichte“ damit zur Abzugsfoliefür eine kritische GeschichteEuropas insgesamt.Für diese, ihrer Ambition nach kaumzu überschätzende Unternehmung holter weit aus: Der gesamte erste Band, einKonvolut von über 400 Seiten, beschäftigtsich mit den Anfängen des Judentumsin Europa, verfolgt die Entwicklung<strong>der</strong> jüdischen Gemeinschaften imFrüh- und Spätmittelalter und erklärt ihrebeson<strong>der</strong>e soziale wie wirtschaftlicheStellung im Hochfeudalismus bis hin zuihrer Rolle in <strong>der</strong> bürgerlichen Revolution.Dieser erste Band kann daher <strong>als</strong>eine Art Grundlegung für die brennendenFragenkomplexe angesehen werden,<strong>der</strong>er sich <strong>der</strong> zweite annimmt unddie auch heute noch zu den meistdiskutiertenThemen in <strong>der</strong> historiographischenbzw. allgemeinen öffentlichenDiskussion nach 1945 zählen: mo<strong>der</strong>nerAntisemitismus, Zionismus, Arbeiterbewegungund Judentum, <strong>der</strong> Charakterdes deutschen Faschismus und dementsprechend<strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> so genannten„Endlösung <strong>der</strong> Judenfrage“, nichtzuletzt auch die historische Verortung<strong>der</strong> jüdischen und alliierten Politik imNahen Osten, die vor 60 Jahren in dieGründung eines eigenständigen israelischenStaates und schon bald darauf indie systematische Vertreibung <strong>der</strong> palästinensischenBevölkerung einmündete.Bauers Geschichte <strong>der</strong> Juden ist jedochhierin – und dies ist wahrscheinlich ihrgrößtes Verdienst – nicht nur eine Geschichte<strong>der</strong> Exklusion, son<strong>der</strong>n auch je-


Rezensionen/Bericht 23sellschaften gewissermaßen von Anbeginnan inhärent (S. 47f.). Mit den weitläufigenKonsequenzen, zum einen eineobjektive Analyse des Holocausts mitdem Hinweis auf die beson<strong>der</strong>e „genetische“Belastung <strong>der</strong> Deutschen – imKontext einer generellen Vorbelastung<strong>der</strong> europäischen <strong>Gesellschaft</strong>en – zuverunmöglichen, an<strong>der</strong>erseits die zionistischeDoktrin zu antizipieren, bei denJuden würde es sich um einen von Grundeauf an<strong>der</strong>sartigen Menschenschlaghandeln, <strong>der</strong> immer Verfolgungen ausgesetztsein würde, solange er seinSchicksal in Form <strong>der</strong> Erschaffung einereigenständigen jüdischen Territori<strong>als</strong>taatesnicht selbst in die Hand nähme(S. 49f.). Die Identifikation des StaatesIsrael mit <strong>der</strong> jüdischen Nation an sich,die Berufung und Bindung des israelischenStaates (etwa in <strong>der</strong> israelischenEinwan<strong>der</strong>ungsgesetzgebung) an einehistorische Kontinuität des Nationalen,die sich allein an Talmudschen Kriterienorientiert (S. 164), hat eben nichts mit<strong>der</strong> Idee gemein, „in einer im höchstenGrade komplizierten und beinahe auswegslosenLage den zahlreichen entwurzeltenJuden (auch) in Palästina eineHeimstätte zu geben“ (S. 76).Es sind differenzierte Sichtweisen wiediese, die, weit entfernt von je<strong>der</strong> Apodiktizitätin ihrer Urteilsbildung, dieLektüre dieser beiden Bände zu einemGewinn machen. <strong>Alfred</strong>o Bauer beweistmit didaktischer Umsicht und <strong>der</strong> stilistischenSattelfestigkeit des Romanciers,dass <strong>der</strong> historische Materialismus mehrist <strong>als</strong> das, was ihm die bürgerliche Geschichtsschreibungim Bewusstsein ihrervorgeblichen Überlegenheit schelmenhaftandichten will: die eklektische Ritualisierungbestimmter Marx-Sätze zu einerkanonisierten Geschichtsdoktrin.MARTIN KRENNLesung <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong><strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>mit <strong>Alfred</strong>o BauerEs sei tragisch, schrieb KonstantinKaiser einmal, „dass sich die österreichischeExilliteratur, die Autorinnenund Autoren, die aus dem zur Ostmarkgewordenen Österreich vertrieben wurden,nach 1945 aus den verschiedenstenWeltteilen auf eine gemeinsame Mittebezogen, die jedoch leer blieb“. Mit dieserMitte ist Österreich gemeint, das sichnach 1945 von offizieller Seite nur wenigum die Würdigung jener kümmerte,die im Exil das Bild eines Österreichsne <strong>der</strong> Inklusion, <strong>der</strong> gelingenden undgelungenen Integration <strong>der</strong> Juden in dieeuropäischen <strong>Gesellschaft</strong>en. Mit <strong>der</strong>analytischen Schärfe des Marxisten, <strong>der</strong>sein Handwerk, im angezeigten Fall denhistorischen Materialismus, beherrscht,erschafft <strong>der</strong> Autor ein Deutungsszenario,wann und unter welchen gesellschaftspolitischenund ökonomischenBedingungen die Integration <strong>der</strong> Judenvollzogen werden konnte – und unterwelchen sie scheiterte und in Vertreibung,Verfolgung, im äußersten Fall indie Vernichtung <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerungumschlug. Dieser Wi<strong>der</strong>streit, seinehistorische Verortung in <strong>der</strong> europäischenGeschichte und die materialistischeExplikation ziehen sich <strong>als</strong> Grundmotiv<strong>der</strong> „Kritischen Geschichte“ durchden gesamten Korpus ihrer beiden Bände.„Wo immer“, so Bauer, „ihre Integration[diejenige <strong>der</strong> Juden, M.K.] ins Bürgertumabgeschlossen war, bildeten siekeine beson<strong>der</strong>e Gemeinschaft mehr“(Bd. II, S. 7), wo immer sich <strong>der</strong> Prozess<strong>der</strong> kapitalistischen Umwälzung „kraftvoll“vollzog, d.h. von einer politisch-sozialenBewegung getragen wurde, wurdees möglich, „die Juden mit ihrem Kapitalund ihrer kommerziellen Erfahrung indie <strong>Gesellschaft</strong> einzubeziehen und siedabei auch ideologisch zu assimilieren“(S. 11) und „konnte <strong>der</strong> Antisemitismusin seiner mo<strong>der</strong>nen Form nicht aufkommen,da die Juden <strong>als</strong> sozial und kulturellabgeson<strong>der</strong>te Gemeinschaft nicht mehrexistierten“ (S. 11). Deutschland <strong>als</strong> Paradigmaeiner „verspäteten“ kapitalistischenNation bildete im Verbund mit <strong>der</strong>grundlegenden Disposition, wonach„fast ein halbes Jahrtausend […] für dasdeutsche Volk voller versäumter historischerGelegenheiten“ war, den optimalenNährboden für die Ideologie des mo<strong>der</strong>nen,massentauglichen Antisemitismus,<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Systemkrise <strong>der</strong> 1930er Jahreweiten Teilen des deklassierten Kleinbürgertumsdazu verhalf, in <strong>der</strong> sogenanntenRassenfrage die kausale Ursache<strong>der</strong> sozialen und wirtschaftlichenKonflikte zu sehen und dem imperialistischenGroßmachtsanspruch des deutschenKapit<strong>als</strong> <strong>als</strong> sozialpolitisches Domestizierungswerkzeugzu dienen(S. 12f, S. 112ff.).Mit argumentativer Strenge stemmtsich <strong>der</strong> Autor daher gegen all jene idealisierendenVersuche, von den konkretenhistorischen Bedingungen zu abstrahierenund eine Logik des Ausschlusseszu propagieren, die in <strong>der</strong> Auffassungmündet, <strong>der</strong> Antisemitismus wäre etwasNatürliches und den europäischen Geabseitsdes Geschreis vom Heldenplatzhoch hielten. <strong>Alfred</strong>o Bauer, 1938 vonden Nazis nach Argentinien vertriebenund eine Zentralfigur <strong>der</strong> österreichischenExilliteratur, hat dennoch niem<strong>als</strong>einen Zweifel an seiner Verbindung zudiesem an<strong>der</strong>en Österreich gelassen,dem Österreich des großen Jännerstreiks,<strong>der</strong> Räterepublik von 1918, dem Österreichdes Kampfes gegen die austro- undspäter hitlerfaschistische Diktatur. AlsArzt, <strong>als</strong> Schriftsteller, <strong>als</strong> Übersetzerdeutscher Klassiker ins Spanische undargentinischer Klassiker ins Deutsche,<strong>als</strong> <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> Jura Soyfer auf demsüdamerikanischen Kontinent zu einemZeitpunkt bekannt gemacht hat, da dieserhierzulande nur noch einem eingeweihtenPersonenkreis ein Begriff war – undnicht zuletzt in den Reihen <strong>der</strong> KommunistischenPartei Argentiniens (seit1946) führt <strong>Alfred</strong>o Bauer <strong>als</strong> (im bestenSinne des Wortes) unermüdlicher Propagandist<strong>der</strong> Sache des Humanismus unddes Friedens den Kampf um eine gerechte,eine sozialistischen <strong>Gesellschaft</strong>sordnung.<strong>Alfred</strong>o Bauer, das darf behauptetwerden, ist ein Großer: <strong>als</strong> Mensch, <strong>als</strong>Schriftsteller, <strong>als</strong> Genosse.Die ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTdurfte sich glücklich schätzen, am8. Mai den auf einer Besuchsreise inWien weilenden <strong>Alfred</strong>o Bauer im Rahmeneiner gemeinsamen Veranstaltungmit dem Kommunistischen StudentInnenverband(KSV) und <strong>der</strong> KommunistischenJugend (KJÖ) zu einer Lesungausgewählter, großteils noch unveröffentlichterSonette sowie von Passagenaus seinem José-Hernandez-Roman zubegrüßen. Einführende Worte sprachUniv.-Prof. Dr. Hans Hautmann.M.K.2/08


24 Ankündigungen<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Verein zur Erforschung <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> ArbeiterbewegungKonferenz90 Jahre Republik – 90 Jahre KPÖFreitag, 7. November <strong>2008</strong>, 19.00, GrazPodiumsdiskussion„Wege zum Fortschritt – dam<strong>als</strong> und heute“(Ort und TeilnehmerInnen werden noch bekanntgegeben)SymposiumSamstag, 8.11.<strong>2008</strong>, 10.00–18.00KPÖ-Bildungszentrum im VolkshausGraz, Lagergasse 98a, GrazSamstag, 15.11.<strong>2008</strong>, 10.00–18.00ehemalige Kapelle im Alten AKH,Spitalgasse 2–4/Hof 2, 1090 WienUniv.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut für Neuere und Zeitgeschichte <strong>der</strong>Universität Linz): Die KPÖ in <strong>der</strong> österreichischen Revolution 1918/19Dr. Winfried R. Garscha (Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi<strong>der</strong>standes,Forschungsstelle Nachkriegsjustiz): Grundlinien <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong>KPÖ in <strong>der</strong> Ersten Republik und im antifaschistischen Wi<strong>der</strong>standMag. Manfred Mugrauer (<strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong>):Die Politik <strong>der</strong> KPÖ 1945–1955Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Institut für Neuere und Zeitgeschichte <strong>der</strong>Universität Linz): Die KPÖ in den 1960er bis 1990er JahrenUniv.-Prof. Dr. Gerhard Oberkofler (Universität Innsbruck):Wissenschaft und Kommunistische Partei in ÖsterreichErnest Kaltenegger (KPÖ Steiermark):Die KPÖ Steiermark – kommunistische Politik heuteBildungsverein <strong>der</strong> KPÖ SteiermarkLagergasse 98a, 8020 Grazhttp://bildungsverein.kpoe-steiermark.at<strong>Mitteilungen</strong> <strong>der</strong> ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTHerausgeber und Medieninhaber:ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTPräsident: Dr. Walther LeebMitarbeiter dieser Ausgabe: Peter Goller, HansHautmann, Martin Krenn, Manfred Mugrauer,Gerhard OberkoflerGrafik: Manfred MugrauerAdresse: Drechslergasse 42, 1140 WienTel.: (+43–1) 982 10 86FAX: (+43–1) 982 10 86 DW 18e–mail: klahr.gesellschaft@aon.atInternet: www.klahrgesellschaft.atVertragsnummer: GZ 02 Z 030346 SP.b.b., Verlagspostamt 1140 WienNeuerscheinungPeter Goller: Otto Bauer – MaxAdler. Beiträge zur Geschichte desAustromarxismus (1904–1938).Wien: Verlag <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong><strong>2008</strong> (Quellen & Studien, Son<strong>der</strong>band9), 164 S., 10.– Euroklahr.gesellschaft@aon.atThomas Schönfeld(1923–<strong>2008</strong>)Die <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong> trauertum das Mitglied ihres Vorstandes,Univ.-Prof. Dr. Thomas Schönfeld(27. Juni 1923 – 22. Mai <strong>2008</strong>).NeuerscheinungÖsterreich auf dem Weg in Militärbündnisse?Die Militarisierung <strong>der</strong>Europäischen Union und die österreichischeNeutralitätWien: Verlag <strong>der</strong> <strong>Alfred</strong> <strong>Klahr</strong> <strong>Gesellschaft</strong><strong>2008</strong>, 88 S., 5.– EuroMit Beiträgen von Heinz Gärtner, Erwin Lanc, Boris Lechthaler, Franz Leidenmühler,Ulrike Koushan/Elke Renner, Gerald Oberansmayr, Andreas Pechaund Manfred Sauer.Der vorliegende Sammelband umfasst die Referate einer von <strong>der</strong> ALFRED KLAHR GE-SELLSCHAFT gemeinsam mit dem Bildungsverein <strong>der</strong> KPÖ Steiermark im Herbst 2007durchgeführten Konferenz, die die Entwicklung <strong>der</strong> Europäischen Union zu einem Militärpaktund <strong>der</strong>en Vereinbarkeit mit <strong>der</strong> österreichischen Neutralität analysierte.Bezugsmöglichkeit: klahr.gesellschaft@aon.atDas ganze Leben hindurch – bis zuseinem letzten Atemzug – stand fürihn das wissenschaftliche Denkenim Vor<strong>der</strong>grund seiner Interessen,in <strong>der</strong> Chemie, im Kampf um denFrieden in <strong>der</strong> Welt, für vernünftigeLösungen zum Wohle <strong>der</strong> Menschenund für ein freies, unabhängiges,neutrales Österreich. Er ist dasVorbild eines Kommunisten.2/08

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!