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Peter Goller: Walter Benjamins Studium der Geschichte des ...

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Beiträge 15<strong>Walter</strong> <strong>Benjamins</strong> <strong>Studium</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Sozialismusund <strong>der</strong> Arbeiterbewegung (1933–1940)*<strong>Peter</strong> <strong>Goller</strong>Für ein nicht realisiertes Vorhabenzur Kritik <strong>der</strong> sozialistischen Kulturpolitikin Deutschland vor 1914studierte <strong>Walter</strong> Benjamin seit seinemersten Aufenthalt bei Bertolt Brecht imdänischen Exil im Sommer 1934 anHand <strong>des</strong> 1883 gegründeten TheorieorgansDie Neue Zeit die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong>europäischen Arbeiterbewegung. (WB-Briefe IV, 483f.) 1Benjamin begann in den ersten Jahrennach <strong>der</strong> Flucht aus NS-Deutschland1933 mit <strong>der</strong> Lektüre von Franz Mehrings„<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Sozialdemokratie“(1897/98). Er liest Lorenz von Steins„Socialismus und Communismus <strong>des</strong>heutigen Frankreichs“ (1848). Benjaminbittet im Juni 1936 Max Horkheimer,dieser möge die knapp nach 1900 in NewYork erschienenen Memoiren <strong>des</strong> sozialradikalen„Anarchisten“ Johann Mostund <strong>des</strong>sen „Revolutionäre Kriegswissenschaft.Ein Handbuch zur Anleitungbetreffend Gebrauches und Herstellungvon Nitro-Glycerin, Dynamit, Schiess -baumwolle, Knallquecksilber, Bomben,Brandsätzen, Giften usw. usw.“ senden.(WB-Briefe V, 302)Benjamin ist – wie „Passagen“-Exzerptezeigen – auch von Robert Michelsbeeinflusst, <strong>der</strong> die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Arbeiterbewegungschon vor seiner Hinwendungzum Faschismus in „massenpsychologisch“lebensphilosophischenKategorien von Vitalität, Dekadenz,Charisma, Weltflucht etc. deutete, und<strong>der</strong> <strong>der</strong>en notwendiges Versinken in reformistischerÖde für natürlich Schicksalgegeben hielt. So zitiert Benjaminaus Michels’ „Psychologie <strong>der</strong> antikapitalistischenMassenbewegungen“ (in:Grundriss <strong>der</strong> Sozialökonomik IX/1, Tübingen1926): „Die Geschichtslosigkeit<strong>des</strong> mo<strong>der</strong>nen Proletariats, das Losgelöstsein<strong>der</strong> ersten Fabrikarbeitergenerationvon je<strong>der</strong> historischen BerufsundKlassentradition und die Buntheitihrer Herkunft aus dem kleinen Handwerk,dem Kleinbauerntum, <strong>der</strong> ländlichenArbeiterschaft und allerhand hausarbeiterlichenExistenzen machte dieseKategorie Wirtschaftsmenschen aufnahmefähigfür eine Weltanschauung, dieex novo einen neuen Staat, eine neueWirtschaft, eine neue Moral improvisierensollte.“ (Pass 772)1. „<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> französischenArbeiter-Associationen“(S. Englän<strong>der</strong>)Für die Studien über die „sozialen Bewegungen“nützte Benjamin das Werkeines Flüchtlings <strong>der</strong> Wiener Revolutionvon 1848, von Sigmund Englän<strong>der</strong>(1820–1902). Er berichtet am 9. März1934 Adorno über die Arbeit in <strong>der</strong> PariserNationalbibliothek: „Eine meiner interessantestenEntdeckungen ist merkwürdigerweiseein deutsches Buch, demauch Sie vielleicht noch nicht begegnetsind, das Ihnen aber auf einer dortigenBibliothek erreichbar sein dürfte: dievierbändige <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> französischenArbeiterassociationen von Englän<strong>der</strong>[Hamburg 1864].“ (WB-Briefe IV,366) Sigmund Englän<strong>der</strong>, <strong>der</strong> in PariserExiljahren Kontakt zu Heinrich Heinehatte, <strong>der</strong> den Standpunkt <strong>der</strong> sozialenDemokratie einnahm, <strong>der</strong> sich an Proudhons„Mutualismus“ und Antistaatlichkeit,an <strong>des</strong>sen Volksbank- und Kreditexperimentenorientierte, solidarisiertesich mit dem kämpfenden und schluss -endlich unterdrückten Pariser Proletariat<strong>der</strong> Juni-Insurrektion.Benjamin übernimmt für das „Passagen-Werk“u.v.a.m. Englän<strong>der</strong>s Beobachtungenzur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> utopischenSozialismus, zu Fouriers „Weiberwirtschaft“,zu seiner Utopie eisfreier Pole,von sibirischen Orangenbäumen, seinemLob <strong>der</strong> Prostitution, seinem Plan einerreinen Kin<strong>der</strong>-Phalanstère (Pass 764–768), von Cabets rigiden Kultur- undMoralvorstellungen, etwa von den ausIkarien verbannten Goldschmieden. <strong>Benjamins</strong>chil<strong>der</strong>t mit Englän<strong>der</strong> die Stärkenund Schwächen Cabet’scher Verschwörungsorganisationen,die von Polizeispitzelnunterwan<strong>der</strong>t sind, die aberauch in <strong>der</strong> Revolution heldenhaft aufden Barrikaden kämpfen. (Pass 120, 747)Mit Englän<strong>der</strong> beschreibt Benjamindie revolutionären Wandanschläge undFackelprozessionen, die im Frühjahr1848 das Pariser Bürgertum erschrecken,– die Angst <strong>der</strong> Bourgeois vor Arbeitervereinigungen,selbst vor den bie<strong>der</strong>sten,die sich in allem anpassen, in <strong>der</strong> Losung„Freiheit, Gleichheit, Brü<strong>der</strong>lichkeit“, in<strong>der</strong> Ausstattung ihrer Verkaufsläden:„Die Arbeiter-Associationen ihrerseitsmachten alle möglichen Anstrengungen,um die Bourgeoisie zu versöhnen undhofften, von ihr Unterstützung zu finden.“Mit einem Auszug aus Englän<strong>der</strong>schil<strong>der</strong>t Benjamin wie die Pariser Arbeiterschon 1839 „Register <strong>des</strong> Unglücks“angelegt haben, in die sich Hungerndeeintragen konnten, um die vonEugène Sue in den „Geheimnissen vonParis“ beschriebene bourgeoiseMildtätigkeit auszulösen.Mit Englän<strong>der</strong> richtet Benjamin aberauch den Blick auf den Abgrund tief pathologischenHass <strong>des</strong> Bürgertums aufdie geschlagenen Juni-Insurgenten, die inSteinbrüchen versklavt und in unterirdischenGängen zusammengepfercht wurden.Es genügte eine Armuts-Visage, den„Anschein <strong>der</strong> Armuth“ zu haben, um alsJuni-Verbrecher, „une figure d’insurgè“verhaftet, gequält, etc. zu werden. (Pass142, 240, 702f., 711, 746, 855–858) 22. <strong>Studium</strong> <strong>der</strong> „Neuen Zeit“(P. Lafargue, G. Plechanow, u.a.)Die rund vierzig Jahrgänge <strong>der</strong> ab 1883erscheinenden Neuen Zeit boten Benjaminein umfassen<strong>des</strong> Bild zur <strong>Geschichte</strong><strong>des</strong> utopischen Sozialismus, <strong>der</strong> PariserKommune, <strong>der</strong> Klassenkämpfe in Frankreich,<strong>der</strong> sozialistischen Theorie während<strong>des</strong> Sozialistenverbots und <strong>des</strong> Revisionismusstreits.Für seine Arbeiten über Parisals Hauptstadt <strong>des</strong> 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts,über Eduard Fuchs (WBGS II/2, 465–505), über Charles Baudelaire (WBGS I/2,509–653) und auch für die so genanntengeschichtsphilosophischen Thesen(WBGS I/2, 691–704) exzerpierte er laufenddie in <strong>der</strong> Neuen Zeit veröffentlichtenBeiträge von Paul Lafargue, GeorgPlechanow o<strong>der</strong> von Franz Mehring.Lafargues 1893/94 veröffentlichte Artikelreiheüber den Klassenkampf inFrankreich bot Benjamin Anschauungsmaterialzu Fourier, zu den Saint Simonistenals „einer Heilsarmee in <strong>der</strong> Bourgeoisie“,die den Klassenkampf ignorieren,sich als „son<strong>der</strong>bare Heilige undSchwarmgeister“ erweisen, etwa als Sektierer,die sich die Jacken am Rücken zuknöpfen,wozu es notwendigerweise einesGenossen bedarf. Lafargue billigtFourier zu, als ein Erster die Idealisierung<strong>des</strong> Kleinbürgertums verspottet zuhaben. Bei aller Anerkennung <strong>der</strong> utopi-1/12


16 Beiträgeschen Sozialisten galten sie Lafargueaber doch auch als befangen in ihrerKlassenherkunft, in den Klassengrenzeneiner deklassiert verelendeten Bourgeoisie.(Pass 713, 734, 769–772) 3Dazu studierte Benjamin auch GeorgPlechanows „Über die Anfänge <strong>der</strong> Lehrevom Klassenkampf“ (1903), wonachdie sozialistischen Utopisten als ignoranteLeugner <strong>des</strong> Klassenkampfgedankens„einen großen Rückschritt“ selbst hinterdie Ideologen <strong>des</strong> revolutionären Bürgertumsdarstellen. Dasselbe Motiv fand erauch in einer Arbeit „über die historischeStellung St.-Simons“, die <strong>der</strong> sowjetischeHistoriker Viacheslav PetrovichVolgin 1928 im ersten Band <strong>des</strong> Moskauer„Marx-Engels-Archivs“ veröffentlichthatte, – keine Rede von Ausbeutungbei Saint Simon, „keine Redevon Aufhebung <strong>des</strong> Privateigentums,von Expropriation.“ Zu Saint SimonsVerständnis von Klassenkampf, dasnichts mit dem Antagonismus von Bürgertumund Arbeiterklasse zu tun hatte,son<strong>der</strong>n sich abstrakt in einem Wi<strong>der</strong>spruchvon Arbeitenden und parasitärenRentnern erschöpfte, wollte Benjaminauch einen Aufsatz <strong>des</strong> „Austromarxisten“Max Adler lesen. Adler hatte 1911im Kampf, <strong>der</strong> Theoriezeitschrift <strong>der</strong>österreichischen Sozialdemokratie, einenBeitrag zum 150. Geburtstag Saint Simonsveröffentlicht. (Pass 713f., 719)Mit Lafargues <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> französischenKlassenkämpfe beschrieb <strong>Benjamins</strong>owohl die sozialrevolutionäre Linie(um Auguste Blanqui) als auch die diversensozialharmonischen Richtungen (etwaLouis Blanc Illusion von den „Nationalwerkstätten“),die den ArbeiternFriedlichkeit predigten, – so Proudhon,„einer <strong>der</strong> Väter <strong>der</strong> Anarchie und in unserenTagen zu einer Autorität <strong>der</strong> offiziellenNationalökonomie avancirt“: Er„skandalisirte zuerst die gutgesinntenBourgeois weidlich, indem er das WortBrissots wie<strong>der</strong>holte: ‚Das Eigenthum istDiebstahl.‘ Darauf hatte er jedoch die genialeIdee, die Arbeiter zum Striken aufzufor<strong>der</strong>n,nicht etwa um ihre Löhne indie Höhe zu treiben, son<strong>der</strong>n – um sieherabzusetzen.“ Und zwar im Sinn <strong>der</strong>„großartigen Logik“ <strong>der</strong> bürgerlichenVulgärökonomie, wonach mit sinkendenLöhnen die Preise <strong>der</strong> Alltags-Konsumgüterum ein mehrfaches billiger würden.Mit Lafargues „Christlicher Liebes -tätigkeit“, 1904/05 in <strong>der</strong> Neuen Zeit publiziert,verfolgt Benjamin die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit<strong>der</strong> Großen FranzösischenRevolution, die die Frage <strong>der</strong> Armut übergehenwill. Die Armen werden zusam-1/123. Franz Mehring über die PariserKommune und das „KommunistischeManifest“Im Mai 1935 hat Benjamin AlfredCohn berichtet, dass er eine „vorbildlicheAusstellung von Bil<strong>der</strong>n und Dokumentenzur Pariser Kommune“ besuchtund „aus <strong>der</strong>en <strong>Studium</strong> viel gelernt“ hat.Die Ausstellung war von einer PariserSektion <strong>der</strong> kommunistischen Partei ormengepfercht,bewacht und bedroht vonTruppen, die selbst zu den Bastille-Angreifernim Namen von Freiheit, Gleichheit,Brü<strong>der</strong>lichkeit gezählt hatten: Dienach dem 14. Juli 1789 gewählte Stadtverwaltungpferchte die plebejischenMassen – an die 18.000 Menschen – „wiewilde Tiere auf dem Hügel Montmartreein; die Stürmer <strong>der</strong> Bastille bewachtendort die Arbeiter mit Kanonen, die brennendenLunten in <strong>der</strong> Hand […] Hätte <strong>der</strong>Krieg nicht die arbeits- und mittellosenStadtarbeiter und Bauern [...] dem Heerezugeführt und an die Grenzen geworfen,so würde in ganz Frankreich […] eineVolkserhebung stattgefunden haben.“Lafargues <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> christlichenKaritas führt Benjamin auch auf die Spurvon bürgerlicher Arbeitsdisziplinierungund von kapitalistischer Rationalisierungzwecks Profit-Maximierung: „Der Protestantismus[…] schaffte im Himmel dieHeiligen ab, damit man auf Erden ihreFesttage beseitigen konnte. Die Revolutionvon 1789 verstand ihre Sache nochbesser. Die reformierte Religion hatteden Sonntag beibehalten; die revolutionärenBourgeois fanden, ein Ruhetagauf sieben Tage sei zuviel, und setztendaher an Stelle <strong>der</strong> siebentägigen Wochedie zehntägige Dekade.“ Die bürgerlicheWohltäterei sollte die Senkung <strong>der</strong> Löhnetarnen, indem im Weg über min<strong>der</strong>wertigeBeigaben die Arbeiterernährungdurch „philanthropische Suppen“ verbilligtwird. (Pass 868, 877f., 941) 4Für <strong>Benjamins</strong> <strong>Studium</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong><strong>der</strong> französischen Klassenkämpfe relevantwaren ferner Neue Zeit-Beiträge, wiejener von Fritz Schulte über Honoré Daumiero<strong>der</strong> Hermann Wendels Beitrag überden kleinbürgerlich radikalen Schriftsteller,Rebellen und Pariser KommunardenJules Vallès, sowie Franz Die<strong>der</strong>ichs Essaysüber Victor Hugo bzw. über EmileZola „als Utopist“: Zola, <strong>der</strong> von sich erklärthatte, „eher Anarchist als Sozialist“zu sein, hat in seiner allenfalls ethischenHinneigung zum utopischen Sozialismusund zur Arbeiterbewegung versucht, diegenossenschaftlichen Anschauungen Fouriers,die auf die „embryonalen Verhältnisse<strong>der</strong> kapitalistischen Produktiongemünzt sind“, auf die „mo<strong>der</strong>ne, ins Riesenhaftegewachsene Form dieser Produktion“zu übertragen. Ob BenjaminPaul Lafargues 1888 in <strong>der</strong> Neuen Zeitveröffentlichte, bekannte Artikelreihe„über die Legende von Victor Hugo“benützt hat, ist unklar. (Pass 224, 773) 5Paul Lafargues 1906 in <strong>der</strong> Neuen Zeitunter dem Titel „Ursache <strong>des</strong> Gottesglaubens“angestellte Überlegungen über dieZusammenhänge zwischen Börse, Spiel,Mystik und „unerforschlicher“ Irrationalitätfinden sich hingegen unmittelbar in<strong>Benjamins</strong> „Passagen“-Plan: Das ParisNapoleon III. und Haussmanns „erlebt eineHochblüte <strong>der</strong> Spekulation. Das Börsenspieldrängt die aus <strong>der</strong> feudalen Gesellschaftüberkommenen Formen <strong>des</strong>Hasardspiels zurück. [...] Lafargue erklärtdas Spiel als eine Nachbildung <strong>der</strong> Mysterien<strong>der</strong> Konjunktur im kleinen. DieExpropriationen durch Haussmann rufeneine betrügerische Spekulation ins Leben.“Lafargue hatte den Kapitalismusmit einem „riesigen internationalenSpielhaus“ verglichen, „wo die BourgeoisKapitalien gewinnen und verlieren infolgevon Ereignissen, die ihnen unbekanntbleiben“, und die nicht vorauszusehenund nicht zu berechnen sind, und dievom Glücke, vom Zufall abzuhängenscheinen. „Das ‚Unerforschliche‘ throntin <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft wie ineiner Spielhölle.“ Der einzelne Kapitalist,<strong>der</strong> sein Vermögen dem Börsenspiel zuzuschreibenhat, reagiert wie <strong>der</strong> Spieler,<strong>der</strong> seine Gewinne und Verluste nur demGlück o<strong>der</strong> Pech zuschreiben kann. Er istein „höchst abergläubisches Wesen. DieHabitués <strong>der</strong> Spielhöllen haben immermagische Formeln, um das Schicksal zubeschwören; <strong>der</strong> eine murmelt ein Gebetzum heiligen Antonius von Padua o<strong>der</strong> irgendeinem an<strong>der</strong>en Geiste im Himmel,ein an<strong>der</strong>er setzt nur, wenn eine bestimmteFarbe gewonnen hat, ein dritter hältmit <strong>der</strong> linken Hand eine Hasenpfote festusw. Das Unerforschliche sozialer Artumhüllt den Bourgeois, wie das Unerforschliche<strong>der</strong> Natur den Wilden“ umgebenhatte. (Pass 56f., 621) 6Mit Georg Plechanows Beiträgen zurNeuen Zeit zeichnete Benjamin die anarchischwi<strong>der</strong>sprüchliche, zerstörerischeExplosion <strong>der</strong> bürgerlichen Produktivkräfte– sichtbar in den Trugbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong>Weltausstellungen – und die Ausgrenzung<strong>der</strong> Arbeiterklasse als „populationextérieure“, wie dies schon ein Guizotvor 1848 angedacht, ein Haussmann dannunter dem bonapartischen Regime umgesetzthat, nach. (Pass 202, 244, 741) 7


Beiträge 17ganisiert worden, wie Benjamin auch inden „Passagen“-Konvoluten festhält.(WB-Briefe V, 104–107, Pass 951f.)Neben den Beiträgen von Marx undEngels zum „Bürgerkrieg in Frankreich“1870/71 nützte Benjamin Franz MehringsGedenkartikel in Erinnerung an die Kommune– 1896, also fünfundzwanzig Jahrenach <strong>der</strong>en Proklamation und Nie<strong>der</strong>lagein <strong>der</strong> Neuen Zeit veröffentlicht. MitMehring kommt er zur Einschätzung,dass die Kommune, die „sich durchausals Erbin von 1793“ fühlte, die Illusion,in <strong>der</strong> Linie <strong>der</strong> bürgerlichen Revolutionenseit 1789 zu stehen, ja diese zu vollenden,noch nicht überwunden hatte. Erstmit <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Kommune ist <strong>der</strong>Mythos <strong>der</strong> bürgerlichen Revolution mitseiner Verklärung von Helden- und Märtyrertumgefallen. Alle Selbsttäuschungenvon Konspiration und isoliertem Verschwörertum,vom heroischen Barrikadenkampfsind nach <strong>der</strong> blutigen Liquidierung<strong>der</strong> Kommune, <strong>der</strong> „die feste Organisation<strong>des</strong> Proletariats als Klasse“ gefehlthatte, zusammengebrochen. So wiean das „Manifest <strong>der</strong> KommunistischenPartei“ sind an die Kommune wichtigeLehren für die Strategie <strong>des</strong> Proletariatsgeknüpft, nämlich die Einsicht in dieNotwendigkeit <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung(<strong>des</strong> Kapitalismus), die Einsicht,dass die Arbeiterklasse erst massenhaftfest organisiert sein muss. Dementsprechendexzerpierte Benjamin fürdas „Passagen“-Projekt folgenden Absatzaus Mehrings Erinnerung an die PariserKommune vollständig: „Mit dem Falle<strong>der</strong> Kommune sind auch die letzten Überlieferungen<strong>der</strong> alten revolutionären Legendefür immer gefallen; keine Gunst<strong>der</strong> Umstände, kein Heldenmuth, keinMärtyrerthum kann die klare Einsicht <strong>des</strong>Proletariats in den Gang <strong>der</strong> historischenEntwicklung, in die unerlässlichen Bedingungenseiner Emanzipation ersetzen.Was für Revolutionen gilt, die von Minoritätenund im Interesse von Minoritätendurchgeführt werden, das gilt eben <strong>des</strong>halbnicht von <strong>der</strong> proletarischen Revolution,die, sobald ihre historischen Voraussetzungengegeben sind, von <strong>der</strong> großenMehrheit und im Interesse <strong>der</strong> großenMehrheit gemacht wird. In <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong><strong>der</strong> Kommune werden die Keime dieserRevolution noch überwuchert von denSchlingpflanzen, die aus <strong>der</strong> bürgerlichenRevolution <strong>des</strong> achtzehnten Jahrhun<strong>der</strong>tsin die revolutionäre Arbeiterbewegung<strong>des</strong> neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts hinübergewuchertwaren. In <strong>der</strong> Kommune fehltedie feste Organisation <strong>des</strong> Proletariats alsKlasse und die prinzipielle Klarheit überseinen weltgeschichtlichenBeruf; hieranmusste sie unterliegen,und hieran wäresie auch dann unterlegen,wenn die Gunst<strong>der</strong> äußeren Umständedurchweg auf ihrerSeite gewesen wäre.“(Pass 949f.) 8Die SichtweiseFranz Mehrings floss1935/36 auch in <strong>Benjamins</strong>„Passagen“-Exposé ein, ergänztum die Einsicht, dasssich das Proletariatoft sozialpazifistischenTäuschungenhingegeben hatte,während die Bourgeoisiefrüh den offenenKlassenhass, denKlassenkrieg – wennauch durch perfidePhilanthropie gedeckt– verinnerlicht hatte:„Wie das kommunistischeManifest dieEpoche <strong>der</strong> Berufsverschwörer beendet,so macht die Kommune mit <strong>der</strong> Phantasmagorieein Ende, die die Frühzeit <strong>des</strong>Proletariats beherrscht. Durch sie wird<strong>der</strong> Schein zerstreut, dass es Aufgabe <strong>der</strong>proletarischen Revolution sei, Hand inHand mit <strong>der</strong> Bourgeoisie das Werk von1789 zu vollenden. Diese Illusion beherrschtdie Zeit von 1831 bis 1871, vomLyoner Aufstand bis zur Kommune. DieBourgeoisie hat nie diesen Irrtum geteilt.Ihr Kampf gegen die gesellschaftlichenRechte <strong>des</strong> Proletariats beginnt schon in<strong>der</strong> großen Revolution und fällt mit <strong>der</strong>philanthropischen Bewegung zusammen,die ihn verdeckt und die unter NapoleonIII. ihre bedeutendste Entfaltung erfährt.Unter ihm entsteht das Monumentalwerk<strong>der</strong> Richtung: Le Play’s ‚Ouvriers européens‘.Neben <strong>der</strong> gedeckten Stellung<strong>der</strong> Philanthropie hat die Bourgeoisie je<strong>der</strong>zeitdie offene <strong>des</strong> Klassenkampfesbezogen. Schon 1831 erkennt sie im‚Journal <strong>des</strong> Débats‘: ‚Je<strong>der</strong> Fabrikantlebt in seiner Fabrik wie die Plantagenbesitzerunter ihren Sklaven.‘ Ist es das Unheil<strong>der</strong> alten Arbeiteraufstände, dass keineTheorie <strong>der</strong> Revolution ihnen denWeg weist, so ist es auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Seiteauch die Bedingung <strong>der</strong> unmittelbarenKraft und <strong>des</strong> Enthusiasmus, mit dem siedie Herstellung einer neuen Gesellschaftin Angriff nehmen. Dieser Enthusiasmus,<strong>der</strong> seinen Höhepunkt in <strong>der</strong> KommuneFranz Mehring (1846–1919)erreicht, gewinnt <strong>der</strong> Arbeiterschaft zeitweisedie besten Elemente <strong>der</strong> Bourgeoisie,führt sie aber dazu, am Ende ihrenschlechtesten zu unterliegen. Rimbaudund Courbet bekennen sich zur Kommune.Der Brand von Paris ist <strong>der</strong> würdigeAbschluss von Haussmanns Zerstörungswerk.“(Pass 58) Das Motiv vom Kapitalistenals einem brutalen Sklavenherrnauf den Baumwollplantagen entnahmBenjamin aus einer Studie <strong>des</strong> sowjetischenHistorikers Evgenij Tarlé (1875–1955), <strong>der</strong> 1927 den Aufstand <strong>der</strong> LyonerSeidenarbeiter von 1831 als einen „Krieg<strong>der</strong> Armen gegen die Reichen“ geschil<strong>der</strong>thatte. (Pass 864f.) 9Zwei Jahre später wollte Franz Mehring1897/98 in einem Erinnerungsartikelden „historischen Ort“ <strong>des</strong> „Manifests<strong>der</strong> Kommunistischen Partei“ festlegen:Das „Manifest“ sei <strong>der</strong> klare theoretischeSchlusspunkt einer ersten revolutionärenFormierung <strong>der</strong> Arbeiterklasseim Zeichen <strong>der</strong> noch anstehenden bürgerlichenRevolution von 1848 und einererst frühen Entwicklung <strong>der</strong> kapitalistischenProduktionsverhältnisse. Es seiunter den illegalen Organisationsformen<strong>der</strong> Konspiration, <strong>der</strong> Geheimbündelei,<strong>des</strong> Verschwörertums entstanden. Wegennoch fehlen<strong>der</strong> Voraussetzungen fürdie sozialistische Revolution, aber angesichtseiner Unzahl hervorragen<strong>der</strong>,wenngleich wi<strong>der</strong>sprüchlicher, oft not-1/12


18 Beiträge1/12wendig sektiererischer Theoretiker <strong>der</strong>Befreiung <strong>der</strong> Arbeit – wie Weitling undEccarius, Proudhon o<strong>der</strong> Leroux – sei inden Debatten <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> <strong>der</strong> Kommunistenin den 1840er Jahren deutsche hegelianischePhilosophie, französischer(utopischer) radikaler Sozialismus undklassisch bürgerliche englische Nationalökonomiezu revolutionär proletarischerTheorie zusammengeflossen.Das „Manifest“ und <strong>der</strong> Bund <strong>der</strong>Kommunisten gerieten – so Mehring -nicht zufällig in Vergessenheit, wie KarlMarx selbst im „Anti-Vogt“ 1860 vondiesen „halb vergessenen und längst verschollenen<strong>Geschichte</strong>n“ sprechend resümierthat. Marx hat daran nur erinnert,um die Anfänge <strong>der</strong> deutschen Arbeiterbewegungund damit ihre Zukunft vorden Verleumdungen <strong>des</strong> bonapartistischenAgenten Karl Vogt, die dieser „unterdem lebhaften Beifall <strong>des</strong> deutschenPhilisters“ vorgebracht hatte, zu schützen.Die nach einer zehnjährigen gegenrevolutionärenRepressionsperiode wie<strong>der</strong>neu entstandenen Arbeitervereinekonnten etwa im Jahr <strong>der</strong> Gründung <strong>des</strong>Allgemeinen deutschen Arbeitervereins(ADAV) 1863 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> InternationalenArbeiterassoziation 1864 das „Manifest“– zu dieser Zeit nur mehr „Raritätensammlern“bekannt o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> preußischenVerfolgung <strong>des</strong> Kommunistenbun<strong>des</strong>Anfang <strong>der</strong> 1850er Jahre, also durchdas „jämmerliche Machwerk <strong>des</strong> SpitzelsStieber“ in Erinnerung – gar nichtverstehen. Dies war erst wie<strong>der</strong> nach <strong>der</strong>Pariser Kommune möglich, als das „Manifest“seinen eigentlichen Siegeszug –in Millionenauflage und vielen Sprachen– unter <strong>der</strong> Voraussetzung sozialistischerMassenorganisationen antreten sollte,nachdem Marx und Engels als Lehre aus<strong>der</strong> zerschlagenen Kommune eine einzigeÄn<strong>der</strong>ung am „Manifest“ angebrachthatten: die Diktatur <strong>des</strong> Proletariats, wonachdie bürgerliche Staatsmaschine vonden Arbeitern nicht zu übernehmen, son<strong>der</strong>nzu zerschlagen ist.<strong>Walter</strong> Benjamin notierte sich dementsprechendfür das „Passagen-Werk“ ausMehrings „Gedenktag <strong>des</strong> Kommunismus“:„Man versteht die <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong>Kommunistischen Manifestes schlecht,wenn man von seinem Erscheinen dieeuropäische Arbeiterbewegung datirt.Das Manifest war vielmehr <strong>der</strong> Schlussihrer ersten Periode, die von <strong>der</strong> Julirevolution[1830] bis zur Februarrevolution[1848] reichte. Die Arbeiterbewegung<strong>der</strong> dreißiger und vierziger Jahre konntenicht zum Ziele gelangen, weil die Vorbedingungen<strong>des</strong> proletarischen Emanzipationskampfsfehlten. Die kapitalistischeProduktionsweise war erst im aufsteigendenAste ihrer Entwicklung undnoch weit davon entfernt, die Nothwendigkeitihres Untergangs so sinnenfälligzu demonstriren, dass die Arbeiter wirksamin diesen Prozess eingreifen konnten.Das Höchste, wozu sie gelangenkonnten, war theoretische Klarheit, un<strong>des</strong> ist kein Zufall, dass die Arbeiterbewegungjener Jahrzehnte ungleich größereTheoretiker hevorgebracht hat, als dieArbeiterbewegung seit 1862, die überund über mit praktischen Aufgaben belastetist. Es braucht nur an die DeutschenWeitling und Eccarius, an die FranzosenProudhon und Leroux erinnert zu werden,und wie energisch im Bunde <strong>der</strong> KommunistenTheorie getrieben wurde, schil<strong>der</strong>tMarx selbst in den eben zitirten Zeilen[aus dem „Anti-Vogt“ (MEW 14, 438–440)]. Ein geheimer Arbeiterbund, <strong>der</strong>Jahre lang den damaligen englisch-französischenSozialismus und die damaligedeutsche Philosophie geistig theilnehmendbegleiten konnte, entfaltete eine Energie<strong>des</strong> Denkens, die nur den höchstenRespekt erwecken kann.“ (Pass 750) 104. <strong>Walter</strong> <strong>Benjamins</strong> Blanqui-<strong>Studium</strong>. „Spartacus“ gegenSozialdemokratieAuguste Blanqui ist für Benjamin vorallem <strong>der</strong> proletarische Revolutionär imParis <strong>des</strong> Frühjahr 1848 schlechthin. Benjaminbeschreibt an Hand von Karl Marx’„Klassenkämpfen in Frankreich“, wieBlanqui im April und Mai 1848 ohne Erfolgversucht, die Arbeiter aus ihren Träumenvon allgemeiner Klassenversöhnungzu reißen, jene Proletarier, die ständigprovoziert werden, um einen Vorwanddafür zu haben, das Militär <strong>der</strong> „Ordnung“wie<strong>der</strong> nach Paris holen zu können.Benjamin beschreibt, wie Blanqui undseine Kampfgenossen, also mit ihnen dieeinzige Partei <strong>der</strong> revolutionären RotenFahne unter dem Schlachtruf: „Nie<strong>der</strong> mitden Kommunisten!“ zurückgedrängtwird. (Pass 452, nach MEW 8, 121 – auchPass 925f, nach MEW 7, 28f.) 11Benjamin interessiert sich aber auchfür jenen alten Auguste Blanqui, den diePariser Kommune im Frühjahr 1871 vergeblichim Tausch gegen den PariserErzbischof zu befreien versuchte, und<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Kommuneim Gefängnis auf den ersten Blick politischzu resignieren schien, indem er sichscheinbar in kosmologische Spekulationenflüchtete, die Benjamin an NietzschesMythologie von „<strong>der</strong> ewigen Wie<strong>der</strong>kunft“– und zwar „zehn Jahre vordem ‚Zarathustra‘“ – erinnerte: eine <strong>Geschichte</strong>ohne jeden Sinn für Fortschritt.(auch Pass 173, 1257) An Max Horkheimerschreibt Benjamin im Jänner 1938über Blanquis „L’Eternité par les astres“:„Es ist zuzugeben, dass die Schrift beimersten Blättern sich abgeschmackt undbanal anlässt. In<strong>des</strong>sen sind die unbeholfenenÜberlegungen eines Autodidakten,die ihren Hauptteil ausmachen, nur dieVorbereitung einer Spekulation über dasUniversum, <strong>der</strong>en man von niemandemweniger als von diesem großen Revolutionärsich versehen würde. Wenn dieHölle ein theologischer Gegenstand ist,kann man diese Spekulation eine theologischenennen. Die Weltansicht, dieBlanqui in ihr entwirft, indem er <strong>der</strong> mechanistischenNaturwissenschaft seineDaten entnimmt, ist in <strong>der</strong> Tat eine infernalische– ist zugleich in <strong>der</strong> Gestalt einernaturalen das Komplement <strong>der</strong> gesellschaftlichenOrdnung, die Blanqui anseinem Lebensabend als Sieger über sicherkennen musste. Das Erschütternde ist,dass diesem Entwurf jede Ironie fehlt. Erstellt eine vorbehaltlose Unterwerfungdar, zugleich aber die furchtbarste Anklagegegen eine Gesellschaft, die diesesBild <strong>des</strong> Kosmos als ihre Projektion anden Himmel wirft.“ (WB-Briefe VI, 9f.)Blanquis Spätschrift, die „dem revolutionärenElan <strong>des</strong> Verfassers das furchtbarsteDementi“ zu erteilen schien, wurdevon Benjamin in den „Passagen“ so beurteilt:„Blanqui unterwirft sich <strong>der</strong> bürgerlichenGesellschaft. Aber es ist ein Kniefallvon solcher Gewalt, dass ihr Throndarüber ins Wanken kommt.“ (Pass 168f.)Der geschlagene, oft zögerliche, sichim Vorfeld <strong>der</strong> Pariser Kommune im Februar1871 zurückziehende RevolutionärBlanqui, <strong>der</strong> in seiner pessimistisch, abgegriffenmüden Metaphysik über dasUniversum jeden Fortschrittsoptimismusverspottet, bleibt für Benjamin geradewegen dieser „hoffnungslosen Resignation“(Pass 1257) <strong>der</strong> ungebrochene Klassenkämpfer,<strong>der</strong> sich den Hass auf dasBürgertum bewahrt, und an die Stelle vonbilligem Fortschrittsglauben revolutionäreEntschlossenheit stellt: „Blanqui zeigtein ‚l’éternité par les astres‘ keinen Hassgegen den Fortschrittsglauben, überschüttetihn aber im Stillen mit seinemHohn. Es ist keineswegs ausgemacht,dass er damit seinem politischen Credountreu wird. Die Aktivität <strong>des</strong> Berufsrevolutionärs,<strong>der</strong> Blanqui gewesen ist,setzt nicht den Glauben an den Fortschrittson<strong>der</strong>n nur die Entschlossenheit, mitdem <strong>der</strong>zeitigen Unrecht aufzuräumen,voraus. Der unersetzliche politische Wert


Beiträge 19<strong>des</strong> Klassenhasses besteht gerade darin,die revolutionäre Klasse mit einer gesundenIndifferenz gegen die Spekulationenüber den Fortschritt auszustatten. In <strong>der</strong>Tat ist es ebenso menschenwürdig ausEmpörung gegen das herrschende Unrechtaufzustehen als um das Dasein <strong>der</strong>Nachkommen zu verbessern. Es ist ebensomenschenwürdig; es sieht außerdemdem Menschen auch ähnlicher. Hand inHand mit dieser Empörung wird die Entschlossenheitgehen, die Menschheit aus<strong>der</strong> jeweils ihr drohenden Katastrophe inletzter Stunde herauszureißen. Das warBlanquis Fall. Er hat sich immer geweigertPläne für das zu entwerfen, was ‚später‘kommt.“ (Pass 428)Nicht zufällig ist Auguste Blanqui undmit ihm die Spartakus-Tradition allgemein– später auch die Spartakus-Gruppe<strong>der</strong> deutschen Revolution von 1918/19im Beson<strong>der</strong>en – aus <strong>der</strong> sozialdemokratischenTradition verdrängt worden. DerSozialdemokratie war nämlich jede „eristischeDialektik, die nach Hegels Definition‚in die Kraft <strong>des</strong> Gegners eingeht,um ihn von innen her zu vernichten‘“, abhandengekommen. (WBGS II/2, 481) Siewurde – so Benjamin in <strong>der</strong> zwölftennachgelassenen These über die <strong>Geschichte</strong>– zu einer sozialfriedlichen Kleinbürgerpartei,die das „rächende“ Erbe vonSpartakus/Blanqui zugunsten einesspießerischen Ideals von den Enkeln, diees einmal „besser haben“ sollen, wandelt:„Das Subjekt historischer Erkenntnis istdie kämpfende, unterdrückte Klasseselbst. Bei Marx tritt sie als die letzte geknechtete,als die rächende Klasse auf,die das Werk <strong>der</strong> Befreiung im Namenvon Generationen Geschlagener zu Endeführt. Dieses Bewusstsein, das für kurzeZeit im ‚Spartacus‘ [1916–1919] nocheinmal zur Geltung gekommen ist, war<strong>der</strong> Sozialdemokratie von jeher anstößig.Im Lauf von drei Jahrzehnten gelang esihr, den Namen eines Blanqui fast auszulöschen,<strong>des</strong>sen Erzklang das vorigeJahrhun<strong>der</strong>t erschüttert hat. Sie gefielsich darin, <strong>der</strong> Arbeiterklasse die Rolleeiner Erlöserin künftiger Generationenzuzuspielen. Sie durchschnitt ihr damitdie Sehne <strong>der</strong> besten Kraft. Die Klasseverlernte in dieser Schule gleich sehr denHass wie den Opferwillen. Denn beidenähren sich an dem Bild <strong>der</strong> geknechtetenVorfahren, nicht am Ideal <strong>der</strong> befreitenEnkel.“ (WBGS I/2, 700) 12An die Stelle von entschlossenemKlassenhass tritt ein blind abwarten<strong>der</strong>Glaube an einen evolutionär fortschreitendenGeschichtsautomatismus in Richtung<strong>des</strong> Sozialismus. Angelehnt an dieBil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Biologie,<strong>des</strong> Darwinismuswandelte sich <strong>der</strong> HistorischeMaterialismusin einen passivenGeschichtsattentismus:„Es ist bekannt,wie tief die Wirkung<strong>des</strong> Darwinismus aufdie Entwicklung <strong>der</strong>sozialistischen Geschichtsauffassunggewesen ist. In <strong>der</strong>Zeit <strong>der</strong> VerfolgungAuguste Blanqui (1805–1881)durch Bismarck kamdiese Wirkung <strong>der</strong> ungebrochenen Zuversicht<strong>der</strong> Partei und <strong>der</strong> Entschiedenonstheoriewürden nämlich Vulgär-Dar-weist Kautsky zurück. Mit <strong>der</strong> Evolutiheitihres Kampfes zugute.“ Was Benjaminim „Fuchs-Artikel“ als Vorteil unter ums Dasein“ auch das Gegenteil, also diewinisten unter Berufung auf den „Kampfillegalen Kampfbedingungen einschätzt, Aussichtslosigkeit <strong>des</strong> Sozialismus beweisenwollen. Enrico Ferris in „Socialis-wird nach 1890 zur reformistischen Legitimationsideologie:„Später, im Revisionismus,bürdete die evolutionistische gestellte Thesen, wonach Karl Marx „<strong>der</strong>mo e Scienza Positiva“ (Rom 1894) auf-Geschichtsbetrachtung um so mehr <strong>der</strong> Vollen<strong>der</strong> <strong>der</strong> von Darwin und Spencer‚Entwicklung‘ auf, je weniger die Partei ausgehenden wissenschaftlichen Revolution“sei, sind unhaltbar, ebenso wie jene,das Errungene im Einsatz gegen den Kapitalismusaufs Spiel setzen wollte. Die wonach <strong>der</strong> Darwinismus „eine <strong>der</strong><strong>Geschichte</strong> nahm deterministische Züge grundlegendsten wissenschaftlichen Unterlagen<strong>des</strong> Sozialismus“ wäre, und dassan; <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Partei ‚konnte nicht ausbleiben‘.[…] Damals führte ein Mann <strong>des</strong>halb Marx das Verdienst trifft, „diewie [Enrico] Ferri nicht nur die Prinzipien,son<strong>der</strong>n auch die Taktik <strong>der</strong> Sozialsenschaftauf die politische Ökonomie an-Konsequenzen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Naturwisdemokratieauf Naturgesetze zurück.“ gewendet zu haben“, bzw. dass „<strong>der</strong> marxistischeSozialismus eine WeiterführungViele Parteiideologen fanden „ihr Genügean Thesen, die die geschichtlichen <strong>der</strong> naturwissenschaftlichen Denkweise“Vorgänge nach ‚physiologischen‘ und sein soll. (WBGS II/2, 487f.) 13‚pathologischen‘ son<strong>der</strong>ten o<strong>der</strong> aber Ein Konvolut <strong>des</strong> „Passagenwerks“den naturwissenschaftlichen Materialismusin den Händen <strong>des</strong> Proletariats lichen, nur zu oft von <strong>der</strong> Sozialdemo-widmete Benjamin <strong>der</strong> Kritik <strong>des</strong> bürger-‚selbsttätig‘ zum historischen erhoben zu kratie adaptierten Fortschrittsbegriffs.sehen meinten.“ Die wenigen Einwendungengegen einen <strong>der</strong>artig korrumpie-Georg Simmel exzerpierend folgert Ben-Turgot, Jochmann, Hermann Lotze o<strong>der</strong>renden Fortschrittsbegriff hielt Benjamin,<strong>der</strong> dazu unter an<strong>der</strong>em Karl Kautsteim 19ten Jahrhun<strong>der</strong>t, als das Bürgerjamin:„Der Begriff <strong>des</strong> Fortschritts dürfkys„Darwinismus und Marxismus“ tum seine Machtpositionen erobert hatte,(1895 in <strong>der</strong> Neuen Zeit erschienen) studierte,für allenfalls halbherzig: Kautsky, sprünglich eigneten, mehr und mehr ein-die kritischen Funktionen, die ihm ur-<strong>der</strong> später selber zu einer evolutionistischenBetrachtung <strong>des</strong> Histomat beitralichenZuchtwahl hat in diesem Prozeßgebüßt haben. (Die Lehre von <strong>der</strong> natürgensollte, klagte etwa immerhin gegen eine entscheidende Bedeutung gehabt;Enrico Ferris Versuch, geradezu im Sinn an ihr ist die Meinung groß geworden,Eugen Dühring’scher „ewiger Wahrheiten“Marx und Darwin in Einklang zu tisch. […]) Bei Turgot hatte <strong>der</strong> Fort-<strong>der</strong> Fortschritt vollziehe sich automa-bringen. Gegen den von Loria o<strong>der</strong> Lombrosobeeinflussten Enrico Ferri merkt nen. Er ermöglichte es vor allem dieschrittsbegriff noch kritische Funktio-Kautsky 1895 an: „Die Nothwendigkeit Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Menschen auf rückläufigeBewegungen in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong><strong>des</strong> Sozialismus nicht durch bestimmtehistorische Bedingungen, son<strong>der</strong>n durch zu lenken.“ (Pass 596)ein Naturgesetz beweisen zu wollen, Ein linear leichtgläubiger, von je<strong>der</strong>heißt alles An<strong>der</strong>e, nur nicht marxistisch dialektischen Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit, vondenken.“ Der Versuch Ferris, mittels biologischerGesetzmäßigkeiten die NotschenGeschichtskräfte freier Fortschritts-jedem Blick für die <strong>des</strong>truktiv barbariwendigkeit<strong>des</strong> Sozialismus zu belegen, begriff – so wie er nach <strong>Benjamins</strong> Auf-1/12


20 Beiträgefassung etwa von Josef Dietzgen vorgetragenwurde, hat dazu beigetragen, dassdie Sozialdemokratie zur opportunistischenReformpartei, die sich von allemKlassenkampf freigestellt glaubte, wurde:„,Wird doch unsere Sache alle Tage klarerund das Volk alle Tage klüger.‘ (JosefDietzgen, Sozialdemokratische Philosophie).[…] Der Fortschritt, wie er sich inden Köpfen <strong>der</strong> Sozialdemokratie malte,war, einmal, ein Fortschritt <strong>der</strong> Menschheitselbst (nicht nur ihrer Fertigkeitenund Kenntnisse). Er war, zweitens, einunabschließbarer (einer unendlichen Perfektibilität<strong>der</strong> Menschheit entsprechen<strong>der</strong>).Er galt, drittens, als ein wesentlichunaufhaltsamer (als ein selbsttätig einegrade o<strong>der</strong> spiralförmige Bahn durchlaufen<strong>der</strong>).“Nichts hat nach <strong>Benjamins</strong>Blick auf die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> deutschenArbeiterbewegung das Proletariat sodemoralisiert wie die Auffassung, „sieschwimme mit dem Strom“. Für Benjaminwar dies „eine Ursache <strong>des</strong> späterenZusammenbruchs“ von 1914 o<strong>der</strong> 1933.Dazu passt ein naiv optimistischer Begriffvon einer grenzenlos ausbeutbarenNatur, <strong>der</strong> sich unheilvoll von jenem <strong>der</strong>utopischen Sozialisten (den „Phantastereien“eines Fourier) abhebt, und ein andie kalvinistische Ethik angelehnter verklärterArbeitsbegriff, <strong>der</strong> das Lohnsklavereiverhältnisnicht mehr revolutionärüberwinden will, son<strong>der</strong>n „die Arbeit“sozial anheben, „verbessern“ will. Gegendiesen „Konformismus, <strong>der</strong> von Anfangan in <strong>der</strong> Sozialdemokratie heimisch gewesenist“, hatten Marx und Engelsschon 1875 in unterschlagenen Rand -glossen zum Gothaer Programm protestiert:„Die alte protestantische Werkmoralfeierte in säkularisierter Gestalt beiden deutschen Arbeitern ihre Auferstehung.Das Gothaer Programm trägt bereitsdie Spuren dieser Verwirrung ansich. Es definierte die Arbeit als die‚Quelle alles Reichtums und aller Kultur‘.Böses ahnend, entgegnete Marxdarauf, dass <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> kein an<strong>der</strong>esEigentum besitze als seine Arbeitskraft,‚<strong>der</strong> Sklave <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Menschensein muss, die sich zu Eigentümern […]gemacht haben‘. [MEW 19, 15] Unbeschadet<strong>des</strong>sen greift die Konfusion weiterum sich, und bald darauf verkündetJosef Dietzgen: ‚Arbeit heißt <strong>der</strong> Heiland<strong>der</strong> neueren Zeit. In <strong>der</strong> […] Verbesserung[…] <strong>der</strong> Arbeit […] besteht <strong>der</strong>Reichtum, <strong>der</strong> jetzt vollbringen kann, wasbisher kein Erlöser vollbracht hat.‘ Dieservulgärmarxistische Begriff von dem, wasdie Arbeit ist, hält sich bei <strong>der</strong> Frage nichtlange auf, wie ihr Produkt den Arbeitern1/12selber anschlägt, solange sie nicht darüberverfügen können. Er will nur dieFortschritte <strong>der</strong> Naturbeherrschung, nichtdie Rückschritte <strong>der</strong> Gesellschaft wahrhaben.“ (WBGS I/2, 697–701)Auch die neukantisch idealistischeSchulphilosophie verwandelte die Fragenach <strong>der</strong> Aktualität <strong>der</strong> Revolution und<strong>der</strong> klassenlosen Gesellschaft in einegemütliche „regulative Idee“. Der ethischeSozialismus <strong>der</strong> Neukantianer warnach dem Fall <strong>des</strong> Sozialistenverbots1890 einflussreich: „Marx hat in <strong>der</strong>Vorstellung <strong>der</strong> klassenlosen Gesellschaftdie Vorstellung <strong>der</strong> messianischenZeit säkularisiert. Und das war gut so.Das Unheil setzt damit ein, dass die Sozialdemokratiediese Vorstellung zum‚Ideal‘ erhob. Das Ideal wurde in <strong>der</strong>neukantischen Lehre als die ‚unendlicheAufgabe‘ definiert. Und diese Lehre wardie Schulphilosophie <strong>der</strong> sozialdemokratischenPartei – von Schmidt und Stadlerbis zu Natorp und Vorlän<strong>der</strong>. War dieklassenlose Gesellschaft erst einmal alsunendliche Aufgabe definiert, so verwandeltesich die leere und homogeneZeit sozusagen in ein Vorzimmer, in demman mit mehr o<strong>der</strong> weniger Gelassenheitauf den Eintritt <strong>der</strong> revolutionären Situationwarten konnte.“ (Die so genanntenThesen „über den Begriff <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>“sind seit 2010 auch im Band 19 <strong>der</strong>historisch-kritischen Benjamin-Ausgabe,hier Seite 42 zugänglich!)Schlussendlich vergaß die deutscheSozialdemokratie legalistisch, parlamentarisch,klassenfriedlich orientiert aufden „Ausnahmezustand“, wie Benjaminim formal analogen Anklang an CarlSchmitt, den Vordenker <strong>der</strong> militantenRechten, formulierte. Folglich versagtesie in <strong>der</strong> Abwehr <strong>des</strong> NS-Faschismus:„Die Tradition <strong>der</strong> Unterdrückten belehrtuns darüber, dass <strong>der</strong> ‚Ausnahmezustand’,in dem wir leben, die Regel ist.“Durch diese Einsicht „wird unsere Positionim Kampf gegen den Faschismussich verbessern. Dessen Chance bestehtnicht zuletzt darin, dass die Gegner ihmim Namen <strong>des</strong> Fortschritts als einer historischenNorm begegnen“ und hilflos,naiv erstaunt sind, dass diese Barbarei„im zwanzigsten Jahrhun<strong>der</strong>t ‚noch‘möglich“ war. (WBGS I/2, 697)5. Eduard Fuchs. RevolutionärerSozialist mit bürgerlich-radikalemFortschrittsideal? 14Unter diesen Vorzeichen war <strong>Benjamins</strong>chon kurz nach <strong>der</strong> Flucht nach Frankreich1933 auch an die Arbeit über densozialistischen Kunstsammler und KulturhistorikerEduard Fuchs, <strong>der</strong> in denJahren <strong>des</strong> Sozialistenverbots zur Parteigekommen war, heran gegangen. <strong>Walter</strong>Benjamin berichtet nach einer Pariser Begegnungmit Fuchs im Juli 1935 an MaxHorkheimer: „Bei meinem letzten Zusammenseinmit ihm habe ich mir vielerlei Interessantesaus seinen Anfängen unterdem Sozialistengesetz erzählen lassen.“Fuchs galt Benjamin als ein „achtunggebieten<strong>der</strong>Typ, nach dem man sich einenBegriff von den Männern bilden kann, diezur Zeit <strong>des</strong> Sozialistengesetzes Sozialdemokratenwaren“, wie er Ende 1933 anGershom Scholem schreiben sollte.Der 1870 geborene Eduard Fuchs galtBenjamin aber nicht nur als „Pionier <strong>der</strong>materialistischen Kunstbetrachtung“,son<strong>der</strong>n auch als ein Symptom für dieEntwicklung <strong>der</strong> Sozialdemokratie hinzur „Burgfriedens“-Kapitulation von1914, wenngleich <strong>der</strong> 1933 aus Deutschlandgeflüchtete Fuchs nie gemeinsameSache mit dem reformistischen Parteiflügelgemacht hatte. An Alfred Cohnschreibt Benjamin im September 1935:„Interessant ist für unsere Betrachtungsweisebeinahe allein, wie sich hier imwissenschaftlichen Habitus eines Championsaus <strong>der</strong> Frühzeit <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratiedas gesamte spätere débacle<strong>der</strong> Partei schon erkennen lässt.“(WB-Briefe IV, 316f. und V, 125, 165)Benjamin hält fest, dass Fuchs „dem Revisionismusstets ferngestanden“ hat: Sein„politischer Instinkt, sein martialisches Naturellführten ihn auf den linken Flügel“.Als Theoretiker habe er sich aber auchoft einem passiv optimistischen Glaubenan den automatisch heraufziehenden Sozialismushingegeben. Die <strong>Geschichte</strong>hat auch für Fuchs zweckbestimmt finaleZüge angenommen, sodass „<strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong>Partei ‚nicht ausbleiben‘ konnte“. Wieein Franz Mehring stand Fuchs politischseit den Tagen <strong>des</strong> Reformismusstreitsknapp vor 1900 den Parteilinken nahe.Später arbeitete Fuchs gleich Mehring –am proletarischen Internationalismusfesthaltend – mit <strong>der</strong> Spartakus-Gruppeum Karl Liebknecht und Rosa Luxemburgzusammen. Aber so wie Mehringstets von bürgerlicher Ästhetik beeinflusstblieb, so konnte sich auch Fuchsals Theoretiker dem bürgerlich aufklärerischenFortschrittsideal in <strong>der</strong> Linie <strong>der</strong>Französischen Revolution von 1789nicht entziehen. Georg Lukács erklärtedies 1933 damit, dass Mehring aus bürgerlichen,teils antisozialistischen intellektuellenJugendtagen her in theoretischerHinsicht idealistischer „Lassalleaner“geblieben ist, auch zu jener späten


Beiträge 21Zeit, als er ein den Bernsteinschen „Revisionismus“und den Kautskyschen„Zentrismus“ verachten<strong>der</strong> radikalerLinker geworden war. Wenn Lukácsmeint, dass Mehring einen „Salto mortale“von manchmal opportunistischenTheorieelementen zu einer revolutionärenpolitischen Praxis vollzogenhat, so gilt dies auch für Fuchs. 15Den in <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratieseit Ferdinand Lassalles o<strong>der</strong> WilhelmLiebknechts Tagen weit verbreiteten bürgerlichdemokratischen, republikanischenIllusionen, etwa im Sinn einesCondorcet’schen Fortschrittideals, konntesich <strong>der</strong> „Sittenhistoriker“ Fuchs nieentziehen. Den notwendigen theoretischenBruch eines Sozialisten mit denbürgerlichen Revolutionsidealen hat auchFuchs nie konsequent vollzogen, so Benjamin:„Das Pathos, das die Geschichtsauffassungvon Fuchs durchzieht, ist dasdemokratische Pathos von 1830. […] DieGeschichtsauffassung von Fuchs ist dievon [Victor] Hugo im ‚William Shakespeare‘gefeierte: ‚Der Fortschritt ist <strong>der</strong>Schritt Gottes selbst.‘ Und das allgemeineStimmrecht erscheint als die Weltenuhr,nach <strong>der</strong> das Tempo dieser Schrittebemessen wird.“ (WBGS II/2, 488f.)Die proletarische Revolution hat Fuchsimmer in <strong>der</strong> heroischen Linie <strong>des</strong> bürgerlichenRevolutionszyklus von 1789bis 1848 gesehen. Fuchs hat sich nachBenjamin – stellvertretend für breiteStrömungen in <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratievor 1914 – stets in den Bahneneines radikalen bürgerlichen Moralismus,den er gutgläubig eingeklagt hat, bewegt.Fuchs’ jakobinischer Moralismus, <strong>der</strong> ihneben verleitete, die sozialistische Revolutionin illusionärer Weise in <strong>der</strong> Erbelinie<strong>des</strong> fortschrittlichen Bürgertums zu denken,versuchte dementsprechend, eine„moralistische Geschichtsbetrachtung“mit dem historischen Materialismus zuharmonisieren. Wie Mehring belastetFuchs die materialistische Geschichtsauffassungmit psychologischen Begriffenvon subjektiver Ehrlichkeit und gutemWillen, indem er <strong>der</strong> bürgerlichen Moralund Anthropologie vorab einmal gutgläubiggegenübertritt bzw. dieser gutenGlauben und Willen unterstellt, nicht erkennend,dass sich hinter aller im Zeichenvon „Gewissen“ und (kalvinistischpuritanischer) „Innerlichkeit“ stehendenbürgerlichen Moral- und Menschenrechtsvorstellungvon Anfang an – alsoschon im „Robbespierrschen citoyen“o<strong>der</strong> im „Kantischen Weltbürger“ – notwendigdie kapitalistische Ausbeutungverbirgt. Fuchs erkennt nicht, dass diebürgerliche „Tugend“ objektiv notwendig„Klassenmoral“ ist: „Diesem Tatbestandwird Fuchs nicht gerecht, weil erglaubt, seine Angriffe gegen das Gewissen<strong>der</strong> Bourgeoisie richten zu müssen.Ihre Ideologie erscheint ihm als Ränkespiel.‚Das salba<strong>der</strong>nde Geschwätz‘, sagter, ‚das auch angesichts <strong>der</strong> schamlosestenKlassenurteile von <strong>der</strong> subjektivenEhrlichkeit <strong>der</strong> betreffenden Richter faselt,beweist nur die eigene Charakterlosigkeit<strong>der</strong>er, die so reden o<strong>der</strong> schreiben,im besten Fall <strong>der</strong>en Borniertheit.‘ Aufden Gedanken, dem Begriff <strong>der</strong> bona fi<strong>des</strong>(<strong>des</strong> guten Gewissens) selbst den Prozesszu machen, kommt Fuchs nicht. Unddoch wird das dem historischen Materialistennaheliegen. Nicht nur, weil er indiesem Begriff einen Träger <strong>der</strong> bürgerlichenKlassenmoral erkennt, son<strong>der</strong>n auchweil ihm nicht entgehen wird, dass dieserBegriff die Solidarität <strong>der</strong> moralischenUnordnung mit <strong>der</strong> ökonomischen Planlosigkeitbeför<strong>der</strong>t.“ (WBGS II/2, 493f.)Diesen Prozess hat für Benjamin etwa einMax Horkheimer 1935 mit einem Aufsatzüber „Egoismus und Freiheitsbewegung.Zur Anthropologie <strong>des</strong> bürgerlichenZeitalters“ (in: Zeitschrift für Sozialforschung5, 161–234, hier im folgenden176, 209) nachgeholt, indem Horkheimerbelegte, dass die bürgerlichenMenschheits- und Konkurrenzideale bishin zu den Jakobinern das als unaufhebbargeltende Elend <strong>der</strong> Massen, <strong>der</strong> Plebejernotwendig mitgedacht haben.Selbst die radikal republikanischen Revolutionärevon 1793/94, die Montagnards,wollten die „übergroße Ungleichheit <strong>der</strong>Vermögen“, also den Hunger, den Brotmangel<strong>der</strong> Pariser Sansculotten, ohnedie geringste Än<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> „individualistischen“Eigentumsordnung unterkonsequentem Festhalten am Rousseau’-schen „Lob <strong>des</strong> Eigentums“ bekämpfen.Ein Wi<strong>der</strong>spruch, <strong>der</strong> den Sturz <strong>der</strong> jakobinischenWohlfahrtsdiktatur herbeiführte:„Die bürgerliche Revolution führte dieMassen nicht in den dauerhaften Zustandeiner freudvollen Existenz und allgemeinenGleichheit, nach <strong>der</strong> sie verlangten,son<strong>der</strong>n in die harte Realität <strong>der</strong> individualistischenGesellschaftsordnung.“6. Debatten über eine sozialistischeLiteratur- und Kunsttheoriein <strong>der</strong> „Neuen Zeit“Die Anfänge einer sozialistischen Literaturin England (Shelley, Byron „als sozialeDichter“), vor allem aber im französischenUmfeld <strong>des</strong> Saint-Simonismus(u.a. Sainte-Beuve), schwankend zwischenindustrieller Fortschrittsmetaphy-<strong>Walter</strong> Benjamin (1892–1940)sik, utopischen Genossenschaftsidealen,religiöser Mystik, sozialer Kritik an parasitäremMüßiggang und hehren Appellenzur Bekämpfung <strong>des</strong> Massenelends, diegesellschaftliche Solidarität als Frage vonmoralischer, geistiger, individueller „Vervollkommnung“,von sentimentaler„menschlicher Liebe“, vom Verhältnis <strong>der</strong>Geschlechter, von „Leidenschaft“ o<strong>der</strong>von Rückbesinnung auf „Erhabenheit“und (antike) Schönheitsideale fassend, erhob<strong>Walter</strong> Benjamin nach einem NeueZeit-Artikel <strong>des</strong> sozialdemokratischen BildungsfunktionärsHermann Thurow.Thurows einleitende Position, dass esunter kapitalistischen Bedingungen keineeigentliche sozialistische Kunst und Literaturgeben kann, kommentierte Benjaminzumin<strong>des</strong>t in den veröffentlichten„Passagen-Exzerpten“ ebenso wenig, wieThurows einleitende Thesen zum Verhältnis„Literatur/politische Agitation“,zur heftigen „Naturalismusdebatte“ in <strong>der</strong>deutschen Sozialdemokratie <strong>der</strong> 1890erJahre. Thurow vertrat 1902 jene sozialistischeLiteraturposition, wonach die„Naturalisten“ zu voreilig als sozialistischeSchriftsteller gefeiert worden sind:„Das Thema von <strong>der</strong> sozialistischenKunst wird heute mit weniger agitatorischemEifer erörtert, als vor an<strong>der</strong>thalbJahrzehnten.“ „Die neue Kunst, die damalseinsetzte“, wurde „von unserer Seite“„wohl etwas voreilig für den Sozialismusreklamiert“: „Die Enttäuschungbrachte die etwas pessimistische, aberweise Erkenntnis wie<strong>der</strong> zu Ehren, dasses solange keine sozialistische Kunst gebenkann, als wir in einer nichtsozialistischenGesellschaft leben.“ (Pass 712f.) 161/12


22 BeiträgeAus Julian Marchlewskis (Karskis)1901 in <strong>der</strong> „Neuen Zeit“ veröffentlichtemAufsatz über „mo<strong>der</strong>ne Kunstströmungenund Sozialismus“ notiert Benjamin<strong>des</strong>sen Ansicht, dass das Ideal einerauf autonomer Selbsterkenntnis undnicht entfremdeter Individualität beruhendenKunst unter bürgerlichen Verwertungs-und Profitbedingungen nichterreichbar ist: „Für Jeden, <strong>der</strong> diesesliest, muss absolut klar sein, dass in <strong>der</strong>bestehenden Gesellschaft dieses Idealnicht zu erreichen ist, dass seine Verwirklichungdem Sozialismus vorbehaltenbleibt.“ Marchlewski/Karski, späterMitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Spartakus-Gruppe“,schloss mit einem: „Die neue Kunstgehört dem Sozialismus!“ 17 (Pass 684)Ob sich Benjamin im Rahmen <strong>des</strong>Neue Zeit-<strong>Studium</strong>s seit 1934 eingehen<strong>der</strong>mit den Kunst- und Literaturkontroversenin <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratieseit den Jahren <strong>des</strong> „Sozialistenverbots“bis hin zum „Burgfrieden“ 1914,also mit Tendenzkunstdiskussionen,frühen Ansätzen von „Proletkult“-, „Anti-Kunst“-,Form- o<strong>der</strong> Erbe/“Klassik“-Diskussionen, d.h. etwa mit dem „Naturalismus“-,„Schiller“- o<strong>der</strong> „Sperber“-Streit befasst hat, geht aus den <strong>der</strong>zeit öffentlichzugänglichen Benjamin-Materialiennicht hervor.Eine materialistische Kunsttheorieschien Benjamin angesichts <strong>der</strong> Priorität<strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie“von Marx und Engels selbst nicht näherausgeführt worden zu sein. Das geschahnach Benjamin mittelbar erst durch GeorgPlechanow o<strong>der</strong> Franz Mehring, wobeiihm wichtig schien anzumerken, dassMehring eben aus dem Lager <strong>der</strong> bürgerlichidealistischen Geschichtsauffassungund Ästhetik gekommen war, so 1937einleitend zum „Eduard Fuchs“: „Mehringist durch den Nationalismus und sodanndurch die Schule Lassalles gegangen;und als er zum ersten Male zur Parteikam, da herrschte, nach dem GeständnisKautskys, ‚theoretisch noch ein mehro<strong>der</strong> weniger vulgärer Lassalleanismus.Von einem konsequenten marxistischenDenken war, außer bei einigen vereinzeltenPersönlichkeiten, keine Rede‘. (KarlKautsky, Franz Mehring. In: Die NeueZeit, XXII, Stuttgart 1904, I, S. 103 bis104.)“ (WBGS II/2, 465f.) 187. <strong>Walter</strong> Benjamin über diesozialistische Bildungsarbeit(nach Karl Korn) 19Zwischen 1934 und 1937 studierte Benjaminwährend <strong>des</strong> Exzerpierens <strong>der</strong> NeuenZeit und während <strong>der</strong> Arbeit über1/12Eduard Fuchs die sozialistische BildungsundErziehungsarbeit seit den 1860er Jahrenin ihrer Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit zwischenproletarischer Befreiung und Assimilationan bürgerliche Humanitätsideale, die dasbarbarisch Ausbeuterische an den Dokumenten<strong>der</strong> Kultur verdrängten und ausblendeten.Spätestens nach dem Fall <strong>des</strong>Sozialistenverbots vergisst die deutscheSozialdemokratie in den Jahren <strong>des</strong> Revisionismusstreitsum die Jahrhun<strong>der</strong>twende1900 in ihrer am täuschenden Idyll <strong>der</strong>„Kulturgeschichte“ orientierten Bildungsarbeitnicht zufällig nur zu oft, dassdiese „Kultur“ und „Humanität“ als„falsches Bewusstsein“ ihr Entstehen„namenloser Fron“ verdankt. Wie diebürgerliche Ästhetik vergisst auch diesozialdemokratische Bildungs- und Kulturtheoriein ihrer zunehmenden reformis -tischen Distanz zum Historischen Materialismusimmer öfter, dass „niemals einDokument <strong>der</strong> Kultur [existiert], ohne zugleichein solches <strong>der</strong> Barbarei zu sein“(WBGS II/2 476–478)Benjamin beobachtet eine sozialdemokratischeBildungstendenz, die sich denhistorischen Stoff so wie das bie<strong>der</strong>eKleinbürgertum aneignet, die das „Problem<strong>der</strong> ‚Popularisierung <strong>der</strong> Wissenschaft‘“nicht lösen kann, da „man sichdas Objekt dieser Bildungsarbeit“, dieArbeiter als „,Publikum‘ statt als Klasse“dachte, so 1937 im „Fuchs“: „Wäre dieKlasse visiert worden, so hätte die Bildungsarbeit<strong>der</strong> Partei niemals die engeFühlung mit den wissenschaftlichen Aufgaben<strong>des</strong> historischen Materialismusverlieren können. Der historische Stoffwäre, umgepflügt von <strong>der</strong> marxistischenDialektik, ein Boden geworden, in dem<strong>der</strong> Same, den die Gegenwart in ihn warf,hätte aufgehen können. Das geschahnicht. Der Parole ‚Arbeit und Bildung‘,unter <strong>der</strong> die staatsfrommen Vereine vonSchulze-Delitzsch die Arbeiterbildungbetrieben hatten, stellte die Sozialdemokratiedie Parole ‚Wissen ist Macht‘ entgegen.Aber sie durchschaute nicht <strong>der</strong>enDoppelsinn. Sie meinte, das gleiche Wissen,das die Herrschaft <strong>der</strong> Bourgeoisieüber das Proletariat befestige, werde dasProletariat befähigen, von dieser Herrschaftsich zu befreien. In Wirklichkeitwar ein Wissen, das ohne Zugang zurPraxis war und das das Proletariat alsKlasse über seine Lage nichts lehrenkonnte, ungefährlich für <strong>des</strong>sen Unterdrücker.Das galt von dem geisteswissenschaftlichenganz beson<strong>der</strong>s. Es lag weitvon <strong>der</strong> Ökonomik ab; es blieb von <strong>der</strong>enUmwälzung unberührt. Man begnügtesich, in seiner Behandlung ‚anzuregen‘,‚Abwechslung zu bieten‘, ‚zu interessieren‘.Man lockerte die <strong>Geschichte</strong> aufund erhielt die ‚Kulturgeschichte‘.“Nur einzelne Autoren <strong>der</strong> Neuen Zeit,wie ein Karl Korn, haben nach Benjaminerkannt, dass sich die Sozialdemokratienur bedingt aus dem bildungs- und honoratiorenliberalen„Selbsthilfe“-Angebot<strong>der</strong> Hermann Schulze-Delitz’schen Losungvon „Arbeit und Bildung“ (1861) lösenkonnte. So schien <strong>Walter</strong> Benjaminvor allem Wilhelm Liebknecht als Protagonistsozialistischer Bildungsarbeit mit<strong>der</strong> scheinbar revolutionären Parole „Wissenist Macht – Macht ist Wissen!“ (1872)das Kulturerbe <strong>des</strong> einst aufgeklärten,fortschrittlichen Bürgertums durch eineunbedachte Blanko-Erbübernahme inharmloses, für die Klassenherrschaft <strong>der</strong>Bourgeoisie völlig „ungefährliches“ Wissenzu wandeln, das <strong>der</strong> „Bildungsbeflissenheit“,dem „Gartenlauben“-Amüsement,aber kaum dem proletarischen Befreiungskampfdiente. 20 Wilhelm Liebknechtsweit mehr von Ferdinand Lassalleals von Karl Marx geprägter Anspruch,dass die Arbeiterklasse die wahreTreuhän<strong>der</strong>in <strong>der</strong> von <strong>der</strong> industriellenBourgeoisie verratenen Humanitäts idealesei, hat die sozialistische Kulturtheorienach <strong>Walter</strong> Benjamin entwaffnet: KarlKorn befasst sich 1908 in <strong>der</strong> Neuen Zeitmit „dem Begriff <strong>des</strong> Erbes, <strong>der</strong> auchheute wie<strong>der</strong> seine Bedeutung hat. Lassallesah im deutschen Idealismus, sagtKorn, ein Erbe, das die Arbeiterklasse antrat.An<strong>der</strong>s als Lassalle aber fasstenMarx und Engels die Sache auf. ‚Nicht[…] als ein Erbe leiteten sie den sozialenVorrang <strong>der</strong> Arbeiterklasse her, son<strong>der</strong>naus ihrer ausschlaggebenden Stellung imProduktionsprozess selber. Wie brauchtauch von Besitz, und sei es vom geistigenBesitz, […] geredet zu werden bei einemKlassenparvenü, wie dem mo<strong>der</strong>nen Proletariat,das jeden Tag und jede Stundedurch […] seine den gesamten Kulturapparatimmer aufs neue reproduzierendeArbeit sein ‚Recht‘ dartut… So ist fürMarx und Engels das Prunkstück <strong>des</strong> LassalleschenBildungsideals, die spekulativePhilosophie, kein Tabernakel, […] undimmer stärker haben sich beide […] zurNaturwissenschaft hingezogen gefühlt[…], die in <strong>der</strong> Tat für eine Klasse, <strong>der</strong>enIdee in ihrem Funktionieren besteht,ebenso die Wissenschaft schlechtwegheißen darf, wie für die herrschende undbesitzende Klasse alles Historische diegegebene Form ihrer Ideologie ausmacht…Tatsächlich vertritt die Historikfür das Bewusstsein ebenso die Besitzkategorie,wie im Ökonomischen das Kapi-


Beiträge 23tal die Herrschaft über vergangene Arbeitbedeutet.‘ Diese Kritik <strong>des</strong> Historismushat ihr Gewicht. Ihr Hinweis auf dieNaturwissenschaft jedoch – ‚die Wissenschaftschlechtweg‘ – gibt den Blick aufdie gefährliche Problematik <strong>der</strong> Bildungsfrageerst gänzlich frei. Das Prestige<strong>der</strong> Naturwissenschaften hatte seitBebel die Debatte beherrscht.“Benjamin unterstützte Korns Angriffauf ein vor allem von Lassalle transportiertes,mit den Namen Lessing o<strong>der</strong>Winckelmann verbundenes, humanistischhistorisches (<strong>der</strong> „klassischen“Antike zugewandtes) Arbeiterbildungsideal.Benjamin folgte auch Korns Plädoyerfür die Ausrichtung sozialistischerBildung an den Naturwissenschaften,auch wenn er Korns Blick auf die Technikfür völlig naiv, platt fortschrittsgläubig,positivistisch hielt, zumal Korn „<strong>der</strong><strong>des</strong>truktiven Seite <strong>der</strong> Dialektik“ zu fernestehend die repressiv-militaristischenFolgen <strong>der</strong> Naturwissenschaft übersah.Korn blicke hierauf nämlich „gemütlich,behaglich“ wie die „Industrie-Dichtung<strong>der</strong> Saint-Simonisten“ hun<strong>der</strong>t Jahre zuvor.(WBGS II/2, 472–475)Karl Korn (1865–1942) war nach philologischenStudien 1896 Redakteur <strong>der</strong>sozialdemokratischen Schleswig-HolsteinischenVolkszeitung in Kiel geworden.Er gehörte ab 1906 dem zentralenBildungsausschuss <strong>der</strong> SPD an. Mancheseiner Andeutungen lassen vermuten,dass er als „linker Positivist“ in den„Empiriokritizisten“ Richard Avenariusund Ernst Mach o<strong>der</strong> auch in WilhelmOstwald legitime Erben von FriedrichEngels’ materialistischer Philosophie gesehenhat. Als Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> proletarischenJugendbewegung erkannte Kornfrüh, dass die Arbeiterschaft im Rahmen<strong>der</strong> von bürgerlichen Universitätsdozentengetragenen Volkshochschulbildungreaktionären Vorstellungen ausgesetztwar. Die Kieler Arbeiter for<strong>der</strong>ten dieverpönte sozialistische „Tendenz“ ein,„so lief den Kieler organisierten Arbeiternvor einigen Jahren das Maß <strong>der</strong> Geduldüber, als ihnen die Universitätsprofessorenin ihren Volkshochschulkursenvon <strong>Geschichte</strong> nichts Wichtigeres vorzusetzenwussten als die Anekdoten vomalten Hammurabi.“ Als Redakteur <strong>der</strong>Arbeiter-Jugend erkannte Korn 1909 dieGefahr, dass die bürgerliche Jugendbewegung„dem proletarischen Emanzipationskampfdie heranwachsende Jugend“mit allerhand irrationalistisch romantischenIdeologien entreißen wollte.<strong>Walter</strong> Benjamin faszinierte an Kornwohl, dass dieser den menschheitsuniversellauftretenden, humanistisch-historischenBildungsbegriff selbst auflöste undKlassen spezifisch konkretisierte, dass ererkannte, die Arbeiter dürften <strong>der</strong> Bildungnicht wie ein bürgerliches Publikum, son<strong>der</strong>nals kämpfende Klasse gegenübertreten,dass er alle Illusionen von „reiner“,klassenneutraler Bildung und Erziehung,wie ihn etwa die Revisionisten am SPD-Parteitag in Mannheim 1906 o<strong>der</strong> in den„Sozialistischen Monatsheften“ laufendeinklagten, entgegentrat. 21Korn hielt am Begriff einer „proletarischenBildung“ fest, indem er <strong>der</strong> bürgerlichen„Bildungsklassik“ vorwarf, dieökonomische Unterdrückung <strong>der</strong> Arbeiterauf ideologisch kultureller Ebene verdeckt„innerlich“ und damit verschärft zureproduzieren. Die verinnerlicht stilleKnebelung <strong>der</strong> Beherrschten wirktschlimmer als die offene Repression:„Der ökonomischen und politischen Unterdrückungentspricht die ideologischeVergewaltigung <strong>der</strong> Unterklasse. Als solcheist, nebenbei bemerkt, hier natürlichnicht die mechanische Bevormundungund Knebelung <strong>der</strong> Beherrschten verstanden,wie sie beispielsweise in <strong>der</strong> Volksschulpolitik<strong>der</strong> preußischen Regierungsich manifestiert, son<strong>der</strong>n jene Beeinflussungin Sitte, Rechtsanschauungen, Ethikusw. vermöge <strong>der</strong>en die beherrschteKlasse im Bereich <strong>der</strong> idealen Werte unbewusstdieselben Normen anerkennt undanwendet, wie die herrschende Klasse.Im Bewusstsein <strong>der</strong> Unterdrückten istnoch stets jede Gewaltherrschaft am tiefstenverankert gewesen.“Korn griff 1908 die sozialdemokratischenReformisten und Revisionisten an,die weit hinter Lassalle zurückfallen, <strong>der</strong>in seiner blinden Anbetung <strong>der</strong> „spekulativenPhilosophie“ („als ob die herrschendeGeisteskultur über allen Klassen steheund eine rein menschliche Angelegenheitausmache“) <strong>der</strong> bürgerlichen Kultur denProzess zwar nur „rein kritisch“ gemachthatte, ohne wie Marx und Engels diesesPrinzip <strong>der</strong> „Kritik“ selbst in Frage zustellen. Korn billigt Lassalle aber zu, mit„agitatorischer Schlagkraft“ die kapitalistischeKlassenwirklichkeit attackiert zuhaben, auch wenn er illusionärer Weisedie Arbeiter-Waffen für seinen „ethischästhetischenSozialismus“ im „Arsenal<strong>des</strong> Gegners“, also „in <strong>der</strong> bürgerlichenKultur <strong>der</strong> Klassik“ vorzufinden glaubteund eine „Allianz zwischen dem deutschenProletariat und <strong>der</strong> deutschen Klassik“schmieden wollte: „Sozialisten, denso genannten Revisionisten, blieb es vorbehalten,nach Marx noch hinter Lassallezurückzugehen. Während Lassalle dochden Gegensatz von bürgerlicher und proletarischerKlassenwirklichkeit anerkanntund nur die Ideologie als gemeinsameaufgefasst hatte, lassen die Revisionistensogar den Gegensatz zwischen proletarischerund bürgerlicher Klassenwirklichkeitbloß als quantitativen Unterschiedgelten, <strong>der</strong>gestalt, dass ein stetiger Übergangvon dieser zu jener, das berühmte‚Hineinwachsen‘ in den sozialistischen‚Staat‘ sich vollzieht.“Lassalle verdient es nach Korn nichtmit den Revisionisten verglichen zu werden.Lassalles bürgerliche Bildungsverortungist geschichtlich erklärbar. Siewurde von ihm immerhin noch für denproletarischen Kampf instrumentalisiert,auch wenn er nicht mit Marx und Engelserkannt hat, dass das Proletariat seinesoziale Vorrangstellung nicht aus irgendwelchen„in die Vergangenheit weisenden“ideellen und kulturellen „Besitz -titeln als ein Erbe“ herleiten kann, son<strong>der</strong>nnur aus seiner hegemonialen Stellung„im Produktionsprozess selber“.Wenn Korn den proletarischen Bildungsbegriffnicht wie den bürgerlichenaus dem „Besitzfaktor“, son<strong>der</strong>n „aus <strong>der</strong>Not und dem Kampf <strong>der</strong> Gegenwart“,aus dem Kampf gegen die kapitalistischeAusbeutung hervor wachsen sieht, findet<strong>Walter</strong> Benjamin seine eigene Sicht einerDialektik von Kultur und Barbareibestätigt. Bürgerliche „Humanität“ undKultur gilt Karl Korn und ihm folgend<strong>Walter</strong> Benjamin immer und notwendigerWeise als Überbau <strong>des</strong> bürgerlichenKlassenindividuums, fernab „<strong>der</strong> proletarischenIdeologie“ <strong>der</strong> „Solidarität“.Deshalb kann das Proletariat auch nichtnaiv bewun<strong>der</strong>nd dem Humanitätsideal<strong>der</strong> Klassik gegenüberstehen. Das Folgendevon Korn 1908 Formulierte hatBenjamin dann drei Jahrzehnte später1937 im „Fuchs“ mehr o<strong>der</strong> weniger offenfür eine Kritik einer reformistischidealistischensozialistischen Kulturpolitikmit übernommen: „Zwischen SchillersJubelruf ‚Diesen Kuss <strong>der</strong> ganzenWelt!‘ und <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Mobil -machungsparole ‚Proletarier aller Län<strong>der</strong>,vereinigt Euch!‘ liegt ein gesellschaftlicherEntwicklungsprozess und,diesem entsprechend, ein Entwicklungsprozess<strong>des</strong> gesellschaftlichen Bewusstseins,<strong>der</strong> <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> Humanität, ohnescheinbar ihren Wortlaut zu verän<strong>der</strong>n,eine ganz verän<strong>der</strong>te Bedeutung gegebenhat. […] Und was Marx und Engels überdie Geschichtsideologie Hegels gesagthaben, gilt natürlich auch im vollen Umfangfür <strong>der</strong>en Vorläufer, gilt für Lessings‚Erziehung‘ und für Her<strong>der</strong>s1/12


24 Beiträge‚Ideen‘, gilt für alle klassischen Genealogien<strong>der</strong> Humanitätsidee, gilt für dieideologische Methode <strong>der</strong> Klassik nochmehr als für die Resultate dieser Methode.In <strong>der</strong> proletarischen Internationalenist das Humanitätsideal <strong>der</strong> Klassik, istdie Menschheit selber aus dem Wolkenkuckucksheim<strong>der</strong> Begriffe heruntergeholtund auf die ‚wohlgegründete‘ Erdegestellt worden. Und aus <strong>der</strong> Humanitäterstand die Solidarität. Gewiss, das Proletariathat das Erbe <strong>der</strong> Klassik angetreten,aber sehr cum beneficio inventarii,unter starkem historischem Vorbehalt.“ 22* Fortsetzung <strong>des</strong> Benjamin-Artikels in<strong>der</strong> Ausgabe Nr. 2/2011 <strong>der</strong> „Mitteilungen<strong>der</strong> Alfred Klahr Gesellschaft“Anmerkungen:1/ Die seit 1971 in sieben Bänden erschienenen,von Rolf Tiedemann und HermannSchweppenhäuser herausgegebenen „GesammeltenSchriften“ <strong>Walter</strong> <strong>Benjamins</strong> werden unterfolgen<strong>der</strong> Abkürzung samt Bandangabe zitiert:WBGS. Band V/1–2 dieser „GesammeltenSchriften“, das „Passagen-Werk“, wird mit„Pass“ zitiert. Die zwischen 1995 und 2000 insechs Bänden erschienenen, von ChristophGödde und Henri Lonitz herausgegebenen„Gesammelten Briefe“ <strong>Benjamins</strong> werden zitiertals: WB-Briefe. Die Ausgabe <strong>der</strong> „Marx-Engels-Werke“ wird mit „MEW“ zitiert.2/ Vgl. Wolfgang Häusler: Sigmund Englän<strong>der</strong> –Kritiker <strong>des</strong> Vormärz, Satiriker <strong>der</strong> Wiener Revolutionund Freund Friedrich Hebbels, in:Juden im Vormärz und in <strong>der</strong> Revolution von1848, hg. von <strong>Walter</strong> Grab und Julius H.Schoeps, Stuttgart–Bonn 1983, 83–137.3/ Vgl. Paul Lafargue: Der Klassenkampf inFrankreich, in: Die Neue Zeit 12/2 (1893/94),613–621, 641–647, 676–682, 705–721.4/ Vgl. Paul Lafargue: Die christliche Liebes -Alfred Klahr GesellschaftVerein zur Erforschung<strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong><strong>der</strong> Arbeiterbewegungtätigkeit, in: Die Neue Zeit 23/1 (1904/05), 75–85, 118–126, 145–153, hier 145–149.5/ Hermann Wendel: Jules Vallès, in: Die NeueZeit 31/1 (1912/13), 105–111. – Fritz. Th. Schulte:Honoré Daumier, in: Die Neue Zeit 32/1(1913/14), 831–837 und Franz Die<strong>der</strong>ich: Zolaals Utopist, in: Die Neue Zeit 20/1 (1901/02),324–332.6/ Vgl. Paul Lafargue: Die Ursachen <strong>des</strong> Gottesglaubens,in: Die Neue Zeit 24/1 (1905/06),476–480, 508–518, 548–556, hier 512.7/ Vgl. Georg Plechanow: Über die Anfänge <strong>der</strong>Lehre vom Klassenkampf, in: Die Neue Zeit21/1 (1903), 275–286 und 292–305, hier 285,296. Sowie Georg Plechanow: Wie die Bourgeoisieihrer Revolution gedenkt, in: Die Neue Zeit9/1 (1891), 97–102 und 135–140, hier 138.8/ Nach Franz Mehring: Zum Gedächtniß <strong>der</strong>Pariser Kommune, in: Die Neue Zeit 14/1(1895/96), 737–740.9/ E. Tarlé: Der Lyoner Arbeiteraufstand, in:Marx-Engels Archiv II (1927), 56–113, hier 99,102, 113.10/ Nach Franz Mehring: Ein Gedenktag <strong>des</strong>Kommunismus, in: Die Neue Zeit 16/1 (1897/98),353–356. – Mehrings Gedenkartikel zum kommunistischenManifest und zur Pariser Kommunejetzt auch in Franz Mehring: Aufsätze zur <strong>Geschichte</strong><strong>der</strong> Arbeiterbewegung. (=GesammelteSchriften 4), Berlin 1963, 209–214 und 387–391.11/ Über den im sowohl im Vorfeld <strong>des</strong> Juni1848 als auch <strong>des</strong> 18. März 1871 zau<strong>der</strong>ndenund pessimistischen Blanqui vgl. Frank Deppe:Verschwörung, Aufstand und Revolution. AugusteBlanqui und das Problem <strong>der</strong> sozialen Revolutionim 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, Frankfurt/M. 1970,92–97, 154–157.12/ <strong>Walter</strong> Benjamin: Über den Begriff <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>,in <strong>der</strong>selbe: Gesammelte Schriften I/2,Frankfurt/M. 1974, 691–704 (=WBGS I/2, 691–704). Jetzt auch historisch-kritisch ediert <strong>Walter</strong>Benjamin: Über den Begriff <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>, hg.von Gèrard Raulet. (=Werke und Nachlass. Kri-Bildungsverein <strong>der</strong>KPÖ steiermarKTagung zur WohnungspolitikUniv.-Prof. Dr. Hans Hautmann: Wohnbau und Wohnungspolitik im „RotenWien“ 1919–1934Dr. Antje Senarclens de Grancy (Institut für Architekturtheorie, Kunst- undKulturwissenschaften <strong>der</strong> TU Graz): Kommunaler Wohnbau in Graz vor 1934Dr. Andrej Holm (Stadtforscher, Humboldt-Universität zu Berlin)elke Kahr (Stadträtin für Wohnungsangelegenheiten, KPÖ Graz)Samstag, 12. Mai 2012, 9.30 bis ca. 17.00Bildungszentrum <strong>der</strong> KPÖ Steiermark im Volkshaus GrazLagergasse 98a, 8020 Graztische Gesamtausgabe 19), Berlin 2010.13/ Karl Kautsky: Darwinismus und Marxismus,in: Die Neue Zeit 13/1 (1894/95), 709–716. Benjaminberuft sich auf Heinrich Laufenberg: Dogmaund Klassenkampf, in: Die Neue Zeit 27/1(1908/09), 564–574. Ähnlich Benjamin auchGramsci gegen den „Ferrismus“ bzw. gegenden „Lorianismus“ in den „Gefängnisheften“.14/ <strong>Walter</strong> Benjamin: Eduard Fuchs, <strong>der</strong> Sammlerund Historiker (1937), in <strong>der</strong>selbe: GesammelteSchriften II/2, Frankfurt/M. 1977, 465–505(das ist also WBGS II/2, 465–505).15/ Vgl. Georg Lukács: Franz Mehring 1846–1919 [1933], in <strong>der</strong>s.: Beiträge zur <strong>Geschichte</strong><strong>der</strong> Ästhetik, Berlin 1954, 318–403.16/ Hermann Thurow: Aus den Anfängen <strong>der</strong>sozialistischen Belletristik, in: Die Neue Zeit21/2 (1902/03), 212–222.17/ J. Karski: Mo<strong>der</strong>ne Kunstströmungen undSozialismus, in: Die Neue Zeit 20/1 (1901/02),140–147.18/ Vgl. Georg Fülberth: Proletarische Partei undbürgerliche Literatur. Auseinan<strong>der</strong>setzungen in<strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie <strong>der</strong> II. Internationaleüber Möglichkeiten und Grenzen einersozialistischen Literaturpolitik, Neuwied-Berlin1972 o<strong>der</strong> Herbert Scherer: Bürgerlich-oppositionelleLiteraten und sozialdemokratische Arbeiterbewegungnach 1890. Die „Friedrichshagener“und ihr Einfluss auf die sozialdemokratischeKulturpolitik, Stuttgart 1974. Aktueller Forschungsstand,in: Lexikon sozialistischer Literatur.Ihre <strong>Geschichte</strong> in Deutschland bis 1945,Stuttgart 1994, Stichworte: u.a. „Naturalismus-Debatte“, „Schiller-Debatte“, „Sperber-Debatte“.19/ Zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> sozialdemokratischenBildungsarbeit vor 1917 generell Dieter Fricke:Handbuch zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> deutschen Arbeiterbewegungin zwei Bänden, Berlin 1987, hierBand 1, 661–697.20/ Die Programm-Reden von Hermann Schulze-Delitzsch(1861) und Wilhelm Liebknecht(1872) nach dem Abdruck in: Zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong>Arbeiterbildung, kommentiert herausgegebenvon Hildegard Feidel-Mertz, Bad Heilbrunn 1968.21/ Vgl. Karl Korn: Klassenbildung, in: Die NeueZeit 25/2 (1906/07), 385–396 und Rezensionvon Karl Korns „Die bürgerliche Jugendbewegung“,in: Die Neue Zeit 29/1 (1910/11), 469f.Zu Erziehungs- und Bildungskonzepten, zumStellenwert „reiner“ o<strong>der</strong> „politischer“ Bildung,also zur „Bildungsneutralität“ o<strong>der</strong> zum „Humanismusstreit“,zu den Konflikten zwischen parteirechtenund -linken Bildungstheoretikern vgl.generell Christa Uhlig: Reformpädagogik: Rezeptionund Kritik in <strong>der</strong> Arbeiterbewegung.Quellenauswahl aus den Zeitschriften „DieNeue Zeit“ (1883–1918) und „SozialistischeMonatshefte (1895/97–1918). (=Studien zur Bildungsreform46), Frankfurt/M. 2006.22/ Karl Korn: Proletariat und Klassik, in: DieNeue Zeit 26/2 (1907/08), 409–418. (am 19. Juni1908 im Feuilleton <strong>der</strong> Neuen Zeit erschienen).1/12

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