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Gegenüberstellung qualitativer und quantitativer Forschung

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„Gegenüberstellung <strong>qualitativer</strong> <strong>und</strong> <strong>quantitativer</strong> <strong>Forschung</strong> <strong>und</strong>Aufbereitungsverfahren <strong>und</strong> Auswertungsverfahren <strong>qualitativer</strong><strong>Forschung</strong>sergebnisse“Referat im Fach SoziologieReferenten: Gereon Falck / Susanne TramberendStudiengang PflegeGliederung1. Einleitung2. Definitionen3. Gr<strong>und</strong>orientierung der einzelnen Richtungen3.1. Quantitative Sozialforschung3.2 Qualitative Sozialforschung3.2.1 Phänomenologie3.2.2.Hermeneutik4. <strong>Forschung</strong>slogik5. Aufbereitungsverfahren <strong>qualitativer</strong> Datensammlung5.1 Wahl der Darstellungsmittel5.2 Transkription5.2.1 wörtliche Transkription5.2.2 kommentierte Transkription5.3. Protokolle5.3.1 zusammenfassendes Protokoll5.3.2 selektives Protokoll5.4. Konstruktion deskriptiver Ergebnisse6. Auswertungsverfahren <strong>qualitativer</strong> Datensammlung6.1 Überblick über fünf Auswertungsverfahren6.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring6.3 Sozialwissenschaftliche hermeneutische Paraphrase1


1. Lieber ein Glas Bordeaux trinken als zwei Liter Lambrusco?Der auf den ersten Blick etwas unwissenschaftlich wirkende Vergleich von Weinsortendient dazu einen Zugang zu den unterschiedlichen <strong>Forschung</strong>sweisen darzustellen.Wenn Ihr die Begriffe„ Bordeaux “ <strong>und</strong> „ Lambrusco “ hört, so verbindet Ihr damiteine Wertung in guten oder schlechten Wein:„Bordeaux“ steht für teure Weine, für lange Lagerungsfähigkeit, für das gute Leben inFrankreich, also für einen qualitativ hochwertigen Wein.„Lambrusco“ hingegen steht für einen Massen Wein der eher der Pizza – Lieferungbeigefügt wird, <strong>und</strong> nicht unbedingt einen exquisiten Lebensstil vermuten lässt.Beides sind sicherlich trinkbare Weine, aber Qualität <strong>und</strong> Quantität sind imGeschmack nicht zu vergleichen.Womit die Begriffe „ Qualität “ <strong>und</strong> „ Quantität “ zum ersten Mal Eingang in dieseAbhandlung gef<strong>und</strong>en haben.Die Auswahl der Weine hängt von der Zielsetzung des „Trinkers“ <strong>und</strong> der jeweiligenSituation ab, in der sich der „Trinker“ befindet.Auf einer Party wird der Gastgeber sicherlich nicht 10 Flaschen eines zwanzig Jahrealten Bordeaux zum betrinken reichen........Die Frage, wann wir in der Sozialforschung quantitative oder qualitative Methodeneinsetzen ist ebenso ziel- <strong>und</strong> situationsabhängig.Sinn dieser Abhandlung kann es daher nicht sein, den wissenschaftstheoretischenDiskurs im Sinne einer Wertung desselben durchzuführen.Vielmehr geht es uns darum, die unterschiedlichen Positionen <strong>qualitativer</strong>/<strong>quantitativer</strong> Sozialforschung aufzuzeigen.2


Dies geschieht zu einem indem die wissenschaftstheoretische Gr<strong>und</strong>orientierungbeider „ Richtungen“ ansatzweise skizziert wird.Zum zweiten wird exemplarisch der forschungslogische Ablauf, d.h. wie sich aus denunterschiedlichen Gr<strong>und</strong>orientierungen die praktische Sozialforschung ergibt,aufgezeigt.Zum guten Schluss wird versucht einen großen Bogen zu schlagen.Ohne auf die qualitativen Datenerhebungsverfahren eingehen zu können, werdensofort die Aufbereitungs- als auch die Auswertungsverfahren dargestellt.2. DefinitionenIn jeder halbwegs gelungen wissenschaftlichen Arbeit ist es notwendig einenvertiefenden Einblick in die jeweilige Materie mittels einiger Definitionen herzustellen.Wir befinden uns in dem Seminar „Einführung in die empirische Sozialforschung“ imFach Soziologie.Die Soziologie, als Teilwissenschaft der Sozialwissenschaften ist die „ Wiss. von derGesellschaft, ihren Formen, Gesetzlichkeiten <strong>und</strong> ihrer Entwicklung ……. Dieempirische Sozialforschung versucht <strong>Forschung</strong>shypothesen durch Ansammeln vonTatsachenmaterial ( Erhebungen, Gruppenexperimente ) zu untermauern“. 1Den Begriff Quantität definiert der Brockhaus wie folgt: „ Quantität die, Menge,Größe; “ 2 .Nun muss noch der der Begriff Qualität definiert werden: „ Qualität die, Güte,Beschaffenheit; 3Schon anhand dieser Definitionen lässt sich ein Unterschied zwischen den beidenTraditionen herauskristallisieren:1 Zit. aus: Brockhaus in einem Band ;9.Auflage; Brockhaus Verlag Leipzig; 2000; Seite 8522 Zit. aus: Brockhaus in einem Band ;9.Auflage; Brockhaus Verlag Leipzig; 2000; Seite 7273 Zit. aus: Brockhaus in einem Band ;9.Auflage; Brockhaus Verlag Leipzig; 2000; Seite 7273


Während sich die quantitative Sozialforschung eher mit großen Stichprobenbeschäftigt, so wird sich die qualitative Sozialforschung eher mit einer kleinerenStichprobe befassen.Diese zunächst offensichtlichen Unterschiede werden nun im folgenden Kapitel nochweiter ausgeführt3. Gr<strong>und</strong>orientierung der einzelnen Richtungen 43.1 Quantitative SozialforschungWie schon in der Einleitung beschrieben beinhaltet der Begriff „Quantität“ keineBeurteilung der Qualität der <strong>Forschung</strong>sleistung.Vielmehr hat die Quantitative Sozialforschung eine andere wissenschaftlicheGr<strong>und</strong>orientierung.Diese Gr<strong>und</strong>orientierung ist naturwissenschaftlich.Um eine Gr<strong>und</strong>orientierung zu begründen benötigt eine Wissenschaft einewissenschaftstheoretische Haltung.Aus dieser wissenschaftstheoretischen Position, auch metatheoretischen Positiongenannt, lässt sich erklären warum die quantitative Sozialforschung ihre<strong>Forschung</strong>swerkzeuge entwickelt hat.Eine Metatheoretische Ebene der quantitativen Sozialforschung ist unter anderen diedes „ Kritischen Rationalismus“.Im Folgenden soll diese Positionen kurz dargestellt werden3.1.1 Kritischer RationalismusPopper beschreibt die Wissenschaft in einem Zitat wie folgt:„ Wissenschaft baut nicht auf Felsengr<strong>und</strong>. Es ist eher ein Sumpfland, über dem sichdie kühne Konstruktion ihrer Theorien erhebt; sie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeilersich von oben her in den Sumpf senken - aber nicht bis zu einem 'gegebenen' Gr<strong>und</strong>.Denn nicht deshalb hört man auf, die Pfeiler tiefer hineinzutreiben, weil man auf eine4 vgl. im folgenden Lamnek 1995 Seite 2584


feste Schicht gestoßen ist: wenn man hofft, daß sie das Gebäude eines Tages tragenwerde, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen" 5 .Für Popper ist der Mensch ein rationales Wesen. Die Gesetzte der Logik gelten fürihn genauso wie für alles Leben auf der Erde <strong>und</strong> sind damit im Popperschen Sinneobjektive Strukturen der Welt.Eine gesicherte Wahrheit ist für Menschen nach Popper unerreichbar, die Möglichkeiteines Irrtums bleibt immer bestehen. Es wird jedoch versucht sich der Wahrheitanzunähern, um die Welt immer besser erklären zu können. Die Idee der objektiven,wenn auch nicht vollständig erkennbaren Wahrheit ist zentral für den Ansatz vonPopper. Der Versuch, der Wahrheit näher zu kommen ist damit Ziel derWissenschaft.Die Aussagen einer empirischen Wissenschaft, ihre Hypothesen <strong>und</strong> Theorien,müssen nach Popper an der Erfahrung scheitern können also falsifiziert werden.Es handelt sich bei den Ergebnissen der Wissenschaft um empirisch überprüfbarebzw. bereits möglichst mit Erfolg streng geprüfte Aussagen, um empirisch bewährteuniverselle Theorien.3.2 Qualitative SozialforschungDie qualitative Sozialforschung hat eine geisteswissenschaftliche Gr<strong>und</strong>orientierung.Als eine wissenschaftstheoretische Haltung wird die Phänomenologie <strong>und</strong> dieHermeneutik dargestellt.3.2.1. PhänomenologieDie Phänomenologie ist keine identische, klar abgegrenzte wissenschaftlicheFachrichtung.Lamnek beschreibt zum einem die Phänomenologie als eine „streng philosophischePhänomenologie, die sich als die Philosophie überhaupt versteht “… <strong>und</strong> bis zur „angewandten Phänomenologie in den Geistes <strong>und</strong> Sozialwissenschaften “ 6 reicht.5 Popper, „Logik der <strong>Forschung</strong>“, 1982, Seite 755


Edm<strong>und</strong> Husserl der Entwickler der Phänomenologie beansprucht im Gegensatz zuden positivistischen Wissenschaften zu denen auch der kritische RationalismusPoppers gehört, eine absolut sichere Basis für alle anderen Wissenschaften zu sein.Sie strebt nach letzter Klarheit, ihre Aufgabe besteht darin „ Phänomene so zuerfassen wie sie sind <strong>und</strong> nicht, wie sie uns aufgr<strong>und</strong> von Vorurteilen oder Theorienerscheinen“ 7Der Philosoph Heidegger beschreibt die Phänomenologie als „Das was sich zeigt, sowie es sich von ihm selbst her zeigt, von ihm selbst her sehen lassen.“Phänomene, daher der Begriff der Phänomenologie, sind Erscheinungen. Diesebeinhalten keine Theorie die anhand von Hypothesen widerspruchsfrei belegt werdenmüssen. Es geht darum, zu den „Dingen an sich“ vorzudringen. Das zuuntersuchende Objekt wird zum Phänomen.Es existieren keine Gesetze der Logik als objektive Strukturen der Welt. Vielmehrschafft die subjektive Wahrheit des Menschen die Wirklichkeit. 83.2.2. Hermeneutik:Gegenstand der Hermeneutik ist die Auslegung menschlicher Lebensäußerungen 9 .Dabei nimmt der Begriff des Verstehens eine zentrale Rolle ein. Verstehen ist das„Erkennen eines Inneren an dem Äußeren eines Zeichens“ 10 Dabei spielt das „Sinn-Verstehen“ also das Suchen nach der Sinnhaftigkeit der Dinge die bedeutendsteRolle. Die hermeneutische Theorie will nicht das Weltganze <strong>und</strong> auch nicht dieIndividualität einzelner Menschen komplett erfassen. Es geht vielmehr um ein6 vgl. Lamnek 1995 Seite 587 vgl. Lamnek ;1995; S. 59 / 608 vgl. Lamnek ;1995; S. 2599 vgl. Lamnek, 1995; S.8710 Dilthey, 19576


wirkliches Erleben, Erfahren, Ausdrücken <strong>und</strong> Verstehen <strong>und</strong> die Wechselwirkungzwischen diesen Komponenten. 114. <strong>Forschung</strong>slogikQuantitative SozialforschungQualitative Sozialforschung<strong>Forschung</strong>slogik Erklären VerstehendeduktivinduktivobjektivsubjektivGeneralisierungTypisierungReplizierbarkeitSingularitätDistanzIdentifikationZweckSozialforschung zumZwecke derTheorieüberprüfungSozialforschung als Instrument derTheorieentwicklung<strong>Forschung</strong>s-InteresseTheoretisches <strong>und</strong>technologisches InteresseKritisch-emanzipatorisches, praktischesErkenntnissinteresse5. Aufbereitungsverfahren <strong>qualitativer</strong> DatensammlungWie im vorangegangen Absatz beschrieben ist ein deutlicher Unterschied zwischenbeiden <strong>Forschung</strong>srichtungen deutlich geworden.Ohne hier <strong>und</strong> jetzt auf die Aufbereitungsverfahren in der quantitativenAufbereitungsverfahren eingehen zu wollen ist eine exakte Aufbereitung desMaterials ist deshalb in der qualitativen Sozialforschung von immenser Bedeutung.,11 vgl. Hermeneutischer Zirkel nach Dilthey7


weil die exakte <strong>und</strong> angemessene Deskription Anliegen der qualitativenSozialforschung ist.Die erhobenen Daten müssen festgehalten, aufgezeichnet, aufbereitet <strong>und</strong> geordnetwerden. Ohne eine exakte Vorgehensweise in diesen Bereichen kann dieinteressanteste <strong>Forschung</strong> zunichte gemacht werden. Für die untenstehenden Punktewerden nun einige Techniken aufgezeigt, die einer GegenstandsbezogenenBeschreibung dienlich sind.5.1 Wahl der DarstellungsmittelDas Hauptdarstellungsmittel des Forschers ist die geschriebene Sprache. dennochsteht eine Fülle weitere Mittel zur Verfügung, die kreativ einsetzbar sind.Zwei Richtlinien für die Wahl der Darstellungsmittel sind dabei maßgeblich:Zum einen müssen die Darstellungsmittel dem Gegenstand angemessen sein:Zum Beispiel lassen sich komplizierte Sinnzusammenhänge im direkten Zitat gutdarstellen.Fotos dienen bei Situationsanalysen, Handlungszusammenhängen oder wenn es umemotionale Aspekte geht einer geeigneten Untermauerung.Wenn das Material gut zu ordnen ist, empfiehlt sich auch eine graphische Darstellungin beispielsweise Tabellen.Zum zweiten ermöglicht eine kreative, vielfältige Kombination der Darstellungsmittelein leichteres Verständnis <strong>und</strong> eine effektivere Auswertung.Eine besondere Methode graphischer Darstellungen liegt dann vor, wenn dieBeforschten selbst zu ihr greifen, etwa bei der Aufzeichnung ihrer Einschätzungen ineine Kurve im Rahmen der Lebenslinientechnik. Hier verwischen die BereicheDatenerhebung <strong>und</strong> Aufbereitung.Im Folgenden werden einige Darstellungsmittel aufgelistet: 12• schriftlicher Text8


• audio-visuelle Darstellungo Bildmaterialo Filmmaterialo Tonbandmaterial• Graphische Darstellung:o Tabelle: das Material wird in bestimme Kategorien eingeordneto Prozessmodell: Abläufe werden in Einheiten zerlegto Kontextmodell: Zuordnung der Gegenstände zu unterschiedlichenKontextmerkmaleno Strukturmodell: Systematisches in Verbindung setzen der Gegenstände5.2 TranskriptionWenn gesprochene Sprache verschriftlicht wird, spricht man von Transkription.Transkriptionen sind häufig sehr aufwendig, bilden jedoch die Basis für eine exakteAuswertung.5.2.1 wörtliche TranskriptionHier erfolgt eine vollständige Texterfassung.Dabei gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen zu transkribieren.Die genauste Form stellt die Nutzung des internationalen Phonetischen Alphabetsdar, mit dem Dialekte <strong>und</strong> Besonderheiten der gesprochenen Sprache am bestenvermittelt werden können. Jedoch sind solche Texte schwer zu lesen <strong>und</strong> oft spieltder Dialekt keine entscheidende Rolle.Dialekte können aber auch in literarischer Umschreibung niedergeschrieben werden.Wenn die inhaltliche Ebene im Vordergr<strong>und</strong> steht wird der Text in normalesSchriftdeutsch übertragen, wobei Satzbaufehler bereinigt <strong>und</strong> der Stil somit geglättetwird.12 vgl Mayring, 1999, S. 679


5.2.2 kommentierte TranskriptionBei der kommentierten Transkription werden wichtige Informationen, die über dasWortprotokoll hinausgehen, ebenfalls erfasst. das sind zum Beispiel: Sprachpausen,Senken des Stimme, Frageintonation, Lachen, schnelles Reden….Die Kommentierung kann im Text erfolgen, was aber auf Kosten der Lesbarkeit geht,oder in einer weiteren Spalte separat neben dem Text stehen.5.3. ProtokolleDie beiden folgenden Protokolltechniken zeigen auf, wie sich die Materialfülle bei derAufarbeitung sinnvoll reduzieren lässt.5.3.1 zusammenfassendes ProtokollAls Technik der Zusammenfassung des Protokolls bietet sich die qualitativeInhaltsanalyse an. Somit werden die Zusammenfassungen nicht dem Zufallüberlassen sondern können kontrolliert methodisch erfolgen. Dabei wird dasAllgemeinheitsniveau des Materials vereinheitlicht <strong>und</strong> schrittweise höher gesetzt. 13Man bedient sich bei der Verallgemeinerung 6 Elementen zur Reduktion desMaterials:• Auslassen: jede Aussage, die an mehreren Stellen bedeutungsgleich auftritt, wirdausgelassen• Generalisieren: Aussagen(entspr. Propositionen), die durch übergeordneteAussagen bereits impliziert sind, werden durch diese ersetzt• Integration: Eine Aussage, die in einer anderen Aussagenkonstruktion aufgeht,kann weggelassen werden.13 vgl. Mayring, 1999, S. 7310


• Selektion: zentrale Aussagen werden unverändert beibehalten, da sie wesentlicheTextbausteine darstellen• Bündelung: Inhaltlich zusammengehörende, im Text aber weit verstreuteAussagen, werden zusammengefasst.• Konstruktion: aus mehreren Aussagen wird eine globale AussagezusammengefasstMit dieser Technik lassen sich große Materialmengen bearbeiten. Sie ist allerdingsnur zu verwenden, wenn man an der inhaltlich-thematischen Seite interessiert ist <strong>und</strong>weniger an emotionalen Aspekten5.3.2 selektives ProtokollBei dieser Protokoll –Technik wird anhand von vorher gewählten Kriterien einigenicht notwendige Aspekte weggelassen.5.4. Konstruktion deskriptiver Systeme 14Diese Technik ist am ehesten im Bereich der Auswertung anzusiedeln.Bei der Erstellung deskriptiver, d.h. beschreibender Systeme, wird das Materialunterschiedlichsten Überschriften zugeordnet. Diese werden Kategorien zugeordnet.Diese Kategorien werden theoriegeleitet am empirischen Material überprüft.11


6.2 AuswertungsverfahrenBei der Vorstellung der Auswertungsverfahren wird hauptsächlich Bezug genommenauf Mayrings „Einführung in die qualitative Sozialforschung“ (1999). Mayring stelltsieben Auswertungsverfahren vor, um einen Überblick über die Bandbreite moderner<strong>qualitativer</strong> <strong>Forschung</strong> zu geben. Die Bandbreite der vorgestellten Verfahren reichtvon strukturierten bis zu weniger strukturierten Vorgehensweisen. Im Folgendenwerden zwei Verfahren exemplarisch ausführlicher dargestellt, die restlichen werdennur kurz umrissen.Generell ist zu bemerken, dass die qualitativen Analyseansätze nicht nur isoliertgesehen werden sollten, sondern miteinander kombinierbar sind.Wichtig ist, dass die Zusammenstellung des Analyseinstrumentariums auf denGegenstand der Untersuchung bezogen sein muss <strong>und</strong> nicht durch persönlicheVorlieben vorbestimmt werden sollte.6.1 Verfahrensüberblick6.1.1 Gegenstandsbezogene TheoriebildungDie gegenstandsbezogene Theoriebildung ist ein Vertreter der unstrukturiertenAuswertungsverfahren.Von der Vorgehensweise her, werden schon während der DatensammlungHypothesen oder theoretische Konzepte entwickelt <strong>und</strong> verknüpft, so dass sichErhebung <strong>und</strong> Auswertung der Daten überschneiden. Die Konzeptbildung findet alsowährend der Datenerhebung statt, so dass sich ein theoretischer Bezugsrahmenherauskristallisiert, der schrittweise vervollständigt wird. Wenn der theoretischeRahmen aussagekräftig genug ist, kann die Datenerhebung abgebrochen werden.Bsp.: Untersuchung von Arbeitslosen in einem österreichischen DorfWährend der Datenerhebung fiel in allen untersuchten Feldern (Kultur, Politik,Arbeitssuche) eine vorherrschende Müdigkeit <strong>und</strong> Interesselosigkeit auf. Das sichdaraus ergebende theoretische Konstrukt sagte folgendes aus: Trotz Arbeitslosigkeitim Sinne von „ nicht beschäftigt sein“ herrscht Energielosigkeit vor.12


Solche Konstrukte können verfeinert <strong>und</strong> mit weiteren Konstrukten verknüpftwerden.Zur Anwendung kommt die gegenstandsbezogene Theoriebildung besonders bei derteilnehmenden Beobachtung, vor allem, wenn der zu erforschende Bereich nochunerforscht ist.6.1.2 Phänomenologische AnalyseBei dem Verfahren der Phänomenologischen Analyse werden Phänomene aus derSicht des betroffenen Subjektes beschrieben. Anschließend wird versucht, dasPhänomen auf seine wesentlichen Kernaussagen zu reduzieren.Bsp.: Befragung zum Erleben der WochenbettdepressionIm Verlauf der Auswertung kam es zur Reduktion auf folgende Aussagen alswesentliche Elemente:‣ Einsamkeit‣ Zwangsvorstellung, eine schlechte Mutter zu sein‣ Angst, Schuldgefühle‣ Konzentrationsunfähigkeit‣ Unsicherheit6.1.3 Objektive HermeneutikMittels der Objektiven Hermeneutik sollen zum Einen subjektive Bedeutungen erfasstwerden, um dann die dahinter liegenden objektivierbaren Sinnstrukturen zuerkennen. Um das zu erreichen wird in einem aufwändigen Verfahren schrittweiseein systematischer Vergleich von möglichen <strong>und</strong> tatsächlichen Bedeutungsinhaltendes vorliegenden Materials vorgenommen. Das Material wird zu diesem Zweckzerlegt <strong>und</strong> die einzelne Handlung in gedachte andere Kontexte eingeb<strong>und</strong>en. Ausdiesen anderen Kontexten, in die diese Handlung ebenfalls passen würde, wird aufallgemeine Struktureigenschaften für den Kontext dieser Handlung gefolgert. Alsletzten Schritt kommt es zu einer allgemeinen Aussage über die Struktur für diesenHandlungskontext.13


Wegen des aufwändigen Verfahrens ist die Technik der Objektiven Hermeneutik nurgeeignet, um kleine Materialausschnitte zu bearbeiten <strong>und</strong> mit erheblichemRessourceneinsatz verb<strong>und</strong>en.6.1.4 psychoanalytische TextinterpretationMit Hilfe der psychoanalytischen Textinterpretation soll mit psychoanalytischenMitteln das Material analysiert <strong>und</strong> verdrängte Gehalte freigelegt werden.In der Anwendung ist man an den vorgegebenen Theoriehintergr<strong>und</strong> derPsychoanalyse geb<strong>und</strong>en. Die Fragestellung muss demzufolge in diesenZusammenhang passen.6.1.5 typologische AnalyseIm Rahmen der typologischen Analyse werden vorher Kriterien festgelegt, nachdenen die Bestandteile aus dem Text herausgefiltert werden, die ihn besonderscharakterisieren.Mit Hilfe der typologischen Analyse kann man Ordnung in eine große Mengeexploratives Material bringen <strong>und</strong> trotzdem einen Fall detailliert beschreiben.6.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach MayringBei der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring handelt es sich um einstrukturiertes Verfahren der Auswertung. Wichtig ist hierbei die systematischeVorgehensweise nach der das vorliegende Material bearbeitet wird. Das Material wirdim Vorfeld zergliedert <strong>und</strong> dann bearbeitet, in dem ein Kategoriensystemtheoriegeleitet am Material entwickelt wird, wobei die Analyseaspekte vorherfestgelegt werden.An dieser Stelle soll noch eine Begriffsklärung erfolgen:Der Begriff „Kategorie“ kommt aus dem Griechischen <strong>und</strong> bedeutet „ Gr<strong>und</strong>aussage“oder allg.: „ Typ, Klasse, Sorte“. 1515 Zit. aus: Meyers grosses Taschenlexikon1992, S.21214


Der Begriff „abstrakt“ kommt aus dem Lateinischen <strong>und</strong> bedeutet: „von sinnlichwahrgenommenen lösen, unanschaulich, theoretisch“ 16 .Eine Paraphrase ist eine Formulierung, die anstelle des ursprünglichen Materialsstehen kann.Die qualitative Inhaltsanalyse wurde im Rahmen eines größeren <strong>Forschung</strong>sprojektesan transkribierten Protokollen offener Interviews erarbeitet. Bei dem<strong>Forschung</strong>sprojekt handelte es sich um eine Untersuchung der Situation arbeitsloserLehrer. Es wurden 75 Lehrer über ein Jahr hinweg sieben mal interviewt.In diesem Zusammenhang hat Mayring folgendes Ablaufmodell beiinhaltsanalytischem Vorgehen entwickelt. 17Stufe 1: Festlegung des Materials, das analysiert werden soll:‣ Auswahl der Textstellen, in denen sich der Befragte auf die<strong>Forschung</strong>sfrage beziehtStufe 2: Analyse der Entstehungssituation:‣ Informationen über den Entstehungszusammenhang des InterviewssammelnStufe 3: Untersuchung der formalen Characteristika des Materials:‣ in welcher Form liegt das Material vor?‣ Wie wurde transkribiert?Stufe 4: Bestimmung der Richtung der Analyse:‣ auf welchen Gegenstand soll sich die Analyse richten?Stufe 5: Differenzierung der Fragestellung anhand des theoretischen Hintergr<strong>und</strong>es.‣ Anbindung der Fragestellung der Analyse an die Ergebnisse der bishererfolgten <strong>Forschung</strong>16 zit.aus: Meyers grosses Taschenlexikon 1992, S. 4617 vgl. Lamnek, 1995, S. 207ff.15


Stufe 6: Bestimmung der anzuwendenden Analysetechnik:‣ Auswahl aus drei VerfaStufe 7: Definition der Analyseeinheit:‣ Bestimmung der Textteile, die ausgewertet werden sollen‣ Festlegung der Beschaffenheit einer Phrase, die als Kategorie fungieren soll‣ Definition des Begriffes „Kategorie“ in diesem Zusammenhang: Merkmaledes Textes, die der Forscher ermittelt hat, um den Text zu beschreiben 18Stufe 8: Analyse des Materials.‣ hier werden drei Gr<strong>und</strong>formen unterschieden:8.1 Zusammenfassung:Das Ziel der zusammenfassenden Analyse ist es, das Material auf seinewesentlichen Inhalte zu reduzieren mit dem Ergebnis eines überschaubaren,abstrakten Textes. Dieses Ziel wird erreicht, in dem das Material paraphrasiert<strong>und</strong> über Auslassung, Generalisierung, Konstruktion, Integration, Selektion <strong>und</strong>Bündelung reduziert wird.‣ Auslassung: nicht inhaltstragende Textteile streichen‣ Generalisierung: inhaltstragende Teile auf eine einheitliche Sprachebeneübersetzen <strong>und</strong> in grammatikalische Kurzform bringen, dann dieGegenstände der Paraphrasen generalisieren <strong>und</strong> auf die definierteAbstraktionsebene bringen‣ Bündelung: Zusammenfassen von Paraphrasen mit ähnlichen Aussagen‣ Selektion: bedeutungsgleiche Paraphrasen streichen‣ Konstruktion, Integration: zusammenfassen von Paraphrasen mitunterschiedlicher Aussage zu einem Gegenstand oder mit gleichenAussagen zu unterschiedlichen GegenständenAnschließend werden die neuen Paraphrasen zu einem Kategoriensystemzusammengefasst. Das Kategoriensystem wird am Ausgangsmaterial überprüft<strong>und</strong> evtl. überarbeitet.18 vgl. Lamnek 1995, S.20816


8.2 ExplikationMit Hilfe der Explikation sollen fragliche <strong>und</strong> unverständliche Textteile erläutertwerden. Hierzu wird weiteres Material zur Erklärung an die betreffendenAussagen herangetragen.Zuerst wird die zu erklärende Textstelle bestimmt <strong>und</strong> versucht überlexikalische oder grammatikalische Prüfung zu klären. Danach wird festgelegtewoher das zusätzliche Material stammen soll. Hier gibt es die Möglichkeit dendirekten Textkontext hinzuzuziehen oder über den weiteren Textkontext eineKlärung zu finden, z.B. über Verfasser, Adressaten, kulturelles Umfeld. Ausdem zugefügten Material wird eine Paraphrase entwickelt, die dem Text stattder ursprünglichen Fassung zugefügt wird. Diese wird im Textkontextüberprüft.8.3 StrukturierungDie strukturierende Analyse soll „ eine bestimmte Struktur des Materialsherausfiltern“ 19 oder „ unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einenQuerschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgr<strong>und</strong>bestimmter Kriterien einzuschätzen.“ 20Zuerst werden die Merkmale festgelegt, nach denen das Material strukturiertwerden soll, z.B. Formalien, Inhalt, bestimmte Typen, Skalen. Danach werdenKategorien definiert <strong>und</strong> für jede Kategorie ein typisches Beispiel formuliert, diesogenannten Ankerbeispiele. Um eine eindeutige Zuordnung der Textteile zuden Kategorien zu ermöglichen müssen Kodierregeln aufgestellt werden.Diese regeln die Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien. Daserstellte System muss ebenfalls im Materialdurchlauf überprüft werden. Für dieErstellung von Kategorien gibt es folgende Regeln:‣ sie sollten erschöpfend sein‣ sie sollten sich gegenseitig ausschließen‣ der Abstraktionsgrad der Kategorien sollte zu dem untersuchtenGegenstand <strong>und</strong> der Fragestellung passen19 Zit aus:Mayring, 1999, S.7517


Stufe 9: InterpretationDie Ergebnisse der Analyse werden auf dem Hintergr<strong>und</strong> der vorhandenentheoretischen Erkenntnisse bewertet. Über eine fallübergreifende Generalisierungdes Einzelfalles durch den Forscher kommt es zu einer Gesamtdarstellung typischerFälle.Allgemein ist zu bemerken, dass mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse großeMengen an Material bewältigt werden können.6.3 Sozialwissenschaftlich- hermeneutische ParaphraseDie sozialwissenschaftlich - hermeneutische Paraphrase soll als ein Vertreter derwenig strukturierten Verfahren hier näher erläutert werden.Über eine hermeneutische Vorgehensweise soll durch dieses Verfahren diesubjektive Perspektive des Befragten/Beobachteten erarbeitet werden.Der Begriff der Hermeneutik wurde im ersten Teil dieses Referates bereitsvorgestellt. Im Bezug auf dieses Verfahren soll er das Vorverständnis, mit dem dieDeutung vorgenommen wird deutlich machen. Die Forscher bringen ihren gesamtenHintergr<strong>und</strong>, ihre persönlichen Erfahrungen, ihr Alltagsverständnis <strong>und</strong> ihrtheoretisches Wissen in die Analyse ein. Diese sollen im Analyseprozessschrittweise verändert werden. Der Begriff „sozialwissenschaftlich“ bedeutet indiesem Zusammenhang, dass das Hauptaugenmerk der Analyse auf der sozialenEingeb<strong>und</strong>enheit der Subjekte liegt.Im Analyseverfahren legen mehrere Forscher nach einer ersten Lesung desMaterials eine vorläufige Deutung vor. Diese wird im Plenum begründet <strong>und</strong>diskutiert. In der folgenden Überarbeitung werden die Faktoren, welche dieInterpretationen beeinflusst haben, systematisiert <strong>und</strong> gewichtet. Aus derentwickelten Fassung sollten die Kernaussagen identifiziert werden können, die dannmit dem Beobachteten/ Interviewten selbst kommuniziert <strong>und</strong> überprüft werden.20 Zit. aus: Mayring, 1999,S.5318


Diese Technik der Analyse ist geeignet für eine detaillierte Textinterpretation vonoffenem, wenig strukturiertem Material.Literatur:Brockhaus, Lexikon in einem Band, Leipzig 2000: Brockhaus Verlag, 9. AuflageDilthey, W., Die Entstehung der Hermeneutik in: Gesammelte Schriften V,Stuttgard/Göttingen 1957, 2. AuflageLamnek, S., Qualitative Sozialforschung Band 2, Weinheim: Beltz,Psychologie Verlags Union 1995, 3. AuflageMayring, P., Einführung in die qualitative Sozialforschung, Weinheim:Psychologie Verlags Union 1999, 4. AuflageMeyers großes Taschenlexikon, Mannheim/Leipzig/Wien/München 1992,4.AuflagePopper, K.R., Logik der <strong>Forschung</strong>, Tübingen 1984, 8. AuflageRennen-Althoff,B.; Schaeffer,D., Handbuch Pflegewissenschaft,Weinheim/München 200019

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